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EU-Kommission: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft sind Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA)

Die EU-Kommission hat festgestellt, dass Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA) sind.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:
Die Europäische Kommission hat heute im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte erstmals sechs Torwächter (Gatekeeper) benannt: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft. Insgesamt wurden 22 zentrale Plattformdienste, die von Torwächtern bereitgestellt werden, benannt. Die sechs Torwächter haben nun sechs Monate Zeit, um die vollständige Einhaltung der Verpflichtungen gemäß dem Gesetz über digitale Märkte für jeden ihrer benannten zentralen Plattformdienste sicherzustellen.

Im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte kann die Europäische Kommission digitale Plattformen als „Torwächter“ benennen, wenn diese für Unternehmen über zentrale Plattformdienste ein wichtiges Zugangstor zu Verbraucherinnen und Verbrauchern darstellen. Die heutigen Benennungsbeschlüsse sind das Ergebnis einer Überprüfung durch die Kommission über 45 Tage, nachdem Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta, Microsoft und Samsung ihren potenziellen Torwächter-Status mitgeteilt hatten. Insbesondere hat die Kommission den Torwächter-Status für die folgenden zentralen Plattformdienste festgestellt:

Parallel dazu hat die Kommission vier Marktuntersuchungen eingeleitet, um die eingereichten Mitteilungen von Microsoft und Apple weiter zu prüfen, denen zufolge einige ihrer zentralen Plattformdienste nicht als Zugangstore anzusehen sind, obwohl sie die Schwellenwerte erreichen:

Microsoft: Bing, Edge und Microsoft Advertising
Apple: iMessage
Nach dem Gesetz über digitale Märkte soll im Rahmen dieser Untersuchungen festgestellt werden, ob durch eine hinreichend stichhaltige Widerlegung durch die Unternehmen nachgewiesen wird, dass die betreffenden Dienste nicht benannt werden sollten. Die Untersuchung sollte innerhalb von fünf Monaten abgeschlossen werden.

Darüber hinaus hat die Kommission eine Marktuntersuchung eingeleitet, um weiter zu prüfen, ob Apples iPadOS zu den Torwächtern gezählt werden sollte, obwohl es die Schwellenwerte nicht erreicht. Diese Untersuchung im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte sollte innerhalb von höchstens 12 Monaten abgeschlossen werden.

Darüber hinaus kam die Kommission zu dem Schluss, dass Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser zwar die Schwellenwerte des Gesetzes über digitale Märkte für die Einstufung ihrer Betreiber als Torwächter erreichen, Alphabet, Microsoft und Samsung jedoch hinreichend begründete Argumente dafür vorgelegt haben, dass diese Dienste nicht als Zugangstor für die jeweiligen zentralen Plattformdienste anzusehen sind. Daher beschloss die Kommission, Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser nicht als zentrale Plattformdienste zu benennen. Dementsprechend wurde Samsung nicht als Torwächter in Bezug auf einen zentralen Plattformdienst eingestuft.

Nächste Schritte für benannte Torwächter
Nach ihrer Benennung haben die Torwächter nun sechs Monate Zeit, um sich an die vollständige Liste der Gebote und Verbote zu halten, die im Gesetz für digitale Märkte vorgesehen sind, sodass Endnutzern und gewerblichen Nutzern der Dienste des Torwächters eine größere Auswahl geboten und mehr Freiheit eingeräumt wird. Einige der Verpflichtungen gelten jedoch direkt ab dem Zeitpunkt der Benennung, z. B. die Verpflichtung, die Kommission über jeden geplanten Zusammenschluss zu unterrichten. Es liegt bei den benannten Unternehmen, die wirksame Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und nachzuweisen. Zu diesem Zweck müssen sie innerhalb von sechs Monaten einen ausführlichen Compliance-Bericht vorlegen, in dem sie darlegen, wie sie die einzelnen Verpflichtungen des Gesetzes über digitale Märkte erfüllen.

Die Kommission wird die wirksame Umsetzung und Einhaltung dieser Verpflichtungen überwachen. Kommt ein Torwächter den im Gesetz über digitale Märkte festgelegten Verpflichtungen nicht nach, kann die Kommission Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des weltweit erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens verhängen, der bei wiederholter Zuwiderhandlung auf bis zu 20 % hochgesetzt werden kann. Im Falle systematischer Zuwiderhandlungen ist die Kommission auch befugt, zusätzliche Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen. Beispielsweise kann sie einen Torwächter dazu verpflichten, ein Unternehmen oder Teile davon zu verkaufen, oder sie kann dem Torwächter verbieten, zusätzliche Dienste zu erwerben, die mit der systematischen Nichteinhaltung in Verbindung stehen.

In Zukunft könnten weitere Unternehmen der Kommission auf der Grundlage ihrer Selbstbeurteilung Mitteilungen im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte in Bezug auf die einschlägigen Schwellenwerte übermitteln. In diesem Zusammenhang führt die Kommission konstruktive Gespräche mit allen relevanten Unternehmen.



Hintergrund
Das Gesetz über digitale Märkte soll verhindern, dass Torwächter den Unternehmen und Endnutzern unfaire Bedingungen aufzwingen, und so die Offenheit wichtiger digitaler Märkte gewährleisten.

Zusammen mit dem Gesetz über digitale Märkte schlug die Kommission im Dezember 2020 das Gesetz über digitale Dienste vor, um die negativen Folgen bestimmter Verhaltensweisen von Online-Plattformen, die als digitale Torwächter fungieren, für den EU-Binnenmarkt anzugehen.

Das Gesetz über digitale Märkte, das seit November 2022 in Kraft ist und seit Mai 2023 angewendet wird, zielt darauf ab, bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor zu gewährleisten. Es reguliert die sogenannten Torwächter: große Online-Plattformen, die gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Verbrauchern dienen und die aufgrund dieser Stellung die Macht haben, den Marktzugang in der digitalen Wirtschaft zu kanalisieren.

Unternehmen, die mindestens einen der zehn im Gesetz über digitale Märkte aufgeführten zentralen Plattformdienste betreiben, werden als Torwächter angesehen, wenn sie die nachstehenden Kriterien erfüllen. Zu diesen zentralen Plattformdiensten gehören Online-Vermittlungsdienste wie Dienste zum Herunterladen von Computer- oder Handy-Apps, Online-Suchmaschinen, soziale Netzwerke, bestimmte Kommunikationsdienste, Video-Sharing-Plattform-Dienste, virtuelle Assistenten, Webbrowser, Cloud-Computing-Dienste, Betriebssysteme, Online-Marktplätze und Online-Werbedienste. Ein Unternehmen kann dabei auch für mehrere zentrale Plattformdienste als Torwächter benannt werden.

Es gibt drei quantitative Hauptkriterien, die die Annahme begründen, dass ein Unternehmen ein Torwächter im Sinne des Gesetzes über digitale Märkte ist: i) Das Unternehmen erzielt einen bestimmten Jahresumsatz im Europäischen Wirtschaftsraum und erbringt in mindestens drei EU-Mitgliedstaaten einen zentralen Plattformdienst, ii) das Unternehmen betreibt einen zentralen Plattformdienst mit monatlich mehr als 45 Millionen aktiven Endnutzern, die in der EU niedergelassen sind oder sich dort aufhalten, und mit jährlich mehr als 10 000 aktiven gewerblichen Nutzern mit Niederlassung in der EU und iii) das Unternehmen hat das zweite Kriterium in den drei vorhergehenden Geschäftsjahren erfüllt.

Im Gesetz über digitale Märkte ist eine Reihe spezifischer Verpflichtungen festgelegt, die Torwächter einhalten müssen, und bestimmte Verhaltensweisen werden ihnen untersagt mithilfe einer Liste von Geboten und Verboten.

Mit dem Gesetz über digitale Märkte wird der Kommission auch die Befugnis übertragen, Marktuntersuchungen durchzuführen, um i) Unternehmen aus qualitativen Gründen als Torwächter zu benennen, ii) die Verpflichtungen für Torwächter erforderlichenfalls zu aktualisieren, iii) Abhilfemaßnahmen zu konzipieren, mit denen gegen systematische Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Gesetzes über digitale Märkte vorgegangen wird.


Weitere Informationen finden Sie hier:

LG Hamburg: Verletzung deutscher Marke und Verstoß gegen Unterlassungserklärung wenn Händler Marke noch auf englischsprachiger Amazon-Shop-Seite verwendet

LG Hamburg
Urteil vom 11.05.2023
327 O 188/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Verletzung einer deutschen Marke und ein Verstoß gegen Unterlassungserklärung vorliegt, wenn ein Händler die Marke noch auf der englischsprachigen Amazon-Shop-Seite verwendet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gestützt auf die Klagemarke ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG zu.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte Hausschuhe unter dem Zeichen „Y.“ wie im Tenor zu 1) wiedergegeben, am 27.09.2021 und somit nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung nach wie vor online auf www.....de angeboten hat.

Der Zeuge E. hat bekundet, dass er am 27.09.2021 von dem Zeugen K. eine E-Mail mit einem Link erhalten habe, in der dieser auf ein potentiell markenverletzendes Angebot der Beklagten unter der Bezeichnung "Y." hingewiesen habe. Bei Anklicken des Links sei er auf das streitgegenständliche Angebot gestoßen, deren A. mit dem des früheren Streitverfahrens, auf das sich die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten bezieht, identisch gewesen sei. Dazu habe er in dem verlinkten Angebot nach unten gescrollt und die A.'s verglichen. Der Zeuge K. habe auf seine Anweisung hin sodann die verlinkten Angebote ausgedruckt und ihm übersandt. Dabei habe es sich um die als Anlage zum Klageantrag bzw. Anlage K 9 eingereichten und ihm nun vorgehaltenen Screenshots gehandelt, die mit dem verlinkten Angebot identisch und von ihm in keiner Weise bearbeitet worden seien. Der Zeuge E. bekundete weiter, er habe den übersandten Link aufgerufen, ohne die Spracheinstellung verändert zu haben. Seinen Cache lösche er immer mal wieder, wann genau im relevanten Zeitraum vor Anklicken des Links, könne er jedoch nicht sicher sagen. Der Zeuge K. hat bekundet, er habe auf der ...-Seite in das Suchfeld den Begriff "Y." eingegeben. In der daraufhin erscheinenden Liste sei auch das im hiesigen Verfahren relevante Angebot erschienen, welches er sodann angeklickt und als pdf gespeichert sowie mit dem Snipping Tool ausgeschnitten habe. Dies sei erfolgt, nachdem er einen Bericht über das Angebot an den Zeugen E. geschickt habe. Zudem habe er dem Zeugen E. eine E-Mail geschickt, in der er das von ihm aufgefundene Angebot verlinkt habe, wozu er die URL kopiert habe. Bei der Anlage K 9, die ihm vorgehalten wurde, handele es sich um diejenigen Seiten, die er gespeichert und deren URL er dem Zeugen E. geschickt habe. Er habe dabei auch nicht die Spracheinstellungen geändert, sondern schlicht die Webseite www.....de aufgerufen und den Suchbegriff eingegeben. Seinen Cache lösche er nicht und habe auch keine Einstellungen dazu getroffen.

Die beiden Zeugen haben somit übereinstimmend und widerspruchsfrei geschildert, wie sie am 27.09.2021 das streitgegenständliche Angebot auf der Webseite www.....de bzw. über den zugesandten Link aufgerufen haben und dass dabei die im Tenor wiedergegebene Webseite erschienen sei. Die Identität des als Anlage K 9 vorgelegten Screenshots mit der von ihnen aufgerufenen Webseite haben sie im Zuge dessen auf Vorhalt der Anlage K 9 bestätigt. Ihre Aussagen erscheinen daher für sich genommen glaubhaft. Sie fügen sich aber auch in den substantiierten Vortrag der Klägerin zu dem von den Zeugen bekundeten Geschehen. An der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen hat die Kammer keine Zweifel.

Der Vortrag der Beklagten, der ihr von der Klägerseite übermittelte Link habe auf das Angebot eines Hausschuhs mit der Bezeichnung „ P.“ geführt, geht insofern ins Leere, als der Link unstreitig erst mit E-Mail vom 05.10.2021 von der Klägerin an die Beklagte übersandt worden ist, der von der Beklagten angeblich in Verfolgung dieses Links eingereichte Screenshot (Anlage B 1) kein Datum aufweist, er aber selbst dann, wenn er unmittelbar nach Übersendung des Links von der Beklagten ausprobiert worden ist, keinen Schluss darauf zulässt, unter welcher Bezeichnung der Hausschuh am 27.09.2021 angeboten worden ist. Dafür, dass der Link ursprünglich, also jedenfalls am 27.09.2021, auf ein Angebot unter der Bezeichnung „Y.“ verwiesen hat, spricht, dass er die Angabe „k.=y.&q.“ enthält.

b) Auch der Einwand der Beklagten, sie sei für das Angebot des Hausschuhs mit der Bezeichnung „Y.“ in englischer Sprache nicht verantwortlich, greift nicht durch. Die Beklagte trägt dazu lediglich vor, sie stelle Angebote auf ....de nur in deutscher Sprache ein und sei für die von Amazon selbst vorgenommenen Übersetzungen nicht verantwortlich. In deutscher Sprache habe es aber am 27.09.2021 kein Angebot und keine Bewerbung mehr unter der Bezeichnung „Y.“ gegeben, sondern nur in englischer Sprache. Die Übersetzung beruhe wohl auf einem alten deutschen Datensatz, den sie nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung geändert habe. Unabhängig davon, wer die Übersetzungen der Angebote im Onlineshop auf www.....de vornimmt, ist klar, dass „Y.“ keine Übersetzung von „P.“ darstellt und ist es unwahrscheinlich, dass bei einer Übersetzung die Artikelbezeichnung ebenfalls übersetzt würde. Insoweit ist entscheidend, dass – selbst wenn ... die Übersetzungen vornimmt – die Beklagte im Nachgang zur Abgabe ihrer Unterlassungsverpflichtungserklärung, die sich auch auf das englischsprachige Angebot bezog, dazu verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen und sicherzustellen, dass auch die englischsprachige Version des Angebots die Bezeichnung „Y.“ nicht mehr enthält, was ihr ohne größeren Aufwand möglich gewesen wäre.

c) Die Beklagte hat die Bezeichnung „Y.“ in der konkret angegriffenen Verletzungsform in selbständig kennzeichnender Stellung im Rahmen des Gesamtzeichens „ K. Y.“ verwendet, so dass bei zumindest hochgradiger Zeichen- und Warenähnlichkeit von einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne auszugehen ist, indem nicht auszuschließen ist, dass der angesprochene Verkehr - hier also der allgemeine Verbraucher - davon ausgeht, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten eine wirtschaftliche Verbindung besteht, es sich etwa bei „Y.“ um eine Zweitmarke oder beim angebotenen Produkt um eine Kooperation zwischen der Klägerin und der Beklagten handelt.

Eine Verwechslungsgefahr ist gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass die angesprochenen Verkehrsteilnehmer davon ausgehen könnten, die von der Beklagten angebotenen Hausschuhe stammten von der Klägerin oder einem bestimmten Unternehmen, das mit der Klägerin wirtschaftlich verbunden ist oder an das der Kläger die Nutzung der Marke lizenziert hat. Ob bzw. wann eine solche Gefahr besteht, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2010, 729 Rn 23 - Mixi). Neben der Zeichen- und Warenidentität bzw. -ähnlichkeit ist dafür die Kennzeichnungskraft der Klagemarke von entscheidender Bedeutung, wobei zwischen diesen drei Faktoren neben den übrigen, je nach Einzelfall zu berücksichtigenden Faktoren eine Wechselwirkung dahingehend besteht, dass ein höherer Grad des einen Faktors den geringeren Grad eines anderen Faktors ausgleichen kann (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2014, 488 Rn 9 - Desperados/Desperado BGH, GRUR 2018, 79 Rn 7 - Oxford/Oxford Club).

Die Klagemarke verfügt für Bekleidung einschließlich Schuhen über eine mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft und zwischen den Waren, für welche die Klagemarke Schutz beansprucht - Bekleidungsstücke - und den Waren, welche die Beklagte unter Verwendung des Zeichens „Y.“ angeboten hat - Schuhe - besteht Warenidentität oder zumindest eine hochgradige Warenähnlichkeit.

Darüber hinaus liegt eine hochgradige Zeichenähnlichkeit vor. Während die Klagemarke nur aus dem einteiligen Zeichen „Y.“ besteht, bietet die Beklagte ihre Hausschuhe unter dem Kombinationszeichen „ K. Y.“ an. Ob der Bestandteil „Y.“ in dieser Kombination prägend ist, kann dahinstehen, da er in der angegriffenen Verletzungsform ungeachtet der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks der sich gegenüberstehenden Zeichen jedenfalls eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat. Er ist weder rein beschreibend noch ist er mit dem Bestandteil „ K.“ im Sinne einer integrativen neuen Bedeutung und Erscheinung dergestalt verschmolzen, dass der angesprochene Verkehr ihn nur noch als Teil eines Gesamtbegriffs ansehen würde. Mit der selbständig kennzeichnenden Stellung geht auch eine markenmäßige Verwendung des Bestandteils „Y.“ einher, da nicht auszuschließen ist, dass Teile des angesprochenen Verkehrs den Bestandteil „Y.“ als die eigentliche Produktbezeichnung auffassen, der eine produktbezogene Kennzeichungs- und damit Herkunftsfunktion zukommt, die der Verbraucher dem Inhaber des Unternehmenskennzeichens bzw. der Dachmarke „ K.“ - hier also der Klägerin - zuweist, indem er mindestens von einer Verbindung oder irgendwie gearteten Kooperation der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ausgeht.

d) Die für den Unterlassungsanspruch vorausgesetzte Wiederholungsgefahr liegt durch den erneuten Verstoß und die Weigerung, eine weitere Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, vor.

2. Der Klägerin steht - der Begründetheit des Unterlassungsanspruchs folgend - gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe der nach teilweiser Klagerücknahme noch beantragten 640,75 € aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB bzw. § 14 Abs. 6 MarkenG zu.

3. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 31.05.2021 zu, da die Beklagte durch das erneute Angebot unter der Bezeichnung „Y.“ in schuldhafter Weise gegen diese verstoßen hat. Dazu ist auf die Ausführungen unter 1. zum Unterlassungsanspruch zu verweisen, die entsprechend für den Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung gelten. Der Anspruch besteht allerdings nicht in der geforderten Höhe. Die Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 31.05.2021 enthält ein Vertragsstrafeversprechen nach sog. neuem H. Brauch, wonach die Bestimmung dem Gläubiger, hier also der Klägerin obliegt, diese jedoch durch das benannte Gericht, hier das Landgericht Hamburg, auf seine Angemessenheit hin überprüft werden kann. Die Angemessenheit ist stets unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Dabei kommt es insbesondere auf Art und Ausmaß des Verstoßes, die Bekanntheit der Klagemarke, die Größe und Bekanntheit der beteiligten Unternehmen und ihre Marktstärke an. Da es sich um einen Erstverstoß einer durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Marke handelt, die nicht übermäßig bekannt sein dürfte, erscheint der Kammer die geforderte Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,- € zu hoch, vielmehr stattdessen ein Betrag von 1.500,- € angemessen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Hannover: Ununterbrochene Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten durch Amazon im Fulfilment Center Winsen kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen

VG Hannover
Urteil vom 09.02.2023
10 A 6199/20


Das VG Hannover hat entschieden, dass die ununterbrochene Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten durch Amazon im Fulfilment Center Winsen keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen darstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Datenerhebung bei Amazon in Winsen ist rechtmäßig

10. KAMMER HAT DER KLAGE VON AMAZON STATTGEGEBEN: DAS PERSÖNLICHKEITSRECHT DER BESCHÄFTIGTEN ÜBERWIEGT HIER NICHT DIE UNTERNEHMERISCHEN INTERESSEN VON AMAZON

Die Klägerin darf weiterhin Handscanner einsetzen, mithilfe derer bestimmte Arbeitsschritte innerhalb der jeweiligen Prozesspfade von Warenein- bis Warenausgang erfasst werden:

Die Klägerin betreibt in Winsen (Luhe) ein Logistikzentrum zur Auslieferung von Waren aus dem Onlineversandhandel von Amazon (sogenanntes „Fulfillment Center“). In bestimmten Arbeitsbereichen benutzen die Beschäftigten Handscanner, mittels derer bestimmte Arbeitsschritte erfasst werden. Die Daten werden mit einer Softwareanwendung ausgewertet und dienen in erster Linie der Steuerung logistischer Prozesse. Daneben werden mit den Daten auch Bewertungsgrundlagen für Qualifizierungsmaßnahmen sowie für Feedback und Personalentscheidungen gelegt.

Wegen dieser Vorgehensweise leitete die Beklagte ein datenschutzrechtliches Kontrollverfahren gegen die Klägerin ein mit dem Ergebnis, dass sie der Klägerin mit Bescheid von Oktober 2020 untersagte, aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsdaten ihrer Beschäftigten ununterbrochen zu erheben und diese zur Erstellung von Quantitätsleistungs- und Qualitätsleistungsprofilen sowie für Feedbackgespräche und Prozessanalysen zu nutzen. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass die ununterbrochene Erhebung der entsprechenden Leistungsdaten der Beschäftigten rechtswidrig sei und gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße.

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage. Zur Begründung trug sie unter anderem vor, sie verstoße nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Vielmehr habe sie ein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung und Datenverarbeitung. So würden aktuelle und minutengenaue individuelle Leistungswerte bei der Steuerung der Logistikprozesse kurzfristig dazu benötigt, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen reagieren zu können. Anhand der aktuellen Leistungswerte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könne sie erkennen, ob Mitarbeitende an einem bestimmten Tag besonders schnell oder besonders langsam arbeiteten und hierauf durch Umverteilung reagieren. Mittelfristig würden zurückliegende individuelle Leistungswerte benötigt, um die konstanten Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden zuverlässig erfassen und bei der flexiblen Einsatzplanung berücksichtigen zu können. Zudem ermögliche diese Vorgehensweise die Schaffung objektiver und fairer Bewertungsgrundlagen für Feedback und Personalentscheidungen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern könne objektives und individuell leistungsbezogenes Feedback gegeben werden, das nicht durch subjektive Wahrnehmungen beeinflusst sei.

Das Gericht hat am 9. Februar 2023 in öffentlicher Sitzung im Amazon Logistikzentrum verhandelt und im Rahmen der Verhandlung das Fulfillment-Center besichtigt. Es hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben.

Das Gericht sieht in der ununterbrochenen Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. In Deutschland gebe es (noch) kein Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, sodass sich der Beschäftigtendatenschutz weiterhin nach § 26 Bundesdatenschutzgesetz richte. Danach dürften personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Durchführung des Beschäftigtenverhältnisses oder die Beendigung erforderlich sei.

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Datenverarbeitung für alle drei Zwecke – Steuerung der Logistikprozesse, Steuerung der Qualifizierung und Schaffung von Bewertungsgrundlagen für individuelles Feedback und Personalentscheidungen – erforderlich ist. Hinsichtlich der Optimierung der Logistikprozesse leuchte der Kammer ohne weiteres ein, dass die Klägerin die verarbeiteten Daten dazu nutzen kann, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen von Beschäftigten ad hoc zu reagieren und so den reibungsfreien Ablauf aller Prozesse innerhalb des Fulfillment Centers, das auf die Auslieferung der Ware zu einem genau definierten Zeitpunkt (Cut-Off-Zeitpunkt) ausgerichtet ist, zu garantieren. Auch könne die Klägerin individualisierte Qualifizierungsbedarfe der Beschäftigten schnell detektieren und auf diese reagieren. Schließlich verschafften die erhobenen Daten eine breite und objektive Grundlage für Feedback und Personal- und Beförderungsentscheidungen.

Nach Auffassung des Gerichts steht der durch die Überwachung der Beschäftigten bedingte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten nicht außer Verhältnis zu den schützenswerten Interessen der Klägerin, so dass der Eingriff auch angemessen sei:

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse und nach der Befragung der Zeugen – der früheren Betriebsratsvorsitzenden und des jetzigen Betriebsratsvorsitzenden – in der mündlichen Verhandlung geht nach Auffassung des Gerichts eine Abwägung der gegenläufigen Interessen hier zu Gunsten der Klägerin aus. Das Gericht hat dabei unter anderem berücksichtigt, dass keine heimliche Datenerhebung erfolgt, die Beschäftigten die Datenerhebung vielmehr vorhersehen können und wissen, dass die Klägerin die Daten für die logistischen Prozesse benötigt. Zudem finde keine Verhaltenskontrolle statt, die Kommunikation und physische Bewegungen würden nicht erfasst, vielmehr finde „nur“ eine Leistungskontrolle statt. Die Privatsphäre sei nicht betroffen. Außerdem sei der Hauptzweck der Datenerhebung nicht die Überwachung und Kontrolle der Beschäftigten, sondern die Steuerung der Logistikabläufe. Schließlich werde die Möglichkeit objektiven Feedbacks und fairer Personalentscheidungen von vielen Beschäftigten als positive Wirkung der Überwachung gewertet; dies hätten auch die Zeugen bestätigt, die deutlich gemacht hätten, dass die Überwachung kein besonderes Thema im Betrieb sei.

Das Gericht hat die Berufung zugelassen. Die Beklagte hat demnach die Möglichkeit Berufung gegen das Urteil vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg binnen eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Entscheidungsgründe einzulegen.

Urteil vom 9. Februar 2023

Az.: 10 A 6199/20



LG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Werbung durch Amazon bei Google mit Produktpreisen wenn beworbene Preise nur für Amazon Prime-Kunden gelten

LG Frankfurt
Urteil vom 13.01.2023
3-10 O 93/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass es wettbewerbswidrig ist, wenn Amazon bei Google mit Produktpreisen wirbt, wenn die beworbene Preises nur für Amazon Prime-Kunden gelten und dies nicht für den Nutzer durch einen klaren Hinweis erkennbar ist. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Volltext BGH liegt vor: Affiliate-Programm-Anbieter haftet nicht für irreführende Werbung von Affiliate-Partner wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig wird

BGH
Urteil vom 26.01.2023
I ZR 27/22
Haftung für Affiliates
UWG § 8 Abs. 2

Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Anbieter eines Affiliate-Programms haftet nicht für irreführende Werbung von Affiliate-Partner wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig wird - Amazon" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber (Anschluss an BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 - I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 [juris Rn. 21] = WRP 2009, 1520 - Partnerprogramm, mwN).

b) Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren. Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stellt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betriebsinhabers dar.

BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 27/22 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anbieter eines Affiliate-Programms haftet nicht für irreführende Werbung von Affiliate-Partner wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig wird - Amazon

BGH
Urteil vom 26.01.2023
I ZR 27/22

Das BGH hat entschieden, dass der Anbieter eines Affiliate-Programms (hier: Amazon) nicht für irreführende Werbung von Affiliate-Partnern haftet, wenn diese im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig werden.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung für Affiliate-Partner

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Betreiber eines Affiliate-Programms nicht für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners haftet, wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig geworden ist und es deshalb an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betreibers des Affiliate-Programms fehlt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Matratzenherstellerin. Die Beklagten sind Gesellschaften der Amazon-Gruppe und in unterschiedlichen Funktionen am Betrieb der Online-Verkaufsplattform "Amazon" beteiligt. Im Rahmen des von der Beklagten zu 1 betriebenen Amazon-Partnerprogramms steht es Dritten, sogenannten Affiliates, frei, auf der eigenen Webseite Links auf Angebote der Verkaufsplattform zu setzen. Wird dadurch ein Verkauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil am Kaufpreis. Im Jahr 2019 warb ein Affiliate auf seiner Webseite, die sich im weitesten Sinne mit den Themen Schlaf und Matratzen befasste und zumindest optisch einem redaktionellen Online-Magazin entsprach, unter anderem für Matratzen unter Verwendung von Links auf entsprechende Angebote auf der Verkaufsplattform. Die Klägerin hält die Werbung des Affiliates für irreführend und hat die Beklagten, denen der Wettbewerbsverstoß ihres Affiliates gemäß § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen sei, auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Die Beklagten hafteten für diesen Wettbewerbsverstoß des Affiliates aber nicht als Täter oder Teilnehmer. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers für Beauftragte nach § 8 Abs. 2 UWG lägen nicht vor.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Amazon-Partnerprogramms sowie der beanstandeten Webseite des Affiliates fehlt es im Streitfall an einer solchen Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 1 und damit am inneren Grund der Zurechnung gemäß § 8 Abs. 2 UWG. Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen - hier eine Internetseite mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen -, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren. Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stellt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 1 dar.

Es fehlt im Streitfall auch an der für eine Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG erforderlichen Beherrschung des Risikobereichs durch die Beklagte zu 1. Der Affiliate wird bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit Amazon geschlossenen Vereinbarung tätig, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein im eigenen Namen und im eigenen Interesse. Die Beklagte zu 1 musste sich einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auch nicht sichern, weil sie mit dem Produkt des Affiliates ihren Geschäftsbetrieb nicht erweitert hat.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 20. Mai 2021 - 81 O 62/20

OLG Köln - Urteil vom 11. Februar 2022 - 6 U 84/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. …

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.



Volltext BGH liegt vor: Internethändler muss nur dann umfassend über Herstellergarantie informieren wenn diese zentrales Merkmal des Angebots ist

BGH
Urteil vom 10.11.2022
I ZR 241/19
Herstellergarantie IV
UWG § 3a, § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 aF, § 5a Abs. 1 nF, § 5b Abs. 4 nF; BGB § 312d Abs. 1 Satz 1, § 443, § 479 Abs. 1 aF, § 479 Abs. 1 nF; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 aF, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 nF

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Internethändler muss nur dann umfassend über Herstellergarantie informieren wenn diese zentrales Merkmal des Angebots ist über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Den Unternehmer trifft eine vorvertragliche Pflicht zur Information über eine Herstellergarantie für ein im Internet angebotenes Produkt, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. Erwähnt er in seinem Internetangebot die Herstellergarantie dagegen nur beiläufig, muss er dem Verbraucher keine Informationen hierzu zur Verfügung stellen.

BGH, Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 241/19 - OLG Hamm - LG Bochum

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Markenrechtliche Annexansprüche bei Markenrechtsverletzung durch Anhängen an fremde ASIN bei Amazon - 100.000 EURO Streitwert

LG Hamburg
Urteil vom 14.07.2022
327 O 32/19


Das LG Hamburg hat sich in dieser Entscheidung mit den markenrechtlichen Annexansprüchen bei einer Markenrechtsverletzung durch Anhängen an eine fremde ASIN bei Amazon befasst. Zudem hat das Gericht entschieden, dass bei einer Markenrechtsverletzung ein Streitwert in Höhe von 100.000 EURO angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte zeichenrechtliche Annexansprüche wegen einer aus Sicht der Klägerin erfolgten Zeichenrechtsverletzung durch die Beklagte geltend.

Die Klägerin ist im Handelsregister des Amtsgerichts S. unter ihrer aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Firma seit dem 15.06.2009 (Eintragungstag) mit dem Unternehmensgegenstand „Zoologischer Groß- und Einzelhandel, Im- und Export von Waren und Gütern aller Art, insbesondere Zoofachartikel und der An- und Verkauf von Materialien, die dem Geschäftszweck dienlich sind“ eingetragen (vgl. Anlage K 18). Sie ist ferner Inhaberin der deutschen Wort-/Bildmarke „Lyra Pet“ mit einer Priorität vom 28.09.2017 und Schutz u. a. für „Tiernahrung“ und „Vogelfutter“ in Nizza-Klasse 31 (vgl. Anlage K 1; im Folgenden die „Klagemarke“).

Die Beklagte betrieb ein Verkäuferprofil unter „amazon.de“ und erschien dort am 28.06.2018 mit dem Angebot „10 kg Sonnenblumenkerne schwarz Lyra Pet Wildvogelfutter Vogelfutter Ernte 2017“ mit dem Zusatz „von Lyra Pet“ (vgl. Anlage K 2). Jene Angebotsbezeichnung (ohne Zusatz) erschien auch als Artikelbezeichnung in einer von der Beklagten gegenüber Herrn C. K. ausgestellten Rechnung vom 29.06.2018 (vgl. Anlage K 4) für die Lieferung des aus Anlage K 5 ersichtlichen Vogelfutters.

Die Klägerin ließ die Beklagte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 04.07.2018 wegen einer nach Auffassung der Klägerin in dem Angebot der Beklagten liegenden Zeichenrechtsverletzung abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern (vgl. Anlage K 7). Mit Anwaltsschreiben vom 03.08.2018 ließ die Beklagte daraufhin gegenüber der Klägerin eine strafbewehrten Unterlassungserklärung abgeben, die die Klägerin annahm (vgl. Anlagen K 10 und K 11). Ferner leistete die Beklagte auf der Basis eines von ihr insoweit zugrunde gelegten Gegenstandswertes in Höhe von 20.000,00 € Abmahnkostenersatz in Höhe von 1.171,67 € an die Klägerin.

In den Anlagen K 16 und K 21 legt die Klägerin ihr von der Amazon Deutschland Services GmbH unter dem 14.12.2018 erteilte Drittauskünfte betreffend Angebote der Beklagten bei „amazon.de“ u. a. unter der ASIN (Amazon Standard Identification Number) des Angebots gemäß Anlage K 2 vor.

In Anlage K 6 liegt eine an die Klägerin ausgestellte Rechnung der „Internetrecherchen & Bürodienstleistungen C. K.“ vom 02.06.2018 für „Testkauf und Beweissicherungen“ „Lyra Pet Futter XL K. GmbH“ vor, aus der sich ein Bruttorechnungsbetrag i. H. v. 119,00 € (zzgl. Auslagen) ergibt.

Mit Schriftsatz vom 22.08.2019 hat die Beklagte der Klägerin im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits nach Rechtshängigkeit Auskünfte erteilt.

Die Klägerin ist der Auffassung, in dem Angebot der Beklagten gemäß Anlage K 2, das unter einer von ihr, der Klägerin, bereits am 11.05.2015 angelegten ASIN (vgl. Anlage K 23) erfolgt sei, habe eine Verletzung ihrer Marken- und Unternehmenskennzeichenrechte an der Bezeichnung „Lyra Pet“ gelegen, woraus die von ihr gegenüber der Beklagten geltend gemachten zeichenrechtlichen Ansprüche folgten. Bei dem Kauf, der Gegenstand der von der Beklagten ausgestellten Rechnung gemäß Anlage K 4 gewesen sei, habe es sich um einen von ihr, der Klägerin, beauftragten Testkauf gehandelt, für den ihr Testkaufkosten in der mit dem Tenor zu Ziff. 2 zugesprochenen Höhe entstanden seien. Der für die Berechnung der ihr, der Klägerin, für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten erwachsenen Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legende, angemessene Gegenstandswert betrage 100.000,00 €. Schließlich könne sie, die Klägerin, auch bereits jetzt - ohne Notwendigkeit der Erhebung einer Stufenklage - eine Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt verlangen, da ausweislich des Missverhältnisses zwischen der von der Amazon Deutschland Services GmbH erteilten Drittauskunft und der von der Beklagten erteilten Auskunft die Beklagte bereits einmal falsch Auskunft erteilt habe.

Die Klägerin beantragt

- zu den Ziff. 1 bis 4 des Tenors wie erkannt -

sowie, die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß [dem Tenor zu] Ziff. 3 erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt die von der Klägerin geltend gemachte Kennzeichenrechtsverletzung in Abrede. Die von der Klägerin selbst vertriebenen Waren trügen nicht „den Markennamen 'Lyra Pet'“, so dass die Klägerin bei „Eintragung“ der Klagemarke „bösgläubig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkG“ [sic] gewesen sei und mit ihrem vorliegenden zeichenrechtlichen Vorgehen gegen die Beklagte - nach u. a. OLG Köln MMR 2021, 569 f. - rechtsmissbräuchlich handele. Dass die ASIN des hier in Rede stehenden Angebots von der Klägerin und bereits im Jahre 2015 angelegt worden sei, werde vor dem Hintergrund, dass die Klagemarke erst am 31.01.2018 eingetragen worden sei, bestritten. Schließlich seien der Klägerin keine Testkaufkosten entstanden, ein Testkauf wäre ferner nicht notwendig gewesen und der von der Klägerin für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten zugrunde gelegte Gegenstandswert sei übersetzt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Y. P. sowie - gemäß Beweisbeschluss vom 07.12.2021 - die Vernehmung des Zeugen D. M. im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2021 sowie auf das Protokoll der Rechtshilfevernehmung durch das Amtsgericht B. vom 01.02.2022 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2019, vom 17.12.2020, vom 02.12.2021 und vom 09.06.2022 verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und weit überwiegend auch begründet. Im Umfang des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Beklagten gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt unterlag die Klage der Abweisung.

I. Der von der Klägerin mit der Abmahnung gemäß Anlage K 7 vorgerichtlich gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgte jedenfalls aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 Satz 1 MarkenG.

Die Beklagte hat ohne Zustimmung der Klägerin unter dem Begriff „Lyra Pet“, mithin dem Wortbestandteil der Klagemarke, Vogelfutter, für das die Klagemarke in Nizza-Klasse 31 u. a. Schutz genießt, angeboten.

Dass die Verwendung der ASIN eines Angebots, das den Wortbestandteil der Klagemarke enthält, für das Angebot von Vogelfutter, das nicht von der Klägerin stammt oder mit deren Zustimmung in den Verkehr gebracht worden ist, erforderlich gewesen wäre, ist fernliegend und von der Beklagten auch nicht dargetan worden, so dass das zeichenrechtliche Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagte auch in keiner Weise rechtmissbräuchlich ist.

Einen Rechtsmissbrauch in Form eines Behinderungswettbewerbs i. S. v. § 4 Nr. 4 UWG anzunehmen, erachtet das OLG Köln in seiner in MMR 2021, 569 f., veröffentlichten und von der Beklagten zitierten Entscheidung unter den nachfolgenden Voraussetzungen für denkbar (vgl. OLG Köln a. a. O., S. 570):

„a) Den aus einer Marke hergeleiteten Ansprüchen kann einredeweise entgegen gehalten werden, dass auf Seiten des Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als eine wettbewerbswidrige Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 4 UWG erscheinen lassen (vgl. BGH U. v. 15.10.2015 – I ZB 69/14 – GLÜCKSPILZ; U. v. 26.6.2008 – I ZR 190/05 [= MMR 2008, 777 (Ls.)] – EROS; U. v. 12.7.2007 – I ZR 148/04 – CORDARONE; Hacker, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 55). Das wettbewerbsrechtlich Unlautere kann darin liegen, dass ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Zeichenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzt (vgl. BGH U. v. 3.2.2005 – I ZR 45/03 – Russisches Schaumgebäck; OLG Frankfurt/M. U. v. 27.10.2011 – 6 U 179/10 [= MMR 2012, 183]). Der BGH hat ausdrücklich angenommen, dass bei einer böswillig angemeldeten Marke dem Unterlassungsanspruch der Einwand des § 4 Nr. 4 UWG entgegengehalten werden kann, auch wenn Löschungsansprüche nicht bestehen (vgl. BGH U. v. 15.10.2015 – I ZB 44/14 – LIQUIDROM).
[...]

aa) Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH U. v. 11.10.2017 – I ZR 210/16 [= MMR 2018, 230 m. Anm. Kiparski] – Portierungs-Auftrag; U. v. 21.2.2002 – I ZR 281/99 [= MMR 2002, 605] – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, a.a.O. – Portierungs-Auftrag; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).“

Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben: Die Beklagte hat bereits nicht dargetan, für das Angebot von Vogelfutter unter „amazon.de“ eine ASIN mit der Bezeichnung „Lyra Pet“ zu benötigen. Ferner hat die Beklagte auch in ihrer Angebotsüberschrift die Bezeichnung „Lyra Pet“ verwendet. Und schließlich hatte die Klägerin, die bereits seit dem 15.06.2009 unter ihrer aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Firma u. a. für den Unternehmensgegenstand „Zoologischer Groß- und Einzelhandel“ im Handelsregister des Amtsgerichts S. eingetragen ist, auch bereits im Jahre 2015 - also vor Eintragung der Klagemarke - ein hinreichendes Interesse an der Erstellung der hier in Rede stehenden ASIN mit der Bezeichnung „Lyra Pet“, unter der die Klägerin - wie von der insgesamt glaubwürdigen Zeugin P. glaubhaft und zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO bestätigt - seit dem 11.05.2015 Angebote eingestellt hatte.

II. Der von der Klägerin geltend gemachte Rest-Abmahnkostenersatzanspruch (Tenor zu Ziff. 1) folgt daher aus den §§ 670, 677, 683 BGB.

Der insoweit von der Klägerin zugrunde gelegte Gegenstandswert in Höhe von 100.000,00 € entspricht dem Streitwertgefüge der mit Kennzeichenstreitsachen befassten Gerichte. Im Rahmen von kennzeichenrechtlichen Unterlassungsklagen in Fällen der Verletzung sogar nur unterdurchschnittlich benutzter Marken oder geschäftlicher Bezeichnungen werden regelmäßig Streitwerte im Bereich zwischen 100.000,00 € und 150.000,00 € festgesetzt (vgl. nur Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 142 MarkenG, Rn. 10 m. w. N.).

Der von der Klägerin insoweit geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III. Auch die Testkaufkosten (Tenor zu Ziff. 2) gehören zu den der Klägerin erwachsenen - und erforderlichen - Rechtsverfolgungskosten. Nur durch den Testkauf hat die Klägerin in Erfahrung bringen können, welches Produkt die Beklagte unter dem Zeichen „Lyra Pet“ angeboten hat. Dass die Klägerin jenen Testkauf bei der „Internetrecherchen & Bürodienstleistungen C. K.“ beauftragt und diese der Klägerin den Testkauf wie aus Anlage K 6 ersichtlich auch in Rechnung gestellt hat, hat die Rechtshilfevernehmung des Zeugen M. durch das Amtsgericht B. schließlich ohne Weiteres zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO ergeben. Soweit die Beklagte bestritten hat, dass die Klägerin die Rechnung gemäß Anlage K 6 auch beglichen hat, hat sich der Freihalteanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Bezug auf jene Rechnung aufgrund der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

IV. Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch (Tenor zu Ziff. 3; analog § 319 Abs. 1 ZPO hat die Kammer das Wort „umfassenden“ in dem dahingehenden Klageantrag durch das Wort „umfassten“ ersetzt) folgt aus § 19 MarkenG. Die Klägerin kann auch seit dem 11.05.2015 Auskunft und Rechnungslegung von der Beklagten verlangen, da die Vernehmung der Zeugin P. zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO zweifelsfrei ergeben hat, dass die Klägerin bereits seit ihrer Eintragung im Handelsregister im Jahre 2009 unter ihrer Firma - und mithin ihrem Unternehmenskennzeichen „Lyra Pet“ - mit dem im Handelsregister eingetragenen Unternehmensgegenstand des „[z]oologische[n] Groß- und Einzelhandel[s]“ auch geschäftlich tätig ist und seit dem 11.05.2015 durchgängig den hier in Rede stehenden Artikel unter der hier in Rede stehenden ASIN unter „amazon.de“ im Angebot hatte.

V. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten (Tenor zu Ziff. 4) folgt aus § 14 Abs. 6 MarkenG. Die Beklagte hat insoweit jedenfalls fahrlässig gehandelt.

VI. Die Klägerin kann mit der Geltendmachung ihres Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs indes nicht zugleich die Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Beklagten gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt verlangen. Insoweit hätte sie eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO erheben müssen.

Zwar ergeben sich aus der bereits mit der Klage eingereichten Anlage K 16, der der Klägerin von der Amazon Deutschland Services GmbH erteilten Drittauskunft, 506 Verkäufe der Beklagten unter der hier in Rede stehenden ASIN und hat die Beklagte noch im Laufe dieses Rechtsstreits lediglich 324 Verkäufe unter jener ASIN beauskunftet, so dass eine augenfällige Diskrepanz zwischen jenen Auskünften besteht. Die dahingehende Auskunft der Beklagten war jedoch ausdrücklich nur für die Jahre 2018 und 2019 erteilt worden, in der - irrigen - (Rechts-) Ansicht, allenfalls für jene Jahre Auskunft zu schulden. Dafür, dass die nunmehr gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 verurteilte Beklagte nicht richtig und unvollständig Auskunft erteilen würde, liegen darüber hinaus keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Internethändler muss nur dann umfassend über Herstellergarantie informieren wenn diese zentrales Merkmal des Angebots ist

BGH
Urteil vom 10.11.2022
I ZR 241/19

Der BGH hat in Umsetzung des Urteils des EuGH (siehe dazu EuGH: Händler bei Amazon muss umfassend über Herstellergarantie belehren wenn Garantie als zentrales oder entscheidendes Merkmal des Produkts dargestellt wird) entschieden, dass ein Internethändler nur dann umfassend über eine Herstellergarantie informieren muss, wenn diese ein zentrales Merkmal des Angebots ist. Vorliegend hat der BGH dies verneint, da die Garantie nicht im Angebotstext sondern nur an untergeordneter Stelle auf einem Produktinformationsblatt zu finden war.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zur Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Internethändler Verbraucher nicht näher über die Herstellergarantie für ein angebotenes Produkt informieren müssen, wenn die Garantie kein zentrales Merkmal ihres Angebots ist.

Sachverhalt:

Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen Link mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: "Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt." Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.

Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten betreffend Garantien. Sie hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 11. Februar 2021 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt (dazu Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 11. Februar 2021).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über die Fragen durch Urteil vom 5. Mai 2022 (C-179/21) entschieden.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die Beklagte hat sich nicht unlauter verhalten, weil sie in ihrem Internetangebot keine näheren Angaben zu der im verlinkten Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat.

Die Beklagte hat sich nicht nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG aF (nun § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) unlauter verhalten, weil sie den Verbrauchern keine nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF (nun Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB nF) vor Vertragsschluss zu erteilende Information über die Herstellergarantie vorenthalten hat. Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der vorgenannten Bestimmungen, die der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU dienen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen der Herstellergarantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht und so als Verkaufsargument einsetzt. Erwähnt er dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass sie aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, muss er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen.

Im Streitfall stellt die Herstellergarantie kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar. Sie wird auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt, sondern findet sich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt. Auf dieses Produktinformationsblatt gelangt der Verbraucher nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" steht und mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung" versehen ist und daher eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hindeutet.

Die Beklagte hat mangels eines Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 BGB auch keine nach § 3a UWG unlautere Handlung begangen. Die in § 479 Abs. 1 BGB normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greift erst ein, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie noch kein verbindliches Garantieversprechen.

Vorinstanzen:

LG Bochum - Urteil vom 21. November 2018 - I-13 O 110/18

OLG Hamm - Urteil vom 26. November 2019 - I-4 U 22/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5a UWG in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (aF)

(2) Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

[…]

(4) Als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 gelten auch Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

§ 5a Abs. 1 UWG in der seit dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung (nF)

Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 5b Abs. 4 UWG in der seit dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung (nF)

Als wesentlich im Sinne des § 5a Absatz 1 gelten auch solche Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB

Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu informieren.

§ 479 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (aF)

Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten:

1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und

2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes […].

§ 479 Abs. 1 BGB in der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung (nF)

Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten:

1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln, darauf, dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist sowie darauf, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden,

[…]

5. die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes.

Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (aF)

Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:

[…]

9. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien, […]

Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB in der seit dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung (nF)

Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:

[…]

12. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien,

Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU

Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

[…]

m) gegebenenfalls den Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien; […]

Volltext BGH liegt vor: Negative eBay-Bewertung mit Zusatz "Versandkosten Wucher!!" kann zulässig sein - keine unzulässige Schmähkritik und von Meinungsfreiheit gedeckt

BGH
Urteil vom 28.09.2022
VIII ZR 319/20
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Negative eBay-Bewertung mit Zusatz "Versandkosten Wucher!!" kann zulässig sein - keine unzulässige Schmähkritik und von Meinungsfreiheit gedeckt über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
§ 8 Nr. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, wonach die von Nutzern abgegebenen Bewertungen sachlich gehalten sein müssen und Schmähkritik nicht enthalten dürfen, enthält keine vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren von Nutzern, die über die deliktsrechtlichen Grenzen wertender Äußerungen hinausgehen.

BGH, Urteil vom 28. September 2022 - VIII ZR 319/20 - LG Weiden in der Oberpfalz - AG Weiden in der Oberpfalz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Negative eBay-Bewertung mit Zusatz "Versandkosten Wucher!!" kann zulässig sein - keine unzulässige Schmähkritik und von Meinungsfreiheit gedeckt

BGH
Urteil vom 28.09.2022
VIII ZR 319/20


Der BGH hat entschieden, dass eine negative eBay-Bewertung mit dem Zusatz "Versandkosten Wucher!!" zulässig sein kein.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Zur Zulässigkeit einer negativen Bewertung bei eBay (hier: "Versandkosten Wucher!!")

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer, der ein Produkt über die Internetplattform eBay verkauft, einen Anspruch gegen den Käufer auf Entfernung einer von diesem abgegebenen negativen Bewertung hat.

Sachverhalt:

Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 € brutto. Davon entfielen 4,90 € auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten. Der Verkauf erfolgte auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die Parteien vor dem Geschäft zugestimmt hatten. Dort heißt es auszugsweise:

"§ 8 Bewertungen

[…]

2. Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten.

[…]".

Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft in dem von eBay zur Verfügung gestellten Bewertungsprofil der Klägerin mit dem Eintrag "Ware gut, Versandkosten Wucher!!".

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die auf Entfernung dieser Bewertung und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Amtsgerichts handele es sich bei der Bezeichnung der Versandkosten als "Wucher" um ein Werturteil, das nur dann unzulässig sei, wenn es sich um eine Schmähkritik handele. Eine solche liege jedoch nicht vor. Die Bewertung weise einen Sachbezug auf, weil sie in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt sei.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten antragsgemäß zur Entfernung der Bewertung und zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Aus Sicht des Berufungsgerichts habe der Beklagte eine nachvertragliche Nebenpflicht verletzt (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB). Die Bewertung verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 8 Nr. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (nachfolgend: eBay-AGB). Daraus ergebe sich ein über die Abwehr von Schmähkritik hinausgehender Schutz. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" handele es sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, die nicht gerechtfertigt sei, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum sich die Versandkosten aus Sicht des Käufers als "Wucher" darstellten.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Entfernung der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" nicht zusteht, auch nicht unter dem vom Berufungsgericht herangezogenen Gesichtspunkt einer (nach-)vertraglichen Nebenpflichtverletzung.

Anders als das Berufungsgericht es gesehen hat, enthält die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB über die bei Werturteilen ohnehin allgemein geltende (deliktsrechtliche) Grenze der Schmähkritik hinaus keine strengeren vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren.

Zwar ist der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig. Für das Verständnis, dem Sachlichkeitsgebot in § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB solle gegenüber dem Verbot der Schmähkritik ein eigenständiges Gewicht nicht zukommen, spricht aber bereits der Umstand, dass hier genaue Definitionen zu dem unbestimmten Rechtsbegriff "sachlich" in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen fehlen. Es liegt in diesem Fall im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, die Zulässigkeit von grundrechtsrelevanten (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG [beim Verkäufer], Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG [beim Käufer]) Bewertungen eines getätigten Geschäfts an den gefestigten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Schmähkritik auszurichten und hierdurch die Anforderungen an die Zulässigkeit von Bewertungskommentaren für die Nutzer und eBay selbst möglichst greifbar und verlässlich zu konturieren. Zudem hätte es der gesonderten Erwähnung der Schmähkritikgrenze nicht bedurft, wenn dem Nutzer schon durch die Vorgabe, Bewertungen sachlich zu halten, eine deutlich schärfere Einschränkung hätte auferlegt werden sollen. Außerdem würde man der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit des Bewertenden von vorherein ein geringeres Gewicht beimessen als den Grundrechten des Verkäufers, wenn man eine Meinungsäußerung eines Käufers regelmäßig bereits dann als unzulässig einstufte, wenn sie herabsetzend formuliert ist und/oder nicht (vollständig oder überwiegend) auf sachlichen Erwägungen beruht. Eine solche, die grundrechtlichen Wertungen nicht hinreichend berücksichtigende Auslegung entspricht nicht dem an den Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Verständnis redlicher und verständiger Vertragsparteien.

Die Grenze zur Schmähkritik ist durch die Bewertung "Versandkosten Wucher!!" nicht überschritten. Wegen seiner das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkenden Wirkung ist der Begriff der Schmähkritik nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.

Daran fehlt es hier. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" steht eine Diffamierung der Klägerin nicht im Vordergrund. Denn der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Klägerin auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist.

Vorinstanzen:

AG Weiden in der Oberpfalz – 1 C 140/20 – Urteil vom 22. Juni 2020

LG Weiden in der Oberpfalz – 22 S 17/20 – Urteil vom 28. Oktober 2020

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Grundgesetz

Artikel 2 [Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person]

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

[…]

Artikel 5 [Recht der freien Meinungsäußerung, Medienfreiheit, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit]

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. […]

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

[…]

VG Göttingen: Siri, Alexa und Co. - Wichtiger Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG bei Namensidentität mit bekanntem Sprachassistenten

VG Göttingen
Urteil vom 21.06.2022
4 A 79/21

Das VG Göttingen hat entschieden, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG bei Namensidentität mit bekanntem Sprachassistenten (Siri, Alexa und Co.) vorliegen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Der auf einen bekannten Sprachassistenten lautende Vorname eines Mädchens darf geändert werden
Mit Urteil vom 21.06.2022 hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen entschieden, dass eine Klägerin, deren Vorname mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten identisch ist, einen Anspruch auf Änderung ihres Vornamens hat (4 A 79/21).

Die Klägerin begehrte die Änderung ihres Namens durch Hinzufügen eines zweiten Vornamens. Dies begründeten die Eltern der Klägerin damit, dass ihre Tochter aufgrund der Namensidentität ihres Vornamens mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten erheblich unter Mobbing und Hänseleien leide. Immer wieder würden andere Personen der Klägerin Befehle erteilen, da der Name sofort mit dem Namen des Sprachassistenten in Verbindung gebracht werde. Dies verunsichere und belaste die Klägerin seelisch sehr.

Die beklagte Stadt hielt dagegen, dass ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG nicht vorliege. Die seelische Belastung der Klägerin sei nicht durch ärztliche oder psychologische Gutachten belegt. Der Namensänderungswunsch beruhe vielmehr auf nachträglicher Reue der Eltern an der früheren Namensgebung und auf Mobbingbefürchtungen. Ein Produktname könne nicht automatisch zu einem Anspruch der vielen Inhaber gleichlautender Vornamen auf Namensänderung führen. Insgesamt könne quasi jeder Name mit einiger Fantasie ins Lächerliche gezogen werden.

In der mündlichen Verhandlung kam die Kammer zu der Überzeugung, dass die seelische Belastung der Klägerin ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG darstelle. In der Rechtsprechung sei bereits geklärt, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung dann vorliege, wenn die privaten Interessen an der Namensänderung die öffentlichen Interessen an der Namensbeibehaltung überwiegen. Auch eine seelische Belastung könne als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sei. Dabei müsse die seelische Belastung nicht den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreicht haben. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall vor. Die Eltern hätten in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Vorfälle beschrieben, bei welchen die Klägerin aufgrund ihres Vornamens belästigt worden sei. Dabei sei nachvollziehbar, dass es aufgrund dieser Vorfälle zu einer seelischen Belastung gekommen sei, der die Klägerin aufgrund ihres jungen Alters nichts entgegensetzen könne. Insgesamt sei zu erwarten, dass die Hänseleien auch in Zukunft weiter andauern würden. Die Bekanntheit des Sprachassistenten und die Tatsache, dass es sich bei dem Namen des Sprachassistenten nicht nur um eine reine Produktbezeichnung handele, sondern um das „Schlüsselwort“ zur Nutzung des Geräts, führten dazu, dass der Name des Sprachassistenten in einem besonders herausragenden Maße missbrauchsgeeignet sei. Hier gehe es um ein Gerät, dem durch die Voranstellung des Produktnamens Befehle erteilt werden würden. Der Name sei nicht bloß dazu geeignet, einen Wortwitz zu bilden, sondern lade vielmehr dazu ein, beleidigende und erniedrigende Befehle an Personen mit dem gleichen Namen zu erteilen.

Im Ergebnis gehe die Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin aus. Im vorliegenden Fall gehe es nur um die Änderung eines Vornamens. Da der Familienname im weitergehenden Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal diene als der Vorname, komme den öffentlichen Interessen bei der Änderung des Vornamens im Vergleich zu der Änderung eines Familiennamens ein geringeres Gewicht zu. Die Klägerin habe im Vorschulalter bisher nicht erheblich am Rechtsverkehr teilgenommen. Außerdem bleibe durch die Hinzufügung lediglich eines zweiten Vornamens ein gewisser „Widererkennungswert“ beim Namen der Klägerin erhalten.

Gegen die Entscheidung kann die Beklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.


OLG Frankfurt: Unlautere getarnte Werbung durch Amazon wenn Gesamtbewertung eines Produkts bezahlte Produktrezensionen berücksichtigt - Hinweispflicht unter Angabe des Anteils bezahlter Bewertungen

OLG Frankfurt
Urteil vom 09.06.2022
6 U 232/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine unlautere getarnte Werbung durch Amazon vorliegt, wenn die Gesamtbewertung eines Produkts bezahlte Produktrezensionen berücksichtig, ohne dass die Nutzer über diesen Umstand und den Anteil bezahlter Bewertungen informiert werden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Unlautere getarnte Werbung bei Berücksichtigung bezahlter Produktrezensionen innerhalb des Gesamtbewertungsergebnisses eines Produktes

Fließen in das Gesamtbewertungsergebnis für Produkte, die auf eine Verkaufsplattform angeboten werden, auch Rezensionen ein, für die an den Rezensenten ein - wenn auch geringes - Entgelt gezahlt wird, liegt unlautere getarnte Werbung vor, sofern die Berücksichtigung dieser bezahlten Rezensionen nicht kenntlich gemacht wird. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung die vom Landgericht ausgeurteilte Unterlassungsverpflichtung bestätigt.

Die Klägerin bietet im Internet die entgeltliche Vermittlung von Kundenrezensionen an. Die Kunden der Klägerin sind ausschließlich Händler auf Online-Verkaufsplattformen. Die Beklagte betreibt die Verkaufsplattform amazon.de. Die Produkte werden dort mit einem Gesamtsterne-Bewertungssystem bewertet. Die Beklagte vermittelt zudem ihren Verkaufspartnern gegen Entgelt Kundenrezensionen im Rahmen des sog. Early Reviewer Programms (i.F.: ERP). Dabei handelt es sich um Bewertungen ausländischer Rezensenten gegen Entgelt oder Gutscheine für Produkte, die zuvor auf dem US-, UK- oder Japan-Marketplace gekauft wurden. Diese Bewertungen werden auch deutschen Käufern angezeigt und fließen in das Gesamtbewertungsergebnis ein.

Die Klägerin wendet sich gegen die Veröffentlichung von ERP-Rezensionen, wenn diese Teil des Gesamtbewertungsergebnisses werden und nicht darauf hingewiesen wird, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele dieser Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind.

Die gegen die vom Landgericht ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Es liege eine unlautere getarnte Werbung vor, bestätigte das OLG. ERP-Rezensionen zu veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind, sei unlauter.

Die Berücksichtigung dieser ERP-Rezensionen - und damit auch nicht ihr Anteil - würde von der Beklagten nicht kenntlich gemacht und ergebe sich auch nicht aus den Umständen. Ob Internetnutzer damit rechneten, dass in ein Gesamtbewertungsergebnis auch immer Rezensionen einfließen, die nicht sachlich begründet sein, könne offenbleiben. Dies dürfe jedenfalls „kein Freibrief dafür sein ... , beeinflusste Rezensionen zu verwenden“, stellte das OLG klar.

Die Berücksichtigung von ERP-Rezensionen habe hier auch geschäftliche Relevanz. Die Rezensenten des ERP erhielten eine kleine Belohnung für die Abfassung der Rezension. „Daraus folgt zwangsläufig, dass sie bei Abgabe ihrer Bewertung nicht frei von sachfremden Einflüssen sind“, betont das OLG. Es bestehe vielmehr die konkrete Gefahr, dass ein nicht geringer Anteil der Teilnehmer an dem Programm sich veranlasst sehe, ein Produkt positiver zu bewerten als dies tatsächlich seiner Meinung entspreche, um weiterhin an dem Programm teilnehmen zu dürfen.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.06.2022, Az. 6 U 232/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2021, Az. 3-06 O 26/21)




EuGH: Händler bei Amazon muss umfassend über Herstellergarantie belehren wenn Garantie als zentrales oder entscheidendes Merkmal des Produkts dargestellt wird

EuGH
Urteil vom 05.05.2022
C-179/21
absoluts -bikes and more- GmbH & Co. KG gegen the-trading-company GmbH
Victorinox-Garantie


Der EuGH hat entschieden, dass ein Händler bei Amazon (und anderen Online-Marktplätzen und Handelsplattformen) umfassend über eine Herstellergarantie belehren muss, wenn die Garantie als zentrales oder entscheidendes Merkmal des Produkts dargestellt wird.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Ein Unternehmer, der auf Websites wie Amazon eine nicht von ihm selbst hergestellte Ware anbietet, hat den Verbraucher über die Garantie des Herstellers zu informieren, wenn er sie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht

Die Gesellschaft absoluts -bikes and more- GmbH & Co. KG (im Folgenden: absoluts) bot auf der Online-Handelsplattform von Amazon die Ware eines Schweizer Herstellers an. Die Amazon-Angebotsseite enthielt keine Angaben zu einer von absoluts oder einem Dritten gewährten Garantie, aber unter der Rubrik „Weitere technische Informationen“ einen Link, über den der Nutzer auf ein vom Hersteller formuliertes Informationsblatt zugreifen konnte.

Ein Konkurrenzunternehmen, das der Ansicht war, absoluts habe keine ausreichenden Angaben zu der vom Hersteller gewährten Garantie gemacht, erhob auf Grundlage der deutschen Rechtsvorschriften über den unlauteren Wettbewerb eine Klage auf Unterlassung solcher Angebote gegen absoluts. Mittlerweile ist der Bundesgerichtshof (Deutschland) mit der Rechtssache befasst und hegt Zweifel, ob ein Unternehmer in der Situation von absoluts auf Grundlage der Verbraucherrechterichtlinie1 verpflichtet ist, den Verbraucher über das Bestehen einer vom Hersteller angebotenen gewerblichen Garantie zu informieren. Der Bundesgerichtshof wirft dabei auch die Frage nach dem Umfang einer solchen Pflicht und den Voraussetzungen auf, unter denen sie entsteht.

Mit seinem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Unternehmer dem Verbraucher vorvertragliche Informationen zu einer gewerblichen Garantie des Herstellers zur Verfügung zu stellen hat, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hat, um die Entscheidung treffen zu können, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass diese Informationen alle Angaben hinsichtlich der Bedingungen für die Anwendung und die Inanspruchnahme einer solchen Garantie umfassen müssen, die dem Verbraucher eine solche Entscheidung ermöglichen.

Würdigung durch den Gerichtshof
Erstens stellt der Gerichtshof zur Frage, ob der Unternehmer verpflichtet ist, den Verbraucher über das Bestehen einer gewerblichen Garantie des Herstellers zu informieren, fest, dass diese Pflicht, soweit sich der Vertragsgegenstand auf eine Ware bezieht, die von einer anderen Person als dem Unternehmer hergestellt wurde, sämtliche für diese Ware bedeutsamen Informationen abdecken muss, damit der Verbraucher entscheiden kann, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Diese Informationen umfassen die wesentlichen Eigenschaften der Waren sowie grundsätzlich alle untrennbar mit der Ware verbundenen Garantien, darunter die vom Hersteller angebotene gewerbliche Garantie. Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass die Übermittlung von Informationen über die gewerbliche Garantie des Herstellers zwar ein hohes Schutzniveau für den Verbraucher sicherstellt, eine unbedingte Verpflichtung, solche Informationen stets zur Verfügung zu stellen, aber unverhältnismäßig erscheint. Eine solche Verpflichtung würde Unternehmer nämlich dazu zwingen, die Informationen über eine solche Garantie mit erheblichem Aufwand zu sammeln und zu aktualisieren, obgleich zwischen ihnen und den Herstellern nicht notwendigerweise eine unmittelbare vertragliche Beziehung besteht und wiewohl die gewerbliche Herstellergarantie grundsätzlich nicht Gegenstand des Vertrags ist, den sie mit dem Verbraucher abschließen möchten.

Der Gerichtshof kommt folglich im Rahmen der Abwägung zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu dem Befund, dass der Unternehmer nur dann verpflichtet ist, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen über eine gewerbliche Garantie des Herstellers zur Verfügung zu stellen, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse am Erhalt dieser Informationen hat, um die Entscheidung treffen, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Diese Pflicht des Unternehmers wird mithin nicht durch den bloßen Umstand ausgelöst, dass diese Garantie besteht, sondern aufgrund des Umstands, dass ein solches berechtigtes Interesse des Verbrauchers vorliegt. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass dieses Interesse vorliegt, wenn der Unternehmer die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht, insbesondere, wenn er daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herleitet, um die Wettbewerbsfähigkeit oder die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu den Angeboten seiner Wettbewerber zu verbessern.

Für die Feststellung, ob die gewerbliche Garantie des Herstellers ein zentrales oder entscheidendes Merkmal des Angebots des Unternehmers darstellt, sind weiterhin Inhalt und allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der betroffenen Ware zu berücksichtigen sowie die Bedeutung der Erwähnung der gewerblichen Garantie des Herstellers als Verkaufs- oder Werbeargument, der Positionierung der Erwähnung der Garantie im Angebot, die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung, die diese Erwähnung bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der unterschiedlichen Garantierechte, die er geltend machen kann, oder hinsichtlich der tatsächlichen Identität des Garantiegebers hervorrufen könnte, das Vorliegen von Erläuterungen zu weiteren mit der Ware verbundenen Garantien im Angebot und jeder weitere Gesichtspunkt, der ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen kann.

Zweitens hat der Gerichtshof zu der Frage, welche Informationen dem Verbraucher zu den „Bedingungen“ der gewerblichen Garantie des Herstellers zur Verfügung zu stellen sind, entschieden, dass der Unternehmer dem Verbraucher alle Informationen über die Bedingungen für die Anwendung und die Inanspruchnahme der betreffenden gewerblichen Garantie zur Verfügung
zu stellen hat, um dem berechtigtem Interesse des Verbrauchers Rechnung zu tragen, Informationen über die gewerbliche Garantie des Herstellers zu erhalten, um eine Entscheidung treffen zu können, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Neben Dauer und räumlichem Geltungsbereich, die ausdrücklich in Art. 6 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der
Richtlinie über Verbrauchsgüter und Garantien für Verbrauchsgüter genannt werden, können diese Informationen nicht nur den Reparaturort bei Beschädigungen oder mögliche Beschränkungen der Garantie einschließen, sondern auch je nach den Umständen Namen und Anschrift des Garantiegebers.


Tenor der Entscheidung:

1. Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass die mit dieser Vorschrift dem Unternehmer auferlegte Informationspflicht hinsichtlich der vom Hersteller angebotenen gewerblichen Garantie nicht schon allein aufgrund des Bestehens dieser Garantie ausgelöst wird, sondern lediglich dann, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hat, Informationen über die Garantie zu erhalten, um seine Entscheidung treffen zu können, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Ein solches berechtigtes Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn der Unternehmer die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. Für die Feststellung, ob die Garantie ein solches zentrales oder entscheidendes Merkmal darstellt, sind Inhalt und allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der betroffenen Ware zu berücksichtigen sowie die Bedeutung der Erwähnung der gewerblichen Garantie des Herstellers als Verkaufs- oder Werbeargument, die Positionierung der Erwähnung der Garantie im Angebot, die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung, die durch diese Erwähnung bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der unterschiedlichen Garantierechte, die er geltend machen kann, oder hinsichtlich der tatsächlichen Identität des Garantiegebers hervorgerufen werden könnte, das Vorliegen von Erläuterungen zu den weiteren mit der Ware verbundenen Garantien im Angebot und jeder weitere Gesichtspunkt, der ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen kann.

2. Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass die Informationen, die dem Verbraucher zu den Bedingungen einer gewerblichen Garantie des Herstellers zur Verfügung gestellt werden müssen, alle Informationen hinsichtlich der Bedingungen für die Anwendung und die Inanspruchnahme einer solchen Garantie umfassen, die dem Verbraucher seine Entscheidung darüber ermöglichen, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Unlautere Nachahmung von Swatch-Plastikuhren auch bei anderweitiger Kennzeichnung der Produkte möglich

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.02.2022
6 U 202/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine unlautere Nachahmung von Swatch-Plastikuhren auch bei anderweitiger Kennzeichnung der Produkte vorliegen kann,

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein Vertrieb nachgeahmter „Plastikuhren“ trotz abweichender Kennzeichnung

Der Vertrieb einer nachgeahmten „Plastikuhr“ kann trotz markenähnlicher Kennzeichnung wettbewerbswidrig sein. Es kann zu einer mittelbaren Herkunftstäuschung kommen, wenn dem Verkehr bekannt ist, dass etwa für Mode- und Sportartikelhersteller Uhren in Lizenz hergestellt werden und Kooperationen mit Künstlern im Uhrenmarkt nicht unüblich sind. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beklagte verurteilt, den Vertrieb nachgeahmter Plastikuhren zu unterlassen.

Die Klägerin vertreibt seit 1983 aus Kunststoff hergestellte Uhren. Die streitgegenständliche Modellserie wird in verschiedenen Designvarianten vertrieben, wobei die Klägerin hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Uhren auch mit zeitgenössischen Künstlern zusammenarbeitet. Ihre Uhren sind ab einem Preis von 63,00 € erhältlich. Die Beklagte bot über die Plattform www.amazon.de Plastikarmbanduhren in unterschiedlichen Farben mit im Ziffernblatt aufgedruckten - von den klägerischen Bezeichnungen abweichenden - Kennzeichnungen zu Preisen zwischen 12,48 € und 13,67 € an.

Das Landgericht hatte die Klage auf Unterlassen des Anbietens der in der Berufung gegenständlichen Uhrenmodelle abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG Erfolg. Der Vertrieb der Uhren stelle eine unlautere Nachahmung der klägerischen Uhrenmodelle dar, begründete das OLG seine Entscheidung. Dem Uhrenmodell der Klägerin komme eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart zu. Es handele sich um „eine sehr reduzierte Uhrenserie zu einem vergleichsweise günstigen Preis aus einem damals für Uhren ungewöhnlichen Material ... nämlich Plastik“. Aufgrund der hohen Bekanntheit des Produktes sei hier von einem gesteigerter Grad an Eigenheit auszugehen. Diese wettbewerbliche Eigenart werde nicht durch „wahllos“ von der Beklagten herangezogene andere „Plastikuhren“ in Frage gestellt, die mit dem klägerischen Modell außer dem Material nicht viel Gemeinsames hätten.

Die Beklagte habe das klägerische Modell auch nachgeahmt. Nahezu sämtliche die Eigenart begründenden Merkmale seien von ihr übernommen worden.

Die im Ziffernblatt vorhandene abweichende Kennzeichnung schließe zwar eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Es liege aber eine sog. mittelbare Herkunftstäuschung vor. Auf dem Uhrenmarkt sei es üblich, dass mit Zweitmarken operiert werde. Verbreitet würden auch Uhren über Lizenzverträge für bekannte Mode- und Sportartikellabel hergestellt. Der Verkehr nehme deshalb hier hinsichtlich der abweichenden Kennzeichnung der Uhren der Beklagten an, dass eine lizenzrechtliche Beziehung zur Klägerin bestehe oder eine Zweitmarke vorliege.

Die Beklagte beute zudem den guten Ruf der Klägerin aus. Dabei komme es nicht darauf an, dass es sich hier nicht um eine Luxus-Uhr handele. Auch niedrigpreisige Produkte könnten einer Rufausbeutung unterliegen, wenn der Verkehr ihnen eine besondere Wertschätzung entgegenbringe. Hier würden die „Plastikuhren“ des streitgegenständlichen Modells einen außerordentlichen Ruf genießen. „Sie sind“, so das OLG, „das Synonym für die Produktgruppe der „Plastikuhren“, die die Klägerin erstmals großflächig auf den Markt gebracht hat“. An dieses positive Image habe sich die Beklagte ohne Grund in so starkem Maße angelehnt, dass sie „unlauter an der von der Klägerin durch eigene langjährige Anstrengungen am Markt erworbenen Wertschätzung profitiert“, stellt das OLG fest.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17.2.2022, Az. 6 U 202/20
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.11.2020, Az. 2/6 O 78/20)