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BGH: Kein Anspruch aus Art. 15 DSGVO gegen private Krankenversicherung auf Abschriften von Beitragsanpassungsschreiben - Aber möglicherweise Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben

BGH
Urteil vom 27.09.2023
IV ZR 177/22


Der BGH hat entschieden, dass ein Versicherungsnehmer keinen Anspruch aus Art. 15 DSGVO gegen eine private Krankenversicherung auf Abschriften von Beitragsanpassungsschreiben hat. Ein solcher Anspruch kann sich aber möglicherweise aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben.


Die Pressemitteilung des BGH:
Zum Auskunftsanspruch über frühere Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Versicherungsnehmer aus Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch über zurückliegende Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung zustehen kann, wenn er in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist. Dagegen folgt aus Art. 15 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung - DSGVO) grundsätzlich kein Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben zu den Prämienanpassungen samt Anlagen.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit von Prämienanpassungen in seiner privaten Krankenversicherung. Mit der Klage hat er vom beklagten Versicherer unter anderem Auskunft über alle Beitragserhöhungen aus den Jahren 2013 bis 2016 durch Vorlage von Unterlagen verlangt, die Angaben zur Höhe der Beitragserhöhungen unter Benennung der jeweiligen Tarife, die ihm übermittelten Anschreiben mit Begründungen, die Nachträge zum Versicherungsschein sowie die Beiblätter enthalten. Diesen Antrag hat er im Rahmen einer Stufenklage gestellt, mit der er unter anderem die Feststellung, dass die noch genauer zu bezeichnenden Erhöhungen unwirksam seien, und die Zahlung eines nach Erteilung der Auskunft noch zu beziffernden Betrages verlangt hat.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil zum Teil abgeändert und die Beklagte unter anderem antragsgemäß zur Auskunftserteilung verurteilt. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten.

Die Entscheidung des Senats:

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Auskunftsklage zulässig ist. Zwar ist das Rechtsschutzbegehren als Stufenklage im Sinne des § 254 Zivilprozessordnung unzulässig, da es dem Kläger nicht um die Bezifferung eines Anspruchs, sondern um die Prüfung geht, ob überhaupt ein Anspruch besteht. Der Auskunftsantrag kann jedoch in eine von der Stufung unabhängige Klage umgedeutet werden. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft, da er sie benötigt, um zu prüfen, ob vergangene Beitragserhöhungen unwirksam waren und ihm daraus Rückzahlungsansprüche zustehen.

Einem Versicherungsnehmer kann aus Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch über zurückliegende Prämienanpassungen zustehen. Dieser Anspruch setzt zunächst voraus, dass ihm noch Rückzahlungsansprüche aufgrund früherer Prämienerhöhungen, falls diese unwirksam gewesen sein sollten, als Grund für das Auskunftsbegehren zustehen könnten. Darüber hinaus ist erforderlich, dass er nicht mehr über die betreffenden Unterlagen verfügt und sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise verschaffen kann. Wenn dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Gründe für diesen Verlust zu entscheiden, ob er in entschuldbarer Weise über sein Recht im Ungewissen ist. Die hierfür maßgebenden Umstände hat der Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen.

Dagegen folgt ein solcher Auskunftsanspruch grundsätzlich nicht aus Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO. Ein Anspruch auf eine Abschrift der gesamten Begründungsschreiben samt Anlagen lässt sich aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht herleiten, da es sich weder bei den Anschreiben selbst noch bei den beigefügten Anlagen jeweils in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers handelt. Aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ergibt sich nur ein Anspruch auf eine Kopie der Daten, zu denen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskunft zu erteilen wäre, aber grundsätzlich kein Anspruch auf Herausgabe von Kopien bestimmter Dokumente. Dazu hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 4. Mai 2023 (C-487/21, NJW 2023, 2253) entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 DSGVO den Gegenstand und den Anwendungsbereich des Auskunftsrechts und Art. 15 Abs. 3 DSGVO die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der Verpflichtung festlege; daher könne Art. 15 DSGVO nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Abs. 3 Satz 1 ein anderes Recht als das in seinem Abs. 1 vorgesehene gewähre.

Die Revision hatte auf dieser Grundlage zum Teil Erfolg und führte unter anderem zu einer Aufhebung des Berufungsurteils hinsichtlich der Auskunftsklage. Soweit das Berufungsgericht noch nicht alle Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben geprüft hat, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es dies nachholen kann.

Vorinstanzen:

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 7. April 2022 - 3 U 266/21

LG Gießen - Urteil vom 31. August 2021 - 2 O 545/20

Die maßgebliche Vorschriften lauten:

§ 254 ZPO

Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.

§ 242 BGB

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Art. 15 DSGVO

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:



(3) 1Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. …



BGH: Geltendmachung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. bei fehlender oder fehlerhafter Widerspruchsbelehrung kann gegen Treu und Glauben verstoßen

BGH
Urteil vom 19.07.2023
IV ZR 268/21
BGB §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 242
VVG vom 21. Juli 1994 § 5a Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass die Geltendmachung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. bei fehlender oder fehlerhafter Widerspruchsbelehrung gegen Treu und Glauben verstoßen kann.

Leitsätze des BGH:
a) Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteile vom 24. Februar 2022, u.a. [Unit-Linked-Versicherungsverträge], C-143/20 und C-213/20,EU:C:2022:118 = NJW 2022, 1513; vom 9. September 2021, Volkswagen
Bank u.a., C-33/20, C-155/20 und C-187/20, EU:C:2021:736 = NJW 2022, 40; vom 19. Dezember 2019, Rust-Hackner u.a., C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, EU:C:2019:1123 = NJW 2020, 667) daran fest, dass die Geltendmachung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG (hier in der Fassung vom 21. Juli 1994) auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung ausnahmsweise Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen und damit unzulässig sein kann, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind (Fortführung des Senatsurteils vom 15. März 2023 - IV ZR 40/21,
VersR 2023, 631 Rn. 21).

b) Zum Einwand von Treu und Glauben ist keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union geboten (Fortführung des Senatsurteils vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21, r+s 2023, 298 Rn. 27 ff.).

BGH, Urteil vom 19. Juli 2023 - IV ZR 268/21 - OLG Karlsruhe in Freiburg - LG Freiburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: Auskunft nach Art. 15 DSGVO muss nicht aus Gründen gemäß 63. Erwägungsgrund verlangt werden - keine kostenlose Kopie vollständiger Patientenakte

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 20.04.2023
C‑307/22


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch aus Auskunft bzw. Überlassung von Kopien nach Art. 15 DSGVO nicht zwingend aus Gründen gemäß 63. Erwägungsgrund der DSGVO verlangt werden muss, sondern auch zu datenschutzfremden Zwecken begehrt werden kann. Einen Anspruch auf kostenlose Überlassung der vollständigen Kopie einer Patientenakte besteht jedoch nicht.

Aus den Schlussanträgen:
Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesgerichtshof (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 12 Abs. 5 und Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass der Verantwortliche verpflichtet ist, der betroffenen Person eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen, und zwar auch dann, wenn die betroffene Person die Kopie nicht für die im 63. Erwägungsgrund der DSGVO genannten Zwecke, sondern für einen anderen, datenschutzfremden Zweck beantragt.

Eine nationale Regelung, die von Patienten, die Kopien ihrer in Patientenakten enthaltenen personenbezogenen Daten beantragen, verlangt, dass sie den Ärzten die entstandenen Kosten erstatten, ist nach Art. 23 Abs. 1 DSGVO zulässig, sofern die Beschränkung des Auskunftsrechts unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Hinblick auf die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der unternehmerischen Freiheit der Ärzte erforderlich und verhältnismäßig ist. Das nationale Gericht hat insbesondere zu prüfen, ob die Kosten, deren Erstattung die Ärzte von den Patienten verlangen können, strikt auf die tatsächlich anfallenden Kosten beschränkt sind.

Der Ausdruck „eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“, in Art. 15 Abs. 3 DSGVO kann im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht dahin ausgelegt werden, dass er der betroffenen Person ein allgemeines Recht darauf gewährt, eine vollständige Kopie aller in ihrer Patientenakte enthaltenen Dokumente zu erhalten. Jedoch hat der Verantwortliche der betroffenen Person bestimmte Dokumente teilweise oder vollständig in Kopie zur Verfügung zu stellen, wenn dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die übermittelten Daten verständlich sind und dass die betroffene Person in der Lage ist, zu überprüfen, ob die übermittelten Daten vollständig und richtig sind.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

BGH: Ausübung des Widerrufsrechts nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. kann bei einem geringfügigen Belehrungsfehler gegen Treu und Glauben verstoßen

BGH
Urteil vom 15.02.2023
IV ZR 353/21
BGB § 242; VVG § 5a Abs. 1 Satz 1 a.F.


Der BGH hat entschieden, dass die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. bei einem geringfügigen Belehrungsfehler gegen Treu und Glauben verstoßen kann.

Leitsatz des BGH:
Die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. (hier: Fassung vom 13. Juli 2001) verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, durch den dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (hier: Schriftform statt Textform).

BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21 - Kammergericht LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Celle: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO ist nicht zweckgebunden und muss nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen geltend gemacht werden

OLG Celle
Urteil vom 14.12.2022
8 U 165/22


Das OLG Celle hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht zweckgebunden ist und nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen geltend gemacht werden muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Auskunftsklage ist auch begründet. Entgegen der vom Landgericht und der Beklagten vertretenen Auffassung steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO zu.

Nach Erwägungsgrund 63 Satz 1 der DS-GVO dient das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck, sich der Verarbeitung (zum Begriff vgl. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO; zu dem vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung erfassten Bereich der Verarbeitung vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 6 DS-GVO) bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19).

Entscheidend für das Bestehen eines Auskunftsanspruchs ist daher, ob die von der Beklagten dem Kläger anlässlich der Beitragsanpassungen übersandten Nachträge zum Versicherungsschein Informationen nach diesen Kriterien enthalten (vgl. BGH, a.a.O.).

Gemäß Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Diese Definition besitzt einen weiten Anwendungsbereich. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, wenn sie denn nur die in Rede stehende Person betreffen. Letzteres ist der Fall, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 zu Art. 2 Buchst. a der RL 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995; BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19).

Schreiben des Versicherers an den Versicherungsnehmer sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen. Die personenbezogene Information besteht bereits darin, dass sich die Beklagte dem Schreiben gemäß geäußert hat (vgl. BGH, a.a.O.).

Auch im vorliegenden Fall sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO Gegenstand des Auskunftsanspruchs. Die anlässlich der Beitragsanpassungen von der Beklagten an den Kläger übersandten Nachträge zum Versicherungsschein hatten den konkreten, zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zum Gegenstand und gestalteten diesen inhaltlich teilweise neu. Auch die anlässlich der Beitragsanpassung übersandten Mitteilungsschreiben unterfallen in ihrer Gesamtheit dem Begriff der personenbezogenen Daten (vgl. BGH, a.a.O.).

Bei dem Auskunftsantrag des Klägers handelt es sich auch nicht um einen offenkundig unbegründeten oder exzessiven Antrag im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO. In der Verordnung findet sich als Regelbeispiel für die Annahme eines exzessiven Antrags der Fall von häufiger Wiederholung. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil der Kläger mit seiner Klage die erstmalige Erteilung einer Kopie der maßgeblichen Unterlagen begehrt. Unmaßgeblich ist auch die Motivationslage des Klägers, weil die Verordnung den Auskunftsanspruch nicht von einer bestimmten Zielsetzung des Anspruchsinhabers abhängig macht und dementsprechend der Antrag auf Auskunftserteilung auch nicht begründet werden muss (vgl. BGH, EuGH-Vorlage vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20; OLG Köln, Urteil vom 13. Mai 2022 - 20 U 198/21; juris Simitis/Hornung/Spiecker, DS-GVO mit BDSG, Art. 15 DS-GVO, Rn. 11; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022; DS-GVO Art. 15, Rn. 85).

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren behauptet, der Kläger sei noch im Besitz der ihm ursprünglich übermittelten und nunmehr streitgegenständlichen Informationen (Bl. 143 d. A.), steht das einem Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO nicht entgegen. Für den von ihr erhobenen Einwand hat die Beklagte bereits keinen Beweis angeboten. Unabhängig hiervon besteht der auf Art. 15 DS-GVO gestützte Auskunftsanspruch auch dann, wenn der Betroffene bereits über die geforderten Informationen verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19; VG Schwerin, Urteil vom 29. April 2021 - 1 A 1343/19 SN; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022; DS-GVO Art. 15, Rn. 52.3).

Einem auf Art. 15 DS-GVO gestützten Auskunftsanspruch steht auch nicht entgegen, dass die entsprechende Verordnung gemäß Art. 99 Abs. 2 DS-GVO erst am 25. Mai 2018 in Kraft getreten ist, während sich der Auskunftsanspruch des Klägers auf solche Informationen bezieht, die zu einem früheren Zeitpunkt erhoben und gespeichert wurden. Insoweit findet sich in der Verordnung bereits keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung des Auskunftsanspruchs, was für einen unbeschränkten Auskunftsanspruch auch im Hinblick auf solche Informationen spricht, die vor dem 25. Mai 2018 erhoben und/oder gespeichert wurden. Darüber hinaus dient die Verordnung gemäß Art. 1 Abs. 2 DS-GVO dem Schutz der Grundrechte und der Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Ein solcher Schutz würde aber weitgehend leerlaufen, wenn er sich nur auf Informationen erstrecken würde, die nach dem 25. Mai 2018 erhoben wurden. Hierfür spricht auch, dass die Vorgängerverordnung 95/46/EG mit Wirkung vom 25. Mai 2018 aufgehoben wurde und etwaige Auskunftsansprüche hierauf nicht mehr gestützt werden können. Weiter handelt es sich jedenfalls bei dem Akt der Datenspeicherung um eine fortlaufende Datenverarbeitung, die unter der Voraussetzung einer nicht bereits zuvor erfolgten Löschung - auch über den 25. Mai 2018 hinaus andauert und damit spätestens ab diesem Zeitpunkt dem Anwendungsbereich von Art. 15 DS-GVO unterfällt (vgl. Kühling/Buchner; Datenschutz-Grundverordnung/BDSG, 2. Aufl., Art. 15, Rn. 8).

Der dem Kläger gegen die Beklagte zustehende Auskunftsanspruch ist nicht verjährt. Ob eine Verjährung des nebenvertraglichen Auskunftsanspruchs bzw. des Anspruchs gemäß Art. 15 DS-GVO überhaupt möglich ist und nach welchen Vorschriften sie sich ggf. richtet, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn selbst wenn der Auskunftsanspruch wie der auf § 242 BGB gestützte Auskunftsanspruch selbstständig und unabhängig nach der allgemeinen Frist des § 195 BGB verjähren sollte (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2020 - III ZR 136/18; BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 - VI ZR 222/16), so könnte er aber jedenfalls nicht vor dem Hauptanspruch verjähren, dem er dient (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2020, a.a.O.; BGH, Urteil vom 25. Juli 2017, a.a.O.). Im vorliegenden Fall kann eine Verjährung sämtlicher, auf eine ggf. unwirksame Beitragsanpassung beispielsweise im Jahr 2013 gestützten Leistungsansprüche auch für die Zeit nach dem 1. Januar 2018 aber nicht festgestellt werden.

Inhaltlich ist der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO auf die Übersendung einer Datenkopie gerichtet. Dabei beschränkt sich der Anspruch nicht auf die Übermittlung von Informationen, die der von der Datenspeicherung betroffenen Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zustehen. Der Senat folgt insoweit vielmehr der in der Rechtsprechung und der Literatur vertretenen extensiven Auslegung von Art. 15 DS-GVO (vgl. OLG München, Urteil vom 4. Oktober 2021 - 3 U 2906/20; OVG Munster, Urteil vom 8. Juni 2021 - 16 A 1582/20; LAG Baden-Württemberg, Urteile vom 17. März 2021 - 21 Sa 43/20 - und vom 20. Dezember 2018 - 17 Sa 11/18; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022, DS-GVO Art. 15, Rn. 85; Schaffland/Holthaus, Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)/Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), Werkstand: 11. Ergänzungslieferung 2022; Artikel 15, Rn. 44b; a. A. Franzen in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl., EU (VO) 2016/679 Art. 15; Rn. 5; Paal in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., DS-GVO Art. 15, Rn. 33a). Danach hat der Auskunftspflichtige die personenbezogenen Daten grundsätzlich in der Rohfassung zu übermitteln, in der sie bei ihm gespeichert sind. Denn Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt insoweit eine eigenständige und von Art. 20 DS-GVO unabhängige Anspruchsgrundlage dar (vgl. Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022, DS-GVO Art. 15, Rn. 85).

Hieraus folgt zugleich, dass der Kläger auch eine Kopie von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein verlangen kann, wenn sie denn als solche (und nicht nur deren reiner Informationsinhalt) bei der Beklagten gespeichert sind.

Sollte der Inhalt etwa eines Versicherungsscheins sowohl in der Form des Versicherungsscheins als auch in Gestalt lediglich der im Versicherungsschein enthaltenen Informationen gespeichert sein, sind von der Beklagten grundsätzlich beide Datensätze in Gestalt einer Datenkopie herauszugeben. Denn anderenfalls kann der Kläger die mit dem Auskunftsanspruch bezweckte Überprüfung einer ordnungsgemäßen Verarbeitung (aller!) von der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten nicht sinnvoll ausüben.

Demgegenüber kann Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO kein gegen den Auskunftspflichtigen gerichteter Anspruch entnommen werden, die übermittelten Rohdaten zusätzlich aufzubereiten, damit diese von der betroffenen Person verwendet werden können. Das folgt bereits aus der Zielrichtung des Auskunftsanspruchs, den Berechtigten von einer Verarbeitung der ihn betreffenden Daten zu informieren und ihm die Gelegenheit geben, die Verarbeitung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. VG Schwerin, Urteil vom 29. April 2021 - 1 A 1343/19 SN; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022, DS-GVO Art. 15, Rn. 2). Dieses Informationsbedürfnis kann aber nur durch Übersendung der Dateien in der Gestalt erfüllt werden, in der sie beim Auskunftspflichtigen auch gespeichert sind. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn der Auskunftsberechtigte nur durch eine entsprechende Aufbereitung den Inhalt der gespeicherten Informationen zur Kenntnis nehmen könnte (vgl. Schaffland/Holthaus, a.a.O.; Schmidt-Wudy, a.a.O., Rn. 85).

Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht gegen die extensive Auslegung von Art. 15 DS-GVO auch nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Juli 2014 - C-141/12 und C-372/12. Zwar hat das Gericht entschieden, dass die betroffene Person keinen Anspruch auf die Kopie eines Dokuments oder einer Originaldatei habe, wenn das mit dem Auskunftsrecht angestrebte Ziel durch eine andere Form der Mitteilung vollständig erreicht werden könne. Allerdings bezieht sich die Entscheidung des Gerichts nicht auf Art. 15 DS-GVO, sondern auf Art. 12 Lit. a) der RL 95/46/EG. Diese sah anders als Art. 15 Abs. 3 DS-GVO aber kein Recht auf eine Datenkopie vor, sondern lediglich einen Anspruch auf unter anderem eine "Mitteilung in verständlicher Form über Daten" (vgl. auch Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022, DS-GVO Art. 15, Rn. 85).

[...]

3. Der Senat hat zu D.2. die Revision sowohl wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen. Ob ein Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO zweckgebunden ist oder unabhängig von der hiermit verbundenen Zielrichtung erhoben werden kann, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. So wird teilweise die Auffassung vertreten, dass Zielrichtung der vom Versicherungsnehmer begehrten Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DS-GVO ausschließlich sein dürfe, sich der Verarbeitung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 29. März 2022 - 4 U 1905/21; OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022 - 8 U 2907/21; OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2021 - 20 U 269/21).

Darüber hinaus besitzt die Frage einer Zweckgebundenheit des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DS-GVO aber auch grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (bzw. bereits stellt) und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2022 - 1 BvR 832/21, 1 BvR 1258/21). Ebenfalls von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, welchen Umfang der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO besitzt und ob der Anspruch auf Übermittlung einer Datenkopie die Übermittlung sämtlicher beim Versicherer gespeicherter Daten umfasst.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Braunschweig: Zur Abgrenzung von zulässiger Schnäppchenjagd und rechtsmissbräuchlicher Abbruchjagd bei eBay - Umstände des Einzelfalls entscheidend

OLG Braunschweig
Urteil vom 13.10.2022
7 U 593/20


Das OLG Braunschweig, hat sich in dieser Entscheidung mit der Abgrenzung von zulässiger Schnäppchenjagd und rechtsmissbräuchlicher Abbruchjagd bei eBay befasst. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erfüllung noch auf Schadensersatz. Hierbei kann es letztlich offenbleiben, ob zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen ist und – falls ja – dem Beklagten die Erfüllung unmöglich geworden ist. Einem etwaigen Anspruch der Klägerin steht nämlich der Einwand des Rechtsmissbrauches entgegen, § 242 BGB.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten eines Bieters bei Internetauktionen in Betracht kommen, wenn seine Absicht von vornherein nicht auf den Erfolg des Vertrages, sondern auf dessen Scheitern gerichtet ist, er also den angebotenen Gegenstand gar nicht erwerben will, sondern auf den Abbruch der Auktion abzielt, um daraufhin Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Ob ein solches als „Abbruchjagd“ bezeichnetes Verhalten vorliegt, lässt sich nicht nach abstrakten, verallgemeinerungsfähigen Kriterien bestimmen, sondern hängt vielmehr von der dem Tatrichter obliegenden Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände ab (vgl. BGH NJW 2019, 2475 Rdn. 24 u. 25).

Die Abgrenzung zwischen einer zulässigen „Schnäppchenjagd“ und einer rechtsmissbräuchlichen „Abbruchjagd“ ist danach sehr schwierig, so dass der Vollständigkeit des Parteivortrages (vgl. § 138 Abs. 1 ZPO) eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Dieser darf sich daher nicht auf die schlichte Abgabe des Gebotes beschränken, sondern muss sich ggf. auch auf weitere Aspekte der Nutzung von Internet-Auktionen erstrecken, wozu u. a. die Auswahl von Angeboten, aber auch die Beobachtung von Anbietern gehört. Steht die Behauptung im Raum, ein Nutzer trete nur als „Strohmann“ für einen gesperrten „Abbruchjäger“ auf, ist auch insoweit Vortrag zum Nutzungsverhalten der beteiligten Personen erforderlich. Hierbei hat der Käufer, dem eine „Abbruchjagd“ vorgeworfen wird, eine sekundäre Darlegungslast. Eine solche sekundäre Darlegungslast trifft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat auch insoweit anschließt, den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Die sekundäre Darlegungslast führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Genügt der Gegner aber seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des primär Darlegungsbelasteten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BGH NJW 2020, 1962 Rdn. 37).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin lediglich eine „Strohfrau“ ihres bei Ebay gesperrten Bruders … sei, der als sogenannter „Ebay-Abbruchjäger“ handele. Dieser Vortrag war auch beachtlich, denn im Hinblick auf die vom Beklagten in der Klagerwiderung bereits angeführten Indizien kann seine Behauptung nicht als willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ (vgl. dazu BGH BeckRS 2022, 1468 Rdn. 18) aufgestellt angesehen werden. Folglich hatte sich die Klägerin zu diesem Vortrag zu äußern. Da es dem Beklagten naturgemäß nicht möglich ist, Angaben dazu zu machen, nach welchen Kriterien die Klägerin bzw. ihr Bruder … Angebote abgibt, in welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung Anbieter beobachtet werden (insbesondere im Hinblick auf Indizien für unberechtigte Abbrüche) und inwieweit das eigene Bieterverhalten davon abhängig gemacht wird, trifft die Klägerin insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Dies gilt auch zu den Umständen des konkreten Kaufes und zur Nutzung des Accounts der Klägerin durch Dritte, die selbst bei Ebay gesperrt sind, da dies Aspekte zu einem etwaigen „Strohmannverhältnis“ betreffen und vom Beklagten nicht recherchiert werden können. Das Oberlandesgericht Schleswig hat sich in seinem Urteil vom 23.8.2021 (Az. 16 U 119/20) umfassend mit den Fragen der „Ebay-Abbruchjagd“ und der Umgehung des eigenen Ausschlusses von Ebay durch Nutzung eines fremden Accounts auseinandergesetzt. Diese Entscheidung betrifft, wie der Klägervertreter bestätigt hat, die hiesige Klägerin und ihren Bruder. Letzterer hatte vor dem Oberlandesgericht Schleswig eingeräumt, monatlich auf 300 bis 350 Artikel, in der Regel in den Segmenten hochpreisiger Uhren und Autos, geboten zu haben und dies durchaus in der Hoffnung getan zu haben, dass der Anbieter die Auktion ungerechtfertigt abbreche oder in sie eingreife, was die Möglichkeit biete, entweder Schadensersatz oder Erfüllung zu einem weit unter dem Markpreis liegenden Preis zu verlangen. Auch hatte der Bruder der Klägerin vor dem OLG Schleswig beiläufig erklärt, zur Steigerung der Wahrscheinlichkeit eines derartigen unerlaubten Verkäuferverhaltens die Bieterhistorien auf derartige Vorgänge oder andere Auffälligkeiten zu beobachten (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 23. August 2021 – 16 U 119/20 –, Rdn. 54, juris).

Da dem Beklagten zu derartigen Handlungen kein eigener Vortrag möglich ist und somit von einer sekundären Darlegungslast der Klägerin auszugehen war, war ihr persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung am 6.9.2022 angeordnet worden. In diesem Termin ist die Klägerin jedoch absichtlich nicht erschienen. Der Klägervertreter hat dazu auf Frage des Senats angegeben, dass die Klägerin davon ausgehe, dass ihr Vortrag ausreichend sei. Eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin ist von ihm verneint worden.

Da der Senat aber nach dem vorstehend Ausgeführten gerade von einer solchen sekundären Darlegungslast ausgeht und der erforderliche Vortrag der Klägerin ausgeblieben ist, ist die Behauptung des Beklagten, die Klägerin handele als „Strohfrau“ ihres als „Abbruchjäger“ tätigen Bruders, als zugestanden anzusehen. Dann aber ist das Verhalten der Klägerin als rechtsmissbräuchlich anzusehen (vgl. auch OLG Schleswig, Urteil vom 23. August 2021 – 16 U 119/20 –, Rdn. 43, juris), so dass die Klägerin keine Erfüllung verlangen kann.

Folglich bestehen auch keine Schadensersatzansprüche und Ansprüche auf Erstattung von außergerichtlichen Anwaltskosten.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 23.9.2022 gibt keinen Anlass, wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten. Soweit es dort heißt, dass sich aus den Ausführungen des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht habe entnehmen lassen, ob zu irgendwelchen weiteren Gesichtspunkten noch weiterer Sachvortrag erforderlich sein könnte, und dass der Senat [nur] recht allgemein die sekundäre Darlegungslast der Klägerin sowie die Entscheidung des OLG Schleswig angesprochen habe, trifft dies nicht zu. Die Problematik ist vom Senat eingehend dargestellt worden, jedoch war der Klägervertreter nicht in der Lage, nähere Angaben zu machen. Dies ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2022, wonach der Klägervertreter erklärt hat, zum konkreten Fall und insbesondere auch dazu, von welchem Computer die Gebote abgegeben worden seien, nichts sagen zu können. Er hat dann lediglich wiederholt, dass es sich bei der Klägerin um eine leidenschaftliche Schnäppchenjägerin handele. Musste der Klägervertreter aber in der mündlichen Verhandlung feststellen, Fragen des Senats zum Sachverhalt nicht beantworten zu können, so konnte er noch im Termin erkennen, dass der Senat noch weiteren Vortrag für erforderlich hielt. Auch hat er im Termin nicht etwa um Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gebeten, sondern ist bei seiner Rechtsauffassung geblieben.

Wie sich ferner aus dem Protokoll ergibt, hat der Klägervertreter sogar eingeräumt, dass der Klägerin möglicherweise auch bewusst gewesen sei, dass sie zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen sollte. Sie sei aber nicht erschienen, weil sie davon ausgegangen sei, dass schon ausreichend vorgetragen sei (vgl. Seite 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2022, Bl. 297 d. A.). Folglich ist von Klägerseite bewusst das Risiko eingegangen worden, dass der eigene Vortrag nicht ausreichen könnte. Der neue Tatsachenvortrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 23.9.2022 war daher nicht mehr zu berücksichtigen, § 296a ZPO.

Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 23.9.2022 die Auffassung vertritt, dass eine „Strohfraueigenschaft“ nicht ausreiche, um einen Rechtsmissbrauch anzunehmen, und dazu auf Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG Hamm verweist, geht auch der Senat nicht etwa davon aus, dass jedes Bieten eines „Strohmannes“ für eine andere Person als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Ein Rechtsmissbrauch ist jedoch dann gegeben, wenn ein „Abbruchjäger“ formal nicht selbst auf „Abbruchjagd“ geht, sondern dafür einen Dritten vorschiebt. Genau dies war aber der Beklagtenvortrag, zu dem die Klägerin eine (von ihr nicht erfüllte) sekundäre Darlegungslast traf.

Dass der Einwand unzulässiger Rechtsausübung eingreifen kann, wenn sich feststellen lässt, dass es dem Teilnehmer an der Auktion nicht um den erfolgreichen Abschluss eines Kaufgeschäftes, sondern um die „Generierung“ von Schadensersatzansprüchen geht, wird vom Kammergericht und vom OLG Hamm in den von der Klägerin genannten Entscheidungen nicht etwa in Abrede gestellt, sondern ebenfalls bejaht (vgl. KG Beschl. v. 14.4.2020 – 18 U 19/19, BeckRS 2020, 9312 Rdn. 20; OLG Hamm Urt. v. 30.7.2020 – I-34 U 125/19, BeckRS 2020, 18650 Rdn. 68) und entspricht auch der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

Auch die Tatsache, dass die Klägerin zunächst Erfüllung des Vertrages verlangt hat, die Klage also nicht von vornherein auf Schadensersatz gerichtet war, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie bereits ausgeführt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Frage, ob eine „Abbruchjagd“ vorliegt, nicht nach abstrakten, verallgemeinerungsfähigen Kriterien zu beantworten. Es ist vielmehr eine dem Tatrichter obliegende Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände vorzunehmen. Daher kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass hinter einer auf Erfüllung gerichteten Klage keine „Abbruchjagd“ steht. Abgesehen davon, dass ein „erfahrener Abbruchjäger“ dann bereits aus taktischen Gründen regelmäßig zunächst Erfüllung verlangen und erst später im Wege einer zulässigen Klageänderung auf Schadensersatz übergehen würde, ist zu berücksichtigen, dass eine „Abbruchjagd“ auch dann wirtschaftlich attraktiv sein kann, wenn der vom Verkäufer zu leistende Gegenstand für den Käufer/„Abbruchjäger“ einfach zu verwerten ist. Kann eine „Abbruchjagd“ aber gerade nicht schematisch an fixen Kriterien festgestellt werden, sind die einzelnen Umstände, Hintergründe und Details wichtig, da nur dann eine wirkliche Gesamtwürdigung möglich ist. Dies setzt aber voraus, dass der Sachverhalt umfassend vorgetragen wird, weshalb der sekundären Darlegungslast eine besondere Bedeutung zukommt. Diese ihr obliegende sekundäre Darlegungslast hat die Klägerin jedoch – wie bereits ausgeführt – nicht erfüllt.


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LG Kassel: Rechtsmissbrauch wenn Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO nicht aus vom Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen verlangt wird

LG Kassel
05.07.2022
5 O 1954/21

Das LG Kassel hat entschieden, dass es rechtsmissbräuchlich ist, wenn Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO nicht aus vom Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen verlangt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
a) Der Auskunftsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 15 DS-GVO.

Zum einen handelt es sich bei den Tarifprämien weder um personenbezogene Daten im Sinne dieser Vorschrift noch hat die Vorschrift ohnehin nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen. Insoweit macht sich das Gericht die folgenden überzeugenden Ausführungen des OLG München Hinweisbeschluss v. 24.11.2021 – 14 U 6205/21, BeckRS 2021, 40311 Rn. 36-50 zu eigen:

4.2.1 Die Tarifprämien sind keine personenbezogenen Daten im Sinne dieser Vorschrift.

Entgegen Berufungsbegründung Seite 19 dokumentieren sie nämlich nicht „den individualisierten Versicherungsschutz der versicherten Personen unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands“, sondern geben lediglich Aufschluss darüber, welcher Preis die durch den Versicherungsvertrag verwirklichte Vorsorge dieser Person hat. Was die Person für die Versicherungsleistung ausgibt, ist nicht unter die personenbezogenen Daten zu rechnen. Wenn „die Kalkulation der Beitragshöhe für jeden Tarifindivduell“ erfolgt, so macht das die Prämienhöhe noch nicht zu einer Angabe die die Identifizierung einer bestimmten Person ermöglicht.

Ob im Falle einer Änderung von Risikozuschläge, die unmittelbar an Vorerkrankungen oder vorhergegangenen Gesundheitsprüfungen anknüpfen, eine personenbezogene Angabe Vorlage (Berufungsbegründung Seite 19 unten) kann hier offenbleiben, da nicht vorgetragen ist, dass es sich im Einzelfall so verhielte.

Die Angabe, welche Prämien ein Versicherungsnehmer (auch in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren) bezahlt hat, hat nicht dieselbe Qualität, wie sie die Berufungsbegründung (Seite 20 oben) zum Vergleich heranziehen will („Angaben zum Versicherungskonto, Gesprächsnotizen und Telefonvermerke, regulierte Leistungen, eingereichte Rezepte und Rechnungen gespeicherte Korrespondenz“).

4.2.2 Von all dem abgesehen ist Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht die büromäßig strukturierte Aufarbeitung von Unterlagen des Versicherungsnehmers für diesen durch den Versicherer mit dem Ziel, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, wenn er seine Unterlagen nicht aufbewahrt hat.

Sondern die DSGVO bezweckt eine effektive Kontrolle des jeweils Betroffenen darüber welche Daten der Verantwortliche besitzt und was damit weiter geschieht, Art. 15 Abs. 3 DSGVO hat zwar auch die Durchsetzung von Rechten der betroffenen Person im Auge, jedoch betrifft das nicht vermögensrechtliche Ansprüche, sondern durch das Auskunftsrecht sollen persönliche Rechte aus dem 3. Abschnitt unterstutzt werden, beispielsweise Löschungsansprüche.

Selbst wenn man dies anders beurteilen würde, so stünde der Beklagten aus Art. 12 Abs. 5 s. 2 b) DS-GVO ein Weigerungsrecht zu, da es sich um einen rechtsmissbräuchlichen Antrag handelt. Aus Erwägungsgrund 63 S. 1 DS-GVO dient das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2021, VI ZR 576/19). Um ein derartiges Bewusstwerden zum Zweck der Überprüfung datenschutzrechtlicher Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber bereits nach eigenem Vorbringen nicht. Vielmehr geht es diesem – wie bereits dargelegt – ausschließlich darum, die von der Beklagten vorgenommenen Prämienanpassungen auf mögliche formeller oder auch materielle Mängel hin überprüfen zu können. Eine derartige Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber gerade nicht umfasst (vgl. nur OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 15.11.2021 - 20 U 269/21; nunmehr auch OLG Dresden, a.a.O.).

b) Auch aus § 242 BGB ergibt sich kein Auskunftsanspruch.

Ein aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben wurzelnder Auskunftsanspruch setzt voraus, dass die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang eines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtet in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (vgl. BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 268/11). Daran fehlt es hier jedoch.


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BGH: Zur Reichweite urheberrechtlicher Auskunftsansprüche von Verwertungsgesellschaften

BGH
Urteil vom 28.07.2022
I ZR 141/20
Elektronischer Pressespiegel II
UrhG § 16 Abs. 1, §§ 19a, 31, 44a, 97, 101a; BGB § 242


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Reichweite urheberrechtlicher Auskunftsansprüche von Verwertungsgesellschaften befasst.

Leitsätze des BGH:
a) Ein allgemeiner Auskunftsanspruch, der auf die Ausforschung der tatsächlichen Grundlagen
und Beweismittel für etwaige Ansprüche gerichtet ist, besteht nicht. Der auf spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen wie § 19 MarkenG oder § 101 UrhG gestützte Auskunftsanspruch
ist ebenso wie der aus § 242 BGB hergeleitete Auskunftsanspruch seinem Inhalt nach vielmehr grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall, das
heißt über die konkrete Verletzungshandlung einschließlich solcher Handlungen beschränkt,
die ihr im Kern gleichartig sind. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung besteht nicht auch über
mögliche andere Verletzungsfälle, da dies darauf hinausliefe, unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweislastregeln der Ausforschung Tür und Tor zu öffnen (Bestätigung der
st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 [juris
Rn. 21] - Restwertbörse II).

b) Der vom Bundesgerichtshof einer Verwertungsgesellschaft zugebilligte weitergehende Anspruch auf sogenannte Grundauskunft, der nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausnahmsweise auch dann bestehen kann, wenn der Kläger in entschuldbarer Weise nicht nur über den Umfang, sondern auch über das Bestehen seines Rechts im Ungewissen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1985 - I ZR 53/83, BGHZ 95, 274 [juris Rn. 34] - GEMA-Vermutung I; Urteil vom 13. Juni 1985 - I ZR 35/83, BGHZ 95, 285 [juris Rn. 15] - GEMA-Vermutung II), liegt in den Besonderheiten begründet, die die Rechtsdurchsetzung durch Verwertungsgesellschaften kennzeichnen. Eine entsprechende Anwendung zugunsten von Rechtsinhabern, die über eine große Anzahl an gleichartige Werke betreffenden Rechten verfügen, von denen nachweisbar mehrere Werke von dem Verletzer unerlaubt verwendet worden sind, kommt nicht in Betracht.

BGH, Urteil vom 28. Juli 2022 - I ZR 141/20 - OLG Hamburg - LG Hamburg

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OLG Köln: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO ist nicht teleologisch einschränkend auszulegen und kann nicht nur aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO geltend gemacht werden

OLG Köln
Urteil vom 22.05.2022
20 U 198/21


Das OLG Köln hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht teleologisch einschränkend auszulegen ist und nicht nur aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO geltend gemacht werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
bb. Der Auskunftsanspruch ergibt sich jedoch – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - aus Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO.

Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat jede betroffene Person, nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO also jede durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte Person, das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie u. a. ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO hat der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.

Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO ist dabei weit gefasst (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris; vgl. dazu auch unser Urteil vom 26.07.2019 in der Sache 20 U 75/18). Er ist insbesondere nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris). Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris). Nicht erforderlich ist, dass es sich um „signifikante biografische Informationen“ handelt, die „im Vordergrund“ des fraglichen Dokuments stehen (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris).

Der BGH hat im Rahmen seines Urteils vom 15.06.2021 (Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris) ausdrücklich klargestellt, dass insbesondere weder Daten des Versicherungsscheins noch die zurückliegende Korrespondenz von Versicherungsnehmer und Versicherer kategorisch vom Anwendungsbericht des Art. 15 DS-GVO ausgeschlossen sind. Die Schreiben des Versicherers an den Versicherungsnehmer sollen dem Auskunftsanspruch vielmehr insoweit unterfallen, als sie Informationen über den Versicherungsnehmer nach den dargestellten Kriterien enthalten.

Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin Auskunft über die Höhe der Beitragserhöhungen in den Jahren 2011 bis 2016 unter Benennung der jeweiligen Tarife durch Zurverfügungstellung der hierzu übermittelten Informationen in Form von Anschreiben, Nachträgen zum Versicherungsschein sowie der zum Zwecke der Beitragserhöhungen übermittelten Begründungen sowie Beiblätter.

Unproblematisch mit der Person des Versicherungsnehmers verknüpft sind die Nachträge zu dem Versicherungsschein; denn aus diesen ergibt sich, in welchem Inhalt und zu welchen Konditionen für den Versicherungsnehmer bei dem Versicherer Versicherungsschutz besteht.

Auch die hierzu übersandten Anschreiben weisen die erforderliche Verknüpfung auf; denn regelmäßig ergibt sich aus diesen (anderes trägt auch die Beklagte nicht vor), dass der Versicherungsnehmer unter einem bestimmten Datum von einer Änderung in Bezug auf seinen Versicherungsvertrag in Kenntnis gesetzt worden ist. Sie stellen regelmäßig zugleich Begründungsschreiben nach § 203 Abs. 5 VVG dar, für die die Verknüpfung daraus folgt, dass diesen zu entnehmen ist, dass und inwieweit Änderungen aus welchen Gründen in einem für den Versicherungsnehmer bestehenden Tarif erfolgt sind.

Die erforderliche Verknüpfung ist schließlich auch für mit den Begründungsschreiben etwa auch übermittelte Beiblätter zu bejahen. Regelmäßig enthalten die Beiblätter zwar – wie die Beklagte vorträgt und wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren aus eigener Anschauung bekannt ist – keine konkret auf den Vertrag des jeweiligen Versicherungsnehmers oder dessen Person bezogene Informationen. Diese werden vielmehr identisch einer unbestimmten Vielzahl von Versicherungsnehmern übersandt. Die erforderliche Verknüpfung ergibt sich aber aus dem Umstand, dass diese Beiblatt zu dem jeweiligen Begründungsschreiben waren und damit Teil der mitgeteilten Begründung – hinreichend oder nicht – für die Beitragsanpassung sind. Dies gilt vor allem – aber nicht nur dann – wenn die Beiblätter in dem jeweiligen Anpassungsschreiben ausdrücklich in Bezug genommen werden.

Ob die entsprechenden Informationen dem Versicherungsnehmer bereits bekannt sind (was hier unterstellt werden kann, da die ursprüngliche Übersendung durch die Klägerin nicht bestritten wird) und ob dieser die Unterlagen noch hat oder entschuldbar nicht mehr hat, ist insoweit irrelevant. Denn der BGH hat klargestellt, dass der Umstand, dass Schreiben dem Versicherungsnehmer bekannt sind, den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht ausschließt (Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris). Dieser könne auch wiederholt Auskunft verlangen.

Soweit die Beklagte meint, jedenfalls nur Kopien der bezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, zur Verfügung stellen zu müssen, nicht aber Kopien der betreffenden Akten oder Unterlagen, erschließt sich auf der Grundlage ihres Vortrags schon nicht, wie eine Zurverfügungstellung von Kopien der hier streitgegenständlichen Daten ihrerseits – wenn nicht durch eine Kopie der Unterlagen – erfolgen soll. Die bloße Mitteilung jedenfalls, dass es ein Anpassungsschreiben mit Beiblatt gab, ist zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs ersichtlich nicht geeignet.

Zwar wird ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien von Unterlagen zum Teil (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urt. v. 16.6.2021 – 7 U 325/20) mit der Begründung verneint, nach dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO habe die betroffene Person einen Anspruch nur auf die Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien. Der Senat teilt indes die Auffassung des OLG München (Urteil vom 04.10.2021, Az. 3 U 3906/29 - zitiert nach juris; so auch Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 39. Edition, Stand 01.11.2021, Art, 15 Rn. 85 m.w.N.; Koreng, NJW 2021, 2692), wonach der Begriff der Datenkopie i.S.v. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO, der einen eigenständigen Anspruch neben Art. 15 DS-GVO beinhaltet, extensiv auszulegen ist. Folge ist, dass der betroffenen Person von der speichernden Stelle sämtliche von ihm gespeicherten personenbezogenen Daten in der bei ihm vorliegenden Rohfassung als Kopie zu übermitteln sind. Die Urteile des EuGH vom 17.07.2014, Az. C-141/12 und C-372/12 (zitiert nach juris) können zur Begründung der gegenteiligen Auffassung der Beklagten schon deshalb nicht herangezogen werden, weil diese nicht zu Art. 15 DS-GVO, sondern zur Vorgängerregelung in RL 95/46/EG ergangen sind.

Die Geltendmachung eines auf Art. 15 DS-GVO gestützten Auskunftsanspruchs in Fällen wie dem vorliegenden ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB, zu bewerten.

Richtig ist, dass das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck dient, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können (vgl. Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO). Es mag unterstellt werden, dass es der Klägerin im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht, jedenfalls nicht primär, um den Schutz ihrer Daten geht, sondern um die Vorbereitung vermögensrechtlicher Ansprüche. Der Geltendmachung eines auf Art. 15 DS-GVO gestützten Auskunftsanspruchs steht dies jedoch nicht entgegen. Entsprechendes kann insbesondere nicht der Entscheidung des BGH vom 15.06.2021 (Az. VI ZR 576/19) entnommen werden. Eine Festlegung dazu, ob ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch auch besteht, wenn ein Versicherungsnehmer Zwecke verfolgt, die Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht schützt, ist dort gerade nicht erfolgt.

In Rechtsprechung und Literatur ist die Frage umstritten.

Das OLG München (Hinweisbeschluss vom 24.11.2021, Az. 14 U 6205/21; so sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung auch OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021, Az. 20 U 269/21) etwa hat einen Auskunftsanspruch in einem ähnlich gelagerten Fall (auch) mit der Begründung abgewiesen, dass Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 DS-GVO nicht sei, die büromäßig strukturierte Aufarbeitung von Unterlagen des Versicherungsnehmers für diesen durch den Versicherer mit dem Ziel, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, wenn er seine Unterlagen nicht aufbewahrt habe.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist eine entsprechende teleologische Einschränkung jedoch nicht vorzunehmen (vgl. bereits das Urteil vom 26.07.2019 in der Sache 20 U 75/18). Daraus, dass Zweck von Art. 15 DS-GVO ist, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten sicherzustellen und dem Betroffenen die Durchsetzung der hierzu in der DS-GVO vorgesehenen Rechte zu ermöglichen, folgt keineswegs zwingend , dass der Anspruch auch nur zu diesem Zwecke ausgeübt werden darf. Der Senat teilt vielmehr die ihn überzeugende Auffassung von Bäcker (in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 15 Rn. 42d; so auch Wälder, r+s 2021, 98; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 39. Edition, Stand 01.11.2021, Art, 15 Rn. 85 ff. m.w.N.), der ausführt, dass sich die Funktion von Art. 15 DS-GVO nicht in einer solchen datenschutzinternen Nutzung der erlangten Informationen erschöpfe. Vielmehr bezwecke die Verordnung insgesamt den Schutz der Rechte und Freiheiten der Person gegen Beeinträchtigungen und Gefährdungen durch Verarbeitungen personenbezogener Daten. Nutze die betroffene Person ihr Recht auf eine Datenkopie, um Informationsasymmetrien zwischen sich und dem Verantwortlichen abzubauen und so ihre Rechte und Freiheiten zu wahren, so sei dies ein legitimes und rechtlich anzuerkennendes Ziel. Dabei komme es nicht darauf an, ob diese Rechte und Freiheiten selbst im Datenschutzrecht oder in einer anderen Teilordnung des Rechts verankert seien. Unbedenklich und grundsätzlich zu erfüllen sei darum etwa ein Kopieersuchen, mit dem die betroffene Person sich Informationen zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens gegen den Verantwortlichen, in dem sie datenschutzexterne Ansprüche geltend machen will, beschaffen wolle.

Angemerkt sei darüber hinaus, dass es nach Auffassung des Senats ohnehin kaum je auszuschließen sein wird, dass es dem Versicherungsnehmer zumindest auch um den Schutz seiner Daten geht. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es als nicht sinnvoll, das Bestehen des Auskunftsanspruchs nach der DS-GVO von einer entsprechenden – nicht überprüfbaren – Behauptung zur inneren Motivation des jeweiligen Anspruchstellers abhängig zu machen.

Unter Zugrundelegung dessen ist die Beklagte auch nicht berechtigt, die Auskunft nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 DS-GVO zu verweigern. Denn der Antrag stellt sich nicht allein deshalb als exzessiv dar, weil es der Klägerin nicht primär um die Wahrung ihrer Rechte aus der DS-GVO gehen mag. Für eine Schikane oder ein in unangemessen kurzen Abständen wiederkehrendes Auskunftsersuchen ist ebenfalls nichts ersichtlich. Ob das Ansinnen der Beklagten, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der von ihr gestellten Beitragsforderungen durch ihren Versicherungsnehmer durch die Nichtherausgabe gespeicherter Unterlagen nach Möglichkeit zu erschweren, vor dem Hintergrund vertraglicher Fürsorgepflichten schutzwürdig ist, mag dahinstehen.

Die Beklagte kann all dem schließlich auch nicht entgegenhalten, der Auskunftsantrag sei auf Ausforschung gerichtet und widerspreche daher dem zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz. Denn vorliegend geht es nicht um die Frage der Substantiierung und Darlegungslast im Zivilprozess, sondern um das Bestehen eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs.

Der Anspruch ist entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht durch Erfüllung erloschen. Erteilt hat die Beklagte als Anlage C 22 (Bl. 582 d.A.) zur Berufungsbegründung zwar nunmehr Auskunft zur Beitragshöhe in den jeweiligen Tarifen. Hierdurch ist indes keine, auch keine teilweise Erfüllung eingetreten ist, weil sich aus den tabellarischen Übersichten nur die Höhe der im jeweiligen Tarif insgesamt zu entrichtenden Beiträge, nicht aber der jeweilige Erhöhungsbetrag ersehen lässt. Dieser lässt sich auch nicht in allen Fällen errechnen, weil etwa der Beitrag für das Jahr 2010 als Ausgangswert nicht angegeben ist.

Der auf Art. 15 DS-GVO gestützte Auskunftsanspruch ist schließlich auch nicht verjährt. Eine Verjährung könnte hier frühestens mit der Löschung der gespeicherten Daten beginnen, die die Beklagte jedoch selbst nicht behauptet. Darauf, ob Zahlungsansprüche, die mit Hilfe der erteilten Auskünften substantiiert werden könnten, verjährt wären, kommt es für den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht an.


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OLG Nürnberg: Rechtsmissbrauch wenn Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen verlangt wird

OLG Nürnberg
Urteil vom 14.03.2022
8 U 2907/21


Auch das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen verlangt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
(4) Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Denn der Beklagten steht ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DS-GVO zu. Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (vgl. Heckmann/Paschke in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl., Art. 12 Rn. 43; Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., Art. 12 DS-GVO Rn. 66 m.w.N.).

Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DS-GVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (vgl. auch BGH, Urteil vom 15.06.2021 - VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 Rn. 23). Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber ersichtlich nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr - wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergibt - ausschließlich die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 WG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber nicht umfasst (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2021,40312 Rn. 11; LG Wuppertal, r+s 2021, 696 Rn. 33).

(5) Auch soweit die Beklagte als Versicherer gesetzlich zur Aufbewahrung von Unterlagen verpflichtet ist, folgt daraus kein Auskunftsanspruch des Klägers. Denn der Gesetzgeber verfolgt mit der Aufbewahrungspflicht kein Anliegen des Versicherungsnehmers, insbesondere soll sie dem jeweiligen Geschäftsgegner nicht die spätere Durchsetzung eigener Rechte ermöglichen (vgl. OLG München, r+s 2022, 94 Rn. 52).


OLG Brandenburg: Keine Vertragsstrafe aus Unterlassungserklärung wenn sich Rechtslage geändert hat - keine Kündigung erforderlich da Einwand der unzulässigen Rechtsausübung

OLG Brandenburg
Urteil vom 16.02.2022
7 U 214/20

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung besteht, wenn sich die Rechtslage geändert hat. Eine gesonderte Kündigung ist nicht erforderlich. Dem Einspruch steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte kann der Vertragsstrafenforderung den Einwand veränderter Umstände entgegenhalten.

Keiner näheren Erörterung bedarf, dass zwischen den Parteien ein Unterlassungsvertrag auch durch die jahrelang verzögerte Annahme des unbefristet erklärten Vertragsangebots zustandekommen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1477, Rdnr. 20).

Die Beklagte hat gegen die von ihr übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Sie hat eine nicht nur kerngleiche, sondern identische Klausel verwendet, soweit es die Höhe des Pauschalbetrages von 40 Euro betrifft. Das wird durch Ergänzungen der Klausel nicht in Frage gestellt. Dass die Beklagte nun, anders als zur Zeit der Unterwerfungserklärung, dem Kunden den Nachweis geringeren Schadens zugesteht, betrifft ein anderes Klauselverbot, nämlich dasjenige nach § 309 Nr. 5 Buchst. b BGB, während die Höhe der Pauschale von § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB geregelt wird. Der nun verwendete Zusatz, der geforderte Betrag entspreche dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden, reichert die Klausel, die die Beklagte zur Zeit der Unterwerfungserklärung ohne diesen Zusatz verwendete, um nichts an: Es handelt sich zum einen um eine Wiedergabe des Gesetzeswortlauts und geht zum anderen nicht über eine bloße Behauptung hinaus.

Der Kläger braucht nicht darzulegen, der unverändert geforderte Pauschalbetrag von 40 Euro übersteige den zum Schadensersatz erforderlichen Betrag. Die Fragen, ob dieser Betrag zur Zeit der Unterwerfungserklärung zu hoch war und deshalb durch AGB nicht vereinbart werden durfte (§ 309 Nr. 5 Buchst. a BGB), haben die Parteien durch ihre Unterlassungsvereinbarung dem Streit enthoben. Der geschlossene Vertrag betrifft die tatsächlichen Voraussetzungen und die rechtliche Beurteilung. Die Verwendung einer AGB-Klausel, mit der 40 Euro als Schadenpauschale vereinbart werden, ist zwischen den Parteien auf Grund des Vertrages jedenfalls verboten. Ob ein allein auf dem Gesetz beruhender Anspruch bestand, bleibt dafür ohne Belang. Die Beklagte hätte sich selbst bei erheblichen Zweifeln vertraglich zur Unterlassung verpflichten können – nicht um die rechtliche Beurteilung zuzugestehen, sondern um eine langwierige, kostenträchtige und in ihrem Ergebnis unabsehbare gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

Das Unterlassungsgebot und die Entbehrlichkeit eines tatsächlichen und rechtlichen Nachweises eines gesetzlichen Klauselverbots haben die Parteien unbefristet und auch im übrigen bedingungslos vereinbart. Sie haben insbesondere nicht vereinbart, das Verbot solle nicht mehr gelten, sobald nachweisbare Kosten der Schadenbehebung eine bestimmte Höhe erreicht haben oder sobald der Nennbetrag von 40 Euro einen gewissen Kaufkraftverlust erlitten hat. Der geschlossene Vertrag hat den Kläger für alle Zeit jeglichen Nachweises enthoben.

Dennoch ist die Beklagte nicht unter allen Umständen für alle Zeit an die Unterlassungsvereinbarung und an die damit verbundene Vertragsstrafe gebunden. Es kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Parteien Grund und Anlass ihrer Vereinbarung übereinstimmend in einem etwaigen Verstoß der Beklagten gegen ein gesetzliches Klauselverbot gesehen haben.

Entfällt die Rechtswidrigkeit der Handlung nach Abschluss des Unterlassungsvertrages, so dass ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch nicht mehr besteht, so bedarf es einer Kündigung des Vertrages entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Vielmehr wird es dem sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder – eher – der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) zugeschrieben, dass der Gläubiger nun die Unterlassung von dem Schuldner nicht mehr verlangen darf (MüKo-UWG-Ottofülling, 2. Aufl. 2014, § 12 Rdnr. 233; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Brüning, UWG, 5. Aufl. 2021, § 13 Rdnr. 164). Es besteht ein Kündigungsrecht wegen nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) oder wegen eines wichtigen Grundes (§ 314 I BGB; Ottofülling, Rdnr. 301; Brüning, Rdnr. 162 f.), aber auch wenn der Schuldner es nicht ausübt, darf die Unterlassungsverpflichtung, die zu erklären er heute keinen Anlass mehr hätte, ihm gegenüber nicht mehr durchgesetzt werden; es handelt sich um eine Einwendung, die vorheriger Erklärung nicht bedarf (Ottofülling, Rdnr. 308; Brüning, Rdnr. 164).

Die Einwendung richtet sich auf eine Veränderung der Verhältnisse, unter denen die Parteien die Unterlassungsvereinbarung geschlossen haben. Die Einwendung ermöglicht es der Beklagten nicht, erst jetzt geltendzumachen, sie habe die Unterlassungsverpflichtung damals nicht eingehen müssen oder eingehen wollen. Ihr wird allein der Einwand zugestanden, sie hätte heute keinen Anlass zum Vertragsschluss, wenn sie gleiche Entscheidungskriterien und gleiche Beurteilungsmaßstäbe wie damals verwendete. Anders gewendet: Die Einwendung muss eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse darlegen, nicht eine geänderte Beurteilung wesentlich gleicher Verhältnisse. Diese aus der Beurteilung von Abänderungsverlangen geläufigen Entscheidungsmaßstäbe (§ 323 a ZPO) schneiden der Beklagten die Möglichkeit ab, sich bloß anders zu besinnen und einzuwenden, heute würde sie sich auf die damals vereinbarte Unterlassung nicht mehr einlassen. Vielmehr muss sie darlegen, sie hätte sich schon damals nicht unterworfen, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sich schon so dargestellt hätten wie heute.

Es reichte also nicht aus darzulegen, die Kosten des Schadensersatzes seien zur Zeit der Vertragsstrafenforderung mit 40 Euro zutreffend oder jedenfalls nicht zu hoch bemessen. Wenn sie schon zur Zeit der Unterwerfungserklärung mit 40 Euro nicht zu hoch bemessen waren, würde die Einwendung der Beklagten im Ergebnis ermöglichen, ihren damals gefassten Entschluss zu korrigieren, sich trotz eines eventuell zutreffend bemessenen Pauschalbetrages zur Unterlassung zu verpflichten und das Angebot zum Abschluss des Unterlassungsvertrages abzugeben. Diese Korrektur ist ihr durch die Bindung an den Vertrag verwehrt. Sie muss eine wesentliche Veränderung der Schadenhöhe darlegen, und auch dieser Darlegungsanforderung ist sie nachgekommen.

Dass die Kosten der Schadenbehebung zur Zeit der Vertragsstrafenforderung mit 40 Euro nicht zu hoch bemessen ist, hat die Beklagte ausreichend dargelegt. Maßgeblich sind dafür die Verhältnisse des Jahres 2018, weil die Vertragsstrafe erst für die ab dem Abschluss des Vertrages in jenem Jahr begangenen Verstöße gefordert werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1477, Rdnr. 20; NJW 2018, 155, Rdnr. 17).

Es kann nicht beanstandet werden, dass die Beklagte auch Personalkosten zum Aufwand der Schadenbehebung gerechnet hat.

Der Kläger verweist auf die Ansicht, Kosten der Schadensermittlung und außergerichtlichen Durchsetzung des Schadensersatzes dürfe der Geschädigte grundsätzlich nicht ersetzt verlangen (stRspr, zuletzt: BGH, NJOZ 2020, 300, Rdnr. 19). Darum geht es hier aber nicht. Es gehört nicht zur Schadensermittlung, sondern zur Beseitigung des Schadens, den neuen Schlüsselchip so herzurichten, dass er bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Ein Unternehmer, der die ansonsten gewinnbringend eingesetzten Kapazitäten seines Betriebs dazu benutzt, einen ihm zugefügten Schaden selbst zu beheben, kann beanspruchen, ihm die Kosten einer Fremdreparatur zu ersetzen. Dies gilt selbst dann, wenn das vorhandene Personal die Reparatur ohne gesonderte Vergütung vornimmt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Betrieb nicht ausgelastet ist und deshalb ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur genutzt werden können (vgl. BGH, NJW 2014, 1376, Rdnr. 11).

Wenn jeder der von der Beklagten beschriebenen Arbeitsschritte (Anlage B 1 = Bl. 86) mit fünf Minuten veranschlagt werden kann (§ 287 I ZPO), dann belaufen sich die Personalkosten der Beklagten auf 23 Euro. Gemeinsam mit den von dem Kläger zugestandenen Materialkosten von 17 Euro ergeben sich 40 Euro; der so bezifferte Pauschalbetrag ist nicht zu hoch.

Dass dieser Betrag 2018 wesentlich höher lag als 2010, hat die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung vorgetragen (S. 3, 4 = Bl. 212, 212R). Dieser neue Vortrag ist zuzulassen, weil der Kläger ihn nicht bestritten hat. Er wäre auch nach § 531 II 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil der Gesichtspunkt einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse bislang in der Erörterung der Parteien und in der Begründung des angefochtenen Urteils keine Rolle gespielt hat. Da der zum Schadensersatz 2018 erforderliche Betrag bei 40 Euro lag, reicht es aus, anhand des unbestrittenen Vortrages der Beklagten einen Kaufkraftverlust von elf Prozent und gestiegene Personalkosten anzunehmen, um zu dem Schluss zu gelangen, acht Jahre zuvor, zur Zeit der Unterwerfungserklärung, hätten die erforderlichen Kosten wesentlich unter diesem Betrag gelegen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Rechtsmissbrauch wenn Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO geltend gemacht wird

OLG Hamm
Hinweisbeschluss vom 15.11.2021
20 U 269/21


Das OLG Hamm hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO geltend gemacht wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zutreffend hat das Landgericht weiter das mit dem Klageantrag zu 1 verfolgte Leistungsbegehren als zulässig angesehen. Die Unzulässigkeit der Stufenklage führt zwar dazu, dass ein unbestimmter Leistungsantrag als unzulässig abgewiesen werden muss. Sie hat jedoch nicht die notwendige Folge, dass die Klage, wie sie hier erhoben worden ist, insgesamt oder teilweise als unzulässig abgewiesen werden muss. Vielmehr kommt eine Umdeutung in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung in Betracht (BGH, Urteil vom 18. April 2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952 unter II 2 a mwN).

Dieser Auskunftsantrag ist jedoch unbegründet.

aa) Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung- DS-GVO).

Der Beklagten steht ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe b) DS-GVO zu. Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (vgl. Heckmann/Paschke, in Ehlmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung 2. Aufl. Art. 12 Rn. 43).

Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DS-GVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 zu der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (so auch BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 Rn. 23).

Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber nach seinem eigenen Klagevorbringen überhaupt nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr – wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergibt – ausschließlich die Überprüfung etwaiger vom Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber nicht umfasst (wie hier LG Wuppertal, Urteil vom 29. Juli 2021 - 4 O 409/20, BeckRS 2021, 25249 Rn. 31 ff.).

Darauf, dass es sich im Übrigen jedenfalls bei standardisierten Begründungen, die – etwa als einheitliches Beiblatt – an sämtliche Versicherungsnehmer in identischer Form versandt werden, auch nicht um personenbezogene Daten im Sinne der DS-GVO handelt, kommt es angesichts dessen hier nicht an.

bb) Auch ein Auskunftsanspruch aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag besteht nicht.

Zwar kann sich aus einem Schuldverhältnis nach Maßgabe von § 241 Abs. 2 BGB auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies kann auch zu einer Verpflichtung des Gläubigers führen, dem Vertragspartner etwa Unterlagen für die Kreditbeschaffung (BGH, Urteil vom 1. Juni 1973 - V ZR 134/72, NJW 1973, 1793 unter II 2) oder für die Wahrnehmung von dessen steuerlichen Belangen (Senatsurteil vom 5. Juli 1974 - 20 U 227/73, MDR 1975, 401) zur Verfügung zu stellen.

Auch im Rahmen einer zwischen den Parteien bestehenden Sonderverbindung setzt ein solcher Auskunftsanspruch aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Schuldner in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 20). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Aus den ihm während der Laufzeit des Vertrages übersandten Unterlagen kann er unschwer selbst ersehen, welche Prämienanpassungen vorgenommen worden sind. Nachvollziehbare Gründe dafür, dass und warum ihm dies ausnahmsweise nicht mehr möglich sein sollte, sind nicht vorgetragen. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang unterstellte Ansprüche des Klägers aus § 812 Abs. 1 BGB verjährt sind, kommt es demnach aus Rechtsgründen nicht an.

cc) Ein Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 3 und 4 VVG scheidet ebenfalls aus. Dieser bezieht sich nur auf abhanden gekommene oder vernichtete Versicherungsscheine so- wie auf die eigenen Erklärungen des Versicherungsnehmers, die er in Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Darum geht es hier aber nicht (siehe auch LG Wuppertal, Ur- teil vom 29. Juli 2021 - 4 O 409/20, BeckRS 2021, 25249 Rn. 35 f.).

dd) Schließlich kann der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 810 BGB hergeleitet werden. Diese Vorschrift gibt keinen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen.

2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung; eine solche ist auch sonst nicht geboten.

Auch ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die missbräuchliche Berufung auf Unionsrecht nicht gestattet (EuGH, Urteil vom 23. März 2000 – C-373/97, NZG 2000, 534 Rn. 33). Die nationalen Gerichte können vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Unionsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten (EuGH, Urteil vom 23. März 2000 aaO Rn. 34; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 42 mwN).

Hier beeinträchtigt die Anwendung des Gesichtspunktes des Rechtsmissbrauchs weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Unionsrechts. Der Anspruch nach Art. 15 DSG-VO soll den Auskunftsberechtigten in die Lage versetzen, sich der Datenverarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Er soll sich insbesondere vergewissern können, dass die ihn betreffenden Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 Rn. 25 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16, NJW 2018, 767 Rn. 57). Hierum geht es dem Kläger nach eigenem Vorbringen mit der begehrten Auskunft nicht.


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LG Berlin: Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO umfasst nur personenbezogene Daten nicht aber Vertragsunterlagen und Vertragserklärungen

LG Berlin
Urteil vom 21.12.2021
4 O 381/20


Das LG Berlin hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO nur personenbezogene Daten nicht aber Vertragsunterlagen und Vertragserklärungen umfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Auskunfts- und Herausgabeanspruch aus § 15 DS-GVO betrifft lediglich personenbezogene Daten, nicht aber Dokumenten, die Vertragserklärungen enthalten. Zwar ist der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen; davon wären auch Beitragsanpassungsschreiben erfasst, die den Namen des Klägers enthalten. Ein derartiges am Wortlaut haftendes Verständnis ist mit dem Zweck des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO unvereinbar. Die Auskünfte, die eine natürliche Person nach Art. 15 DS-GVO fordern kann, dienen primär dazu, ihr die Wahrnehmung der weiteren Rechte aus der DS-GVO zu ermöglichen, also insbesondere das Recht auf Berichtigung nach Art. 16, auf Löschung nach Art. 17 und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18. Zwar mag eine Auskunft über personenbezogene Daten auch Erkenntnisse und Indizien hervorbringen, die einen Anspruch nach gänzlich anderen Vorschriften begründen oder zumindest nahelegen können. Dabei handelt es aber nicht um den eigentlichen Zweck der DS-GVO, sondern um einen bloß zufälligen Nebeneffekt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die DS-GVO gezielt dazu geschaffen worden wäre, die grundsätzliche Struktur des deutschen Zivilprozessrechts, die jedem Anspruchsteller die Darlegung und den Beweis der ihm günstigen Tatsachen auferlegt, umzukehren (OLG Köln r+s 2021, 97 Rn. 73, beck-online). Danach sind die vorliegend antragsgegenständlichen Auskünfte nicht mehr als personenbezogen (Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) zu verstehen, sondern als vertragsbezogen.

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OLG Schleswig-Holstein: Rechtsmissbrauch durch von eBay ausgeschlossenen gewerblich handelnden Abbruchjäger auch wenn er dann über eBay-Account eines Dritten tätig wird

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 23.08.2021
16 U 119/20


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch durch einen von eBay ausgeschlossenen gewerblich handelnden Abbruchjäger auch dann vorliegt, wenn er dann über den eBay-Account eines Dritten tätig wird. Der Abbruchjäger hat daher kein Anspruch auf Erfüllung des Kaufvertrages.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 433 Abs. 1 BGB auf Erfüllung des Kaufvertrages. Es kann dahingestellt bleiben, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist oder nicht, §§ 145ff. BGB. Die auf „Käuferseite“ abgegebenen Erklärungen sind im eigenen Geschäftsinteresse von Herrn Y. unter fremdem Namen (dem der Klägerin) abgegeben worden (a). Herr Y. ist selbst nicht dazu berechtigt gewesen, an eBay-Auktionen teilzunehmen, weil er in Person als Nutzer der eBay-Dienste ausgeschlossen war (b). Die Zulässigkeit der Bevollmächtigung von Herrn Y. bzw. der Genehmigung seines Handelns durch die Klägerin dahingestellt, zielte die Benutzung des Accounts der Klägerin durch Herrn Y. in deren Einverständnis auf eine bewusste und gewollte Umgehung seines Ausschlusses und stellte dergestalt einen Missbrauch dar mit der Folge, dass die Berufung auf ein wirksames Handeln unter fremdem Namen jedenfalls rechtsmissbräuchlich und deshalb nach Treu und Glauben, § 242 BGB, unwirksam ist (c.).

a) Die vertragswesentlichen Erklärungen sind von dem Bruder der Klägerin, Herrn Y., in seinem eigenen Geschäftsinteresse, aber unter fremdem Namen abgegeben worden.

Dieser hat mit der Teilnahme an der Auktion ersichtlich allein seine eigenen Interessen verfolgt. Das ist nach den unstreitigen Umständen offensichtlich. Herr Y. hat, wie sich aus der unstreitigen Verwendung einer IP-Adresse aus S. (seinem Wohnort) erschließt (und er im Verlauf des Berufungsverfahrens auch eingeräumt hat), das Gebot abgegeben. Der Geschäftsgegenstand – eine teure Luxusuhr – fällt in eines der (wenigen) Segmente, in dem er typischerweise bietet; diese Segmente sind nach seinen eigenen Angaben aus dem Jahr 2016 (etwa vor dem Landgericht Darmstadt, 25 S 18/16, beigezogene Akte des Amtsgerichts Rüsselsheim 3 C 5759/14, Protokoll S. 2, Bl. 352, oder vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech, beigezogene Akte 4 C 1078/17, Protokoll vom 6. September 2016, S. 2f., Bl. 72f.) Uhren, Autos und auch Autoteile, auf die er etwa 300 bis 350 Gebote im Monat abgab. Weiter ist unstreitig über den auf den Namen der Klägerin angemeldeten Account d… im August 2018 (also 2 ½ bis 3 ½ Monate nach dem hier streitgegenständlichen Gebot und noch bevor die Klägerin [im September 2018] ihre vermeintlichen Ansprüche gegen den Beklagten hat geltend machen lassen) auf mindestens 22 verschiedene höchstpreisige Luxusuhren und 11 verschiedene hochpreisige Pkw geboten worden (Anlage B 5), was für eine Fortsetzung der Bietpraxis von Herrn Y. spricht. Herr Y. ist zudem derjenige gewesen, der sich bemüht hat, den Account n… als den Zweitaccount des Beklagten zu identifizieren. Herr Y. selbst hat nach seinen eigenen Angaben unmittelbar danach einen Rechtsanwalt beauftragt. Herr Y. ist – wie bei Prozessen seiner Schwester unstreitig stets – bei dem Termin vor dem Landgericht anstelle der geladenen Klägerin als deren instruierter Vertreter aufgetreten und so auch vor dem Senat. Hinzu kommt es schließlich, dass nach ihrem eigenen Vorbringen auch die Klägerin unterdessen bereits eine Vielzahl von Prozessen um Ansprüche aus „Abbruchjagden“ geführt hat.

Auf einen Großteil dieser Umstände hatte, was die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung bei dem Vorwurf eines bloßen Abstellens auf ungenügende Angaben des Herrn Y. übersieht, zutreffend schon das Landgericht (U 8 und 9) abgestellt. Sie lassen nach Menge und Qualität vernünftigerweise nur den Schluss zu, dass Herr Y. unter dem Account der Klägerin lediglich seine eigenen eBay-Aktivitäten fortgesetzt hat.

Die Angaben der Klägerseite stehen dem nicht entgegen. Die schriftsätzliche Einlassung, die Klägerin habe nicht nur für sich selbst, sondern auch für Freunde und Verwandte Gegenstände ersteigert, unter anderem auch für Herrn Y. (Bl. 39), gibt für ein Eigeninteresse an dem konkret in Rede stehenden Kauf nichts her. Auch der an ihrer Stelle im Termin vor dem Landgericht aufgetretene Herr Y. hat für ein Interesse der Klägerin an dem Erwerb der Herren(!)-Uhr nichts von Belang angeben können bzw. wollen. Er hat vielmehr lediglich erklärt, die Klägerin wolle zu ihrer Motivation (und auch dazu, was sie mit der streitgegenständlichen Uhr habe tun wollen) nichts sagen. Die weitere Erklärung, es habe offensichtlich die Motivation bestanden, die Uhr zum gebotenen Preis zu erwerben, ist inhaltsleer und lässt einen nachvollziehbaren Bezug zur Klägerin nicht erkennen. Die Klägerin lässt sich auch in der Berufung und – ungeachtet des insoweit unmissverständlichen Hinweisbeschlusses des Senates, der u.a. darauf maßgeblich abgestellt – auch in der Einspruchsschrift nicht dazu herbei, zu ihrer angeblichen eigenen Erwerbsmotivation und zu ihrer Beteiligung an dem Kauf vorzutragen. Soweit sie verschiedentlich (zuletzt mit dem Einspruch [S. 2/3, Bl. 304/05] und dort eher optional [„wenn“, „selbst wenn“]) vorgetragen hat, sie habe (womöglich) „eigenhändig“ das streitgegenständliche Gebot abgegeben, um „auf Zuruf“ die Uhr für den Zeugen Y. zu ersteigern, so ist das zum einen mit dem unstreitigen Umstand nicht vereinbar, dass das Gebot von einer IP-Adresse aus S., dem Wohnort des Herrn Y., abgegeben worden ist, und zum anderen durch die spätere Erklärung (Bl. 335), die Gebotsabgabe durch Herrn Y. werde unstreitig gestellt, überholt. Ganz entsprechend ist ungeachtet der persönlichen Ladung der Klägerin auch im Einspruchstermin vor dem Senat allein Herr Y. erschienen und hat zu diesen Fragen nichts weiter vorzutragen gewusst, sondern vielmehr Nachfragen nach einem Eigeninteresse der Klägerin in anderen Fällen nicht beantwortet und überhaupt zu Bietaktivitäten in ihrem Interesse keine Angaben machen wollen; in der nahezu zweistündigen Verhandlung, in der praktisch alle Redeanteile, die nicht auf den Senat entfielen, Herrn Y. zukamen, ist er auf keinen Umstand zu sprechen gekommen, aus dem sich auch nur ansatzweise eine eigene Beteiligung der Klägerin an den unter ihrem Account geführten Geschäften hätte ersehen lassen. Dieses (Aussage-)Verhalten hat der Senat nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen (vgl. zu den Folgen des unentschuldigten Ausbleibens der Partei nur Zöller/Greger, ZPO, Kommentar, 33. Auflage, § 141 Rn. 11).

Insgesamt spricht danach nichts für ein eigenes Interesse der Klägerin, auch nicht für eine irgendgeartete Beteiligung der Klägerin an dem – nach all den aufgezeigten Umständen allein von Herrn Y. auf der Linie seiner bisherigen Aktivitäten aus- und durchgeführten – Geschäft.

b)vHerr Y. selbst ist zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Gebots im Jahre 2018 nicht mehr dazu berechtigt gewesen, an eBay-Auktionen teilzunehmen. Das ist unstreitig.

aa) eBay hat verschiedene von ihm eingerichtete Accounts geschlossen. Er ist in Person als Nutzer der eBay-Dienste ausgeschlossen gewesen. So hat es der Beklagte (Bl. 25) vorgetragen. Und so hat es auch Herr Y. selbst im Mai 2016 vor dem Landgericht Darmstadt (25 S 18/16, Protokoll S. 2, Bl. 352 der beigezogenen Akte des Amtsgerichts Rüsselsheim 3 C 5759/14) angegeben, nämlich erklärt, dass er in der Folge eines Urteils des Amtsgerichtes Groß-Gerau vom 16. Juli 2014 (62 C 26/14, hier Anlage B 3) „bei eBay ausgeschlossen“ worden sei. Unstreitig ist darüber hinaus, dass Herr Y. danach u.a. den seinem Schwager zugeschriebenen Account a. nutzte; anzunehmen ist (s.o. a.) darüber hinaus, dass er später den auf seine Schwester angemeldeten Account zu eigenen Zwecken nutzte, bis dieser – erneut unstreitig – am 11. September 2018 gesperrt wurde.

bb) Nach den aus der Akte (und den vom Beklagten in Bezug genommenen Protokollen in den beiden Beiakten) ersichtlichen Umständen sind die Sperrungen durch eBay offensichtlich auch nicht lediglich als bloße Malheurs, die (so die Klägerin, Bl. 38) auf ungerechtfertigten „Denunziationen“ der Plattform a. beruhten, gegen die sich „effektiv zu wehren, kaum möglich“ sei. Vielmehr müssen sie als ohne weiteres in der Sache gerechtfertigt erscheinen.

Nach § 4 Nr. 2 eBay-AGB (Anlage K 1) kann eBay einen Nutzer endgültig von der Nutzung der eBay-Dienste u.a. dann ausschließen, wenn er falsche Kontaktdaten angegeben hat, er sein eBay-Konto überträgt oder Dritten hierzu Zugang gewährt, er wiederholt gegen die eBay-AGB oder die eBay-Grundsätze verstößt oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt.

(1) Ein solch wichtiger Grund liegt – augenscheinlich auch aus der Sicht von eBay – darin, dass Herr Y. es zur Geschäftsidee und zu seiner fortgesetzten Praxis erhoben hat, auf hochwertige Artikel zu bieten, die zur Vermeidung einer Angebotsgebühr mit minimalen Anfangsgeboten eingestellt werden, um dann im Falle eines unerlaubten Abbruchs oder eines sog. shill biddings gegen die Verkäufer Schadensersatz- oder Erfüllungsansprüche zu verfolgen. Eben das hat das Landgericht (U 12) mit dem „Ausnutzen der bereitgestellten Mechanismen zum Zwecke einer dem Grundgedanken eines online-Marktplatzes fremden Anspruchsgenerierung“ angesprochen. Und eben davon ist hier auszugehen:

Wie ausgeführt, hat Herr Y. monatlich auf 300 bis 350 Artikel geboten, in der Regel in den Segmenten hochpreisiger Uhren und Autos. Das hat er eingeräumtermaßen durchaus in der Hoffnung getan, dass der Anbieter die Auktion ungerechtfertigt abbricht oder in sie eingreift, was – nach entsprechenden Ermittlungen – die Möglichkeit bietet, entweder Schadensersatz oder aber Erfüllung zu einem weit unter dem Marktpreis liegenden Preis zu verlangen, welch letzteren Falls er (wie er vor dem Landgericht Darmstadt [a. a. O.] erklärt hat) „gekauft und verkauft“ hat. Zur Steigerung der Wahrscheinlichkeit eines derartigen unerlaubten Verkäuferverhaltens beobachtet Herr Y., wie er im Senatstermin beiläufig erklärt hat, die Bieterhistorien auf derartige Vorgänge oder andere Auffälligkeiten (im Falle des Beklagten war es der Umstand, dass dieser von einem Mitglied als „Lieblingsverkäufer“ mit derselben Bewertungszahl wie der des Bieters geratet worden war, ohne dass dieses Mitglied erkennbar bei dem Beklagten gekauft hätte). Dass es sich bei der ständigen Praxis des Herrn Y. nicht um ein bloßes gelegentliches Hobby handelt (wie er aber vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech [a.a.O.] angegeben hat), erschließt sich schon aus dem Umfang der monatlichen Gebote, ferner auch daraus, dass er selbst erklärt hat, dass er das „mittlerweile stringenter durchziehe“ (ebd.) und entsprechend bereits bis zum Jahr 2016 mit ca. 100 Personen Prozesse wegen eBay-Käufen geführt hatte, ebenso wie nunmehr – unbestritten und von Herrn Y. im Senatstermin eingeräumt – seine Schwester, die Klägerin, eine ganze Reihe von rechtlichen Auseinandersetzungen wegen solcher Käufe führt und geführt hat, die sie, wie sie ebenso wie Herr Y. selbst anführt, regelmäßig zu gewinnen pflegt.

Aus diesen Umständen erschließt sich zwanglos, dass das Bieten auf derartige Angebote bei auffälligen Bietern und die Verfolgung der Verkäufer im Falle eines Abbruchs Herrn Y. im Ergebnis Einnahmen in nicht unerheblichem Umfang verschafft hat. Dazu passt, dass er sich, wie er dem Amtsgericht Landsberg erklärt hat, rechtliche Bücher gekauft hat, um wie dort Klagen vor den Amtsgerichten auch selbst führen zu können. Für den geschäftlichen Charakter sprechen weiter die gezielte Ausrichtung der Gebote auf potentielle Abbrecher, der von ihm geschilderte Aufwand, die Planmäßigkeit und die Hartnäckigkeit, mit denen er im Falle eines Auktionsabbruchs den sich fehlverhaltenden Verkäufer zu ermitteln sucht. Es passt nur ins Bild, dass Herr Y., nach seinen Angaben vor dem Landgericht Darmstadt (a.a.O.) ein studierter Psychologe ohne Diplom, der sich als psychologischer Berater für Menschen betätigt, die seine Hilfe benötigen, ebenso wenig dort Angaben zu den daraus erzielten Einnahmen hat machen wollen wie er vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech hat angeben wollen, was er mit den Klagen verdiene.

Dass es sich bei der Tätigkeit nicht ausschließlich um Abbruchjagden in dem vom BGH (in dem einen Fall des Herrn Y. betreffenden Urteil vom 22. Mai 2019, VIII ZR 182/17 – eBay-Abbruchjäger, Rn. 23, vorgehend LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19. Juli 2017, 16 S 168/16, BeckRS 2017, 151905) im Anschluss an das LG Görlitz (Urteil vom 8. Juli 2015, 2 S 13/14, Rn. 45) angesprochenen, außerordentlich engen Sinn handelt, dass die Absicht des Bieters von vornherein nicht auf den Erfolg des Vertrages (i.e. Erfüllung), sondern (nur) auf dessen Scheitern (i.e. Schadensersatz) gerichtet ist, ändert nichts daran, dass die Unternehmungen von Herrn Y. als auf die Erzielung nennenswerter regelmäßiger Einkünfte gerichtet sind. Dass es ihm vornehmlich um Umsatz und nicht um Ware geht, erschließt sich etwa auch aus den von der Klägerin angeführten, nach dem jeweiligen Tatbestand zweifelsohne Herrn Y. und dabei jeweils Automobil(teil-)e betreffenden Entscheidungen des LG Ellwangen (Urteil vom 7. April 2017, 1 S 131/16, BeckRS 2017, 156252 [Radsatz]), des KG, Beschluss vom 11. Juni 2019, 21 U 93/18, BeckRS 2019, 12730 [BMW M 6] oder des LG Leipzig (Urteil vom 28. März 2019, 08S 462/17, BeckRS 2019,10742 [Pkw]), in welchen jeweils nach Erfüllungsverweigerung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt worden ist. Und auch dann, wenn im Falle eines „Uhren-Schnäppchens“ wie hier Erfüllung begehrt wird, lässt sich, wie nicht zuletzt die Berufung (BB S. 19, Bl. 215) selbst anführt, durch einen Weiterverkauf der Differenzbetrag „in bar vereinnahmen“, was sich – mit der Möglichkeit entsprechender Selektion – vor allem dann lohnt, wenn wie hier die Differenz beträchtlich ist und eine erhebliche Wertsteigerung in kürzester Zeit - wie Herr Y. vor dem Senat zu erklären wusste - bei Uhrenkäufen wie dem Vorliegenden sicher zu erwarten sind. Dass, wie allerdings Herr Y. vor dem Amtsgericht Landsberg (a. a. O.) erklärt hat, das Verkaufen „lange her (sei), 8, 9 oder 10 Jahre“, ist nicht glaubhaft; denn es ist mit seiner seit Jahren unter verschiedenen Accounts fortgesetzten Tätigkeit und der daran anschließenden Prozesstätigkeit unvereinbar, ebenso mit dem eben erwähnten Verweis auf die selbst angeführte Option des Weiterverkaufs. Tatsächlich ist auch die Annahme, dass jemand für sich oder seine Verwandtschaft – Herr Y. wusste im Senatstermin nur sich selbst, seine Schwester und seinen Schwager zu nennen – in derartigem Umfang mit solcher Regelmäßigkeit und zudem – er verfährt, seine Angaben vor dem Amtsgericht Landsberg hochgerechnet, seit 13, 14 oder 15 Jahren so – über einen derart langen Zeitraum hinweg Herren-Luxusuhren, Autos oder Autoteile benötigen könnte, vollständig abwegig. Dementsprechend hat Herr Y. auf entsprechende Nachfrage des Senats, ob er alle Uhren noch besitze, mit „nee“ geantwortet und auf die Frage, ob er denn noch hunderte der ersteigerten Artikel habe, mit „nee, aber diverse“, so dass das Beweisangebot der Klägerin, alle erworbenen Uhren dem Gericht zur Inaugenscheinnahme vorlegen zu können (Bl. 308), als überholt unbeachtlich war. Nach all dem erschließt sich nicht, wie die Klägerin bzw. Herr Y. ohne Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht, § 138 Abs. 1 ZPO, sollten behaupten können, weder sie noch Herr Y. handelten gewerbsmäßig oder in sonstiger Form „geschäftlich“ (Bl. 307), und erneut unternimmt die Klägerin nicht einmal den Versuch, sich, wie es ihr gemäß § 138 Abs. 2 ZPO obliegt, zu den vom Beklagten aufgezeigten Umständen substantiiert zu erklären, namentlich darzutun, wie sich sonst die umfangreichen Aktivitäten der Geschwister erklären sollten.

(2) Ein regelmäßiges, auf Einkommenserzielung ausgerichtetes Geschäft aus dem unerlaubten Abbruch von Auktionen zu machen, verstößt indes gegen den Grundgedanken von eBay.

(a) Nach § 1 Nr. 1 der eBay-AGB bietet das Auktionsformat von eBay einen Marktplatz an, auf dem von Nutzern Artikel (Waren und Dienstleistungen aller Art) angeboten und erworben werden können. Das Forum ist mithin auf einen Verkauf einzelner Waren gerichtet, der historisch typischerweise von Endverbrauchern an Endverbraucher (c2c) und – zunehmend – von Unternehmen an Endverbraucher (b2c) erfolgt, wobei gewerbliche Nutzer sich als solche zu kennzeichnen haben (§ 1 Nr. 6) und ein gewerbliches Konto unter Einschluss der solchenfalls gesetzlich erforderlichen Informationen zu eröffnen haben (§ 2 Nr. 3) mit der Maßgabe, dass ein eBay-Konto nicht übertragbar ist (§ 2 Nr. 8).

Die historische Entwicklung von eBay kann die Klägerin nicht, wie aber mit dem Einspruch, bestreiten. Sie ist eine allgemein bekannte und damit im Sinne von § 291 ZPO offenkundige Tatsache, über die sich jeder, der das etwa nicht wissen sollte, aus allgemein zugänglichen Quellen informieren kann (vgl. nur etwa den wikipedia-Eintrag zu eBay, in dem es schon einleitend heißt „Im Laufe der Jahre erweiterte sich das Angebot von einem Consumer-to-Consumer-Marktplatz mit flohmarktähnlichem Charakter zu einer Business-to-Consumer-Plattform“). Die Klägerseite lässt sich auch nicht dazu herbei, auch nur ansatzweise darzustellen, dass die Historie eine andere gewesen wäre, und das, obwohl Herr Y. erklärtermaßen langjährig auf der Plattform tätig ist und dazu Kenntnisse haben muss. Unabhängig davon liegt es ohnehin so, dass die Klägerin bzw. Herr Y. allein auf dem genannten c2c-Markt „unterwegs“ sind.

(b) Mit diesem Marktplatzmodell und den dazu geltenden Wahrhaftigkeitsanforderungen ist es nicht zu vereinbaren, unter fremdem Namen und unter der bloßen Suggestion eines singulären privaten Erwerbswunsches ein Geschäft zu betreiben, das auf die Generierung von Gewinn durch die planmäßige und organisierte Ausnutzung des Fehlverhaltens von Anbietern (Abbrechern oder shill bidders) ausgerichtet ist. Ein solcher Markt „zweiter Ordnung“ – gleichsam c2b – stellt einen Missbrauch des Marktplatzes zu ihm fremden Zwecken dar. Es drängt sich die Parallele zu früheren sog. Abmahnvereinen auf, deren Tätigkeit darauf ausgerichtet war, ohne ein genuines wettbewerbliches Interesse aus dem „Abstrafen“ systematisch ermittelter regelwidriger Marktauftritte Vorteile (in Gestalt von Abmahngebühren) zu erzielen. Es liegt daher auf der Hand, dass eBay es bevorzugt, eher derartige „Nutzer“ von seiner Plattform auszuschließen denn solche wie den Beklagten, die (weniger smart als gedacht und tendenziell auch sich selbst schädigend) den Plattformbetreiber durch Angebote mit niedrigem Anfangsgebot um die Angebotsgebühren zu prellen suchen.

(c) Die von der Klägerseite gegen diese (bereits im Hinweisbeschluss des Senates vom 21. Dezember 2020 enthaltenen) Erwägungen vorgebrachten Einwände greifen sämtlich nicht durch.

Dass es, was erneut nur blande bestritten wird, auf dem eBay-Marktplatz eigentlich um die Befriedigung singulärer privater Erwerbswünsche geht, folgt zwingend aus dem schon abgehandelten Umstand, dass dieses Feld der c2c-Markt ist. Auf diesem Markt werden von Letztverbrauchern nicht mehr benötigte Einzelstücke angeboten, und darauf bieten Letztverbraucher, die an solchen Einzelstücken ein konkretes Erwerbsinteresse haben.

Eine geschäftsmäßig betriebene Abbruchjägerei ist mit diesem Grundgedanken eines Handels zwischen Letztverbrauchern offensichtlich nicht zu vereinbaren. Freilich trifft zu, dass eBay (so die Klägerin Bl. 110) es grundsätzlich nicht beanstandet, wenn Mitglieder das Ziel haben, Artikel unter dem Marktwert zu ersteigern, und ebenfalls nicht, dass Mitglieder „durch den Erwerb einer größeren Anzahl von Artikeln einen Gewinn erzielen“. Das Handeln der Klägerin bzw. des Herrn Y. hat indes, wie bereits ausgeführt, eine vollständig andere Qualität als eine solche normale „Schnäppchenjagd“; es geht, wie sich schon aus der Vielzahl der allmonatlichen Gebote und der Konzentration auf bestimmte Produkte ergibt, über eine vereinzelte Bedürfnisbefriedigung und, wie sich aus der planmäßigen Konzentration ausschließlich auf Abbrecher und shill bidders ergibt, auch über einen mehrfachen „Ankauf-Verkauf“ – weit hinaus und ist, da es ohne erkennbares Interesse an der Sache praktisch ausschließlich auf die Erzielung von Umsätzen gerichtet ist, ersichtlich von anderer Art. Nach dem Verständnis des Senats hat Herr Y. das praktisch eingeräumt, als er, befragt, warum er trotz seiner Klage über „allesamt manipulierte Auktionen“ von „Betrügern“ (die zur Sperrung des Accounts seiner Schwester geführt hätten) auf eBay verbleiben wolle, lediglich erklärt hat, das mache „halt mehr Spaß“.

Für verfehlt erachtet der Senat auch den Hinweis der Klägerseite darauf, dass ein Abbruchjäger als „Sachwalter des UWG-Vertragsrechts“ seine gute Berechtigung habe, und ihn vermögen auch die Überlegungen in dem dazu von ihr angeführten Aufsatz dieses Titels von Oechsler/Dörrhöfer, NJW 2019, 3105, nicht zu überzeugen. Es ist schon nicht zu erkennen, dass es im Bereich des c2c-Handels auf eBay einer privat organisierten Lauterkeitskontrolle im Hinblick auf unerlaubte Abbrüche privater Auktionen bedürfte. Diese ist schon für gewerbliche Auftritte im UWG dahin eingeschränkt, dass, wie schon angedeutet, Abmahnungen ohne eigenes wettbewerbliches Interesse unterbunden werden. Auch erscheint es als eine unangemessene Verniedlichung, die erheblichen Einnahmen, die – wie vorliegend Herr Y. – professionelle Abbruchjäger aus ihren Aktivitäten erzielen, als bloßen „finanziellen Anreiz“ zu attributieren. Und hinzu kommt schließlich, dass wie sogleich auszuführen ist, eBay als Betreiber des Marktes auf die Installation eines derartigen „Selbstregulierungsmechanismus´“ augenscheinlich keinen Wert legt.

(d) Es liegt nämlich auf der Hand, dass eBay bestrebt ist, eine Abbruchjägerei, wie sie Herr Y. (zuletzt unter dem Account der Klägerin) betrieben hat und betreibt, zu unterbinden, und es lässt sich demgegenüber ausschließen, dass die Sperrung der von Herrn Y. genutzten Accounts grundlos oder aufgrund unberechtigter Vorwürfe erfolgt wäre.

Unstreitig ist nicht nur ein Account von Herrn Y. geschlossen worden, sondern mehrere, derer er sich bedient hat. Was die erste Sperrung angeht, hat Herr Y. selbst (wiederholt auch im Senatstermin) angegeben, dass dazu das bei eBay vorgelegte Urteil des Amtsgerichts Groß-Gerau (Anlage B 3, das ein „unterlegener Rechtsanwalt“ eingereicht habe) geführt hat. Aus diesem Urteil geht nicht nur seine geschäftsmäßige Abbruchjägerei, sondern ebenso klar hervor, dass der Beklagte des dortigen Prozesses gegen die eBay Regeln verstoßen hatte. Gleichwohl hat sich eBay offenbar dazu entschieden, Herrn Y. zu sperren und nicht den dortigen Beklagten. Gleichermaßen handgreiflich ist, dass auch die weiter erfolgten Sperren auf entsprechenden Mitteilungen über die Abbruchjägerei von Herrn Y. bzw. der Klägerin beruht haben müssen. Die Klägerin hat selbst eingeräumt, dass diese Sperrungen auf Informationen des Internetforums a., zurückgingen, von denen „auch sie und Herr Y. betroffen“ worden seien, und auch insoweit gilt (wie für das Urteil des Amtsgerichts Groß-Gerau), dass die entsprechenden Mitteilungen nicht vermeiden können, das Regelwidrige des eigenen Tuns des Verkäufers zu offenbaren.Dementsprechend ist auch nicht ansatzweise dargetan (geschweige denn belegt), welche „Behauptungen, die häufig sehr wenig mit der Wahrheit zu tun hätten“ oder sonst „harmlosen“ Umstände zu den jeweiligen Sperrungen der von Herrn Y. genutzten Accounts geführt haben sollten. Nach alldem ist damit ein Zusammenhang der Kontoschließungen mit der Abbruchjägerei (in dem hier beschriebenen weiteren Sinne, planmäßig gegenüber wahrscheinlich regelwidrig agierenden Käufern zu bieten, um beträchtliche Gewinne aus Schadensersatz oder Erfüllung/Weiterveräußerung zu erzielen) evident.

Dass eBay als den Missbrauch und eigentliche Gefahr für seinen Marktplatz die professionelle Abbruchjägerei und nicht den Abbrecher von Auftritten auf dem Markt ausschließen will, erschließt sich – über die Menge der Sperrungen und ihre Erstreckung auch auf den Account der Klägerin hinaus – auch zwanglos aus wirtschaftlichen Erwägungen. eBay kann es leicht verschmerzen, wenn gelegentlich Angebote unter Umgehung des bei hochpreisigen Artikeln an sich gebotenen – kostenpflichtigen – Mindestgebots eingestellt werden. Das folgt schon daraus, dass – wie allgemein bekannt ist – nicht selten an Wochenenden die entsprechende Gebühr zur Ankurbelung des Marktgeschehens auf geringfügige Beträge beschränkt oder ganz erlassen wird. Darüber hinaus wird oftmals nach einem unerlaubten Abbruch bei einer Auktion ohne Mindestgebot derselbe Artikel wenig später – und nunmehr kostenpflichtig – erneut eingestellt, sodass eBay auf „seine Kosten kommt“ und entsprechend an einer von seinen Mitgliedern auf eigene Rechnung selbsttätig unternommenen „Selbstregulierung“ kein Interesse hat. Das ist im vorliegenden Fall so gewesen und ebenfalls in dem von der Klägerseite zitierten Fall des OLG Hamm (Urteil vom 30. Juli 2020, I-23 U 125/19, Beck RS 2020, 18650) sowie in den vom Beklagten angeführten Entscheidungen des LG Görlitz (Urteil vom 8. Juli 2015 – 2 S 213/14 –, juris) und des Amtsgerichts Groß-Gerau. Bei einer solchen – nunmehr völlig regulären – zweiten Auktion wird es regelmäßig zu einer (jedenfalls eher) marktgerechten Transaktion kommen. Das wird man auch bei weiteren klägerseits angeführten Fällen – KG, Beschluss vom 27. Juli 2018, 4 U 31/16, BeckRS 2018, 23586; LG Berlin, Urteil vom 9. Juli 2019, 55 S 259/16, BeckRS 2019,16120; LG Ravensburg, Urteil vom 28. September 2017,1 S 142/19, BeckRS 2017,151906; LG Aurich, Urteil vom 5. April 2019, 4 S 96/17, BeckRS 2019,8163 – annehmen können, in denen zeitnah eine anderweitige Veräußerung erfolgt ist, ebenso in dem vom Beklagten angeführten Fall des Amtsgerichts Landsberg am Lech (4 C 1078/14, nachgehend LG Augsburg, 43 S 3572/16).

(3) Erst recht ist im Übrigen die Sperrung des Accounts der Klägerin als gerechtfertigt anzusehen, dies schon deshalb, weil nach den erörterten Umständen davon auszugehen ist, dass sie ihr eBay-Konto übertragen bzw. einem Dritten hierzu Zugang gewährt hat.

Auch dies ist im vorliegenden Fall nicht, wie es aber die Klägerseite darzustellen sucht, eine bloße Lässlichkeit, die alltäglich vorkommt, indem ein Dritter, etwa ein Familienangehöriger, einmal einen ordentlich angemeldeten Account ohne Rücksprache mit dem Inhaber benutzt. Vorliegend handelt es sich nicht um einen Einzelfall, sondern – wie schon die Vielzahl der Prozesse zeigt, die unterdes ohne ihre Beteiligung im Namen der Klägerin geführt werden – um einen stetigen Vorgang, und die Gewährung des Zugangs beruht auch nicht etwa auf einer mangelnden Überwachung desselben, sondern – wie nicht zuletzt aus dem Umstand hervorgeht, dass das streitgegenständliche Angebot aus S. abgegeben worden ist – auf der systematischen Überlassung an eine Person, die, wie die Inhaberin genau weiß, einen eigenen Account bei eBay nicht (mehr) führen darf.

Unter diesen Umständen erscheint das Verhalten von Herrn Y. und der Klägerin auch nicht als eine Alltäglichkeit, die eBay, wie die Klägerseite will, nach den herkömmlichen Grundsätzen des Handelns unter fremdem Namen (vgl. dazu nur Palandt/Ellenberger, BGB, Kommentar, 80. Auflage, § 164 Rn. 10f.) oder denen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht oder als ein unbedenklich wirksames „Strohfrauhandeln“ behandele. Beim Handeln unter fremdem Namen geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen im Interesse des erfüllungswilligen Geschäftsgegners ein Vertrag mit Wirkung gegen den vertretenen Namensträger zustande kommt; im Falle von eBay-Auktionen geht es dabei typischerweise um die Nutzung eines ordnungsgemäß errichteten Accounts hinter dem Rücken des Inhabers in einem Einzelfall (vgl. paradigmatisch BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 – VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 = NJW 2011, 2421, Rn. 11ff.). Auch bei der Beurteilung des Strohmannhandelns (das [vgl. nur Palandt/Ellenberger, vor § 164 Rn. 8] wirksam ist, sofern es nicht wegen Gesetzesumgehung, § 134 BGB, nichtig ist) geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen der nur vorgeschobene Strohmann dem an einer Erfüllung interessierten Geschäftsgegner verpflichtet ist und unter welchen diesem nachrangig sogar noch der Hintermann haftet. Vorliegend ist die Konstellation indes eine gänzlich andere. Hier sollen die Erklärungen einer auf dem rechtlichen Betätigungsfeld ausgeschlossenen Person, die diese zum Zwecke der Umgehung ihres Ausschlusses mit Wissen des Namensträgers unter falschem Namen abgibt, gegenüber einem Geschäftsgegner wirksam sein, der – wie sowohl der Hinter- wie der Strohmann sicher vorhersehen können – im Falle seiner selektiven Inanspruchnahme unter keinen Umständen freiwillig zur Erfüllung, geschweige denn zur Bedienung vertraglicher Sekundäransprüche bereit sein wird. Mit Rücksicht auf die vorstehenden Erwägungen erscheint es dem Senat handgreiflich, dass eBay bestrebt ist, derartige Personen von seiner Plattform auszuschließen, und eben das spiegelt sich auch in den Angaben von Herrn Y. zu den Gründen der Sperrung, die nach einigem Hin und Her, ob nun (unklar, im Fall welcher der verschiedenen Sperrungen) nicht bezahlte Artikel oder die „Verbindung zu mir“ den eigentlichen Grund abgeben, darein mündete, dass er „wohl nervt“.

cc) Nachdem gemäß § 4 Nr. 5 der eBay-AGB in der im Streitfall geltenden Fassung (Anlage K 1) eine von eBay verhängte Sperrung oder Kündigung zur Folge hat, dass dieser Nutzer die eBay-Dienste auch mit anderen eBay-Konten nicht mehr nutzen und sich nicht erneut anmelden darf, hat die unstreitige Sperrung des Herrn Y. ebenso wie - wozu sich Herr Y. im Termin nur ausreichend erklärt hat - eine etwaige Kündigung von eBay zur Folge, dass er nicht berechtigt war, auf eBay auf die hier streitgegenständliche Uhr zu bieten.

c) Die Zulässigkeit der Bevollmächtigung von Herrn Y. bzw. der Genehmigung seines Handelns durch die Klägerin dahingestellt, zielte nach den festgestellten Umständen die Benutzung des Accounts der Klägerin durch Herrn Y. in deren Einverständnis auf eine bewusste und gewollte Umgehung seines Ausschlusses und stellte dergestalt einen Missbrauch dar mit der Folge, dass die Berufung auf ein wirksames Handeln unter fremdem Namen jedenfalls rechtsmissbräuchlich und deshalb nach Treu und Glauben, § 242 BGB, unwirksam ist.

Die Rechtsmissbräuchlichkeit eines Verhaltens ist einer allgemeinen Klärung regelmäßig nicht zugänglich, da es hierfür stets auf eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ankommt, wobei die Annahme eines Rechtsmissbrauchs auf besondere Fälle beschränkt bleiben muss. Dementsprechend lassen sich abstrakte, verallgemeinerungsfähige Kriterien, die den zwingenden Schluss auf ein Vorgehen als „Abbruchjäger“ im Sinne einer rechtlich zu missbilligenden Verhaltensweise erlaubten, nicht aufstellen. In Abgrenzung zu einem bloßen Schnäppchenjäger, der lediglich gezielt die Chance wahrnimmt, Waren zu einem deutlich unter ihrem Marktwert liegenden Preis zu erwerben, kommt die Annahme eines Rechtsmissbrauches und eines zu missbilligenden Verhaltens als Abbruchjäger etwa dann in Betracht, wenn die Absicht eines Bieters von vornherein auf das Scheitern des Vertrages (durch Abbruch der Auktion) gerichtet ist, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können (BGH, Beschluss vom 20. Juli 2021, VIII ZR 91/19, Rn. 6 [überreicht von der Klägerseite im Senatstermin, Hervorhebung vom Senat]; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2019, VIII ZR 182/17, Rn. 25). Daraus folgt, dass ein Rechtsmissbrauch auch, aber eben nicht nur in solchen Fällen der zielgerichteten Generierung allein von Schadensersatzansprüchen in Betracht kommt, und als eine weitere – hier einschlägige – Fallgruppe erachtet der Senat die hier gegebenen Fälle institutionellen Missbrauchs bzw. der Ausnutzung eines unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung.

Der Gedanke des institutionellen Missbrauchs besagt, dass die aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm (scheinbar) ergebenden Rechtsfolgen unter Umständen zurücktreten müssen, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren, schlechthin untragbaren Ergebnis führen (vgl. etwa Palandt/Grüneberg, § 242, Rn. 40). Zu den anerkannten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs gehört unter anderem der unredliche Erwerb der eigenen Rechtsstellung; denn die Ausübung eines Rechts ist in der Regel rechtsmissbräuchlich, wenn der Berechtigte es gerade durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat (std. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. Oktober 1971, VIII ZR 165/69, BGHZ 57, 108, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 20. März 2013, XII ZB 81/11, NJW 2013, 1676, Rn. 18). Das ist insbesondere der Fall, wenn das zielgerichtet geschehen ist (vgl. ebd. und BGH, Urteil vom 20. Juli 2012, V ZR 217/11, Rn. 17).

So liegt es hier. Nach § 2 Nr. 2 eBay-AGB ist die Anmeldung nur juristischen Personen, Personengesellschaften und unbeschränkt geschäftsfähigen natürlichen Personen erlaubt. Nach § 2 Nr. 3 eBay-AGB sind die von eBay bei der Anmeldung abgefragten Daten vollständig und korrekt anzugeben. Nach § 2 Nr. 8 eBay-AGB ist ein eBay Konto nicht übertragbar. Aus diesen Regelungen folgt, dass (juristische und natürliche) Personen einen Nutzer-Account nur auf und für sich selbst etablieren können, nicht aber für Dritte. Das Gebot, auf das sich die Klägerin im Interesse des Herrn Y. berufen will, ist schon im Ansatz allein deshalb möglich gewesen, weil die Klägerin und Herr Y. wissentlich und willentlich die Zugangsbedingungen von eBay missachtet und gegen den klar ersichtlichen Willen von eBay zu umgehen gesucht haben, um einem ausgeschlossenen Nutzer Zugang zu dem Marktplatz zu verschaffen, auf dass dieser dort seine bekanntermaßen von eBay missbilligten Zwecke weiterverfolgen kann. In genau dem von der Klägerin (BB S. 24, Bl. 220) angeführten Sinn schließt der Gedanke von Treu und Glauben es aus, dass sich derjenige, der sich selbst nicht rechtstreu verhält, auf die mangelnde Rechtstreue seines Vertragspartners berufen kann, und hier liegt das Fehlverhalten von Herrn Y. bzw. der Klägerin noch vor den Fehlhandlungen des Beklagten. Den Vorwurf eines regelwidrigen Verhaltens, den Herr Y. zu seinem finanziellen Vorteil den Abbrechern macht, kann er nur deshalb erheben, weil er die Regeln, auf deren Einhaltung er gegenüber den Abbrechern pocht, selbst zuvor gebrochen hat.

Hiergegen kann die Klägerin auch nicht einwenden, diese Beurteilung begünstige den Betrüger und benachteilige das wehrhafte Opfer, wohingegen ihre rechtliche Lösung zu einem für alle Beteiligten ausschließlich vorteilhaften Ergebnis führe. Zunächst liegt weder in einem unzulässigen Auktionsabbruch noch in einem shill bidding rechtstechnisch ein Betrug; es fehlt an einer Täuschung, an einem Irrtum und auch – offensichtlich – an einer Vermögensverfügung. Es wird lediglich einem unbekannten Mitglied die Chance genommen, einen Gegenstand weit unter dessen tatsächlichem Wert erwerben zu können, eine Chance, mit dessen Realisierung es angesichts seines dürftigen Höchstgebots vernünftigerweise ohnehin kaum rechnen konnte. Faktisch erfolgt, wie schon ausgeführt, nach einem – freilich regelwidrigen – Abbruch oftmals eine nunmehr regelgerechte zweite Auktion, die eine marktgerechte oder jedenfalls eher marktgerechte Transaktion zur Folge hat. Das ist nicht nur aus der Sicht des Marktplatzbetreibers, der dabei auf seine Kosten kommt, sondern auch aus der Sicht des Wettbewerbes ein gänzlich unkritisches Ergebnis. Ebenso liegt es, wenn, wie ebenfalls nicht selten, die zunächst auf eBay angebotene Ware anderweitig veräußert wird (was, wie ausgeführt, eBay, das shill bidder nicht ausschließt, hinnimmt). Weder der eBay-Marktplatz noch gar der gesamtgesellschaftliche Warentausch auf Konsumentenebene bedürfen daher des Schutzes, den die Klägerin und Herr Y. ihm zu bieten vorgeben. Nur in der Welt eines eBay-Abbruchjägers, der das dortige Geschehen planmäßig beobachtet und Verstößen mit aufwändigen Folgeroutinen nachgeht, kommt ein Vertrag mit dem nächsthöchsten Gebot zustande und nur unter solchen Vorzeichen käme auch der von ihm verfolgte Verkäufer günstiger davon, und auch das nur rein theoretisch, weil der nächstniedrige Bieter ja bereits überboten worden ist. Es erscheint dem Senat daher auch als unangemessen, wenn die Klägerin und Herr Y., die die bezeichneten Verstöße systematisch im Gewinninteresse ausnutzen, sich als „Opfer“ stilisieren wollen, dies zumal, da sie in diese Rolle nur nach dem bewusst regelwidrigen Zugang zu einer ihnen an sich verschlossenen Bühne haben schlüpfen können. Wollte man der Auffassung der Klägerin folgen, könnte Herr Y., obwohl sein Auftreten auf der Plattform offensichtlich unerwünscht ist, seine Tätigkeit entgegen dem erklärten Willen des Plattformbetreibers ad ultimo fortsetzen, solange es ihm nur gelingt, eine „unbescholtene“ Person zu finden, die bereit ist, ihm ihr Konto zur Verfügung zu stellen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Detmold: Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO rechtsmissbräuchlich wenn dies nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO erfolgt

LG Detmold
Urteil vom 26.10.2021
02 O 108/21


Das LG Detmold hat entscheiden, dass die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO rechtsmissbräuchlich ist, wenn dies nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:

III) Der Auskunftsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht auf § 15 DSGVO stützen. Ihm steht der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Es handelt sich dabei um einen Grundsatz, der als nationale Ausformung auch im Rahmen des § 15 DSGVO Geltung beansprucht. Danach ist die Ausübung eines Rechts u. a. nicht erlaubt, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2021, § 242 Rn. 49 f.).

So liegt der Fall hier.

Nach dem Vortrag des Klägers soll das begehrte Auskunftsbündel ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen. Dabei handelt es sich um einen vollkommen verordnungsfremden Zweck. Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO, dient das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen vielmehr dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DSGVO eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Der Betroffene soll den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können. Die Auskünfte dienen auch dazu, der betroffenen Person die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019 - 20 W 10/18).

Der Kläger macht keines der vorgenannten Interessen geltend.

Das Auskunftsbegehren soll sich nach seinem klar geäußerten Willen allein darin erschöpfen, etwaige geldwerte Ansprüche gegen die Beklagte zu prüfen. Damit trifft das Begehren des Klägers nicht einmal den Titel der Verordnung, nämlich den Datenschutz. Ein Begehren, das sich derart weit von dem Regelungsinhalt einer Rechtsgrundlage entfernt hat, ist nicht schützenswert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber nicht etwa ein situationsunab-hängiges Auskunftsrecht von Verbrauchern gegenüber Unternehmen schaffen wollte, welches im allgemeinen Rechtsverkehr nicht besteht. Vielmehr hat er die zu erteilenden Auskünfte explizit an den Zweck des Datenschutzes gebunden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: