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BVerwG: Süßwarenhersteller müssen nach der LMIV Füllgewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren angeben - dies gilt auch für einzeln verpackte Bonbons

BVerwG
Urteil vom 09.03.2023
3 C 15.21


Das BVerwG hat entschieden, dass Süßwarenhersteller nach der LMIV Füllgeweicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren angeben müssen und dies auch für einzeln verpackte Bonbons gilt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Pflicht zur Angabe von Gewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren

Auf der zum Verkauf bestimmten Verpackung eines Lebensmittels, in der sich mehrere Einzelpackungen befinden, müssen nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) auch dann sowohl das Füllgewicht als auch die Anzahl der enthaltenen Einzelpackungen angegeben werden, wenn es sich bei den Einzelpackungen um kleinteilige Einzelstücke - wie etwa einzeln umwickelte Bonbons - handelt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin bringt die von ihr hergestellten Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten unter anderem in Beuteln in den Verkehr, in denen sich mehrere einzeln mit Bonbonpapier umwickelte oder auf ähnliche Weise umhüllte Stücke befinden. Bei einer amtlichen Kontrolle stellte das Landesamt für Mess- und Eichwesen des beklagten Landes Rheinland-Pfalz fest, dass auf mehreren der auf diese Weise im Handel angebotenen Produkte zwar das Gesamtgewicht der Süßigkeiten angegeben war, nicht hingegen die Zahl der enthaltenen Stücke. Es bemängelte das Fehlen der Angabe und leitete gegen einen Mitarbeiter der Klägerin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Die Klägerin wandte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht gegen die maßgeblichen Regelungen der LMIV verstoße, wenn sie bestimmte Produkte ihres Sortiments ohne Angabe der Zahl der enthaltenen Stücke in den Handel bringe. Die Klage blieb erfolglos; die hiergegen eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück.


Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Art. 23 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anhang IX Nr. 4 LMIV sind auf einer Vorverpackung, die aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzugeben. Die Produkte der Klägerin unterfallen dieser Vorschrift. Für ihre Annahme, die Vorschrift sei auf Vorverpackungen nicht anzuwenden, die kleinere, einzeln verpackte Stücke enthalten, findet sich im maßgeblichen Unionsrecht kein Anhaltspunkt. Die Pflicht zur Angabe der Anzahl der in der Verpackung enthaltenen Stücke greift nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmer ein. Die Angabe hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen zusätzlichen Informationswert und fördert den durch die LMIV verfolgten Zweck, sie bei ihrer Kaufentscheidung in die Lage zu versetzen, das für ihre Bedürfnisse passende Lebensmittel auszuwählen. Durch diese Pflicht werden die Lebensmittelunternehmer nicht unangemessen belastet. Insbesondere ist es ihnen nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch angesichts produktionsbedingter Schwankungen des Gewichts der Einzelstücke möglich, Gesamtgewicht und Stückzahl so anzugeben, dass sie nicht gegen die Vorschriften über die maximal zulässigen Füllmengenabweichungen verstoßen.

BVerwG 3 C 15.21 - Urteil vom 09. März 2023

Vorinstanzen:

OVG Koblenz, OVG 6 A 10695/21 - Urteil vom 02. November 2021 -

VG Koblenz, VG 2 K 511/20.KO - Urteil vom 28. April 2021 -



BVerwG: Kein vorbeugender Rechtsschutz für Verein Reporter ohne Grenzen auf Unterlassung der Überwachung seiner Kommunikation durch BND mittels Quellen-TKÜ

BVerwG
Urteil vom 25.02.2023
6 A 1.22


Das BVerwG hat entschieden, dass dem Verein Reporter ohne Grenzen kein vorbeugender Rechtsschutz auf Unterlassung der Überwachung seiner Kommunikation durch BND mittels Quellen-TKÜ zusteht.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:

Kein vorbeugender Rechtsschutz des Vereins Reporter ohne Grenzen auf Unterlassung der Überwachung seiner Kommunikation mittels Quellen-TK

Die vorbeugende Klage des Vereins Reporter ohne Grenzen gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung, dass seine mit Dritten über Messenger-Dienste oder auf andere Weise geführte Telekommunikation von dem Bundesnachrichtendienst (BND) mittels Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) überwacht wird, ist unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am gestrigen Tage entschieden.

§ 11 Abs. 1a des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10) enthält die Befugnis für die Nachrichtendienste, in Endgeräte (Telefone, Computer etc.) von Personen einzugreifen, um deren laufende und ruhende Kommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Es handelt sich bei dieser Quellen-TKÜ um eine besondere Durchführungsform von individuellen Maßnahmen der Beschränkung des Telekommunikationsgeheimnisses nach § 3 G10, die an einem bestimmten Endgerät einer Person und nicht an einem Übertragungsweg wie im Rahmen der strategischen Überwachung nach § 5 G10 ansetzt.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich als Teil eines internationalen Netzwerks die Dokumentation von Verstößen gegen die Presse- und Informationsfreiheit sowie die Hilfe für Journalisten in Notlagen zum Ziel gesetzt hat. Er hat nach eigenen Angaben vor allem Kontakt mit ausländischen Journalisten, die in denjenigen Themenbereichen und Gebieten recherchieren, in denen auch der BND seine Aufklärungsarbeit leistet. In Einzelfällen stehe er auch direkt in Kontakt zu Personen, die sich im Umfeld von extremistischen Vereinigungen und Organisationen im In- und Ausland bewegten, welche ebenfalls im Fokus des BND stünden. Er gehe daher davon aus, dass seine Kommunikation unmittelbar durch die Quellen-TKÜ auf seinen vereinseigenen Geräten überwacht werden könnte. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass seine Kommunikationspartner mithilfe der Quellen-TKÜ überwacht werden und im Zuge dessen mittelbar seine Kommunikation erfasst werden könnte. Da der BND erklärt habe, von den Befugnissen des § 11 Abs. 1a G10 Gebrauch machen zu wollen, erhebe er vorbeugend Klage auf Unterlassung der unmittelbaren und mittelbaren Überwachung seiner Kommunikation im Wege der Quellen-TKÜ.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Soweit sich das Unterlassungsbegehren auf die befürchtete Überwachung der laufenden Kommunikation bezieht, ist bereits nach § 13 G10 die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes ausgeschlossen. Darüber hinaus ist die Klage unstatthaft. Die Statthaftigkeit setzt voraus, dass das Gericht in der Lage ist, das drohende Verwaltungshandeln, dessen Unterlassen der Kläger begehrt, einer Rechtmäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Hierzu müsste sich die befürchtete Überwachung der Kommunikation des Klägers mit Dritten über Messenger-Dienste etc. mittels der Quellen-TKÜ hinreichend konkret in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abzeichnen. Dies ist nicht der Fall.

Die Durchführung der Quellen-TKÜ auf vereinseigenen Geräten des Klägers ist nicht hinreichend konkret. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass seine Mitarbeiter im Verdacht stehen könnten, Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 zu begehen. Ebenso wenig zeichnet sich hinreichend konkret ab, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die ausländischen Kommunikationspartner des Klägers derartigen Maßnahmen wegen des Verdachts der Begehung solcher Straftaten mit Inlandsbezug ausgesetzt sein könnten.

Schließlich erweist sich die Klage auch deshalb als unzulässig, weil der Kläger sich nicht vor Klageerhebung mit seinem Unterlassungsbegehren an den BND gewandt hat. Das Erfordernis der behördlichen Vorbefassung gebietet es, sich vor einer Inanspruchnahme der Gerichte mit einem Begehren zunächst an die Verwaltung zu richten. Dies hat der Kläger unterlassen und damit dem BND die Möglichkeit genommen, das Unterlassungsbegehren vorprozessual zu prüfen.

BVerwG 6 A 1.22 - Urteil vom 25. Februar 2023



OVG Rheinland-Pfalz: Bei unbekanntem Geburtsdatum kein Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums im Personalausweis

OVG Rheinland-Pfalz
Urteil vom 11.11.2022
7 A 10318/22.OVG


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass bei einem unbekannten Geburtsdatum kein Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums im Personalausweis besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein fiktives Geburtsdatum im Ausweis

Ein im Jahr 1957 in Algerien geborener Kläger mit deutscher Staatsangehörigkeit, dessen konkretes Geburtsdatum unbekannt ist, hat keinen Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums in seinen Personalausweis und seinen Reisepass. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Im Personalausweis und im Reisepass des Klägers ist als Geburts­datum „XX.XX.1957“ eingetragen. Hintergrund ist der Umstand, dass der Kläger, dem sein tatsächliches Geburtsdatum unbekannt ist, kein Dokument seines Geburtslandes vorlegen konnte, welches ein konkretes Geburtsdatum ausweist. Er verfügt lediglich über einen Auszug aus dem Geburtenregister seines Geburtslandes, aus dem sich sein Geburtsjahr ergibt, nicht jedoch der konkrete Geburtsmonat bzw. -tag. Auch seine alte und leicht demente Mutter kennt seinen Angaben zufolge das genaue Geburtsdatum nicht. Seinen Antrag, ihm neue Ausweisdokumente auszustellen und darin ein fiktives Datum einzutragen, lehnte die Stadt Ludwigshafen ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob er Klage, mit der er sein Begehren weiterverfolgte. Hierzu machte er geltend, infolge der unvollständigen Eintragungen in seinen Ausweisdokumenten erleide er immer wieder erhebliche Nachteile, insbesondere bei Reisen in außereuropäische Länder, bei der Korrespondenz mit dem Finanzamt oder wenn er im Internet einen Vertrag abschließen wolle, bei dem seitens des Vertragspartners die Angabe des Geburtsdatums als zwin­gende Voraussetzung gefordert werde.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt und verpflichtete die beklagte Stadt, in den Personalausweis und den Pass des Klägers einen konkreten Geburtstag und Geburts­monat einzutragen. Der Kläger habe zur Wahrung seines Persönlichkeits­rechts und aus Gründen des im Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grund­satzes der Verhältnismäßigkeit einen Anspruch auf Eintragung eines „echten“ Geburtsdatums in seinen Ausweisdoku­menten. Dies könne z.B. der 1. Januar oder auch ein anderer Tag sein. Auf die Berufung der Beklagten hob das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage ab.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Eintragung eines gegriffenen Geburtsdatums – hier in Form eines fiktiven Geburtsmonats und -tags – in seinen Personalausweis oder Reisepass. Schon das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass aus dem Anspruch auf Ausstellung eines Ausweises oder Passes nach den Vorschriften des Personalausweis- und des Passgesetzes grundsätzlich nur ein Anspruch auf Ein­tragung der richtigen Daten im Dokument folge. Ein Anspruch des Klägers auf Erfas­sung eines gegriffenen Geburtsdatums in seinen Ausweisdokumenten folge auch nicht aus unionsrechtlichen Regelungen. Vielmehr existiere sowohl für den Reisepass als auch den Personalausweis (jeweils) eine europäische Verordnung, die die Behandlung unbekannter Geburts­daten entsprechend der Vorgehensweise der Beklagten ausdrück­lich vorsehe.

Ein Ver­stoß gegen höherrangiges Recht lasse sich vorliegend weder im Hinblick auf die Grund­rechte des Grundgesetzes noch in Bezug auf die Unionsgrundrechte feststellen. Die ausschließliche Erfassung wahrer Geburtsdaten und die Eintragung von Platz­haltern für unbekannte Bestandteile dieses Datums seien ohne weiteres geeignet, die hiermit vom Gesetzgeber offensichtlich bezweckte inhaltliche Richtigkeit sämtlicher Personaldateneintragungen in den Ausweisdokumenten bestmöglich zu gewährleisten. Daneben würden mit dieser Vorgehensweise einheitliche Sicherheitsstandards für Pässe und Reisedokumente zum Schutz vor Fälschungen bzw. zur Verhinderung eines Identitätsbetrugs festgelegt. Mildere, gleich geeignete Mittel seien im Hinblick auf die erstrebte umfassende inhaltliche Richtigkeit der Personaldateneintragungen bereits nicht ersichtlich. Schließlich werde die Grenze der Zumutbarkeit bei der gebotenen Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigen­den Gründe vorliegend noch gewahrt. Soweit es auf Seiten des Klägers zu Beeinträch­tigungen komme, insbesondere in den Bereichen Reisen, Online-Vertrags­abschlüsse sowie über das Internet abzugebende Erklärungen gegenüber Behörden, stünden ihm regelmäßig andere Wege offen, um seine Vorhaben umzusetzen, die ihn (noch) nicht über die Maße belasteten. Es sei Sache des Gesetzgebers darüber zu befinden, ob bei weiter voranschreiten­der Digitalisierung eine Änderung der derzeitigen Gesetzeslage geboten erscheine.

Urteil vom 11. November 2022, Aktenzeichen: 7 A 10318/22.OVG



EuGH: Zivilrechtliche und verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe bzw. Ansprüche der DSGVO schließen einander nicht aus und können parallel geltend gemacht werden

EuGH
Urteil vom 12.01.2023
C-132/21
Nemzeti Adatvédelmi és Információszabadság Hatóság


Der EuGH hat entschieden, dass sich zivilrechtliche und verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe bzw. Ansprüche der DSGVO einander nicht ausschließen und parallel geltend gemacht werden können.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Die in der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen verwaltungs- und zivilrechtlichen Rechtsbehelfe können nebeneinander und unabhängig voneinander eingelegt werden

Es obliegt den Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die parallele Einlegung dieser Rechtsbehelfe die gleichmäßige und einheitliche Anwendung dieser Verordnung nicht beeinträchtigt.

Im April 2019 nahm BE an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft teil, deren Aktionär er ist, und richtete bei dieser Gelegenheit Fragen an die Mitglieder des Verwaltungsrats und an andere Teilnehmer. Im Anschluss forderte er die Gesellschaft auf, ihm den während der Hauptversammlung aufgezeichneten Tonmitschnitt zu übermitteln. Die Gesellschaft stellte ihm jedoch nur die Abschnitte der Aufzeichnung zur Verfügung, die seine eigenen Beiträge wiedergaben, nicht aber jene der anderen Teilnehmer, selbst wenn es sich hierbei um die Antworten auf seine Fragen handelte.

BE beantragte daraufhin bei der nach der Allgemeinen Datenschutzverordnung (DSGVO) zuständigen ungarischen Aufsichtsbehörde, der Gesellschaft aufzugeben, ihm die fragliche Aufzeichnung zu übermitteln. Da die Behörde seinen Antrag ablehnte, erhob BE eine verwaltungsrechtliche Klage gegen die ablehnende Entscheidung beim Hauptstädtischen Stuhlgericht Budapest. Parallel dazu erhob er auch bei den ungarischen Zivilgerichten eine Klage gegen die Entscheidung der Gesellschaft über die Verweigerung des Zugangs. Diese Klage stützte sich auf eine Bestimmung der DSGVO, die jeder Person, die der Ansicht ist, dass die ihr durch diese Verordnung garantierten Rechte verletzt wurden, das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf verleiht. Das erste dieser Verfahren ist noch anhängig; die im zweiten Verfahren angerufenen ungarischen Zivilgerichte stellten jedoch bereits in einem rechtskräftig gewordenen Urteil fest, dass die Gesellschaft das Recht von BE auf Zugang zu seinen personenbezogenen Daten verletzt habe.

Das Hauptstädtische Stuhlgericht Budapest fragt den Gerichtshof, ob es im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der nationalen Aufsichtsbehörde an das rechtskräftige Urteil der Zivilgerichte gebunden sei, das sich auf denselben Sachverhalt und dieselbe Behauptung eines Verstoßes gegen die DSGVO durch die betreffende Gesellschaft beziehe. Da eine parallele Einlegung von verwaltungs- und zivilrechtlichen Rechtsbehelfen zu einander widersprechenden Entscheidungen führen könne, möchte das ungarische Gericht außerdem wissen, ob einer der Rechtsbehelfe gegenüber dem anderen Vorrang habe.

Der Gerichtshof erinnert daran, dass die DSGVO Personen, die einen Verstoß gegen deren Bestimmungen geltend machen, verschiedene Rechtsbehelfe bietet, wobei jeder dieser Rechtsbehelfe „unbeschadet“ der anderen eingelegt werden können muss. Somit sieht die Verordnung weder eine vorrangige oder ausschließliche Zuständigkeit noch einen Vorrang der Beurteilung der Aufsichtsbehörde oder eines Gerichts zum Vorliegen einer Verletzung der betreffenden Rechte vor. Folglich können die in der DSGVO vorgesehenen verwaltungs- und zivilrechtlichen Rechtsbehelfe nebeneinander und unabhängig voneinander eingelegt werden.

Was die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen der betroffenen nationalen Verwaltungsbehörden und Gerichte betrifft, betont der Gerichtshof, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, durch den Erlass der hierfür erforderlichen Verfahrensvorschriften und in Ausübung ihrer Verfahrensautonomie sicherzustellen, dass die in der DSGVO nebeneinander und unabhängig voneinander vorgesehenen Rechtsbehelfe weder die praktische Wirksamkeit und den effektiven Schutz der durch diese Verordnung garantierten Rechte noch die gleichmäßige und einheitliche Anwendung ihrer Bestimmungen oder das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht in Frage stellen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerwG: Prüfling hat Anspruch aus Art. 15 DSGVO auf Überlassung unentgeltlicher Kopien der von ihm gefertigten Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung

BVerwG
Urteil vom 30.11.2022
6 C 10.21


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein Prüfling einen Anspruch aus Art. 15 DSGVO auf Überlassung unentgeltlicher Kopien der von ihm gefertigten Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Datenschutzrecht gibt Anspruch auf unentgeltliche Kopien von Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung
Absolventen der zweiten juristischen Staatsprüfung haben gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einen Anspruch darauf, dass ihnen das Landesjustizprüfungsamt unentgeltlich eine Kopie der von ihnen angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt den zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung stellt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Nachdem der Kläger im Jahr 2018 die zweite juristische Staatsprüfung vor dem Landesjustizprüfungsamt des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen bestanden hatte, verlangte er von dem Amt unter Berufung auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften, ihm unentgeltlich eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung zu stellen. Das Landesjustizprüfungsamt war zu einer Übermittlung der Kopien nur gegen Erstattung der nach dem Landeskostenrecht berechneten Kosten in Höhe von 69,70 € bereit und lehnte den Antrag des Klägers ab. Der von dem Kläger hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stattgegeben. Die von dem Land Nordrhein-Westfalen gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Münster zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision des Landes Nordrhein-Westfalen ist vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos geblieben.

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person u.a. das Recht auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO kann sie von dem Verantwortlichen die Überlassung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, verlangen. Aus Art. 12 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ergibt sich, dass die erste derartige Kopie unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden muss. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist seit dem Jahr 2017 geklärt, dass die schriftlichen Prüfungsleistungen in einer berufsbezogenen Prüfung und die Anmerkungen der Prüfer dazu wegen der in ihnen jeweils enthaltenen Informationen über den Prüfling insgesamt - das heißt letztlich Wort für Wort - personenbezogene Daten des Prüflings darstellen. Macht in diesen Fällen der betroffene Prüfling das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Datenkopie geltend, muss das Prüfungsamt eine vollständige Kopie der schriftlichen Prüfungsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten unentgeltlich zur Verfügung stellen. Dies gilt nicht nur nach einem weiten Normverständnis, nach dem das Recht auf eine Datenkopie stets die Überlassung einer Reproduktion der Daten in der bei dem Verantwortlichen vorliegenden Form umfasst. Nichts Anderes folgt aus einem engeren Interpretationsansatz, nach dem grundsätzlich nur ein Anspruch auf die Zurverfügungstellung der aus dem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang extrahierten personenbezogenen Daten oder auch nur einer strukturierten Zusammenfassung dieser Daten besteht. Denn ein solches Vorgehen ist bei Prüfungsarbeiten nicht möglich. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht von einer Vorlage der Frage an den EuGH abgesehen, welcher Auffassung zu folgen ist.

Dem von dem Kläger geltend gemachten Anspruch stehen keine Ausschlussgründe nach der Datenschutzgrundverordnung entgegen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO. Der Umfang, den seine Bearbeitung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bei dem Landesjustizprüfungsamt verursacht, ist als vergleichsweise gering zu beurteilen. Der Anspruch bezieht sich vorliegend auf acht Klausuren mit insgesamt 348 Seiten. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint. Es hat ferner festgestellt, dass der fristgebundene Einsichtsanspruch nach dem nordrhein-westfälischen Juristenausbildungsgesetz den datenschutzrechtlichen Anspruch unberührt lässt. An diese Auslegung des Landesrechts ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden.

BVerwG 6 C 10.21 - Urteil vom 30. November 2022

Vorinstanzen:

OVG Münster, OVG 16 A 1582/20 - Urteil vom 08. Juni 2021 -

VG Gelsenkirchen, VG 20 K 6392/18 - Urteil vom 27. April 2020 -


EuGH: Deutsche Umwelthilfe darf EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge mit möglicherweise verbotener Abschalteinrichtung vor Gericht anfechten

EuGH
Urteil vom 08.11.2022
C-873/19
Deutsche Umwelthilfe (Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen)


Der EuGH hat entschieden, dass Umweltvereinigungen wie die Deutsche Umwelthilfe die EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge mit möglicherweise verbotener Abschalteinrichtung vor Gericht anfechten dürfen.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Anerkannte Umweltvereinigungen müssen eine EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge, die mit möglicherweise verbotenen „Abschalteinrichtungen“ ausgestattet sind, vor Gericht anfechten können

Eine Software für Dieselfahrzeuge, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems bei üblichen Temperaturen und während des überwiegenden Teils des Jahres verringert, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar

Die Deutsche Umwelthilfe, eine nach deutschem Recht zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigte anerkannte Umweltvereinigung, ficht vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht die Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamts an, mit der für bestimmte Fahrzeuge der Marke Volkswagen1 die Verwendung einer Software zur Verringerung des Recyclings von Schadstoffen nach Maßgabe der Außentemperatur genehmigt wurde.

Die fragliche Software legt ein Thermofenster fest, bei dem die Abgasrückführungsrate bei einer Umgebungstemperatur unter – 9 Grad Celsius bei 0 % liegt, zwischen – 9 und 11 Grad Celsius bei 85 % und über 11 Grad Celsius ansteigt, um erst ab einer Umgebungstemperatur von über 15 Grad Celsius 100 % zu erreichen. Bei der in Deutschland festgestellten Durchschnittstemperatur, die im Jahr 2018 10,4 Grad Celsius betragen haben soll, liegt die Abgasrückführungsrate also nur bei 85 %.

Nach Auffassung der Deutschen Umwelthilfe stellt ein solches Thermofenster eine gemäß dem Unionsrecht unzulässige Abschalteinrichtung dar. Die Bundesrepublik Deutschland, gegen die sich die Klage richtet, macht geltend, dass die Deutsche Umwelthilfe für eine Anfechtung der streitigen Entscheidung, mit der eine EG-Typgenehmigung geändert wird, nicht klagebefugt und ihre Klage daher unzulässig sei. Im Übrigen sei das in Rede stehende Thermofenster mit dem Unionsrecht vereinbar.

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht, das in Bezug auf diese beiden Punkte Zweifel hat, hat den Gerichtshof um Auslegung zum einen des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Verbindung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und zum anderen der Verordnung Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge ersucht.

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof erstens, dass das Übereinkommen von Aarhus in Verbindung mit der Charta dahin auszulegen ist, dass es einer Umweltvereinigung, die nach nationalem Recht zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigt ist, nicht verwehrt werden darf, eine Verwaltungsentscheidung, mit der eine EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge erteilt oder geändert wird, die möglicherweise gegen das Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von
Emissionskontrollsystemen verringern, verstößt, vor einem innerstaatlichen Gericht anzufechten.

Das Übereinkommen von Aarhus verpflichtet nämlich in Verbindung mit der Charta die Mitgliedstaaten dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz zu gewährleisten, und verbietet es ihnen, Umweltvereinigungen jede Möglichkeit zu nehmen, die Beachtung bestimmter Vorschriften des Unionsumweltrechts überprüfen zu lassen. Zweitens erinnert der Gerichtshof, was das fragliche Thermofenster betrifft, daran, dass er in Bezug auf ein identisches Thermofenster bereits entschieden hat , dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern erfolgt, eine
„Abschalteinrichtung“ darstellt.

Nach der Verordnung Nr. 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Jedoch kann eine Abschalteinrichtung, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ausnahmsweise zulässig sein, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Ob dies hier der Fall ist, hat das vorlegende Gericht zu prüfen.
Außerdem ist, wie der Gerichtshof ebenfalls bereits entschieden hat, eine solche „Notwendigkeit“ der Verwendung einer Abschalteinrichtung nur dann gegeben, wenn zum Zeitpunkt der EG‑Typgenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann.

Der Gerichtshof weist jedenfalls darauf hin, dass selbst bei Vorliegen der oben beschriebenen Notwendigkeit die Abschalteinrichtung, wenn sie während des überwiegenden Teils des Jahres unter normalen Fahrbedingungen funktionieren sollte, unzulässig ist. Ließe man nämlich eine solche Einrichtung zu, würde dies dazu führen, dass die Ausnahme häufiger zur Anwendung käme als das Verbot, wodurch der Grundsatz der Begrenzung der Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen unverhältnismäßig beeinträchtigt würde.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OVG Münster: Rechtsanwälte müssen mobilen Internet-Hotspot vorhalten um bei Ausfall des stationären Internets Schriftsätze fristwahrend als elektronisches Dokument per beA bei Gericht einreichen

OVG Münster
Beschluss vom 06.07.2022
16 B 413/22


Das OVG Münster hat entschieden, dass Rechtsanwälte zusätzlich einen mobilen Internet-Hotspot vorhalten müssen, um bei Ausfall des stationären Internets Schriftsätze fristwahrend als elektronisches Dokument per beA bei Gericht einreichen zu können

Aus den Entscheidungsgründen:
Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 55d Satz 1 VwGO (eingefügt durch Gesetz vom 10. Oktober 2013, BGBl. I S. 3786) sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 55d Satz 4 VwGO).

Die am 23. März 2022 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Beschwerdeschrift vom 22. März 2022 entspricht nicht den Vorgaben des § 55d Satz 1 VwGO, weil sie nicht als elektronisches Dokument, sondern per Telefax übermittelt worden ist.

Hierbei handelt es sich auch nicht um eine nach § 55d Satz 3 VwGO zulässige Ersatzeinreichung, weil der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers nicht entsprechend § 55d Satz 4 Halbsatz 1 VwGO glaubhaft gemacht hat, dass die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen ist. Soweit er hierzu vorträgt, "Die Störung der Telefon- und Internetverbindung des Unterzeichners ist von der Deutschen Telekom bisher nicht beseitigt worden; ein Bautrupp hat sich für den 30. März 2022 angesagt, so dass hier lediglich ein Faxgerät von Dritten zur Verfügung steht. Dies wird anwaltlich versichert.", ist mit diesem Vortrag, ungeachtet der Frage, ob die hierzu von ihm abgegebene anwaltliche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung ausreichend ist,

vgl. R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 55d Rn. 10, wonach für die Glaubhaftmachung die Regelung des § 294 ZPO maßgeblich ist; ebenso AG Hamburg, Beschluss vom 21. Februar 2022 - 67h IN 29/22 -, juris, Rn. 10, und Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 43. Auflage 2022, § 130d Rn. 2 jeweils in Bezug auf die inhaltsgleiche Regelung in § 130d ZPO,

schon nicht dargetan, dass die Übermittlung nur vorübergehend nicht möglich i. S. v. § 55d Satz 3 VwGO gewesen ist. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dessen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Schriftsatz vom 11. Februar 2022) dem Verwaltungsgericht entgegen § 55d Satz 1 VwGO nicht als elektronisches Dokument, sondern per Telefax übermittelt und dies ebenfalls damit begründet, dass die Störung der Telefon- und Internetverbindung von der Deutschen Telekom bisher nicht beseitigt worden sei, so dass ihm lediglich ein Faxgerät von Dritten zur Verfügung stehe, was anwaltlich versichert werde. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers bei der Übermittlung der Beschwerdeschrift am 23. März 2022, also mehr als fünf Wochen nach Stellung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, noch mit Erfolg auf das Vorliegen einer vorübergehenden (Hervorhebung durch den Senat) Unmöglichkeit der Übermittlung infolge einer technischen Störung berufen kann. Denn die Regelung des § 55d Satz 3 VwGO entbindet professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. März 2022 - 19 A 448/22.A -, juris, Rn. 4 unter Bezugnahme auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12634 vom 6. März 2013, S. 28 (zur Parallelvorschrift des § 130d ZPO) und vom 9. Mai 2022 - 16 B 69/22 -, juris, Rn. 4.

Dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers jedenfalls dem zuletzt genannten Erfordernis, etwa durch ein Hinwirken auf eine schnellere Behebung der von ihm geltend gemachten Störung oder die Beschaffung und Verwendung eines mobilen Hotspots, nachgekommen ist, hat er schon nicht dargelegt.

Die Beschwerde ist zudem auch deshalb unzulässig, weil der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers seiner Verpflichtung aus § 55d Satz 4 Halbsatz 2 VwGO, auf gerichtliche Aufforderung ein elektronisches Dokument nachzureichen, nicht nachgekommen ist. Er ist mit hiesiger Verfügung vom 30. März 2022 aufgefordert worden, die Beschwerdeschrift so bald wie möglich als elektronisches Dokument nachzureichen. Obwohl er in diesem Fall verpflichtet ist, eine Einreichung zusätzlich in elektronischer Form vorzunehmen,

vgl. R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 55d Rn. 11 unter Bezugnahme auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12634 vom 6. März 2013, S. 28,

ist er dieser Aufforderung nicht nachgekommen, obwohl ihm dies schon nach seinem eigenen Vortrag jedenfalls nach dem 30. März 2022 möglich gewesen sein müsste.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Münster: Landesmedienanstalt kann Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichende Altersverifikation untersagen

OVG Münster
Beschlüsse vom 07.09.2022
3 B 1911/21, 13 B 1912/21 und 13 B 1913/21


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Landesmedienanstalt die Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote, die über kein nach deutschem Recht ausreichende Altersverifikation verfügen, untersagen kann.

Oberverwaltungsgericht bestätigt Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern

Die Eilanträge von zwei Anbietern pornografischer Internetseiten mit Sitz in Zypern bleiben auch in zweiter Instanz ohne Erfolg. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit drei heute bekannt gegebenen Beschlüssen vom 7. September 2022 entschieden.

Die Landesanstalt für Medien NRW hatte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gegenüber den zypriotischen Gesellschaften insgesamt drei Internetangebote mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren weitere Verbreitung in Deutschland untersagt, solange die pornografischen Inhalte nicht entfernt werden oder durch die Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe sichergestellt wird, dass nur Erwachsene Zugang zu diesen erhalten. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte die Anträge der Anbieter auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht hat nun die hiergegen gerichteten Beschwerden zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Die von den Anbietern vorgebrachten Gründe geben keine Veranlassung, die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu ändern. Es unterliegt bei vorläufiger Einschätzung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über deren Vereinbarkeit mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag allein der von den Ländern gemeinsam errichteten Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zugewiesen ist. Ihre Einbindung in den Entscheidungsprozess verstößt weder gegen das Bundesstaats- noch das Demokratieprinzip. Trotz ihrer Aufgabe einer länderübergreifenden einheitlichen Spruchpraxis im Jugendmedienschutz dient die KJM - ein sachverständiges Gremium, dessen Mitglieder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht an Weisungen gebunden sind - formal als ein Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt. Die ihr in der Sache zugewiesenen weitreichenden Entscheidungsbefugnisse sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Telemedienaufsicht gerechtfertigt, um staatlichen Einfluss zu begrenzen. Die Reglementierung jugendgefährdender Inhalte erfordert wertende Entscheidungen, die eine gewisse Gefahr einer politischen Instrumentalisierung zur Einflussnahme auf die freie Kommunikation bergen. Es dürfte daher jedenfalls zulässig sein, den für die Rundfunkaufsicht entwickelten Grundsatz der Staatsferne auch auf den Bereich der Telemedien zu erstrecken.

Der Untersagung können die Anbieter auch nicht das sogenannte Herkunftslandprinzip entgegenhalten, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen Regeln gelten. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, Kindern und Jugendlichen drohten ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten. Dem setzen die Anbieter mit ihren Beschwerden nichts Durchgreifendes entgegen. Nachdem die Landesmedienanstalt den EU-Mitgliedstaat Zypern hinreichend in die Maßnahmen eingebunden hatte, musste sie auch nicht die (ungewisse) Umsetzung einheitlicher Jugendschutzvorschriften in Zypern abwarten. Wenn ein Mitgliedstaat sich für andere Schutzmodalitäten als ein anderer Mitgliedstaat entscheidet, kann das keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der jeweiligen nationalen Bestimmungen haben. Vielmehr müssen die Beeinträchtigungen der zypriotischen Anbieter in ihrer unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf den hohen Stellenwert des Jugendschutzes zurücktreten.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 1911/21, 13 B 1912/21 und 13 B 1913/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 27 L 1414/20, 27 L 1415/20, 27 L 1416/20)

VG Köln: Bundesverteidigungsministerium muss Presse Auskunft über Hubschrauberflug von Ministerin Lambrecht mit Ihrem Sohn geben

VG Köln
Beschluss vom 22.08.2022
6 L 978/22


Das VG Köln hat entschieden, dass das Bundesverteidigungsministerium der Presse Auskunft über den Hubschrauberflug von Ministerin Lambrecht mit Ihrem Sohn geben muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Verteidigungsministerium muss Fragen zu Hubschrauber-Foto des Sohnes der Ministerin beantworten

Das Bundesverteidigungsministerium muss der Presse Auskunft über Details zu Entstehung und Veröffentlichung eines Fotos erteilen, das den Sohn von Ministerin Lambrecht in einem Hubschrauber der Bundeswehr zeigt. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 22. August 2022 entschieden und damit dem Eilantrag eines Journalisten teilweise stattgegeben.

Das Foto entstand augenscheinlich in jenem Hubschrauber, der die Ministerin und ihren Sohn am 13. April 2022 von Berlin nach Ladelund beförderte. Die Ministerin besuchte sodann das Bataillon Elektronische Kampfführung 911 in Stadum. Nach dem Truppenbesuch reiste sie mit ihrem Sohn in einem Auto zur nahegelegenen Insel Sylt, um dort den Osterurlaub zu verbringen. Der Sohn der Ministerin veröffentlichte das Foto auf seinem damals öffentlich einsehbaren Instagram-Profil.

Der Journalist wollte vom Verteidigungsministerium wissen, welcher zeitliche Abstand zwischen der Buchung des Hotels auf Sylt und der Terminierung des Truppenbesuchs lag. Ferner wollte er wissen, welche Kenntnisse die Ministerin über die Entstehung des Fotos und seine Veröffentlichung hatte, insbesondere, ob die Ministerin das Foto selbst angefertigt habe. Das Ministerium lehnte eine Beantwortung im Wesentlichen mit der Begründung ab, eine Auskunft sei ausgeschlossen, weil diese allein die Ministerin als Privatperson betreffe. Daraufhin hat der Journalist einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln gestellt.

Dieser Antrag hatte ganz überwiegend Erfolg. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Ein Auskunftsanspruch über den Zeitpunkt der Hotelbuchung ist ausgeschlossen, weil es sich um eine Privatangelegenheit der Ministerin handelt. Anders liegt der Fall jedoch bei den Fragen zu Entstehung und Veröffentlichung des Fotos. Aus dessen Gesamtkontext ergibt sich ein hinreichender dienstlicher Bezug zur Bundeswehr: Die Anreise der Ministerin zu einem Truppenbesuch unter Inanspruchnahme eines Bundeswehrhubschraubers bildete den dienstlichen Rahmen, innerhalb dessen das Foto entstanden ist. Erst durch die Inanspruchnahme von Ressourcen der Bundeswehr und von Befugnissen, die der Ministerin als Behördenleiterin zustehen, konnte das Bild entstehen. Insoweit hat zudem das Informationsinteresse der Presse Vorrang gegenüber dem Schutz der Privatsphäre. Die streitigen Fragen zielen nicht auf eine Informationsgewinnung zu besonders sensiblen Bereichen der Privatsphäre. Zudem muss sich die Ministerin entgegenhalten lassen, dass sie selbst durch die Mitnahme ihres Sohnes in einem Bundeswehrhubschrauber ihre privaten Belange mit der Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte verwoben hat.

Gegen den Beschluss können die Beteiligten Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde.


OVG Münster: Ein als "Geflügel Salami" bezeichnetes Produkt darf kein Schweinefleisch bzw. keinen Schweinespeck enthalten

OVG Münster
Beschuss vom 15.08.2022
9 A 517/20


Das OVG Münster hat entschieden, dass ein als "Geflügel Salami" bezeichnetes Produkt kein Schweinefleisch bzw. keinen Schweinespeck enthalten darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Bezeichnung „Geflügel Salami“ irreführend bei Schweinespeck als Zutat

Die Bezeichnung „Geflügel Salami“ auf der Vorderseite einer fertigverpackten Sa­lami, die neben Putenfleisch auch Schweinespeck enthält, ist irreführend, weil dadurch der falsche Eindruck erweckt wird, die Salami enthalte ausschließlich Geflü­gel. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit heute versandtem Beschluss vom 15.08.2022 in einem Fall aus dem Kreis Gütersloh ent­schieden und damit im Ergeb­nis ein Urteil des Verwaltungsgerichts Minden bestätigt.

Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz im Kreis Gütersloh, das Fleischerzeugnisse herstellt und bundesweit über den Einzelhandel vertreibt, unter anderem die streitge­genständliche Salami. Auf der Vorderseite der Folienverpackung befindet sich die An­gabe „Geflügel Salami“. Auf der Rückseite der Verpackung steht unter der fettge­druckten Bezeichnung „Geflügel Salami“ in kleinerer Schrift „mit Schweinespeck“, im Zutatenverzeichnis ist nach Putenfleisch Schweinespeck aufgeführt. Ferner wird dort angegeben, dass 100 g Salami aus 124 g Putenfleisch und 13 g Schweinespeck her­gestellt werden. Der Kreis Gütersloh als für die Lebensmittelüberwachung zuständige Behörde sah in der Bezeichnung bzw. Aufmachung des Produkts einen Verstoß ge­gen die Lebensmittelinformationsverordnung, wonach Informationen über Lebensmit­tel nicht irreführend sein dürfen. Die Klage des Unternehmens auf Feststellung, dass das Produkt „Geflügel Salami“ nicht gegen das lebensmittelrechtliche Irreführungs­verbot verstößt, blieb beim Verwaltungsgericht Minden ohne Erfolg. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung begründete die Klägerin unter ande­rem damit, eine Verbrauchererwartung, wonach die Salami ausschließlich Geflügel enthalte, bestehe nur bei der Bezeichnung als „rein Geflügel“. Bei der „Geflügel Sa­lami“ werde nur Ge­flügelfleisch verwendet, nicht aber Fleisch anderer Tierarten. Schweinespeck sei kein Fleisch, sondern werde als verkehrsübliche, technologisch erforderliche Fettquelle verwendet und von den Verbrauchern als Zutat bei der Her­stellung einer Salami er­wartet.

Dem folgte das Oberverwal­tungsgericht nicht und lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Zur Begründung hat der 9. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Angabe „Geflügel Salami“ auf der Vorderseite der Verpackung lässt beim Verbrau­cher einen falschen Eindruck in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels ent­stehen, nämlich dass die Salami ausschließlich Geflügel und nicht auch Schwein ent­hält. Die Verbrauchererwartung bezieht sich dabei auf alle Teile vom Schwein. Der falsche Eindruck, die Geflügelsalami enthalte keine Bestand­teile vom Schwein, wird auch durch die Angaben auf der Rückseite der Verpackung zur Verwendung (auch) von Schweinespeck nicht berichtigt. Die Verbrauchererwar­tung wird unter Berück­sichtigung der Aufmachung des Produkts insgesamt maßgeb­lich durch die Angabe „Geflügel Salami“ auf der Vorderseite der Verpackung beein­flusst.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 9 A 517/20 (I. Instanz: VG Minden 7 K 9935/17)



VG Göttingen: Siri, Alexa und Co. - Wichtiger Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG bei Namensidentität mit bekanntem Sprachassistenten

VG Göttingen
Urteil vom 21.06.2022
4 A 79/21

Das VG Göttingen hat entschieden, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG bei Namensidentität mit bekanntem Sprachassistenten (Siri, Alexa und Co.) vorliegen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Der auf einen bekannten Sprachassistenten lautende Vorname eines Mädchens darf geändert werden
Mit Urteil vom 21.06.2022 hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen entschieden, dass eine Klägerin, deren Vorname mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten identisch ist, einen Anspruch auf Änderung ihres Vornamens hat (4 A 79/21).

Die Klägerin begehrte die Änderung ihres Namens durch Hinzufügen eines zweiten Vornamens. Dies begründeten die Eltern der Klägerin damit, dass ihre Tochter aufgrund der Namensidentität ihres Vornamens mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten erheblich unter Mobbing und Hänseleien leide. Immer wieder würden andere Personen der Klägerin Befehle erteilen, da der Name sofort mit dem Namen des Sprachassistenten in Verbindung gebracht werde. Dies verunsichere und belaste die Klägerin seelisch sehr.

Die beklagte Stadt hielt dagegen, dass ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG nicht vorliege. Die seelische Belastung der Klägerin sei nicht durch ärztliche oder psychologische Gutachten belegt. Der Namensänderungswunsch beruhe vielmehr auf nachträglicher Reue der Eltern an der früheren Namensgebung und auf Mobbingbefürchtungen. Ein Produktname könne nicht automatisch zu einem Anspruch der vielen Inhaber gleichlautender Vornamen auf Namensänderung führen. Insgesamt könne quasi jeder Name mit einiger Fantasie ins Lächerliche gezogen werden.

In der mündlichen Verhandlung kam die Kammer zu der Überzeugung, dass die seelische Belastung der Klägerin ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG darstelle. In der Rechtsprechung sei bereits geklärt, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung dann vorliege, wenn die privaten Interessen an der Namensänderung die öffentlichen Interessen an der Namensbeibehaltung überwiegen. Auch eine seelische Belastung könne als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sei. Dabei müsse die seelische Belastung nicht den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreicht haben. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall vor. Die Eltern hätten in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Vorfälle beschrieben, bei welchen die Klägerin aufgrund ihres Vornamens belästigt worden sei. Dabei sei nachvollziehbar, dass es aufgrund dieser Vorfälle zu einer seelischen Belastung gekommen sei, der die Klägerin aufgrund ihres jungen Alters nichts entgegensetzen könne. Insgesamt sei zu erwarten, dass die Hänseleien auch in Zukunft weiter andauern würden. Die Bekanntheit des Sprachassistenten und die Tatsache, dass es sich bei dem Namen des Sprachassistenten nicht nur um eine reine Produktbezeichnung handele, sondern um das „Schlüsselwort“ zur Nutzung des Geräts, führten dazu, dass der Name des Sprachassistenten in einem besonders herausragenden Maße missbrauchsgeeignet sei. Hier gehe es um ein Gerät, dem durch die Voranstellung des Produktnamens Befehle erteilt werden würden. Der Name sei nicht bloß dazu geeignet, einen Wortwitz zu bilden, sondern lade vielmehr dazu ein, beleidigende und erniedrigende Befehle an Personen mit dem gleichen Namen zu erteilen.

Im Ergebnis gehe die Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin aus. Im vorliegenden Fall gehe es nur um die Änderung eines Vornamens. Da der Familienname im weitergehenden Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal diene als der Vorname, komme den öffentlichen Interessen bei der Änderung des Vornamens im Vergleich zu der Änderung eines Familiennamens ein geringeres Gewicht zu. Die Klägerin habe im Vorschulalter bisher nicht erheblich am Rechtsverkehr teilgenommen. Außerdem bleibe durch die Hinzufügung lediglich eines zweiten Vornamens ein gewisser „Widererkennungswert“ beim Namen der Klägerin erhalten.

Gegen die Entscheidung kann die Beklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.


BVerwG: Art. 16 Satz 1 DSGVO ist Anspruchsgrundlage für Berichtigung des Geburtsdatums im Melderegister - Beweislast für Unrichtigkeit trägt Anspruchsteller

BVerwG
Urteil vom 02.03.2022
6 C 7.20

Das BVerwG hat entschieden, dass Art. 16 Satz 1 DSGVO die Anspruchsgrundlage für die Berichtigung des Geburtsdatums im Melderegister ist. Die Beweislast für die Unrichtigkeit bzw. das richtige Datum trägt Anspruchsteller.

Aus den Entscheidungsgründen:

a) Das Berufungsgericht hat die Klage im Hinblick auf den Hauptantrag zu Recht als zulässig angesehen. Allerdings hat es unzutreffend angenommen, dass das auf Art. 16 Satz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 S. 1) - Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO - gestützte Begehren des Klägers, das Melderegister der Beklagten zu berichtigen, im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machen sei. Statthafte Klageart für diesen Anspruch ist vielmehr die Verpflichtungsklage.

Die Verpflichtungsklage ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, wenn die Verurteilung einer Behörde zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt wird. Sie ist auch dann einschlägig, wenn eine Klage auf ein tatsächliches Handeln einer Behörde gerichtet ist, dem begehrten tatsächlichen Handeln der Behörde aber ein Verwaltungsakt vorausgeht. In diesen Fällen ist der rechtliche Schwerpunkt der behördlichen Tätigkeit nicht in der tatsächlichen Handlung als solcher, sondern in der zugrundeliegenden Entscheidung zu sehen, die in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (BVerwG, Urteile vom 28. November 2007 - 6 A 2.07 - BVerwGE 130, 29 Rn. 13 und vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg DatenschutzR Nr. 21 Rn. 12). Dies ist etwa der Fall, wenn die Behörde vor der tatsächlichen Handlung eine Entscheidung trifft, die auf der Grundlage eines gesetzlichen Prüfprogramms zu treffen ist und bei der die Behörde besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen wie etwa Begründungs- oder Anhörungspflichten zu beachten hat (BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg DatenschutzR Nr. 21 Rn. 12). Dabei setzt der für einen Verwaltungsakt erforderliche Regelungscharakter der Entscheidung voraus, dass diese nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Sie muss für den Betroffenen rechtsverbindlich Rechte oder Pflichten begründen, inhaltlich ausgestalten, ändern, aufheben, feststellen oder einen derartigen Ausspruch rechtsverbindlich ablehnen. Ein feststellender Verwaltungsakt liegt demnach vor, wenn das Ergebnis der behördlichen Rechtsanwendung rechtsverbindlich festgeschrieben wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3.16 - BVerwGE 159, 148 Rn. 12 m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist der Anspruch auf Berichtigung des Melderegisters auf Grund der nach Maßgabe der folgenden Darlegungen anzuwendenden Vorschrift des Art. 16 Satz 1 DSGVO nicht allein auf ein tatsächliches Verwaltungshandeln - die Änderung des Melderegisters -, sondern auf einen zuvor ergehenden Verwaltungsakt gerichtet. Rechtlicher Schwerpunkt des begehrten hoheitlichen Handelns ist nicht die tatsächliche Änderung des Eintrags im Melderegister. Der Schwerpunkt liegt vielmehr in der dem Prüfprogramm des Art. 16 Satz 1 DSGVO entsprechenden Entscheidung über diese Änderung, in deren Rahmen die Behörde insbesondere eine Aussage über die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit der in Rede stehenden Daten trifft. Damit regelt die Behörde die Konfliktlage, die durch das Aufeinandertreffen des "alten", bereits gespeicherten Datums und des durch den Antragsteller an die Behörde herangetragenen "neuen" Datums gekennzeichnet ist. Das durch das Berichtigungsbegehren entstandene streitbefangene Rechtsverhältnis wird damit einer - dem Interesse der Rechtssicherheit dienenden - Klärung zugeführt, der Berichtigungsanspruch verbindlich festgestellt. Die Auflösung dieser spezifischen Konfliktlage unterscheidet die durch den Berichtigungsantrag geschaffene Situation von anderen Konstellationen wie etwa der Fortschreibung des Melderegisters von Amts wegen oder der Ersteintragung eines Datums ins Register (vgl. zu diesen Konstellationen etwa OVG Koblenz, Beschluss vom 29. Januar 1993 - 7 A 11526/92 - juris Rn. 19 f.; OVG Greifswald, Beschluss vom 21. Juni 1999 - 1 M 63/99 - NVwZ-RR 2009, 93 <93 f.>; OVG Lüneburg, Beschluss vom 25. April 2014 - 11 ME 64/14 - juris Rn. 7 f. und OVG Münster, Beschluss vom 24. Mai 2017 - 16 E 1119/16 - juris Rn. 11). Die mit der Entscheidung verbundene Feststellung der Richtigkeit des in Rede stehenden Datums betrifft den jeweiligen Anspruchsteller als außerhalb der Verwaltung stehende natürliche Person in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und entfaltet damit auch unmittelbare Außenwirkung.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich insoweit jedoch aus anderen Gründen als richtig dar, § 144 Abs. 4 VwGO. Auch bei Zugrundelegung der Verpflichtungsklage als statthafte Klageart ist die Klage zulässig. Insbesondere hat der Kläger das Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfolglos durchgeführt und danach fristgerecht Klage erhoben.

b) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage mit ihrem Hauptantrag als unbegründet abgewiesen. Zutreffend hat es als Anspruchsgrundlage Art. 16 Satz 1 DSGVO herangezogen (aa)) und im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Berichtigungsanspruchs nicht erfüllt sind (bb)).

aa) Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers, sein Geburtsjahr im Melderegister der Beklagten zu ändern, ist Art. 16 Satz 1 DSGVO.

(1) Der Anwendung der Datenschutzgrundverordnung steht nicht entgegen, dass diese am 25. Mai 2018 und damit erst während des Berufungsverfahrens in Kraft getreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die für die gerichtliche Entscheidung maßgebliche Rechtslage aus dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BVerwG, Urteile vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246 <250> und vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 13). Maßgeblich ist daher, welche Rechtsvorschriften sich nach ihrem Geltungswillen im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen und zwar gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder eine Verpflichtungsklage handelt (BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 13). Dies wird bei der hier vorliegenden Leistungskonstellation, in der von der Behörde ein Handeln verlangt wird, in der Regel die letzte mündliche Verhandlung sein, wenn sich aus dem materiellen Recht kein Anhaltspunkt für einen abweichenden Zeitpunkt ergibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010 - 6 C 5.09 - BVerwGE 137, 113 Rn. 23, vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 - BVerwGE 151, 36 Rn. 18 und vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 14).

Der Datenschutz-Grundverordnung selbst lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass über Auskunftsanträge, die vor ihrem Inkrafttreten gestellt worden sind, noch nach altem Recht zu entscheiden wäre (vgl. auch EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 - C-673/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​801] - Rn. 41). Vielmehr beansprucht sie gemäß ihrem Art. 99 Abs. 2 ab dem 25. Mai 2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten uneingeschränkte Geltung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 14; BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17 - BGHZ 219, 243 Rn. 66). Anders verhält es sich nur in Bezug auf abgeschlossene Sachverhalte, über die die Behörde bereits nach altem Recht entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 - 6 C 10.19 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 14 mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 - 6 C 2.18 - BVerwGE 165, 111 Rn. 8 ff.; vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 11. November 2020 - C-61/19 [ECLI:​EU:​C:​2020:​901] - Rn. 31). Der hier maßgebliche Sachverhalt, die Verarbeitung des Geburtsdatums des Klägers im Melderegister, ist jedoch noch nicht abgeschlossen, sondern wirkt fort. Auch dem Bundesmeldegesetz in der seit dem 26. November 2019 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU - 2. DSAnpUG-EU) vom 20. November 2019 (BGBl. I 1626) lässt sich nicht entnehmen, dass vor Inkrafttreten der Änderungen gestellte Berichtigungsanträge noch nach alter Rechtslage, d.h. nach § 12 BMG a.F., zu beurteilen sein sollten.

(2) Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ist gemäß Art. 2 DSGVO eröffnet. Bei der Speicherung des Geburtsdatums des Klägers im Melderegister der Beklagten handelt es sich um eine Datenverarbeitung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 DSGVO. Die Ausnahmetatbestände des Art. 2 Abs. 2 DSGVO greifen nicht ein. Insbesondere ist die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung nicht nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO ausgeschlossen. Hiernach findet die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) ist diese Ausnahmevorschrift eng auszulegen und in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. b DSGVO sowie ihrem 16. Erwägungsgrund zu lesen. Danach gilt diese Verordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, weil sie etwa die nationale Sicherheit betreffen oder im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union erfolgen. Überdies ist dieser Ausnahmegrund im Lichte seiner Vorgängerregelung zu verstehen, an die er teilweise anknüpft. Bereits zu Art. 3 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31) - Datenschutz-Richtlinie, DSRL - war anerkannt, dass diese Richtlinie keine Anwendung fand u.a. bei der Ausübung von Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fielen und ausdrücklich in der Norm genannt waren, beispielsweise Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung oder die Sicherheit des Staates (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 27. September 2017 - C-73/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​725] - Rn. 37 und vom 10. Juli 2018 - C-25/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​551] - Rn. 38). Daher reicht der bloße Umstand, dass eine Tätigkeit eine spezifische Tätigkeit des Staates oder einer Behörde ist, nach Ansicht des EuGH auch für den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO nicht aus. Für sein Eingreifen ist vielmehr erforderlich, dass es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen im Rahmen einer Tätigkeit handelt, die der Wahrung der nationalen Sicherheit dient, oder einer Tätigkeit, die derselben Kategorie zugeordnet werden kann. Die auf die Wahrung der nationalen Sicherheit abzielenden Tätigkeiten umfassen insbesondere solche, die den Schutz der grundlegenden Funktionen des Staates und der grundlegenden Interessen der Gesellschaft bezwecken (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - C-439/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​504] - Rn. 62 ff.).

Um solche Datenverarbeitungen geht es hier jedoch ersichtlich nicht. Vielmehr dient die Führung des Melderegisters neben der in § 2 Abs. 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Mai 2013 (BGBl. I S. 1084), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 28. März 2021 (BGBl. I S. 591) bestimmten Pflicht zur Identifizierung der Einwohner als Informationsgrundlage für eine Vielzahl öffentlicher Stellen, wie sich aus § 2 Abs. 3 BMG entnehmen lässt. Ungeachtet der damit einhergehenden großen praktischen Bedeutung des Melderegisters ist nicht erkennbar, dass hierbei der Schutz der grundlegenden Funktionen des Staates oder ebensolcher Interessen der Gesellschaft bzw. eine gleich gewichtige Tätigkeit in Rede steht. Im Übrigen ist auch der nationale Gesetzgeber von der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung im Bereich des Meldewesens ausgegangen, wie aus § 12 BMG in der aktuell geltenden Fassung des Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes EU sowie aus der Gesetzesbegründung hierzu (BT-Drs. 19/4674 S. 224) hervorgeht.

bb) Bei der Prüfung des Anspruchs des Art. 16 Satz 1 DSGVO hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass zwar der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist ((1)), sich aber nicht feststellen lässt, dass das vom Kläger angegebene Geburtsjahr 1953 richtig ist ((2)). Es ist dabei von einem zutreffenden Begriff der Richtigkeit ausgegangen ((a)) und hat ohne Rechtsfehler eine hinreichende Überzeugung vom Vorliegen dieser Voraussetzung verneint ((b)). Die daraufhin getroffene Beweislastentscheidung hat es im Ergebnis zutreffend zu Lasten des Klägers getroffen ((c)).

(1) Nach Art. 16 Satz 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen.

Die Vorschrift ist hier anwendbar, denn bei der Angabe des Geburtsjahres des Klägers handelt es sich um eine Information, die sich auf eine identifizierte natürliche Person bezieht, mithin um ein personenbezogenes Datum im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Der Kläger ist auch betroffene Person im Sinne des Art. 16 Satz 1 DSGVO und die Beklagte Verantwortliche für die in Rede stehende Datenverarbeitung in ihrem Melderegister. Verantwortlich in diesem Sinne ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Die Beklagte als für die Führung des in Rede stehenden kommunalen Melderegisters zuständige Meldebehörde (vgl. § 1 BMG i.V.m. § 1 Abs. 2 des baden-württembergischen Ausführungsgesetzes zum Bundesmeldegesetz und § 107 Abs. 4 PolG BW) ist damit Verantwortliche im Sinne der Vorschrift.

(2) Voraussetzung für den Berichtigungsanspruch des Art. 16 Satz 1 DSGVO ist weiter, dass er sich auf die Ersetzung eines unrichtigen Datums durch ein richtiges Datum richtet (vgl. zum Berichtigungsanspruch nach dem früher geltenden Melderechtsrahmengesetz BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 38.14 - BVerwGE 153, 89 Rn. 10; siehe auch Meents/Hinzpeter in: Taeger/Gabel, DSGVO - BDSG - TTDSG, 4. Aufl. 2022, Art. 16 Rn. 15).

(a) Maßstab für die Qualifizierung eines Datums als "richtig" oder "unrichtig" im Sinne des Art. 16 Satz 1 DSGVO ist zunächst die objektive Wirklichkeit. Richtig ist ein Datum, das mit der Wirklichkeit übereinstimmt; unrichtig ist es, wenn es ihr nicht entspricht (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 3 S 24/20 - juris Rn. 6; LSG Essen, Urteil vom 24. Juli 2020 - L 21 AS 195/19 - juris Rn. 24; Meents/Hinzpeter, in: Taeger/Gabel, DSGVO - BDSG - TTDSG, 4. Aufl. 2022, Art. 16 Rn. 8; Paal, in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung, 3. Aufl. 2021, Art. 16 DSGVO Rn. 15; Peuker, in: Sydow, Europäische Datenschutzverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 16 Rn. 11; vgl. zum Berichtigungsanspruch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. auch BVerwG, Beschluss vom 4. März 2004 - 1 WB 32.03 - BVerwGE 120, 188 <190>).

Inwieweit der jeweilige Zweck der Datenverarbeitung die Beurteilung der Richtigkeit der Daten beeinflusst, kann hier dahinstehen. Zwar hat der EuGH zu dem im Wortlaut mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. d DSGVO im Wesentlichen übereinstimmenden Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 95/46/EG entschieden, dass die Richtigkeit und Vollständigkeit personenbezogener Daten im Hinblick auf den Zweck zu beurteilen sind, für den die Daten erhoben wurden (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​944] - Rn. 53). Das bedarf aber hier keiner Vertiefung, da der Zweck der Führung des Melderegisters nicht verlangt, für die Bestimmung der Richtigkeit eines eingetragenen Geburtsdatums von der objektiven Richtigkeit abweichende Bezugspunkte heranzuziehen.

Insbesondere führt die nach § 2 Abs. 1 BMG bestehende Identifizierungsfunktion des Melderegisters entgegen der Auffassung des Klägers nicht dazu, bei eine Person identifizierenden Merkmalen für die Richtigkeit nicht auf die Realität, sondern auf die Eintragungen in Ausweispapieren abzustellen. Den Zwecken des Melderegisters, insbesondere der Unterstützungsfunktion für andere behördliche Tätigkeitsbereiche durch Vorhaltung der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen (vgl. hierzu Gamp, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, S. 1408 Rn. 336) wird in aller Regel am besten durch die Realität möglichst zutreffend abbildende Daten Genüge getan. Dies gilt angesichts zahlreicher Bereiche, für die das Alter des jeweiligen Einwohners maßgebend ist - wie z.B. die Aufstellung von Wählerlisten (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BMG) oder die Erfassung zur Erfüllung der Schulpflicht -, insbesondere für das Geburtsdatum einer Person. Ein aus der Identifizierungsfunktion fließendes Bedürfnis für das vom Kläger geforderte Abweichen vom Kriterium der objektiven Wirklichkeit zugunsten der Angaben in Ausweispapieren besteht angesichts der Möglichkeiten, etwaige Abweichungen in verschiedenen Dokumenten offen zu legen und zu dokumentieren - wie dies hier etwa beim Kläger durch den Hinweis in seiner Niederlassungserlaubnis erfolgt ist - nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OVG Münster: BSI durfte vor Einsatz von Virenschutzsoftware und Sicherheitssoftware des russischen Herstellers Kaspersky warnen

OVG Münster
Beschluss vom 28.04.2022
4 B 473/22


Das OVG Münster hat entschieden, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor dem Einsatz von Virenschutzsoftware und Sicherheitssoftware des russischen Herstellers Kaspersky warnen durfte.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

BSI durfte vor Virenschutzsoftware von Kaspersky warnen

Die Warnung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor der Nutzung von Virenschutzsoftware des Unternehmens Kaspersky ist rechtmäßig. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute entschieden und damit die Beschwerde der deutschen Tochtergesellschaft von Kaspersky gegen den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 1.4.2022 abgelehnt.

Das BSI gab am 15.3.2022 eine Warnung vor der Virenschutzsoftware des Herstellers Kaspersky heraus. Virenschutzsoftware sei ein exponiertes Ziel von offensiven Operationen im Cyberraum. Das Vorgehen militärischer und/oder nachrichtendienstlicher Kräfte in Russland sowie die im Zuge des aktuellen kriegerischen Konflikts jüngst von russischer Seite ausgesprochenen Drohungen gegen die EU, die NATO und die Bundesrepublik Deutschland seien mit einem erheblichen Risiko eines erfolgreichen IT-Angriffs mit weitreichenden Konsequenzen verbunden. Durch Manipulationen an der Software oder den Zugriff auf bei Kaspersky gespeicherte Daten könnten Aufklärungs- oder Sabotageaktionen gegen Deutschland, einzelne Personen oder bestimmte Unternehmen oder Organisationen durchgeführt oder zumindest unterstützt werden. Alle Anwender der Virenschutzsoftware könnten je nach ihrer strategischen Bedeutung von einer schädigenden Operation betroffen sein. Empfohlen werde, die Virenschutzsoftware des Unternehmens Kaspersky durch alternative Produkte zu ersetzen, wobei zu einer individuellen Bewertung und Abwägung der aktuellen Situation geraten werde. Dagegen wandte sich das deutsche Tochterunternehmen, das die Virenschutzsoftware von Kaspersky vertreibt. Der Eilantrag blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Zur Begründung seines Beschlusses hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Die Warnung und Empfehlung ist nach § 7 Abs. 1 und 2 BSIG rechtmäßig. Die Vorschrift verlangt als Voraussetzung hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund einer Sicherheitslücke von einem Produkt Gefahren für die Sicherheit in der Informationstechnik ausgehen. Bei Virenschutzprogrammen bestehen schon aufgrund ihrer Funktionsweise Sicherheitslücken im Sinne des Gesetzes. In der Vergangenheit hat es zahlreiche Vorfälle bei allen Herstellern von Virenschutzprogrammen gegeben, in denen Fehlfunktionen IT-Systeme blockiert haben und Daten unbemerkt an den Hersteller übertragen worden sind. Nach den Erkenntnissen des BSI kann die systembedingte Berechtigung zum Zugriff auf die - eigentlich durch das Virenschutzprogramm zu schützende - IT-Infrastruktur für maliziöse Aktivitäten missbraucht werden. Es liegen nach den vom BSI zusammengetragenen Erkenntnissen auch hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die Nutzung der Virenschutzsoftware von Kaspersky derzeit eine Gefahr für die Sicherheit in der Informationstechnik besteht. Die Annahme des BSI, das Vorgehen militärischer und/oder nachrichtendienstlicher Kräfte in Russland sowie die in diesem Kontext ausgesprochenen Drohungen auch gegen die Bundesrepublik Deutschland seien mit einem erheblichen Risiko eines erfolgreichen IT-Angriffs mit weitreichenden Konsequenzen gerade unter Verwendung der Virenschutzsoftware von Kaspersky verbunden, beruht auf hinreichenden Erkenntnissen zur aktuellen Cybersicherheitslage. Das BSI hat ferner die in der Vergangenheit dokumentierte Einflussnahme der russischen Regierung auf die in Russland agierenden IT-Unternehmen, insbesondere auch auf Kaspersky, berücksichtigt. Es hat daraus nachvollziehbar gefolgert, dass hinreichende Anhaltspunkte für die Gefahr bestehen, die russische Regierung werde auch im Rahmen des von ihr geführten Angriffskriegs auf die Ukraine russische Softwareunternehmen zur Durchführung eines Cyberangriffs nicht nur auf ukrainische, sondern auch auf andere westliche Ziele instrumentalisieren. Die Sicherheitsvorkehrungen, die Kaspersky getroffen hat, genügen in der aktuellen Situation nicht, um den Bedrohungen hinreichend entgegenzuwirken.

Das BSI hat die Entscheidung, die Warnung herauszugeben, ermessensfehlerfrei getroffen und dabei insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Warnung ist nicht aufgrund sachfremder Erwägungen oder gar willkürlich herausgegeben worden. Insbesondere war sie nicht politisch motiviert und stellt keine reine Symbolpolitik dar. Angesichts der aufgezeigten Bedrohungslage dient sie allein dazu, das Risiko von Angriffsmöglichkeiten auf die Sicherheit in der Informationstechnik zu reduzieren. Hierzu war sie geeignet und erforderlich. Mit der Warnung erhöht das BSI signifikant das Bewusstsein für potentiell mögliche Gefahren, die sich aus dem Einsatz der Virenschutzprogramme von Kaspersky aktuell ergeben und empfiehlt nach individueller Risikobewertung einen Ersatz durch alternative Produkte. Zugleich hat es die Warnung unter Beachtung des Zurückhaltungsgebots formuliert und auf das Erforderliche beschränkt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 4 B 473/22 (I. Instanz: VG Köln 1 L 466/22)




VG Köln: BSI darf vor Einsatz von Virenschutzsoftware und Sicherheitssoftware des Herstellers Kaspersky warnen

VG Köln
Beschluss vom 01.04.2022
1 L 466/22


Das VG Köln hat im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor dem Einsatz von Virenschutzsoftware und Sicherheitssoftware des Herstellers Kaspersky warnen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Verwaltungsgericht Köln: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik darf vor Virenschutzsoftware von Kaspersky warnen

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik darf vor Virenschutzsoftware der Firma Kaspersky warnen. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln heute entschieden und damit den Eilantrag eines in Deutschland ansässigen Unternehmens aus der Kaspersky-Gruppe abgelehnt.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hatte am 15. März 2022 eine Warnung veröffentlicht, wonach die Zuverlässigkeit des russischen Herstellers Kaspersky durch die aktuellen kriegerischen Aktivitäten Russlands in Frage gestellt sei, und empfohlen, Virenschutzsoftware von Kaspersky durch alternative Produkte zu ersetzen. Die Kaspersky Labs GmbH, die Virenschutzprodukte des russischen Herstellers vertreibt, beantragte daraufhin am 21. März 2022 den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Unterlassung und Widerruf dieser Warnung. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich um eine rein politische Entscheidung ohne Bezug zur technischen Qualität der Virenschutzsoftware handle. Eine Sicherheitslücke im Sinne einer bekannt gewordenen technischen Schwachstelle liege nicht vor. Anhaltspunkte für eine Einflussnahme staatlicher Stellen in Russland auf Kaspersky bestünden ebenfalls nicht. Zudem seien verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Datensicherheit und -transparenz ergriffen worden.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Der Gesetzgeber habe den Begriff der Sicherheitslücke, die das BSI zu einer Warnung berechtige, weit formuliert. Virenschutzsoftware erfülle aufgrund der weitreichenden Berechtigungen zu Eingriffen in das jeweilige Computersystem grundsätzlich alle Voraussetzungen für eine solche Sicherheitslücke. Dass ihr Einsatz dennoch empfohlen werde, beruhe allein auf dem hohen Maß an Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Herstellers. Daher liege jedenfalls dann eine Sicherheitslücke vor, wenn das erforderliche hohe Maß an Vertrauen in den Hersteller nicht (mehr) gewährleistet sei.

Dies sei bei Kaspersky derzeit der Fall. Das Unternehmen habe seinen Hauptsitz in Moskau und beschäftige dort zahlreiche Mitarbeiter. Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, der auch als "Cyberkrieg" geführt werde, sei nicht hinreichend sicher auszuschließen, dass russische Entwickler aus eigenem Antrieb oder unter dem Druck anderer russischer Akteure die technischen Möglichkeiten der Virenschutzsoftware für Cyberangriffe auch auf deutsche Ziele ausnutzen. Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass sich staatliche Akteure in Russland in rechtstaatlicher Weise an Gesetze halten werden, nach denen Kaspersky nicht zur Weitergabe von Informationen verpflichtet sei. Außerdem habe die massive Beschränkung der Pressefreiheit in Russland im Zuge des Kriegs mit der Ukraine gezeigt, dass entsprechende Rechtsgrundlagen schnell geschaffen werden können. Die von Kaspersky angeführten Sicherheitsmaßnahmen böten keinen ausreichenden Schutz gegen eine staatliche Einflussnahme. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass in Russland ansässige Programmierer auf die in Rechenzentren in der Schweiz gespeicherten Daten europäischer Nutzer zugreifen können. Eine permanente Überwachung des Quellcodes und von Updates erscheine demgegenüber wegen der Datenmengen, der Komplexität der Programmcodes und der notwendigen Häufigkeit von Updates praktisch unmöglich.

Gegen den Beschluss können die Beteiligten Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde.

Az.: 1 L 466/22





OVG Münster: Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach Glücksspielstaatsvertrag 2021 erfordert neues Antragsverfahren - Fortführung nach alter Rechtslage begonnener Verfahren nicht möglich

OVG Münster
Urteil vom 10.03.2022
4 A 1033/20


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag 2021 ein neues Antragsverfahren erfordert. Die Fortführung nach alter Rechtslage begonnener Verfahren ist nicht möglich.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen: Spielhallenerlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 setzt neues Antragsverfahren voraus

Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute den Beteiligten zugestelltem Urteil vom 10.3.2022 entschieden, dass für die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis seit dem 1.7.2021 ein neuer Antrag und ein eigenständiges Erlaubnisverfahren nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 erforderlich sind. Die Fortführung der nach alter Rechtslage begonnenen Verfahren ist ausgeschlossen. Diese Entscheidung ist für noch immer bei den Verwaltungsgerichten anhängige Verfahren relevant, die nach alter Rechtslage begonnen worden sind und noch nicht zum Abschluss gebracht werden konnten.

Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für eine von der Klägerin in Langenfeld betriebene Spielhalle, welche in Konkurrenz zu einer von der Beigeladenen in 65 m Entfernung betriebenen Spielhalle steht. Nach einer zugunsten der Beigeladenen erfolgten Auswahlentscheidung lehnte die Stadt Langenfeld die von der Klägerin beantragte glücksspielrechtliche Erlaubnis im Oktober 2017 ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Beklagte, den Antrag der Klägerin neu zu bescheiden. Während des Verfahrens zweiter Instanz trat am 1.7.2021 der Glücksspielstaatsvertrag 2021 in Kraft. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Oberverwaltungsgericht nun das Urteil des Verwaltungsgerichts und wies die Klage auf Neubescheidung ab.

Zur Begründung führte der 4. Senat aus: Die Klägerin hat jedenfalls keinen Anspruch darauf, dass die Stadt Langenfeld über ihren Antrag auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach den Bestimmungen des alten Glücksspielstaatsvertrages entscheidet. Nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages 2021 am 1.7.2021 kann an vor diesem Stichtag begonnene Erlaubnisverfahren auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages in seiner bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung nicht mehr angeknüpft werden. Der Betrieb einer Spielhalle bedarf nunmehr der Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis ist von eigenständigen Voraussetzungen abhängig, die sich aus der seit dem 1.7.2021 bestehenden Rechtslage ergeben und im Rahmen eines eigenständigen Erlaubnisverfahrens nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 zu prüfen sind. Die Fortführung der nach alter Rechtslage begonnenen Verfahren ist damit ausgeschlossen. Die Klägerin hat ihr Begehren auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für ihre Spielhalle danach in einem neuen Erlaubnisverfahren nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 geltend zu machen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 4 A 1033/20 (I. Instanz: VG Düsseldorf 3 K 18712/17)