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OLG Brandenburg: Keine Informationspflichten auslösende Garantieerklärung nach § 479 BGB wenn auf einem Produktbild beiläufig eine Garantiekarte erwähnt wird

OLG Brandenburg
Beschluss. vom 18.04.2023
6 W 31/23


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass keine Informationspflichten auslösende Garantieerklärung nach § 479 BGB vorliegt, wenn auf einem Produktbild beiläufig eine Garantiekarte erwähnt wird

Aus den Entscheidungsgründen:
Sie ist allerdings unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG in Zusammenhang mit der beanstandeten Werbung verneint.

1. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Werbung zunächst nicht wegen Verstoßes gegen § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Nr. 12 EGBGB in der ab dem 28.05.2022 gültigen Fassung (inhaltsgleich zu der bis dahin in Ziff. 9 enthaltenen, vom Landgericht und dem Antragsteller in Bezug genommenen Regelung) unlauter, wobei die Unlauterkeit in diesem Zusammenhang allerdings nicht nach § 3a, sondern nach § 5a UWG zu bewerten ist (BGH, Urteil vom 10.11.2022 - I ZR 241/19 - Herstellergarantie IV, juris, Rn 16).

§ 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB verpflichten den Unternehmer, dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen vor Vertragsschluss Informationen über das Bestehen von Garantien zur Verfügung zu stellen. Diese stellt eine wesentliche Information im Sinne von Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG, § 5b Abs. 4 UWG in der ab dem 28.05.2022 gültigen Fassung dar (BGH, a.a.O., Rn. 23, 26).

Die vorvertragliche Informationspflicht wird allerdings nicht bereits durch das Bestehen einer Garantie als solche ausgelöst, sondern nur dann, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hat, Informationen über die Garantie zu erhalten, um sich zu entscheiden, ob er den Vertrag abschließt (BGH, a.a.O., Rn. 35). Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne liegt vor, wenn der Unternehmer die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht, wenn also der Unternehmer die Aufmerksamkeit des Verbrauchers ausdrücklich auf das Bestehen einer gewerblichen Garantie des Herstellers lenkt, um daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herzuleiten und damit die Wettbewerbsfähigkeit oder die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu den Angeboten seiner Wettbewerber zu verbessern. In diesem Fall ist zu vermeiden, dass der Verbraucher durch unklare, mehrdeutige oder unvollständige Informationen über verschiedene Garantien in die Irre geführt wird und ist zu seinem Schutz die Erkenntnis sicherzustellen, von wem die Garantie stammt. Erwähnt das Angebot des Unternehmers die Garantie des Herstellers hingegen nur beiläufig oder in belangloser oder vernachlässigbarer Weise, sodass sie im Hinblick auf Inhalt und Ausgestaltung des Angebots objektiv weder als Geschäftsargument angesehen werden noch einen Irrtum beim Verbraucher hervorrufen kann, besteht keine Informationspflicht. Maßgeblich für die Abgrenzung sind Inhalt und allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der Ware, Bedeutung der Erwähnung der gewerblichen Garantie als Verkaufs- oder Werbeargument, Positionierung der Erwähnung der Garantie im Angebot, die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, Vorliegen von Erläuterungen zu weiteren, mit der Ware verbundenen Garantien und jeder weitere Gesichtspunkt, der eine objektive Schutzbedürfnisses Verbrauchers begründen kann (BGH, a.a.O., Rn. 36 f.).

Dass die inkriminierte Werbung das Bestehen einer Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal des Angebots macht, hat das Landgericht zu Recht verneint. Die fragliche Anmerkung ist nicht Gegenstand des Angebotstextes, sondern lediglich sichtbar auf dem Foto der Umverpackung. Dort ist sie Bestandteil der Inhaltsangabe der Verpackung, die in kleiner Schrift am unteren Rand aufgedruckt und auf dem Foto erst nach Vergrößerung lesbar ist. Zudem stellt die inkriminierte Anmerkung lediglich einen Hinweis auf eine in der Verpackung enthaltene Garantiekarte dar, ohne dass erkennbar wird, wer Garantiegeber ist oder welche Laufzeit diese Garantie haben soll. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner etwaige mit der Garantie verbundenen Vorteile zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots gemacht hätte.

2. Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt auch ein Verstoß gegen §§ 443, 479 BGB nicht vor, dessen Unlauterkeit nach Maßgabe des § 3a UWG zu beurteilen wäre. Insoweit fehlt es bereits an einer die Informationspflichten des § 479 BGB auslösenden Garantieerklärung im Sinne des § 443 BGB. Unter den Begriff der Garantieerklärung im Sinne des §§ 479 Abs. 1, 443 Abs. 1 BGB fallen Willenserklärungen, die zum Abschluss eines Kaufvertrages (unselbstständige Garantie) oder eines eigenständigen Garantievertrages führen, nicht dagegen eine Werbung, die den Verbraucher lediglich zur Bestellung auffordert und in diesem Zusammenhang eine Garantie angekündigt ohne sie bereits rechtsverbindlich zu versprechen (BGH, a.a.O., Rn. 54 mit weiteren Nachweisen). Als Garantieerklärung, die den in § 479 Abs. 1 bestimmten Erfordernissen entsprechen muss, ist im Falle einer selbstständigen Garantie die auf den Abschluss eines Garantievertrags gerichtete Willenserklärung des Unternehmers und bei einer unselbständigen Garantie dessen auf die Modifikation der gesetzlichen Rechtsbehelfe des Verbrauchers gerichteten Willenserklärung anzusehen (BGH, Urteil vom 05.12.2012 - I ZR 88/11 - Werbung mit Herstellergarantie bei eBay, juris, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen). Die Fälle, in denen ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher eine Garantieerklärung in diesem Sinne abgibt, sind von einer Werbung danach abzugrenzen, ob der Unternehmer nur eine invitatio ad offerendum ausgesprochen oder aber bereits ein rechtsverbindliches Angebot im Sinne des § 145 BGB abgegeben hat und der Verbraucher damit zu entscheiden hat, ob er dieses annehmen soll (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2022 - I ZR 241/19 - Herstellergarantie IV, juris, a.a.O., Rn. 59).

Eine entsprechende, auf den Abschluss eines Garantievertrags gerichtete Willenserklärung des Antragsgegners lässt sich vorliegend nicht feststellen. Die bloße Erwähnung einer Garantiekarte in der Inhaltsangabe der abfotografierten Verpackung stellt kein Angebot auf Abschluss eines Garantievertrages dar. Ein entsprechendes Angebot nach § 145 BGB setzt voraus, dass Gegenstand und Inhalt des angebotenen Vertrages so bestimmt oder so (im Wege der Auslegung nach dem Empfängerhorizont nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB) bestimmbar angegeben werden, dass die Annahme durch ein einfaches „ja“ erfolgen kann (vgl. Grüneberg-Ellenberger, BGB, 82. Aufl. § 145 Rn. 1). Daran fehlt es. Der Verweis auf die innenliegende Garantiekarte lässt weder den Vertragspartner des möglichen Garantievertrages erkennen - sei es der Hersteller, der Antragsgegner oder ein Dritter - noch den Vertragsgegenstand, nämlich Umfang und Dauer der Garantie. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich deshalb maßgeblich von denjenigen, die den Entscheidungen des OLG Hamm (Urteil vom 14.02.2013 - I-4 U 182/12, 4 U 182/12 - Garantiewerbung bei eBay; juris) und des OLG Nürnberg (Urteil vom 10.12.2019 - 3 U 1021/19 - 5 Jahre Garantie; juris) zu beurteilen waren. Zwar lag hier - wie dort - bezüglich der angebotenen Ware ein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages vor, nachdem der Antragsteller den zum Verkauf gestellten Rückenwärmegurt auf der Auktionsplattform eBay auch über die „sofort-Kaufen-Option“ angeboten hat (vgl. BGH, GRUR 2013, 851 - Herstellergarantie II, Rn. 12). In den dem OLG Hamm und dem OLG Nürnberg vorliegenden Fällen war allerdings, anders als hier, jeweils im Angebot mit einer dem jeweiligen Anbieter zuzurechnenden „5 Jahre Garantie“ geworben. Daran fehlt es hier, so dass der Antragsgegner entgegen der Ansicht des Antragstellers vorliegend den Informationspflichten nach § 479 BGB nicht unterlag.


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OLG Brandenburg: 15.000 EURO Streitwert für Verfahren eines Abmahnvereins gegen eBay-Händler wegen diverser Wettbewerbsverstöße angemessen

OLG Brandenburg
Beschluss vom 24.04.2023
6 W 28/23


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass ein Streitwert von 15.000 EURO für das Verfahren eines Abmahnvereins gegen einen eBay-Händler wegen diverser Wettbewerbsverstöße angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die gegen die landgerichtliche Festsetzung des Gebührenstreitwerts mit dem Ziel der Heraufsetzung des festgesetzten Wertes eingelegte Beschwerde ist als aus eigenem Recht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erhobenes Rechtsmittel gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 €, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet, der Gebührenstreitwert ist auf 15.000 € festzusetzen.

Der Gebührenstreitwert eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, in welchem ein Unterlassungsanspruch verfolgt wird, ist gemäß § 51 Abs. 2, 4 GKG nach dem Ermessen des Gerichts ausgehend von der sich aus dem Antrag des Antragstellers/Verfügungsklägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen, wobei dieser Wert unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen ist.

Wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Ermessensausübung ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers/Antragstellers an der Anspruchsverwirklichung, welches objektiv, nicht nach seinen subjektiven Vorstellungen zu bestimmen ist (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 41. Aufl., § 12 Rn 4.3b, 4.3b). Streitwertangaben der Parteien zu Beginn des Verfahrens haben indizielle Bedeutung (vgl. Köhler/Feddersen a.a.O. Rn 4.3a). Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten/Antragsgegner erheblich geringer zu bewerten, ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG der nach der Bedeutung der Sache für den Kläger/Antragsteller ermittelte Wert angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1.000 € anzunehmen. Unter Ansatz dieses Maßstabs ist im Streitfall der Gebührenstreitwert auf 15.000 € festzusetzen.

Der Kläger ist ein in der gemäß § 8b UWG bei dem Bundesamt für Justiz geführten Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragener Verband. Er hat den Beklagten auf Unterlassung wegen verschiedener vermeintlicher Verstöße gegen Informationspflichten im Onlinehandel mit Briefmarken, wegen vermeintlichen Verstoßes gegen das Verpackungsgesetz, wegen vermeintlichen Inverkehrbringens falscher oder verfälschter Briefmarken ohne Hinweis auf die Fälschung oder Verfälschung sowie wegen Verwendung vermeintlich unwirksamer Geschäftsbedingungen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat u.a. geltend gemacht, er handele bei dem in Rede stehenden Verkauf von Briefmarken auf der Handelsplattform eBay als Verbraucher und nicht - wie vom Kläger behauptet - im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit. Er habe im Laufe mehrerer Jahrzehnte mehr als 700.000 Briefmarken privat erworben und minimiere durch die ca. 650 bis 700 aktuell auf eBay angebotenen Verkäufe seine Privatsammlung. Unter diesen Gegebenheiten ist das Verbandsinteresse des Klägers an der Unterbindung künftiger Verstöße so zu bewerten, wie das eines gewichtigen Mitbewerbers im Handel von Briefmarken zu Sammlungszwecken (vgl. Köhler/Feddersen a.a.O. Rn 4.8). Die Bedeutung der Sache für den Beklagten richtet sich im Wesentlichen danach, in dem von ihm für sich in Anspruch genommenen privaten Rahmen Briefmarkenverkäufe weiter durchzuführen, ohne den vom Kläger geltend gemachten Pflichten eines Gewerbetreibenden unterworfen zu werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Beklagte jedenfalls über einen Bestand an potentiell zu verkaufenden Briefmarken in einem einem kleineren Händler vergleichbaren Umfang verfügt.

Aufgrund dieser Gegebenheiten und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger vorliegend eine Vielzahl unterschiedlicher Verstöße verfolgt hat, hält der Senat mit Blick auf die geringere Bedeutung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Hauptsache eine Wertfestsetzung in Höhe von 15.000 € für sachgerecht. Das steht im Einklang mit der Festsetzungspraxis des Senats, in Streitigkeiten wegen Verletzung von Informationspflichten im Onlinehandel betreffend kleine Unternehmen bei dem Vertrieb von Wirtschaftsgütern von nicht beträchtlichem Wert den Streitwert in der Regel auf bis zu 6.000 € im Verfügungsverfahren und auf bis zu 9.000 € im Hauptsacheverfahren festzusetzen, wobei eine Mehrzahl geltend gemachter Verstöße mit einer maßvollen Erhöhung berücksichtigt wird.


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OLG Brandenburg: Keine Vertragsstrafe aus Unterlassungserklärung wenn sich Rechtslage geändert hat - keine Kündigung erforderlich da Einwand der unzulässigen Rechtsausübung

OLG Brandenburg
Urteil vom 16.02.2022
7 U 214/20

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung besteht, wenn sich die Rechtslage geändert hat. Eine gesonderte Kündigung ist nicht erforderlich. Dem Einspruch steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte kann der Vertragsstrafenforderung den Einwand veränderter Umstände entgegenhalten.

Keiner näheren Erörterung bedarf, dass zwischen den Parteien ein Unterlassungsvertrag auch durch die jahrelang verzögerte Annahme des unbefristet erklärten Vertragsangebots zustandekommen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1477, Rdnr. 20).

Die Beklagte hat gegen die von ihr übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Sie hat eine nicht nur kerngleiche, sondern identische Klausel verwendet, soweit es die Höhe des Pauschalbetrages von 40 Euro betrifft. Das wird durch Ergänzungen der Klausel nicht in Frage gestellt. Dass die Beklagte nun, anders als zur Zeit der Unterwerfungserklärung, dem Kunden den Nachweis geringeren Schadens zugesteht, betrifft ein anderes Klauselverbot, nämlich dasjenige nach § 309 Nr. 5 Buchst. b BGB, während die Höhe der Pauschale von § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB geregelt wird. Der nun verwendete Zusatz, der geforderte Betrag entspreche dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden, reichert die Klausel, die die Beklagte zur Zeit der Unterwerfungserklärung ohne diesen Zusatz verwendete, um nichts an: Es handelt sich zum einen um eine Wiedergabe des Gesetzeswortlauts und geht zum anderen nicht über eine bloße Behauptung hinaus.

Der Kläger braucht nicht darzulegen, der unverändert geforderte Pauschalbetrag von 40 Euro übersteige den zum Schadensersatz erforderlichen Betrag. Die Fragen, ob dieser Betrag zur Zeit der Unterwerfungserklärung zu hoch war und deshalb durch AGB nicht vereinbart werden durfte (§ 309 Nr. 5 Buchst. a BGB), haben die Parteien durch ihre Unterlassungsvereinbarung dem Streit enthoben. Der geschlossene Vertrag betrifft die tatsächlichen Voraussetzungen und die rechtliche Beurteilung. Die Verwendung einer AGB-Klausel, mit der 40 Euro als Schadenpauschale vereinbart werden, ist zwischen den Parteien auf Grund des Vertrages jedenfalls verboten. Ob ein allein auf dem Gesetz beruhender Anspruch bestand, bleibt dafür ohne Belang. Die Beklagte hätte sich selbst bei erheblichen Zweifeln vertraglich zur Unterlassung verpflichten können – nicht um die rechtliche Beurteilung zuzugestehen, sondern um eine langwierige, kostenträchtige und in ihrem Ergebnis unabsehbare gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

Das Unterlassungsgebot und die Entbehrlichkeit eines tatsächlichen und rechtlichen Nachweises eines gesetzlichen Klauselverbots haben die Parteien unbefristet und auch im übrigen bedingungslos vereinbart. Sie haben insbesondere nicht vereinbart, das Verbot solle nicht mehr gelten, sobald nachweisbare Kosten der Schadenbehebung eine bestimmte Höhe erreicht haben oder sobald der Nennbetrag von 40 Euro einen gewissen Kaufkraftverlust erlitten hat. Der geschlossene Vertrag hat den Kläger für alle Zeit jeglichen Nachweises enthoben.

Dennoch ist die Beklagte nicht unter allen Umständen für alle Zeit an die Unterlassungsvereinbarung und an die damit verbundene Vertragsstrafe gebunden. Es kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Parteien Grund und Anlass ihrer Vereinbarung übereinstimmend in einem etwaigen Verstoß der Beklagten gegen ein gesetzliches Klauselverbot gesehen haben.

Entfällt die Rechtswidrigkeit der Handlung nach Abschluss des Unterlassungsvertrages, so dass ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch nicht mehr besteht, so bedarf es einer Kündigung des Vertrages entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Vielmehr wird es dem sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder – eher – der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) zugeschrieben, dass der Gläubiger nun die Unterlassung von dem Schuldner nicht mehr verlangen darf (MüKo-UWG-Ottofülling, 2. Aufl. 2014, § 12 Rdnr. 233; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Brüning, UWG, 5. Aufl. 2021, § 13 Rdnr. 164). Es besteht ein Kündigungsrecht wegen nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) oder wegen eines wichtigen Grundes (§ 314 I BGB; Ottofülling, Rdnr. 301; Brüning, Rdnr. 162 f.), aber auch wenn der Schuldner es nicht ausübt, darf die Unterlassungsverpflichtung, die zu erklären er heute keinen Anlass mehr hätte, ihm gegenüber nicht mehr durchgesetzt werden; es handelt sich um eine Einwendung, die vorheriger Erklärung nicht bedarf (Ottofülling, Rdnr. 308; Brüning, Rdnr. 164).

Die Einwendung richtet sich auf eine Veränderung der Verhältnisse, unter denen die Parteien die Unterlassungsvereinbarung geschlossen haben. Die Einwendung ermöglicht es der Beklagten nicht, erst jetzt geltendzumachen, sie habe die Unterlassungsverpflichtung damals nicht eingehen müssen oder eingehen wollen. Ihr wird allein der Einwand zugestanden, sie hätte heute keinen Anlass zum Vertragsschluss, wenn sie gleiche Entscheidungskriterien und gleiche Beurteilungsmaßstäbe wie damals verwendete. Anders gewendet: Die Einwendung muss eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse darlegen, nicht eine geänderte Beurteilung wesentlich gleicher Verhältnisse. Diese aus der Beurteilung von Abänderungsverlangen geläufigen Entscheidungsmaßstäbe (§ 323 a ZPO) schneiden der Beklagten die Möglichkeit ab, sich bloß anders zu besinnen und einzuwenden, heute würde sie sich auf die damals vereinbarte Unterlassung nicht mehr einlassen. Vielmehr muss sie darlegen, sie hätte sich schon damals nicht unterworfen, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sich schon so dargestellt hätten wie heute.

Es reichte also nicht aus darzulegen, die Kosten des Schadensersatzes seien zur Zeit der Vertragsstrafenforderung mit 40 Euro zutreffend oder jedenfalls nicht zu hoch bemessen. Wenn sie schon zur Zeit der Unterwerfungserklärung mit 40 Euro nicht zu hoch bemessen waren, würde die Einwendung der Beklagten im Ergebnis ermöglichen, ihren damals gefassten Entschluss zu korrigieren, sich trotz eines eventuell zutreffend bemessenen Pauschalbetrages zur Unterlassung zu verpflichten und das Angebot zum Abschluss des Unterlassungsvertrages abzugeben. Diese Korrektur ist ihr durch die Bindung an den Vertrag verwehrt. Sie muss eine wesentliche Veränderung der Schadenhöhe darlegen, und auch dieser Darlegungsanforderung ist sie nachgekommen.

Dass die Kosten der Schadenbehebung zur Zeit der Vertragsstrafenforderung mit 40 Euro nicht zu hoch bemessen ist, hat die Beklagte ausreichend dargelegt. Maßgeblich sind dafür die Verhältnisse des Jahres 2018, weil die Vertragsstrafe erst für die ab dem Abschluss des Vertrages in jenem Jahr begangenen Verstöße gefordert werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1477, Rdnr. 20; NJW 2018, 155, Rdnr. 17).

Es kann nicht beanstandet werden, dass die Beklagte auch Personalkosten zum Aufwand der Schadenbehebung gerechnet hat.

Der Kläger verweist auf die Ansicht, Kosten der Schadensermittlung und außergerichtlichen Durchsetzung des Schadensersatzes dürfe der Geschädigte grundsätzlich nicht ersetzt verlangen (stRspr, zuletzt: BGH, NJOZ 2020, 300, Rdnr. 19). Darum geht es hier aber nicht. Es gehört nicht zur Schadensermittlung, sondern zur Beseitigung des Schadens, den neuen Schlüsselchip so herzurichten, dass er bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Ein Unternehmer, der die ansonsten gewinnbringend eingesetzten Kapazitäten seines Betriebs dazu benutzt, einen ihm zugefügten Schaden selbst zu beheben, kann beanspruchen, ihm die Kosten einer Fremdreparatur zu ersetzen. Dies gilt selbst dann, wenn das vorhandene Personal die Reparatur ohne gesonderte Vergütung vornimmt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Betrieb nicht ausgelastet ist und deshalb ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur genutzt werden können (vgl. BGH, NJW 2014, 1376, Rdnr. 11).

Wenn jeder der von der Beklagten beschriebenen Arbeitsschritte (Anlage B 1 = Bl. 86) mit fünf Minuten veranschlagt werden kann (§ 287 I ZPO), dann belaufen sich die Personalkosten der Beklagten auf 23 Euro. Gemeinsam mit den von dem Kläger zugestandenen Materialkosten von 17 Euro ergeben sich 40 Euro; der so bezifferte Pauschalbetrag ist nicht zu hoch.

Dass dieser Betrag 2018 wesentlich höher lag als 2010, hat die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung vorgetragen (S. 3, 4 = Bl. 212, 212R). Dieser neue Vortrag ist zuzulassen, weil der Kläger ihn nicht bestritten hat. Er wäre auch nach § 531 II 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil der Gesichtspunkt einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse bislang in der Erörterung der Parteien und in der Begründung des angefochtenen Urteils keine Rolle gespielt hat. Da der zum Schadensersatz 2018 erforderliche Betrag bei 40 Euro lag, reicht es aus, anhand des unbestrittenen Vortrages der Beklagten einen Kaufkraftverlust von elf Prozent und gestiegene Personalkosten anzunehmen, um zu dem Schluss zu gelangen, acht Jahre zuvor, zur Zeit der Unterwerfungserklärung, hätten die erforderlichen Kosten wesentlich unter diesem Betrag gelegen.


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OLG Brandenburg: Berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DGSVO - Datenübermittlung zur Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns durch einen Subunternehmer

OLG Brandenburg
Urteil vom 23.02.2022
4 U 111/21


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DGSVO vorliegt, wenn die Datenverarbeitung der Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns durch einen Subunternehmer

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Die Klägerin ist durch die Vorschriften der seit 2018 geltenden Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (im Folgenden DSGVO) nicht gehindert, gegenüber der Beklagten Nachweise über die Zahlung des Mindestlohns an die Mitarbeiter, die sie zur Erfüllung von Aufträgen der Beklagten eingesetzt hat, zu erbringen. Diese Form der Verarbeitung personenbezogener Daten der Mitarbeiter der Klägerin ist vielmehr, soweit dabei die Grenzen der Erforderlichkeit und der Datensparsamkeit eingehalten werden, gemäß Art 6 Abs. 1 lit f. DSGVO erlaubt.

aa) Dabei verkennt der Senat nicht, dass Vereinbarungen zwischen einem Generalunternehmer – wie der Beklagten – und einem Subunternehmer – wie der Klägerin – über Vorlagepflichten und Einsichtsrechte zur Überprüfung der Einhaltung des Mindestlohngesetztes (im Folgenden MiLoG) zwar einerseits mit Blick auf die Haftung des Generalunternehmers aus § 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG üblich sind und in der Literatur zum MiLoG sogar empfohlen werden (vgl. nur: Grimm in Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 12. Aufl. 2021, E. Arbeitnehmerentsendung und Mindestlohn Rn. 128; Bissels/Falter, Gesetzlicher Mindestlohn – Fallstricke bei der Haftung für Subunternehmer nach dem MiLoG) – DB 2015, 65, 67; Rittweger/Zieglmeier, Checkliste Mindestlohn, NZA 2015, 976,977), andererseits datenschutzrechtlich durchaus als problematisch (Tschöpe a.a.O., Datenschutzbeauftragte des Bundes du der Länger, z.B. Internetauftritt des Sächsischen Datenschutzbeauftragten), teilweise sogar als schlichtweg unzulässig (Frank/Krause, Datenschutzrechtliche Aspekte des Mindestlohngesetztes, DB 2015, 1285, 1286) erachtet werden.

Datenschutzrechtlich stellt sich die Rechtslage bezogen auf den für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Zeitraum August/September 2019 wie folgt dar:

Trotz Inkrafttretens der DSGVO mit Wirkung ab dem 25.05.2018 ist die Frage des Umgangs eines Unternehmers mit personenbezogenen Daten der bei ihm Beschäftigten grundsätzlich zunächst nach § 26 BDSG a.F. zu beurteilen, da die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Vorschrift von der in Art. 88 DSGVO eingeräumten Befugnis, zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext spezifischere Vorschriften zu erlassen, Gebrauch gemacht hat. Dabei gehört zur Verarbeitung im Sinne des BDSG aufgrund der Begriffsdefinition in Art. 4 Ziff. 2 DSGVO auch die „Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung“. Gemäß § 26 Abs. 1 BDSG a.F. ist die Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung bestimmter Rechte und Pflichten der Interessenvertretung von Beschäftigten erforderlich ist. Die Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns durch einen Generalunternehmer als Auftraggeber der Beschäftigten eines Unternehmens, mag sie auch im Interesse der Beschäftigten liegen, gehört nicht zu der danach erlaubten Verarbeitung persönlicher Daten. Erlaubt ist die Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten darüber hinaus auf der Grundlage einer Einwilligung (§ 26 Abs. 2 BDSG a.F.). Derartige Einwilligungen der Mitarbeiter der Klägerin liegen indes – unbestritten – (jedenfalls bislang) nicht vor. Ebenso wenig gibt es einen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Kollektivvereinbarung (§ 26 Abs. 4 BDSG a.F.). Schließlich geht es auch nicht um die Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art 9 DSGVO, für die § 26 Abs. 3 BDSG eine gesonderte Regelung trifft.

Der Umstand, dass danach die Regelungen in § 26 BDSG eine Übermittlung von Stundennachweisen und Lohnabrechnungen – dass diese personenbezogene Daten der Mitarbeiter der Klägerin enthalten, steht außer Frage - nicht erlauben, bedeutet gleichwohl nicht zwingend, dass die Beklagten sich mit pauschalen Versicherungen der Klägerin oder deren Steuerberaters in Bezug auf die Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns zufrieden geben muss. Zulässig ist vielmehr – ebenso wie dies im Verhältnis zwischen § 32 BDSG a.F. und § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGSG a.F. der Fall war (BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 597/16 – Rn. 25 ff.) – ein Rückgriff auf Art. 6 DSGVO (Plath DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018 Rn. 13 m.w.N.). Gemäß Art 6 Abs. 1 lit f. DSGVO ist jedoch eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

bb) Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DGSVO liegen für einen Nachweis der Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns durch einen Subunternehmer an den Generalunternehmer im Hinblick auf zur Nachweisführung erforderlichen persönliche Daten der Beschäftigten des Subunternehmers vor.

Der Generalunternehmer hat – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – ein berechtigtes Interesse, von dem Subunternehmer einen Nachweis zur Einhaltung der Mindestlohnzahlung zu verlangen. Dieses ergibt sich daraus, dass der Generalunternehmer gemäß § 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG wie ein Bürge für die Verpflichtung des Subunternehmers gegenüber seinen Beschäftigten für die Zahlung des Mindestlohns einzustehen hat.

Die durch das Verlangen von Nachweisen über die Zahlung des Mindestlohns ermöglichte Kontrolle des Generalunternehmers gegenüber dem Subunternehmer ist zur Wahrung des berechtigten Interesses des Generalunternehmers auch erforderlich. Dem steht nicht entgegen (so aber Frank/Krause, Datenschutzrechtliche Aspekte des Mindestlohngesetztes, DB 2015, 1285, 1286), dass dem Generalunternehmer auch andere Möglichkeiten zur Minimierung seines Haftungsrisikos zur Verfügung stehen, so etwa die – hier von der Beklagten gemäß § 4 Abs. 3 und 4 des Nachunternehmervertrages auch ergriffenen - Möglichkeiten, sich durch vertragliche Vereinbarung im Verhältnis zu dem Subunternehmer freizuzeichnen oder sich im Falle des Verstoßes gegen das MiLoG ein Kündigungsrecht einräumen zu lassen. Daneben werden Vertragsstrafenregelungen oder, um auch das Insolvenzrisiko des Subunternehmers auszuschließen, die Möglichkeit des Verlangens der Absicherung einer Inanspruchnahme nach dem MiLoG durch eine Bürgschaft oder einen Sicherheitseinbehalt vorgeschlagen (vgl. nur etwa: Bissels/Falter, Gesetzlicher Mindestlohn – Fallstricke bei der Haftung für Subunternehmer nach dem MiLoG – DB 2015, 65, 67/68). Bei all diesen alternativen Maßnahmen muss der Generalunternehmer jedoch entweder in Kauf nehmen, dass der Subunternehmer von vornherein eine höhere Vergütung verlangt, etwa um Avalkosten oder Liquiditätseinbußen durch Sicherheitseinbehalte abzudecken, oder er kann lediglich reaktiv bei Verstößen das Vertragsverhältnis beenden und Ersatz seiner Aufwendungen/Schäden verlangen. Eine Vereinbarung, wonach sich der Subunternehmer verpflichtet, dem Generalunternehmer Unterlagen zum Nachweis der Mindestlohnzahl vorzulegen, wirkt dagegen allein wegen der damit verbundenen Kontrollfunktion präventiv, d.h. sie vermeidet – in den Grenzen einer im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen gebotenen Praktikabilität -, dass es überhaupt zu seiner Inanspruchnahme des Generalunternehmers durch die Beschäftigten des Subunternehmers kommen kann. Auch dieses Haftungsvermeidungsinteresse des Generalunternehmers ist jedoch gerade wegen des Gleichlaufs mit den Zwecken des Mindestlohngesetzes als berechtigt zu erachten.

Einer Weitergabe zur Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns erforderlicher personenbezogener Daten der Beschäftigten des Subunternehmers an den Generalunternehmer stehen schließlich auch keine Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Beschäftigten des Subunternehmers entgegen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern und das berechtigte Interesse des Generalunternehmers überwiegen. Den Rechten und Interessen der Beschäftigten des Subunternehmers kann nämlich im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung dadurch Rechnung getragen werden, dass die zur Erfüllung des – in seiner Präventivwirkung gerade auch die Beschäftigten des Subunternehmers in ihrem Interesse an der Zahlung des Mindestlohns schützenden - Kontrollinteresses des Generalunternehmers erforderliche Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten so datensparsam wie eben möglich erfolgt, was – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – ggf. durch Anonymisierungen, Pseudonymisierungen oder Schwärzungen sicherzustellen ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Brandenburg: "Bis Sommeranfang" keine ausreichende Angabe nach § 5a Abs. 2 S. 1 UWG für eine zeitlich begrenzte Rabattaktion

OLG Brandenburg
Beschluss vom 06.07.2021
6 W 36/21


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass der Hinweis "Bis Sommeranfang" keine ausreichende Angabe nach § 5a Abs. 2 S. 1 UWG für eine zeitlich begrenzte Rabattaktion ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die nach §§ 567, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Den Antragsgegnern ist über die landgerichtlich tenorierte Unterlassungsverpflichtung hinaus im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen, mit einer Rabattaktion zu werben, ohne den Zeitraum der Aktion bestimmbar anzugeben, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 S. 1 UWG.

Die inkriminierte, wie in der Anlage dargestellte Werbung, ist unlauter, weil sie dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die er für eine informierte geschäftliche Entscheidung benötigt, und weil das Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer sonst nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher die Angabe „bis Sommeranfang“ so versteht, dass das Angebot bis zum 21. Juni des jeweiligen Jahres gilt. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist neben der kalendarischen Bestimmung des Sommeranfangs zum 21. Juni eines Jahres jedenfalls ebenso der meteorologische Sommeranfang gebräuchlich, der den 1. Juni eines Jahres bezeichnet. An beiden Daten wird in Presse und sonstigen Medien regelmäßig der jeweilige „Sommeranfang“ thematisiert. Aus diesem Grund vermag die Angabe „bis Sommeranfang“ dem angesprochenen Verkehrskreis die notwendige Gewissheit über den Zeitraum der befristet angebotenen Rabattaktion nicht zu vermitteln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt, dieser Betrag entspricht dem vom Senat in durchschnittlichen Wettbewerbssachen in Verfügungsverfahren regelmäßig festgesetzten Wert. Der Streitwert für den Rechtszug erster Instanz wird - unter Abänderung der landgerichtlichen Festsetzung im Beschluss vom 14.05.2021 - auf 30.000 € festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Im Hinblick auf die Mehrzahl der geltend gemachten Verstöße, wie sie Gegenstand des Verfahrens erster Instanz waren, ist eine maßvolle Erhöhung auf insgesamt 30.000 € angemessen."




OLG Brandenburg: Zwischen Online-Shop und Logistikunternehmen besteht kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG und § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG

OLG Brandenburg
Urteil vom 02.03.2021
6 U 83/19


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass zwischen einem Online-Shop und einem Logistikunternehmen kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG und § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung ist auch begründet. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts bereits kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne der § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Bei der Beklagten handelt es sich nicht wie bei dem Kläger um einen Versandhändler, der im Sinne von § 1 Abs. 4, § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse oder nikotinfreie Erzeugnisse wie elektronische Zigaretten und elektronische Shishas oder deren Behältnisse anbietet oder abgibt, sondern um ein Logistikunternehmen, das sich lediglich mit der Lagerhaltung, Endverpackung und Versandorganisation für solche Versandhändler befasst. Vor diesem Hintergrund bieten die Parteien gegenüber ihren jeweiligen Kunden keine gleichartige Waren oder Dienstleistungen im Rahmen eines Konkurrenzverhältnisses an. Der Beklagten ist wegen der Übergabe von Tabakwaren oder diesen gleichgestellten Erzeugnissen an einen Paketdienstleister auch kein Verstoß gegen die marktverhaltenssteuernden Regelungen in § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG zur Last zu legen, wenn sie dabei die Durchführung eines objektiv erforderlichen Altersverifikationsverfahrens nicht unabhängig vom Kundenauftrag sicherstellt, weil sie selbst einen „Versandhandel“ im Sinne des § 1 Nr. 4 JuSchG nicht betreibt und mithin auch nicht tauglicher Adressat der Verbotsnormen ist.

[...]

2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1 UWG der Beklagten gegenüber als vermeintlicher Mitbewerberin auf dem Markt der Versandhändler von Tabakwaren und gleichgestellten Erzeugnissen aus § 8 Abs. 3, § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 10 Abs. 3 und 4, § 1 Abs. 4 JuSchG zusteht.

a) Es liegt bereits ein für die Anspruchsberechtigung des Klägers erforderliches Wettbewerbsverhältnis der Parteien im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG nicht vor. Mitbewerber ist nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Das setzt grundsätzlich voraus, das sich die beteiligten Parteien beim Anbieten oder Nachfragen gleichartiger oder austauschbarer Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises beeinträchtigen, also im Absatz behindern oder stören können, mithin auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 17.01.2002 - I ZR 215/99, juris Rn. 23; OLG Hamm, Urteil vom 07.03.2017 - 4 U 162/16, juris Rn. 41 mwN).

aa) Dass der Kläger in diesem Sinne selbst mittels der von ihm unterhaltenen Webseite L…. .de als unternehmerischer Anbieter auf dem Geschäftsfeld des Versandhandels mit nikotinhaltigen sowie diesen gleichgestellten Erzeugnissen wie E-Zigaretten, E-Shishas, Liquids nebst Behältnissen/Zubehör tätig ist, ist entgegen der Auffassung der Beklagten allerdings anzunehmen. Der Kläger hat erstinstanzlich eine Gewerbeanmeldung vom 03.11.2015 vorgelegt, aus der der Onlinehandel mit E-Zigaretten, Liquids und Zubehör als angemeldete Tätigkeit hervorgeht. Ferner hat der Kläger - zur Darlegung des Umstandes, dass er selbst regelmäßig Kosten für eine Alterssichtprüfung durch (X...) zu tragen hat - eine Auflistung von entsprechend beauftragten Paketsendungen vorgelegt, der sich entnehmen lässt, dass er allein im September 2018 - und insofern im zeitlichen Zusammenhang mit der am 17.09.2018 erfolgten Klageerhebung - dutzende von entsprechenden Warenlieferungen versendet hat. Die weitere Beibringung von Tatsachen, um eine Geschäftstätigkeit und damit Anspruchsberechtigung des Klägers zu belegen, war nicht erforderlich, das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist unsubstantiiert.

bb) Es fehlt aber an einem diesbezüglich konkreten Wettbewerbsverhältnis des Klägers gerade auch der Beklagten gegenüber.

(1) Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG kann nur ein Unternehmer in seiner Eigenschaft als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen sein. Grundsätzlich sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Dabei ist aber stets der jeweilige Zweck der Norm, die den Begriff des Mitbewerbers verwendet, zu berücksichtigen (Köhler, aaO, UWG § 2 Rn. 97 mwN).Die Mitbewerbereigenschaft eines Unternehmers lässt sich daher nicht abstrakt feststellen, vielmehr ist an die jeweilige konkrete geschäftliche Handlung anzuknüpfen. Sie entscheidet darüber, ob sich der handelnde Unternehmer zu einem anderen Unternehmer in Wettbewerb stellt, wobei grundsätzlich unerheblich ist, ob die Beteiligten verschiedenen Branchen angehören. (aaO, Rn. 98).Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist danach gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen behindern oder stören kann. Auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis dann, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden. Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn die Maßnahme den anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft. Eine bloße Beeinträchtigung reicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt (BGH, Urteil vom 26.01.2017 - I ZR 217/15, juris Rn. 16).

(2) Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen liegen die Voraussetzungen für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Streitfall nicht vor. Unstreitig ist die Beklagte nicht selbst Anbieterin von Waren der in Rede stehenden Art oder sonst gleichartigen Produkten, sondern ein Logistikunternehmen. Dem entsprechend und ebenso unstreitig war deshalb Verkäufer des streitgegenständlichen Verdampferkopfes eine andere Person, nämlich gemäß der vom Kläger selbst beigebrachten Zahlungsbestätigung ein auf „(a...)“ aktiver chinesischer Händler. Die Tätigkeit der Beklagten überschneidet sich demnach mit derjenigen des Klägers nicht in Hinsicht auf einen verkaufsbezogenen Handel mit den entsprechenden Waren, sondern nur insoweit, als sie solche Waren für Verkäufer wie den Kläger lagert, verpackt und versendet. Sie ist damit aber im Verhältnis zum Kläger nicht selbst „als Anbieter von Waren“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG anzusehen. Denn während der Kläger Tabakwaren und E-Zigaretten samt Zubehör vertreibt, ist die Beklagte weder Herstellerin noch Vertreiberin noch Wiederverkäuferin derartiger Waren. Die Beklagte stellt lediglich für andere Händler als den Kläger eine technische Infrastruktur zur Verfügung, mit deren Inanspruchnahme jene die betreffenden Waren lagern, endverpacken und in die Postzustellung geben können. Ihre unternehmerische Tätigkeit betrifft damit allenfalls ein annexartiges Verhalten zum eigentlichen Warenhandel, der naturgemäß im Warenverkauf besteht und in unternehmerischer Hinsicht auf eine darin liegende Gewinnmöglichkeit zielt. Die Tätigkeiten der Beklagten betreffen demgegenüber Handlungen, die nur mit den für einen Verkaufserfolg in Zusammenhang stehenden Transaktionskosten eines - mit dem Kläger gegebenenfalls konkurrierenden - Händlers verknüpft sind, die daher auch nur für diesen je nach dem dafür erforderlichen Aufwand höher oder niedriger ausfallen können. Mit dieser Tätigkeit erfüllt die Beklagte für solche Händler die Funktion eines Lageristen, Verpackers und Versandorganisators, sie wird dadurch aber nicht selbst Vertragspartner von Käufern, mit denen Händler wie der Kläger ihre Geschäfte abschließen (vgl. zu Anbietern von Waren einerseits und Betreibern eines Online-Marktplatzes andererseits auch OLG Koblenz, GRUR 2006, 380, 381).

Die Parteien sind damit in Bezug auf den Warenhandel nicht auf demselben sachlichen Markt tätig. Sie sprechen jeweils völlig verschiedene Kundenkreise an, nämlich der Kläger die betreffenden Warenkäufer bzw. Verbraucher und die Beklagte die betreffenden Warenverkäufer bzw. Versandhändler. Sie steht somit auch in keinem nur mittelbaren Konkurrenzverhältnis zur Geschäftstätigkeit des Klägers. Entgegen der Auffassung des Klägers reicht es dafür nicht aus, dass er durch die angegriffene Logistiktätigkeit der Beklagten in seinem eigenen Marktstreben „irgendwie betroffen“ ist (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2002 - I ZR 215/99, juris Rn. 25). Es ist im Übrigen nicht erkennbar, dass die Beklagte gerade nur Waren der hier in Rede stehenden Art bei sich lagern, verpacken und zur Versendung geben würde, vielmehr spielt der konkrete Wareninhalt, der bei der Feststellung eines Wettbewerbsverhältnisses im Warenhandel aber maßgeblich ist (Köhler, aaO, UWG § 2 Rn. 108), für ihr Geschäftsmodell überhaupt keine Rolle.

(3) Soweit der Kläger dagegen einwendet, der Versand respektive die Abgabe von Waren an einen Versender wie (X...) sei ein wesentlicher Bestandteil des Onlinehandels, weshalb zumindest insoweit eine wettbewerbsrechtliche Schnittmenge mit der Beklagten vorliege, vermag auch das nicht zu überzeugen. In Betracht käme allenfalls, die in der Lagerung, Verpackung und Versandbeauftragung liegende „Dienstleistung“ als gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG in einem Wettbewerbsverhältnis zum Kläger stehend aufzufassen, soweit er zur Ausübung seines Online-Warenhandels solche Dienstleistungen für den Kunden erbringt. Schon mit Blick auf den bloßen Annexcharakter der Lagerung, Versandverpackung und Versandübergabe von Verkaufsgegenständen kann dies jedoch kein Wettbewerbsverhältnis auf einem gemeinsamen Markt zu begründen. Es ergibt sich insoweit kein unmittelbares Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb der Parteien (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017 - I ZR 217/15, juris Rn. 19).

Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, könnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger und die Beklagte eine auch nur teilweise konkurrierende Dienstleistung erbringen und insofern in einem teilweisen Wettbewerb stehen. Es kann zwar grundsätzlich ein auf Dienstleistungen bezogenes Wettbewerbsverhältnis vorliegen, wenn Beteiligte gleichartige Dienstleistungen für denselben Endabnehmerkreis abzusetzen versuchen (Köhler, aaO, UWG § 108 mwN). Der Absatz des einen Unternehmens muss dann aber auf Kosten des anderen gehen können. Die insofern maßgebliche Substituierbarkeit der Leistungen ist regelmäßig aus Verbrauchersicht zu bestimmen. Entscheidend ist, ob ein durchschnittlich informierter, verständiger und aufmerksamer Durchschnittsverbraucher eine Substitution ernsthaft in Betracht zieht (BGH, Urteil vom 17.01.2002 - I ZR 215/99, juris Rn. 23; Köhler, aaO, UWG § 2 Rn. 108a). Für einen Verbraucher besteht hier jedoch nicht die Möglichkeit, zwischen den Parteien eine Auswahl zu treffen, weil die Beklagte lediglich die Lagerung, die Endverpackung und Versandorganisation anbietet, deren Art und Weise für einen Verbraucher, der eine Ware erwerben möchte, letztlich keine Bedeutung hat. Die Versendungsnotwendigkeit ist lediglich Reflex des Umstandes, dass der Kläger einen Onlinehandel unterhält. Die Beklagte ist daher selbst isoliert auf ihre Dienstleistung bezogen kein Konkurrent des Klägers, sondern ein Unternehmen, das Dienstleistungen für Versandhändler wie den Kläger anbietet. Es wäre sogar denkbar, dass dieser selbst ein Logistikunternehmen wie die Beklagte damit beauftragt, die von ihm angebotenen Waren zu lagern, zu verpacken und in den Versand zu geben, ohne dass dies sein Geschäftsmodell aus Verbrauchersicht in relevanter Weise modifizieren würde.

b) Die Unterstützung fremden Wettbewerbs, in dem der Kläger und ein gefördertes Unternehmen untereinander Mitbewerber sind, kann der Beklagten ebenfalls nicht zur Last gelegt werden. Dass der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG berechtigt wäre, gegen die Beklagte als Förderer vorzugehen (vgl. Köhler, aaO, UWG § 2 Rn. 105 mwN), ist auf Grundlage des Parteivortrags nicht anzunehmen. Dafür genügt es jedenfalls nicht, dass die Beklagte als Logistikunternehmen eine unterstützende Dienstleistung für möglicherweise nicht rechtstreue Konkurrenten des Klägers anbietet, denn dass sich ihr Logistikangebot speziell an solche richtet, ist nicht ersichtlich. Das gilt umso mehr, als die Beklagte unwidersprochen und detailliert vorgetragen hat, dass sie für ihre Kunden im Rahmen des „Order Management Systems“ (OMS) immer auch die Möglichkeit anbietet, ein Altersverifikationsverfahren für die Paketzustellung gesondert zu beauftragen


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Brandenburg: Indizien für eine rechtssmissbräuchliche Abmahnung

OLG Brandenburg
Urteil vom 26.06.2020
6 U 119/19


Das OLG Brandenburg hat sich in dieser Entscheidung mit zahlreichen Indizien für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist begründet. Die Klägerin kann gegenüber den Beklagten weder einen Unterlassungsanspruch noch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten durchsetzen, denn ihr fehlt für ihre rechtsmissbräuchlich erhobene Klage das Rechtsschutzbedürfnis. Das landgerichtliche Urteil war entsprechend abzuändern und die Klage als unzulässig abzuweisen.

1) Wird eine Klage rechtsmissbräuchlich erhoben, hat dies nicht nur die Unbegründetheit, sondern die Unzulässigkeit der Klage zur Folge, weil ein prozessuales Recht missbraucht wird (OLG Hamm, Urteil vom 22.12.2014 - I-5 U 80/14, Rn 50; OLG Stuttgart Urteil vom 23.01.2002 - 20 U 54/01 Rn 45; so wohl auch BGH, Urteil vom 17.11.2005 - I ZR 300/02 - MEGA SALE Rn 15 in Bezug auf § 8 Abs. 4 UWG). Der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gilt auch im Verfahrensrecht (BGHZ 172, 222 Rn 12 mwN). Er verpflichtet die Parteien zu redlicher Prozessführung und verbietet den Missbrauch prozessualer Befugnisse. Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist die Ausübung solcher Befugnisse, wenn sie nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen, nicht notwendig unerlaubten, aber funktionsfremden und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient (vgl. BGH a.a.O.). Dieser Einwand ist von Amts wegen zu beachten und erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände unter Berücksichtigung des Verhaltens des Gläubigers bei der Verfolgung des streitgegenständlichen und anderer Verstöße, der Art und Schwere des inkriminierten Verhaltens sowie des Verhaltens des Schuldners nach dem Verstoß (BGH, Urteil vom 15.12.2011 – I ZR 174/10 Rn 15 zu § 8 Abs. 4 UWG). Bei der Bewertung können die Umstände, die im Rahmen des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG einen Rechtsmissbrauch begründen, herangezogen werden, allerdings sind die Anforderungen an die Annahme rechtsmissbräuchlicher Prozessführung in anderen Rechtsbereichen als dem des wettbewerbsrechtlichen Rechtsschutzes höher anzusetzen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.09.2007 - 11 W 48/07, Rn 8). Dies gilt auch für mögliche Klagen, die - wie hier - auf einen vorgeblichen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gerichtet sind.

2) Bei der nach diesen Kriterien vorzunehmenden Würdigung aller Umstände, für die das Verhalten der Klägerin nicht nur im Verlauf des Klageverfahrens, sondern auch während des Abmahnverfahrens und des Verfahrens auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zu berücksichtigen ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin mit der klageweisen Geltendmachung des Unterlassungsanspruches überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt, die sich als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung darstellen, nämlich zu Lasten der Beklagten und zu ihren, der Klägerin Gunsten Zahlungsansprüche zu generieren. Ob ihr - diese Motive hinweggedacht - materiell-rechtlich ein Anspruch auf Unterlassung des inkriminierten Verhaltens gegenüber den Beklagten tatsächlich zustehen könnte, bedarf keiner Entscheidung mehr, weil ihre sachfremden Motive und Zwecke, wie sie sich bei sorgfältiger Prüfung aus den äußeren Umständen erschließen, überwiegen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 – MEGA Sale, a.a.O., Rn 16; OLG Hamm, Urteil vom 23.01.2014 - 4 U 118/13):

Die - noch auszuführende - Verfahrensgestaltung durch die Klägerin spricht für rechtsmissbräuchliches Vorgehen. Ob daneben auch die Vielzahl der von der Klägerin angestrengten Verfahren wegen Zusendung unerwünschter Werbung - die Klägerin selbst zitiert in der Klageschrift die von ihr zumindest bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) angestrengten Verfahren nach Aktenzeichen und Streitwert - für Rechtsmissbrauch sprechen könnten, muss hier nicht entschieden werden.

a) Bereits die für die Klägerin durch ihren anwaltlichen Vertreter ausgesprochene Abmahnung ist rechtsmissbräuchlich erfolgt. Art und Weise ihrer Gestaltung lassen erkennen, dass bei Ausspruch der Abmahnung ein Kostenbelastungsinteresse zu Lasten der Beklagten im Vordergrund stand. Ein maßgebliches Indiz dafür ist die Forderung nach überhöhter Vertragsstrafe unter Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2011 - I ZR 174/10 - Bauheizgerät, Rn 33), wie sie in der von der Klägerin vorformulierten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vorgegeben ist: die Klägerin hat dort der Beklagten zu 1) und Herrn M... B... für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.001 € unterbreitet, obwohl im Hinblick auf das Gewicht des inkriminierten Verstoßes, nämlich der Versendung eines einzelnen Telefaxes mit Werbung, der für sich genommen geringfügig und leicht zu ermitteln ist, ein Betrag von 1.000 bis 1.500 € als angemessen anzusehen sein dürfte.
Mit der vorformulierten Erklärung hat die Klägerin ferner eine Verpflichtung der Beklagten dahin gefordert, ihr die Kosten der Inanspruchnahme ihres Rechtsanwalts aus einem Streitwert von 10.000 € zu erstatten mittels Überweisung binnen "1 Woche" nach Unterzeichnung der Erklärung, andernfalls die vorgenannte Vertragsstrafe verfalle.

Auch der Hinweis der Klägerin im Abmahnschreiben betreffend die vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, „Nur diese strafbewehrte Erklärung kann den Unterlassungsanspruch erledigen“, weist darauf, dass das eigentliche Motiv für die Abmahnung in der Generierung von Kostenerstattungsansprüchen liegt. Denn mit diesem Hinweis hat die Klägerin suggeriert, nur mit dem Wortlaut der vorformulierten Erklärung könne die Wiederholungsgefahr ausgeschlossen werden, mithin sei auch die dort enthaltene Verpflichtung zur Übernahme der Kosten des vorgerichtlich für die Klägerin auftretenden Rechtsvertreters für den Ausschluss der Wiederholungsgefahr zwingend. Zudem sollte nach der von der Klägerin den Inanspruchgenommenen unterbreiteten Formulierung die Vertragsstrafe, die zu zahlen sich die Beklagten zu verpflichten hatten, auch dann verfallen, wenn diese Rechtsanwaltskosten nicht fristgerecht auf dem Konto ihres Rechtsvertreters eingegangen waren, wobei die Klägerin eine – auffällig kurze – Zahlungsfrist von einer Woche setzte und die zu zahlenden Gebühren nicht konkret bezeichnete, sondern nur die Bemessungsgrundlagen nach RVG darstellte (1,3 Gebühr gemäß 2300 VV RVG zuzüglich Auslagen nach einem Streitwert von 10.000 €) und die Ermittlung des tatsächlich geschuldeten Betrages den Inanspruchgenommenen, juristischen Laien, überließ. Damit hat die Klägerin das Risiko der Inanspruchgenommenen, nicht fristgerecht den vollen Betrag zu zahlen und bereits deshalb die Vertragsstrafe zu verwirken, in deutlicher Weise erhöht, ohne dass dafür ein berechtigtes Interesse ihrerseits erkennbar wäre. Zudem hat sie den Inanspruchgenommenen für die Bemessung der Rechtsanwaltskosten einen unzutreffenden, überhöhten Gegenstandswert vorgegeben.

Der von der Klägerin mit der Abmahnung und später bei Erhebung der Klage angesetzte Gegenstandswert ist weit überhöht. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung im hier zu entscheidenden Rechtsstreit am 30.11.2018 war der Klägerin die Entscheidung des Senats vom 28.08.2018 (6 W 110/18) bekannt, wonach bei Streitigkeiten wegen Zusendung unerwünschter Werbung, an der nicht Mitbewerber im Sinne des UWG beteiligt sind, wie es hier der Fall ist, ein Gebührenstreitwert von 3.000 € anzunehmen ist und eine Vervielfachung des Streitwerts entsprechend der Anzahl der in Anspruch genommenen Gegner nicht in Betracht kommt. In diesem Beschwerdeverfahren, an dem die Klägerin selbst beteiligt war, hatte der Senat im Einzelnen die für die Wertbestimmung maßgeblichen Gründe ausgeführt und ferner, aus welchen Gründen eine Vervielfachung des Gegenstandswertes bei der Inanspruchnahme mehrerer Beklagter ausgeschlossen sei.

Der Umstand, dass der Abmahnung eine Vollmacht zu Gunsten des für die Klägerin auftretenden Rechtsanwalts nicht beigefügt, sie mithin nicht ordnungsgemäß war (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.07.2000 – 20 W 37/00), und die nachgereichte Vollmacht erst vom 22.06.2018 datierte, während die Abmahnung selbst bereits am 14.06.2018 ausgesprochen worden ist, begründet hier zudem weiter den Verdacht, der beauftragte Anwalt betreibe die Abmahnungen in eigener Regie jedenfalls als Geschäft (Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn 4.12 b).

Hinzu kommt, dass die Klägerin, wie dem Senat aus einer Reihe von gerichtlichen Verfahren bekannt ist und wie auch die Beklagten zutreffend monieren, ihre Abmahnschreiben und bei Gericht eingereichten Schriftsätze textbausteinähnlich aus abstrakten Ausführungen zusammensetzt und nur ganz vereinzelt auf den individuellen Vorwurf zuschneidet.

Zudem ist die in den Schriftsätzen gewählte Schriftgröße und der Zeilenabstand derart klein, dass das Lesen des jeweiligen Textes stark erschwert ist. Es drängt sich der Verdacht auf, dass durch diese Gestaltung der Leser in die Gefahr geraten soll, Wichtiges zu übersehen.

b) Die Klägerin hat zudem neben der Beklagten zu 1) als das Unternehmen, das die inkriminierte Werbung verantwortet, auch den Beklagten zu 2) als deren Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch genommen und hat dies mit einer (behaupteten) bundesweiten Rechtsprechung begründet unter Zitierung von Entscheidungen, die allerdings nicht zum Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergangen sind, sondern zu urheberrechtlichen Streitigkeiten bzw. zu solchen, welche die Verletzung absoluter Rechte betreffen. Diese Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen. Es liegt mithin nahe, dass die Inanspruchnahme des Beklagten zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) allein zu dem Zweck erfolgt ist, (unrichtigerweise) einen höheren Gegenstandswert zu begründen.

c. Ein weiteres Indiz für rechtsmissbräuchliches Vorgehen stellt der Umstand dar, dass die Klägerin bei Gericht mehrere relevante Dokumente weder mit der Klage-, noch mit der Antragsschrift im Einstweiligen Verfügungsverfahren vorgelegt hat, nämlich die von ihr vorformulierte und den Beklagten mit dem Abmahnschreiben als zwingend unterbreitete Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und die Erwiderung der Beklagten vom 22.06.2018 auf die Abmahnung der Klägerin zu Händen ihres Rechtsvertreters am selben Tag per email zugegangen. Dadurch hat sie gegenüber dem Gericht den aufgezeigten unberechtigten Inhalt der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verschleiert und zudem den falschen Eindruck erweckt, die Beklagten hätten auf ihre Abmahnung nicht reagiert. Dadurch hat sie das angerufene Gericht veranlasst, das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verkürzen, denn wegen des zwingend der Gegenseite einzuräumenden rechtlichen Gehörs wäre die von der Klägerin mit dem Antrag auf Einstweilige Verfügung begehrte Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nur zulässig gewesen, wenn die vorgerichtliche Erwiderung des Gegners zu dem inkriminierten Sachverhalt dem Gericht vollständig vorgelegen hätte (BVerfG, Kammerbeschluss vom 03.06.2020 - 1 BvR 1246/20; Kammerbeschluss vom 30.09.2018 - 1 BvR 1783/17, Rn 16).

d. Weiter hat die Klägerin die Entscheidung des Landgerichts über den Erlass einer Beschlussverfügung durch unzutreffende Angaben unredlich beeinflusst. Sie hat behauptet, die Beklagten seien ihr unbekannt, obwohl sie, wie sie dann im Verlauf des Klageverfahrens eingeräumt hat, in dem Zeitraum 2014 bis 2017 mehrfach bei ihr Bestellungen getätigt hatte. Diese unrichtige Sachdarstellung hat sie zunächst aber auch noch im Klageverfahren wiederholt.

e. Im Klageverfahren hat sie zudem - die Rechte der Beklagten weiter beeinträchtigend - die Rechtsanwälte, die sich bereits im Verfahren auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung als Prozessbevollmächtigten für die Beklagten bestellt hatten, nicht als Prozessvertreter benannt.

f. In dem Verfahren auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung hat die Klägerin schließlich mit Herrn M... B... einen unbeteiligten Dritten als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) in Anspruch genommen, obwohl sich aus dem Telefax, das Gegenstand des Verfahrens war, gut leserlich der Name des hiesigen Beklagten zu 2) als Geschäftsführer ergab. Nach Zustellung der Beschlussverfügung hat die Klägerin sodann zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufgefordert, und zwar neben der Beklagten zu 1) nunmehr als Geschäftsführer den hiesigen Beklagten zu 2), aber auch Herrn M... B.... Diesen hat sie, nachdem sie ihn im Einstweiligen Verfügungsverfahren fälschlich als Geschäftsführer in Anspruch genommen und diesen Irrtum dann offenbar erkannt hatte, zur Abgabe der Abschlusserklärung mit der - wiederum unrichtigen - Begründung aufgefordert, er sei „Unterzeichner des Werbefaxes“ vom 12.06.2018, tatsächlich weist dieses aber, wie die zur Akte gereichte Kopie zeigt, eine Unterschrift nicht auf. Die nachhaltige Inanspruchnahme eines dritten Unterwerfungsschuldners lässt sich wiederum nur mit einem sachfremden Kostenbelastungsinteresse erklären.

3) Aufgrund der Gesamtwürdigung aller dargelegten Umstände ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin mit ihrem Vorgehen gegen die Beklagten vordringlich das Ziel verfolgt hat, Zahlungsansprüche zu ihren eigenen Gunsten bzw. denen ihres Prozessbevollmächtigten auf Kosten der Beklagten zu begründen. Dieses Interesse ist nicht schutzwürdig, denn es steht mit der Abwehr unerwünschter Werbung nicht in Zusammenhang. Das durch sachfremde Motive bestimmte Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagten ist deshalb als rechtsmissbräuchlich zu bewerten, ohne dass es noch darauf ankommt, ob die hohe Zahl der von der Klägerin initiierten gerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) und bei weiteren Gerichten, z.B. dem Amtsgericht Fürstenwalde/Spree, ein Indiz dafür bilden, dass die Klägerin ihre formal bestehende Rechtsposition auch generell rechtsmissbräuchlich ausnutzt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 04.07.2019 - I ZR 149/18).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Brandenburg: Wettbewerbswidrige Verunglimpfung durch Bezeichnung "Lügen Airline" - Zwischen Legal-Tech-Anbieter zur Durchsetzung von Fluggastrechten und Fluglinie besteht Wettbewerbsverhältnis g

OLG Brandenburg
Beschluss vom 17.04.2020
6 W 31/20


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass zwischen einem Legal-Tech-Anbieter zur Durchsetzung von Fluggastrechten und einer Fluglinie ein Wettbewerbsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG besteht und die Bezeichnung einer Fluglinie als "Lügen Airline" ein wettbewerbswidrige Verunglimpfung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

2) Der Antrag auf Unterlassung des im Einzelnen bezeichneten Verhaltens ist auch begründet.

a) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der inkriminierten Werbung, wie aus dem Tenor ersichtlich, aus

§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 UWG zusteht.

aa) Die vorgenannten Rechtsnormen sind hier anwendbar. Nach Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 864/2007 vom 11.07.2007 (Rom-II-VO) kommt auf den Streitfall deutsches Recht zur Anwendung, weil die Wettbewerbsbeziehungen der Parteien durch die Werbung der Antragsgegnerin auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden.

bb) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin zur Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches berechtigt, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin gegeben.

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz hindern oder stören kann. An die Annahme eines solchen Wettbewerbsverhältnisses sind im Sinne eines effektiven lauterkeitsrechtlichen Schutzes keine hohen Anforderungen zu stellen.

Allerdings reicht eine bloße Beeinträchtigung zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt. Das ist dann zu bejahen, wenn die in Rede stehenden (Waren oder) Dienstleistungen vollständig ungleichartig sind (BGH Urteil vom 26.01.2017 - I ZR 217/15 - Wettbewerbsbezug, Rn 16 ff, zit. nach juris). So liegt der Fall hier nicht, das notwendige Konkurrenzmoment ist gegeben. Die angebotenen Dienstleistungen der Antragstellerin einerseits und der Antragsgegnerin andererseits sind nicht vollständig ungleichartig. Denn die angebotene Dienstleistung der Antragstellerin, die darin besteht, Kundenansprüche auf Entschädigung nach der VO (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) unmittelbar entgegen zu nehmen und zu bearbeiten, ist ersetzbar durch diejenige der Antragsgegnerin. Für die Definition des Angebots der Regulierung der Fluggastrechte als Dienstleistung auf Seiten der Antragstellerin ist es nach den im UWG maßgeblichen Begrifflichkeiten unerheblich, ob sie freiwillig oder auf gesetzlicher Grundlage erbracht werden. Auch Nebenleistungen zu Warenlieferungen oder anderen Dienstleistungen stellen Dienstleistungen im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG dar (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 4 Rn 1.25, § 6 Rn 94).

Wollte man dem nicht folgen, weil unter Dienstleistungen solche Leistungen zu verstehen sind, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden (vgl. auch Art. 57 S. 1 AEUV), die Antragstellerin aber die in Rede stehenden Regulierungsleistungen unentgeltlich zu erbringen hat, so ist jedenfalls unter einem anderen Gesichtspunkt vom Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses auszugehen.

Für die Annahme eines solchen Verhältnisses reicht es auch aus, wenn der Verletzer sich durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt und dass zwischen den Vorteilen, welche die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (BGH, Urteil vom 10.04.2014 - I ZR 43/13 - nickelfrei Rn 32; Urteil vom 19.03.2015 - I ZR 94/13 - Hotelbewertungsportal Rn 19; jew. zit. nach juris).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, auch wenn die Parteien Dienstleistungen mit unterschiedlicher Zielrichtung anbieten, nämlich die Antragstellerin als Fluggesellschaft den Transport von Passagieren, die Antragsgegnerin die Durchsetzung von Regressansprüchen von Passagieren, deren Flug verspätet oder annulliert worden ist. Denn die Parteien werben um denselben Kundenkreis, nämlich Fluggäste, und stehen, soweit die Antragsgegnerin ihr Angebot an Fluggäste der Antragstellerin richtet, gerade in Wettbewerb zueinander, als die Antragstellerin auch Regressforderungen bearbeitet, die unmittelbar von ihren Kunden/Fluggästen bei ihr geltend gemacht werden. Werden, wie die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, in solchen Fällen berechtigte Forderungen wegen Flugunregelmäßigkeiten unverzüglich innerhalb von 10 bis 14 Tagen ausgezahlt, kann dies von Seiten der - dann zufrieden gestellten - Passagiere nicht nur zu neuerlichen Buchungen bei der Antragstellerin, also neuerlichen Kundenbeziehungen führen, sondern auch zu einer geringeren Inanspruchnahme des Angebots der Antragsgegnerin, die - gerichtsbekannt - im Erfolgsfalle einen Teil der von den Fluggesellschaften ausgezahlten Entschädigungsleistungen als Provision einbehält.

cc) Die Antragstellerin hat weiter glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin sie durch die inkriminierte Handlung in unlauterer Weise verunglimpft, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 UWG.

Mit der Darstellung eines Flugzeugs, dessen äußeres Erscheinungsbild in Farbauswahl und Schriftzug dem Design der Corporate Identity der Antragstellerin nachempfunden ist unter Verwendung eines erfundenen Namens, der - der Firma der Antragstellerin lautmalerisch angelehnt - die englische Bezeichnung für „Lügner“ enthält, suggeriert die von der Antragsgegnerin aufgestellte Aussage, dass die Antragstellerin im Geschäftsverkehr nicht die Wahrheit sagt und stellt ihre Seriosität in Zweifel. Diese Äußerung ist - bei der gebotenen, nach Maßgabe des Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise vorzunehmenden Bewertung im Gesamtzusammenhang von Form und Inhalt (BGH, Urteil vom 01.03.2018 - I ZR 264/16 - Verkürzter Versorgungsweg II, Rn 29; zit. nach juris) - jedenfalls als Meinungskundgabe zu werten, auch wenn grundsätzlich die Feststellung, ob jemand die Wahrheit sagt oder lügt, der objektiven Klärung zugänglich ist. Fehlt es an jeglichem sachlichen Anknüpfungspunkt für die Behauptung, ein anderer sage die Unwahrheit, stellt die Bezeichnung als „Lügner“ ein pauschales Werturteil dar, dem es an inhaltlicher Substanz fehlt und bei dem der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung zurücktritt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.07.2004 -1 BvR 2566/95 - „gerlach Report“ Rn 30; BGH, Urteil vom 19.05.2011 - I ZR 147/09 - Coaching Newsletter Rn 20, zit. nach juris). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, der neben der inkriminierten Werbung auf dem Werbeträger befindliche Zusatz „Flight delayed?“ genügt nicht, um den von der Antragstellerin erhobenen Vorwurf einer objektiven Klärung unterziehen zu können.

Die inkriminierte Darstellung stellt ein herabsetzendes, dh die Wertschätzung sachlich ungerechtfertigt verringerndes, bzw. verächtlich machendes (verunglimpfendes) Werturteil dar, das entgegen der Ansicht des Landgerichts von der Antragstellerin nicht hinzunehmen ist (vgl. für die Definition: Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 6 Rn 166).

Die von der Antragstellerin angegriffene Äußerung ist auch durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art 5 Abs. 1 GG) nicht legitimiert, das allerdings grundsätzlich Äußerungen zu kommerziellen Zwecken, wie die vorliegende Werbung, schützt (BVerfGE 102, 347 - Benetton Werbung I; BGH, Urteil vom 19.05.2011 - Coaching Newsletter Rn 27; zit. nach juris). Ob eine Äußerung im Lichte der Grundrechte als zulässig anzusehen ist, ist auf Grundlage einer Würdigung aller Umstände des Gesamtzusammenhangs unter Einbeziehung der wechselseitigen Interessen der Parteien bzw. denen der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass sich Gewerbetreibende wertende Kritik an ihrer gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen müssen, wenn sie scharf formuliert wird (BGH, Urteil vom 16.12.2014 - VI ZR 39/14 - Hochleistungsmagneten - Rn 21 mwN; zit. nach juris), dass Werbung auch von Humor bzw. Ironie lebt und begleitet wird und dass der Durchschnittsverbraucher zunehmend an pointierte Werbeaussagen gewöhnt ist und sie als Ausdruck lebhaften Wettbewerbs empfindet (BGH, Urteil vom 01.10.2009 - I ZR 134/07 - Gib mal Zeitung Rn 20; Urteil vom 12.07.2001 - I ZR 89/94 - Preisgegenüberstellung im Schaufenster Rn 39; zit. nach juris).

Gleichwohl ist vorliegend bei Einbeziehung aller Umstände und der Abwägung der gegenläufigen Interessen die Grenze zulässiger Kritik überschritten. Maßgebend dafür ist, dass die inkriminierte Darstellung als Lügner mangels jeglicher tatsächlicher Informationen keinen erkennbaren sachlichen Kontext aufweist und keine Auseinandersetzung in der Sache enthält. Es ist deshalb nicht erkennbar, ob und ggf. welches Aufklärungsinteresse der Allgemeinheit an dem Werturteil bestehen könnte und ob die Äußerung der Antragsgegnerin möglicherweise durch nachvollziehbare Motive veranlasst ist. Hinzu kommt, dass das inkriminierte Werturteil nicht etwa nur einem überschaubaren Kreis eröffnet wird, sondern einer breiten, nicht eingrenzbaren Öffentlichkeit, die der Werbung der Antragsgegnerin auf großflächigen Trägern bei Nutzung der Infrastruktur des Flughafens und des angrenzenden Bahnhofs ohne Weiteres gewahr wird. In die Abwägung ist ferner einzustellen, dass die Antragsgegnerin die Herabsetzung des angegriffenen Mitbewerbers ausschließlich zur Werbung für eigene Zwecke verwendet, ohne dabei - etwa durch einen Vergleich - eigene Vorteile herauszustellen. Unter diesen Gegebenheiten kann dem Interesse der Antragsgegnerin an der Äußerung ihrer Meinung kein Vorrang zukommen gegenüber dem Interesse der Antragstellerin auf Schutz ihres sozialen Geltungsanspruches als Wirtschaftsunternehmen.

b) Wollte man einen wettbewerblichen Anspruch der Antragstellerin verneinen, wovon der Senat nicht ausgeht, wäre das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin jedenfalls begründet nach § 823 Abs. 1 BGB iVm § 1004 BGB wegen eines unzulässigen Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Auch insoweit fehlte es nicht an einem Verfügungsgrund. Nach der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Eidesstattlichen Versicherung des Director of Legal T… Mc… vom 10.04.20 hat die Antragstellerin erstmals am 24.03.20 Kenntnis von der inkriminierten Werbung der Antragsgegnerin erhalten. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 31.03.2020 bei dem Landgericht Potsdam eingegangen.


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OLG Brandenburg: Öffentliche Hand darf Unternehmen nicht mit Betrieb von Touristinformationen beauftragen wenn dieses selbst Stadtrundfahrten und Stadtrundgänge anbietet

OLG Brandenburg
Urteil vom 05.04.2018
6 U 50/13


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass die öffentliche Hand kein Unternehmen mit Betrieb von Touristinformationen beauftragen darf, wenn dieses selbst Stadtrundfahrten anbietet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"3) Die Klage ist in dem zuletzt verfolgten Umfang begründet. Der Klägerin stehen die mit dem Antrag zu 1. in seiner Hauptfassung und mit den Anträgen zu 2. und 3. geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach §§ 8, 3 Abs. 1 UWG (§ 3 UWG a.F.) gegen die Beklagte zu.

3.1) Da die Klägerin die Unterlassungsansprüche auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Sachentscheidung rechtswidrig ist (vgl. BGH, Urteil v. 04.02.2016 - I ZR 194/14, GRUR 2016, 403 - Fressnapf; Urteil v. 02.05.2017 - I ZR 41/16, GRUR 2017, 922 - Komplettküchen). Das von der Klägerin als rechtswidrig beanstandete Verhalten des Betriebs von Touristinformationen durch ein Unternehmen, welches selbst Stadtrundfahrten und/oder Stadtrundgänge in … anbietet, ohne Trennung der Geschäftsbereiche und ebenso die Gestattung der Nutzung des …logos für die Bewerbung der Stadtrundfahrten hat jedenfalls bis 2015 angedauert. Die weiter angegriffene Werbung für die Stadtrundfahrten der T… GmbH auf der Internetseite der Beklagten ist unstreitig jedenfalls in den Jahren 2011 und 2012 veröffentlicht worden. Das im Streitfall maßgebliche Recht ist mit Wirkung vom 10.12.2015 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2015, S. 2158) novelliert worden. Dabei ist unter anderem § 3 UWG zur besseren Umsetzung des Art. 5 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) neu gefasst worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt aus der Gesetzesänderung nicht. Die in § 3 Abs. 1 UWG a.F. enthalten gewesene Regelung stimmte bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung mit der seit dem 10.12.2015 in dieser Vorschrift enthaltenen Regelung überein (vgl. BGH, Urteil v. 02.05.2017 a.a.O. - Komplettküchen; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 3 Rn. 1.8).

3.2) Die Klägerin ist als Mitbewerberin auf dem Markt der Stadtrundfahrten und Stadtrundgänge in … für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktiv legitimiert.

3.3) Die Beklagte ist gemäß § 8 Abs. 1 UWG Schuldnerin der Abwehransprüche, denn das von der Klägerin als wettbewerbswidrig beanstandete Verhalten der Beklagten bei der Beauftragung der T… GmbH als Betreiber der Touristinformation unter Einschluss der Durchführung von Stadtrundfahrten und unter Gestattung der Nutzung des …logos sowie beim Bewerben der Stadtrundfahrten der T… GmbH erfüllt die Voraussetzungen geschäftlicher Handlungen im Sinne von § 8 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren und Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Der Begriff der geschäftlichen Handlung dient dazu, den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts gegenüber dem allgemeinen Deliktsrecht abzugrenzen. Deshalb ist das Merkmal des „objektiven Zusammenhangs“ funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (vgl. BGH, Urteil v. 10.01.2013 - I ZR 190/11, GRUR 2013, 945 - Standardisierte Mandatsbearbeitung; Urteil v. 11.12.2014 - I ZR 113/13, GRUR 2015, 694 - Bezugsquellen für Bachblüten). Vorliegend hat das beanstandete Verhalten der Beklagten, die als kommunale Gebietskörperschaft nicht selbst erwerbswirtschaftlich tätig geworden ist, bei der gebotenen objektiven Betrachtung der Förderung des Wettbewerbs der T… GmbH auf dem Markt der Stadtrundfahrten und -rundgänge gedient.

Wie die Beklagte nicht in Abrede stellt, war die Durchführung von Stadtrundfahrten und Stadtrundgängen durch die mit dem Betrieb der Touristinformationen beauftragte T… GmbH deren vertragliche Verpflichtung zum Zwecke der Einnahmeerzielung, um die Kosten der öffentlichen Aufgabe der Tourismusförderung mitzufinanzieren. Die durch Einsetzung der T… GmbH als Betreiber der Touristinformationen und Veranstalter von Stadtrundfahrten und -rundgängen bewirkte Förderung des Wettbewerbs der T… GmbH stellt sich mithin nicht lediglich als unbeabsichtigte, reflexartige Folge der Übertragung der öffentlichen Aufgabe des Betriebs der Touristinformationen dar, sondern war von der Beklagten bezweckt. Dasselbe gilt für die Gestattung der Nutzung des …logos auch für veranstaltete Stadtrundfahrten und die Werbung für das Stadtrundfahrtangebot der T… GmbH im Internet.

3.4) Die Beklagte ist wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 UWG (§ 3 Abs. 1 UWG a.F.) verpflichtet, es künftig zu unterlassen, den Betrieb von Touristinformationen einem Unternehmen zu übertragen, welches selbst Stadtrundfahrten und/oder -rundgänge in … anbietet, sofern nicht sichergestellt ist, dass die erwerbswirtschaftliche Betätigung bei dem Vertrieb der Stadtrundfahrten und/oder Stadtrundgänge durch die in der Entscheidungsformel näher bezeichneten Maßnahmen so von der Aufgabenerfüllung der Touristinformation organisatorisch, räumlich und personell getrennt ist, dass beide Geschäftsbereiche ohne weiteres als solche erkennbar sind.

Die Beklagte hat sich mit der Beauftragung der T… GmbH ohne Sicherstellung der vorbeschriebenen Trennung unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG verhalten.

3.4.1) Die Ableitung von Ansprüchen aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG setzt voraus, dass die betreffende Verhaltensweise von ihrem Unlauterkeitsgehalt her den in den §§ 4 bis 7 UWG angeführten Beispielsfällen unlauteren Verhaltens entspricht (vgl. BGH, Urteil v. 09.10.2010 - I ZR 157/08, GRUR 2011, 431 - FSA-Kodex; Urteil v. 12.07.2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 - Solarinitiative). Ein Rückgriff auf die Generalklausel ist insbesondere in Fällen geboten, in denen die Tatbestände der §§ 4 bis 7 UWG zwar bestimmte Gesichtspunkte der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung erfassen, aber keine umfassende Bewertung der Interessen der durch das Wettbewerbsverhältnis betroffenen Marktteilnehmer ermöglichen (vgl. BGH, Urteil v. 22.04.2009 - I ZR 176/06, GRUR 2009, 1080 - Auskunft der IHK; BGH, Urteil 26.02.2009 - I ZR 106/06, GRUR 2009, 606 - Buchgeschenk vom Standesamt; Urteil v. 12.07.2012 a.a.O. - Solarinitiative). So liegen die Dinge bei dem hier zu beurteilenden Verhalten.

Geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand können aus den in § 4 Nr. 4, § 4a, § 5 Abs. 1 UWG (§ 4 Nr. 1, 2 und 10, § 5 Abs. 1 UWG a.F.) niedergelegten lauterkeitsrechtlichen Grundsätzen unlauter sein, wenn sie mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe verknüpft werden und dadurch der Eindruck erweckt wird, die erwerbswirtschaftliche Betätigung sei noch Teil der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung oder wenn die öffentliche Hand ihre amtlichen Beziehungen dazu missbraucht, sich oder anderen wettbewerbliche Vorteile zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil v. 16.02.2009 - I ZR 106/06, GRUR 2009, 606 - Buchgeschenk vom Standesamt; Urteil v. 21.07.2005 - I ZR 170/01, GRUR 2005, 960 - Friedhofsruhe; Urteil v. 19.06.1986 - I ZR 54/84, GRUR 1987, 116 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Köhler in Köhler/ Bornkamm a.a.O. § 3a Rn. 260, Rn. 2.64; Pfeifer in Teplitzky/Peifer/ Leistner, UWG, 3. Aufl., § 3 Rn. 493, 496).

3.4.2) Vorliegend hat die Beklagte mit Beauftragung der T… als Betreiber der Touristinformationen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgabe der Tourismus- und damit Wirtschaftsförderung und zugleich als Veranstalter vom Stadtrundfahrten und -rundgängen die öffentlich-rechtliche Aufgabe in unzulässiger Weise mit der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der T… GmbH verknüpft und dadurch der T… GmbH beim Absatz ihrer Stadtrundfahrten und -rundgänge einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft.

a) Der öffentlichen Hand ist, wenn sie sich erwerbswirtschaftlich betätigt oder sich eines erwerbswirtschaftlich tätigen Unternehmens bedient, nicht anders als privaten Unternehmen unlauteres Wettbewerbsverhalten verboten. Die Unlauterkeit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit einer Gemeinde kann sich gerade aus ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft und der damit verbundenen besonderen Stellung gegenüber den anderen Marktteilnehmern, insbesondere den Verbrauchern, ergeben, etwa wenn die amtliche Autorität oder das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Amtsführung missbraucht werden oder wenn öffentlich-rechtliche Aufgaben mit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit verquickt werden (vgl. BGH, Urteil v. 21.07.2005 a.a.O. - Friedhofsruhe; Urteil v. 25.04.2002 - I ZR 250/00, BGHZ 150, 343 - Elektroarbeiten; Urteil v. 24.09.2002 - KZR 4/01, GRUR 2003, 167 - Kommunaler Schilderprägebetrieb).

b) Die Beauftragung der T… GmbH zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe der Touristinformation und zugleich zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung im Bereich der Stadtrundfahrten und -rundgänge gerade zum Zweck der Eigen(mit)finanzierung hat eine unzulässige Verquickung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung mit der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung dargestellt, weil die konkrete Ausgestaltung des Auftrags die gebotene, nach außen erkennbare Trennung der Tätigkeitsbereiche nicht sichergestellt hat.

Die T… GmbH hat die Information über touristische Angebote der Stadt … und den Absatz der eigenen touristischen Dienstleistungen ohne jede Trennung der Tätigkeitsbereiche, insbesondere in denselben Räumlichkeiten, unter Nutzung derselben Fernkommunikationsmöglichkeiten und unter Einsatz derselben Mitarbeiter durchführen können, weil weder der Vertrag eine Trennung vorgesehen, noch die Beklagte sonst hierauf hingewirkt hat. Gerade im Hinblick auf den Verkauf von Tickets für Stadtrundfahrten und -rundgänge hat die T… GmbH als Betreiber der Touristinformationen die keinem anderen Mitbewerber zur Verfügung stehende Möglichkeit erhalten, beim Absatz ihrer Dienstleistungen als Teil der öffentlichen-rechtlichen Aufgabenerfüllung in Erscheinung zu treten. Die T… GmbH hatte aus diesem Gesichtspunkt und aus der Tatsache, dass der Betrieb der Informationsstelle über touristische Angebote die Möglichkeit eröffnet hat, zugleich die eigenen Dienstleistungen an exponierter Stelle abzusetzen, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Bietern von Stadtrundfahrten und -rundgängen.

Dieser aus der Verquickung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe mit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit resultierende Wettbewerbsvorteil ist sachlich nicht gerechtfertigt, denn es widerspricht dem Gebot der neutralen und objektiven Amtsführung, wenn die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe zur Förderung des eigenen oder eines fremden Wettbewerbs eingesetzt wird."

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OLG Brandenburg: Kein Ausschluss des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen über Luftbildaufnahmen nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB - Keine Kundenspezifikation

OLG Brandenburg
Urteil vom 14.11.2017
6 U 12/16


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen über Luftbildaufnahmen nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist. Es handelt sich nicht um Leistungen, die im Sinne der Ausnahmevorschrift nach Kundenspezifikation erstellt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"2.2) Die von der Beklagten mit Verbrauchern unstreitig außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge über Fotoausdrucke von Luftbildaufnahmen unterliegen dem Widerrufsrecht der Verbraucher gem. § 312g Abs. 1 BGB, denn entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Widerrufsrecht nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Eine Anfertigung nach Kundenspezifikation im Sinne der Vorschrift liegt für die nach dem Geschäftsmodell der Beklagten vertriebenen Luftbildaufnahmen deshalb nicht vor, weil die Fotos unter Verwendung bereits vorgefertigter digitaler Bilddateien hergestellt werden.

a) Das in § 312g BGB normierte Widerrufsrecht des Verbrauchers trägt der Tatsache Rechnung, dass der Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen oft psychologischem Druck und einer Überrumpelungssituation ausgesetzt ist (vgl. Erwägungsgrund 21 der Richtlinie 2011/83/EU). Um der daraus erwachsenden Gefahr von Fehlentscheidungen des Verbrauchers zu begegnen, wird dem Verbraucher ermöglicht, sich ohne lange Auseinandersetzung mit dem Unternehmer vom wirksam geschlossenen Vertrag wieder zu lösen (vgl. MünchKomm-Wendehorst, BGB, 7. Aufl. 2016, § 312g Rn 1). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll dieses Widerrufsrecht in bestimmten Fällen ausgeschlossen sein, wobei der Gesetzgeber die Fälle, in denen eine Unzumutbarkeit anzunehmen ist, im Gesetz typisiert hat (vgl. BGHZ 154, 239 Rn 12). Als Grund für den Ausschluss des Widerrufs kommt in Betracht, dass die Ware nach Benutzung oder ansonsten wertlos geworden ist und deshalb ein Widerrufsrecht für den Unternehmer nicht zumutbar ist (BT-Drucks 14/2658 S. 44). Nach Erwägungsgrund 49 der Richtlinie 2011/83/EU kann ein Ausschluss des Widerrufsrechts ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn dies in Anbetracht der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung unzweckmäßig ist, etwa im Fall von spekulativen Geschäften, bei denen die Ware erst lange nach Vertragsschluss geliefert wird, wenn Waren nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten werden, wie beispielsweise nach Maß gefertigte Vorhänge, oder wenn es nach der Lieferung aufgrund der Beschaffenheit des Gutes zur untrennbaren Verbindung mit anderen Gütern kommt, wie bei der Lieferung von Brennstoff.

Aus Gründen des effektiven Verbraucherschutzes sind die Ausnahmen von § 312g Abs. 1 BGB allerdings so weit wie möglich zu begrenzen, § 312g Abs. 2 ist deshalb eng auszulegen (vgl. Ermann-Koch, BGB, 14. Aufl., § 312g Rn 5; MünchKomm-Wendehorst a.a.O. § 312g Rn 6). Der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht grundsätzlich als für den Unternehmer zumutbar angesehen, obwohl eine Rücknahme der Ware für den Unternehmer in der Regel mit wirtschaftlichen Nacheilen verbunden ist (vgl. BGH a.a.O. Rn 13). Für eine Anfertigung nach Kundenspezifikation, die das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließt, reicht es deshalb nicht aus, wenn der Verbraucher durch seine Bestellung die Herstellung der Ware veranlasst und dafür - notwendigerweise - genauere Angaben über deren Beschaffenheit macht. Anderenfalls wäre das Widerrufsrecht allein davon abhängig, ob (ein und dieselbe) Ware vorrätig gehalten oder erst auf Bestellung (nach Bedarf) produziert wird. Es läge dann in der Hand des Unternehmers, ein Widerrufsrecht des Verbrauchers dadurch auszuschließen, dass auch standardisierte Ware nicht vorrätig gehalten, sondern erst auf Bestellung produziert wird. Dies liefe dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung zuwider.

b) Nach diesen Grundsätzen sind die von der Beklagten Verbrauchern gegenüber angebotenen Luftbildaufnahmen nicht als nach Kundenspezifikation angefertigt, sondern als vorgefertigte Waren anzusehen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass der Beklagten bereits vor der Kontaktaufnahme zu dem potentiellen Kunden die Übersichtsaufnahme aus der Luft als digitale Bilddatei vorliegt, welche den später verkauften Bildausschnitt umfasst."



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OLG Brandenburg: Äußerung über Mitbewerber zur rechtswidrigen Mitwirkung an Vergabeverfahren nicht zwingend wettbewerbswidrig

OLG Brandenburg
Urteil vom 13.12.2016
6 U 76/15


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass die Äußerung über einen Mitbewerber zur rechtswidrigen Mitwirkung an Vergabeverfahren nicht zwingend wettbewerbswidrig sind.


Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Kläger steht der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nicht zu. Insbesondere hat der Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung der inkriminierten Äußerung nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 i.V. m. § 4 Nr. 8 UWG (in der bis zum 10.12.2015 geltenden Fassung) bzw. § 4 Nr. 2 UWG (in der Fassung des Gesetzes vom 02.12.2015 - BGBl. I S. 2158 - gültig ab 10.12.2015).

Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil der Kläger die zu untersagende Äußerung nicht getätigt hat. Die tatsächlich getätigten Äußerungen wären zudem nicht wettbewerbswidrig.

1) Die Klage ist bereits unschlüssig. Der Kläger begeht die Untersagung einer Äußerung, die der Beklagte so wörtlich nicht getätigt hat, wie der Kläger auch noch nicht einmal behauptet hat. Die inkriminierte Äußerung, die Ehefrau der Klägers wirke entgegen § 16 Abs. 2 Vergabeverordnung bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG rechtswidrig an öffentlichen Vergabeverfahren mit, an denen das Planungsbüro des Klägers beteiligt sei, ist in dem Schreiben des Beklagten vom 20.08.2014 nicht enthalten.

2) Soweit der Antrag des Klägers so zu verstehen sein könnte, dass der Beklagte zu verurteilen sei, es zu unterlassen, sinngemäß zu behaupten, die Frau der Klägers wirke entgegen § 16 Abs. 2 Vergabeverordnung bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG rechtswidrig an öffentlichen Vergabeverfahren mit, an denen das Planungsbüro des Klägers beteiligt sei, wie geschehen im Schreiben vom 20.08.2014, ist die Klage ebenfalls unbegründet. Auch insoweit besteht kein Anspruch auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 8 UWG a.F. (§ 4 Nr. 2 UWG n. F.) bzw. § 4 Nr. 7 UWG a.F. (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.), unterstellt zugunsten des Klägers, zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis und das Schreiben vom 20.08.14 sei zu Zwecken des Wettbewerbs versandt worden.

2.1). Das Schreiben vom 20.08.2014 enthält eine Reihe von Tatsachenbehauptungen, die wahr bzw. unstreitig sind und deshalb dem Anwendungsbereich des § 4 Nr. 8 UWG a.F. (§ 4 Nr. 2 UWG n.F.) von vorneherein nicht unterfallen. Dazu zählen u.a. die Aussagen, der Kläger betreibe kein Architekturbüro, seine Ehefrau sei im Bauamt tätig und dort für die Vergabe von Fördermitteln zuständig und der Kläger habe an mehreren näher bezeichneten Bauvorhaben der Wohn- und Baugesellschaft … mbH mitgewirkt. § 4 Nr. 8 UWG a.F. (§ 4 Nr. 2 UWG n.F.) bezweckt allein den Schutz des Mitbewerbers vor unwahren geschäftsschädigenden Tatsachenbehauptungen (Anschwärzung). Deshalb unterliegen auch die weiteren vom Kläger inkriminierten Inhalte des Schreibens, die rechtliche Wertungen bzw. Meinungsäußerungen darstellen - etwa die Vermutung, das Verwandtschaftsverhältnis könne den Bedingungen der ILB-Fördermittelbescheide zuwiderlaufen oder der Zusatz „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“, nicht der Lauterkeitsbeurteilung des vom Kläger allein angeführten Tatbestandes des § 4 Nr. 8 UWG a.F.(§ 4 Nr. 2 UWG n.F.)

2.2). Die inkriminierten Äußerungen des Beklagten sind aber auch nach dem Maßstab des § 4 Nr. 7 UWG a.F. (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.) nicht als unlautere Herabsetzung bzw. Verunglimpfung zu bewerten. Dies gilt sowohl hinsichtlich der in dem Schreiben vom 20.08.2014 enthaltenen Tatsachen, wie auch der Meinungsäußerungen bzw. rechtlichen Wertungen.

§ 4 Nr. 1 UWG n.F. dient dem Schutz des Mitbewerbers vor einer Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsinteressen und des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb (Köhler/Bornkamm a.a.O., § 4 Rn 1.2). Wahre, allerdings zugleich geschäftsschädigende Tatsachen, sind deshalb nach § 4 Nr. 1 UWG n.F. ( § 4 Nr. 7 UWG a.F.) nur dann zulässig, wenn ein sachlich berechtigtes Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise besteht, der Bewerber hinreichenden Anlass hat, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält (Köhler/Bornkamm, 34. Aufl. 2016, § 4 Rn. 1.16). Ob den inkriminierten Äußerungen tatsächlich herabsetzende Wirkung zukommt, kann dahinstehen, denn jedenfalls wären die oben dargestellten, wahren Tatsachenbehauptungen nach diesen Maßgaben zulässig. Der Beklagte verfolgte mit seinem Schreiben die Intention, die maßgebenden Entscheidungsträger auf eine vergaberechtlich problematische Praxis in einem Bereich, der für seine eigene Berufstätigkeit relevant ist, aufmerksam zu machen.

Auch soweit das Schreiben Meinungsäußerungen und rechtliche Wertungen enthält, besteht keine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 7 UWG a.F. (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.). Die inkriminierten Äußerungen im Schreiben vom 20.08.2014 enthalten weder Formalbeleidigungen noch in unangemessener Weise abfällige, unsachliche oder abwertende Schmähkritik; sie sind auch nicht geeignet, die Menschenwürde zu verletzen. Es ergibt sich auch keine lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der beteiligten Interessen, insbesondere der Belange beider Beteiligten und der Allgemeinheit, des Schutzes des Geschäftsrufs des Klägers sowie des Bedeutungsgehalts der Meinungsfreiheit und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.05.2011 - I ZR 147/09 - Coaching Newsletter, GRUR 2012, 74 Rn 31, 33 zit. nach juris). Vielmehr steht die geäußerte Kritik in Zusammenhang mit der von dem Beklagten angegriffenen Vergabepraxis der Stadt …, durch die er sich benachteiligt fühlt. Thematisiert wird die berufliche Verquickung der Eheleute, die der Gesetzgeber im öffentlichen Vergabewesen als problematisch ansieht und der er mit einschränkenden Vorschriften entgegen wirkt (§ 16 Abs. 2 VgV i.d.F. bis 11.04.2016 bzw. § 6 Abs. 4 VgV i.d.F. ab 12.04.2016). Es handelt sich mithin um sachliche Kritik, für die ein konkreter Anlass bestand.

3). Zu Recht macht der Beklagte geltend, dass das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10.09.2014 nicht herangezogen werden könne, um die Unterlassungsbegehr des Klägers zu stützen. Dieses Schreiben ist im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens gefertigt worden, es stellt das Antwortschreiben auf ein anwaltliches Schreiben des Klägers dar, mit dem dieser den Beklagten zur Unterlassung von Äußerungen und Erstattung von Aufwendungen aufgefordert hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können ehrkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, grundsätzlich nicht mit Ehrenschutz- oder Unterlassungsklagen abgewehrt werden. Das sogenannte Ausgangsverfahren soll nicht durch die Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr sollen die Parteien in einem Gerichtsverfahren sowie außergerichtlichen Schreiben, die dessen konkreter Vorbereitung dienen, alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihre Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt werden sollte (BGH Urt. v. 28.02.2012 - VI ZR 79/11, MDR 2012, 518 Rn 7, zit. nach juris; Urt. v. 11.12.2007 - VI ZR 14/07, NJW 2008, 998 Rn 12, zit. nach juris; OLG Celle Urt. v. 19.04.2012 - 13 U 235/11, NJW-RR 2012, 1189 Rn 4, zit. nach juris ). Ausnahmen können lediglich bestehen bei wissentlich unwahren oder leichtfertig unhaltbaren bzw. bewusst unwahren oder auf der Hand liegenden falschen Tatsachenbehauptungen sowie - im Falle von Meinungsäußerungen - bei sog. Schmähkritik (BVerfG, B. v.15.12.2008 - 1 BvR 1404/04 Rn 18, zit. nach juris; B. v. 25.09.2006 - 1 BvR 1898/03, zit. nach juris; BGH, Urt. v. 11.12.2007 a.a.O). Diese Ausnahmen sind vorliegend nicht gegeben. Das anwaltliche Schreiben vom 10.09.2014 wiederholt im Wesentlichen die bereits im Schreiben vom 20.08.2014 enthaltenen Tatsachen in Bezug auf die Beauftragung des Klägers durch die Wohn- und Baugesellschaft … mbH und die Tätigkeit dessen Ehefrau im Bauamt der Stadt … und stellt die zu dem maßgeblichen Zeitpunkt geltende Rechtslage nach § 16 VgV bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG dar. Eine konkrete Einflussnahme des Verwandtschaftsverhältnisses auf die Auftragsvergabe wird dabei ausdrücklich nicht unterstellt.


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OLG Brandenburg: eBay kann Account das gegen VeRI-Programm verstößt ohne vorherige Anhörung sperren

OLG Brandenburg
Urteil vom 09.01.2017
6 W 95/16


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass eBay berechtigt ist, Accounts, die gegen das Verifizierte Rechteinhaber-Programm (VeRI) verstoßen, ohne vorherige Anhörung zu sperren und Angebote zu entfernen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"3. Mit dem vom Antragsteller zur Begründung seiner beabsichtigten Klage vorgetragenen Sachverhalt lässt sich eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung der Antragsgegnerin (§ 280 BGB) nicht feststellen.

a. Die Antragsgegnerin ist mit der Sperrung des Accounts ihren Prüf- und Schutzpflichten nachgekommen, die ihr durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als Betreiber einer Internet-Plattform auferlegt sind. Danach trifft den Betreiber eines Online-Marktplatzes, wenn ihn ein Rechteinhaber auf eine klare Verletzung seines Rechtes durch ein auf den Marktplatz eingestelltes Verkaufsangebot hinweist, die Verpflichtung, derartige Verletzungen zu unterbinden. Die Diensteanbieter im Sinne von §§ 8 bis 10 TMG trifft keine allgemeine Prüfpflicht für die von Nutzern auf deren Server eingestellten Dateien, dem steht die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG entgegen. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten (BGH, Urteil vom 17.08.2011 - 1 ZR 57/09 - Stiftparfüm, Rn. 21- zit. nach juris). Der Betreiber eines Online-Marktplatzes, der auf eine klare Rechtsverletzung konkret hingewiesen worden ist, muss allerdings das betroffene Angebot unverzüglich sperren und auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt (BGH, a.a.O., Rn. 52; BGHZ 158, 236 Rn. 49- zit. nach juris).

Die Antragsgegnerin hat daher in Erfüllung der ihr obliegenden rechtlichen Pflichten gehandelt, indem sie nach einem entsprechenden Hinweis eines sich als Rechteinhabers bezeichneten Nutzers den Account des Antragstellers sperrte. Zugleich diente dies der Wahrnehmung ihrer eigenen berechtigten Interessen, nämlich nicht von Markeninhabern gerichtlich oder außergerichtlich in Anspruch genommen zu werden (s. Beschluss des Senats vom 09.03.2010, 6 W 175/09).

b. Entgegen der Ansicht des Antragstellers oblag der Antragsgegnerin im vorliegenden Falle nicht die Verpflichtung, Nachforschungen anzustellen, ob die gemeldete Schutzrechtsverletzung berechtigt ist oder aber vor der Sperrung den Antragsteller anzuhören und sodann die vorgetragenen Umstände einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürfen Diensteanbietern im Sinne des TMG keine Anforderungen auferlegt werden, die ihr von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell gefährden oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren (BGH, Urteil vom 22.07.2010 - 1 ZR 139/08, Kinderhochstühle, Rn. 38- zit. nach juris; BGH, Urteil vom 11.03.2004 - 1 ZR 304/01, Rn. 49- zit. nach juris). Die Prüf- und Überwachungspflichten des Diensteanbieters sind auf zumutbare Maßnahmen zu beschränken.

Die Antragsgegnerin hat mit dem V…-Programm deshalb eine solche Maßnahme geschaffen, indem sie den Plattformnutzern die Möglichkeit gibt, nach Verletzungen ihnen zustehender Schutzrechte selbständig zu forschen und diese ihr als „Marktplatzbetreiber“ anzuzeigen.

Dass im vorliegenden Falle die Antragsgegnerin leichtfertig auf eine behauptete Schutzrechtsverletzung hin die Verfügung über den Account des Antragstellers beschränkt hatte, kann nicht festgestellt werden. Der Antragsteller selbst hat vorgetragen, dass er einen Rechtsstreit mit einem sich als Schutzrechtsinhaber gerierenden Dritten geführt hat. Dieser Dritte, der die Umstände zur behaupteten Schutzrechtsverletzung durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht hat, war derjenige, der den Antragsteller bei der Antragsgegnerin angezeigt hat. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller den Anzeigeerstatter namhaft gemacht, damit der Antragsteller sich mit dem Anzeigeerstatter auseinandersetzen kann.

Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin wäre infrage gestellt, wenn sie in einem Fall der vorliegenden Art gehalten wäre, die Meldung des vermeintlichen Rechteinhabers einer besonderen Prüfung zu unterziehen oder sogar eigene Nachforschungen anzustellen. Eine über eine reine Plausibilitätskontrolle hinausgehende Nachprüfungspflicht obliegt der Antragsgegnerin, wenn der Anzeigeerstatter seine Behauptungen durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft macht, nicht.

Soweit der Antragsteller behauptet, die Anschwärzung durch den Dritten wegen Schutzrechtsverletzung sei unberechtigt erfolgt, muss er sich an diesen halten. Die Funktion der Antragsgegnerin besteht allein darin, Nutzern eine Plattform zu bieten, auf denen diese Geschäfte abwickeln können. Der Einsatz von Juristen, um schutzrechtliche Streitigkeiten prüfen zu können, obliegt der Antragsgegnerin nicht.

4. Daneben kann dahinstehen, dass der vom Antragsteller mit der beabsichtigten Klage verfolgte Schadensersatz in keiner Weise schlüssig dargetan ist. Der Antragsteller stellt lediglich auf Umsätze ab, die er nach seiner Behauptung entsprechend dem Geschäftsmodell der Antragsgegnerin in einem bestimmten Zeitraum hätte tätigen können. Der Antragsteller legt bereits nicht hinreichend dar, dass er den von ihm in dem angeführten Zeitraum behaupteten Umsatz überhaupt hätte erreichen können, indem ihm die Antragsgegnerin kontinuierlich höhere Verkaufslimits gestattet hätte. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin gibt es keine automatische Erhöhung des Verkaufslimits. Die Anhebung des Limits ist vielmehr von verschiedenen individuellen Faktoren abhängig."


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OLG Brandenburg: Werbeanzeige mit Preisen muss bei nicht eingetragenen Einzelkaufleuten den Vornamen und den Zunamen des Unternehmers enthalten

OLG Brandenburg
Beschluss vom 01.06.2015
6 W 63/15


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass Werbeanzeigen jedenfalls dann, wenn Sie Preise enthalten und so den Verbraucher zum Abschluss des Geschäfts veranlassen können, bei nicht eingetragenen Einzelkaufleuten den Vornamen und den Zunamen des Unternehmers enthalten müssen.

Aus den Entscheidungsgründen:


Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten aufgegeben,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Letztverbrauchern zu werben ohne dabei die Identität (vollständige Firmierung inklusive Rechtsformzusatz, bei nicht eingetragenen Einzelkaufleuten Vor- und Zuname) des Unternehmens anzugeben, wenn dies geschieht, wie in der Zeitungsbeilage "….", Ausgabe März 2015, auf Seite 19 (Anlage zum Beschluss).

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,- € festgesetzt.

Gründe

[...]

Der Antragsteller gehört zu den nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG und nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigten Verbänden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht gemäß §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG i.V.m. § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Antragsgegnerin hat in der beanstandeten Werbung ihre Dienstleistung so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann. Bei einer solchen Werbung trifft den Unternehmer gemäß § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG die Pflicht, über seine Identität zu informieren. Dem wird die Werbung der Antragsgegnerin nicht gerecht. Die Dringlichkeit stützt sich auf die gesetzliche Vermutung gemäß § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 UWG.


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OLG Brandenburg: Inhaber einer SIM-Karte haftet für unbefugte Nutzung für Telefondienstleistungen durch Dritte - Rechtsprechung zum ec-Kartenmissbrauch auch auf SIM-Karten anzuwenden

OLG Brandenburg
Urteil vom 11.09.2014
5 U 105/13


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass der Inhaber einer SIM-Karte für die unbefugte Nutzung für Telefondienstleistungen durch Dritte haftet. Das OLG Brandenburg wendet insoweit die Rechtsprechung zur missbräuchlichen Verwendung von ec-Karten auch auf SIM-Karten an.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin steht entgegen der Auffassung des Landgerichts aber auch das Entgelt für die Telefondienstleistungen zu, die auf die SIM-Karte mit der Nr. 49351541 entfallen, so dass sie insgesamt die mit den Rechnungen vom 6. Januar 2009 (5.126,81 € und 346,61 €), 3. Februar 2009 (1.013,27 € und 375,62 €), 5. März 2009 (27,44 €), 5. April 2009 (53,82 €) und 4. Mai 2009 (12,74 €) geltend gemachte Forderung von 6.956,31 € vom Beklagten verlangen kann.

Soweit Telefondienstleistungen auf die vorgenannte SIM-Karte entfallen, kann die Klägerin diese gemäß 12.3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlangen, weil diese durch eine unbefugte Nutzung der Karte entstanden sind, die der Beklagte zu vertreten hat. Diese Klausel ist wirksam, es handelt sich insbesondere nicht um eine Verpflichtung zur Zahlung eines pauschalierten Schadensersatzes (BGHZ 188, 351 ff.). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für den Bereich der missbräuchlichen Verwendung von ec-Karten anerkannt, dass eine bereits das Merkmal der groben Fahrlässigkeit erfüllende Verwahrung vorliegt, wenn ein Unbefugter ec-Karte und Geheimnummer in einem Zugriff erlangen kann und nicht nach dem Auffinden der einen Unterlage weiter nach der anderen suchen muss (BGHZ 145, 337).

Eine solche gemeinsame Verwahrung auf Veranlassung des Beklagten liegt hier vor. Die Mutter des Beklagten hat im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung bekundet, von ihrem Sohn die SIM-Karte mit der Maßgabe erhalten zu haben, sie zu benutzen, wenn sie wolle. Die dazugehörige PIN habe er auf die Karte geschrieben. Diese Bekundung hat sich die Klägerin ausdrücklich zu Eigen gemacht, der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.

Der Beklagte hat danach die PIN fest mit der SIM-Karte verknüpft, ein Unbefugter musste sich nur noch in den Besitz der SIM-Karte setzen, um unbefugt die Telefondienstleistungen der Klägerin in Anspruch zu nehmen. Hieran vermag auch der Einwand des Beklagten, eine SIM-Karte sei wesentlich kleiner als eine ec-Karte nichts zu ändern. Der Vorwurf der fahrlässigen Verwahrung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung knüpft nicht an die Größe der Karte an, sondern an die Möglichkeit eines Unbefugten, in einem Zugriff sowohl die Karte als auch die zu ihrer Nutzung erforderliche PIN zu erlangen. Diese Möglichkeit hat der Beklagte dem Dritten eröffnet."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Brandenburg: Anbieter von Gutscheinen auf Gutscheinplattformen ist selbst für wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Angebote verantwortlich

OLG Brandenburg
Urteil vom 11.06.2013
6 U 98/12


Das OLG Brandenburg hat in diesem Urteil betont, dass ein Anbieter von Gutscheinen auf Gutscheinplattformen selbst für die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Gutschein-Angebote verantwortlich ist.

Aus der Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale:

"In seinem Urteil stellt das Gericht klar, dass der Fahrschulunternehmer, der entsprechende Gutscheine über die Plattform vertreiben lässt, auch für die auf der Plattform genannten Bedingungen für die Gutscheineinlösung grundsätzlich wettbewerbsrechtlich verantwortlich ist. Es ließ das Argument des Fahrschulunternehmers, er sei für die Geschäftsbedingungen auf der Plattform nicht verantwortlich, nicht gelten. Vielmehr habe er im Hinblick auf das Angebot des Gutscheins, zu dessen Einlösung er sich letztlich auch verpflichte, für die auf der Plattform veröffentlichten Bedingungen mit einzustehen."

Die vollständige Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale finden Sie hier: