Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass nicht essbare Wursthüllen und Verschlussclips nicht zur Füllmenge fertigverpackter Wurstwaren gehören und daher nicht miteinberechnet werden dürfen.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Nicht verzehrbare Wursthüllen und Wurstclips müssen austariert werden
Das Gewicht nicht verzehrbarer Wursthüllen und Wurstclips darf bei der Bestimmung der Füllmenge von vorverpackten Lebensmitteln nicht berücksichtigt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Klägerin stellt Fertigpackungen mit Würsten zur Abgabe an Endverbraucher her. Die Würste sind mit nicht essbaren Wursthüllen und Wurstclips umschlossen. Nach der Produktion werden sie auf eine Plastikschale gelegt und in Plastikfolie eingeschweißt. Bei zwei Kontrollen im Jahr 2019 beanstandete das Eichamt des Beklagten, dass die Klägerin das Gewicht nicht essbarer Wursthüllen und Wurstclips zur Füllmenge der von ihr hergestellten Fertigpackungen rechne. Die Klägerin berief sich auf die bisherige Praxis. Daraufhin untersagte der Beklagte ihr, Wurstfertigpackungen in den Verkehr zu bringen, bei denen nicht verzehrbare Wursthüllen und Wurstclips nicht austariert wurden.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Verbotsverfügung aufgehoben. Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Er durfte der Klägerin das Inverkehrbringen der Wurstfertigpackungen untersagen, weil diese nicht den gesetzlichen Anforderungen genügten. Sie ergeben sich aus dem Mess- und Eichgesetz in Verbindung mit speziellen Vorschriften der Fertigpackungsverordnung, die für vorverpackte Lebensmittel auf die europäische Lebensmittelinformationsverordnung verweisen. Danach ist auf vorverpackten Lebensmitteln die Nettofüllmenge des Lebensmittels anzugeben. Bei Fertigpackungen mit gleicher Mengenangabe muss die Nettofüllmenge der enthaltenen Lebensmittel im Durchschnitt dieser Angabe entsprechen. Entgegen dem Berufungsurteil ergibt sich aus der Fertigpackungsrichtlinie keine Ausnahme. Die späteren Spezialregelungen gehen ihr vor. Zur Nettofüllmenge des Lebensmittels zählt bei den beanstandeten Wurstfertigpackungen nur das Wurstbrät. Nicht verzehrbare Wursthüllen und Wurstclips gehören zur Verpackung. Ihr Gewicht darf deshalb bei der Bestimmung der Füllmenge nicht berücksichtigt werden. Die gegenteilige Praxis der Klägerin führte zu einer Unterschreitung der erforderlichen Füllmenge.
Vorinstanzen:
VG Münster, VG 9 K 2549/19 - Urteil vom 28. März 2023 -
OVG Münster, OVG 4 A 779/23 - Urteil vom 23. Mai 2024 -
VG Berlin
Beschluss vom 24.04.2025 - VG 32 L 25/25
Beschluss vom 24.04.2025 - VG 32 L 26/25
Das VG Berlin hat entschieden, dass die Sperrung des Zugriffs auf zwei pornographische Internetangebote mit unzureichender Altersverifikation nicht im Eilverfahren aufgehoben wird.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Pornoseiten bleiben gesperrt
Der Zugriff auf zwei deutschsprachige Internetseiten mit pornografischen Inhalten bleibt vorerst gesperrt. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.
Bereits im Jahr 2020 wurde die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen auf Videosharing-Plattformen im Internet aufmerksam, auf denen pornografische Inhalte uneingeschränkt und kostenlos zum Streaming und Download abrufbar waren. Daraufhin untersagte die Landesmedienanstalt der Betreiberin dieser Internetseiten (Content-Providerin), einer Gesellschaft mit Sitz auf Zypern, die weitere Verbreitung dieses Angebots, solange sie nicht eine geschlossene Benutzergruppe einrichte, durch die sichergestellt sei, dass nur Erwachsene Zugang zu den pornografischen Inhalten erhielten. Gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagung suchte die Content-Providerin um Rechtsschutz nach, der ihr letztinstanzlich versagt wurde (vgl. die Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. September 2022). Gleichwohl stellte sie auch in der Folge weder die Verbreitung der pornografischen Inhalte ein, noch schuf sie eine geschlossene Benutzergruppe. Da auch die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Content-Providerin erfolglos blieb, entschieden sich die Landesmedienanstalten zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen in Deutschland ansässige Unternehmen, die ihren Kunden den Zugang zum Internet vermitteln (Access-Provider). Im April 2024 ordnete die Medienanstalt Berlin-Brandenburg gegenüber einer Access-Providerin aus Berlin an, den Abruf der betreffenden Internetseiten aus Deutschland zu sperren. Gegen diese – an die Access-Providerin gerichteten – Bescheide erhob die Content-Providerin Klagen und stellte Eilanträge.
Die 32. Kammer hat die Eilanträge als unzulässig zurückgewiesen. Die Content-Providerin habe kein schutzwürdiges Interesse an der Außervollzugsetzung der gegenüber der Acces-Providerin ergangenen Sperrverfügungen. Denn der Anordnung der Sperrungen hätte es nicht bedurft, wenn die Content-Providerin sich rechtstreu verhalten würde. Stattdessen verbreite sie die pornografischen Inhalte trotz sofort vollziehbarer Untersagung weiterhin uneingeschränkt und für jeden zugänglich. Diese fortgesetzte und beharrliche Missachtung geltenden Rechts sei umso verwerflicher, als die betreffenden Maßnahmen Belangen des Kinder- und Jugendschutzes dienten, denen die Rechtsordnung eine überragende Bedeutung beimesse. Wenn die Antragstellerin nun gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Sperrung ihrer Inhalte verlange, sei dies rechtsmissbräuchlich. Die Eilanträge seien in der Sache alleine darauf gerichtet, dass sie ihr rechtswidriges Verhalten ungehindert fortsetzen könne. Mit ihrer Zielsetzung missachte die Content-Providerin die Verbindlichkeit gerichtlicher Entscheidungen als wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips. Für dieses Ansinnen könne sie gerichtlichen Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen.
Gegen die Beschlüsse kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhoben werden.
Das VG Münster hat entschieden, dass eine Stadtbücherei ein zur Ausleihe zur Verfügung gestelltes Buch mit dem Eindordnungshinweis "umstrittener Inhalt" versehen darf.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Eilantrag gegen Einordnungshinweis der Stadtbücherei Münster erfolglos
Ein Einordnungshinweis, den die Stadtbücherei Münster in einem zur Ausleihe zur Verfügung gestellten Buch angebracht hat, verletzt nicht die Grundrechte des Autors des Buchs. Dies hat das Verwaltungsgericht Münster mit Beschluss vom 11. April 2025 entschieden und einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Stadtbücherei Münster versah im Jahr 2024 zwei Bücher ihres Bestands mit einem Einordnungshinweis, der in seiner letzten Fassung wie folgt lautet: „Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt. Dieses Exemplar wird aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit zur Verfügung gestellt.“ Hiergegen wandte sich der Autor eines der betroffenen Bücher mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht und verlangte die Entfernung sowie die zukünftige Unterlassung entsprechender Hinweise in seinen Büchern.
Dieses Begehren hatte jedoch keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Gericht unter anderem aus: Der Einordnungshinweis sei von der gesetzlichen Aufgabenzuweisung für öffentliche Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen, denen unter anderem ein Bildungsauftrag zukomme, gedeckt. Die Stadtbücherei Münster dürfe zu den von ihr zur Ausleihe bereitgestellten Werken inhaltlich Stellung nehmen. Dies gelte sowohl in positiver Hinsicht – bspw. in Form von Leseempfehlungen für einzelne Werke – als auch in negativer Hinsicht in Form von kritischen Hinweisen. Mit dem gesetzlichen Auftrag wäre es hingegen nicht vereinbar, eine öffentliche Bibliothek darauf zu beschränken, Medien allein passiv zur Ausleihe bereit zu stellen.
Eine besondere gesetzliche Grundlage für den Hinweis sei nicht erforderlich, weil der Hinweis den Autor nur mittelbar-faktisch beeinträchtige und weder von seiner Intensität noch von seinen Wirkungen einem zielgerichteten Grundrechtseingriff gleichstehe.
Einer Neutralitätspflicht, wie sie die Rechtsprechung bei Äußerungen von Hoheitsträgern über politische Parteien annehme, unterliege die Stadtbücherei im Verhältnis zum Antragsteller nicht. Vielmehr müsse sie insofern die Anforderungen des Sachlichkeitsgebots wahren, die im vorliegenden Fall erfüllt seien. Der Einordnungshinweis stelle ein Werturteil dar, das auf einem vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhe. Dies ergebe sich bereits daraus, dass in dem Buch des Antragstellers mehrere gesicherte historische Ereignisse – etwa die Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki oder die bemannten Mondlandungen – negiert würden. Die Negierung von historischen Fakten könne ohne weiteres dahingehend gewürdigt werden, dass der Inhalt umstritten sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Einordnungshinweis auf sachfremden Erwägungen beruhe, weil neben dem Buch des Antragstellers bislang nur ein weiteres Buch einen entsprechenden Hinweis erhalten habe, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei es nicht willkürlich, dass die Stadtbücherei die Werke im Wesentlichen anlassbezogen prüfe, das heißt, wenn sich Nutzerinnen oder Nutzer der Bücherei – wie im vorliegenden Fall – darüber beschwerten oder sie sonstige Hinweise auf einen umstrittenen Inhalt erhalte. Der Einordnungshinweis erweise sich schließlich auch nicht als unverhältnismäßig. Ein Autor von Thesen, die historische Fakten negierten, müsse aushalten, dass dieser Umstand von öffentlichen Bibliotheken im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags zum Anlass genommen werde, sich in sachlicher Form kritisch mit einem solchen Werk auseinanderzusetzen.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet.
Das BVerwG hat entschieden, dass Sperranordnungen der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder wegen unerlaubter Online-Glückspiele gegen Provider ohne eigene Netzinfrastruktur rechtswidrig sind.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Anforderungen an glücksspielrechtliche Sperranordnungen
Nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV) kann ein Internetzugangsvermittler nur bei Verantwortlichkeit nach § 8 des Telemediengesetzes (TMG) verpflichtet werden, den Zugang zu Internetseiten zu sperren, auf denen in Deutschland unerlaubtes Glücksspiel angeboten wird. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Klägerin vermittelt für ihre Kunden den Zugang zum Internet. Die beigeladenen Unternehmen mit Sitz in der Republik Malta betreiben mehrere Internetseiten, auf denen in Deutschland nicht erlaubte Glücksspiele angeboten werden. Im Oktober 2022 verfügte die beklagte Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder gegenüber der Klägerin, die näher bezeichneten Internetseiten der Beigeladenen im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Sperranordnungen dürften nur gegenüber Zugangsvermittlern ergehen, die nach § 8 TMG verantwortlich seien. Daran fehle es hier.
Die Revision der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die einschlägige Ermächtigung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV auf die Verantwortlichkeit nach § 8 TMG verweist. Die zwischenzeitliche Aufhebung des Telemediengesetzes ändert hieran nichts, da die Verweisung die bei Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags geltende Fassung des § 8 TMG in Bezug nimmt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV dürfen Sperranordnungen ausdrücklich nur gegen "im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes verantwortliche Diensteanbieter" gerichtet werden; für Zugangsvermittler ist § 8 TMG einschlägig. Die Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaatsvertrags zeigt, dass die Staatsvertragsparteien auf das im Telemediengesetz normierte System abgestufter Verantwortlichkeit verschiedener Arten von Diensteanbietern zurückgreifen wollten. Aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich nichts anderes. Der Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigt keine Auslegung gegen den Wortlaut. Unionsrecht steht der Anwendung der Verweisung auf § 8 TMG nicht entgegen. Nach dieser Regelung ist die Klägerin nicht verantwortlich. Weder veranlasst sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte, noch wählt sie diese oder deren Adressaten aus. Es liegt auch kein kollusives Zusammenwirken zwischen ihr und den Beigeladenen vor. Andere Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass einer Sperranordnung stehen wegen des speziellen, abschließenden Charakters des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV nicht zur Verfügung.
Das OVG Münster hat entschieden, dass Behörden nicht verpflichtet sind, Daten mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu versenden.
Aus den Entscheidungsgründen: II. Der Antragsteller stellt die Annahme des Verwaltungsgerichts, er habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, mit seinem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage.
1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d DSGVO keine Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers darstellt. Nach dieser Vorschrift hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen die Einschränkung der Verarbeitung zu verlangen, wenn die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO eingelegt hat, solange noch nicht feststeht, ob die berechtigten Gründe des Verantwortlichen gegenüber denen der betroffenen Person überwiegen. Wurde die Verarbeitung gemäß Absatz 1 eingeschränkt, so dürfen diese personenbezogenen Daten – von ihrer Speicherung abgesehen – nur mit Einwilligung der betroffenen Person oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder zum Schutz der Rechte einer anderen natürlichen oder juristischen Person oder aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats verarbeitet werden (Art. 18 Abs. 2 DSGVO). Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dem Antragsteller gehe es nicht nur um die Einschränkung der Datenverarbeitung für die Dauer des bereits abgeschlossenen Überprüfungsverfahrens, sondern um eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, zukünftig eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei der Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Antragstellers zu verwenden.
Dem setzt der Antragsteller ohne Erfolg den Hinweis entgegen, der Betroffene könne ausdrücklich auf Basis einer Einwilligung die Einschränkung der Verarbeitung teilweise aufheben und damit sei nach Art. 18 Abs. 2 DSGVO jede Verarbeitung auch solcher Daten zulässig, deren Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 DSGVO eingeschränkt worden sei. Dieses Vorbringen versteht der Senat dahingehend, dass der Antragsteller meint, aufgrund seines Widerspruchs gegen die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch die Antragsgegnerin sei die Datenverarbeitung mit der in Art. 18 Abs. 2 DSGVO beschriebenen Rechtsfolge eingeschränkt und er könne diese Einschränkung dadurch wieder teilweise aufheben, dass er in eine Übermittlung unter den in seinem Antrag genannten Voraussetzungen (Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bzw. eine dem Stand der Technik und dem Risiko entsprechende Verschlüsselung) einwillige.
Unabhängig vom Stand des in Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d DSGVO i. V. m. Art. 21 Abs. 1 DSGVO vorgesehenen Überprüfungsverfahrens bleibt dieses Vorbringen ohne Erfolg. Die Einschränkungen für die Datenverarbeitung unter den in Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d DSGVO genannten Voraussetzungen gelten nach dem Wortlaut der Vorschrift in zeitlicher Hinsicht nur, „solange noch nicht feststeht, ob die berechtigten Gründe des Verantwortlichen gegenüber denen der betroffenen Person überwiegen“. Dem Antragsteller geht es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht um den Zeitraum während des Überprüfungsverfahrens nach Art. 21 DSGVO, sondern um eine von diesem Zeitraum unabhängige Regelung für die Übermittlung seiner personenbezogenen Daten. Dem steht nicht entgegen, dass er seinen Antrag im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zeitlich „bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache“ begrenzt hat. Diese zeitliche Begrenzung ist lediglich dem Charakter des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes geschuldet.
Da der Antragsteller die geltend gemachten Ansprüche nicht aus Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d DSGVO herleiten kann und es nicht auf das in dieser Vorschrift in Bezug genommene Überprüfungsverfahren gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO ankommt, musste das Verwaltungsgericht dem Antrag auch nicht deswegen stattgeben, weil nach Ansicht des Antragstellers nicht ersichtlich sei, welche in Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DSGVO angeführten zwingenden Gründe hier gegen eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sprächen.
2. Der Antragsteller stellt weiter die Annahme des Verwaltungsgerichts, er könne einen Anspruch auf Datenübermittlung im Wege einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder einer sonstigen Verschlüsselung, die über die von der Antragsgegnerin verwendete hinausgehe, nicht aus Art. 32 DSGVO herleiten, nicht durchgreifend in Frage.
Das Verwaltungsgericht hat diese Ansicht mit einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der in Art. 32 Abs. 1 DSGVO genannten Kriterien begründet. Es hat ausgeführt, nach dieser Vorschrift sei die Antragsgegnerin bei der Verarbeitung personenbezogener Daten verpflichtet, unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Erforderlich seien eine Risikoeinschätzung und darauf basierend die Feststellung des Schutzbedarfs der Daten. Die in Art. 32 Abs. 1 Buchstabe a DSGVO genannte Maßnahme der Verschlüsselung personenbezogener Daten müsse den in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO genannten Zielsetzungen der Integrität und Vertraulichkeit genügen sowie dem Stand der Technik entsprechen; darüber hinausgehende spezifische Anforderungen für das einzusetzende Verschlüsselungsverfahren ließen sich Art. 32 DSGVO aber nicht entnehmen. Der Antragsteller habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Datenverarbeitung der Antragsgegnerin für ihn ein besonderes Risiko darstelle. Seinen Ausführungen lasse sich nicht entnehmen, dass ein erhöhtes Risiko mit Blick auf die Datenverarbeitung der Antragsgegnerin bestehe, diese etwa einem gesteigerten Risiko ausgesetzt sei, Opfer von Hackerangriffen zu werden. Ebenso wenig sei die Antragsgegnerin in der Vergangenheit durch Sicherheitslücken aufgefallen. Vielmehr erfolge die Datenübertragung bei der Antragsgegnerin stets unter TLS-Verschlüsselung und werde im Kommunikationsprozess mit anderen staatlichen Stellen zusätzlich gesichert (SINA-Box, Client-Zertifikate). Zudem hat das Verwaltungsgericht auf das von der Antragsgegnerin vorgelegte (und bei positivem Abschluss der jährlichen Überwachungsaudits bis zum 17. Juni 2025 gültige) IT-Sicherheitszertifikat des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik vom 18. Juni 2022 Bezug genommen und ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ihr IT-Sicherheitskonzept nicht oder nicht hinreichend umsetze.
Die gegen diese Ausführungen gerichteten Einwände des Antragstellers betreffen einzelne Aspekte der Gesamtbetrachtung. Sie führen auch bei gemeinsamer Würdigung nicht zum Erfolg der Beschwerde. Dies liegt insbesondere daran, dass der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen die für die Gesamtbetrachtung nach Art. 32 Abs. 1 DSGVO wesentliche Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel zieht, wonach er das von der Datenverarbeitung der Antragsgegnerin für ihn ausgehende besondere Risiko nicht glaubhaft gemacht habe, und sich die von ihm begehrte Art der Datenübermittlung jedenfalls ohne ein solches erhöhtes Risiko nicht aus Art. 32 Abs. 1 DSGVO ableiten lasse. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass es sich bei den in Rede stehenden Daten des Antragstellers nicht um personenbezogene Daten i. S. v. Art. 9 und 10 DSGVO handelt.
a) Das Verwaltungsgericht hat zu der behaupteten Gefährdung für Leib, Leben und Freiheit des Antragstellers ausgeführt, dessen Hinweis auf den ihn betreffenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 2021 ‑ 3 B 19.20 ‑ genüge nicht, um einen derart erhöhten Schutzbedarf glaubhaft zu machen, der eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gebiete, weil es sich bei der vom Antragsteller in Bezug genommenen Passage lediglich um eine Wiedergabe der Ausführungen des Berufungsgerichts handele. Die dort wiedergegebene Einschätzung des Berufungsgerichts beruhe auf konkreten und durch Belege gestützten Angaben des Antragstellers im dortigen Verfahren sowie ergänzend auf einer im Zusammenhang mit § 41 Abs. 2 StVG stehenden Gefährdungsbewertung der Polizeidirektion. Vorliegend habe der Antragsteller keine konkreten Angaben oder Belege eingereicht, die ein besonderes Risiko für ihn durch die Datenverarbeitung der Antragsgegnerin belegen könnten. Der Umstand, dass der Antragsteller in einem Verfahren zur Eintragung einer Übermittlungssperre erfolgreich dargelegt habe, dass durch die Übermittlung von in das Fahrzeugregister eingetragenen Daten schutzwürdige Interessen beeinträchtigt würden, reiche nicht aus, um dies auch für eine Datenverarbeitung durch die Antragsgegnerin anzunehmen. Gleiches gelte für den Hinweis des Antragstellers auf die zu seiner Person eingetragene Auskunftssperre nach § 51 BMG.
Der dagegen gerichtete Vorwurf des Antragstellers, das Verwaltungsgericht sei rechtswidrig davon ausgegangen, er müsse den erhöhten Schutzbedarf zweifelsfrei nachweisen, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich ausgeführt, der Antragsteller müsse seine Gefährdung glaubhaft machen (Seite 8, 11 des Beschlusses), und näher erläutert, aus welchen Gründen dies nicht erfolgt sei.
Die Einwände des Antragstellers, seine Gefährdung sei in anderen Gerichtsverfahren festgestellt worden und ein individuell-konkreterer Vortrag könne nicht verlangt werden, greifen nicht durch. Sie genügen schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Danach muss der Beschwerdeführer u. a. die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Die – hier erfolgte – bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens reicht dazu grundsätzlich nicht aus; Entsprechendes gilt für die Bezugnahme auf die bereits erstinstanzlich vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 29. August 2022, in der der Antragsteller geltend macht – allerdings ohne dafür Nachweise vorzulegen –, aufgrund seines beruflichen Umgangs mit […] bestehe für ihn die Gefahr, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden […]. Der Antragsteller geht nicht auf die zutreffende Argumentation des Verwaltungsgerichts ein, dass das Bundesverwaltungsgericht in der vom Antragsteller in Bezug genommenen Passage nicht Tatsachen betreffend diesen selbst festgestellt, sondern lediglich Ausführungen der Vorinstanz wiedergegeben hat, und aus welchen Gründen ein Verweis auf Gefährdungseinschätzungen anderer Gerichte oder Behörden in anderen rechtlichen Zusammenhängen (Fahrzeug-, Melderegister) keine belastbaren Rückschlüsse auf die vorliegende Fallkonstellation zulässt. Unabhängig vom Vorstehenden hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren keine konkreten Belege für die von ihm geltend gemachte besondere Gefährdung vorgelegt.
b) Aus den vorgenannten Gründen kann der Antragsteller auch nicht mit Erfolg rügen, die Datenverarbeitung der Antragsgegnerin sei im Lichte von Art. 5 DSGVO formell rechtswidrig, weil diese keine Einzelfallprüfung bezogen auf seine besonders schutzbedürftigen personenbezogenen Daten vorgenommen habe. Daher kommt auch die vom Antragsteller thematisierte Sperrung seiner Daten für eine nicht hinreichend verschlüsselte Übermittlung als „Sanktionswirkung für ein Unterlassen nach Art. 5 DSGVO“ nicht in Betracht.
c) Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach für die Antragsgegnerin kein gesteigertes Risiko erkennbar sei, Opfer von Hackerangriffen zu werden, und diese in der Vergangenheit auch nicht durch Sicherheitslücken aufgefallen sei, betreffen der Sache nach den Aspekt „Eintrittswahrscheinlichkeit“ in Art. 32 Abs. 1 DSGVO. Sie werden vom Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen inhaltlich nicht in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht hat mit diesen Ausführungen nicht vom Antragsteller einen Nachweis für das Gegenteil verlangt.
d) Die Rüge des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe keine ausreichende Transportverschlüsselung glaubhaft gemacht, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zur Transportverschlüsselung ausgeführt, die von der Antragsgegnerin verwendete Transportverschlüsselung sei datenschutzrechtlich ausreichend. Zur Begründung hat es sich u. a. auf das von der Antragsgegnerin vorgelegte IT-Sicherheitszertifikat des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik vom 18. Juni 2022 gestützt. Außerdem hat es die Angaben der Antragsgegnerin angeführt, wonach jede Datenübermittlung verschlüsselt erfolge, etwa durch TLS-Verschlüsselungen, und im Kommunikationsprozess mit anderen staatlichen Stellen zusätzliche Sicherungen beständen (SINA-Box, Client-Zertifikate). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben der Antragsgegnerin nicht zutreffen könnten oder die im IT-Sicherheitszertifikat angeführten Maßnahmen nicht umgesetzt würden, zeigt der Antragsteller nicht auf.
Soweit er die von der Antragsgegnerin verwendete Verschlüsselungstechnik für zu unsicher hält und meint, TLS 1.2 entspreche nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik, vielmehr gebe es bereits seit 2018 TLS 1.3, jedenfalls aber sei jede TLS-Verschlüsselung zu unsicher, führt dies nicht zum Erfolg seiner Beschwerde. Denn die Verschlüsselung über TLS stellt, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, nicht die einzige Sicherheitsmaßnahme der Antragsgegnerin dar. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin zudem ergänzt, die Transportverschlüsselung sei so konzipiert, dass sie vom Browser-Client der Anfragenden bis zur Firewall der Antragsgegnerin reiche; es gebe also keine „Zwischenstationen“, auf denen die Inhalte unverschlüsselt abgelegt wären; die Netzkomponenten auf dem Routing-Weg im Internet könnten keinen Einblick in die Kommunikationsinhalte gewinnen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben wahrheitswidrig sein könnten, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Abgesehen davon kann der Antragsteller im Rahmen der nach Art. 32 Abs. 1 DSGVO erforderlichen Gesamtbetrachtung ohne besondere, in seiner Person liegende Umstände, die hier nicht glaubhaft gemacht sind, nicht von der Antragsgegnerin verlangen, dass die ihn betreffenden personenbezogenen Daten nur unter höheren Sicherheitsanforderungen elektronisch übermittelt werden dürfen, als dies bei personenbezogenen Daten anderer Personen, die bei der Antragsgegnerin gespeichert sind, der Fall ist. Dies gilt auch für etwaige Übermittlungen durch Telefax, E-Mail oder Telefon, die vom Baustein „CON.9 Informationsaustausch“ des IT-Grundschutzes der Antragsgegnerin erfasst werden, der nach seiner Nr. 1.1. unterschiedliche Kommunikationswege wie z. B. persönliche Gespräche, Telefonate, Briefe u. a. in den Blick nimmt.
e) Weiter ohne Erfolg macht der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung vom 3. April 2023 geltend, den vom Verwaltungsgericht angenommenen Prüfungsmaßstab „sozialadäquat“ kenne die Datenschutz-Grundverordnung nicht. Im Schriftsatz vom 27. Mai 2023 versteht der Antragsteller diesen Begriff dahingehend, dass damit eine Transportverschlüsselung gemeint sei, die dem üblichen Stand der Technik entspreche. In diese Richtung geht auch die Formulierung des Verwaltungsgerichts, das in Anlehnung an die entsprechende Wortwahl des insoweit zitierten Verwaltungsgerichts Mainz,
Urteil vom 17. Dezember 2020 - 1 K 778/19.MZ -, juris, Rn. 40: „Vielmehr ist die Kommunikation mittels (obligatorisch) transportverschlüsselter E-Mails auch im geschäftlichen Verkehr durchaus als sozialadäquat und wohl derzeit noch als (Mindest‑)Stand der Technik einzustufen“,
die von der Antragsgegnerin verwendete Transportverschlüsselung mit diesem Begriff bezeichnet hat. Der Sache nach stellen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang eine zusammenfassende Bewertung unter Berücksichtigung der in Art. 32 Abs. 1 DSGVO genannten Kriterien dar und ist als solche rechtlich nicht zu beanstanden.
f) Die Ausführungen des Antragstellers dazu, dass Art. 2 Abs. 2 Buchstabe d DSGVO den geltend gemachten Anspruch nicht ausschließe, führen nicht zum Erfolg der Beschwerde, weil auch das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsauffassung ausgegangen ist.
Das BVerwG hat entschieden, dass Informationsmaterial einer Soziallotterie mit ihrem Logo Werbung für Glücksspiele im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags ist.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Imagewerbung einer Soziallotterie
Verwendet der Anbieter einer Soziallotterie sein Logo im Rahmen seiner satzungsbezogenen, gemeinnützigen Tätigkeit als Aufdruck auf Informations- und Bildungsmaterialien, ist dies Werbung im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags, wenn hiermit aus der Perspektive eines durchschnittlichen Betrachters mindestens auch das Ziel verfolgt wird, den Absatz des Glücksspielangebots zu fördern. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Kläger finanziert seine satzungsgemäße Tätigkeit, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu fördern, durch Spendeneinnahmen und die Veranstaltung einer bundesweit bekannten Soziallotterie. Er wendet sich gegen einzelne, seine Werbung betreffende Nebenbestimmungen zu seiner glückspielrechtlichen Erlaubnis. Der Kläger ist der Auffassung, der Aufdruck seines Logos auf den von ihm erstellten Informations- und Bildungsmaterialien zur Inklusion stelle keine Werbung dar, weil kein über das Logo hinausgehender Hinweis auf sein Glücksspielangebot aufgedruckt sei. Er müsse auch nicht Dritte, die er mit der Durchführung seiner Werbung beauftragt, vertraglich zur Einhaltung der rechtlichen Vorgaben für die Glücksspielwerbung verpflichten (Weitergabeverpflichtung).
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte vor dem Oberverwaltungsgericht teilweise Erfolg. Der Aufdruck des Logos auf den Informations- und Bildungsmaterialien sei Werbung im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags. Weil das Logo bekanntermaßen ebenso für die Lotterie wie für die Inklusionsförderung stehe, verbessere es auch das Image der Lotterie und motiviere den durchschnittlichen Betrachter, die gemeinnützigen Tätigkeiten des Klägers durch die Lotterieteilnahme zu fördern. Die Weitergabeverpflichtung sei rechtswidrig, weil sie unbestimmt und unverhältnismäßig sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen und der Revision der Beklagten stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat den Werbebegriff des Glücksspielstaatsvertrags 2021 zutreffend ausgelegt. Er setzt voraus, dass die Äußerung aus der Perspektive eines durchschnittlich informierten und verständigen Betrachters mindestens auch bezweckt, den Absatz des Glücksspielangebots zu fördern. Das kann auch durch Imagewerbung geschehen. Das Logo des Klägers steht sowohl für seine gemeinnützige Tätigkeit als auch für sein Lotterieangebot. Wird es auf das Titelblatt seiner Informations- und Bildungsmaterialien aufgedruckt, verbessert dies auch das Image seiner Lotterie. Zugleich motiviert es dazu, durch Loskauf die bekanntermaßen vor allem aus den Lotterieeinnahmen finanzierte gemeinnützige Tätigkeit zu unterstützen. Hinsichtlich der Weitergabeverpflichtung hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts geändert und die Klage insoweit abgewiesen. Die Nebenbestimmung ist für den Kläger als im Glücksspielrecht erfahrenen Anbieter hinreichend bestimmt. Sie ist auch nicht unverhältnismäßig. Durch die Weitergabeverpflichtung wird wahrscheinlicher, dass mit der Durchführung von Werbemaßnahmen beauftragte Dritte die Werbebeschränkungen einhalten, die der Suchtprävention und dem Minderjährigenschutz dienen. Der Eingriff in die Rechte des Klägers ist zur Verwirklichung dieses Zwecks angemessen.
Vorinstanzen:
VG Mainz, VG 1 K 359/22.MZ - Urteil vom 11. Mai 2023 -
OVG Koblenz, OVG 6 A 10927/23.OVG - Urteil vom 19. März 2024 -
Das BVerwG hat entschieden, dass die Pressefreiheit auch für Online-Plattformen wie FragDenStaat gilt. Vorliegend hat das Gericht einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegen den BND hinsichtlich der Nutzung der Spionagesoftware Pegasus jedoch verneint, da diesem überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Der Kläger unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen bundesrechtlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen der entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2021 - 10 C 3.20 - BVerwGE 174, 66 Rn. 25 m. w. N.). Aufgrund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Rn. 12). Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, dass es den Anspruch auf Auskunft ausschließt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 18 m. w. N. und vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 12).
Hiervon ausgehend kann sich der Kläger auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen. Es kommt nicht darauf an, ob seine publizistische Tätigkeit im Rahmen von Printmedien oder der digitalen Presse erfolgt (a). Der Kläger ist auch publizistisch tätig (b).
a) Der Begriff der Presse ist weit und formal und kann nicht von einer Bewertung des Druckerzeugnisses abhängig gemacht werden (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116 <134> und vom 8. Oktober 1996 - 1 BvR 1183/90 - BVerfGE 95, 28 <35>). Er ist entwicklungsoffen (Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, 10. Aufl. 2024, Art. 5 Rn. 68; Kaiser, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl. 2023, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 86; Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Oktober 2024, Art. 5 Rn. 193 ff.). Der Verfassungsgeber ist bei der Begriffswahl "Presse" mit dem Ziel der grundrechtlichen Sicherung der Demokratie (BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u. a. - BVerfGE 20, 162 <174 f.>) von dem zu dieser Zeit existierenden Massenmedium der Presse ausgegangen und hatte Druckerzeugnisse entsprechend der damaligen Herstellungstechnik vor Augen (etwa Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Oktober 2024, Art. 5 Rn. 193; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand August 2024, Art. 5 Abs. 1 Rn. 239). Dieser technikbezogene Ansatz bestimmt den Begriff der Presse aber nicht abschließend. Der intendierte Schutz richtet sich nicht ausschließlich auf den Einsatz der Druckerpresse. Das Druckwerk ist die ursprüngliche, aber unter den Bedingungen der heutigen Zeit nur eine unter vielen weiteren Methoden der Vervielfältigung. Vor dem Hintergrund der gewandelten tatsächlichen Verhältnisse (Kaiser, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl. 2023, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 7) ist es für den Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit unerheblich, auf welche Art und Weise der geistige Inhalt verkörpert wird. Damit stehen mit der klassischen Presse vergleichbare Massenmedien, die deren Aufgabe erfüllen, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1/60 u. a. - BVerfGE 12, 205 <260 f.> und Beschluss vom 6. November 1979 - 1 BvR 81/76 - BVerfGE 52, 283 <296>), gleichermaßen unter verfassungsrechtlichem Schutz. Auch elektronische Medien haben an der Aufgabe der Sicherung der Demokratie teil (vgl. auch Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Oktober 2024, Art. 5 Rn. 197 f.; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand August 2024, Art. 5 Abs. 1 Rn. 251 ff., 266; Cornils, in: Löffler, Presserecht, 7. Aufl. 2023, Einl. Rn. 106). Maßgeblich ist allein, inwieweit Online-Angebote funktional der Presse entsprechen. Jedenfalls journalistisch-redaktionell aufbereitete Beiträge in Wort und Bild, die an der für das demokratische Gemeinwesen unentbehrlichen Aufgabe der Wiedergabe der Meinungsvielfalt und der Meinungsbildung teilhaben, sind deshalb dem verfassungsrechtlichen Schutz der Pressefreiheit nach den dafür maßgeblichen Kriterien zuzuordnen. Dementsprechend unterfällt die digitale Presse, soweit sie funktional den traditionellen Presseerzeugnissen vergleichbar ist, der Pressefreiheit (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2024 - 6 S 37/24 - juris Rn. 12 f.). Von einem digitale Formen der Verbreitung umfassenden Begriff der Presse ist auch das Bundesverfassungsgericht ausgegangen, als es das Setzen eines Links in einem Online-Artikel wegen seiner Einbettung in eine pressetypische Stellungnahme von der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als erfasst angesehen hat (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 BvR 1248/11 - BVerfGK 19, 278 <284>). Für den verfassungsrechtlichen Schutz als Presse ist gleichfalls ohne Belang, ob die digitale Version ergänzende Texte zu einer Printversion enthält, das alleinige Format der Publikation ist oder der Alternativverbreitung der Printversion dient.
b) Entgegen der Auffassung des BND ist der Kläger publizistisch tätig. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2019 - 7 C 26.17 - (BVerwGE 165, 82 Rn. 24 ff.) lässt sich die vom BND vertretene Meinung, die klägerische Tätigkeit diene nicht in eindeutiger Weise oder zumindest vorrangig einem publizistischen Zweck, nicht begründen. In dem in Bezug genommenen Urteil war die Aktivlegitimation eines Unternehmens zu beurteilen, das einen vornehmlich außerpublizistischen Geschäftszweck verfolgte und nicht vorrangig die Funktion der Presse wahrnahm. Die dort angelegten Maßstäbe führen im vorliegenden Fall indes zur Einordnung der Recherchetätigkeit des Klägers als Pressetätigkeit. Das konkrete Auskunftsbegehren des Klägers dient einem journalistisch-redaktionellen Zweck. Er beabsichtigt, seine Rechercheergebnisse zum Erwerb und zur Nutzung der Software "Pegasus" nach Auswertung zu veröffentlichen. Die Annahme, eine Publikation diene der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, ist für Journalisten und Redakteure ohne Weiteres regelmäßig gerechtfertigt (BVerwG a. a. O. Rn. 26). Ob der Kläger auch oder gar vorrangig als Projektleiter des Portals FragDenStaat.de tätig ist, bleibt ohne Bedeutung für die Bejahung seiner Pressetätigkeit. Ob er diese haupt- oder nebenberuflich ausübt, ist gleichfalls unerheblich. Dass die Plattform Bürgerinnen und Bürger bei der Stellung von Anträgen auf Informationszugang nach den verschiedenen Informationsfreiheitsgesetzen unterstützt, steht der Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als Pressetätigkeit gleichfalls nicht entgegen. Überdies kommt es auf eine Beurteilung der Tätigkeit der Plattform nicht an. Sie ist nicht Klägerin im vorliegenden Verfahren.
Der Kläger ist außerdem im Besitz eines bundeseinheitlichen Presseausweises für das Jahr 2024. Dieser gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung zwischen dem Vorsitz der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder und dem Trägerverein des Deutschen Presserates e. V. vom Journalistenverband Berlin und Brandenburg (JVBB) im Deutschen Journalistenverband ausgestellte Presseausweis indiziert, dass der Kläger als Inhaber des Ausweises sich auf die Pressefreiheit berufen kann. Anlass zu Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen diese Indizwirkung entkräftet sein kann, besteht bei ihm nicht.
2. Es liegen aber überwiegende öffentliche Interessen vor, die dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch des Klägers entgegenstehen.
a) Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine einzelfallbezogene Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit entgegenstehenden öffentlichen und privaten Belangen. Belange, die nach Maßgabe einer Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse ein schutzwürdiges öffentliches Interesse an der Geheimhaltung von Informationen begründen und demgemäß den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse begrenzen können, sind vom BND als auskunftspflichtiger Stelle darzulegen und durch das Gericht grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 16 ff. m. w. N.).
Als schutzwürdiges öffentliches Interesse anerkannt ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste. Dieses Erfordernis, das das Bundesverfassungsgericht als Grenze des parlamentarischen Informationsanspruchs aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG anerkannt hat (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 - BVerfGE 146, 1 Rn. 94 f., 109, 112 ff.) und das als überwiegendes öffentliches Interesse in den Kanon der Auskunftsverweigerungsgründe nach den Landespressegesetzen eingeordnet werden kann, begrenzt den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse. Es findet - als Sicherung der Erfüllung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG benannten Aufgaben des BND - spezielle Ausprägungen in dem Schutz der operativen Vorgänge des Dienstes, dem Schutz seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten, dem Schutz seiner Arbeitsweise und Methodik, dem Schutz seiner Mitarbeiter vor Enttarnung sowie in dem nachrichtendienstlichen Quellenschutz (BVerwG, Urteile vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 19 f. m. w. N. und vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 20).
Auch der Schutz der auswärtigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland kann der Erteilung einer presserechtlichen Auskunft als überwiegendes öffentliches Interesse entgegenstehen (BVerwG, Beschlüsse vom 12. September 2024 - 10 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1773 Rn. 27 und vom 6. November 2024 - 10 VR 3.24 - juris Rn. 7). Die Pflege auswärtiger Beziehungen fällt innerhalb des Verfassungsgefüges der Bundesrepublik Deutschland von der Verbandskompetenz her dem Bund zu (Art. 32 Abs. 1 GG), beim Bund zuvörderst der Bundesregierung. Deswegen steht ihr in diesem Bereich auch ein weit bemessener Spielraum eigener Gestaltung zu (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 - BVerfGE 121, 135 <158>), der sich weitgehend der gerichtlichen Kontrolle entzieht (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - NVwZ 2010, 321 Rn. 15). Bei der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen bedient sich die Bundesregierung u. a. des BND, welcher gemäß § 1 Abs. 2 BNDG Erkenntnisse sammelt, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Hierbei untersteht er der Aufsicht des Bundeskanzleramts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BNDG (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2024 - 10 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1773 Rn. 27 f.).
Liegt dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden ein umfassendes Abwägungsmodell zu Grunde, erweist sich keine dieser Ausprägungen schutzwürdiger öffentlicher Interessen als von vornherein abwägungsfest im Sinne eines Vorrangs des öffentlichen Geheimhaltungsinteresses vor dem Informationsinteresse der Presse. So wird sich insbesondere das Interesse an einem Geheimschutz für die operativen Vorgänge des Bundesnachrichtendienstes, ohne dass hierzu nähere Darlegungen seitens der Beklagten erforderlich sind, in der Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse regelmäßig durchsetzen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 20). Der Regelvorrang des öffentlichen Geheimhaltungsinteresses ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf Auskunftsbegehren zu beschränken, die sich auf den Einsatz menschlicher Quellen beziehen oder aufgrund derer die Enttarnung einer menschlichen Quelle droht. Vielmehr dient der Schutz operativer Vorgänge der Erfüllung der Aufgabe des BND. Operative Vorgänge setzen den Einsatz menschlicher Quellen nicht voraus, sondern umfassen alle Maßnahmen zur Informationsgewinnung. Ausschlaggebend ist nicht allein der Quellenschutz, sondern auch die Gefahr, dass durch Offenlegung operativer Vorgänge deren weitere Durchführung gefährdet oder Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BND möglich werden. Allerdings ist der Zeitablauf als bedeutsamer, wenn auch nicht allein ausschlaggebender Faktor in Rechnung zu stellen, so dass eine drohende Offenlegung lange Zeit zurückliegender operativer Vorgänge nur dann zu einem Ausschluss des Auskunftsanspruchs führt, wenn noch, was dann besonderer Darlegung durch die Beklagte bedarf, die Möglichkeit von Rückschlüssen auf die heutige nachrichtendienstliche Arbeitsweise besteht (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 20).
b) In Anwendung dieser Maßstäbe ist das publizistische Informationsinteresse hinsichtlich der Fragen zu 1., ob der BND Vereinbarungen oder Verträge mit der NSO Group oder Anderen in Bezug auf die Nutzung der Software "Pegasus" hat oder hatte und ob er "Pegasus" gekauft hat, gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse nachrangig.
Der BND hat im Einzelnen plausibel dargelegt, dass diese Auskünfte seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigen können. Die Fragen zielen auf die Offenlegung der aktuellen nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Methodik des BND ab. Diese könnte mittelbar auch operative Vorgänge gefährden. Zuzugeben ist dem Kläger, dass nicht alle Angaben, die einen Bezug zur operativen Tätigkeit des BND haben, in einem Maße geheimhaltungsbedürftig sind, dass ein publizistisches Informationsinteresse regelmäßig zurückstehen muss. Das wäre nur der Fall, wenn Auskünfte über die Arbeitsweise und Methodik eine konkrete operative Tätigkeit gefährden könnten. Im Übrigen kommt es maßgeblich darauf an, ob die Bekanntgabe der begehrten Informationen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BND ermöglicht. So liegt es hier. Zwar begehrt der Kläger mit den Eingangsfragen allein die Auskunft über die Existenz von Vereinbarungen mit der NSO Group oder Anderen, ohne sich auf konkrete Operationen zu beziehen. Die beanspruchte Information beinhaltet jedoch die Auskunft darüber, ob dem BND die Software "Pegasus" zur Verfügung steht. Damit wird die Möglichkeit von Operationen mit Hilfe der Software oder ihr Fehlen bekannt. Eine solche Bekanntgabe der Information, welche konkreten Operationen im Rahmen seiner Möglichkeiten nach dem Bundesnachrichtendienstgesetz überhaupt in Betracht kommen, muss indes unterbleiben. Nur so können nach den für den Senat überzeugenden Darlegungen der Beklagten Rückschlüsse auf konkrete Operationen und die Gefahr, dass laufende Operationen abgebrochen werden müssen, verhindert werden. Zielpersonen könnten anderenfalls gezielt nach Spuren der Software suchen, so dass der handelnde Nachrichtendienst aufgedeckt werden könnte oder die Zielpersonen ihr Kommunikationsverhalten ändern (vgl. auch die entsprechenden Erklärungen der Bundesregierung BT-Drs. 19/31818 S. 25 f. sowie BT-Drs. 19/32246 S. 4).
Die Informationen wären zudem für ausländische Geheim- und Nachrichtendienste und Andere mögliche Aufklärungsziele von bedeutendem Interesse. Diese könnten die Fähigkeiten des BND bei der nachrichtentechnischen Überwachung mithilfe von weiteren öffentlich verfügbaren Informationen ausleuchten, Rückschlüsse auf die technischen Fähigkeiten des BND ziehen und etwaige Spähmaßnahmen leichter entdecken, sich dagegen schützen und sie einem Staat zuordnen. Dies gilt bei einer Verneinung der verfahrensgegenständlichen Frage ebenso wie bei einer Bejahung. Auch bei einer Verneinung ließe sich in Zusammenschau mit anderen Informationen ein genaueres Bild der Fähigkeiten und Arbeitsweise des BND zeichnen, was ebenfalls die Funktionsfähigkeit des BND nachhaltig beeinträchtigen könnte.
Der Schutz der Zusammenarbeit des BND mit anderen Nachrichtendiensten wäre bei Erteilung der Auskünfte gleichfalls beeinträchtigt. Um außen- und sicherheitspolitisch relevante Erkenntnisse zu gewinnen, ist er in vielen Fällen auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten angewiesen. Dabei erfährt der BND beispielsweise, welches Erkenntnisinteresse der ausländische Nachrichtendienst verfolgt. Die Zusammenarbeit setzt voraus, dass die beteiligten Nachrichtendienste sich wechselseitig darauf verlassen können, dass von ihnen für geheimhaltungsbedürftig angesehene Informationen auch von der anderen Seite geheim gehalten werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 - BVerfGE 143, 101 Rn. 127; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 - NVwZ 2015, 1383 Rn. 11). Würde der BND über das Ob und Wie seiner Zusammenarbeit mit Dritten sprechen, würde er von den ausländischen Diensten als unzuverlässiger Partner wahrgenommen werden, was die Erfüllung seiner Aufgaben beeinträchtigen könnte. Ergänzend kommt hinzu, dass eine Offenbarung einer Zusammenarbeit des BND mit einem ausländischen Unternehmen hinsichtlich eines bedeutenden Überwachungsinstruments auch die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland mit dem betreffenden ausländischen Staat - vorliegend Israel - beeinträchtigen könnte.
Sind die Eingangsfragen aus Geheimhaltungsgründen nicht zu beantworten, scheidet auch die Beantwortung der weiteren Fragen (2. a) bis h)) aus. Unabhängig davon, ob sich die Fragestellungen auf operative Vorgänge und/oder auf die Arbeitsweise und Methodik des BND beziehen, kommt es auf das Vorliegen einer der übrigen Fallkategorien, in denen das Informationsinteresse des Klägers hinter dem Geheimhaltungsinteresse des Staates zurückstehen müsste, nicht mehr an.
3. Aus Art. 10 EMRK ergeben sich hier wie regelmäßig keine weitergehenden Rechte (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 45, vom 24. Januar 2018 - 6 A 8.16 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 7 Rn. 34, vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 19 Rn. 18 und vom 28. Oktober 2021 - 10 C 3.20 - BVerwGE 174, 66 Rn. 28).
Das VG Köln hat entschieden, dass der Ex-BSI-Präsident Schönbohm keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Mobbings bzw. Verletzung der Fürsorgepflicht gegen die Bundesrepublik Deutschland hat.
Die Pressemitteilung des Gerichts: VG Köln: Ex-BSI-Präsident Schönbohm unterliegt mit Klage gegen Bundesinnenministerium wegen Mobbings
Dem früheren Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm steht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Mobbings oder einer sonstigen Verletzung der Fürsorgepflicht durch seinen Dienstherrn zu. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit einem heute verkündeten Urteil entschieden und damit eine Klage Schönbohms gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), abgewiesen.
Der Kläger war seit 2016 Präsident des BSI. In der Sendung ZDF Magazin Royale vom 07.10.2022 wurde der Eindruck erweckt, er habe Verbindungen zu russischen Geheimdienstkreisen. Die Sendung löste ein erhebliches mediales Echo im Hinblick auf die Stellung des Klägers als Leiter einer großen sicherheitsrelevanten Bundesbehörde aus. Mitte Oktober 2022 stellte der Kläger einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens, um die aus seiner Sicht haltlosen Vorwürfe gegen seine Person aufklären zu lassen. Kurz darauf untersagte das BMI dem Kläger vorläufig die Führung seiner Dienstgeschäfte. Gegen diese Maßnahme beantragte er beim Verwaltungsgericht Köln die Gewährung von Eilrechtsschutz. Noch während des Gerichtsverfahrens versetzte das BMI den Kläger zum BMI und übertrug ihm zum 01.01.2023 die Funktion des Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV). Damit erledigte sich das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen stellte das BMI Ende April 2023 ein. Ende August 2023 erhob der Kläger Klage, mit der er Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro forderte, wobei er sich die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens vorbehielt. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, die Beklagte habe die ihm gegenüber bestehende Fürsorgepflicht in mehrfacher Hinsicht verletzt, um zielgerichtet seine Absetzung als Präsident des BSI zu betreiben. Das Verhalten sei angesichts der gesamten Umstände sogar als Mobbing zu bezeichnen.
Dem ist das Gericht nicht gefolgt. In der mündlichen Urteilsbegründung hat es ausgeführt: Zwar spricht vieles dafür, dass die Beklagte ihrer Fürsorgepflicht nicht hinreichend nachgekommen ist, indem sie sich nicht stärker schützend vor den Kläger gestellt hat. Es lässt sich aber nicht feststellen, dass gerade daraus eine für den geltend gemachten Anspruch erforderliche schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers resultierte. Dieser stand aufgrund der ZDF-Sendung im Fokus der öffentlichen Auseinandersetzung mit den damit verbundenen negativen Folgen für seine Person. Dafür, dass das vom Kläger beanstandete Verhalten den Tatbestand des Mobbings erfüllt, gibt es ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte. Unter Mobbing ist nach gefestigter Rechtsprechung ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren zu verstehen. Dass derlei gegenüber dem Kläger stattgefunden hätte, lässt sich bei einer zusammenfassenden Würdigung der Ereignisse nicht feststellen. Ob das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtmäßig war, muss insoweit nicht entschieden werden. Es war jedenfalls nicht fernliegend, in der damaligen Situation mit dieser Personalmaßnahme auf die öffentliche Debatte zu reagieren. Dass das Verbot gezielt eingesetzt worden wäre, um den Kläger dauerhaft von seiner Position als Präsident des BSI zu entbinden, ist nicht erkennbar. Dagegen spricht auch, dass der Kläger als Beamter ohnehin jederzeit aus dienstlichen Gründen versetzbar war. Ein Beamter hat kein Recht auf Beibehaltung seines bisherigen Aufgabenbereichs. Die Versetzung zur BAköV noch während des laufenden Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Köln spricht vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht für ein systematisches Anfeinden des Klägers, zumal das Amt des Präsidenten der BAköV der Besoldungsgruppe B 8 der Bundesbesoldungsordnung und damit derselben Besoldungsgruppe zugeordnet ist, wie auch das Amt des Präsidenten des BSI. In der Besoldung kommt zugleich zum Ausdruck, dass das Amt des Präsidenten des BSI mit einer exponierten Stellung und einer hohen Verantwortung verbunden ist. In einer solchen Position muss ein Beamter umso eher damit rechnen, in eine auch politisch aufgeladene Auseinandersetzung zu geraten. Dass die Stelle des Präsidenten der BAköV erst kurz vor der Versetzung des Klägers und, wie dieser geltend macht, unter Missbrauch von Steuergeldern von B 6 nach B 8 angehoben worden ist, mag angreifbar sein, lässt für eine Schädigungsabsicht aber ebenfalls nichts Hinreichendes erkennen. Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen gegen den Kläger erst Ende April 2023 eingestellt worden sind, obwohl die Fachebene des BMI bereits im Februar für eine Einstellung votiert hatte.
Soweit der Kläger neben dem Ausgleich immaterieller Nachteile den Ersatz materieller Schäden begehrt, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Die Kosten für seine anwaltliche Vertretung in dem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren sind nur in der Höhe der gesetzlich bestimmten Gebühren erstattungsfähig. In dieser Höhe sind die Anwaltskosten des Klägers aber bereits erstattet worden. Im Hinblick auf Kosten für eine vorgerichtliche Beratung fehlte es zum damaligen Zeitpunkt an einer Fürsorgepflichtverletzung, die einen solchen Anspruch begründen könnte.
Gegen das Urteil kann der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheiden würde.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bremer Polizeigebühren gegen die DFL auf Grundlage von § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes (BremGebBeitrG) zwecks Beteiligung an den Polizeikosten bei Hochrisiko-Spielen verfassungsgemaß ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde daher abgewiesen.
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Polizeikosten bei Hochrisikospielen
Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Erhebung einer Gebühr für den polizeilichen Mehraufwand bei „Hochrisikospielen“ der Fußball-Bundesliga in der Freien Hansestadt Bremen mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Verfassungsbeschwerde der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH blieb daher erfolglos.
Nach dem im November 2014 in Kraft getretenen § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes (BremGebBeitrG) wird bei Veranstalterinnen und Veranstaltern für den polizeilichen Mehraufwand bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen eine Gebühr erhoben, welche nach dem Mehraufwand zu berechnen ist, der aufgrund der Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte entsteht.
Diese Regelung greift in die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Berufsfreiheit der Veranstalterinnen und Veranstalter zwar ein. Der Eingriff ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da die Norm formell und materiell verfassungsgemäß ist. Die Norm genügt als Berufsausübungsregelung insbesondere den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Die Regelung ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Sachverhalt:
Gemäß § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG wird bei Veranstalterinnen und Veranstaltern für den polizeilichen Mehraufwand bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen eine Gebühr erhoben, welche nach dem Mehraufwand zu berechnen ist, der aufgrund der Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte entsteht.
Im Hinblick auf das am 19. April 2015 angesetzte Spiel der Fußball-Bundesliga zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im Bremer Weserstadion unterrichtete die Polizei Bremen die Beschwerdeführerin unter Verweis auf § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG über ihre voraussichtliche Gebührenpflicht als Veranstalterin. Nach den damaligen Erkenntnissen und Informationen sei am Spieltag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fans der Vereine zu rechnen, wenn dem nicht durch den Einsatz von starken Polizeikräften und durch entsprechende Einsatzmaßnahmen effektiv begegnet werde. Am Spieltag selbst verlief der Gesamteinsatz, bei dem die Bremer Polizei von Einsatzkräften aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Hessen und der Bundespolizei unterstützt wurde, nach Bewertung der Polizeiführung insgesamt reibungslos. Die Polizei Bremen erließ gegenüber der Beschwerdeführerin als Veranstalterin des Spiels einen Bescheid über die Erhebung von Gebühren in Höhe eines mittleren sechsstelligen Eurobetrags für den erforderlichen Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte.
Nachdem der hiergegen erhobene Widerspruch der Beschwerdeführerin erfolglos geblieben war, hob das Verwaltungsgericht den angefochtenen Gebührenbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf die Klage der Beschwerdeführerin auf.
Auf die Berufung der Freien Hansestadt Bremen hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen. Die Gebührenregelung des § 4 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BremGebBeitrG sei verfassungsgemäß. In der gegen dieses Urteil gerichteten Revision hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zwar aufgehoben, in der Sache aber weitgehend die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts bestätigt.
Nach der Zurückverweisung hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts erneut aufgehoben und die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen.
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sowie vorrangig gegen die Gebührenregelung selbst und rügt unter anderem eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
Die nur teilweise zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
I. § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG greift zwar in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Veranstalterinnen und Veranstalter ein. Der Eingriff ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
1. Die Norm ist formell verfassungsgemäß, insbesondere steht dem Land insoweit die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 70 GG zu. Gebühren fallen in die Kategorie der nichtsteuerlichen Abgaben und weisen als Vorzugslasten Merkmale auf, die sie verfassungsrechtlich notwendig von der Steuer unterscheiden. Als Gebühren lassen sich danach öffentlich-rechtliche Geldleistungen verstehen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder eine sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und insbesondere dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistungen deren Kosten ganz oder teilweise zu decken oder deren Vorteil oder deren Wert auszugleichen. Bei der durch § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG begründeten Geldleistungspflicht handelt es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe in Form einer Gebühr, da sie für die öffentliche Leistung der konkreten Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte deren Kosten (also den Mehraufwand) den Veranstalterinnen und Veranstaltern auferlegt.
2. § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG ist auch materiell verfassungsgemäß. Insbesondere genügt die Norm als Berufsausübungsregelung den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und dem Bestimmtheitsgebot.
a) Die Regelung zielt darauf ab, die durch die Durchführung der näher beschriebenen Veranstaltungen entstandenen Mehrkosten der Polizei auf die Veranstalterinnen und Veranstalter abzuwälzen, wobei die Kosten an die Stelle verlagert werden sollen, an der die Gewinne anfallen. Auf diese Weise sollen die Mehrkosten der Polizeieinsätze nicht durch die Gesamtheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern jedenfalls auch durch die (un)mittelbaren wirtschaftlichen Nutznießerinnen und Nutznießer der Polizeieinsätze geschultert werden. Dies ist ein legitimes Ziel.
Der Legitimität des mit § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG verfolgten Ziels steht kein verfassungsrechtlich verbürgtes generelles Gebührenerhebungsverbot im Polizeirecht entgegen. Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Die Gefahrenvorsorge ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist.
b) Die Gebührenpflicht ist zur Erreichung des Ziels auch geeignet und erforderlich.
c) Die mit der Gebührenerhebung verbundenen Einschränkungen der nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten beruflichen Freiheit sind angemessen.
aa) Die Gebühr wird insbesondere als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung erhoben.
(1) Es besteht ein hinreichendes Näheverhältnis der Gebührenpflichtigen zur öffentlichen Leistung, also dem Mehraufwand des Polizeieinsatzes. Die Zurechenbarkeit rechtfertigt sich dabei aus einer Gesamtschau mehrerer Gesichtspunkte, die überwiegend dem Veranlasserprinzip zuzuordnen sind.
(a) Indem sie eine Veranstaltung durchführen, bei der erfahrungsgemäß Gewalthandlungen in erheblichem Maße zu erwarten sind (Hochrisikoveranstaltung), veranlassen die Veranstalterinnen und Veranstalter eine deutlich gesteigerte staatliche Sicherheitsvorsorge, nehmen damit begrenzte öffentliche Ressourcen in deutlich übermäßigem Umfang in Anspruch und begründen so ein Näheverhältnis zu der erbrachten staatlichen Leistung, welche ohne die Hochrisikoveranstaltung nicht notwendig wäre.
Zwischen dem Aufwand und der Verursachung besteht dabei auch bei wertender Betrachtung ein Näheverhältnis. Die Nähe zum gebührenpflichtigen Mehraufwand wird im vorliegenden Fall auch durch den besonderen Umfang des Aufwands begründet, der in abgrenzbarer Weise durch die Veranstaltung und gerade nicht durch die Allgemeinheit verursacht wird.
Die sicherheitsrechtliche Lage in einer Stadt, in der eine Hochrisikoveranstaltung durchgeführt wird, unterscheidet sich von einer Normallage in einer Weise, die bei wertender Betrachtung die Einschätzung des Gesetzgebers, hier liege eine quantitative Sondernutzung der Sicherheitsgewährleistung vor, hinreichend trägt. So wurde bei dem Hochrisikospiel, das dem vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren zugrunde liegt, ein Vielfaches an Polizeikräften im Vergleich zu „Nicht-Hochrisikospielen“ eingesetzt.
Die besondere Nähe zu der kostenverursachenden Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte ist weiter auch deshalb gegeben, weil die Durchführung einer Hochrisikoveranstaltung eine besondere Gefahrträchtigkeit in sich birgt und dadurch übermäßig die begrenzten öffentlichen Ressourcen bindet. Insbesondere bei Hochrisikofußballspielen ist die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte wegen der besonderen Gefahrträchtigkeit plausibel und wird durch langjährige Erfahrungen gestützt.
(b) Die von § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG erfassten staatlichen Maßnahmen besitzen weiter deshalb einen spezifischen Bezug zu den in der Vorschrift genannten Veranstaltungen, weil sie gerade deren Durchführung ermöglichen. Die Veranstalterinnen und Veranstalter sind objektiv, ohne es beantragt oder ausdrücklich erwünscht zu haben, Nutznießerinnen und Nutznießer dieser Bereitstellung von Polizeikräften. Die hierdurch ermöglichte Risikominimierung kommt ihnen zugute, weil sie ohne diese ihre Veranstaltung nicht oder zumindest nicht in der gewählten Form ausrichten könnten.
(2) Die individuelle Zurechnung setzt auch nicht die polizeiliche Verantwortlichkeit der Veranstalterinnen und Veranstalter voraus. Das Grundgesetz kennt keinen entsprechenden Grundsatz.
(3) Die durch eine gefahrträchtige Großveranstaltung veranlasste erhöhte Sicherheitsvorsorge bleibt den Veranstalterinnen und Veranstaltern zurechenbar, auch wenn die Realisierung der Gefahr von einem – gegebenenfalls rechtswidrigen – Verhalten Dritter abhängt. Ein vorsätzliches Dazwischentreten Dritter führt jedenfalls dann nicht zwingend zu einer Unterbrechung der Zurechnung des Mehraufwandes, wenn die Veranstaltung in Kenntnis ihrer Gefahrträchtigkeit durchgeführt wird.
bb) Die Bremer Veranstaltungsgebühr beeinträchtigt die Berufsfreiheit der Veranstalterinnen und Veranstalter auch in einer Gesamtschau nicht unangemessen. Grundsätzlich steht das Ziel der Gebühr, nicht die Allgemeinheit mit dem der Polizei entstandenen Mehraufwand bei Hochrisikoveranstaltungen zu belasten, sondern deren Veranstalterinnen und Veranstalter, die den Mehraufwand veranlassen und mit der Veranstaltung einen Gewinn erzielen wollen, nicht außer Verhältnis zu der aus der Gebührenpflicht folgenden Beeinträchtigung beruflicher Freiheit. Insbesondere ist eine unangemessene Belastung oder eine erdrosselnde Wirkung durch § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG nicht erkennbar. Bezogen auf die finanzielle Belastungswirkung ist auch zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG nur einen kleinen Teil von kommerziellen Veranstaltungen betrifft.
d) § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG genügt zudem dem Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit. Die in der Verfassungsbeschwerde bezeichneten Merkmale auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite werfen keine Auslegungsprobleme auf, die nicht mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können. Auch der Umstand, dass die Gebührenhöhe von den Veranstalterinnen und Veranstaltern selbst im Voraus nicht genau berechnet werden konnte, ändert hieran nichts. Das Bestimmtheitsgebot verlangt nicht, dass sich aus den Regelungen zur Bemessung der Gebühr vorab deren exakte Höhe ermitteln lässt.
II. § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Indem die Norm die Gebührenlast für die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte nicht allen Veranstalterinnen und Veranstaltern, sondern nur denjenigen auferlegt, die die in § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG genannten Kriterien erfüllen, differenziert die Norm zwischen verschiedenen Gruppen.
Wegen des vorliegenden Eingriffsgewichts in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist für die hier relevanten Ungleichbehandlungen nicht nur ein sachlicher Grund erforderlich, vielmehr muss das Verhältnis des durch die Ungleichbehandlung beabsichtigten Gemeinwohlgewinns angemessen zu der damit verbundenen Ungleichheit sein. Dies ist der Fall.
1. Die Differenzierungen dienen gerade dazu, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck zu realisieren. Der Aufwand soll dorthin verlagert werden, wo die Gewinne hinfließen und wo sie typischerweise auch vorhanden sind. Indem an die Gewinnorientierung angeknüpft wird, wird die Belastung gerade auf den Bereich verlagert, in dem die Schuldnerinnen und Schuldner einen Vorteil erzielen. Der Unterschied im daraus erwachsenden Vorteil zwischen gewinnorientierten, einen monetären Vorteil ziehenden Veranstaltungen und nicht gewinnorientierten Veranstaltungen ist so groß, dass er die Nichteinbeziehung der nicht gewinnorientierten Veranstaltungen rechtfertigt.
2. Die Beschränkung auf Veranstaltungen mit voraussichtlich mehr als 5.000 zeitgleich teilnehmenden Personen verfolgt das Ziel, nur diejenigen Veranstaltungen zu erfassen, die einen deutlichen polizeilichen Mehraufwand hervorrufen. Das Merkmal verfolgt daher partiell das gleiche Ziel wie das der besonderen Gefahrträchtigkeit. Es soll nur die Veranstaltung, die eine administrativ und finanziell erhebliche Sondernutzung der Gefahrenvorsorge bewirkt, erfasst werden. Darüber hinaus unterstützt die Konzentration auf die Größe der Veranstaltung auch das gleiche Ziel wie das Kriterium der Gewinnorientierung. Es ist anzunehmen, dass eine Veranstaltung umso gewinnbringender ist, je größer sie ist. Die Differenzierung soll gerade das Ziel des Eingriffs ermöglichen und steht nicht außer Verhältnis zur bewirkten Belastung.
Das VG Berlin hat entschieden, dass ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB einem Aukunftsanspruch aus Art 15 DSGVO nicht entgegengehalten werden kann. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei § 273 Abs. 1 BGB nicht um eine zulässige Beschränkung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 DSGVO.
Aus den Entscheidungsgründen: II. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die Klägerin mit der der Beschwerdeführerin erst am 4. März 2022 erteilten Auskunft gegen Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Var. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO verstoßen hat. Die Klägerin war gegenüber der Beschwerdeführerin zur Auskunftserteilung bis zum 22. Januar 2022 verpflichtet (vgl. hierzu unter 1.), hat die begehrte Auskunft jedoch verspätet erteilt (vgl. hierzu unter 2.).
1. Nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Var. 1 DS-GVO hat die betroffene Person gegenüber dem Verantwortlichen einer Verarbeitung personenbezogener Daten das Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten.
Zur Wahrung des Auskunftsrechts ist es erforderlich, dass der Betroffene eine vollständige Übersicht der Daten erhält, die Gegenstand der Verarbeitung sind, in verständlicher Form (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – C-141/12 und C-372/12, ZD 2014, 515, 518). Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ist es, wie sich unter anderem aus Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO ergibt, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, von einer Verarbeitung ihn betreffender personenbezogener Daten Kenntnis zu erhalten, um im Folgenden nicht nur die Richtigkeit dieser Daten, sondern auch die Zulässigkeit ihrer Verarbeitung überprüfen und ggf. die ihm nach den Art. 16 ff. DS-GVO zustehenden Rechte – beispielweise auf Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung der Daten – ausüben zu können (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 – C-487 –, juris Rn. 33f.; vgl. auch: Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Auflage, 2024, DS-GVO Art. 15 Rn. 32; Franck, in: Gola/Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Auflage, 2022, DS-GVO Art. 15 Rn. 22; vgl. zum Vorstehenden: VG Berlin, Urteil vom 6. Februar 2024 – VG 1 K 187/21 –, juris Rn. 34).
Die Klägerin war gegenüber der Beschwerdeführerin aufgrund deren Auskunftsersuchens von 22. Dezember 2021 zu einer Auskunft im oben genannten Sinne verpflichtet. Die Beschwerdeführerin hat die Klägerin mit E-Mail vom 22. Dezember 2021, 15:34 Uhr, um Datenauskunft ersucht, als sie schrieb: „Please send me all my data before deleting the account“.
Anders als die Klägerin meint, stand der Verpflichtung zur Auskunftserteilung kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegen. Denn auf ein solches kann sich die Klägerin im Zusammenhang mit dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO nicht berufen. § 273 Abs. 1 BGB ist hier nach Überzeugung der Einzelrichterin nicht anwendbar (offen gelassen: OLG Düsseldorf, NZG 2023, 1138 Rn. 30, das im Rahmen eines insolvenzrechtlichen Verfahrens bereits die Konnexität verneint; für den umgekehrten Fall im Ergebnis a.A. AG Wiesbaden, ZD 2022, 395 Rn. 20 ff., das die Anwendbarkeit des § 273 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit Art. 15 DS-GVO jedoch nicht thematisiert).
Hierfür sprechen zunächst, die divergierenden Schutzrichtungen des § 273 Abs. 1 BGB und des Art. 15 DS-GVO. Während § 273 Abs. 1 BGB der Schaffung eines Druckmittels zur Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs dient (vgl. Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, 2022, § 273 Rn. 3), ist Art. 15 DS-GVO Ausprägung des Schutzes personenbezogener Daten nach Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) (vgl. Paal, in: Pauly/Paal, DS-GVO/BDSG, 3. Auflage, 2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 3) und in seiner Anwendung in Deutschland auch des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.
Der Auskunftsanspruch aus der Datenschutzgrundverordnung hat per se keinerlei Bezug zu einer vertraglichen Beziehung und setzt eine solche auch nicht voraus – mag der Anspruch in einer Vielzahl von Fällen auch parallel zu einem vertraglichen Verhältnis der Beteiligten geltend gemacht werden.
Darüber hinaus spricht gegen eine Anwendbarkeit des im BGB geregelten Zurückbehaltungsrechts im Rahmen eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO, der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. Als unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltendes EU-Recht hat Art. 15 DS-GVO in seinem Anwendungsbereich Vorrang vor nationalem Recht (vgl. Artikel 288 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]).
Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO kann nur unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 23 DS-GVO beschränkt werden. Nach Art. 23 Abs. 1 DS-GVO können durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter unterliegt, unter anderem die Pflichten und Rechte gemäß den Artikeln 12 bis 22 im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen beschränkt werden, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt, die neben anderen Zielen (vgl. lit. a) bis h)) unter anderem Folgendes sicherstellt: i) den Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen; j) die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche.
Zwar erfüllt § 273 Abs. 1 BGB das Tatbestandsmerkmal der Beschränkung, denn eine solche liegt auch dann vor, wenn die Ausübung eines Rechts zeitlich verzögert wird (vgl. European Data Protection Board, Leitlinien 10/2020 zu Beschränkungen nach Artikel 23 DSGVO, Fassung 2.1, 13. Oktober 2021 Rn. 8, abrufbar: https://www.datenschutz-berlin.de/fileadmin/user_upload/pdf/publikationen/EDSA/ 2020-10_EDSA_Leitlinien_Beschraenkungen-Artikel-23-DS-GVO.pdf, zuletzt abgerufen: 11. Oktober 2024 – im Folgenden: Leitlinien – Rn. 12).
Jedoch liegt im Hinblick auf § 273 Abs. 1 BGB kein Fall einer nach Art. 23 Abs. 1 DS-GVO zulässigen Beschränkung vor. Denn das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB dient nicht der Sicherstellung eines der in Art. 23 Abs. 1 lit. a) bis j) DS-GVO genannten Ziele. In Betracht kommen hier nur Art. 23 Abs. 1 lit. i) Var. 2 (vgl. unter a.) und Art. 23 Abs. 1 lit. j) DS-GVO (vgl. unter b.).
a. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB stellt nicht den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen i.S.d. Art. 23 Abs. 1 lit. i) Var. 2 DS-GVO sicher. Die Norm ist nach Überzeugung der Einzelrichterin im Interesse des effektiven Schutzes der Betroffenenrechte restriktiv auszulegen.
Hierfür spricht zunächst der Wortlaut, wonach eine Beschränkung der Betroffenenrechte zur „Sicherstellung“ des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer möglich ist. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geht jedoch über eine reine „Sicherstellung“ der Rechte anderer hinaus. Dessen Sinn und Zweck besteht vielmehr – wie bereits erwähnt – in der Schaffung eines Druckmittels zur Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs (s.o.).
Für eine restriktive Auslegung des Art. 23 Abs. 1 lit. i) DS-GVO spricht zudem der systematische Vergleich mit den anderen Buchstaben des Art. 23 Abs. 1 (vgl. z.B. lit. a) die nationale Sicherheit; lit. b) die Landesverteidigung; lit. c) die öffentliche Sicherheit; lit. f) den Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und den Schutz von Gerichtsverfahren). Die in den anderen Buchstaben des Art. 23 Abs. 1 DS-GVO benannten Schutzgüter zeigen, dass eine Beschränkung des Auskunftsrechts nach Art. 15 DS-GVO nur in besonders gewichtigen Fällen und zum Schutz hochrangiger (Rechts-)Güter zulässig sein soll (vgl. Leitlinien Rn. 8, die auf „wichtige Ziele“ Bezug nehmen), wozu ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht nach Überzeugung der Einzelrichterin nicht zählt. Dementsprechend benennen die Leitlinien des European Data Protection Boards im Zusammenhang mit Art. 23 Abs. 1 lit. i) DS-GVO beispielhaft den Schutz eines Zeugen, Opfers oder Hinweisgebers im Rahmen eines Disziplinarverfahrens, der durch Beschränkung des Auskunftsrechts nach der DS-GVO vor Vergeltungsmaßnahmen des Auskunftsberechtigten geschützt werden soll (vgl. Leitlinien Rn. 34). In ähnlicher Weise wird in der Literatur darauf Bezug genommen, dass höherrangige, menschenrechtsrelevante Interessen, die Grundlage einer beschränkenden Rechtsvorschrift i.S.d. Art. 23 Abs. 1 lit. i) DS-GVO sein können (vgl. Paal, in: Pauly/Paal, DS-GVO/BDSG, 3. Auflage, 2021, DS-GVO Art. 23 Rn. 42).
Für eine restriktive Auslegung des Art. 23 Abs. 1 lit. i) DS-GVO spricht darüber hinaus der effektive Schutz der Betroffenenrechte. Würde eine Beschränkung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch zugunsten eines Druckmittels zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zugelassen, könnte dieses datenschutzrechtliche Betroffenenrecht weitgehend ausgehebelt werden (vgl. auch Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Auflage, 2024, DS-GVO Art. 23 Rn. 33b, der sich aus diesem Grund gegen eine extensive Auslegung des Art. 23 Abs. 1 lit. j) ausspricht). In der Praxis führte dies etwa dazu, dass eine auskunftsberechtigte Privatperson, in die Lage versetzt würde, gegenüber einem Unternehmen, welches ggf. dauerhaft auf professionelle rechtliche Beratung zurückgreifen kann, nachweisen – und ggf. gerichtlich – durchsetzen zu müssen, dass die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts im konkreten Fall nicht vorliegen. Gerade derartigen Hürden soll der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO jedoch nicht unterliegen, denn dieser soll den Betroffenen die Möglichkeit eröffnen, sich problemlos über die Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten zu informieren (vgl. Paal, in: Pauly/Paal, DS-GVO/BDSG, 3. Auflage, 2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 3).
b. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB stellt auch nicht die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche i.S.d. lit. j) sicher. Die Regelung des lit. j) ist weitestgehend schon von der in lit. i) getroffenen Regelung abgedeckt und stellt hierzu einen Sonderfall dar. Sie entfaltet eigenständige Bedeutung etwa im Bereich der Zwangsvollstreckung oder der Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilprozess (vgl. zum Vorstehenden: Bertermann, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 3. Auflage, 2024, DS-GVO Art. 23 Rn. 13; Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Auflage, 2024, DS-GVO Art. 23 Rn. 33c; Paal, in: Pauly/Paal, DS-GVO/BDSG, 3. Auflage, 2021, DS-GVO Art. 23 Rn. 43).
Aus den o.g. Gründen ist auch Art. 23 Abs. 1 lit. j) DS-GVO restriktiv auszulegen (Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Auflage, 2024, DS-GVO Art. 23 Rn. 33b). Die Norm dient weder dem Zweck, ein informationelles Gleichgewicht zwischen Prozessbeteiligten (vgl. Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Auflage, 2024, DS-GVO Art. 23 Rn. 33d), noch sonst ein (zivilrechtliches) Gleichgewicht zwischen den Parteien herzustellen oder einer Partei ein Druckmittel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Rechte zu verschaffen (s.o.).
2. Die Auskunftserteilung durch die Klägerin gegenüber der Beschwerdeführerin am 4. März 2022 war verspätet. Nach Art. 12 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 DS-GVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den Artikeln 15 bis 22 ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung. Diese Frist kann um weitere zwei Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags über eine Fristverlängerung, zusammen mit den Gründen für die Verzögerung.
Die der Beschwerdeführerin erteilte Auskunft war nicht fristgerecht im Sinne des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO. Die Monatsfrist nach Satz 1 der Norm ist offenkundig nicht gewahrt. Der Auskunftsanspruch der Beschwerdeführerin ist bei der Klägerin erstmals mit E-Mail vom 22. Dezember 2021,15:34 Uhr, eingegangen, als sie schrieb: „Please send me all my data before deleting the account“. Nach Überzeugung der Einzelrichterin geht bereits aus dieser Formulierung – unabhängig von dem durch die Beschwerdeführerin ebenfalls verwendeten Begriff des „subject access requests“, von dem die Klägerin vorträgt, dass ihr Mitarbeiter diesen nicht verstanden habe, eine Auskunftsbegehren i.S.d. Art. 15 Abs. 1 DS-GVO klar und eindeutig hervor. In der Folge hat die Beschwerdeführerin ihr Auskunftsbegehren gegenüber der Klägerin mehrfach wiederholt – so etwa in einer E-Mail vom 23. Dezember 2021, 17:15 Uhr, in der es heißt: „(…) Please send me all of the data that you have collected on me (…)“ oder in einer E-Mail vom 28. Dezember 2021, 00:51 Uhr, in der es heißt: „I am entitled to my data under GDPR. If you refuse to provide this data I will ask the BfDI to fine you for breaking European law“. Unter Berücksichtigung dieser eindeutigen Formulierungen und des Umstandes, dass die Klägerin die Kommunikation mit der Beschwerdeführerin offenkundig unproblematisch in der englischen Sprache geführt hat, ist nach Überzeugung der Einzelrichterin nicht glaubhaft, dass sie das Auskunftsbegehren der Beschwerdeführerin nicht verstanden oder übersehen hätte.
Es liegt auch kein Fall der Verlängerung der Auskunftsfrist i.S.d. Art. 12 Abs. 3 Satz 2, 3 DS-GVO vor. Den offenkundig hat die Klägerin die Auskunftsfrist gegenüber der Beschwerdeführerin nicht verlängert und es ist auch nicht ersichtlich, dass dies erforderlich gewesen wäre; im Übrigen beruft sich die Klägerin hierauf auch nicht.
III. Die Beklagte hat das ihr im Rahmen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO eröffnete Ermessen rechtmäßig ausgeübt und sich für eine Verwarnung i.S.d. des lit. b) entschieden.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (vgl. § 40 VwVfG). Im Sinne des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsumfanges des durch die Verwaltung ausgeübten Ermessens nach § 114 VwGO sind nach der Rechtsprechung der Ermessensausfall, die Ermessensunterschreitung, die Ermessensüberschreitung sowie der Ermessensfehlgebrauch als Ermessensfehler zu prüfen (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage, 2018, § 114 Rn. 84). Auch im Rahmen der Ermessensentscheidung hat die Verwaltung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage, 2018, § 114 Rn. 159). Ein Ermessensfehler liegt unter anderem vor, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung nicht alle diejenigen Gesichtspunkte in den Blick genommen und zutreffend gewürdigt hat, die bei einer Ermessensentscheidung zu beachten sind (vgl. BVerwG, NVwZ 2000, 688).
Gemessen an diesem Maßstab liegen nach Überzeugung der Einzelrichterin keine Ermessensfehler vor. Die Beklagte hat alle relevanten Gesichtspunkte beachtet, insbesondere hat sie den Verstoß der Klägerin als nicht schwerwiegend eingestuft und in ihrer Abwägungsentscheidung ihre Erwartung berücksichtigt, dass die Klägerin sich künftig an datenschutzrechtliche Vorschriften halten werde.
Der Ausspruch einer Verwarnung gegenüber der Klägerin ist zudem verhältnismäßig. Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beklagte nicht verpflichtet, anstelle der Verwarnung als milderes gleich geeignetes Mittel eine Anweisung nach Art. 58 Abs. 2 lit. c) DS-GVO auszusprechen. Denn die Anweisung stellt die gegenüber der Verwarnung schärfere und nicht mildere Maßnahme dar. Dies geht bereits systematisch aus dem Aufbau des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO hervor, der mit den Buchstaben a) ff. eine Steigerung in der Intensität der Maßnahmen erkennen lässt. So sieht etwa lit. a) eine Warnung in Bezug auf voraussichtliche Verstöße als eingriffsschwächste Maßnahme vor, während lit. f) die Verhängung einer vorübergehenden oder endgültigen Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden: Sven Polenz, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, Art. 58 Rn. 6; vgl. auch: Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 3. Auflage, 2024, DS-GVO Art. 58 Rn. 18 ff.; Nguyen, in: Gola/Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Auflage, 2022, DS-GVO Art. 58 Rn. 14). Dass die Verwarnung das gegenüber der Anweisung mildere Mittel ist, ergibt sich auch daraus, dass die Verwarnung zwar einen Verwaltungsakt darstellt, aber – anders als die Anweisung – keine unmittelbare Rechtspflicht auslöst, die Verarbeitung abzustellen oder zu ändern. Wegen der beschränkten Feststellungswirkung ist sie auch nicht vollstreckbar und als solche nicht bußgeldbewehrt, sondern kann lediglich bei späterer Verhängung einer Anweisung wegen einer anderen Maßnahme als bußgelderhöhender Faktor berücksichtigt werden (vgl. Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 3. Auflage, 2024, DS-GVO Art. 58 Rn. 20; Körffer, in: Pauly/Paal, DS-GVO/BDSG, 3. Auflage, 2021, DS-GVO Art. 58 Rn. 18; Sven Polenz, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, Art. 58 Rn. 29). Demgegenüber ist die Anweisung vollstreckbar und nach Art. 83 Abs. 5 lit. e) DS-GVO im Falle ihrer Nichtbefolgung bußgeldbewehrt.
Das VG Berlin hat - was wenig verwunderlich ist - die Klage gegen die Rundfunkbeitragspflicht auf Grundlage einer kostenpflichtigen "Musterklageschrift" aus dem Internet abgewiesen.
Die Pressemitteilung des Gerichts: 55,08 Euro, die nicht lohnen
Der Erwerb einer Musterklageschrift gegen die Zahlung von Rundfunkbeiträgen aus dem Internet führt nicht zwingend zum Erfolg, wie eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zeigt.
Der Kläger hatte im Juni 2024 gegen seine Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen und die Erhebung von Säumniszuschlägen Klage erhoben, wobei er eine 178-seitige Musterklageschrift verwandte, die im Internet für 55,08 Euro bezogen werden kann. Auf der Seite des Anbieters wird hierfür wie folgt geworben:
„Wir gehen gemeinsam mit allen juristischen Mitteln dagegen vor, dass der Rundfunkbeitrag weiterhin festgesetzt und durchgesetzt wird. Das ist eine Aufgabe, die von unseren Rechtsanwälten umfassend ausgearbeitet wurde. Jeder einzelne wird damit in die Lage versetzt, auf höchstem Niveau gegen Beitragsbescheide vorzugehen, datenschutzrechtliche Verfehlungen anzukreiden und auch vor ein Verwaltungsgericht zu ziehen. Die erforderliche Klage mit über 240 Seiten und tausenden Beweisangeboten stellen wir bereit. Eine individuelle, anwaltliche Vertretung mit hohen Kosten ist deshalb nicht mehr erforderlich. Egal, wie die Gegenseite reagiert, erhältst Du die dafür passenden Antwortschreiben für Kommunen und Landesrundfunkanstalten.“
Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Klage in Auseinandersetzung mit sämtlichen Argumenten der Musterklageschrift abgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages für die Beitragserhebung nebst Säumniszuschlägen lägen vor. Die Vorschriften seien in jeder Hinsicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Insbesondere könne der Kläger nicht geltend machen, die Landesrundfunkanstalten verfehlten ihren öffentlich-rechtlichen Programmauftrag strukturell. Er habe nicht dargetan, dass das gesamte Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über einen erheblichen Zeitraum offenkundige und regelhaft auftretende Mängel hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt aufweise. Punktuell auftretende Defizite oder Unausgewogenheit in der Berichterstattung oder sonstigen Formaten reichten hierfür nicht aus.
Die Kammer hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.
Urteil der 8. Kammer vom 14. November 2024 (VG 8 K 123/24)
Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass einen Betroffener keinen Anspruch gegen die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde auf Abhilfemaßnahmen nach Art 58 Abs. 2 DSGVO hat, wenn der Verantwortliche für den Datenschutzverstoß nicht ermittelt werden kann.
Aus den Entscheidungsgründen: Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Beschwerdeentscheidung ist Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DSGVO i. V. m. Art. 77 Abs. 1 DSGVO, sofern das Landgericht U. und die Staatsanwaltschaft U. Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (§ 5 Abs. 4 DSG NRW). Soweit durch das Landgericht U. an die Staatsanwaltschaft U. personenbezogene Daten zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit verarbeitet werden, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörde zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates vom 27. April 2016 (JI-RL) eröffnet. Über die Regelungen in §§ 60 Abs. 2, 61 DSG NRW richtet sich die Beschwerdeentscheidung ebenfalls nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DSGVO i.V.m. Art. 77 Abs. 1 DSGVO.
Aus diesen Rechtsnormen ergibt sich nicht lediglich ein petitionsähnliches Recht in dem Sinne, dass die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt wäre, ob sich die Aufsichtsbehörde mit der Beschwerde befasst, den Beschwerdegegenstand in angemessenem Umfang untersucht und den Beschwerdeführer über das Ergebnis der Prüfung unterrichtet hat.
So noch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Oktober 2020 – 10 A 10613/20 –, juris Rn. 37 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 2020 – 1 S 3001/19 –, juris Rn. 51,
Stattdessen unterliegt die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung durch das Gericht. Insbesondere ist jede Aufsichtsbehörde nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DSGVO verpflichtet, sich in ihrem Hoheitsgebiet mit Beschwerden zu befassen, die jede Person gem. Art. 77 Abs. 1 DSGVO einlegen kann, wenn sie der Ansicht ist, dass eine Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten gegen diese Verordnung verstößt, und den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang zu untersuchen. Die Aufsichtsbehörde muss eine solche Beschwerde mit aller gebotenen Sorgfalt bearbeiten. Hinsichtlich der Bearbeitung von Beschwerden verleiht Art. 58 Abs. 1 DSGVO jeder Aufsichtsbehörde weitreichende Untersuchungsbefugnisse. Stellt eine solche Behörde am Ende ihrer Untersuchung einen Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung fest, ist sie verpflichtet, in geeigneter Weise zu reagieren, um der festgestellten Unzulänglichkeit abzuhelfen. Zu diesem Zweck werden in Art. 58 Abs. 2 DSGVO die verschiedenen der Aufsichtsbehörde zur Verfügung stehenden Abhilfebefugnisse aufgezählt. Hinsichtlich dieser in Art. 58 Abs. 2 DSGVO genannten Abhilfebefugnisse verfügt die Behörde indes über ein Ermessen in Bezug auf die geeigneten und erforderlichen Mittel, welches das Gericht nur dahingehend überprüft, ob die Aufsichtsbehörde die Grenzen ihres Ermessens eingehalten hat.
Vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 – C-26/22 –, juris Rn. 47 ff. sowie bereits: BFH, Urteil vom 12. Dezember 2023 – IX R 33/21 –, juris Rn. 14 ff.; BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 – B 1 KR 15/20 R –, juris Rn. 111; Hamburgisches OVG, Urteil vom 7. Oktober 2019 – 5 Bf 291/17 –, juris Rn. 69 ff.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen handelt es sich bei dem Recht auf Beschwerde nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DSGVO i. V. m. Art. 77 Abs. 1 DSGVO um ein subjektiv-öffentliches Recht, aus dem sich ein gerichtlich überprüfbarer, zweistufiger Anspruch ergibt. Zunächst ist zu prüfen, ob die Aufsichtsbehörde in angemessenem Umfang überprüft hat, ob ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung vorliegt. Für den Fall, dass ein Verstoß festgestellt wird, besteht ein Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein aufsichtsbehördliches Einschreiten der Beklagten.
Vgl. BFH, Urteil vom 12. Dezember 2023 – IX R 33/21 –, juris Rn. 32; VG Hamburg, Urteil vom 1. Juni 2021 – 17 K 2977/19 –, juris Rn. 53.
Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag einen Anspruch auf Verhängung eines Verbots der Datenverarbeitung in Form der Übermittlung seiner personenbezogenen Daten aus den ihn betreffenden Verfahrensakten an Medienvertreter und in Form der Vervielfältigung der Verfahrensakten gegenüber dem „Rechtsträger des Landgerichts U. sowie der Staatsanwaltschaft beim Landgericht U.“ begehrt, kann dahinstehen, ob die Beklagte einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften in angemessenem Umfang überprüft hat. Denn ein Anspruch des Klägers gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO oder gemäß § 60 Abs. 3 DSG NRW entsprechend Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO auf ein aufsichtsrechtliches Tätigwerden der Beklagten gegenüber dem Rechtsträger des Landgerichts U. und der Staatsanwaltschaft U. – nach Auffassung des Klägers das Ministerium für Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen – ist bereits deshalb nicht gegeben, weil dieser nicht Verantwortlicher im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist. Vielmehr sind das Landgericht U. und die Staatsanwaltschaft U. datenschutzrechtlich jeweils selbst verantwortliche Stellen.
Da der Beklagte als Aufsichtsbehörde allein die Einhaltung und Überwachung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen obliegt (vgl. §§ 26, 60 DSG NRW), richtet sich die Verantwortlichkeit für einen Datenschutzverstoß nicht nach zivil- oder strafrechtlichen Vorschriften, sondern allein nach Datenschutzrecht.
Die Rechte und Pflichten aus der DSGVO knüpfen an den Verantwortlichen im datenschutzrechtlichen Sinne an.
Vgl. Schild, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v.Ungern-Sternberg, 49. Edition, Stand 1. August 2024, Art. 4 Rn. 88.
Der Verantwortliche ist nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO für die Einhaltung der in Art. 5 Abs. 1 DSGVO genannten Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich und müssen deren Einhaltung nachweisen können. Nur ihnen gegenüber kann die Beklagte als Aufsichtsbehörde demzufolge Maßnahmen ergreifen. Nur der für die Datenverarbeitung Verantwortliche hat die Möglichkeit, auf die Datenverarbeitung einzuwirken und etwaige Verstöße abzustellen.
„Verantwortlicher“ ist nach der gesetzlichen Definition in Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche bzw. können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden.
Nichts Anderes gilt im Anwendungsbereich der JI-RL und des 3. Teils des DSG NRW, sodass offenbleiben kann, auf welcher Grundlage die (rechtswidrige) Datenverarbeitung durch Weitergabe an Medienvertreter erfolgte. Nach der bezogen auf Behörden gleichlautenden Vorschrift ist „Verantwortlicher“ gemäß Art. 3 Nr. 8 JI-RL, § 36 Nr. 9 DSG NRW die zuständige Behörde, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. „Zuständige Behörde“ wiederum ist nach Art. 3 Nr. 7 JI-RL, § 36 Nr. 8 Buchst. a DSG NRW jede staatliche Stelle, die personenbezogene Daten zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder die Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verarbeitet.
In Bezug auf Behörden oder öffentliche Stellen wird sowohl nach der DSGVO als auch nach der JI-RL hinsichtlich des „Verantwortlichen“ auf die Behörde oder staatliche Stelle als solche abgestellt.
Vgl. Schild, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v.Ungern-Sternberg, 49. Edition, Stand 1. August 2024, Art. 4 Rn. 88.
Das Landgericht U. und die Staatsanwaltschaft U. sind Behörde bzw. staatliche Stelle in diesem Sinne. Als untere Justizbehörden nehmen das Landgericht U. und die Staatsanwaltschaft U. Verwaltungsaufgaben wahr (§ 3 Abs. 2 Gesetz über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen – JustG NRW)). Soweit die Gerichte und die Strafverfolgungsbehörden als Organe der Rechtspflege tätig werden, zählen sie zu den öffentlichen Stellen.
Die für die Datenverarbeitung beim Landgericht U. und bei der Staatsanwaltschaft U. verantwortliche Stelle ist hiernach das Landgericht U. bzw. die Staatsanwaltschaft U. selbst, entweder, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, oder weil sie mit der Bearbeitung der betreffenden Rechtssache befasst sind.
Das schließt die Qualifizierung des „Rechtsträgers des Landgerichts U. bzw. der Staatsanwaltschaft beim Landgericht U.“ – sei es das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, sei es eine andere übergeordnete staatliche Stelle – als „Verantwortlicher“ für die Datenverarbeitung beim Landgericht U. und bei der Staatsanwaltschaft U. und infolgedessen diesem gegenüber die Verhängung eines Verbots der Datenverarbeitung aus. Weder die DSGVO noch die JI-RL stellen bei der Bestimmung des Verantwortlichen auf eine übergeordnete Behörde ab. Vielmehr entscheiden sowohl das Landgericht U. als auch die Staatsanwaltschaft U. als Behörde bzw. staatliche Stelle eigenständig über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten in ihrem Geschäftsbereich. Sind sie allein für die Datenverarbeitung in ihrem Bereich verantwortlich, scheidet auch eine vom Kläger aufgeworfene gemeinsame datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit mit dem Ministerium der Justiz aus.
Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Da ein Adressat aufsichtsrechtlicher Maßnahmen nicht genannt wird, legt das Gericht den Hilfsantrag des Klägers dahingehend aus, dass er die Verpflichtung der Beklagten begehrt, gegenüber dem Verantwortlichen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Weitergabe personenbezogener Daten des Klägers im Geschäftsbereich des Rechtsträgers des LG U. und/oder der Staatsanwaltschaft beim LG U. geführten Verfahrensakten an Dritte zu unterbinden.
Auch mit dem so verstandenen Antrag dringt der Kläger nicht durch.
Die Weitergabe personenbezogener Daten des Klägers aus diesen betreffenden Verfahrensakten vor Verlesung in der Hauptverhandlung an Medienvertreter dürfte zwar objektiv eine rechtswidrige Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO in Form der Offenlegung durch Übermittlung oder Verbreitung darstellen. Weder hat der Kläger in die Übermittlung oder Verbreitung seiner Daten eingewilligt (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a DSGVO), noch ist die Übermittlung oder Verbreitung der Anklageschrift und Teilen der Verfahrensakte an die Presse zur Wahrnehmung der Aufgaben der Justiz erforderlich (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c und e DSGVO). Dasselbe gilt, soweit in Umsetzung der JI-RL der Anwendungsbereich des DSG NRW eröffnet sein sollte, und es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Landgericht U. und die Staatsanwaltschaft U. im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zur Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten und der Strafvollstreckung handelt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 DSG NRW). Gemäß § 37 Nr. 2 DSG NRW müssen personenbezogene Daten für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise verarbeitet werden. Eine schriftliche Einwilligung (§ 38 DSG NRW) des Klägers in die Verbreitung seiner personenbezogenen Daten an die Presse liegt nicht vor.
Gleichwohl hat der Kläger auf den Erlass aufsichtsrechtlicher Maßnahmen keinen Anspruch, weil der Verantwortliche für die Verletzung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten nicht bekannt ist. Es steht nicht fest, ob die rechtswidrige Verbreitung der Anklageschrift und von Teilen der Verfahrensakte im Geschäftsbereich des Landgerichts U. oder im Geschäftsbereich der Staatsanwaltschaft U. oder durch eine andere verantwortliche Stelle oder Person erfolgt ist. Der Präsident des Landgerichts U. gab auf das an ihn gerichtete Auskunftsersuchen der Beklagten nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. e DSGVO hin an, dass die Prozessakte oder Teile hiervon Vertretern der Presse weder im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit noch durch die zuständige Kammer zugänglich gemacht worden seien. Die Leitende Oberstaatsanwältin im U. verwies in ihrer Auskunft auf den Bescheid der Generalstaatsanwältin in D. vom 14. Juli 2021, wonach es keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine strafbare Informationsweitergabe durch die Staatsanwaltschaft U. gebe.
Eine Wahlfeststellung, wie sie der Kläger ins Spiel bringt, kommt von vorneherein nicht in Betracht. Das Rechtsinstitut der Wahlfeststellung setzt in verfahrensrechtlicher Hinsicht u.a. die Gewissheit der Verwirklichung eines von mehreren Strafgesetzen durch den Beschuldigten voraus.
Vgl. Jens Bülte/Gerhard Dannecker/Eric Hilgendorf/Florian Jeßberger/Bernd Schünemann/Jan C. Schuhr/Tonio Walter/Thomas Weigend/Gerhard Werle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, Anhang zu § 1 Wahlfeststellung, IV Nr. 1.
An der Gewissheit, wer den Datenschutzverstoß begangen hat, fehlt es aber gerade.
Das schließt die Ergreifung von Abhilfemaßnahmen nach Art. 58 Abs. 2 DSGVO durch die Beklagte aus. Lässt sich ein Verantwortlicher für den Datenschutzverstoß nicht feststellen, kann die Beklagte als Aufsichtsbehörde weder auf Abhilfe hinwirken noch kann sie gemäß den in der Datenschutzgrundverordnung vorgesehenen Möglichkeiten eine Maßnahme oder Sanktion erlassen.
Die Beklagte konnte den Verantwortlichen auch nicht ermitteln. Das Absehen von weiteren Aufklärungsmaßnahmen ist nicht zu beanstanden.
Um bewerten zu können, ob eine Datenverarbeitung rechtswidrig ist und ob aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind, muss die Aufsichtsbehörde den Sachverhalt ermitteln und alle zur Ermittlung und Überprüfung des Verstoßes erforderlichen Umstände aufklären. Dazu gehört auch die Klärung, wer den möglichen Datenschutzverstoß begangen hat. Denn wenn der Verantwortliche für die Rechtsverletzung nicht feststeht, kommen Abhilfebefugnisse der Aufsichtsbehörde nach Art. 58 Abs. 2 DSGVO mit dem Ziel, den Verstoß abzustellen, von vornherein nicht in Betracht.
Welcher Untersuchungsumfang im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes bei der Bearbeitung einer Beschwerde als "in angemessenen Umfang" anzusehen ist, regelt Art. 57 DSGVO nicht. Aus Erwägungsgrund 141 Satz 2 der DSGVO folgt, dass die Untersuchung vorbehaltlich gerichtlicher Überprüfung so weit gehen soll, wie dies im Einzelfall angemessen ist. Maßstab für den Umfang der Ermittlungen sind danach insbesondere die individuelle Bedeutung der Sache und die Schwere des in Rede stehenden Verstoßes. Insoweit steht der Aufsichtsbehörde ein Ermessen zu.
Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 12. Dezember 2023 – IX R 33/21 –, juris Rn. 30; BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, 49. Edition, Stand 01.05.2024, DSGVO Art. 57 Rz 17; Boehm in Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 57 DSGVO Rz 11 f; Körffer in Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 77 DSGVO Rz 5.
Die gerichtliche Prüfung richtet sich demnach nach § 114 Abs. 1 VwGO.
Bei Ermessensentscheidungen hat das Gericht nur zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat und ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat. Das Gericht darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, wozu auch in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobene Erwägungen zählen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2016 - 10 C 8/15 -, juris Rn. 13 m.w.N.
Nach diesem Maßstab sind Ermessensfehler bei der Entscheidung der Beklagten, von weiteren Aufklärungsmaßnahmen abzusehen, nicht erkennbar.
EuGH
Urteil vom 26.08.2024 C-768/21
Land Hessen (Handlungspflicht der Datenschutzbehörde)
Der EuGH hat entschieden, dass der Betroffene einer Datenschutzverletzung keinen Anspruch gegen die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde auf Verhängung einer Geldbuße oder sonstiger Abhilfemaßnahmen hat.
Tenor der Entscheidung:
Art. 57 Abs. 1 Buchst. a und f, Art. 58 Abs. 2 sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)
sind dahin auszulegen, dass
die Aufsichtsbehörde im Fall der Feststellung einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten nicht verpflichtet ist, nach diesem Art. 58 Abs. 2 eine Abhilfemaßnahme zu ergreifen, insbesondere eine Geldbuße zu verhängen, wenn ein solches Einschreiten nicht geeignet, erforderlich oder verhältnismäßig ist, um der festgestellten Unzulänglichkeit abzuhelfen und die umfassende Einhaltung dieser Verordnung zu gewährleisten.
Die Pressemitteilung des EuGH: Schutz personenbezogener Daten: Die Aufsichtsbehörde ist nicht verpflichtet, in jedem Fall eines Verstoßes eine Abhilfemaßnahme zu ergreifen und insbesondere eine Geldbuße zu verhängen
Sie kann davon absehen, wenn der Verantwortliche bereits von sich aus die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat
In Deutschland stellte eine Sparkasse fest, dass eine Mitarbeiterin mehrmals unbefugt auf personenbezogene Daten eines Kunden zugegriffen hatte. Die Sparkasse setzte den Kunden hiervon nicht in Kenntnis, da ihr Datenschutzbeauftragter der Ansicht war, dass für diesen Kunden kein hohes Risiko bestehe. Denn die Mitarbeiterin hatte schriftlich bestätigt, dass sie die Daten weder kopiert oder gespeichert noch an Dritte übermittelt habe und dass sie dies auch zukünftig nicht tun werde. Außerdem hatte die Sparkasse gegen die Mitarbeiterin Disziplinarmaßnahmen ergriffen. Gleichwohl meldete die Sparkasse diesen Verstoß dem Landesdatenschutzbeauftragten.
Nachdem der Kunde nebenbei von diesem Vorfall Kenntnis erlangt hatte, reichte er bei dem Landesdatenschutzbeauftragten eine Beschwerde ein. Nach Anhörung der Sparkasse teilte der Landesdatenschutzbeauftragte dem Kunden mit, dass er es nicht für erforderlich halte, gegen die Sparkasse Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.
Der Kunde erhob daraufhin Klage bei einem deutschen Gericht und beantragte, den Landesdatenschutzbeauftragten zum Einschreiten gegen die Sparkasse zu verpflichten und insbesondere dazu, gegen die Sparkasse eine Geldbuße zu verhängen.
Das deutsche Gericht hat den Gerichtshof ersucht, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Hinblick auf diese Fragestellung auszulegen.
In seinem Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die Aufsichtsbehörde im Fall der Feststellung einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten nicht verpflichtet ist, eine Abhilfemaßnahme zu ergreifen , insbesondere eine Geldbuße zu verhängen, wenn dies nicht erforderlich ist, um der festgestellten Unzulänglichkeit abzuhelfen und die umfassende Einhaltung der DSGVO zu gewährleisten. Ein solcher Fall könnte u. a. dann vorliegen, wenn der für die Verarbeitung Verantwortliche, sobald er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit die Verletzung abgestellt wird und sich nicht wiederholt.
Die DSGVO räumt der Aufsichtsbehörde ein Ermessen hinsichtlich der Art und Weise ein, wie sie der festgestellten Unzulänglichkeit abhilft.
Dieses Ermessen wird durch das Erfordernis begrenzt, durch den klar durchsetzbaren Rechtsrahmen der DSGVO ein gleichmäßiges und hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten zu gewährleisten.
Es ist Sache des deutschen Gerichts, zu prüfen, ob der Landesdatenschutzbeauftragte diese Grenzen eingehalten hat
OVG Schleswig-Holstein
Urteil vom 07.08.2024 8 A 159/20
Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass bei YouTube veröffentlichte Dashcam-Aufnahmen vom Uploader verpixelt werden müssen, so dass Personen und KfZ-Kennzeichen nicht zu erkennen sind.
Aus den Entscheidungsgründen: Rechtsgrundlage für die Anordnung der Beklagten ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO in Verbindung mit Art. 12, 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO. Gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO verfügt jede Aufsichtsbehörde – und damit auch die Beklagte – über sämtliche Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit dieser Verordnung zu bringen.
Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 DS-GVO trifft der Verantwortliche geeignete Maßnahmen, um der betroffenen Person alle Informationen gemäß den Artikeln 13 und 14 und alle Mitteilungen gemäß den Artikeln 15 bis 22 und Artikel 34, die sich auf die Verarbeitung beziehen, in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln. Die Übermittlung der Informationen erfolgt schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch.
Entgegen der Ansicht des Klägers folgen die ihn treffenden Informationspflichten bei der Erstellung von Videoaufnahmen aus Art. 13 DS-GVO und nicht aus Art. 14 DS-GVO. Insoweit besteht zwischen Art. 13 und 14 DS-GVO im Hinblick auf den Zeitpunkt der Informationspflichten ein wesentlicher Unterschied. Bei Art. 13 DS-GVO sind die nach der Vorschrift erforderlichen Informationen der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten zu erteilen, während bei Art. 14 DS-GVO die Informationen erst innerhalb einer angemessenen Frist nach Erlangung der personenbezogenen Daten, längstens jedoch innerhalb eines Monats erteilt werden müssen (Art. 14 Abs. 3 DS-GVO).
Art. 13 DS-GVO betrifft die Datenerhebung bei der betroffenen Person, während Art. 14 DS-GVO greift, wenn die Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden. Unter welchen Voraussetzungen von einer Datenerhebung bei der betroffenen Person auszugehen ist, ist Art. 13 und 14 DS-GVO nicht zu entnehmen.
Die Abgrenzung der Datenerhebung nach Art. 13 DS-GVO von derjenigen nach Art. 14 DS-GVO hat nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters nach objektiven Kriterien zu erfolgen, insbesondere anhand des Ortes der Datenerhebung (vgl. Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 14 Rn. 30) oder der Mitwirkung der betroffenen Person. Einer Abgrenzung nach subjektiven Kriterien, insbesondere der Kenntnis der betroffenen Person von der Datenerhebung (vgl. dazu Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO - BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 13 Rn. 4) stehen einerseits Abgrenzungsschwierigkeiten entgegen und der Umstand, dass der Verantwortliche anderenfalls durch offene oder verdeckte Datenerhebung wählen könnte, ob Art. 13 oder 14 DS-GVO eingreift. Letzteres wiederum hätte zur Folge, dass sich der Verantwortliche den Informationspflichten letztendlich vollständig durch verdeckte Datenerhebungen entziehen könnte, weil die betroffenen Personen dem Verarbeitenden oftmals unbekannt sind mit der Folge, dass Informationen im Nachhinein aus tatsächlichen Gründen nicht mehr erteilt werden können und der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO griffe (Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 13 f.). Dies ist mit dem in Erwägungsgrund 6 DS-GVO normierten Ziel der Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus trotz Zunahme des Datenaustausches nicht zu vereinbaren.
Vor diesem Hintergrund sind Videoaufzeichnungen unabhängig von der Frage, ob es sich um offene (mit Hinweisschild oder ähnlichem Hinweis) oder verdeckte Aufzeichnungen handelt, als Datenerhebung bei der betroffenen Person nach Art. 13 DS-GVO anzusehen (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 15; a. A. Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 13 Rn. 11b; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 14 DS-GVO Rn. 31.2).
Die Differenzierung nach offenen und verdeckten Videoaufzeichnungen hätte auch hier zur Folge, dass der Verantwortliche im Ergebnis selbst wählen könnte, ob Art. 13 oder 14 DS-GVO einschlägig ist, indem er die Videoaufzeichnung entweder offen oder verdeckt ausführt. Dies hätte wiederum zur Folge, dass bei verdeckten Videoaufzeichnungen letztendlich oft keine Informationspflichten eingehalten werden müssten, weil die aufgezeichneten Personen dem Verantwortlichen unbekannt sind und deshalb der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO greift (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 13 f.).
Bezogen auf das streitgegenständliche Filmen mittels einer auf das Autodach montierten Kamera hätte die Abgrenzung nach dem subjektiven Merkmal der Kenntnis zudem Abgrenzungsprobleme in der Form zur Folge, dass der Kläger jeweils prüfen müsste, ob die Person die Kamera gesehen und damit Kenntnis von den Videoaufzeichnungen hat. In diesem Fall griffe dann Art. 13 DS-GVO. Im anderen Fall, in dem die betroffene Person die Kamera nicht gesehen hat, griffe Art. 14 DS-GVO ein und der Kläger müsste die darin normierten nachträglichen Informationspflichten erfüllen. Dazu müsste der Kläger bei jeder gefilmten Person prüfen, ob diese die Kamera gesehen beziehungsweise auf irgend eine Art davon Kenntnis erlangt hat. Bei allen anderen Personen müsste er prüfen, ob er die Informationen nachträglich erteilen kann oder der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO greift. Diese Vorgehensweise erscheint nicht praxistauglich.
Der Kläger ist ausgehend von diesen Maßstäben nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO verpflichtet, der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung die berechtigten Interessen mitzuteilen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden, wenn die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO beruht.
Der Kläger hat sich vorliegend insbesondere auf seine Kunstfreiheit und seine Berufsfreiheit und damit auf berechtigte Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO berufen.
Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO erfolgt die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch. Jedenfalls über seine berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO kann der Kläger auch in der von ihm gewählten Form informieren, dass sich auf dem Kraftfahrzeug ein Hinweis auf seine Website befindet, auf der dann wiederum die erforderlichen Informationen nachzulesen sind. Insoweit ist ein Medienbruch zulässig (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 12 Rn. 16). Gewisse Verarbeitungssituationen lassen es schlichtweg nicht zu, sämtliche Transparenzinformationen unmittelbar zur Verfügung zu stellen (vgl. Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSH, 3. Aufl. 2022, Art. 13 DS-GVO Rn. 43).
So ist auch hier zu berücksichtigen, dass beim Vorbeifahren eines Kraftfahrzeuges nur in begrenztem Umfang auf dem Kraftfahrzeug angebrachte Informationen von den betroffenen Personen wahrgenommen werden können und diese deshalb auf die essentiellen Informationen beschränkt werden müssen. Dazu zählen die berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO nicht. Hier ist es ausreichend, wenn die betroffenen Personen die Informationen auf Sekundärebene über eine Website abrufen können.
Vor diesem Hintergrund ist auch Ziffer 4 des Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit sich die Nachweispflicht mittels eines Fotos auf die Pflicht bezieht, bei der Anfertigung von personenbezogenen Filmaufnahmen sichtbar darauf hinzuweisen, welche berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO durch die Anfertigung der Filmaufnahmen verfolgt werden.
Im Übrigen sind Ziffer 3 und 4 des Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die für die betroffenen Personen essentiellen Informationen nach Art. 13 Abs. 1 DS-GVO müssen ohne Medienbruch bei der Verarbeitung mitgeteilt werden (vgl. Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSH, 3. Aufl. 2022, Art. 13 DS-GVO Rn. 43). Dazu zählen jedenfalls die von der Beklagten angenommenen Hinweise darauf, dass Filmaufnahmen für den Zweck der Veröffentlichung im Internet erstellt werden (Art. 12 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO), wer Verantwortlicher der Verarbeitung ist sowie dessen Kontaktdaten (Art. 12 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO).
Diese überschaubare Anzahl an Daten kann bei gefilmten Personen bei einem Hinweis auf dem Kraftfahrzeug des Klägers noch wahrgenommen werden. Gleichzeitig ist die Information über diese Daten für die Wahrung der Rechte der betroffenen Personen notwendig, damit auch Personen mit wenig Medienkompetenz hinreichend informiert sind und ihre Rechte möglichst umfassend ausüben können.
Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides ist hinsichtlich der nicht zu beanstandenden Informationspflichten nach Ziffer 3 des Bescheides ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO. Danach verfügt Jede Aufsichtsbehörde über sämtliche Untersuchungsbefugnisse, die es ihr gestatten, unter anderem den Verantwortliche anzuweisen, alle Informationen bereitzustellen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind.
Das von der Beklagten geforderte Foto ist notwendig, um überprüfen zu können, ob der Kläger die von der Beklagten geforderten Informationspflichten nach Art. 13 DS-GVO beachtet. Dazu ist die Beklagte nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO verpflichtet. Ermessensfehler sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. An der Verhältnismäßigkeit bestehen keine Zweifel.
Im Übrigen ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zunächst leidet der Bescheid nicht an fehlender Bestimmtheit. Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, Urt. v. 15. Februar 1990 – 4 C 41.87 – juris Rn. 29).
Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts. Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, sodass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 2013 – 8 C 21.12 – juris Rn. 14).
Gemessen an diesen Maßstäben ist der Bescheid hinreichend bestimmt. Für den Kläger ist unter Berücksichtigung von Tenor und Begründung des Bescheides hinreichend klar, unter welchen Voraussetzungen die Aufnahmen so verändert werden müssen, dass Personen, nicht mehr anhand ihrer äußerlichen Erscheinung identifiziert werden können (Ziffer 1 und 2 des Bescheides) und was für ein Foto er einreichen soll (Ziffer 4 des Bescheides).
Dies ist bei Auslegung des Bescheides aus dem objektiven Empfängerhorizont immer dann der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände des Straßenverkehrs nicht mehr die Straße und die sie umgebende Landschaft die Aufnahme prägt. In den vom Kläger bislang veröffentlichten Aufnahmen prägt – im fließenden Verkehr – ganz überwiegend die Straße und die sie umgebende Straßenlandschaft das Bild. Gelegentlich passiert der Kläger dabei Personen, die jedoch im Hintergrund bleiben und kaum zu erkennen sind.
Anders verhält es sich unterdessen, wenn Personen aufgrund der äußeren Umstände der Verkehrssituation dicht an die auf dem Fahrzeugdach montierte Kamera herantreten, insbesondere an Ampeln, bei Verkehrsüberwegen und an Kreuzungen. In diesem Fall gerät die Person – angesichts der geringen Geschwindigkeit eines Fußgängers, Fahrradfahrers etc. über einen längeren Zeitraum – in den Fokus der Aufnahme mit der Folge, dass die Straße und die Straßenlandschaft verdeckt wird und in den Hintergrund gerät.
Zugegebenermaßen verbleiben dabei Abgrenzungsschwierigkeiten, weil nicht anhand fester Kriterien vom Kläger oder einem eingesetzten Algorithmus festgestellt werden kann, wie lange etwa eine Person aufgezeichnet werden muss, welchen Anteil sie vom Bildausschnitt ausfüllen muss beziehungsweise ab welcher Entfernung zur Kamera eine Anonymisierung zu erfolgen hat. Derartige feste Kriterien sind jedoch für die Abgrenzung nicht geeignet, weil anhand festgelegter Werte die Umstände der jeweils gegebenen konkreten Situation der Aufnahme nicht hinreichend gewürdigt werden können. Verbleibende Abgrenzungsschwierigkeiten sind in Kauf zu nehmen.
Dies vorangestellt hat die Beklagte zu Recht die Abgrenzungskriterien der sogenannten Beiwerk-Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG entsprechend herangezogen.
Nach dieser Vorschrift dürfen ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen. Auch hier ist die Abgrenzung zwischen Haupt- und Beiwerk schwierig.
Die Vorschrift stellt in erster Linie auf das Verhältnis des Abgebildeten zu der übrigen Aussage des Bildes, auf seinen Stellenwert im Gesamteindruck des Bildes, nicht auf den Grad seiner Erkennbarkeit ab. Von einem Beiwerk in diesem Sinn kann grundsätzlich dann keine Rede sein, wenn die Person das Bild fast ganz ausfüllt (BGH, Urt. v. 26. Juni 1979 – VI ZR 108/78 – juris Rn. 18). Maßgeblich ist, ob entsprechend dem Gesamteindruck der Veröffentlichung die Landschaft oder die sonstige Örtlichkeit Abbildungsgegenstand ist und die einzelnen Abgebildeten nur "bei Gelegenheit" erscheinen oder ob einzelne aus der Anonymität herausgelöst werden (LG Oldenburg, Beschl. v. 23. uar 1986 – 5 O 3667/85 – GRUR 1986, 464, 465). Voraussetzung hierfür ist, dass nach dem Gesamteindruck der Veröffentlichung die Landschaft der den Gesamtcharakter des Bildes prägende Abbildungsgegenstand ist und die auf dem Bild erkennbaren Personen derart untergeordnetes Beiwerk darstellen, dass sie auch entfallen könnten, ohne dass Inhalt und Charakter des Bildes sich veränderten (OLG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 14. November 1988 – 13 U 72/88 – juris Rn. 28). Die Personenabbildung muss derart untergeordnet sein, dass sie auch entfallen könnte, ohne dass Gegenstand und Charakter des Bildes sich verändern. Wesentlich ist damit, dass die Personendarstellung untergeordnet und nicht selbst Thema des Bildes ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18. August 1989 – 14 U 105/88 – juris Rn. 27). Der Stellenwert der Personen entsprechend dem Gesamteindruck des Bildes muss gegenüber dem Stellenwert der Landschaft erheblich niedriger sein (OLG München, Urt. v. 13. November 1987 – 21 U 2979/87 – juris Rn. 31).
Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat die Beklagte zu Recht für maßgeblich im Hinblick auf die Pflicht zur Anonymisierung darauf abgestellt, ob sich eine Person nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befindet.
In Bezug auf die in Ziffer 4 des Bescheides angeordnete Verpflichtung, durch Übersendung eines Fotos die Erfüllung der Informationspflichten nach Ziffer 3 des Bescheides nachzuweisen, bestehen im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz keine Bedenken. Es ist ohne weiteres verständlich, dass ein Foto des klägerischen Kraftfahrzeuges mit den nach Ziffer 3 des Bescheides geforderten Informationen einzureichen ist.
Rechtsgrundlage für Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO. Danach verfügt jede Aufsichtsbehörde über Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, zu verhängen.
Tatbestandsvoraussetzung für die Abhilfemaßnahmen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ist das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO. Ein solcher Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn Daten ohne entsprechende Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Dies war vorliegend der Fall.
Das Veröffentlichen von Aufnahmen, bei denen Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden und Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelesen werden können, stellt eine rechtswidrige Datenverarbeitung dar.
Bei der Veröffentlichung von Filmen, auf denen betroffene Personen zu erkennen sind, handelt es sich um personenbezogene Daten. Dazu zählen nach Art. 4 Nr. 1 Hs. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird nach Art. 4 Nr. 1 Hs. 2 DS-GVO eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.
Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt daher unter den Begriff der personenbezogenen Daten, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. EuGH, Urt. v. 11. Dezember 2014 – C-212/13 – juris Rn. 22). Dies ist jedenfalls für Personen anzunehmen, die sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden. Anhand ihrer äußeren Erscheinung können sie zumindest über Fotos sowie durch Personen, denen die äußere Erscheinung bekannt ist, identifiziert werden.
Auch Kraftfahrzeug-Kennzeichen stellen personenbezogene Daten dar, weil sie einem Halter und gegebenenfalls auch einem Fahrer zurechenbar sind (vgl. Schild in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 4 DS-GVO Rn. 21). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Halterabfragen beim Kraftfahrt Bundesamt nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.
Dies gilt uneingeschränkt für alle Kennzeichen, unabhängig davon, ob das Fahrzeug auf eine natürliche oder juristische Person zugelassen ist, weil die Kennzeichen auch bei auf juristische Personen zugelassenen Kraftfahrzeugen Rückschlüsse auf die Fahrer vermitteln können. Die DS-GVO findet nach Erwägungsgrund 14 auf juristische Personen keine Anwendung. Die hinter der juristischen Person stehenden natürliche Personen sind jedoch geschützt, wenn sich die Daten der juristischen Person auch auf sie beziehen (vgl. Gola in: Gola/Heckmann, DS-GVO - BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 4 Rn. 28). Jedenfalls Mitarbeiter oder anderweitig informierte Personen können ein Kraftfahrzeug einer juristischen Person über das Kennzeichen einer natürlichen Person als Fahrer zuordnen. So könnte etwa festgestellt werden, dass der Fahrer eines Fahrzeugs seines Arbeitsgebers (juristische Person) bei einer Dienstfahrt von der vorgegebenen Route abgewichen und in seiner Dienstzeit einer privaten Tätigkeit nachgegangen ist.
Im Einzelfall mag bei auf juristische Personen zugelassenen Fahrzeugen eine Identifizierung des Fahrers selbst unter Auswertung sämtlicher Datenquellen nicht möglich sein. Unter dem Aspekt einer praxistauglichen datenschutzrechtlichen Verfügung ist es jedoch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides diese Fälle nicht vom Anwendungsbereich ihrer Anordnung ausgenommen hat. Es ist in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich, zu erkennen, ob ein Kraftfahrzeug auf eine juristische oder eine natürliche Person zugelassen und deshalb dem Anwendungsbereich der DS-GVO unterfällt oder nicht. Dies ließe sich allenfalls durch eine Halterauskunft ermitteln. Auch Werbeaufschriften oder Ähnliches auf Fahrzeugen lassen keinen sicheren Schluss auf den Halter des Fahrzeugs zu, weil jeder Halter beziehungsweise Eigentümer eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich frei über die äußere Gestaltung seines Fahrzeugs entscheiden kann. Zudem kann der Verantwortliche nicht erkennen, ob über das Kennzeichen etwa mittels eines Fahrtenbuches möglicherweise Rückschlüsse auf den Fahrer als natürliche Person gezogen werden können.
Das von dem Bescheid der Beklagten erfasste Veröffentlichen der Filme auf der Website Youtube stellt eine Datenverarbeitung dar. Nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO bezeichnet „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie unter anderem die Speicherung und die Offenlegung durch Verbreitung.
Die Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der unter den Buchst. a bis f aufgeführten Bedingungen erfüllt ist.
Insbesondere eine Einwilligung der gefilmten Personen liegt nicht vor. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Das Filmen und die Veröffentlichung der Aufnahmen ohne Anonymisierung ist zunächst als Betätigung der von Art. 13 GRCh geschützten Kunstfreiheit, der von Art. 15 Abs. 1 GRCh geschützten Berufsfreiheit und der von Art. 16 GRCh geschützten Unternehmerischen Freiheit einzuordnen und stellt damit ein berechtigtes Interesse dar.
Die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen auch erforderlich. Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn kein anderes, gleich effektives Mittel ersichtlich ist (VG Ansbach, Urt. v. 23. Februar 2022 – AN 14 K 20.00083 – juris Rn. 40). Die Anonymisierung stellt kein gleich effektives Mittel dar, weil sie den Kläger in seiner Kunstfreiheit, Berufsfreiheit und der Unternehmerischen Freiheit beeinträchtigt.
Die Beklagte ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die Abwägung hier zu Lasten des Klägers ausfällt.
Abzuwiegen sind hier die berechtigten Interessen des Klägers als Verantwortlichen einerseits und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, andererseits. Erfasst – wie hier – derselbe Sachverhalt eine Vielzahl von betroffenen Personen, erfolgt die Abwägung anhand einer summarischen Prüfung der Belange der betroffenen Personen unter Zugrundelegung von Erfahrungswerten (Schulz in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 63).
Maßgeblich ist insoweit insbesondere die Eingriffsintensität, die Art der betroffenen Personen, die Zwecke der Datenverarbeitung sowie die Sphäre, in die eingegriffen wird (vgl. Schulz in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 63).
Die gefilmten Personen sind in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG berührt und zwar in erheblicher Weise.
Zunächst handelt es sich angesichts der Vielzahl an veröffentlichten Videos um eine erhebliche Vielzahl an betroffenen Personen, auch wenn je Video abhängig von der gefilmten Straßenlandschaft teilweise nur vereinzelt Personen in den Vordergrund des Bildausschnitts geraten. Die zufällig gefilmten Personen können sich dem Filmen zudem kaum beziehungsweise nur dann entziehen, wenn sie die Kamera bemerkt haben. Dies ist gerade bei größeren Kreuzungen oder unübersichtlicheren Verkehrssituationen oder wenn die gefilmten Personen durch Gespräche, Telefonate etc. abgelenkt sind nicht unbedingt der Fall.
Eingriffsmindernd ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass die Personen lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen sind. Die belastenden Auswirkungen der Verarbeitung auf die betroffenen Personen stellen sich zudem nach allgemeiner Lebenserfahrung und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als eher gering dar.
Dennoch überwiegen diese Interessen der betroffenen Personen die berechtigten Interessen des Klägers. Die Verpflichtung des Klägers, die veröffentlichten Filmaufnahmen aus dem öffentlichen Straßenverkehr so zu verändern, dass Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden, nicht mehr anhand ihrer äußerlichen Erscheinung identifiziert werden können und Kraftfahrzeug-Kennzeichen nicht gelesen werden können, stellt nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters einen Eingriff von geringer Intensität dar. Betroffen sind zunächst nur besondere Situationen, in denen Personen – anders als im fließenden Verkehr – in den Vordergrund geraten. Der ganz überwiegende Anteil der Aufnahmen ist nicht von der Pflicht zur Anonymisierung betroffen. Unter Würdigung der Gesamtumstände werden die vom Kläger erstellten und veröffentlichten Aufnahmen von Straßenlandschaften in ihrer Darstellung und Wirkung durch die Anonymisierung der Personen, die sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden, lediglich geringfügig beeinträchtigt, weil sich der Eindruck der Straßenlandschaft durch die Anonymisierung kaum verändert. Die abgebildete Person ist lediglich nicht mehr zu erkennen.
Erwägungsgrund 47 Satz 4 DS-GVO sieht zudem vor, dass insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen könnten.
Im öffentlichen Straßenverkehr können betroffene Personen grundsätzlich davon ausgehen, dass sie nicht gefilmt werden. Da vorliegend nichts dafür spricht, von diesem Grundsatz abzuweichen, führt auch dies zu einem Überwiegen der Interessen der betroffenen Personen.
Diese Wertung muss erst Recht für Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelten. Es mag für den Kläger zusätzlichen Aufwand bedeuten, die Kennzeichen etwa durch eine Verpixelung zu anonymisieren. Im Übrigen werden die Aufnahmen der Straßenlandschaften durch die Anonymisierung der Kennzeichen jedoch nur sehr geringfügig verändert, so dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG der Halter beziehungsweise Fahrer der gefilmten Kraftfahrzeuge überwiegt.
Rechtsfolge von Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO ist, dass der Aufsichtsbehörde bezüglich der Wahl der konkreten Abhilfemaßnahme ein Ermessen zusteht (vgl. dazu Erwägungsgrund 129 DS-GVO), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, § 114 VwGO. Vorliegend sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die Beklage hat ihr Ermessen ausgeübt, indem sie unter den verschiedenen Möglichkeiten die aus ihrer Sicht am wenigsten einschränkende, lediglich punktuelle Veränderung der Aufnahmen angeordnet hat (vgl. S. 8 des Bescheides).
Das VG Köln hat entschieden, dass die Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Vergabe- und Auktionsregeln für die Versteigerung der 5G-Mobilfunkfrequenzen 2019 rechtswidrig war.
Die Pressemitteilung des Gerichts: VG Köln: Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Vergabe- und Auktionsregeln für die im Jahr 2019 durchgeführte Versteigerung der 5G-Mobilfunkfrequenzen ist rechtswidrig
Die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 26. November 2018 über die Vergabe- und Auktionsregeln für die im Jahr 2019 durchgeführte Versteigerung der für den 5G-Mobilfunk besonders geeigneten Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz ist rechtswidrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln durch Urteil vom gestrigen Tag (26. August 2024) entschieden und die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung verpflichtet.
Für die Zuteilung der genannten Frequenzen ordnete die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur am 14. Mai 2018 ein Vergabeverfahren an und bestimmte, dieses als Versteigerungsverfahren durchzuführen (BK1-17/001, Teil I und II). Am 26. November 2018 erließ die Präsidentenkammer die im vorliegenden Verfahren angegriffene Entscheidung über die Vergabe- und Auktionsregeln (BK1-17/001, Teil III und IV). Die Versteigerung wurde im Jahr 2019 durchgeführt und erzielte Erlöse in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro.
Die Vergaberegeln in der Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018 umfassen unter anderem die Frequenznutzungsbestimmungen für die späteren Zuteilungsinhaber. Hierzu gehören z.B. konkrete Versorgungsverpflichtungen für Haushalte und Verkehrswege sowie eine sog. Diensteanbieterregelung. Durch diese werden die späteren Zuteilungsinhaber verpflichtet, mit Diensteanbietern ohne eigene Netzinfrastruktur über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln.
Dieses Verhandlungsgebot halten die hier klagenden Diensteanbieterinnen für unzureichend. Sie beantragten bereits im Verfahren vor der Präsidentenkammer eine sog. Diensteanbieterverpflichtung. Diese Anträge verfolgten sie mit ihren im Dezember 2018 erhobenen Klagen weiter. Sie begründeten ihre Klagen mit schwerwiegenden Verfahrens- und Abwägungsfehlern der Präsidentenkammerentscheidung. Das Verfahren sei insbesondere durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Leitung des damaligen Bundesministers Scheuer in rechtswidriger Weise beeinflusst worden. Dies ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen des BMVI, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundeskanzleramts, die die Klägerinnen nach erfolgreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes erhalten hatten.
Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klage der einen Diensteanbieterin mit Urteil vom 3. Juli 2019 zunächst als unzulässig abgewiesen (Az.: 9 K 8489/18). Mit Urteil vom 21. Oktober 2021 (Az.: 6 C 8.20) hob das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung teilweise auf und verwies sie insoweit an das Verwaltungsgericht Köln zurück. Hierzu führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass aufzuklären sei, ob mit Blick auf die Präsidentenkammer eine Besorgnis der Befangenheit bestanden habe, ob es zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationaler Regulierungsbehörde gekommen sei und ob die Abwägung der Präsidentenkammer unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Vorfestlegung fehlerhaft gewesen sei. Denn es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass das BMVI in erheblichem Umfang versucht habe, insbesondere auf die Festlegung der Versorgungsverpflichtungen Einfluss zu nehmen. Hierzu bedürfe es weiterer Sachverhaltsaufklärung. Insbesondere sei aufzuklären, wie die Präsidentenkammer auf den politischen Druck reagiert habe.
In dem zurückverwiesenen Verfahren (neues Az.: 1 K 1281/22) sowie in dem noch anhängigen Verfahren der zweiten Diensteanbieterin (Az.: 1 K 8531/18) führte das Verwaltungsgericht Köln Anfang Juni 2024 eine Beweisaufnahme durch. Hierzu vernahm das Gericht die seinerzeitigen Mitglieder der Präsidentenkammer – den ehemaligen Präsidenten der Bundesnetzagentur Homann und die ehemaligen Vizepräsidenten Dr. Eschweiler und Franke – sowie den damaligen Leiter der Fachabteilung Dr. Hahn.
Mit dem gestern nach mündlicher Verhandlung verkündeten Urteil hat das Verwaltungsgericht Köln die Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018 aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Anträge der Klägerinnen auf Aufnahme einer Diensteanbieterverpflichtung neu zu bescheiden. Zur Begründung führte die Vorsitzende der 1. Kammer bei der Urteilsverkündung aus:
„Die Präsidentenkammerentscheidung ist formell rechtswidrig. Die konkrete Verfahrensgestaltung der Präsidentenkammer begründet gegenüber allen drei Mitgliedern die Besorgnis der Befangenheit. Hierfür ist nicht erforderlich, dass das Mitglied tatsächlich befangen war. Es reicht der ‚böse Schein‘. Dieser kann sich auch daraus ergeben, dass sich die Verfahrensgestaltung des Amtswalters so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass für den davon betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung entsteht.
Vorliegend ergibt sich die Besorgnis der Befangenheit zwar nicht schon aus der Teilnahme einzelner Mitglieder der Präsidentenkammer an Gipfelveranstaltungen und anderen Terminen im Zusammenhang mit der Behördenleitung (wie dem Mobilfunkgipfel am 12. Juli 2018). Das Gericht ist aber überzeugt, dass die Präsidentenkammer dem massiven Druck von Seiten des BMVI zumindest teilweise nachgegeben hat. Das BMVI versuchte während des gesamten Vergabeverfahrens im Jahr 2018 in erheblicher Weise, auf die Entscheidungen der Präsidentenkammer Einfluss zu nehmen, indem es sich für strengere Versorgungsverpflichtungen einsetzte. Parallel zum streitigen Verfahren fand am 12. Juli 2018 ein allein vom BMVI initiierter und vorbereiteter Mobilfunkgipfel statt, bei dem der Bund den bei der 5G-Frequenzversteigerung erfolgreichen Netzbetreibern im Fall verbindlicher Erschließungszusagen den Aufschub des Zahlungsbeginns und die Stundung der Zahlung der Auktionserlöse in Aussicht stellte.
Die Einflussnahme des BMVI auf das Verfahren zeigt sich in der Gesamtschau verschiedener Reaktionen der Präsidentenkammer, etwa zu Beginn des Verfahrens im Zurückziehen erster Erwägungen, oder in der terminlichen Gestaltung des Verfahrens wie der aus Rücksicht auf das BMVI erfolgten Verlegung der mündlichen Anhörung auf den Tag nach dem Mobilfunkgipfel. Darüber hinaus gab es nach der Veröffentlichung des Konsultationsentwurfs im September 2018 mehrere persönliche Treffen zwischen Mitgliedern der Präsidentenkammer und den damaligen Bundesministern Scheuer und Altmaier sowie dem seinerzeitigen Chef des Bundeskanzleramts Prof. Dr. Braun. Bei diesen Treffen wurde die Präsidentenkammer nachdrücklich zu Änderungen des Entwurfs aufgefordert, u.a. wurde ihr ein ,Fünf-Punkte-Plan‘ zur Sicherstellung der im Koalitionsvertrag der Großen Koalition enthaltenen Ziele im Bereich Mobilfunk übergeben. Zwar sind politische Stellungnahmen unschädlich, soweit Ministerien diskursive Beteiligungsrechte wahrnehmen, die ihnen in einem institutionalisierten Rahmen zukommen. Ein solcher Rahmen lag hier aber weder vor noch wurde er durch die Präsidentenkammer geschaffen. Die mangelnde Transparenz ließ für die am Vergabeverfahren beteiligten Kreise den Eindruck eines politischen und damit für die Frequenzversteigerung sachwidrigen ‚Nebenverfahrens‘ entstehen.
Aus denselben Gründen ist das Gericht überzeugt, dass es im Vergabeverfahren zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationaler Regulierungsbehörde gekommen ist. Dies folgt nicht schon daraus, dass das BMVI die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur etwa nicht respektierte. Der Verstoß ergibt sich daraus, dass die Bundesnetzagentur ihre Unabhängigkeit nicht ausreichend aktiv geschützt hat, indem sie die ministeriellen Einflussnahmeversuche weder auf Ebene der Ministertreffen noch auf Facharbeitsebene unterbunden hat.
Nach alledem leidet die Präsidentenkammerentscheidung auch an einem materiellen Fehler im Abwägungsvorgang. Da die Forderungen des BMVI teilweise Eingang in die Vergaberegeln gefunden haben, kann die Annahme einer faktischen Vorfestlegung nicht ausgeschlossen werden. Es liegt vielmehr nahe, dass die Präsidentenkammer ihre Entscheidung ohne die massive Einflussnahme durch das BMVI im Einzelnen anders ausgestaltet hätte.“
Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu, über die – sofern das Verwaltungsgericht Köln der Beschwerde nicht abhelfen würde – das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden würde.