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LG Cottbus: Widerrufsrecht ist nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen wenn sich Personalisierung des Produkts ohne Substanzeinbuße entfernen lässt

LG Cottbus
Urteil vom 29.09.2022
2 O 223/21


Das LG Cottbus hat entschieden, dass das Widerrufsrecht nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist, wenn sich eine Personalisierung des Produkts ohne Substanzeinbuße entfernen lässt.
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Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Faksimiles aus §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 1, 312g Abs. 1, 312b, 312 BGB.

a) Dem Kläger stand gemäß § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Der Kläger hat mit der Beklagten einen Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB über die Lieferung eines Faksimiles „Liber Scivias – Die göttlichen Visionen der Hildegard von Bingen“ geschlossen und sich zur Zahlung eines Kaufpreises i.H.v. 7.920,00 € verpflichtet. Für eine Einschränkung des Anwendungsbereiches der Widerrufsvorschriften nach § 312 Abs. 2 bis 6 BGB bestehen keine Anhaltspunkte. Es handelt sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne des § 312b BGB, denn jedenfalls hat der Kläger hat sein Kaufangebot bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit eines Vertreters der Beklagten in seiner Wohnung abgegeben, was gem. § 312b Abs. 1 Nr. 2 BGB ausreichend ist. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte das Angebot sogleich in der Wohnung des Klägers durch ihren Vertreter oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durch die Lieferung des Faksimiles angenommen hat.

b) Das Widerrufsrecht war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.

(1) Auf die handschriftliche Eintragung des Namens des Klägers in die eingeklebte „Notarielle Beurkundung“ kommt es nicht an, denn eine derartige Individualisierung des Faksimiles hat der Kläger nicht bestellt. Vielmehr ist in der Bestellurkunde eine Individualisierung durch ein Messingschild angekreuzt. Zwar hat die Beklagte behauptet, dass der Kläger eine Individualisierung durch eine notarielle Beurkundung gewünscht habe. Für diese – vom Inhalt der Bestellurkunde abweichende – Behauptung hat die Beklagte jedoch keinen Beweis angetreten. Durch eine ohne ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vom Unternehmer vorgenommene und damit aufgedrängte Individualisierung wird das Widerrufsrecht nicht gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.

(2) Das Widerrufsrecht war jedoch auch nicht durch die vom Kläger bestellte Individualisierung in Form der Anbringung eines Messingschildes mit seinem Namen gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.

(i) Das Widerrufsrecht war schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil die Beklagte ein Faksimile mit der bestellten Individualisierung durch ein Messingschild nicht geliefert hat.

Zwar ist es für das Eingreifen des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB – anders als der Kläger meint – grundsätzlich unerheblich, ob der Unternehmer die vereinbarte Individualisierung im Zeitpunkt des Widerrufs bereits vorgenommen hat. Insofern ist allein entscheidend, ob sich die Parteien über eine tatbestandsmäßige Individualisierung der Kaufsache geeinigt haben. Wann der Unternehmer diese Individualisierung vornimmt, spielt keine Rolle (EuGH, Urt. v. 21.10.2020 – C-529/19 – Juris, Rn. 15 ff.).

Vorliegend kann sich die Beklagte auf einen Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB vor der Lieferung eines entsprechend personalisierten Faksimiles jedoch nach Treu und Glauben aus § 242 BGB nicht berufen, denn sie hat den Kläger in der Bestellurkunde über einen Ausschluss des Widerrufsrechts irreführend belehrt, indem sie dort darauf hingewiesen hat, dass das Widerrufsrecht im Falle der Personalisierung „nach Lieferung“ ausgeschlossen sei. Der durchschnittliche Adressat der Bestellurkunde ohne besondere Rechtskenntnisse konnte diesen Hinweis ohne Weiteres dahingehend verstehen, dass ein Widerrufsrecht vor der Lieferung des entsprechend personalisierten Faksimile noch nicht ausgeschlossen ist. An diesem von ihr unmittelbar durch die Gestaltung der Bestellurkunde vermittelten (rechtlich unzutreffenden) Eindruck muss sich die Beklagte unbeschadet des Umstandes festhalten lassen, dass sie in der Widerrufsbelehrung (rechtlich zutreffend aber abstrakt) darauf hingewiesen hat, dass das Widerrufsrecht im Falle einer Individualisierung der Ware generell ausgeschlossen ist.

Die Beklagte hat das bestellte Faksimile mit einer Personalisierung durch ein Messingschild mit dem Namen des Klägers nicht geliefert. Sie kann sich somit auf einen etwaigen Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB aus Treu und Glauben nicht berufen.

(ii) Unbeschadet dessen wäre das Widerrufsrecht jedoch auch ohne den rechtlich unzutreffenden Hinweis auf der Bestellurkunde nicht ausgeschlossen, weil sich das vom Kläger bestellte Messingschild nach seinem unbestrittenen Vortrag ohne Einbuße an der Substanz des Faksimiles wieder entfernen und durch ein anderes gleich großes Messingschild ersetzen ließe.

Nach dem Sinn und Zweck des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB soll ein Widerruf in Fällen ausgeschlossen sein, in denen die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisieren, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme wirtschaftlich wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder allenfalls noch unter erhöhten Schwierigkeiten und mit erheblichem Preisnachlass absetzen kann. Entscheidend ist, ob die Anfertigung der Ware bzw. deren Zuschnitt auf die Bedürfnisse des Verbrauchers nicht ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand wieder rückgängig zu machen ist (BGH, Urt. v. 19.03.2003 – VIII ZR 295/01 – Juris, Rn 15). Rückbaukosten jedenfalls unter 5 % des Warenwerts sind dabei als noch verhältnismäßig anzusehen (BGH, a.a.O., Rn. 19). An dieser Rechtsauffassung ist auch nach Inkrafttreten der Verbraucherrechterichtlinie vom 25.10.2011 (Richtlinie 2011/83/EU) unverändert festzuhalten (vgl. Buchmann, Das neue Fernabsatzrecht 2014 (Teil 3), in: K&R 2014, S. 369 (372); Wendehorst, in: MüKo-BGB, 9. Auflage 2022, § 312g Rn. 17).

Auf dieser Grundlage sind die Voraussetzungen eines Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB durch die Vereinbarung der Anbringung eines Messingschildes mit dem Namen des Klägers nicht gegeben. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers ließe sich das Messingschild problemlos wieder entfernen und durch ein anderes, gleich großes Messingschild mit dem Namen eines anderen Käufers ersetzen. Der Wert des Messingschildes liegt unbestritten unter 20,00 € und damit weit unter 1 % des vereinbarten Kaufpreises. Die Beklagte könnte ein durch ein Messingschild für den Kläger personalisiertes Faksimile daher ohne Überschreiten der Opfergrenze wieder verkehrsfähig machen und erneut zum Kauf anbieten.

c) Der Kläger hat das Widerrufsrecht auch ordnungsgemäß, insbesondere fristgemäß ausgeübt.

(1) In seiner Erklärung vom 21.01.2021 hat der Kläger zwar nicht das Wort „Widerruf", sondern das Wort „Widerspruch" verwendet. Aus den Umständen konnte die Beklagte jedoch ohne Weiteres entnehmen, dass ein Widerruf gemeint war. Schließlich hat die Beklagte die Erklärung ausweislich ihres Antwortschreibens vom 04.02.2021 auch in diesem Sinne verstanden (falsa demonstratio non nocet).

(2) Die Widerrufsfrist war am 21.01.2021 noch nicht abgelaufen.

(i) Die allgemeine Widerrufsfrist von 14 Tagen (§§ 355 Abs. 2 Satz 1, 312g Abs. 1 BGB) hatte gem. § 356 Abs. 3 S. 1 BGB noch nicht zu laufen begonnen, weil die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht unterrichtet hatte.

Grundvoraussetzung für eine ordnungsgemäße Belehrung über die Bedingungen für die Ausübung des Widerrufsrechts gem. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ist die Belehrung darüber, dass ein Widerrufsrecht überhaupt besteht. Die Beklagte hat durch die Gestaltung des Bestellformulars, wonach bei Ankreuzung des Kästchens zur Personalisierung durch das Messingschild ein Widerrufsrecht nach Lieferung ausgeschlossen sei, jedoch den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass ein Widerrufsrecht im konkreten Fall jedenfalls nach Lieferung nicht mehr bestehe. Dieser unmittelbar durch die Bestellurkunde erweckte unzutreffende Eindruck wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass die Voraussetzungen eines Ausschlusses des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB in der Widerrufsbelehrung in abstrakter Weise korrekt dargestellt worden sind.

Darüber hinaus ist die Widerrufsbelehrung jedoch auch deshalb fehlerhaft, weil entgegen Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EBGBG die Anschrift der Beklagten nicht angegeben ist. Insofern weicht die Widerrufsbelehrung auch von dem Muster nach Anlage 1 zu Artikel 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB ab, nach dessen Gestaltungshinweis Nr. 2 in die Widerrufsbelehrung den Namen, die Anschrift, die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse des Unternehmers einzutragen sind.

(ii) Die Ausschlussfrist gem. §§ 356 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 lit. a BGB von zwölf Monaten und 14 Tagen ab Lieferung war zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung im Januar 2021 noch nicht verstrichen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Ticketvermittler ist Veranstalter hinsichtlich des Ausschlusses des Widerrufsrechts beim Online-Ticket-Verkauf für Kultur- oder Sportveranstaltungen gleichgestellt

EuGH
Urteil vom 31.03.2022
C-96/21
DM gegen CTS Eventim AG & Co. KGaA


Der EuGH hat entschieden, dass ein Ticketvermittler dem Veranstalter hinsichtlich des Ausschlusses des Widerrufsrechts beim Online-Ticket-Verkauf für Kultur- oder Sportveranstaltungen gleichgestellt ist.

Tenor der Entscheidung:
Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht einem Verbraucher entgegengehalten werden kann, der mit einem Vermittler, der im eigenen Namen, aber für Rechnung des Veranstalters einer Freizeitbetätigung handelt, einen Fernabsatzvertrag über den Erwerb eines Zutrittsrechts zu dieser Betätigung geschlossen hat, sofern zum einen das Erlöschen der Verpflichtung gegenüber dem Verbraucher zur Erfüllung des Vertrags im Wege des Widerrufs gemäß Art. 12 Buchst. a der Richtlinie dem Veranstalter der betreffenden Betätigung das Risiko in Verbindung mit der Bereitstellung der hierdurch frei gewordenen Kapazitäten auferlegen würde und zum anderen die Freizeitbetätigung, zu der dieses Recht Zutritt gewährt, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum stattfinden soll.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Online-Kauf von Eintrittskarten für Kultur- oder Sportveranstaltungen: Der Gerichtshof stellt klar, wann kein Widerrufsrecht besteht

Wie beim Kauf unmittelbar beim Veranstalter besteht beim Kauf über einen Vermittler kein Widerrufsrecht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter treffen würde.

Ein Konzert, das am 24. März 2020 in Braunschweig (Deutschland) stattfinden sollte, wurde wegen Einschränkungen, die die deutschen Behörden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erlassen hatten, abgesagt.

Ein Verbraucher, der für dieses Konzert über die Ticketsystemdienstleisterin CTS Eventim online Eintrittskarten gekauft hatte, war mit einem Gutschein über den Kaufpreis der Eintrittskarten, den der Konzertveranstalter ausgestellt hatte, nicht zufriedengestellt und forderte von CTS Eventim die Rückzahlung des Kaufpreises sowie der zusätzlichen Kosten.

Das von dem Verbraucher angerufene Amtsgericht Bremen (Deutschland) stellte sich die Frage, ob der Verbraucher seinen Vertrag mit CTS Eventim gemäß der Verbraucherschutzrichtlinie widerrufen durfte.

Nach der Richtlinie steht einem Verbraucher, der mit einem Unternehmer einen Fernabsatzvertrag geschlossen hat, grundsätzlich für einen bestimmten Zeitraum2 das Recht zu, den Vertrag ohne Angabe von Gründen zu widerrufen.

Jedoch ist nach der Richtlinie ein Widerrufsrecht u. a. in dem Fall ausgeschlossen, dass eine Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht wird und der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin vorsieht.

Die Richtlinie verfolgt mit diesem Ausschluss das Ziel, Veranstalter von Freizeitbetätigungen wie Kultur- oder Sportveranstaltungen gegen das Risiko im Zusammenhang mit der Bereitstellung bestimmter verfügbarer Plätze, die sie im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig vergeben können, zu schützen.

Angesichts dessen, dass CTS Eventim nicht selbst Veranstalterin des fraglichen Konzerts war, sondern die Eintrittskarten zwar auf Rechnung des Veranstalters, aber in eigenem Namen verkaufte, möchte das Amtsgericht Bremen wissen, ob diese Ausnahme in einem solchen Fall greift.

Mit seinem heutigen Urteil hat der Gerichtshof dies bejaht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter der betreffenden Freizeitbetätigung treffen würde.


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OLG Schleswig-Holstein: Kein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB bei individuell angefertigtem Wintergarten zur Selbstmontage wenn nicht für andere Gebäude verwendbar

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 25.03.2021
6 U 48/20


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB kein Widerrufsrecht bei einem Vertrag über einen individuell angefertigten Wintergarten zur Selbstmontage besteht, wenn der Vertragsgegenstand nicht für andere Gebäude verwendbar ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

2. Die Beklagte kann sich im Rahmen der vorgelegten Verträge auf die Bereichsausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB berufen. Die von ihr verwendeten Vertragsformulare und Allgemeinen Geschäftsbedingungen führen somit nicht zu einem Verstoß gegen ihre Informationspflichten aus § 312j BGB oder zu irreführenden geschäftlichen Handlungen gem. § 5, § 5a UWG. Dem Kläger stehen somit Unterlassungsansprüche gem. § 8 UWG nicht zu. Nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB besteht das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossenen Verträgen nicht, wenn es sich um Verträge zur Lieferung von Waren handelt, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist, oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei den vorliegenden Verträgen nicht um Werkverträge, für die die Anwendung der Bereichsausnahme nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 2018, VII ZR 243/17, Rn. 19ff, - juris -). Die Beklagte unterteilt die von selbstständigen Handelsvertretern vermittelten Verträge in Verträge auf Lieferung von „Bauteile[n] zur Montage eines kompletten Glasanbaus/Wintergartens“ (vgl. Anlage K10, Bl. 116) und einen Montageauftrag mit einem nicht mit ihr verbundenen Handwerksbetrieb (vgl. Anlage K11, Bl. 122). Sie hat hierzu bisher unwiderlegt angegeben, der Besteller könne auch den Wintergarten selbst aufstellen oder einen anderen Handwerksbetrieb mit der Montage beauftragen. Damit liegt der Schwerpunkt der von der Beklagten angebotenen Leistung in der Lieferung von Waren i. S. d. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB und nicht in der Herbeiführung eines Werkerfolges.

b) Auch die weiteren Voraussetzungen der Bereichsausnahme liegen vor. Die Ausnahme für Waren, die nach Kundenspezifikation hergestellt sind, entspricht im Wesentlichen Art. 2 Nr. 4 VerbrRRL, die zur Begriffsbestimmung in Erwägungsgrund 49 als Beispiel nach Maß gefertigte Vorhänge angibt (Staudinger-Thüsing (2019), BGB, § 312g Rn. 21). Weitere Beispiele sind Maßanzüge, mit persönlicher Gravur versehene Schmuckstücke oder Grabsteine (Staudinger, a. a. O., Rn. 22). Nach der auch in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB genannten Alternative greift die Ausnahme zudem bei Waren, die eindeutig auf die persönlichen Verhältnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Dies wäre getreu dem Wortsinn auch bei Möbeln der Fall, die aus einer Angebotspalette des Herstellers individuell zusammengestellt werden, oder bei Kraftfahrzeugen, die vom Verbraucher gewünschte Extras enthalten (MüKo-BGB/Wendehorst, § 312g Rn. 16; Staudinger, a. a. O. Rn. 22, jeweils m. w. N.). Daher ist die Vorschrift eng auszulegen.

aa) Der Zweck der Bereichsausnahme liegt darin, dass eine Rückabwicklung des Vertrages für den Unternehmer unzumutbar ist, wenn hierdurch für ihn erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Dieses Risiko muss über das allgemeine Risiko eines Fernabsatzgeschäftes hinausgehen, das für den Unternehmer bereits durch die Vorteile dieses Vertriebsmodells ausgeglichen wird. Für das Vorliegen der Ausnahme sind daher zwei Voraussetzungen erforderlich (vgl. BGH, MDR 2003, 732, Rn. 15ff., juris):

(1) Zum einen darf der Unternehmer die vom Kunden veranlasste Anfertigung der Ware nicht ohne weiteres rückgängig machen können. Hierzu ist erforderlich, dass es einen unvertretbaren wirtschaftlichen Aufwand erfordert, die Bestandteile wieder in einen Zustand zu versetzen, in dem sie sich vor der Zusammensetzung befunden haben. Der BGH hat in der zitierten Entscheidung fünf Prozent des Warenwertes noch nicht als unvertretbaren Aufwand angesehen (BGH a. a. O., Rn. 19, juris).

(2) Zum anderen müssen die Angaben des Verbrauchers die Sache so sehr individualisiert haben, dass der Unternehmer sie wegen ihrer besonderen Gestalt nicht mehr oder nur noch mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten weiterveräußern kann (BGH a. a. O., Rn. 20ff; Palandt-Grüneberg, § 312g Rn. 4). Unerheblich ist, ob der Unternehmer die Spezifikation selbst vorgenommen hat oder die Ware auf Kundenwunsch hin hat anfertigen lassen.

bb) Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 21) hat die Voraussetzung der Ausnahme hinreichend belegt.

(1) Soweit sie dargelegt hat, die Wintergärten seien auf die zu bebauende Fläche, die Traufenhöhe, die Lastabfangung der Wand, Besonderheiten wie das Einschließen einer Hausecke oder Umgehung eines Abganges zugeschnitten, betrifft dies zunächst nur die Frage der Individualisierung im weiten Sinne, also die Frage, ob überhaupt ein Zuschnitt auf die Kundenwünsche, wie z. B. bei Farbe und Ausstattung eines PKW erfolgt. Auch Einzelwünsche wie das für das Dach verwendete Material, zu öffnende Fenster etc. begründen den erforderlichen wirtschaftlichen Nachteil durch die Individualisierung ohne hinzukommende Umstände nicht.

(2) Solche weiteren Umstände sind in der Herstellungsweise der Wintergartenteile, deren Ablauf die Beklagte detailliert unter Vorlage verschiedener Bestellungen und Planungsunterlagen vorgetragen hat, begründet. Der Kläger ist diesem Vortrag lediglich pauschal und damit unbeachtlich entgegengetreten.

Nach dem insoweit zugrunde zu legenden Ablauf werden die Dächer der Wintergärten aus Profilbauteilen zusammengesetzt und dann die Dichtungen und Abdeckleisten auf die jeweilige Länge zugeschnitten. Bereits diese Bereiche und Einzelteile wären zwar theoretisch wiederverwendbar, allerdings lediglich an kürzeren oder kleineren Bauteilen. Außerdem liegt nahe, dass bei weitgehend automatisierter Fertigung die erneute Verwendung bereits auf Länge zugeschnittener Teile einen unwirtschaftlichen Aufwand darstellt.

Offensichtlich ist auch, dass die hergestellten Seiten- und Frontteile nicht ohne Substanzverlust demontiert werden können. Bei der Fertigung von Kunststofffenstern werden die Profile in den Eckbereichen verschweißt und sind somit nicht ohne Zerstörung trennbar. Dieser Vortrag wäre nur dann unerheblich, wenn hier nicht nach individuellen Maßen gefertigt würde, sondern die Kunden nur die Auswahl zwischen verschiedenen Standardgrößen haben, die dann bereits in Serie vorgefertigt und nur zusammengestellt werden. Mit ihren Plänen und Bestellunterlagen hat die Beklagte aber nachvollziehbar dargelegt, zwar mit einem hohen Standardisierungs- und Automatisierungsgrad zu bestellen und fertigen zu lassen. Dies ändert aber nichts daran, dass im Grundsatz belegt wird, dass individuelle Gegebenheiten wie die Einbindung von Treppenbereichen oder sonstigen Besonderheiten erfolgt und die Bestellungen auf jeden Einzelfall angepasst sind. Durch den Umstand, dass die Fensterelemente nur durch ihre faktische Zerstörung zerlegt werden können, ist offensichtlich, dass sie sich nur mit einem deutlich höheren Aufwand als fünf Prozent des Warenwertes wieder trennen lassen.

(3) Schließlich ist auch die weitere Voraussetzung der Bereichsausnahme gegeben, da die vorgefertigten Wintergärten wegen ihres hohen Grades der Individualisierung nur noch mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten weiterveräußert werden können. Zwar könnte theoretisch ein Wintergarten, der nach häufiger vorkommenden Maßen gefertigt wurde und bei dem keine oder nur wenige Besonderheiten in den Wand- oder Bodenanschlüssen vorliegen, auch an einem anderen Haus aufgebaut werden. Ein solcher Handel mit vorgefertigten Wintergärten liegt jedoch außerhalb des Geschäftsmodells der Beklagten. Auch wenn der Kläger mit dem vorgelegten Vertrag einen Fall geschildert hat, in dem der verkaufte Wintergarten durch ein als Standard erscheinendes Maß gekennzeichnet ist, hat er hierdurch nicht widerlegt, dass der Vertrieb der Beklagten darauf gerichtet ist, gerade die individuellen Besonderheiten der Aufstellorte zu berücksichtigen und sich damit vom Verkauf vorgefertigter Standardbauten, wie sie z. B. in Baumärkten angeboten werden, abzusetzen. Zudem mag es wie im vorliegenden Einzelfall dazu kommen, dass ein Wintergarten mit 4006 mm x 3006 mm anderweitig verwendbar und zu verkaufen wäre. Der Kläger hat aber nicht belegt, dass dies in anderen oder häufigeren Fällen so ist. Vielmehr hat die Beklagte durch die Vorlage zahlreicher abweichender Maße dargelegt, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt. Hierzu bedurfte es nicht der weiteren, ungeordnet eingereichten zahlreichen Fotos und Skizzen, die mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 02.03.2021 vorgelegt wurden. Die bereits zuvor eingereichten Unterlagen belegten dies ausreichend. Auch das Vertriebsmodell der Beratung durch selbstständige Handelsvertreter eignet sich weniger, einen ggf. bestehenden wechselnden Lagerbestand an Wintergärten mit wechselnden Abmessungen zu vertreiben.

c) Der Senat konnte ohne weitere Beweisaufnahme entscheiden. Der Substanzverlust, der bei Trennung der aus Kunststoff hergestellten Fensterelemente zu berücksichtigen ist, ist offenkundig. Dass auf ein Standard-Profilsystem bei der Herstellung zurückgegriffen wird, reicht hierfür nicht, dies ist im Fensterbau üblich. Entscheidend ist, dass es auf Maß angefertigt wird. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem mit Schriftsatz vom 01.07.2020 vorgelegten Vertrag. Es mag sein, dass bei den dortigen Bestellern bis auf die Festlegung der Grundfläche wenig Daten zu erheben waren. Die Fertigung aus Fertigteilen oder die einfache Möglichkeit, den Wintergarten auch an anderer Stelle aufzustellen, ergibt sich hieraus nicht (s. o.). Weitere Verträge, aus denen sich Indizien für eine Vorfertigung nach Standardmaßen ergäben, liegen nicht vor.

d) Die Bereichsausnahme für das Widerrufsrecht ist auch nicht für einen begrenzten Zeitraum bis zum Beginn der Fertigung ausgeschlossen (vgl. hierzu Staudinger, a. a. O., Rn. 26; AG München VuR 2017, 191). Denn der EuGH hat mit Urteil vom 21.10.2020 (Rechtssache C-529/19) entschieden, dass die der Regelung des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB zugrundeliegende Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Ausnahme vom Widerrufsrecht einem Verbraucher unabhängig davon entgegengehalten werden kann, ob der Unternehmer mit deren Herstellung begonnen hat oder nicht (Rn. 30 nach juris).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Koblenz: Verbraucher haben ein Widerrufsrecht bei Verträgen über vorab erstellte Luftbildaufnahmen des eigenen Grundstücks

OLG Koblenz
Urteil vom 20.01.2021
9 U 964/20

Das OLG Koblenz hat entschieden, dass Verbraucher ein Widerrufsrecht bei Verträgen über vorab erstellte Luftbildaufnahmen des eigenen Grundstücks haben. Insofern handelt es sich um einen Außergeschäftsraumvertrag. Da die Aufnahmen vor Vertragsschluss gefertigt werden, fällt eine etwaige spätere Bearbeitung nicht ins Gewicht, so dass der Anbieter sich nicht darauf berufen kann, dass das Widerrufsrecht aufgrund der Individualisierung der Leistung ausgeschlossen ist.


LG Frankfurt: Soziales Netzwerk darf Identität des Nutzers prüfen und bei Verweigerung des Nutzers diesen ausschließen - Facebook

LG Frankfurt
Urteil vom 03.09.2020
2-03 O 282/19


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Betreiber eines Sozialen Netzwerks (hier: Facebook) in den Nutzungsbedingungen die Prüfung der Identität des Nutzers vorsehen darauf. Verweigert der Nutzer die Identitätsprüfung, so kann der Nutzer ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis gekündigt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"I. Das LG Frankfurt a.M. ist international und örtlich zuständig. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit, so dass jedenfalls aufgrund rügeloser Einlassung gemäß Art. 26 Abs. 1 S. 1 der Brüssel-Ia-VO 1215/2012 von einer Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auszugehen ist (vgl. auch BGH NJW 2018, 3178 Rn. 16).

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freischaltung seines Profils (Antrag zu 1.). Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vetrag.

a. Die geltend gemachten Ansprüche sind gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 der Rom I-VO 593/2008 nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Darüber hinaus haben die Parteien in den Nutzungsbedingungen der Beklagten die Geltung deutschen Rechts vereinbart (vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 31.05.2019 – 305 O 117/18, BeckRS 2019, 21755 Rn. 18).

b. Im Grundsatz handelt es sich bei dem Vertrag zwischen einem Nutzer und der Beklagten über die Nutzung des sozialen Netzwerks der Beklagten um einen schuldrechtlichen Vertrag mit miet-, werk- und dienstvertraglichen Elementen (LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.09.2018 – 2-03 O 310/18, MMR 2018, 770; vgl. auch KG Berlin DNotZ 2018, 286 Rn. 56 m.w.N.; OLG München NJW 2018, 3115). Gegenstand dieses Vertrages sind auch die von der Beklagten gestellten Verhaltensregeln als AGB.

c. Der Prüfung der Vertragswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung und Abwägung der widerstreitenden Interessen i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB sind die Vertragsbedingungen zu Grunde zu legen, die seit dem Frühjahr 2018 von der Beklagten gestellt werden. Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese schon aus dem Grund wirksam vereinbart worden, dass der Kläger nach seinem Vortrag sich erst im März 2019 und damit unter den neuen Nutzungsbedingungen bei der Beklagten angemeldet hatte.

d. Bei den Nutzungsbedingungen und den darin in Bezug genommenen Gemeinschaftsstandards handelt es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB (OLG Dresden NJW 2018, 3111; OLG Stuttgart NJW-RR 2019, 35; LG Hamburg, Urt. v. 31.05.2019 – 305 O 117/18, BeckRS 2019, 21755 Rn. 23).

e. Der Kläger kann auf dieser Basis nicht die Wiederherstellung seines Profils verlangen.

Im vorliegenden Fall kommt es nicht wesentlich darauf an, ob die Parteien hier um einen Kontrahierungszwang der Beklagten oder um eine zulässige Kündigung des Nutzungsverhältnisses durch die Beklagte streiten.

Insoweit ist hier insbesondere der zeitliche Ablauf zu berücksichtigen. Nach dem klägerischen Vortrag in der Klageschrift wirkte es zunächst so, als ob der Kläger die Plattform der Beklagten bereits seit längerer Zeit nutzte und die Beklagte sich ohne Angabe von Gründen plötzlich entschlossen habe, sein Profil zu löschen. Hierbei unterließ es der Kläger einerseits vorzutragen, dass er sich erst am 07.03.2019 bei der Beklagten angemeldet hatte und dass die Beklagte unstreitig den Kläger aufgefordert hatte, Nachweise für seine Identität vorzulegen und er dem nicht nachgekommen war.

Hierbei ist auch unstreitig geblieben, dass die Nachfrage der Beklagten beim Kläger im unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Anmeldung bei der Beklagten erfolgte. Der Kläger meldete sich am 07.03.2019 an, die Beklagte versetzte sein Profil in einen „Fake-Account-Checkpoint“ und forderte ihn auf, Nachweise beizubringen. Nachdem der Kläger dem nicht nachkam, löschte die Beklagte sein Profil bereits am 09.03.2019.

aa. In einer solchen Konstellation mag man davon ausgehen, dass der vorliegende Streit zwischen den Parteien sich nicht darum dreht, ob die Beklagte aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Klägers, z.B. einer nach den Nutzungsbedingungen der Beklagten unzulässigen Äußerung, zur Löschung des Beitrags und Sperre bzw. Löschung seines Profils berechtigt war. Vielmehr könnte es vorliegend darum gehen, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, ohne eine Überprüfung seiner Identität gemäß den Nutzungsbedingungen der Beklagten einen Vertrag mit der Beklagten abschließen zu können, der diese verpflichtet, ihm ihre Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Kern des Rechtsstreits könnte dementsprechend sein, ob die Beklagten einem Kontrahierungszwang obliegt.

Insoweit könnte man es als unschädlich erachten, dass die Beklagte ihre Überprüfung erst nach der Anmeldung des Klägers beim Dienst der Beklagten durchführte und sein Profil anschließend löschte, anstatt den Kläger gar nicht erst vorher zu ihrer Plattform zuzulassen und einen Nutzungsvertrag nicht abzuschließen. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs könnte man dennoch von ausgehen, dass hier der quasi erstmalige Zugang zur Plattform der Beklagten im Streit steht.

Die Beklagte unterliegt jedoch einem generellen Kontrahierungszwang nicht (OLG Dresden NJW-RR 2020, 429 Rn. 4; LG Bremen MMR 2020, 426 Rn. 37; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.05.2020 – 2-03 O 411/20). Wenn der Kläger sich einer Mitwirkung grundlegend verweigert, kann die Beklagte nicht dazu verpflichtet sein, einen Nutzungsvertrag mit ihm abzuschließen.

Darauf kam es aber letztlich nicht an.

bb. Selbst wenn man nicht davon ausgeht, dass ein Kontrahierungszwang der Beklagten im Streit steht, sondern vielmehr die Frage, ob die Beklagte den Vertrag mit dem Kläger kündigen durfte, wäre diese Kündigung als wirksam anzusehen.

Insoweit kommt es wiederum nicht darauf an, ob die Beklagte nur ein außerordentliches Kündigungsrecht oder auch ein ordentliches Kündigungsrecht gemäß § 620 Abs. 2 BGB hatte, worauf Ziffer 4.2 Abs. 2 ihrer Nutzungsbedingungen hinweist, in der davon die Rede ist, dass das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde unberührt bleibe, woraus man schließen kann, dass es auch ein Recht auf ordentliche Kündigung geben soll.

Der Beklagten stand hier jedoch auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Denn der Kläger hat gegen seine Pflichten aus dem Vertrag verstoßen. Ziffer 3.1 der Nutzungsbedingungen legt fest, dass der Nutzer verpflichtet ist, Informationen zu seiner Person vorzulegen. Dementsprechend muss es der Beklagten auch möglich sein, solche Informationen in verhältnismäßigem Umfang überprüfen zu können (vgl. zur Durchsetzung der Nutzungsbedingungen eines Bewertungsportals OLG Köln, Urt. v. 26.06.2019 – 15 U 91/19, S. 26). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich ein Vertragspartner über die Identität seines Gegenübers Gewissheit verschaffen darf. Nachdem die Beklagte hier den Kläger nicht persönlich kennt und Verträge mit ihm nur über das Internet schließt, kann man davon ausgehen, dass sie andere Mittel wählen darf, um Kenntnis von der Identität ihres Vertragspartners zu erhalten. Es steht insoweit dem Kläger frei, den Dienst der Beklagten nicht zu nutzen (vgl. OLG Dresden NJW-RR 2020, 429 Rn. 4; LG Bremen MMR 2020, 426 Rn. 37), wenn er seine Identität nicht offenlegen will.

Insoweit ist der Kammer bewusst, dass die Wahrung der Anonymität im Internet durchaus wichtig sein kann und § 13 Abs. 6 TMG die anonyme Nutzung von Telemediendiensten vorsieht. Einerseits ist dem Nutzer beim Dienst der Beklagten jedoch bekannt, dass er Informationen über seine Person angeben muss. Dies ist auch in den Nutzungsbedingungen so festgelegt. Ob der Kläger einem solchen Fall für sich in Anspruch nehmen, in Anonymität zu verbleiben, obwohl sich die Beklagte entschlossen hat, dass sie ihm gegenüber ihre Nutzungsbedingungen zur Anwendung bringt, kann letztlich offenbleiben. Darüber hinaus steht es dem Kläger steht letztlich frei, andere soziale Netzwerke zu nutzen, die auf die Offenlegung der Identität verzichten, wenn er diese Anforderungen nicht erfüllen will.

Denn die Beklagte hat insoweit hier dem Kläger verschiedene Möglichkeiten angeboten, um seine Identität nachzuweisen bzw. zu belegen, dass der neu angelegte Account kein „Fake-Account“ ist. Die Beklagte hat – anders als es der Kläger darstellt – nicht kategorisch die Vorlage eines Personalausweises verlangt, sondern auch die Vorlage eines Bildes oder ähnlichem als ausreichend erachtet. Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten hätte es hierfür sogar ausgereicht, wenn der Kläger einen Bestätigungscode von einem seiner Geräte übermittelt, was nicht zwingend die Offenlegung seiner Identität nach sich gezogen hätte.

Hier hat sich die Beklagte dazu entschlossen, die Identität des Klägers zu überprüfen und hat ihn aufgefordert, Nachweise beizubringen.

Auf die Frage, ob die Beklagte insoweit eine Klarnamenpflicht wirksam mit dem Kläger vereinbart hat oder nicht und ob sie diese durchsetzen konnte, kam es vorliegend nicht an. Denn es ist bereits unklar, ob der Kläger überhaupt einen Klarnamen verwendet hat oder nicht, da er den von ihm gewünschten Nutzernamen auf der Plattform der Beklagten nicht angegeben hat. Die von ihm angegebene E-Mail-Adresse hat jedenfalls mit seinem Namen nichts zu tun.

Nachdem der Kläger sich einer weiteren Überprüfung verweigert hatte, durfte die Beklagte in Abwägung der widerstreitenden wegen einer Verletzung der Nutzungsbedingungen gemäß Ziffer 3.1 den Vertrag auch außerordentlich kündigen, da der Kläger seine Mitwirkungspflichten aus den Nutzungsbedingungen bzw. als Nebenpflicht aus dem Vertrag verletzt hatte.

Soweit Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen eine Abhilfefrist bzw. Abmahnung verlangt, wurde diese gewährt, indem der Kläger aufgefordert wurde, binnen gesetzter Frist Nachweise beizubringen. Er ist dem jedoch nicht nachgekommen.

Auch mit dem Argument des Klägervertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass § 13 Abs. 6 TMG eine Klarnamenpflicht untersage, dringt der Kläger nicht durch. Insoweit ist bereits fraglich, ob § 13 Abs. 6 TMG nach Geltungserlangung der DSGVO noch Wirkung entfaltet. Vorliegend geht es aber nach dem Vortrag der Parteien nicht um eine Durchsetzung der Klarnamenpflicht. So hat der Kläger schon nicht vorgetragen, sich nicht mit seinem Klarnamen angemeldet zu haben, sondern hat nur eine E-Mail-Adresse angegeben. Darüber hinaus hat die Beklagte dargetan, dass sie zur Überprüfung seiner Identität einerseits die Übermittlung eines Bildes (ohne Namen) oder sogar das Senden eines Bestätigungscodes von einem seiner Geräte akzeptiert hätte, so dass der Kläger im Ergebnis zur Offenlegung seines Namens nicht verpflichtet war.

Auch wenn die Kammer davon ausgeht, dass der Kläger sich unter einem anderen Namen oder (ggf. in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 6 TMG) unter einem Pseudonym angemeldet hat, hat die Beklagte nicht verlangt, dass der Kläger sein Profil mit seinem eigenen Namen bezeichnet, sondern nur, dass er diesen der Beklagten gegenüber offenlegt.

2. Mangels Pflichtverletzung der Beklagten scheidet ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus (Antrag zu 2.), wobei dahinstehen kann, ob dem Kläger ein solcher überhaupt und generell zustehen würde (vgl. ablehnend für den Fall der zeitweisen Sperre des Nutzerskontos LG Frankfurt a.M., Urt. v. 05.03.2020 – 2-03 O 427/18)."



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EuGH: Ausschluss des Widerrufsrechts bei nach Kundenspezifikationen hergestellten Waren unabhängig davon ob Unternehmer schon mit Herstellung begonnen hat

EuGH
Urteil vom 21.10.2020
C‑529/19
Möbel Kraft GmbH & Co. KG gegen ML


Der EuGH hat entschieden, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts bei nach Kundenspezifikationen hergestellten Waren im Fernabsatz unabhängig davon gegeben ist, ob der Unternehmer schon mit Herstellung begonnen hat

Tenor der Entscheidung:

Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass die Ausnahme vom dort geregelten Widerrufsrecht einem Verbraucher, der außerhalb von Geschäftsräumen einen Kaufvertrag über eine Ware geschlossen hat, die nach seinen Spezifikationen herzustellen ist, unabhängig davon entgegengehalten werden kann, ob der Unternehmer mit deren Herstellung begonnen hat oder nicht.

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BGH: Ausschluss des Widerrufsrechts für individuell hergestellte Waren nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB gilt nicht für Werkverträge nach § 631 BGB sondern nur für Kaufverträge und Werklieferungsver

BGH
Urteil vom 30.08.2018
VII ZR 243/17
BGB § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a.F. (= § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB); Verbraucherrechterichtlinie Richtlinie 2011/83/EU)
Senkrechtlift


Der BGH hat entschieden, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB für individuell hergestellte Waren gilt nicht für Werkverträge nach § 631 BGB sonder nur für Kaufverträge und Werklieferungsverträge

Leitsatz des BGH:

Der Ausschlusstatbestand des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB a.F. (= § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB) gilt jedenfalls regelmäßig nicht für Werkverträge nach § 631 BGB.

BGH, Urteil vom 30. August 2018 - VII ZR 243/17 - OLG Stuttgart - LG Ellwangen

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BGH legt EuGH Fragen zum Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf vor - Ausschluss des Widerrufsrechts aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene

BGH
Beschluss vom 15.11.2017
VIII ZR 194/16


Der BGH hat dem EuGH Fragen zum Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf vorgelegt. Insbesondere geht es um die Frage, ob das Widerrufsrecht aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nach § 312 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB bei richtlinienkonformer Auslegung ausgeschlossen ist. Zudem muss der EuGH entscheiden, welche Anforderungen an die Versiegelung zu stellen sind.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof legt Fragen zum Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor

Sachverhalt:

Der Kläger bestellte im Jahr 2014 über die Internetseite der Beklagten, einer Onlinehändlerin, eine "Dormiente Natural Basic" Matratze zum Preis vom 1.094,52 €. Die Matratze war bei Auslieferung mit einer Schutzfolie versehen, die der Kläger nach Erhalt entfernte. Einige Tage später teilte er der Beklagten per Email mit, dass er die Matratze leider zurücksenden müsse und der Rücktransport durch eine Spedition veranlasst werden solle. Als die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, beauftragte der Kläger selbst eine Speditionsfirma.

Bisheriger Prozessverlauf:

Seine auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Rücksendekosten (insgesamt 1.190,11 €) gerichtete Klage hat in beiden Tatsacheninstanzen Erfolg gehabt. Die Vorinstanzen haben dabei angenommen, dass das dem Kläger im Fernabsatzhandel grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht bei dem Kauf einer Matratze nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil er die bei deren Anlieferung vorhandene Schutzfolie entfernt habe. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Verfahren durch Beschluss vom heutigen Tage ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung über die Auslegung zweier Vorschriften des europäischen Rechts vorgelegt.

Die hier maßgebliche Norm des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Ausschluss des Widerrufsrechts in den Fällen, in denen versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung entfernt wurde (§ 312 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB), geht zurück auf eine inhaltsgleiche Vorschrift des europäischen Rechts, Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie. Ob diese Vorschrift – wozu der VIII. Zivilsenat angesichts des Ausnahmecharakters der Vorschrift tendiert – dahin auszulegen ist, dass zu den dort genannten Waren solche Waren (wie etwa Matratzen) nicht gehören, die zwar bei bestimmungsgemäßen Gebrauch mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen können, aber durch geeignete (Reinigungs-)Maßnahmen des Unternehmers – wenn auch möglicherweise mit Werteinbußen, die der Unternehmer kalkulieren kann – wenigstens wieder als gebrauchte Sachen verkehrsfähig gemacht werden können (Frage 1), ist nicht eindeutig zu beantworten. So wird in dem zwar nicht verbindlichen, aber unter Beteiligung der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten sowie unter Mitwirkung von Wirtschaftsvertretern und Verbraucherverbänden erstellten Leitfaden der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission (Stand: Juni 2013) als Beispiel für das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes gemäß Art. 16 Buchst. e - neben Kosmetika - die Auflegematratze genannt.

Falls die Frage 1 bejaht werden sollte, stellt sich ferner die Frage, wie eine Verpackung beschaffen sein muss, um als "Versiegelung" zu gelten und welchen Inhalt der nach den gesetzlichen Vorschriften (Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2, § 4 Abs. 1 EGBGB; Art. 6 Abs. 1 Buchst. k der Verbraucherrechterichtlinie) zu erteilende Hinweis über die Umstände des Erlöschens des Widerrufsrechts haben muss (Frage 2). Auch bezüglich dieser Frage hat der Bundesgerichtshof die Sache zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Mainz - Urteil vom 26. November 2015 - 86 C 234/15

Landgericht Mainz - Urteil vom 10. August 2016 - 3 S 191/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 312g BGB Widerrufsrecht

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht […] zu.

(2) 1Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

[…]

3. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde […]

Art. 16 Buchst. e Verbraucherrechterichtlinie

Die Mitgliedstaaten sehen bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Art. 9 bis15 vor, wenn versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Art. 246a EGBGB Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen

§ 1 Informationspflichten

[...]

(3) Der Unternehmer hat den Verbraucher auch zu informieren, wenn

[…]

2. das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB […] vorzeitig erlöschen kann, über die Umstände, unter denen der Verbraucher ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verliert.

§ 4 Formale Anforderungen an die Erfüllung der Informationspflichten

(1) Der Unternehmer muss dem Verbraucher die Informationen nach §§ 1 bis 3 vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen.

Art. 6 Abs. 1 Buchst. k Verbraucherrechterichtlinie

Bevor der Verbraucher […] gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Form über folgendes: in Fällen, in denen gemäß Art. 16 kein Widerrufsrecht besteht, den Hinweis, dass der Verbraucher nicht über ein Widerrufsrecht verfügt oder gegebenenfalls die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert.

AG Kerpen: Nutzer eines Forums kann mit Kündigungsfrist von 6 Monaten ordentlich gekündigt werden - Forenutzungsvertrag ist ein atpyisches Dauerschuldverhältnis

AG Kerpen
Urteil vom 10.04.2017
102 C 297/16


Das AG Kerpen hat entschieden, dass dem Nutzer eines Forums nur mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten ordentlich gekündigt werden kann. Das AG Kerpen führt aus, dass ein Forenutzungsvertrag ein atpyisches Dauerschuldverhältnis ist und sich die Kündigungsfrist in entsprechender Anwendung aus § 624 S. 2 BGB ergibt.

Eine Klausel in den Nutzungsbedingungen, die den sofortigen Ausschluss aus dem Forum ermöglicht, ist nach Ansicht des Gerichts unwirksam.

Bei entsprechenden Verstößen besteht die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung. Allerdings dürfte oft, wie auch das AG Kerpen in diesem Fall ausführt, eine vorherige Abmahnung erforderlich sein.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dieser Vertrag besteht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch fort.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist ein "Dauerschuldverhältnis" im Sinne von § 314 BGB, denn aus ihm folgen während seiner Laufzeit ständig neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten (so auch: Feldmann/Heinrichs, CR 2007, 406 [410]). Der Kläger als angemeldeter Nutzer erhält die Möglichkeit, Beiträge zu posten und die übrige Infrastruktur zu nutzen (siehe oben), der Beklagte stellt diese zur Verfügung. Beide sind gegenseitig insbesondere auch zur Rücksichtnahme verpflichtet (§ 241 Abs. 2 BGB). Gerade die Tatsache, dass ein privates Postfach angeboten wird, zeigt auch, dass die Beziehungen auf gewisse Dauer angelegt sind.

Der Vertrag ist nicht dadurch beendet worden, dass er Beklagte die Nutzungsrechte des Klägers im Nachgang an den Beitrag vom 18.05.2016 einschränkte und dem Kläger die Schreibrechte nahm. Für eine Vertragsbeendigung durch eine Kündigung fehlt es insoweit schon an einer entsprechenden Willenserklärung des Beklagten. Dem Verhalten des Beklagten kann nach Maßgabe von § 133, § 157 BGB von einem verobjektivierten Empfängerhorizont her nicht die Bedeutung beigemessen werden, der Beklagte habe die Vertragsbeziehung mit dem Kläger vollends beenden wollen. Hierfür spricht insbesondere, dass er das Benutzerkonto des Klägers nicht gelöscht oder vollends deaktiviert hat, sondern nur die Schreibrechte des Klägers eingeschränkt hat. Gerade darauf hat der Beklagte auch im Rahmen der mündlichen Anhörung Wert gelegt (vgl. Bl. 85, 85R GA).

Der Vertrag ist auch durch die Kündigungserklärung des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 14.10.2016 noch nicht beendet.

Die ausdrücklich erklärte fristlose Kündigung des Beklagten konnte das Vertragsverhältnis vorliegend nicht beenden. Die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung gemäß § 314 Abs. 1, Abs. 2 BGB lagen nicht vor. Die fristlose Kündigung setzt nach dieser Vorschrift voraus, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund kann insbesondere darin bestehen, dass eine Partei ihre Pflichten aus dem Vertrag verletzt. In diesem Fall ist Voraussetzung für eine außerordentliche und fristlose Kündigung eine vorangegangene, erfolglose Abmahnung.

Nach diesem Maßstab konnte der Beklagte das Vertragsverhältnis nicht außerordentlich und fristlos kündigen.

Allenfalls kommt ein Verstoß des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen als "wichtiger Grund" in Betracht. Die Nutzungsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags geworden, sie konkretisieren die vertraglichen Verhaltens- und Rücksichtnahmepflichten des Klägers als Forennutzer insbesondere dahingehend, dass er im Rahmen seiner Forenaktivitäten nicht (ge-)werblich tätig werden darf. Dabei kann hier im Ergebnis aber dahinstehen, ob der Kläger durch die im Tatbestand ausgeführten Beiträge zu den Drohnen der Firma Z gegen diese Verhaltenspflichten verstoßen hat. Es fehlt für die Annahme einer zulässigen Kündigung aus wichtigem Grund an einer erforderlichen erfolglosen Abmahnung.

Der Beklagte hat den Kläger zu keinem Zeitpunkt erfolglos abgemahnt. Ein Verhalten des Beklagten, dass als Abmahnung eines womöglich vertragswidrigen Verhaltens verstanden werden könnte (§§ 133, 157 BGB analog), liegt in der Kontaktaufnahme und der nachfolgenden Beschränkung der Nutzungsrechte im Nachgang an den Forenbeitag vom 18.05.2016. Diese Abmahnung war aber nicht erfolglos. Nach der Kontaktaufnahme und nach der Teilsperrung seines Nutzerkontos, hat der Kläger keinerlei Verhalten an den Tag gelegt, dass als Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen in Betracht kommt. Auch der Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekundet, es sei nichts (ge-)werbliches mehr gepostet worden (Bl. 85, 85R GA). Dass der Kläger unabhängig von seiner Mitgliedschaft in dem Forum des Beklagten auf seinem Youtube-Kanal im weiteren zeitlichen Verlauf Videos veröffentlicht hat, die bei unbefangener Betrachtung den Eindruck erwecken, er stehe zu dem Drohnenhersteller Z in Verbindung, ist kein Verstoß gegen Vertragspflichten aus dem Forennutzungsvertrag.

Eine Abmahnung zu einem früheren Zeitpunkt hat der Beklagte selbst nicht vorgetragen, es ist auch nicht ersichtlich, dass er sich den substanzlosen - und auch aus dem übrigen Parteivortrag nicht verifizierbaren - Klägervortrag zu "immer wieder" erfolgten "unberechtigten Abmahnungen" (Bl. 3 GA) zu eigen machte, insbesondere auch auf den gerichtlichen Hinweis zur fehlenden erfolglosen Abmahnung im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht. Auch der Kläger hält an diesem Vortrag nicht fest. Die Parteien haben vielmehr im Rahmen der mündlichen Anhörung übereinstimmend ausgeführt, eine Kontaktaufnahme wegen des Verhaltens des Klägers im Forum des Beklagten sei erstmals im Nachgang an den Beitrag vom 18.05.2016 erfolgt.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass besondere Umstände hier die Abmahnung gemäß § 314 Abs. 2 S. 3 BGB entbehrlich sein ließen. Insbesondere kann dies nicht deshalb angenommen werden, weil der Kläger ein vertragswidriges Verhalten bestreitet.

Dass Vertragsverhältnis ist auch durch eine ordentliche Kündigung derzeit noch nicht beendet. Zwar kann ein unbefristet geschlossenes Dauerschuldverhältnis "ordentlich", also unter Einhaltung einer angemessenen Frist gekündigt werden, denn die Parteien haben das ordentliche Kündigungsrecht nicht ausgeschlossen (Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Rn. 13 mwN). Es steht grundsätzlich, und auch bei Forennutzungsverträgen der hier vorliegenden Art, den Parteien frei, über den Fortbestand vertraglicher Beziehungen privatautonom zu entscheiden.

Die Kündigungsfrist beträgt jedoch im vorliegenden Fall in Anlehnung an § 624 S. 2 BGB 6 Monate, der Forennutzungsvertrag ist erst im Monat Mai 2017 beendet, der Zugang (§ 130 BGB) der Kündigungserklärung ist erst im November 2016 erfolgt, denn die Klägerseite hat die Kündigungserklärung aus dem Schriftsatz vom 14.10.2016 - soweit nachweisbar - erst am 17.11.2016 erhalten (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2016, Bl. 38 GA).

Der Forennutzungsvertrag ist ein nicht typisiertes Dauerschuldverhältnis. In einem solchen Fall ist für die Bestimmung der Frist der ordentlichen Kündigung auf die Regelungen zu den typisierten Dauerschuldverhältnissen zurückzugreifen (BGH, Urteil vom 28.02.1973 - III ZR 212/70 = NJW 1972, 1182; Urteil vom 25.05.1993 - X ZR 79/92 = NJW-RR 1993, 1460), im vorliegenden Fall auf § 624 S. 2 BGB.

Es ist für die Bestimmung der Kündigungsfrist auf die dienstvertraglichen Vorschriften der §§ 611ff BGB zurückzugreifen, denn der Forennutzungsvertrag kommt von den gesetzlich typisierten Verträgen dem Dienstvertrag am nächsten. Der Forenbetreiber bietet am ehesten Dienste im Sinne der §§ 611ff BGB an, denn er verschafft eine Teilnahmemöglichkeit an einer virtuellen Gemeinschaft mit den einhergehenden Kommunikations- und Informationsgelegenheiten. Hierbei handelt es sich um nicht erfolgsbezogene Umstände, die aber auch nur bedingt "dienstvertraglich" genannt werden können (weswegen die Annahme eins typengemischten Vertrags ausgeschlossen ist), gerade da der Forenbetreiber die Kommunikation und die Information durch die Schaffung einer Plattform für eine Vielzahl von Personen nur mediatisiert, aber nicht selber aktiv erbringt.

Sofern Feldmann/Heinrichs ohne Begründung von der Anwendbarkeit von § 671 BGB ausgehen (CR 2006, 406 [411]), folgt das Gericht dem nicht.

b.

Im Rahmen der fortbestehenden Vertragsbeziehungen hat der Beklagte auch keine Berechtigung, dem Kläger die Schreibrechte zu entziehen, wie er dies im vorliegenden Fall getan hat.

Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus den Nutzungsbedingungen des Forums.

Soweit diese vorsehen, dass Nutzer jederzeit und ohne Angabe von Gründen gelöscht oder gesperrt werden können (s.oben), so verstößt diese Regelung gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung in allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305, 307, 308 Nr. 4 BGB. Letztlich erlaubte diese AGB-Klausel im Falle ihrer Wirksamkeit nämlich dem Beklagten, den Vertragsinhalt nach eigenem Gutdünken jederzeit und ohne jede Zumutbarkeitskontrolle anzupassen und einzelne Nutzer in ihren vertraglichen Rechten zu beschneiden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in Ziffer 3.9 der "Forenregeln" die Sperrung nur für Fälle des Verstoßes gegen die Regeln stellt (vgl. hierzu Anlage K1, Bl. 6 GA). Soweit sich beide Klauseln widersprechen, geht dies in Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Beklagten als Verwender, für die Prüfung nach § 307, § 308 Nr. 4 BGB ist von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen, dies ist die oben getroffene Auslegung.

Gesetzliche Regelungen, die den Beklagten zur Teilsperrung des Benutzerkontos berechtigten, sind nicht ersichtlich, insbesondere sind §§ 320 Abs. 1 und 273 BGB hier tatbestandlich nicht einschlägig.

Auch mit Hinblick auf das sog. "virtuelle Hausrecht" (hierzu: LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999 - 10 O 457/99 = CR 2000, 245; LG München I, Urteil vom 25.10.2016 - 30 O 11973/05 = CR 2007, 264 m. Anm. Redeker; LG Hamburg, Urteil vom 28.08.2008 - 315 O 326/08 = CR 2007, 120; Maume, MMR 2007, 620; Feldmann/Heinrichs, CR 2006, 406) war der Beklagte nicht befugt, das Benutzerkonto des Klägers einzuschränken wie geschehen. Zwar steht auch nach Auffassung des Gerichts - unabhängig von der teils streitigen dogmatischen Herleitung - dem Betreiber einer Internetseite ein virtuelles Hausrecht grundsätzlich zu. Dieses Hausrecht ist aber nicht grenzenlos, sondern kann insbesondere durch vertragliche, schuldrechtliche Beziehungen überlagert werden.

Dies ist vorliegend der Fall. Durch die Aufnahme von vertraglichen Beziehungen zu dem Kläger hat sich der Beklagte der freien Ausübung seines virtuellen Hausrechts begeben. Der Kläger ist nicht mehr ein beliebiger Dritter, sondern Vertragspartner des Beklagten. Dies wirkt sich insbesondere vor dem Hintergrund von § 241 Abs. 2 BGB dahingehend aus, dass auch eine Teil-Kontensperrung gegenüber dem Kläger nicht anlasslos erfolgen konnte und im Falle eines Verstoßes gegen vertragliche Pflichten nicht ohne vorherige, erfolglose Abmahnung auf das virtuelle Hausrecht gestützt werden konnte."


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KG Berlin: Zur Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts bei Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden

KG Berlin
Urteil vom 27.06.2014
5 U 162/12


Das KG Berlin hat sich in dieser Entscheidung mit Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts bei Waren, die die nach Kundenspezifikation angefertigt werden, befasst. Das KG Berlin hat entschieden, dass ein Shopbetreiber seinen Kunden nicht über alle Einzelheiten informieren muss, die zu einem Ausschluss des Widerrufsrechts im konkreten Fall führen.

"Über das Informationsgebot aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 312 d Abs. 4 BGB a.F. hinausgehend muss der Unternehmer bei einem Streit mit Kunden diese vorprozessual nicht rechtlich oder sachverständig aufklären oder beraten. Eine dahingehende gesetzliche Verpflichtung bestand zum Tatzeitpunkt 2011 nicht. Ausnahmen können vertragsrechtlich nur in Betracht kommen, wenn sich der Kunde im jeweiligen Einzelfall in einem entschuldbaren, vom Unternehmer erkannten und von ihm leicht ausräumbaren Tatsachenirrtum befindet. Derartiges macht der Kläger hier nicht geltend.

Ist der Kunde über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts durch Angabe der gesetzlichen Voraussetzungen des § 312 d Abs. 4 BGB a.F. hinreichend informiert, ist es grundsätzlich allein seine Sache, sich vorprozessual bei einem Bestreiten des Widerrufsrechts durch den Unternehmer weitergehend über die Rechtslage in seinem konkreten Einzelfall zu informieren. Er weiß um die einzelnen Teile, die nach seinen Wünschen umgebaut wurden. Er kann gegebenenfalls vorprozessual sachverständigen Rat einholen, um die Höhe der Rückbaukosten und die Frage der Zumutbarkeit technisch und juristisch zutreffend einzuschätzen. Verweigert der Unternehmer vorprozessual hierzu vorab eine nähere Stellungnahme, verliert der Unternehmer damit keine Rechte. Insoweit sind gesetzliche oder sonstige Informationsobliegenheiten oder gar Informationsverpflichtungen nicht zu erkennen. Muss der Unternehmer im Vorfeld der Kaufentscheidung des Verbrauchers nur auf die gesetzlichen Ausschlussgründe eines Widerrufsrechts hinweisen, ohne diese Ausschlussgründe noch nicht einmal hinsichtlich des jeweiligen Kaufgegenstandes konkretisieren zu müssen, bestehen auch nach Vertragsabschluss und nach einem vom Verbraucher erklärten Widerruf abstrakt-generell vorprozessual keine weitergehenden Informationspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: