EuGH
Beschluss vom 16.10.2023 C-761/22
Verband Wirtschaft im Wettbewerb ./. Roller GmbH & Co. KG
Der EuGH hat entschieden, dass die Werbung für Backöfen und Dunstabzugshauben die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Effizienzklassen enthalten muss.
Die Pressemitteilung des EuGH: In der Werbung für Haushaltsbacköfen und -dunstabzugshauben muss sowohl auf die Energieeffizienzklasse dieser Produkte als auch auf das Spektrum der Effizienzklassen hingewiesen werden
Der deutsche Möbel-Discounter Roller bewarb auf seiner Website eine Küchenzeile. In dieser Werbung war die Energieeffizienzklasse des Einbau-Backofens und der Haushaltsdunstabzugshaube angegeben, nicht aber das Spektrum der Energieeffizienzklassen auf dem Etikett der betreffenden Geräte.
Ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs erhob bei einem deutschen Gericht Klage auf künftige Unterlassung solcher Werbung.
Das deutsche Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Lieferanten und Händler nach dem Unionsrecht verpflichtet sind, in ihrer Werbung für Backöfen und Dunstabzugshauben die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Energieeffizienzklassen anzugeben. Falls dies zu bejahen sein sollte, möchte es wissen, wie sie ihrer Verpflichtung nachkommen können.
In seinem Beschluss vom 5. Oktober 2023 stellt der Gerichtshof fest, dass die Lieferanten und Händler eines Produkts in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung oder in ihrem technischen Werbematerial auf die
Energieeffizienzklasse dieses Produkts und das Spektrum der auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe verfügbaren Effizienzklassen hinweisen müssen. Dies gilt auch dann, wenn die Kommission
noch keinen delegierten Rechtsakt erlassen hat, in dem festgelegt wird, wie ein solcher Hinweis vorzunehmen ist.
In Bezug auf Haushaltsbacköfen und -dunstabzugshauben gibt es bislang keinen solchen delegierten Rechtsakt.
Unter diesen Umständen verfügen die Lieferanten und Händler über einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Art und Weise, in der sie auf die Energieeffizienzklassen und ‑spektren hinweisen; der Ausübung dieses Spielraums sind jedoch Grenzen gesetzt.
So muss die Gestaltung der Energieeffizienzklassen und ‑spektren in der Werbung möglichst der Gestaltung auf dem Energieetikett der betreffenden Backöfen oder Dunstabzugshauben entsprechen. Ist eine solche Gestaltung nicht möglich, müssen Klasse und Spektrum jedenfalls lesbar und sichtbar in einer Weise angegeben werden, die den Anforderungen an die Information des Verbrauchers genügt.
Der Gerichtshof nennt hierfür einige Beispiele, unbeschadet anderer denkbarer Lösungen: In der Werbung können die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Effizienzklassen lesbar und sichtbar mittels einer für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher leicht verständlichen Wendung (wie etwa: „Die Energieeffizienzklasse dieses Modells/Produkts ist [einschlägiger Buchstabe] innerhalb eines Spektrums von [erster Buchstabe] bis [letzter Buchstabe]“) angegeben oder der Buchstabe der betreffenden Klasse in einem Pfeil mit der Hintergrundfarbe des entsprechenden Buchstabens des Spektrums der Effizienzklassen wiedergegeben und neben diesem Pfeil der Umfang des Spektrums mittels einer Angabe oder eines äquivalenten Symbols präzisiert werden, die oder das für einen solchen Verbraucher leicht verständlich ist. Positionierung, Schriftart und Schriftgröße dieser Hinweise sind so zu wählen, dass sie lesbar und sichtbar sind und somit für den Verbraucher klar aus der Werbung hervorgehen.
Tenor der Entscheidung:
Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2017 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU
ist dahin auszulegen, dass
die Lieferanten und Händler eines Produkts verpflichtet sind, in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung oder ihrem technischen Werbematerial für ein bestimmtes Produktmodell auf dessen Energieeffizienzklasse und auf das Spektrum der auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe verfügbaren Effizienzklassen hinzuweisen, wenn diese Produktgruppe Gegenstand eines auf der Grundlage der Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Angabe des Verbrauchs an Energie und anderen Ressourcen durch energieverbrauchsrelevante Produkte mittels einheitlicher Etiketten und Produktinformationen erlassenen delegierten Rechtsakts und nicht eines auf der Grundlage der Verordnung 2017/1369 erlassenen delegierten Rechtsakts ist.
Sieht dieser delegierte Rechtsakt nicht vor, in welcher Weise die Lieferanten und Händler einen solchen Hinweis vornehmen müssen, und ist für die betreffende Produktgruppe noch kein delegierter Rechtsakt auf der Grundlage von Art. 16 der Verordnung 2017/1369 erlassen worden, müssen sie in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung und ihrem technischen Werbematerial auf die Energieeffizienzklasse dieses Produkts und das Spektrum der Effizienzklassen in gleicher Weise hinweisen wie auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe, sofern eine solche Gestaltung angesichts von Art, Größe und kommerziellen Erfordernissen der Werbung und des Werbematerials lesbar und sichtbar bleibt.
Ist eine solche Gestaltung nicht möglich, müssen sich die Lieferanten und Händler jedenfalls für eine äquivalente Gestaltung entscheiden, die den Anforderungen an die Information des Verbrauchers sowie den aus der Verordnung 2017/1369 resultierenden Erfordernissen der Lesbarkeit und Sichtbarkeit entspricht.
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Klausel in den AGB einer Bank, die einen pauschalierten Institutsaufwand für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung vorsieht, unzulässig ist, sofern dem Verbraucher nicht ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt wird, einen geringeren Aufwand nachzuweisen.
Die Pressemitteilung des Gerichts:: Rückführung Darlehen - Pauschalierter Institutsaufwand ist unzulässig
Die von der beklagten Bank verwendete Software integrierte bei der vorzeitigen Rückführung eines Verbraucherimmobiliar-Darlehens in die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einen pauschalierten sog. Institutsaufwand in Höhe von 300,00 €. Dies ist unzulässig, sofern dem Verbraucher nicht ausdrücklich der Nachweis eines geringeren oder vollständig entfallenden Schadens möglich ist, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil.
Der Kläger nimmt das beklagte Kreditinstitut auf Unterlassen der Berechnung eines pauschalierten sog. Institutsaufwands in Höhe von 300,00 € in Anspruch. Er hatte bereits 2017 vor dem Landgericht erstritten, dass die Beklagte bei der vorzeitigen Rückzahlung eines Darlehens nicht pauschal einen in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesenen „Verwaltungsaufwand“ in Höhe von 300,00 € verlangen kann.
Das Landgericht hatte die hiesige Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Die Beklagte könne nicht pauschal einen sog. Institutsaufwand von 300,00 € verlangen. Das Berechnen dieser Position halte einer Inhaltskontrolle am Maßstab Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht stand. Die hier zu beurteilende Software, die einen solchen Institutsaufwand in die Abrechnungen automatisch integriere, stehe einer bankinternen Anweisung gleich. Sie entspreche damit in ihrer Wirkung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung und unterliege der Inhaltskontrolle. Allgemeine Geschäftsbedingungen seien unwirksam, wenn der Verwender einen pauschalen Schadensersatzanspruch erlange, ohne dass der Nachweis eines tatsächlich niedrigeren oder entfallenden Schadens möglich sei (§ 309 Nr. 5 b AGBG). So sei es hier.
Der hier in Rechnung gestellte pauschale Aufwand für die vorzeitige Darlehensrückführung in Höhe von 300,00 € könne nur dann verlangt werden, wenn dem Verbraucher ausdrücklich der Nachweis eines geringeren oder entfallenden Schadens seitens der Bank gestattet wäre.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 4.10.2023, Az. 17 U 214/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, 9.9.2022, 2-10 O 141/21)
Erläuterungen:
§ 309 BGB Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
...
5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a)
b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;
Das LG Verden hat entschieden, dass das Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist, wenn ein Produkt nach der Bestellung On-Demand in einer von mehreren angebotenen Standardgrößen hergestellt wird.
Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.
§ 312g Widerrufsrecht
(1) [...]
(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
1.Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
[...]
EuG-Präsident
Anordnung vom 27.09.2023 T‑367/23 R
Amazon Services Europe Sàrl ./. EU-Kommission
Der EuG-Präsident hat angeordnet, dass die Rechtsfolgen der Einordnung von Amazon Store als sehr großer Online-Dienst im Sinne des Digital Services Acts teilweise vorläufig außer Kraft gesetzt wird. Über die Rechtsmäßigkeit der Einordnung muss der EuG noch entscheiden.
Tenor der Entscheidung:
1. Operation of the decision of the European Commission of 25 April 2023, with reference C(2023) 2746 final, designating Amazon Store as a very large online platform in accordance with Regulation (EU) 2022/2065 of the European Parliament and of the Council of 19 October 2022 on a Single Market For Digital Services and amending Directive 2000/31/EC (Digital Services Act), is suspended in so far as, by virtue of that decision, Amazon Store will be required to make an advertisement repository publicly available, in accordance with Article 39 of that regulation, without prejudice to the requirement for the applicant to compile the advertisement repository.
2. The application for interim measures is dismissed as to the remainder.
Die EU-Kommission hat nach den entsprechenden Benennungsbeschlüssen eine Liste der sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen im Sinne des Digital Services Act (DSA - Gesetz über digitale Dienste) veröffentlicht.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 25.04.2023:
Die Kommission hat heute die ersten Benennungsbeschlüsse im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste angenommen, in denen 17 sehr große Online-Plattformen (very large online platforms, VLOPs) und 2 sehr große Online-Suchmaschinen (very large online search engines, VLOSEs) benannt wurden, die monatlich mindestens 45 Millionen aktive Nutzer erreichen. Dazu gehören folgende:
Sehr große Online-Plattformen:
Alibaba AliExpress
Amazon Store
Apple AppStore
Booking.com
Facebook
Google Play
Google Maps
Google Shopping
Instagram
LinkedIn
Pinterest
Snapchat
TikTok
Twitter
Wikipedia
YouTube
Zalando
Sehr große Online-Suchmaschinen:
Bing
Google Search
Die Plattformen wurden auf der Grundlage der Nutzerdaten benannt, die sie bis zum 17. Februar 2023 veröffentlichen mussten.
Nächste Schritte für benannte Plattformen und Suchmaschinen
Nach ihrer Benennung müssen die Unternehmen nun innerhalb von vier Monaten allen neuen Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste nachkommen. Diese zielen darauf ab, die Handlungsfähigkeit der Nutzer, auch Minderjähriger, im Internet zu stärken und sie zu schützen, indem den benannten Diensten die Pflicht auferlegt wird, ihre systemischen Risiken zu bewerten und zu mindern sowie robuste Instrumente zur Moderation von Inhalten bereitzustellen. Dies beinhaltet Folgendes:
Stärkung der Handlungsfähigkeit der Nutzerinnen und Nutzer:
Die Nutzer erhalten klare Informationen darüber, warum ihnen bestimmte Inhalte empfohlen werden, und haben das Recht, sich gegen auf Profiling beruhende Empfehlungssysteme zu entscheiden.
Die Nutzerinnen und Nutzer werden illegale Inhalte leicht melden können, und die Plattformen müssen solchen Meldungen sorgfältig nachgehen.
Werbung darf nicht auf der Grundlage sensibler Daten des Nutzers angezeigt werden (z. B. ethnische Herkunft, politische Meinungen oder sexuelle Ausrichtung).
Die Plattformen müssen jegliche Werbung kennzeichnen und die Nutzer darüber informieren, wer sie finanziert.
Die Plattformen müssen eine leicht verständliche und klare Zusammenfassung ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen in allen Sprachen der Mitgliedstaaten, in denen sie tätig sind, bereitstellen.
Starker Schutz Minderjähriger:
Die Plattformen müssen ihre Systeme umgestalten, um für ein hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz von Minderjährigen zu sorgen.
Gezielte Werbung auf der Grundlage des Profilings von Kindern sind nicht mehr zulässig.
Besondere Risikobewertungen, auch in Bezug auf negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, sind der Kommission vier Monate nach der Benennung vorzulegen und spätestens ein Jahr später zu veröffentlichen.
Die Plattformen müssen ihre Dienste, einschließlich ihrer Schnittstellen, Empfehlungssysteme und allgemeinen Geschäftsbedingungen, neu gestalten, um diese Risiken zu mindern.
Sorgfältigere Moderation von Inhalten, weniger Desinformation:
Plattformen und Suchmaschinen müssen Maßnahmen ergreifen, um den Risiken im Zusammenhang mit der Verbreitung illegaler Inhalte im Internet und den negativen Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit entgegenzuwirken.
Die Plattformen müssen über klare allgemeine Geschäftsbedingungen verfügen und sie sorgfältig und ohne Willkür durchsetzen.
Plattformen müssen über einen Mechanismus verfügen, über den Nutzer illegale Inhalte melden können, und müssen auf die Meldungen zügig reagieren.
Plattformen müssen ihre besonderen Risiken analysieren und Risikominderungsmaßnahmen ergreifen – beispielsweise um die Verbreitung von Desinformation und die unauthentische Nutzung ihres Dienstes zu bekämpfen.
Ein höheres Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht:
Die Plattformen müssen sicherstellen, dass ihre Risikobewertungen und die Einhaltung aller Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste einer unabhängigen externen Prüfung unterzogen werden.
Sie müssen Forschenden Zugang zu öffentlich verfügbaren Daten gewähren. Zu einem späteren Zeitpunkt wird ein spezieller Mechanismus für zugelassene Forschende eingerichtet.
Die Plattformen müssen Archive aller auf ihrer Schnittstelle dargestellten Werbeanzeigen veröffentlichen.
Die Plattformen müssen Transparenzberichte über Moderationsentscheidungen zu Inhalten und über das Risikomanagement veröffentlichen.
Spätestens vier Monate nach der Mitteilung der Benennungsbeschlüsse müssen die benannten
Plattformen und Suchmaschinen ihre Systeme, Ressourcen und Verfahren zur Einhaltung der Bestimmungen anpassen und ein unabhängiges Compliance-System einrichten sowie ihre erste jährliche Risikobewertung durchführen und der Kommission übermitteln.
Risikobewertung
Die Plattformen müssen ein breites Spektrum an systemischen Risiken ermitteln und analysieren – von der Frage, wie illegale Inhalte und Desinformation durch ihre Dienste verstärkt werden können, bis hin zu den Auswirkungen auf die Freiheit der Meinungsäußerung und die Medienfreiheit – und entsprechende Risikominderungsmaßnahmen ergreifen. Ebenso müssen spezifische Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet und dem Schutz Minderjähriger und ihrer psychischen Gesundheit im Internet bewertet und gemindert werden. Die Risikominderungspläne der benannten Plattformen und Suchmaschinen werden einer unabhängigen Prüfung durch die Kommission unterzogen und von ihr beaufsichtigt.
Eine neue Aufsichtsstruktur
Das Gesetz über digitale Dienste wird mithilfe einer europaweiten Aufsichtsstruktur durchgesetzt. Zwar ist die Kommission für die Beaufsichtigung der benannten Plattformen und Suchmaschinen zuständig, jedoch arbeitet sie innerhalb des mit dem Gesetz über digitale Dienste errichteten Aufsichtsrahmens eng mit den Koordinatoren für digitale Dienste zusammen. Diese nationalen Behörden, die auch für die Beaufsichtigung kleinerer Plattformen und Suchmaschinen zuständig sind, müssen von den EU-Mitgliedstaaten bis zum 17. Februar 2024 eingerichtet werden. Zu derselben Frist müssen auch alle anderen Plattformen ihren Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste nachkommen und ihren Nutzerinnen und Nutzern den im Gesetz über digitale Dienste festgelegten Schutz bieten sowie die entsprechenden Schutzvorkehrungen einrichten.
Um das Gesetz über digitale Dienste durchzusetzen, stärkt die Kommission auch ihr internes und externes multidisziplinäres Fachwissen. Außerdem hat sie vor Kurzem ein Europäisches Zentrum für die Transparenz der Algorithmen (ECAT) eröffnet. Dieses wird die Bewertung der Frage unterstützen, ob die Funktionsweise der algorithmischen Systeme mit den Risikomanagementverpflichtungen im Einklang steht. Darüber hinaus richtet die Kommission ein Ökosystem für die digitale Durchsetzung ein, in dem Fachwissen aus allen einschlägigen Sektoren zusammengeführt wird.
Datenzugang für Forschende
Die Kommission hat heute auch eine Aufforderung zur Stellungnahme zu den Bestimmungen des Gesetzes über digitale Dienste in Bezug auf den Datenzugang für Forschende veröffentlicht. Diese Bestimmungen dienen dazu, die Maßnahmen der Plattformanbieter zur Bekämpfung illegaler Inhalte wie illegaler Hassreden sowie in Bezug auf andere gesellschaftliche Risiken wie die Verbreitung von Desinformation und Risiken, die sich auf die psychische Gesundheit der Nutzerinnen und Nutzer auswirken können, besser zu überwachen. Zugelassene Forschende werden auf die Daten von VLOPs und VLOSEs zugreifen können, um Untersuchungen zu systemischen Risiken in der EU durchzuführen. Dies bedeutet, dass sie beispielsweise die Entscheidungen der Plattformen darüber analysieren könnten, was Nutzer im Internet sehen und womit sie in Kontakt kommen, und dass sie Zugang zu zuvor nicht offengelegten Daten haben. Unter Berücksichtigung der eingegangenen Rückmeldungen wird die Kommission einen delegierten Rechtsakt vorlegen, um ein einfaches, praktisches und klares Verfahren für den Datenzugang zu konzipieren und gleichzeitig angemessene Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch zu treffen. Die Konsultation läuft bis zum 25. Mai.
Hintergrund
Am 15. Dezember 2020 legte die Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über digitale Dienste zusammen mit dem Vorschlag für ein Gesetz über digitale Märkte als umfassenden Rahmen zur Gewährleistung eines sichereren und faireren digitalen Raums für alle vor. Nach der politischen Einigung der gesetzgebenden Organe der EU im April 2022 trat das Gesetz über digitale Dienste am 16. November 2022 in Kraft.
Das Gesetz über digitale Dienste gilt für alle digitalen Dienste, die den Verbrauchern Waren, Dienstleistungen oder Inhalte vermitteln. Es schafft umfassende neue Pflichten für Online-Plattformen in Bezug auf die Schadensbegrenzung und Risikobewältigung im Internet, sieht wirksame Schutzvorkehrungen für die Nutzerrechte im Internet vor und unterwirft digitale Plattformen einem einzigartigen neuen Rahmen, der für Transparenz und Rechenschaftspflicht sorgt. Diese Vorschriften sind als einheitliches gemeinsames Regelwerk für die gesamte EU konzipiert und bieten neue Schutzmöglichkeiten für die Nutzer und Rechtssicherheit für die Unternehmen im gesamten Binnenmarkt. Das Gesetz über digitale Dienste ist das erste Regulierungsinstrument seiner Art weltweit und setzt auch international Maßstäbe für die Regulierung im Bereich der Online-Vermittler.
Der EuGH hat entschieden, dass auch eine "Zufriedenheitsgarantie" eine Garantie im Sinne von § 479 BGB sein kann, so dass eine entsprechende Garantieerklärung vorgehalten werden muss.
Tenor der Entscheidung:
Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
ist dahin auszulegen, dass
der Begriff „gewerbliche Garantie“ als „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“, eine von einem Garantiegeber dem betreffenden Verbraucher gegenüber eingegangene Verpflichtung umfasst, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände wie seine in sein eigenes Belieben gestellte Zufriedenheit mit der erworbenen Ware bezieht, ohne dass das Vorliegen dieser Umstände für die Geltendmachung der gewerblichen Garantie objektiv geprüft werden müsste.
Der EuGH hat sich in dieser Entscheidung mit dem Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzgeschäften über Dienstleistungen, die nach einem kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig werden, befasst.
Die Pressemitteilung des EuGH: Ein Verbraucher hat ein einziges Mal das Recht, ein im Fernabsatz abgeschlossenes Abonnement, das anfangs kostenlos ist und sich automatisch verlängert, zu widerrufen
Anderes gilt, wenn der Verbraucher nicht hinreichend über die Gesamtkosten des Abonnements informiert wurde.
Das Unternehmen Sofatutor betreibt Internet-Lernplattformen für Schüler. Beim erstmaligen Abschluss eines Abonnements kann dieses 30 Tage lang kostenlos getestet und während dieser Zeit jederzeit fristlos gekündigt werden. Das Abonnement wird erst nach Ablauf dieser 30 Tage kostenpflichtig. Wenn der kostenpflichtige Abonnementzeitraum abläuft, ohne dass eine Kündigung erfolgt ist, verlängert sich das Abonnement automatisch um einen bestimmten Zeitraum.
Bei einem Vertragsschluss im Fernabsatz informiert Sofatutor die Verbraucher über das Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht).
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist aber der Ansicht, dass dem Verbraucher ein Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) nicht nur aufgrund des Abschlusses eines 30-tägigen kostenlosen Testabonnements, sondern auch aufgrund der Umwandlung dieses Abonnements in ein kostenpflichtiges Abonnement und dessen Verlängerung zustehe.
Der Oberste Gerichtshof (Österreich), der mit dem Rechtsstreit befasst ist, hat den Gerichtshof dazu um Auslegung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher ersucht.
Der Gerichtshof antwortet, dass dem Verbraucher das Recht, einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen, bei einem Abonnementvertrag, der anfangs einen kostenlosen Zeitraum vorsieht und sich, wenn dieser Vertrag nicht gekündigt wird, automatisch verlängert, grundsätzlich nur ein einziges Mal zukommt.
Wurde der Verbraucher bei Abschluss des Abonnements nicht klar, verständlich und ausdrücklich darüber informiert, dass dieses Abonnement nach einem kostenlosen Anfangszeitraum kostenpflichtig wird, muss er jedoch über ein neuerliches Widerrufsrecht verfügen.
Tenor der Entscheidung:
Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
ist dahin auszulegen, dass
dem Verbraucher das Recht, einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen, bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, der für den Verbraucher anfangs einen kostenlosen Zeitraum vorsieht, dem sich – falls der Verbraucher den Vertrag in diesem Zeitraum nicht kündigt oder widerruft – ein kostenpflichtiger Zeitraum anschließt, der sich, wenn dieser Vertrag nicht gekündigt wird, automatisch um einen bestimmten Zeitraum verlängert, nur ein einziges Mal zukommt, sofern er beim Abschluss dieses Vertrags vom Unternehmer in klarer, verständlicher und ausdrücklicher Weise darüber informiert wird, dass die Erbringung dieser Dienstleistung nach dem anfänglich kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird.
Das LG Göttingen hat einem Verbraucher einen Schadensersatzanspruch aus § 58 Abs. 1,3 TKG in Höhe von 2.810,00 EURO ( 10 EURO pro Tag) gegen einen Mobilfunkanbieter wegen des Ausfalls seines Mobilfunkanschlusses zugesprochen.
Aus den Entscheidungsgründen: Das Landgericht Göttingen ist gem. § 29 Abs. 1 ZPO zuständig. Nach dieser Vorschrift ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
Der "Vertragsgerichtsstand" des § 29 Abs. 1 erfasst alle Klagen, denen ein auf ein Vertragsverhältnis gestützter Anspruch zugrunde liegt. Um welchen Anspruch es sich handelt, spielt dabei keine Rolle; in Betracht kommen daher außer dem Anspruch auf Erfüllung der Vertragspflichten und Schadensersatzansprüchen wegen der Nicht- oder Schlechterfüllung vertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten einschließlich aller Hilfs- und Nebenansprüche auch ein Anspruch auf eine (unselbstständige) Vertragsstrafe wegen der Nicht- oder Schlechterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung (BeckOK ZPO/Toussaint, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 29 Rn. 18, 19). Dies gilt auch, wenn - wie hier - ein gesetzlicher Anspruch das Bestehen eines Vertrages voraussetzt (BGH NJW 2011, 2056 [BGH 18.01.2011 - X ZR 71/10] Rn. 26, beck-online).
Die "streitige Verpflichtung" i. S. v. § 29 Abs. 1 meint sodann nicht nur die jeweilige streitgegenständliche Pflicht, wie hier, die Zahlung der Entschädigung, sondern Vertragspflicht, sondern die (primäre) Vertragspflicht, deren Verletzung dem Anspruch zugrunde liegt (BGHZ 188, 85 (92); BGHZ 195, 243; BeckOK ZPO/Toussaint, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 29 Rn. 28.1). In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich bei Mobilfunkverträgen der Erfüllungsort für Pflichten eines Mobilfunkdiensteanbieters im Sinne von § 269 BGB an jedem Ort im Bereich seines Funknetzes befindet (vgl. KG, Beschluss v. 17.09.2007 - Az.: 2 AR 37/07, MMR 2008, 478 [KG Berlin 17.09.2007 - 2 AR 37/07]). Gemessen hieran kommt es schon nicht darauf an, dass - wie die Beklagte meint - ein gemeinsamer Erfüllungsort betreffend die synallagmatischen Vertragspflichten der Parteien anzunehmen ist oder nicht. Denn die Folge aus der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist gerade nicht, dass damit gar kein Erfüllungsort besteht, sondern nur, dass mehr als ein Erfüllungsort in Betracht kommen kann. Ein solcher wiederum ist vorliegend am Wohnort des Klägers anzunehmen, weil dort die streitgegenständliche vertragliche Pflicht, deren Verletzung § 58 Abs. 3 TKG voraussetzt, zu erbringen ist.
II.
1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von 2.810,00 € ergibt sich aus § 58 Abs. 1, 3 TKG. Nach § 58 Abs. 1, 3 TKG kann der Verbraucher von einem Anbieter eines öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes verlangen, dass dieser eine Störung unverzüglich und unentgeltlich beseitigt, es sei denn, der Verbraucher hat die Störung selbst zu vertreten. Wird die Störung nicht innerhalb von zwei Kalendertagen nach Eingang der Störungsmeldung beseitigt, kann der Verbraucher ab dem Folgetag für jeden Tag des vollständigen Ausfalls des Dienstes eine Entschädigung verlangen, es sei denn, der Verbraucher hat die Störung oder ihr Fortdauern zu vertreten, oder die vollständige Unterbrechung des Dienstes beruht auf gesetzlich festgelegten Maßnahmen nach diesem Gesetz, der Verordnung (EU) 2015/2120, sicherheitsbehördlichen Anordnungen oder höherer Gewalt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Der Kläger ist Verbraucher im Sinne der Vorschrift und die Beklagte Anbieterin eines öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes, da sie dem Kläger vertraglich die Nutzung verschiedener Telekommunikationsdienste im Netz der O schuldet.
b) Es liegt auch eine Störung im Sinne der Vorschrift vor.
Der Begriff Störung ist umfassend zu verstehen und meint jede vom Telekommunikationsanbieter nicht gewollte Veränderung der von ihm genutzten technischen Einrichtungen (BGH NJW 2011, 1509 [BGH 13.01.2011 - III ZR 146/10] (1511)). Eine Störung liegt auch dann vor, wenn die eingesetzte Technik die ihr zugedachten Funktionen nicht mehr richtig oder vollständig erfüllen kann (BGH ZD 2014, 461 (462); BeckOK InfoMedienR/Kiparski, 40. Ed. 1.2.2022, TKG2021 § 58 Rn. 10). Dies ist hier anzunehmen. Zwar hat die Beklagte den vom Kläger behaupteten Ausfall des Sendemastes an dessen Wohnort bestritten, gleichwohl aber dargelegt, dass aufgrund wechselnder Störungen anderer Stationen im näheren Umkreis die den Kläger "versorgende" Basisstation zeitweilig ausgelastet gewesen sei, was vom Kunden als vermeintlich anhaltende Störung empfunden worden sein könne. Letztlich macht dies aber für die Annahme einer Störung keinen Unterschied, da Anspruchsvoraussetzung gerade nicht ein Ausfall eines (bestimmten) Sendemastes ist, sondern nur die technisch bedingte, vom Anbieter nicht gewollte Veränderung im Sinne einer nicht mehr richtigen oder vollständigen Funktion. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn eine Station aufgrund wechselnder Störungen anderer Station ausgelastet ist, da die Basisstation ihrer originären Aufgabe dann nicht mehr hinreichend nachkommen kann. Da die insoweit mindestens sekundär darlegungspflichtige Beklagte keine weiteren Angaben dazu gemacht, aus welchem Grund und in welchem Zeitraum die Störungen der anderen Station im näheren Umkreis bestanden haben, ist davon auszugehen, dass diese Störung über den gesamten Zeitraum bestanden hat, zumal die Beklagte gerade nicht bestritten hat, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht habe telefonieren können.
c) Der Kläger hat die Störung auch nicht selbst zu vertreten.
d) Die Störung führte vorliegend zu einem vollständigen Dienstausfall im Sinne der Vorschrift.
Dienst ist der vertraglich mit dem Verbraucher vereinbarte Telekommunikationsdienst. Vollständiger Dienstausfall meint gänzliche Nichtverfügbarkeit des Dienstes. Telekommunikationsanbietern steht es frei, zur Vermeidung eines langandauernden Dienstausfalls und der sich daraus ergebenden Haftungsfolgen, dem Verbraucher eine sinnvolle Ersatzlösung zur Verfügung zu stellen, um die Nutzung der Dienste ganz oder zumindest teilweise zu ermöglichen (BT-Drs. 19/26108, 291; BeckOK InfoMedienR/Kiparski, 40. Ed. 1.2.2022, TKG2021 § 58 Rn. 33, 34).
Der Telekommunikationsdienst muss vollständig ausgefallen sein (BT-Drs. 19/26108, 291). Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um einen Ausfall bei einem einzelnen Verbraucher oder um einen großflächigen Ausfall handelt (BT-Drs. 19/26108, 290). Ferner kann der Telekommunikationsdienst zwar aus einem Bündel von Leistungen bestehen, wie bspw. dem Anschluss, Telefonie, Datenübertragung und bei Mobilfunk noch SMS (BeckOK InfoMedienR/Kiparski, 40. Ed. 1.2.2022, TKG2021 § 58 Rn. 33, 34). Dies bedeutet aber nicht, dass der vollständige Ausfall im Sinne der Vorschrift nur dann anzunehmen wäre, wenn alle in einem Vertrag geschuldeten Leistungen nicht mehr möglich wären. Nach § 3 Nr. 61 TKG sind Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt über Telekommunikationsnetze erbrachte Dienste, die - mit der Ausnahme von Diensten, die Inhalte über Telekommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben - Internetzugangsdienste, interpersonelle Telekommunikationsdienste und Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen, wie Übertragungsdienste, die für Maschine-Maschine-Kommunikation und für den Rundfunk genutzt werden, umfassen. Gemessen an dieser Definition ist mit "Telekommunikationsdienst" nicht die Gesamtheit der vertraglich geschuldeten Leistungen gemeint, sondern die jeweilige einzelne Leistung, die vertraglich vereinbart ist, im Falle eines klassischen Mobilfunkvertrages also die Möglichkeit, im Mobilfunknetz Telefonate zu tätigen. Allein die Möglichkeit, dass im Rahmen des Abschlusses von Mobilfunkverträgen die Möglichkeit besteht, Datenoptionen und Telefonie separat zu buchen zeigt, dass es sich dabei um verschiedene Dienste handelt, die ihrerseits zwar in einem Vertrag vereinbart werden können, deshalb aber nicht zu einem einzigen Dienst im Sinne der Norm werden. Ein Ausfall des Dienstes "Telefonie über Mobilfunk" im Sinne der Vorschrift ist hier gegeben. Denn der Kläger konnte unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum in seiner Wohnung mit den genannten Telefonnummern aufgrund der o. g. Störung nicht telefonieren.
Der vollständige Dienstausfall wird hier auch nicht dadurch kompensiert, dass der Kläger und seine Familienangehörigen außerhalb der klägerischen Wohnung telefonieren konnten. Das Wesen der Mobiltelefonie ist die Möglichkeit, zu jeder Zeit und an jedem Ort telefonieren zu können, ohne dafür den Ort wechseln zu müssen. Gerade wenn ein Mobiltelefon, was heutzutage keinesfalls mehr unüblich ist, als Ersatz für ein Festnetztelefon genutzt wird, ist die Nutzbarkeit innerhalb der eigenen Wohnung - beispielsweise auch im Falle eines Notfalles - ein wesentlicher Umstand und führt gerade nicht dazu, dass der Dienst damit nicht vollständig ausgefallen wäre. Es ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, dass der Dienst in einem bestimmten "Mindestradius" vollständig ausgefallen ist, denn aufgrund des von der Beklagten geschilderten Umstandes, dass Mobilfunkzellen sich überlappen und damit auch bei Ausfall einer Station Randbereiche des Versorgungsgebietes der Station noch versorgt werden könnten, verbliebe dann kein nennenswerter Anwendungsbereich der Norm mehr. Ein vollständiger Dienstausfall ist daher anzunehmen, wenn dem Mobilfunknutzer der Dienst Telefonie innerhalb seiner Wohnung für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum insgesamt nicht mehr möglich ist.
Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung auf das Gesetzgebungsverfahren bezieht, so dringt sie hiermit nicht durch. Die in diesem Zusammenhang zitierten Stellungnahmen haben im Kern die zeitliche Komponente im Blick und setzen sich damit auseinander, dass eben nicht nur ein "vorübergehender" Dienstausfall umfasst sein soll. Dies ist hier aber gar nicht streitig; dass der Kläger den Mobiltelefoniedienst im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls Zuhause nicht nutzen konnte, ist unbestritten geblieben. Damit ist im hiesigen Fall nur die örtliche Komponente eines Dienstausfalles problematisch, welche - wie dargelegt - jedoch vorliegend erfüllt ist.
Dass der Kläger und seine Familienangehörigen im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich telefoniert und teilweise mehr Daten verbraucht haben, als im Vorjahreszeitraum, ist unerheblich. Denn es ist, wie dargelegt, gerade das Wesen des Mobilfunks, dass dieser überall genutzt werden kann. Die bloße Nutzung des Mobilfunks vermag daher, solange nicht dargelegt ist, wo diese erfolgt ist, nichts an dem klägerischen Anspruch zu ändern. Denn dass der Kläger außerhalb seiner Wohnung und des näheren Umkreises telefonieren konnte, ist sogar unstreitig und führt nicht zu einem Entfall des Anspruches aufgrund der Nichtverfügbarkeit des Mobiltelefoniedienstes im Bereich der Wohnung des Klägers.
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, eine Telefonie sei über WLAN möglich gewesen, so stellt die Telefonie über das Internet einen eigenen Dienst dar, der aber keinen Entfall des Anspruches auf eine Entschädigung nach sich zieht. Denn wie oben bereits ausgeführt, soll die Entschädigung den Anbieter dazu anhalten, die dem Ausfall zu Grunde liegende Störung kurzfristig zu beseitigen. Ein Entfall dieser Entschädigung ist daher nur denkbar, wenn der Nutzer vom Anbieter eine im Wesentlichen gleichwertige Ersatzmöglichkeit für die Nutzung des ausgefallenen Dienstes bereitstellt. Es ist insoweit gerichtsbekannt, dass die Versorgung einer Wohnung oder eines Haues mit WLAN nicht immer gleichmäßig und in zufriedenstellendem Maße erfolgt und daher eine Telefonie über WLAN, die zudem von der verfügbaren Bandbreite abhängt, keine im Wesentlichen gleichwertige Alternative zur Mobilfunktelefonie darstellt. Zudem sind Notrufe beim Telefonieren über WLAN nicht bei allen Internetanbietern gleichermaßen technisch überhaupt möglich, sodass auch insoweit eine wesentliche Einschränkung gegenüber der Mobilfunktelefonie verbleibt.
e) er Kläger kann aber lediglich eine Entschädigung für die von seiner Tochter genutzte Mobilfunknummer 123 beanspruchen.
Hinsichtlich der Nummern 456 sowie 789 erfolgte unstreitig eine Beauftragung erst am 13.03.2022 bzw. 24.04.2022 und damit fast einen Monat bzw. mehr als zwei Monate nach dem Auftreten der Störung. Es ist nach Auffassung des Gerichts nicht mit dem Sinn und Zweck der Entschädigungsregelung vereinbar, dass ein Mobilfunkkunde in dem positiven Wissen um das Bestehen einer längerfristigen Störung einen Mobilfunkvertrag abschließt und im Anschluss eine entsprechende Entschädigung begehrt, womit sich der Kläger treuwidrig i. S. v. § 242 BGB verhalten hat. Wie bereits dargelegt, soll die Entschädigung einen Anreiz für den jeweiligen Anbieter schaffen, eine Störung schnellstmöglich zu beheben. Ein Nutzer soll sich hieran nicht bereichern können. Der Kläger hat indes am 13.03.2023 und damit fast einen Monat nach Auftreten der Störung einen neuen Vertrag geschlossen. Selbst wenn es für ihn "schlicht nicht vorstellbar" gewesen sein soll, dass es in Deutschland im Jahre 2022 nicht möglich sein würde, die technische Störung an einem Mobilfunksendemast in Göttingen innerhalb weniger Tage wiederherzustellen, vermag dies nichts an dem Umstand zu ändern, dass zu diesem Zeitpunkt die Störung bereits bei knapp 3 1/2 Wochen gedauert hat. Daher kommt es auch nicht mehr darauf an, dass eine Rufnummernübernahme und damit Inanspruchnahme vertraglicher Leistungen überhaupt erst ab dem 30.05.2022 möglich gewesen sein soll (wobei der Kläger damit schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Entschädigung für die davorliegende Zeit beanspruchen kann). Dass der dritte Vertrag sogar erst zum 24.04.2022 beauftragt wurde und damit sogar mehr als zwei Monate nach erstem Auftreten der Störung, widerspricht zudem dem Vortrag des Klägers, er sei davon ausgegangen, die Störung würde innerhalb weniger Tage behoben sein.
f) Der Höhe nach kann der Kläger nach § 58 Abs. 3 S. 2 TKG für den dritten und vierten Tag nach Eingang der Störungsmeldung 5 Euro oder 10 Prozent und ab dem fünften Tag 10 Euro oder 20 Prozent der vertraglich vereinbarten Monatsentgelte bei Verträgen mit gleichbleibendem monatlichem Entgelt verlangen, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Vorliegend belaufen sich die vertraglich vereinbarten Monatsentgelte auf 5,99 € bzw. 6,99 €, sodass vorliegend die Tagespauschale die höhere Entschädigung darstellt. Die Störungsmeldung betreffend die Rufnummer 123 erfolgte am 22.03.2022, sodass ein Anspruch ab dem 25.03.2022 besteht.
Gemessen hieran steht ihm bezogen auf die Rufnummer 123 eine Entschädigung in Höhe von 2.810,00 €, die sich wie folgt zusammensetzt:
25. - 31. März 2022: 2 Tage à 5,00 Euro, 5 Tage à 10,00 Euro 60,00 Euro
April 2022: 30 Tage à 10,00 Euro 300,00 Euro
Mai 2022: 31 Tage à 10,00 Euro 310,00 Euro
Juni 2022: 30 Tage à 10,00 Euro 300,00 Euro
Juli 2022: 31 Tage à 10,00 Euro 310,00 Euro
August 2022: 31 Tage à 10,00 Euro 310,00 Euro
September 2022: 30 Tage à 10,00 Euro 300,00 Euro
Oktober 2022: 31 Tage à 10,00 Euro 310,00 Euro
November 2022: 30 Tage à 10,00 Euro 300,00 Euro
Dezember 2022: 31 Tage à 10,00 Euro 310,00 Euro
Summe: 2.810,00 Euro
2. Ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.260,00 € seit dem 16.08.2022 ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB aufgrund des Anwaltsschreibens vom 29.07.2022, in welchem eine Frist für die Zahlung zum 15.08.2022 gesetzt wurde, weshalb sich die Beklagte nach § 187 Abs. 1 BGB analog seit dem 16.08.2022 in Verzug befindet.
Hinsichtlich weiterer 1.550,00 € ergibt sich ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB seit Rechtshängigkeit, gem. § 187 Abs. 1 BGB analog also ab dem 17.03.2023.
BGH
Urteil vom 06.07.2023 VII ZR 151/22
BGB § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2
Der BGH hat entschieden, dass kein Widerrufsrecht auf Grundlage von § 312b BGB besteht, wenn ein Verbraucher ein am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt.
Leitsatz des BGH:
Ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB liegt nicht vor, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt.
BGH, Urteil vom 6. Juli 2023 - VII ZR 151/22 - LG Hannover - AG Hameln
OLG Brandenburg
Beschluss. vom 18.04.2023 6 W 31/23
Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass keine Informationspflichten auslösende Garantieerklärung nach § 479 BGB vorliegt, wenn auf einem Produktbild beiläufig eine Garantiekarte erwähnt wird
Aus den Entscheidungsgründen: Sie ist allerdings unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG in Zusammenhang mit der beanstandeten Werbung verneint.
1. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Werbung zunächst nicht wegen Verstoßes gegen § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Nr. 12 EGBGB in der ab dem 28.05.2022 gültigen Fassung (inhaltsgleich zu der bis dahin in Ziff. 9 enthaltenen, vom Landgericht und dem Antragsteller in Bezug genommenen Regelung) unlauter, wobei die Unlauterkeit in diesem Zusammenhang allerdings nicht nach § 3a, sondern nach § 5a UWG zu bewerten ist (BGH, Urteil vom 10.11.2022 - I ZR 241/19 - Herstellergarantie IV, juris, Rn 16).
§ 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB verpflichten den Unternehmer, dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen vor Vertragsschluss Informationen über das Bestehen von Garantien zur Verfügung zu stellen. Diese stellt eine wesentliche Information im Sinne von Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG, § 5b Abs. 4 UWG in der ab dem 28.05.2022 gültigen Fassung dar (BGH, a.a.O., Rn. 23, 26).
Die vorvertragliche Informationspflicht wird allerdings nicht bereits durch das Bestehen einer Garantie als solche ausgelöst, sondern nur dann, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hat, Informationen über die Garantie zu erhalten, um sich zu entscheiden, ob er den Vertrag abschließt (BGH, a.a.O., Rn. 35). Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne liegt vor, wenn der Unternehmer die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht, wenn also der Unternehmer die Aufmerksamkeit des Verbrauchers ausdrücklich auf das Bestehen einer gewerblichen Garantie des Herstellers lenkt, um daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herzuleiten und damit die Wettbewerbsfähigkeit oder die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu den Angeboten seiner Wettbewerber zu verbessern. In diesem Fall ist zu vermeiden, dass der Verbraucher durch unklare, mehrdeutige oder unvollständige Informationen über verschiedene Garantien in die Irre geführt wird und ist zu seinem Schutz die Erkenntnis sicherzustellen, von wem die Garantie stammt. Erwähnt das Angebot des Unternehmers die Garantie des Herstellers hingegen nur beiläufig oder in belangloser oder vernachlässigbarer Weise, sodass sie im Hinblick auf Inhalt und Ausgestaltung des Angebots objektiv weder als Geschäftsargument angesehen werden noch einen Irrtum beim Verbraucher hervorrufen kann, besteht keine Informationspflicht. Maßgeblich für die Abgrenzung sind Inhalt und allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der Ware, Bedeutung der Erwähnung der gewerblichen Garantie als Verkaufs- oder Werbeargument, Positionierung der Erwähnung der Garantie im Angebot, die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, Vorliegen von Erläuterungen zu weiteren, mit der Ware verbundenen Garantien und jeder weitere Gesichtspunkt, der eine objektive Schutzbedürfnisses Verbrauchers begründen kann (BGH, a.a.O., Rn. 36 f.).
Dass die inkriminierte Werbung das Bestehen einer Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal des Angebots macht, hat das Landgericht zu Recht verneint. Die fragliche Anmerkung ist nicht Gegenstand des Angebotstextes, sondern lediglich sichtbar auf dem Foto der Umverpackung. Dort ist sie Bestandteil der Inhaltsangabe der Verpackung, die in kleiner Schrift am unteren Rand aufgedruckt und auf dem Foto erst nach Vergrößerung lesbar ist. Zudem stellt die inkriminierte Anmerkung lediglich einen Hinweis auf eine in der Verpackung enthaltene Garantiekarte dar, ohne dass erkennbar wird, wer Garantiegeber ist oder welche Laufzeit diese Garantie haben soll. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner etwaige mit der Garantie verbundenen Vorteile zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots gemacht hätte.
2. Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt auch ein Verstoß gegen §§ 443, 479 BGB nicht vor, dessen Unlauterkeit nach Maßgabe des § 3a UWG zu beurteilen wäre. Insoweit fehlt es bereits an einer die Informationspflichten des § 479 BGB auslösenden Garantieerklärung im Sinne des § 443 BGB. Unter den Begriff der Garantieerklärung im Sinne des §§ 479 Abs. 1, 443 Abs. 1 BGB fallen Willenserklärungen, die zum Abschluss eines Kaufvertrages (unselbstständige Garantie) oder eines eigenständigen Garantievertrages führen, nicht dagegen eine Werbung, die den Verbraucher lediglich zur Bestellung auffordert und in diesem Zusammenhang eine Garantie angekündigt ohne sie bereits rechtsverbindlich zu versprechen (BGH, a.a.O., Rn. 54 mit weiteren Nachweisen). Als Garantieerklärung, die den in § 479 Abs. 1 bestimmten Erfordernissen entsprechen muss, ist im Falle einer selbstständigen Garantie die auf den Abschluss eines Garantievertrags gerichtete Willenserklärung des Unternehmers und bei einer unselbständigen Garantie dessen auf die Modifikation der gesetzlichen Rechtsbehelfe des Verbrauchers gerichteten Willenserklärung anzusehen (BGH, Urteil vom 05.12.2012 - I ZR 88/11 - Werbung mit Herstellergarantie bei eBay, juris, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen). Die Fälle, in denen ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher eine Garantieerklärung in diesem Sinne abgibt, sind von einer Werbung danach abzugrenzen, ob der Unternehmer nur eine invitatio ad offerendum ausgesprochen oder aber bereits ein rechtsverbindliches Angebot im Sinne des § 145 BGB abgegeben hat und der Verbraucher damit zu entscheiden hat, ob er dieses annehmen soll (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2022 - I ZR 241/19 - Herstellergarantie IV, juris, a.a.O., Rn. 59).
Eine entsprechende, auf den Abschluss eines Garantievertrags gerichtete Willenserklärung des Antragsgegners lässt sich vorliegend nicht feststellen. Die bloße Erwähnung einer Garantiekarte in der Inhaltsangabe der abfotografierten Verpackung stellt kein Angebot auf Abschluss eines Garantievertrages dar. Ein entsprechendes Angebot nach § 145 BGB setzt voraus, dass Gegenstand und Inhalt des angebotenen Vertrages so bestimmt oder so (im Wege der Auslegung nach dem Empfängerhorizont nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB) bestimmbar angegeben werden, dass die Annahme durch ein einfaches „ja“ erfolgen kann (vgl. Grüneberg-Ellenberger, BGB, 82. Aufl. § 145 Rn. 1). Daran fehlt es. Der Verweis auf die innenliegende Garantiekarte lässt weder den Vertragspartner des möglichen Garantievertrages erkennen - sei es der Hersteller, der Antragsgegner oder ein Dritter - noch den Vertragsgegenstand, nämlich Umfang und Dauer der Garantie. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich deshalb maßgeblich von denjenigen, die den Entscheidungen des OLG Hamm (Urteil vom 14.02.2013 - I-4 U 182/12, 4 U 182/12 - Garantiewerbung bei eBay; juris) und des OLG Nürnberg (Urteil vom 10.12.2019 - 3 U 1021/19 - 5 Jahre Garantie; juris) zu beurteilen waren. Zwar lag hier - wie dort - bezüglich der angebotenen Ware ein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages vor, nachdem der Antragsteller den zum Verkauf gestellten Rückenwärmegurt auf der Auktionsplattform eBay auch über die „sofort-Kaufen-Option“ angeboten hat (vgl. BGH, GRUR 2013, 851 - Herstellergarantie II, Rn. 12). In den dem OLG Hamm und dem OLG Nürnberg vorliegenden Fällen war allerdings, anders als hier, jeweils im Angebot mit einer dem jeweiligen Anbieter zuzurechnenden „5 Jahre Garantie“ geworben. Daran fehlt es hier, so dass der Antragsgegner entgegen der Ansicht des Antragstellers vorliegend den Informationspflichten nach § 479 BGB nicht unterlag.
BGH
Beschluss vom 27.07.2023 I ZR 65/22
Doppeltarifzähler
Richtlinie 2005/29/EG Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 Buchst. c; UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3
Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Preistransparenz bei Tarifrechnern für Stromtarife von Energieversorgern zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Muss die vom Gewerbetreibenden nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein, dass der Verbraucher auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt?
BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22 - OLG Düsseldorf - LG Mönchengladbach
Das LG Stuttgart hat entschieden, dass durch Betätigen des mit "Senden" beschrifteten Buttons auf einer Maklerwebsite kein Maklervertrag zustande kommt, da ein Verstoß gegen Vorgaben der Button-Lösung vorliegt.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch nach § 652 Abs. 1 BGB zu, weil zwischen den Parteien kein Maklervertrag besteht, an den der Beklagte gebunden ist, und der Anspruch auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt ist.
I. Der Klägerin steht ein Anspruch aus § 652 Abs. 1 BGB nicht zu, weil zwischen den Parteien kein Maklervertrag besteht, an den der Beklagte gebunden ist. Ein etwaiger über das System „f.“ geschlossener Vertrag bindet jedenfalls den Beklagten nicht, weil die Klägerin die Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB nicht eingehalten hat. Der Anforderung weiterer Unterlagen durch den Beklagten sowie der „Vermittlungs- und Nachweisbestätigung“ vom 02.09.2021 ist ein Wille auf Abschluss oder Bestätigung eines Maklervertrags nicht zu entnehmen.
1. An den mutmaßlich über das System f. geschlossenen Maklervertrag ist der Beklagte gemäß § 312j Abs. 4 BGB nicht gebunden, weil die Klägerin bei dem Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr die Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB nicht eingehalten hat und der Vertrag auch nicht ausschließlich durch individuelle Kommunikation geschlossen worden ist (§ 312j Abs. 5 BGB).
a) Der Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB ist gemäß § 312 aF BGB eröffnet.
aa) Der streitgegenständliche Maklervertrag ist ein Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB aF). Die Klägerin handelte in Ausübung ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit und war daher Unternehmerin (§ 14 BGB). Der Beklagte handelte als Privatperson und war damit Verbraucher (§ 13 BGB).
bb) Der Beklagte wäre als Auftraggeber auch zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet. Als Entgelt genügt dabei irgendeine Leistung des Verbrauchers (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 312 Rn. 3). Der Bundesgerichtshof hat den Maklervertrag als Vertrag über Dienstleistungen im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB aF eingeordnet, gerade weil dieser eine entgeltliche und tätigkeitsbezogene Leistung des Unternehmers zum Gegenstand habe (BGH, Urt. v. 07.07.2016 - I ZR 68/15, NJW-RR 2017, 368; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 312 Rn. 3). Mithin genügt das Provisionsversprechen des Beklagten auch dann als Entgelt im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB aF, wenn die Provision erst dann fällig wird, wenn der Beklagte das vermittelte Rechtsgeschäft abschließt.
cc) Auch ein Ausschluss des Anwendungsbereichs gemäß § 312 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich.
b) Beim streitgegenständlichen Maklervertrag handelt es sich auch um einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr im Sinne der § 312j Abs. 2, § 312i Abs. 1 Satz 1 BGB, denn die Klägerin hat sich zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrages über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient. Der Maklervertrag ist ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleitungen (s.o.). Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrags sind (OLG München, Urt. v. 10.1.2019 - 29 U 1091/18, GRUR-RR 2019, 372, 376, Rn. 62). Dazu gehört auch die vom System „f.“ bereitgestellte Webseite, auf die die Klägerin den Beklagten dazu verwiesen hat, dass er seine Vertragserklärung durch Auswahl der Checkboxen und Betätigen des Bereichs „Senden“ abgebe. Der Beklagte als Verbraucher wird durch den Vertrag auch zur Zahlung eines Entgelts (s.o.), der Maklerprovision, verpflichtet.
c) Die Anwendung der Absätze 3 und 4 des § 312j BGB ist auch nicht nach § 312j Abs. 5 BGB ausgeschlossen. Die Absätze 2 bis 4 sind demnach nicht anzuwenden, wenn der Vertrag ausschließlich durch individuelle Kommunikation geschlossen wird. Individuell ist die Kommunikation nur dann, wenn sie sich auf den Austausch von Nachrichten, etwa E-Mails oder SMS, zwischen den Parteien beschränkt. Nach dem Willen des Gesetzgebers und dem eindeutigen Wortlaut handelt es sich gerade nicht um individuelle Kommunikation, wenn zum Beispiel wegen vertragsrelevanter Information oder der Abgabe von Willenserklärungen auf eine Internetseite des Anbieters verlinkt wird (BT-Drs. 17/7745, Seite 12, Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 312i, Rn. 9). Ohnehin ist eine individuelle Kommunikation schlechthin ausgeschlossen, wenn der Verbraucher keine Möglichkeit hat, auf den Inhalt der von ihm abgegebenen Willenserklärung Einfluss zu nehmen. Hat er schon aus technischer Sicht lediglich die Möglichkeit, eine vom Unternehmer vorgegebene Willenserklärung oder vom Unternehmer vorgegebene Auswahlmöglichkeiten auszuwählen, so kann es sich niemals um individuelle Kommunikation handeln. So liegen die Dinge hier.
d) Die Klägerin hat die Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB nicht erfüllt. Die Schaltfläche, mit der der Beklagte seine Vertragserklärung abgegeben hat, war nicht mit einer entsprechend eindeutigen Formulierung beschriftet.
aa) Nach § 312j Abs. 3 BGB hat der Unternehmer die Bestellsituation so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zur Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers nur dann erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.
bb) Das anklickbare Feld „Senden“ sowie die anhakbaren Felder sind Schaltflächen im Sinne des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB, denn Schaltfläche im Sinne der Vorschrift sind alle virtuellen Bedienknöpfe (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 312j, Rn. 9).
cc) Die Schaltfläche war nicht mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer ähnlich eindeutigen Beschriftung versehen. Die Beschriftung der Schaltfläche muss dem Verbraucher eindeutig und zweifelsfrei vor Augen führen, dass er durch die Betätigung der Schaltfläche einen Vertrag schließt und durch den Abschluss des Vertrags zu einer „Zahlung“ (§ 312j Abs. 2 BGB) verpflichtet wird. Auf den übrigen Seiteninhalt kommt es nicht an. Diesen Anforderungen genügt das Wort „Senden“ nicht.
dd) Es genügt auch nicht ausnahmsweise eine andere Beschriftung der Schaltfläche, weil die Worte „zahlungspflichtig bestellen“ irreführend wären, denn eine solche Beschriftung ist nicht irreführend. Der Verbraucher verpflichtet sich durch den Abschluss des Maklervertrages zu einer Zahlung und er bestellt auch eine Leistung der unternehmerisch tätigen Maklerin.
Die Argumentation der Klägerin verkennt zum einen schon, dass die Vorschriften des Verbraucherschutzes nicht dazu dienen, Unternehmern den Vertragsschluss mit Verbrauchern zu erleichtern, sondern die Verbraucher vor dem unbeabsichtigten Eingehen einer vertraglichen Verpflichtung (sogenannte „Kostenfalle“) zu schützen (BeckOGK-BGB/Busch, 01.06.2021, § 312j Rn. 3). Insbesondere hatte der Gesetzgeber Fallkonstellationen im Blick, in denen eine vermeintlich oder zunächst kostenlose Leistung mit einer künftigen Zahlungspflicht verknüpft wird (insbes. sog. „Abofallen“). Es geht nicht darum, dass der Verbraucher sofort etwas bezahlen muss, sondern darum, dass er (überhaupt oder irgendwann) eine Zahlungsverpflichtung eingeht. Das Wort „zahlungspflichtig“ ist folglich nicht allein deshalb irreführend, weil die Maklerprovision nicht sofort, sondern erst mit Abschluss des vermittelten Geschäfts fällig wird. Dass der Maklervertrag für den Kunden der Klägerin „zahlungspflichtig“ ist, zeigt sich aber schon daran, dass die Klägerin für ihre Leistung von ihren Kunden eine Zahlung verlangt. Insbesondere verlangt die Klägerin vom Beklagten für die streitgegenständliche Tätigkeit einen Betrag von knapp 30.000,00 Euro. Mithin ist die Leistung der Klägerin nach ihrem Willen keinesfalls kostenlos.
Auch das Wort „bestellen“ ist nicht irreführend. „Bestellen“ kann vielmehr zwanglos auch so verstanden werden, dass irgendeine Art von Vertrag geschlossen werden soll. Andernfalls hätte der Gesetzgeber die Vorschrift des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB auch ausschließlich auf die Lieferung von Waren beschränkt und Dienstleistungen nicht ausdrücklich mit eingeschlossen (§ 312i Abs. 1 BGB). Ohnehin hat der Beklagte auch nach dem Verständnis der Klägerin etwas „bestellt“, nämlich das vollständige Exposé zu der streitgegenständlichen Immobilie.
ee) Demnach kann dahinstehen, ob neben der gesetzlich vorgesehenen Bezeichnung im streitgegenständlichen Fall auch weitere Bezeichnungen für die streitgegenständliche Schaltfläche ausreichend gewesen wären, etwa „provisionspflichtigen Maklervertrag abschließen“ oder „provisionspflichtig beauftragen“.
e) Damit kann sich die Klägerin nicht auf den über das System „f.“ geschlossenen Maklervertrag berufen. Nach § 312j Abs. 4 BGB kommt ein Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr nur zustande, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus § 312j Abs. 3 BGB erfüllt. Nach Art. 8 Abs. 2 a.E. der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 (Verbraucherrechte-Richtlinie) ist der Verbraucher in diesem Fall durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden. Es kann dahinstehen, ob § 312j Abs. 4 BGB entgegen seinem Wortlaut unionsrechtskonform auszulegen ist. Nach dem Unionsrecht ist eindeutig festgelegt, dass der Verbraucher an den unter Verstoß gegen § 312j Abs. 3 BGB bzw. Art. 8 Abs. 2 Verbraucherrechte-Richtlinie geschlossenen Vertrag nicht gebunden ist. Die Frage, ob der Verbraucher gleichwohl von der Klägerin die Gegenleistung verlangen kann (sogenannte „asymmetrische Vertragsbindung“, BeckOGK-BGB/Busch, 01.06.2021, § 312j, Rn. 47 ff.; gegen ein Wahlrecht des Verbrauchers: Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 312j Rn. 8), kann dahinstehen.
2. Der Beklagte wurde auch nicht durch die Entgegennahme der Maklerleistungen in Kenntnis des Provisionsverlangens der Klägerin zur Zahlung der Maklerprovision verpflichtet.
Es kann dahinstehen, ob es zum Abschluss eines Maklervertrages genügt, wenn der Auftraggeber die Maklerleistung entgegennimmt und weiß, dass der Makler vom Auftraggeber dafür eine Provision verlangt oder verlangen wird (vgl. Grüneberg/Retzlaff, BGB, 81. Aufl., § 652 Rn. 3ff). Ein solcher Vertrag wäre wegen eines Formmangels nichtig, da für den streitgegenständlichen Maklervertrag über die Vermittlung eines Einfamilienhauses die Textform vorgeschrieben ist (§§ 656a, 125 BGB). Im Anfordern der streitgegenständlichen Leistung als auch in der Erbringung der streitgegenständlichen Leistung allein kann ein Vertragsschluss auch deshalb nicht angenommen werden, weil insoweit die Vorschriften des Verbraucherschutzes im Sinne des § 312m Abs. 1 Satz 2 BGB umgangen würden. Würde das bloße Anfordern der Leistung des Unternehmers und die Entgegennahme derselben den Verbraucher zur Zahlung des Entgelts verpflichten, auf das er gemäß § 312j Abs. 3 BGB nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden ist, so wäre § 312j Abs. 3 und Abs. 4 jeder Wirkung beraubt.
3. Auch in der E-Mail vom 06.08.2021, in der der Beklagte die Klägerin zur Übersendung weiterer Unterlagen zum Objekt aufforderte, kann weder eine auf den Abschluss eines Maklervertrags gerichtete Willenserklärung, noch auf eine Bestätigung des per „f.“ geschlossenen Maklervertrags geschlossen werden.
aa) Zunächst kann in der E-Mail keine Annahme eines Vertragsangebots der Klägerin gesehen werden. Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte mit der E-Mail einen Maklervertrag abschließen wollte, ergeben sich anhand des objektiven Empfängerhorizonts nicht. Der Beklagte hat die E-Mail abgesendet, nachdem zuvor der Besichtigungstermin stattgefunden hatte, bei dem er unter anderem die Verkäuferin persönlich kennengelernt hatte. Da er zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, dass das streitgegenständliche Objekt veräußert werden sollte und auch die Verkäuferin kannte, gab es für ihn schon überhaupt keinen Anlass, einen (Nachweis-)Maklervertrag mit der Klägerin abzuschließen. Ohnehin hat die Klägerin nicht vorgetragen, dem Beklagten nach dem fehlgeschlagenen Vertragsschluss über „f.“ erneut ein Vertragsangebot gemacht zu haben oder dessen Vertragsangebot angenommen zu haben.
bb) Schließlich kann in der E-Mail vom 06.08.2021 auch nicht auf einen Willen zur Bestätigung des bereits über „f.“ geschlossenen Vertrags geschlossen werden. Ein solcher setzt stets voraus, dass die Parteien die Unwirksamkeit des zu bestätigenden Rechtsgeschäfts kennen oder sie jedoch jedenfalls für möglich halten. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte den mutmaßlich über „f.“ geschlossenen Maklervertrag für unwirksam hielt, gibt es nicht. Ob der Beklagte den geschlossenen Vertrag überhaupt bestätigen konnte (s.o. 1. e)), bedarf daher keine Entscheidung.
4. Aus denselben Gründen kann auch aus der „Vermittlungs- und Nachweisbestätigung“ vom 02.09.2021 weder ein Vertragsschluss noch eine Bestätigung des per „f.“ geschlossenen Maklervertrags angenommen werden.
5. Auch aus dem Begehren des Beklagten, die Provision zwischen sich selbst und der D.'s GmbH aufzuteilen, kann ein Willen zum Abschluss eines Maklervertrags oder zur Bestätigung eines solchen nicht entnommen werden. Insoweit gilt das Gleiche wie im Hinblick auf die E-Mail vom 06.08.2021 und die „Vermittlungs- und Nachweisbestätigung“ vom 02.09.2021. Darüber hinaus wäre ein etwaiger Wille des Beklagten insofern jedenfalls darauf gerichtet, dass nicht der Beklagte allein Vertragspartner und damit Schuldner der Provision werden sollte. Ein etwaiges Angebot des Beklagten hätte die Klägerin abgelehnt, indem sie den Wunsch des Beklagten nach der Aufteilung der Provision zurückgewiesen hat.
EuGH
Urteil vom 17.05.2023 C-97/22
Widerruf nach Vertragserfüllung)
Der EuGH hat entschieden, dass bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht bei einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, der Kunde nach Widerruf bereits erbrachte Dienstleistungen nicht bezahlen muss.
Tenor der Entscheidung:
Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i und Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind dahin auszulegen, dass sie einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.
Die Pressemitteilung des EuGH: Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht: Widerruft ein Verbraucher einen bereits erfüllten, außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, so ist er von jeder Zahlungspflicht befreit
Der Unternehmer muss somit die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des Vertrags während der Widerrufsfrist entstanden sind.
Ein Verbraucher schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Das Unternehmen versäumte es jedoch, ihn über das Widerrufsrecht zu unterrichten, das dem Verbraucher grundsätzlich während 14 Tagen zusteht, da der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens abgeschlossen worden war.
Nach Erbringung seiner vertraglichen Leistungen legte das Unternehmen dem Verbraucher die entsprechende Rechnung vor. Dieser beglich die Rechnung nicht, sondern widerrief den Vertrag. Er macht geltend, dass das Unternehmen keinen Anspruch auf Vergütung habe, da es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten und da die Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist (die sich bei einem solchen Versäumnis um ein Jahr verlängere) ausgeführt worden seien.
Das mit einem Rechtsstreit über diesen Anspruch befasste deutsche Gericht vertritt die Auffassung, dass ein Verbraucher nach den Bestimmungen des deutschen Rechts, die zur Umsetzung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher erlassen worden seien, nicht für die vor Ablauf der Widerrufsfrist erbrachte Dienstleistung aufzukommen brauche, wenn der Unternehmer es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten.
Das deutsche Gericht fragt sich jedoch, ob diese Richtlinie jeglichen Anspruch des Unternehmers auf „Wertersatz“ auch dann ausschließt, wenn dieser Verbraucher sein Widerrufsrecht erst nach Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags ausgeübt hat. Auf diese Weise könnte der Verbraucher nämlich einen Vermögenszuwachs erlangen, was dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung, einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, zuwiderliefe. Das deutsche Gericht hat daher den Gerichtshof ersucht, die Richtlinie unter diesem Gesichtspunkt auszulegen.
Mit seinem Urteil vom heutigen Tag beantwortet der Gerichtshof dieses Ersuchen dahingehend, dass ein Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit ist, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags erbracht wurden, wenn der betreffende Unternehmer ihn nicht über sein Widerrufsrecht informiert hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.
Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher in dem besonderen Kontext des Abschlusses eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen schützen. In diesem Kontext steht der Verbraucher nämlich möglicherweise psychisch stärker unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt. Daher ist die Information über das Widerrufsrecht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaubt ihm, die Entscheidung, ob er den Vertrag abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen.
Hinsichtlich der Frage des vom Verbraucher auf diese Weise erzielten Vermögenszuwachses und des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie den Zweck verfolgt, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Dieses Ziel geriete indessen in Gefahr, falls zugelassen würde, dass einem Verbraucher in der Folge seines Widerrufs eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags Kosten entstehen könnten, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.
Das AG Köln hat entschieden, dass die Vorgaben der Buttonlösung gemäß § 312j BGB analog auch für Vertragsbeendigungen durch Schaltflächen in standardisierten E-Mails gelten.
Aus den Entscheidungsgründen: I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 4.112,65 EUR aus §§ 631, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte vollumfänglich zu.
1. Der Kläger als Partei des mit der Beklagten bestehenden Luftbeförderungsvertrags ist hinsichtlich des in Rede stehenden Schadensersatzanspruchs aktivlegitimiert.
2. Die Beklagte hat ihre aus dem Vertrag resultierende Pflicht zur Beförderung des Klägers und der Mitreisenden verletzt, da sie trotz des Anklickens des Buttons „Ich möchte eine Erstattung anfordern“ durch den Kläger weiterhin zur Leistung verpflichtet war. Denn der Luftbeförderungsvertrag ist durch das Anklicken nicht beendet worden, da die Beklagte ihren analog § 312j Abs. 3 BGB bestehenden Pflichten nicht genügt hat.
a) Gemäß § 312j Abs. 3 BGB hat der Unternehmer die Bestellsituation bei einem Vertrag nach § 312j Abs. 2 BGB so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus § 312j Abs. 3 S. 1 BGB nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Gemäß § 312j Abs. 4 BGB kommt ein Vertrag nach Absatz 2 nur zustande, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus § 312j Abs. 3 BGB erfüllt.
Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem – dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden – Regelungsplan ergeben (stdg. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 – IV ZR 143/21 – BeckRS 2022, 36827 Rn. 13 m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. § 312j Abs. 3 BGB ist auf standardisierte E-Mails, in denen der Unternehmer dem Verbraucher die Vertragsbeendigung per Auswahl-Button ermöglicht, analog anwendbar.
(1) Eine Regelungslücke ist gegeben. Denn das deutsche Recht kennt keine Regelung, die Vorgaben zur Beschriftung von Schaltflächen bei der Vertragsbeendigung im elektronischen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern zum Zwecke der Warnung vor der etwaigen Nicht-Erstattung erfolgter Zahlungen enthält.
(a) Während der Gesetzgeber durch die Einführung des § 312j BGB (ursprünglich § 312g BGB) bestimmte Voraussetzungen für das Zustandekommen (Hervorhebung durch das Gericht) von Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr – vornehmlich die Pflicht des Unternehmers, die Schaltfläche für die Bestellung mit dem eindeutigen Hinweis für den Verbraucher auf die Zahlungspflicht zu versehen, sog. Buttonlösung (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 6 f.), – kodifiziert hat, fehlt es an solchen eindeutigen Bestimmungen für die Vertragsbeendigung.
(b) Entsprechende Voraussetzungen folgen insbesondere nicht aus § 312d Abs. 1 S. BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 14, Abs. 2 EGBGB. Diese sind ungeeignet, den Verbraucher vor der Andienung der Vertragsbeendigung durch den Unternehmer zu schützen, weil sie nicht unmittelbar vor Vertragsbeendigung mitgeteilt werden müssen (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt BeckOK BGB/Martens, 64. Edition, Stand 01.11.2022, § 312d BGB Rn. 3).
(c) Eine Regelungslücke ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil auf die Willenserklärungen bei der Vertragsbeendigung die allgemeinen Regeln über die Anfechtung im Irrtumsfall nach § 119 BGB bzw. § 123 BGB Anwendung finden. Denn die Regelungen der Anfechtung gewähren dem Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr kein mit § 312j Abs. 3 BGB vergleichbares Schutzniveau. Der Gesetzgeber hat sich bei der Einführung des BGB dazu entschlossen, irrtumsbelastete Willenserklärungen nicht aus sich heraus als nichtig anzusehen, sondern die nachträgliche Anfechtung mit der Folge des § 142 Abs. 1 BGB zuzulassen (vgl. MüKo BGB/Armbrüster, 9. Auflage 2021, § 119 BGB Rn. 1). Es handelt sich also bei der Irrtumsfreiheit nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Willenserklärung. Damit geht einher, dass derjenige, der eine Willenserklärung anfechten möchte, die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Tatsachen, die den Irrtum begründen, trägt (vgl. MüKo BGB/Armbrüster, a.a.O., § 119 BGB Rn. 153). Die analoge Anwendung des § 312j Abs. 3 BGB auf den Fall der Vertragsbeendigung führt hingegen dazu, dass die ordnungsgemäße Information des Verbrauchers über etwaige nicht erstattungsfähige Zahlungen eine Wirksamkeitsvoraussetzung der vertragsbeendenden Willenserklärung darstellt. Denn in direkter Anwendung stellt § 312j Abs. 3 BGB eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertragsschlusses dar, vergleichbar mit der Wirkung einer Formvorschrift (vgl. BT Drs. 17/7745, S. 12; BeckOGK/Busch, Stand: 01.06.2021, § 312j BGB Rn. 47.1 m.w.N.). Dies muss dann spiegelbildlich auch für die Vertragsbeendigung gelten. Für die Erfüllung der Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB trägt hingegen der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 12). Darüber hinaus sehen die Anfechtungsregeln auch keine bestimmten Informationspflichten vor, die geeignet sind, den typischen Gefahren des elektronischen Geschäftsverkehrs zu begegnen. Informationspflichten im Rahmen des § 123 BGB können sich stets nur aus den Umständen des Einzelfalles ergeben (vgl. MüKo BGB/Armbrüster, a.a.O., § 123 BGB Rn. 32 ff.).
(d) Ferner wird die Regelungslücke auch nicht durch die Einführung des § 312k BGB geschlossen. § 312k BGB statuiert bestimmte Pflichten für den Unternehmer bei der Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr. Unter anderem ist es gemäß § 312k Abs. 2 S. 2 BGB erforderlich, dass auf einer Webseite eine Kündigungsschaltfläche gut lesbar mit den Worten „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechend eindeutigen Erklärung beschriftet ist. Das Klicken auf die Schaltfläche muss den Verbraucher sodann gemäß § 312k Abs. 2 S. 3 BGB auf eine Bestätigungsseite führen, auf welcher er bestimmte Angaben zur Bezeichnung des Vertrags, zur Art der Kündigung etc. machen kann. Diese Pflichten verfolgen aber nicht denselben Zweck wie § 312j Abs. 3 BGB (in analoger Anwendung). Denn § 312k BGB zielt darauf ab, dem Verbraucher die Vertragsbeendigung besonders leicht zu machen, was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass der Verbraucher als Rechtsfolge der Missachtung der aufgeführten Pflichten gemäß § 312k Abs. 6 S. 1 BGB eine weitere Kündigungsmöglichkeit erhält. Abgesehen davon ist die Regelung gemäß § 312k Abs. 1 S. 1 BGB lediglich auf Dauerschuldverhältnisse anwendbar.
(2) Die aufgezeigte Regelungslücke ist auch planwidrig. Denn der Gesetzgeber hat unbewusst die Informationspflichten bezüglich etwaiger nicht erstattungsfähiger Zahlungen bei der Vertragsbeendigung im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern nicht geregelt.
Dem steht nicht entgegen, dass ausweislich der Gesetzesbegründung § 312j Abs. 2 BGB auf einseitige Willenserklärungen des Verbrauchers keine Anwendung finden soll. Denn hierbei hat der Gesetzgeber andere Konstellationen vor Augen gehabt, bspw. Weisungen im Rahmen laufender Vertragsbeziehungen wie die Erteilung von Aufträgen im Online-Banking (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 10). Hintergrund dieser Ausnahme war ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien, dass solche Erklärungen keine Zahlungsverpflichtungen auslösen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 17/8805, S. 6). Diese Überlegung lässt sich auf den in Rede stehenden Fall nicht erstattungsfähiger Zahlungen – im vorliegenden Fall Ticketpreise – nach Vertragsbeendigung aber nicht übertragen. Zwar begründet die Vertragsbeendigung keine Zahlungspflicht, de facto belastet aber eine nicht erstattungsfähige Vorleistung den Verbraucher im gleichen Maße. Denn durch die Beendigung wird dem Verbraucher der Anspruch auf die Gegenleistung genommen, ohne dass er über einen entsprechenden Anspruch auf Rückgewähr der von ihm erbrachten (Vor-)Leistung verfügt.
Die Intention des § 312j BGB sowie die Zielsetzung des § 312k BGB sprechen dafür, dass der Gesetzgeber übersehen hat, eine Regelung zu Informationspflichten bezüglich nicht erstattungsfähiger Vorleistungen bei der Vertragsbeendigung zu schaffen. Denn der Gesetzgeber hat ersichtlich die Gefahren des Vertragsschlusses im elektronischen Geschäftsverkehr gesehen, die darin liegen, dass der Verbraucher vorschnell Kostenverpflichtungen eingeht. Mit § 312j Abs. 3 BGB verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den Verbraucher vor Irreführung und Übereilung aufgrund der besonderen Situation im Internet bzw. bei der Nutzung sonstiger elektronischer Medien beim Vertragsschluss zu schützen (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7). Indes befürchtet der Gesetzgeber bei der Vertragsbeendigung, dass diese seitens des Unternehmers über Gebühr erschwert wird. § 312k BGB, der als Gegenstück des Bestellbuttons nach § 312j Abs. 3 BGB verstanden wird (vgl. MüKo BGB/Wendehorst, 9. Auflage 2022, § 312k BGB Rn. 1), basiert auf dem Befund, dass die Kündigung eines im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Vertrages direkt über eine Website für den Verbraucher oftmals nicht möglich oder durch die Website-Gestaltung erschwert wird. Entsprechend sollen Kündigungen im elektronischen Geschäftsverkehr für Verbraucher erleichtert werden (vgl. BT-Drs. 19/30840, S. 15). Zwar hat der Gesetzgeber offenbar gesehen, dass die Kündigung anderer Schuldverhältnisse als Dauerschuldverhältnisse in bestimmten Fällen für den Verbraucher mit unerwarteten Rechtsfolgen verbunden sein kann, bspw. mit der – im Ausgangspunkt – fortbestehenden Vergütungspflicht des Bestellers im Fall des werkvertraglichen Kündigungsrechts nach § 648 BGB (vgl. BT-Drs. 19/30840, S. 16). Aber zum einen spricht schon die dort gewählte Formulierung dafür, dass der Gesetzgeber ein – positives – Bedürfnis zum Schutz der Verbraucher vor Kostenfallen durch Dauerschuldverhältnisse hatte, nicht aber gleichzeitig ein – negatives – Bedürfnis zur Nicht-Regelung von Kostenfallen bei Nicht-Dauerschuldverhältnissen. Zum anderen handelt es sich in dem in BT-Drs. 19/30840, S. 16 genannten Beispiel um eine etwaig unerwartete Rechtsfolge, die sich aus dem Gesetz ergibt, nicht aber um eine unerwartete Rechtsfolge, die sich aus intransparenter Gestaltung durch den Unternehmer ergibt.
Schließlich ist eine analoge Anwendung von § 312j Abs. 3 BGB auch nicht wegen § 312 Abs. 5 S. 1 BGB ausgeschlossen. Hiernach sind die Absätze 2 bis 4 nicht anzuwenden, wenn der Vertrag ausschließlich durch individuelle Kommunikation geschlossen wird. Zwar führt die Gesetzesbegründung aus, dies beziehe sich insbesondere auf E-Mails (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7, S. 12). Kommunikation mittels – wie im vorliegenden Fall – standardisierter E-Mails ist hiervon jedoch nicht betroffen (vgl. zur überholten Vorstellung des Richtliniengebers der E-Commerce-Richtlinie im Jahr 2000 bzgl. des Gegenstands von E-Mails BeckOGK/Busch, a.a.O., § 312i BGB Rn. 50.1). E-Mail-Verkehr setzt gerade nicht notwendig eine individuelle Kommunikation im Sinne eines auf die konkrete Person des Verbrauchers abgestimmten Inhalts voraus, sondern ermöglicht auch die Versendung von standardisierten Inhalten. Der Gesetzgeber hatte hinsichtlich des § 312j Abs. 3 BGB gerade die Gefahr durch flexible Gestaltungsmöglichkeiten auf Online-Plattformen und die dadurch unklare Bestellsituation gesehen (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7). Entscheidend für das Erfordernis einer Regelung der jeweiligen Kommunikationsform ist aber, ob die typische Gefährdungslage besteht, ob also der Kunde ähnlich frei ist wie bei der Beantwortung eines Angebots durch einen Brief (zu § 312i BGB BeckOGK/Busch, a.a.O., § 312i BGB Rn. 51). Mit Blick auf die Gesetzgebungsmaterialien kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber bewusst gewesen ist, dass diese Gefährdungslage auch bei standardisierten E-Mails gegeben sein kann. Bei solchen E-Mails – wie im vorliegenden Fall – bestehen für den Verbraucher jedoch identische Gefahren wie bei der Nutzung einer Bestell-Website, denn der Unternehmer kann sich der gleichen Gestaltungsmöglichkeiten, etwa hinsichtlich in der E-Mail platzierter Schaltflächen, bedienen.
(3) Die analoge Anwendung des § 312j Abs. 3 BGB auf den Fall, in dem die Möglichkeit der Vertragsbeendigung durch standardisierte E-Mails an den Verbraucher herangetragen wird, ist auch geboten, da eine vergleichbare Interessenlage besteht. Hätte der Gesetzgeber das bestehende Schutzbedürfnis erkannt, hätte er die Regelung des § 312j Abs. 3 BGB auf die Vertragsbeendigung ausgeweitet.
Schon systematisch liegt eine Gleichbehandlung des Vertragsschlusses und der Vertragsbeendigung nahe. Denn die Vertragsbeendigung steht dem Vertragsabschluss vom rechtlichen Gewicht her gleich, stellt doch die Kündigung den einseitigen actus contrarius zur konsensualen Begründung der Vertragsbeziehung dar.
Die Gefahren des Vertragsabschlusses über eine Online-Schaltfläche sind ferner vergleichbar mit denen, die für den Verbraucher bei der Vertragsbeendigung über eine in einer standardisierten E-Mail enthaltenen Schaltfläche bestehen. Sowohl für den Vertragsabschluss als auch für die Vertragsbeendigung ist es zum Schutz des Verbrauchers unerlässlich, bestimmte Informationspflichten sowie einfach verständliche, auf finanzielle Folgen hinweisende Schaltflächen vorzugeben. Denn der Gedanke des § 312j Abs. 3 BGB, die Kostentransparenz im Internet zu verbessern und es zu erschweren, Kunden durch die Verschleierung der Entgeltpflichtigkeit eines Angebots sowie durch unklare Preisangaben in Kostenfallen zu locken (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7), lässt sich auf die Konstellation der Vertragsbeendigung, die mit nicht erstattungsfähigen Vorleistungen des Verbrauchers verbunden ist, übertragen. Denn in beiden Fällen kann es das Ziel des Unternehmers sein, durch intransparente Gestaltung bestimmte Kosten auf den Verbraucher abzuwälzen.
Findet diese Intention des Unternehmers ihren Niederschlag in einer unübersichtlichen elektronischen Darstellung der Vertragsbeendigungsmöglichkeit, ist der Verbraucher, um seine Entscheidung freiverantwortlich treffen zu können, darauf angewiesen, dass die Konsequenzen des Anklickens bestimmter Schaltflächen, insbesondere die mit dem Klick verbundenen finanziellen Konsequenzen, aufgeführt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verbraucher – wie im vorliegenden Fall – durch das Setzen von Fristen einseitig unter zeitlichen Druck gesetzt wird. Erfolgt dies nicht, besteht ein Täuschungs- und Überrumpelungsrisiko, dem § 312j Abs. 3 BGB gerade entgegenwirken möchte (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7).
Zudem spricht auch die Zielsetzung des Unionsrechts für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 312j Abs. 3 BGB. Hierfür spricht schon der Umstand, dass der dritte Erwägungsgrund der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/83/EU vom 25.10.2011), welche seinerzeit während des nationalen Gesetzgebungsverfahrens noch im Entstehen befindlich war, aber bereits in Bezug genommen wurde (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 9), auf das Ziel der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutz-Niveaus hinweist. Speziell im Hinblick auf – vorliegend streitgegenständliche – Luftbeförderungsverträge gilt zudem, dass das nach Erwägungsgrund 1 der VO (EG) Nr. 261/2004 angestrebte hohe Schutzniveau sowie das Ziel, den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung zu tragen, nur dann gewährleistet sind, wenn eine Stornierung nur infolge einer wirksamen, nicht von Willensmängel behafteten Erklärung erfolgt (so auch AG Erding, Urt. v. 27.10.2022 – 104 C 682/22, S. 6).
Die Vergleichbarkeit ist auch nicht aus dem Grund ausgeschlossen, dass der Verbraucher, der einen Vertrag beendet – anders als jener, der einen Vertrag abzuschließen beabsichtigt –, bei Vertragsabschluss unter Umständen bereits Vertragsinformationen erhalten hat, die ihm eine Prüfung ermöglichen, ob er kostenfrei stornieren kann oder nicht. Vielmehr kann dem Verbraucher erst recht dann, wenn sein Vertragspartner ihm einseitig eine Änderung des bereits geschlossenen Vertrags aufdrängt, und ihn hierbei ggf. noch unter zeitlichen Druck setzt, nicht zugemutet werden, selbst eine unter Umständen aufwändige Prüfung vorzunehmen, welche finanziellen Folgen potenziell auf ihn zukommen. Dem Unternehmer, der einseitig den bereits geschlossenen Vertrag ändern will, ist hingegen jedenfalls die Gewährleistung eines Mindestmaßes an Transparenz zuzumuten. Dies zeigt der vorliegende Fall, in dem in der streitgegenständlichen E-Mail von einem „Recht auf eine Erstattung des Ticketpreises“ die Rede ist und erst durch eine Prüfung der Reiseunterlagen auffallen konnte, dass hiermit keine vollständige, sondern lediglich eine sehr geringe Erstattung gemeint gewesen ist, in besonders eindrücklicher Weise. Selbst wenn der Verbraucher aber seine Reiseunterlagen prüft, kann gleichwohl durch den Text der E-Mail der – unter Umständen fatale – Eindruck entstehen, dieser modifiziere die Vertragsbedingungen zu Gunsten des Verbrauchers.
Schließlich ist auch der bereits genannte Schutzgedanke des § 312j Abs. 3 BGB, der Schutz des Verbrauchers vor Übereilung durch die Möglichkeit, sich die finanziellen Konsequenzen des Anklickens bewusst zu machen (vgl. BT Drs. 17/7745, S. 7), übertragbar. Denn der Verbraucher, der durch eine E-Mail seines Vertragspartners zu einer Reaktion innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert wird, befindet sich unter einem größeren zeitlichen Druck als derjenige, der im Internet freiwillig eine Webseite besucht und sich in Ruhe überlegen kann, ob er dort etwas bestellt oder nicht.
c) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 312j Abs. 3 BGB sind gegeben.
Der erforderliche Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB (vgl. BeckOGK/Busch, a.a.O., § 312j BGB Rn. 15) zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher liegt vor. Denn der Kläger nahm die Buchung als Verbraucher nach § 13 BGB vor, es handelte sich unstreitig um eine Familienreise. Die beklagte Aktiengesellschaft ist Unternehmerin nach § 14 BGB, sie bietet gewerblich Flugreisen an. Auch handelt es sich bei dem Beförderungsvertrag um einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312i Abs. 1, 1 Hs. BGB, wonach sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient. Hierunter fällt auch der Werkvertrag (BeckOK BGB/Maume, a.a.O., § 312i BGB Rn. 9). Der E-Mail-Verkehr fällt unter die insoweit maßgebliche Bestimmung (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 10) des § 1 TMG (vgl. zur Altfassung BT-Drs. 16/3078, S. 13).
Die in der E-Mail enthaltene Schaltfläche, die der Kläger ausgewählt hat, entsprach nicht den Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB. § 312j Abs. 3 S. 2 BGB verlangt für die Wirksamkeit des Vertragsschlusses, dass der Unternehmer die Schaltfläche, über die eine Bestellung abgegeben werden kann, mit den gut lesbaren Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer ähnlichen Formulierung versieht. Übertragen auf die Vertragsbeendigung hätte die Schaltfläche jedenfalls eine deutliche Information darüber enthalten müssen, dass mit dem Klick die Erstattung des Flugpreises – abgesehen von Steuern und Gebühren – entfällt bzw. dass ausschließlich Steuern und Gebühren erstattet werden. Insbesondere ist spiegelbildlich zur Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“ zu verlangen, dass der Verbraucher die Rechtsverbindlichkeit des Anklickens erkennen kann. Diesen Anforderungen entsprach der Button in der streitgegenständlichen E-Mail nicht im Ansatz. Vielmehr stellt sich die Formulierung „Ich möchte eine Erstattung anfordern“, auch in Kombination mit dem Begleittext, in dem von einem „Recht auf eine Erstattung des Ticketpreises“ die Rede ist, als geradezu irreführend dar. Denn dem Verbraucher wird suggeriert, er erhalte den vollständigen Ticketpreis zurück. Dass er lediglich Steuern und Gebühren erhält – im vorliegenden Fall nur etwa 10 Prozent des Gesamtpreises –, kann den gegebenen Informationen nicht im Ansatz entnommen werden. Hinzu kommt, dass die zugrundeliegende Vertragsänderung – nämlich die Änderung der Flugzeiten – aus der Sphäre der Beklagten und gerade nicht aus derjenigen des Klägers stammt. Ferner lässt der auf dem Button enthaltene Text keinen Schluss darauf zu, dass durch den Klick unmittelbar der Vertrag beendet wird. Vielmehr suggeriert die Formulierung, wonach der Verbraucher eine Erstattung anfordern (Hervorhebung durch das Gericht) möchte, dass zunächst weitere Informationen abgefragt werden. Jedenfalls aber konnte damit gerechnet werden, dass noch eine Sicherheitsabfrage erfolgt, ob tatsächlich eine Stornierung erfolgen soll oder nicht. Dass der Klick hingegen zur Abgabe einer rechtsverbindlichen Entscheidung führt, lässt sich der streitgegenständlichen E-Mail gerade nicht entnehmen, erst recht nicht ohne eine damit verbundene vollständige Erstattung des Flugpreises. Vielmehr spricht der enthaltene Begriff „möchte“ für ein Begehr, einen Prozess in Ganz zu setzen, der letztendlich zu einer Flugpreis-Erstattung führen kann, nicht aber für die unmittelbare Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung.
Hierbei kann offen bleiben, ob Mängel in der Beschriftung des Buttons durch eine ordnungsgemäße Information an anderer Stelle ausgeglichen werden können. Denn Informationen, die spiegelbildlich den Pflichten des § 312j Abs. 2 BGB entsprechen, sind gerade nicht erteilt worden. Vielmehr stellt sich der Begleittext, in dem vom „Recht auf eine Erstattung des Ticketpreises“ die Rede ist, wie dargestellt als irreführend dar. Denn eine Information darüber, dass ein Anteil des Ticketpreises nicht erstattet wird und wie groß dieser Anteil ist, fehlt vollständig.
Die Pflicht aus dem Beförderungsvertrag ist ungeachtet dessen verletzt, dass die Beförderungsleistung noch nicht fällig war. Denn dieser bedarf es nicht, wenn der Schuldner die Leistung vor Fälligkeit ernsthaft und endgültig verweigert (vgl. Schulze BGB/Schulze, 11. Auflage 2021, § 281 Rn. 5; AG Köln, Urt. v. 15.03.2022 – 120 C 71/21 – juris, Rn. 15). Die Löschung der Buchung stellt eine antizipierte Beförderungsverweigerung dar (vgl. AG Frankfurt, Urt. v. 05.10.2022 – 30 C 635/22, S. 4). Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte die stornierte Buchung zudem gerade nicht wiederhergestellt.
3. Die Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten, was bereits daraus folgt, dass sie keine die gesetzliche Regelvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB widerlegenden Umstände vorgetragen hat. Auch das Fristsetzungserfordernis nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB ist erfüllt. Denn der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2022 eine Frist zur Wiederherstellung der Buchung bis zum 25.03.2022 gesetzt, auf die die Beklagte nicht reagiert hat. Der sodann erklärte Rücktritt steht dem Anspruch gemäß § 325 BGB nicht entgegen.
4. Infolge der Pflichtverletzung ist dem Kläger ein ersatzfähiger Schaden in tenorierter Höhe entstanden. Die bereits entrichtete Vergütung in Höhe von 4006,70 EUR abzüglich der erstatteten Steuern und Gebühren in Höhe von 432,00 EUR, d.h. 3.574,70 EUR, sind dem Kläger nach § 251 Abs. 1 BGB als Mindestschaden zu ersetzen (vgl. MüKo BGB/Emmerich, 9. Auflage 2022, vor § 281 BGB Rn. 22; AG Erding, Urt. v. 27. Oktober 2022 – 104 C 682/22, S. 11). Die zwischen den Parteien geltende Vereinbarung, wonach der vom Kläger gebuchte Tarif keine Erstattung vorsieht, greift nicht ein, da eine wirksame Stornierung durch den Fluggast nicht vorliegt (vgl. dazu AG Köln, Urt. v. 15. März 2022 – 120 C 71/21 – juris, Rn. 16). Die verbleibenden Mehrkosten für die Neubuchung in Höhe von 537,95 EUR sind ebenfalls nach § 251 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Denn es handelt sich um die Differenz zwischen dem vertraglichen Preis und dem Preis, den der Kläger auf dem Markt nach der Nichtleistung für einen Deckungskauf zahlen musste, (MüKo BGB/Emmerich, a.a.O., vor § 281 BGB Rn. 45).
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine Klausel in des AGB eines Mietwagenanbieters unwirksam ist, wenn Kunden danach die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck prüfen sowie ggf. korrigieren müssen.
Aus den Entscheidungsgründen: Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, liegt eine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung vor, die mit deren wesentlichen Grundgedanken dieser Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - VII ZR 170/16 Rn. 17, BauR 2017, 1202). Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und damit für die Bestimmung der für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung heranzuziehenden wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 - VIII ZR 344/13 Rn. 31 m.w.N., BGHZ 201, 363). Entscheidend sind die durch die Klausel konkret verdrängten gesetzlichen Vorschriften, die im Streitfall auf das vertraglich begründete Rechtsverhältnis anwendbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41, juris Rn. 20). Die "gesetzlichen Regelungen" im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfassen dabei nicht nur Gesetze im materiellen Sinn, sondern auch ungeschriebenes Recht, wozu auch das Richterrecht sowie die von der Rechtsprechung und Rechtslehre durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung aus den allgemeinen Grundgedanken eines Rechtsgebiets oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus der Natur eines Schuldverhältnisses erarbeiteten und anerkannten Rechtssätze gehören (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269, juris Rn. 23). Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessensabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021 - XI ZR 26/20 Rn. 24 m.w.N., BGHZ 229, 344; BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 27, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten verwendete Klausel in § 9 ihrer AGB, soweit sie den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, unwirksam.
Gemäß § 535 Abs. 1 BGB obliegt es dem Vermieter, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Von dieser Pflicht entledigt sich die Beklagte, wenn sie dem Mieter eines Fahrzeuges auferlegt, den Reifendruck und die Betriebsflüssigkeiten zu prüfen und zu korrigieren. Nach dem Wortlaut der Klausel obliegt dem Mieter die Pflicht ab dem Zeitpunkt, in dem er das Fahrzeug anmietet und mit dem Fahrzeug losfährt. Dies bedeutet, dass der Mieter eines Fahrzeuges, um der Pflicht aus § 9 der AGB zu genügen, vor Fahrtantritt zu überprüfen hat, ob der Reifendruck in Ordnung ist und ob das Fahrzeug über genügend Motoröl, Getriebeöl und Bremsflüssigkeit verfügt und ob genügend Kraftstoff vorhanden ist. Ein Mieter wird sich dabei nicht auf Anzeigen im Cockpit verlassen dürfen, weil er nicht weiß, ob die Anzeigen ordnungsgemäß funktionieren. Die Beklagte beschränkt in ihrer Klausel die Pflicht zur Prüfung auch nicht auf die Kontrolle („Sichtprüfung“) der Anzeigen im Cockpit.
Die Pflicht zu Prüfung und Korrektur stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil sich ein Mieter eines Fahrzeuges darauf verlassen darf, dass der Vermieter die für den Gebrauch des Fahrzeuges notwendige Voraussetzungen geschaffen hat.
Der Einwand der Beklagten unter Hinweis auf § 23 StVO, dass die Pflicht dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug vorschriftsgemäß ist, auch den Fahrer trifft, entledigt die Beklagte nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen des Mietverhältnisses mit dem Mieter den gebrauchsgemäßen Zustand der Sache zu schaffen. Nach dem Wortlaut der Klausel tritt zudem die Pflicht zur Prüfung und Korrektur der Betriebsflüssigkeiten und des Reifendrucks nicht erst bei längerem Gebrauch des Fahrzeuges ein. Denn eine Beschränkung der Verpflichtung nach Zeit oder Entfernung sieht die Klausel nicht vor. Nach dem Grundsatz der sog. kundenfeindlichsten Auslegung können Klauseln nicht eingeschränkt zugunsten des Verwenders ausgelegt werden. Vielmehr ist die Auslegung zugrunde zu legen, die für den Verbraucher am ungünstigsten ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 30, juris). Hiernach ist maßgeblich, dass einem Mieter die Pflicht zur Prüfung und Korrektur bereits ab dem Mietbeginn obliegt.
Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge die Pflicht auferlegt, die Fahrzeuge gemäß den Anweisungen in den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen sowie wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen zu lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 - VIII ZR 42/20, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 22 mwN). Bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 23 mwN). Die Transparenzanforderungen dürfen aber nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grads an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 11. März 2021 - III ZR 96/20, NJW-RR 2021, 839 Rn. 25; BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 212/20 –, Rn. 47, juris; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2022 – IV ZR 185/20 –, Rn. 24, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist auch die Regelung in § 9 der AGB, soweit der Mieter die Fahrzeuge gemäß den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen hat, unwirksam. Erkennbare Intention der Klausel, insbesondere im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung (s.o.), ist die Auferlegung der Verantwortung des Mieters für eine Betriebsstörung, wenn diese durch eine Nutzung des Fahrzeuges entgegen einer Angabe in den genannten Unterlagen verursacht wurde. Die Beklagte wird einem Mieter eine in diesem Sinn sachwidrige Nutzung vorhalten und ihn für Schäden haftbar machen. Ein Mieter wird deshalb gehalten sein, „die Handbücher, Fahrzeugunterlagen und Herstellerangaben“ vor Antritt einer Fahrt zu studieren, um nicht in die Gefahr einer sachwidrigen Nutzung zu gelangen. Dabei bleibt es nach der Klausel offen, um welche konkreten Unterlagen es sich handelt. Die Verwendung des Plurals bei den Handbüchern lässt vermuten, dass es für Fahrzeuge mehrere Handbücher gibt, die es zu studieren gilt. Auch bei den Fahrzeugunterlagen verwendet die Beklagte den Plural, wobei offenbleibt, was die Beklagte zu den „Unterlagen“ im Einzelnen zählt. Gleiches gilt für die Herstellerangaben. Es bleibt auch offen, wie ein Mieter in den Besitz der genannten Bücher Unterlagen und Angaben gelangen kann. Denn nach der Klausel beschränkt sich die Lektüre nicht auf diejenigen Dokumente, die sich in dem Fahrzeug ggf. befinden, sondern auch auf solche Dokumente, die darüber hinaus zu diesem Fahrzeug existieren. Ein Mieter wird deshalb vor Fahrtantritt zu recherchieren haben, welche Bücher, Unterlagen und Herstellerangaben zu dem anzumietenden Fahrzeug vorhanden sind und wie er in den Besitz dieser Dokumente gelangen kann, um sie zur Vermeidung eines Haftungsrisikos zu studieren.
Auf der Grundlage der kundenfeindlichsten Auslegung benachteiligt eine solche Verpflichtung einen Mieter, der Verbraucher ist, unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.