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Präsiden des EuG lehnt Eilantrag von TikTok / Bytedance gegen Einordnung als Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA) durch EU-Kommission ab

Präsiden des EuG
Beschluss vom 09.20.2024
T-1077/23
Bytedance / EU-Kommission

Der Präsident des EuG hat den Eilantrag von TikTok / Bytedance gegen die Einordnung als Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA) durch die EU-Kommission abgelehnt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Verordnung über digitale Märkte: Der Antrag von ByteDance (TikTok) auf Aussetzung des Beschlusses der Kommission, mit dem ByteDance als Torwächter benannt wird, wird zurückgewiesen

ByteDance hat die Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens nicht dargetan.

Die ByteDance Ltd ist eine 2012 in China gegründete nicht operative Holdinggesellschaft, die über lokale Tochtergesellschaften die Unterhaltungsplattform TikTok bereitstellt.

Mit Beschluss vom 5. September 2023 benannte die Kommission ByteDance als Torwächter gemäß der Verordnung über digitale Märkte.

Im November 2023 erhob ByteDance Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses. Mit gesondertem Schriftsatz hat sie einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie die Aussetzung des Kommissionsbeschlusses begehrt. Mit seinem heutigen Beschluss weist der Präsident des Gerichts den Antrag von ByteDance auf vorläufigen Rechtsschutz zurück.

ByteDance hat danach nicht dargetan, dass es erforderlich wäre, den streitigen Beschluss bis zum Abschluss des Verfahrens zur Hauptsache auszusetzen, um zu verhindern, dass sie einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet.

ByteDance machte u. a. geltend, dass bei sofortiger Durchführung des streitigen Beschlusses die Gefahr bestehe, dass sonst nicht öffentliche, hochstrategische Informationen über die Praktiken von TikTok bei der Erstellung von Nutzerprofilen verbreitet würden. Diese Informationen würden es, so ByteDance, den Wettbewerbern von TikTok und sonstigen Dritten ermöglichen, über die TikTok betreffenden Geschäftsstrategien in einer Weise informiert zu sein, die ihren Tätigkeiten erheblich abträglich wäre. Ausweislich des heutigen Beschlusses hat ByteDance jedoch weder das Bestehen einer tatsächlichen Gefahr der Verbreitung vertraulicher Informationen noch einen etwaigen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden infolge einer solchen Gefahr dargetan.

Den Volltext des Beschlusses finden Sie hier:

Bundeskartellamt: Aufgrund veränderter Marktbedingungen keine No-Single-Buyer-Rule mehr bei Rechtevergabe für Spiele der Fußball-Bundesliga und der 2. Bundesliga durch die DFL

Das Bundeskartellamt kommt nach vorläufiger Prüfung zu dem Ergebnis, dass aufgrund veränderter Marktbedingungen keine No-Single-Buyer-Rule mehr bei der Rechtevergabe für die Spiele der Fußball-Bundesliga und der 2. Bundesliga durch die DFL ab der Saison 2025/26 erforderlich ist.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:
Bundeskartellamt billigt im vorläufigen Prüfungsergebnis Vermarktungsmodell der DFL für die Spiele der Bundesliga und der 2. Bundesliga ab der Saison 2025/26

Das Bundeskartellamt hat die Prüfung des Vermarktungsmodells weitgehend abgeschlossen, das die Deutsche Fußball Liga (DFL) für die Vergabe der Medienrechte an den Spielen der Bundesliga und der 2. Bundesliga ab der Saison 2025/26 umsetzen möchte. Die am Verfahren beteiligten Unternehmen erhalten nun die Gelegenheit zu der vorläufigen Bewertung des Bundeskartellamtes Stellung zu nehmen. Nach seiner vorläufigen Auffassung kann das Bundeskartellamt die Umsetzung des Modells in der ihm vorgelegten Form tolerieren und hat dies der DFL mitgeteilt.

Highlight-Berichterstattung

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Für die anstehende Vergabe der Medienrechte war uns wichtig, dass für die Zuschauerinnen und Zuschauer auch in Zukunft eine zeitnahe, frei empfangbare Highlight-Berichterstattung verfügbar ist. Diese Berichterstattung sorgt dafür, dass Fußballinteressierte, die für Live-Übertragungen nicht zahlen wollen oder können, trotzdem das Ligageschehen verfolgen können. Dabei haben wir auch darauf geachtet, dass die Highlights über die wesentlichen TV-Verbreitungswege verfügbar bleiben und nicht allein auf das Internet beschränkt werden. Damit ist sichergestellt, dass alle Bevölkerungsgruppen Zugang zu dieser Berichterstattung über die Höhepunkte des Spieltags haben.“

Nach dem von der DFL für die Spielzeiten 2025/26 bis 2028/29 vorgeschlagenen Vermarktungsmodell sollen die Pay-Live-Übertragungsrechte für die Spiele der Bundesliga im Rahmen einer Auktion in vier Paketen vergeben werden. Die Pakete sind (1.) Konferenz Samstagnachmittag, (2.) Einzelspiele am Samstagnachmittag sowie am Freitag, (3.) Top-Spiel am Samstagabend und (4.) Einzelspiele Sonntag. Diese Pakete umfassen jeweils alle Übertragungswege, d.h. Satellit, Kabel und Internet. Für sämtliche Bundesligaspiele sind zudem gesonderte Pakete für die zeitnahe Highlight-Berichterstattung im frei-empfangbaren Fernsehen vorgesehen. Die Highlights für die Spiele am Samstag um 15.30 Uhr sind dabei – je nach Ausgang der Vergabe – entweder für eine Verbreitung ab 18.30 Uhr oder ab 19.15 Uhr vorgesehen. Sollte die spätere Uhrzeit den Zuschlag bekommen, hätte der Rechteerwerber zusätzlich die Möglichkeit, seine Highlight-Sendung ab Sendungsende über eine eigene Online-Mediathek zu verbreiten.

No-single-buyer rule

Das Vergabemodell sieht nach den Planungen der DFL anders als in den beiden vergangenen Vergabeperioden kein Alleinerwerbsverbot mehr vor. Es ist also möglich, dass ein Anbieter die Live-Rechte an allen Spielen der Bundesliga exklusiv erwerben darf. Das Bundeskartellamt kann diese Änderung mit Blick auf die geänderten Marktverhältnisse im Bereich der Live-Übertragungen für den Zeitraum der anstehenden Vergabeperiode tolerieren.

Andreas Mundt: „Wir sehen in den letzten Jahren durch die Aktivitäten von Unternehmen wie DAZN, RTL und auch Amazon deutlich mehr Bewegung auf dem Markt für Live-Fußballübertragungen. Insbesondere machen sämtliche Anbieter nun auch attraktive und innovative internetbasierte Übertragungsangebote. Gerade der Wettbewerb um Innovation bei der Verbreitung der Inhalte war ein wichtiges Ziel der No-Single-Buyer-Rule. Damit ist es uns möglich, dem Vorschlag der DFL zu entsprechen, bei der aktuellen Vergabe auf die generelle Vorgabe zu verzichten, dass kein Unternehmen die Live-Rechte an Bundesligaspielen allein erwerben darf.“

Das Bundeskartellamt hat auch darauf Wert gelegt, dass die konkrete Ausgestaltung, der Ablauf und die Zuschlagsregeln der Auktion wichtige wettbewerbliche Elemente enthalten. Insbesondere ist sichergestellt, dass verschiedene und auch weniger finanzkräftige Interessenten eine Chance auf einen Rechteerwerb haben. Ein Erwerb der Live-Bundesligarechte durch mehrere Erwerber bleibt damit grundsätzlich möglich, auch wenn er nicht mehr vorgeschrieben ist.

Hintergrund

Die zentrale Vermarktung der Medienrechte an den einzelnen Bundesligaspielen durch die DFL stellt eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung dar. Nach deutschem und europäischem Kartellrecht kann eine solche Vereinbarung aber vom Kartellverbot freigestellt werden, wenn mit ihr bestimmte Vorteile einhergehen, für welche die Wettbewerbschränkung unerlässlich ist. In der bisherigen kartellbehördlichen Praxis in Deutschland – wie auch in Bezug auf andere nationalen Ligen und auf internationaler Ebene – ist anerkannt, dass die Zentralvermarktung durch einen Verband Vorteile für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit sich bringen kann und deshalb unter bestimmten Voraussetzungen kartellrechtlich akzeptiert werden kann. Ein Vorteil ist z.B. die Ermöglichung von qualitativ hochwertigen ligabezogenen Produkten. Das Bundeskartellamt stellt deshalb an die Vergabe der Rechte bestimmte wettbewerbliche Mindestanforderungen.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil im Verfahren Super League (C-333/21) zuletzt auch zu Fragen der Zentralvermarktung von Fußballrechten Stellung genommen. Da das Urteil sehr spät im Verfahren erging, war eine umfassende und angemessen gründliche Berücksichtigung der dort aufgeworfenen Aspekte nicht mehr möglich. Es ist offen, ob das Urteil für die Zukunft eine Änderung der Praxis des Bundeskartellamtes bei der Bewertung der Zentralvermarktung erfordert. Für die Tolerierung der unmittelbar anstehenden Rechtevergabe war wichtig, dass sie für einen zeitlich begrenzten Zeitraum erfolgt, nach dem ggf. eine Neubewertung der Rechtslage möglich ist.

Das Schreiben des Bundeskartellamtes an die DFL sowie das geprüfte Vermarktungsmodell werden nach Abschluss des Verfahrens zeitnah auf der Webseite des Bundeskartellamtes veröffentlicht.

OLG Frankfurt: Amazon haftet ab Inkenntnissetzung für Wettbewerbsverstöße durch Angebote von Amazon-Marketplace-Händlern - Pflicht zu Verhinderung gleichartiger Rechtsverletzungen

OLG Frankfurt
Urteil vom 21.12.2023
6 U 154/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Amazon als Plattformbetreiber ab Inkenntnissetzung für Wettbewerbsverstöße durch Angebote von Amazon-Marketplace-Händlern haften. Amazon ist zudem verpflichtet, gleichartige Rechtsverletzungen durch andere Händler zu verhindern.

Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Leitsätze des Gerichts:
1. Wird der Betreiber einer Verkaufsplattform auf Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften hingewiesen (hier: Bezeichnung eines Sojaproduktes als „Milch“), besteht eine Pflicht zur Verhinderung künftiger gleichartiger Verletzungshandlungen auch jenseits des konkreten Angebots.

2. Durch die Kennzeichnung eines Angebots als „amazon's choice für reismilch“ macht sich der Anbieter der Verkaufsplattform den Begriff nicht zu eigen, wenn der Verkehr erkennt, dass nur das vom Nutzer eingegebene Suchwort wiedergegeben wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klage ist zulässig.

1. Die jederzeit von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 7 Nr. 3 Brüssel Ia-VO (VO (EU) Nr. 1215/2012). Die der Beklagten zur Last gelegten unerlaubten Handlungen in Form von Wettbewerbsverstößen fanden über den Amazon-Marketplace mit deutscher Top-Level-Domain statt (dazu, dass vorgenannte Bestimmung auch greift, wenn mit einer Klage verhindert werden soll, dass sich ein als rechtswidrig angesehenes Verhalten wiederholt, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 14.01.2020 - VI ZR 497/18, juris Rn. 13 mwn). Außerdem hat sich die Beklagte rügelos auf die Klage eingelassen (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO).

2. Der Kläger ist klagebefugt (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG).

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis. Die Klagebefugnis des Wirtschaftsverbands ist als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Die Tatsachen, aus denen sich diese ergibt, müssen spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 26.01.2023 - I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 Rn. 13 mwN - Mitgliederstruktur).

Danach stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

Diese Voraussetzung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der seit dem 13.10.2023 geltenden Fassung sind erfüllt. Der Kläger ist in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen (Stand: 04.11.2023). Er erfüllt nach seiner Mitgliederstruktur auch die weiteren Anforderungen dieser Norm. Ihm gehören ca. 1.000 Unternehmen und etwa 800 Verbände an, darunter nahezu alle Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern. Durch die Zuwiderhandlung werden Interessen seiner Mitglieder berührt.

II. Allerdings ist die Klage nach dem gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom II-Verordnung (VO (EG) Nr. 864/2007) anwendbaren Recht nur in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang begründet.

1. Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag zu 1 a) zu Recht aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. Art. 78 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 2 i.V.m. Anhang VII Teil III Nr. 1, Nr. 6 VO (EU) Nr. 1308/2013 stattgegeben.

Die Beklagte hat ihre wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verletzt, indem sie trotz vorhergehenden Hinweises des Klägers auf Verstöße von Drittbewerbern gegen die europäischen Bezeichnungsvorschriften für Milch und Milcherzeugnisse auf der von ihr betriebenen Plattform nicht effektiv dafür gesorgt hat, dass gleichartige Verstöße beseitigt und effektiv verhindert werden.

a) Dritte Gewerbetreibende haben auf dem Amazon-Marketplace unstreitig gegen die europäischen Bezeichnungsvorschriften für Milch- und Milcherzeugnisse verstoßen, indem sie vegane Milchersatzprodukte mit dem Wortbestandteil „Milch“ vermarktet haben. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt darin ein Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG.

aa) Nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. c VO (EU) Nr. 1308/2013 gelten für Milch und Milcherzeugnisse, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, die Begriffsbestimmungen, Bezeichnungen und Verkehrsbezeichnungen des Anhangs VII dieser Verordnung. Diese Bezeichnungen dürfen in der Union nach Art. 78 Abs. 2VO (EU) Nr. 1308/2013 nur für die Vermarktung eines Erzeugnisses verwendet werden, das den entsprechenden Anforderungen des Anhangs VII der Verordnung genügt.

Anhang VII Teil III (Milch und Milcherzeugnissen) Nr. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 sieht insoweit vor, dass der Ausdruck „Milch“ ausschließlich dem durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug, vorbehalten ist. Eine der Ausnahmen der Buchstaben a) und b) dieser Vorschrift (eine die Zusammensetzung nicht verändernde Behandlung, ein standardisierter Fettgehalt oder die Kombination mit anderen Worten zur Bezeichnung des Typs, der Qualitätsklasse, des Ursprungs, der vorgesehenen Verwendung, physikalischen Behandlung oder veränderten Zusammensetzung, sofern diese Veränderungen lediglich im Zusatz und/oder Entzug natürlicher Milchbestandteile bestehen) steht nicht in Rede.

Anhang VII Teil III Nr. 3 VO (EU) Nr. 1308/2013 ist ebenfalls nicht einschlägig. Danach kann die Bezeichnung „Milch“ nur dann mit einem oder mehreren Worten für ein zusammengesetztes Erzeugnis verwendet werden, wenn Milch oder ein Milcherzeugnis (vgl. insofern Anhang VII Teil III Nr. 2 VO (EU) Nr. 1308/2013) einen nach der Menge oder nach der für das Erzeugnis charakteristischen Eigenschaft wesentlichen Teil darstellt. Die streitgegenständlichen veganen Milchersatzprodukte enthalten unstreitig weder Milch noch ein Milcherzeugnis.

Nach Anhang VII Teil III Nr. 5 Satz 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 dürfen die Bezeichnungen gemäß Teil III Nr. 1, 2 und 3 nur für die in der betreffenden Nummer genannten Erzeugnisse verwendet werden. Soweit nach Satz 2 dieser Vorschrift für Erzeugnisse, deren Art aufgrund ihrer traditionellen Verwendung genau bekannt ist, und/oder wenn die Bezeichnungen eindeutig zur Beschreibung einer charakteristischen Eigenschaft des Erzeugnisses verwandt werden, eine Ausnahme gilt, liegt eine solche hier nicht vor. Nach Art. 91 Satz 1 Buchst. a VO (EU) Nr. 1308/2013 i.V.m. Art. 1 i.V.m. Anhang I des Beschlusses 2010/791/EU der Kommission vom 20. Dezember 2010 (zur Festlegung des Verzeichnisses der Erzeugnisse gemäß Anhang XII Abschnitt III Nummer 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007) sind in Deutschland zwar Bezeichnungen wie „Kokosmilch“, „Erdnussbutter“ oder „Fleischkäse“ gestattet, nicht aber die streitgegenständlichen Bezeichnungen für vegane Milchersatzprodukte (zur Fortgeltung dieses Beschlusses im Anwendungsbereich der VO (EU) Nr. 1038/2013, vgl. EuGH, Urteil vom 14.06.2017 - C-422/16, GRUR 2017, 828 Rn. 12, 34 - Tofu-Town.com). Zwar kann die Kommission nach Art. 78 Abs. 3 VO (EU) Nr. 1308/2013 delegierte Rechtsakte, wie vorgenannten Beschluss 2010/791/EU, erlassen, um einem nachweislich bestehenden Bedarf unter anderem aufgrund geänderter Verbrauchererwartungen nachzukommen. Es ist aber nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass ein solcher Rechtsakt für die streitgegenständlichen Bezeichnungen bereits ergangen wäre.

Nach Anhang VII Teil III Nr. 6 VO (EU) Nr. 1308/2013 darf bei anderen als den unter Nummern 1, 2 und 3 von Teil III genannten Erzeugnissen nicht durch Etikett, Handelsdokumente, Werbematerial, Werbung irgendwelcher Art im Sinne des Art. 2 RL 2006/114/EG oder durch eine Aufmachung irgendwelcher Art behauptet oder der Eindruck erweckt werden, dass es sich bei dem betreffenden Erzeugnis um ein Milcherzeugnis handele.

Wie der Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden hat, sind Art. 78 Abs. 2 und Anhang VII Teil III der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass die Bezeichnung „Milch“ und die nach vorgenannter Verordnung ausschließlich Milcherzeugnissen vorbehaltenen Bezeichnungen bei der Vermarktung oder Werbung zur Bezeichnung eines rein pflanzlichen Produkts verwendet werden, und zwar selbst dann, wenn diese Bezeichnungen durch klarstellende oder beschreibende Zusätze ergänzt werden, die auf den pflanzlichen Ursprung des betreffenden Produkts hinweisen, es sei denn, das Erzeugnis ist - wie hier nicht - in Anhang I des Beschlusses 2010/791/EU der Kommission vom 20. Dezember 2010 aufgeführt (vgl. EuGH, Urteil vom 14.06.2017 - C-422/16, GRUR 2017, 828 Rn.52 - Tofu-Town.com).

Gegen dieses Verbot haben die Drittanbieter mit ihren streitgegenständlichen Angaben verstoßen.

bb) Die europäischen Bezeichnungsvorschriften für Milch und Milcherzeugnisse sind nach zutreffender Auffassung des Landgerichts sog. Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG.

Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Diese Voraussetzungen sind entgegen der Ansicht der Beklagten erfüllt. Es besteht auch eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung.

(1) Soweit Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen, die den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Weiteres geeignet sind, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. z.B. BGH; EuGH-Vorlage vom 20.04.2023 - I ZR 108/22, GRUR 2023, 831 Rn. 14 mwN - Hautfreundliches Desinfektionsmittel), ist nach zutreffender Auffassung der Beklagten zwar nicht ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 zumindest auch dem Gesundheitsschutz dienten.

(2) Allerdings geht aus den Erwägungsgründen 64 und 76 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 hervor, dass diese Bestimmungen im Interesse der Erzeuger, der Händler und der Verbraucher unter anderem zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen für die Erzeugung und Vermarktung sowie der Qualität der Erzeugnisse, zum Verbraucherschutz und zum Erhalt der Wettbewerbsbedingungen beitragen sollen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union tragen die verletzten Bestimmungen zur Erreichung dieser Ziele bei, indem sie vorsehen, dass nur die Produkte, die den vorgegebenen Anforderungen entsprechen, mit der Bezeichnung „Milch“ und den ausschließlich Milcherzeugnissen vorbehaltenen Bezeichnungen gekennzeichnet werden dürfen, und zwar auch dann, wenn diese Bezeichnungen durch klarstellende oder beschreibende Zusätze - wie sie im Ausgangsverfahren des Gerichtshofs in Rede standen - ergänzt werden (vgl. EuGH, GRUR 2017, 828 Rn. 43, 47, 52 - Tofu-Town.com). Ohne eine solche Beschränkung könnten anhand der Bezeichnungen „Milch“ und „Milcherzeugnis“ die Produkte, die über die mit der natürlichen Zusammensetzung der tierischen Milch verbundenen besonderen Eigenschaften verfügen, nicht mehr eindeutig bestimmt werden. Aufgrund der dadurch geschaffenen Verwechslungsgefahr widerspräche dies dem Verbraucherschutz und liefe dem Ziel zuwider, die wirtschaftlichen Bedingungen für die Erzeugung und Vermarktung sowie die Qualität der „Milch“ und „Milcherzeugnisse“ zu verbessern (vgl. EuGH, GRUR 2017, 828 Rn. 44 - Tofu-Town.com). Die Bezeichnungsvorgaben garantieren den Erzeugern dieser Produkte unverfälschte Wettbewerbsbedingungen und den Verbrauchern, dass die so bezeichneten Produkte alle denselben Qualitätsstandards genügen. Gleichzeitig werden die Verbraucher vor Verwechslungen in Bezug auf die Zusammensetzung der Produkte geschützt, die sie zu erwerben beabsichtigen (vgl. EuGH, GRUR 2017, 828 Rn. 48 - Tofu-Town.com).

(3) Der Umstand, dass ein Großteil der von den streitgegenständlichen Warenangeboten angesprochenen Verbraucher nicht der Fehlvorstellung unterliegen mag, dass die ausdrücklich als vegan bzw. Milchersatz beworbenen Produkte keine Milch enthalten, führt nicht dazu, dass die Verstöße gegen die europäischen Bezeichnungsvorschriften nicht geeignet wären, die Interessen (jedenfalls) von Milcherzeugern und -händlern sowie der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.

Wie oben bereits dargetan wurde, hat der europäische Gesetzgeber zur Sicherstellung einheitlicher Qualitätsstandards und zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr für die Verbraucher in der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vorgesehen, dass die Bezeichnung „Milch“ nur für „echte“ Milchprodukte verwendet werden darf. Durch diese Verordnung ist eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Milch und Milcherzeugnisse errichtet worden (vgl. deren Art. 1 Abs. 1 und 2 Buchst. p)). Bei Nichteinhaltung der Bezeichnungsvorschriften droht eine Verwässerung des durch vollständige Harmonisierung geschützten Begriffes der „Milch“. Dies kann sich, wie in der Berufungsverhandlung erörtert worden ist, für Erzeuger und Vertreiber von Milch, deren Herstellung aufgrund der Nutztierhaltung anderen Anforderungen unterliegt als die Produktion veganer Milchersatzprodukte, nachteilig auswirken. Eine Verwässerung des Begriffs liefe auch dem Ziel zuwider, diesen zur Schaffung einheitlicher Qualitätsstandards europaweit zu vereinheitlichen. Für Verbraucher besteht zudem jedenfalls insoweit eine Irreführungsgefahr, als Milch, wie in der Berufungsverhandlung ebenfalls erörtert worden ist, über Nährstoffe verfügt, die vegane Ersatzprodukte teilweise nicht oder jedenfalls nicht im gleichen Maße haben (etwa einen hohen Protein- und Kalziumanteil, vgl. insofern auch Anlage B11). Insoweit besteht die Gefahr, dass Verbraucher annehmen könnten, als „Milch“ bezeichnete Ersatzprodukte enthielten zwar keine Milch, verfügten aber über dieselben Nähstoffe wie „echte“ Milch, so dass sie - vielleicht sogar mit Vorteilen für Umwelt und Tiere - als echte Milchalternative konsumiert werden könnten. Dies rechtfertigt die Annahme einer Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung.

(4) Auf die „Jogginghosen“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs und das Kriterium der Eignung, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte, kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten schon deshalb nicht an, weil diese Entscheidung mit dem Vorenthalten einer wesentlichen Information auf eine andere Fallgestaltung betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 31.01.2018 - I ZR 73/17, GRUR 2019, 82 Rn. 30 f. - Jogginghosen; Urteil vom 21.01.2021 - I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 Rn. 58 mwN - Berechtigte Gegenabmahnung; siehe insofern § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UWG nF).

b) Zwar ist die Beklagte nicht als Täterin eines Verstoßes gegen § 3a UWG in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 oder Teilnehmerin an einem solchen Verstoß und auch nicht als Störerin für die Wettbewerbsverstöße verantwortlich. Allerdings hat sie ihrer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht nicht genügt und daher im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG unlauter gehandelt.

aa) Eine Haftung der Beklagten als aktiv handelnde Täterin oder Teilnehmerin eines Verstoßes gegen die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 kommt nicht in Betracht.

(1) Die Frage, ob sich jemand als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in einer die zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an einer deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt hat, beurteilt sich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen. Täter ist danach derjenige, der die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Gehilfenhaftung setzt neben einer objektiven Beihilfehandlung zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22.07.2010 - I ZR 139/08, juris Rn. 30 mwN - Kinderhochstühle im Internet I).

(2) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht dadurch, dass sie den Drittanbietern den von ihr betriebenen Amazon-Marketplace zur Verfügung gestellt hat, selbst (mit Tatherrschaft) die unzulässigen Bezeichnungen für vegane Milchersatzprodukte verwendet. Sie hat auch nicht vorsätzlich an den Verstößen der gesetzwidrig handelnden Anbieter mitgewirkt. Es ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte vor den Hinweisen des Klägers Kenntnis von den konkreten Verstößen gehabt hätte. Die Produktangebote der Drittanbieter wurden automatisiert und ohne vorhergehende Prüfung durch die Beklagte eingestellt und auf die Hinweise des Klägers jeweils unverzüglich entfernt. Der Umstand, dass die Beklagte allgemein Kenntnis von möglichen Gesetzesverstößen auf ihrer Plattform gehabt und/oder damit gerechnet haben mag, dass es dort zu vergleichbaren Rechtsverletzungen kommt, begründet noch keinen bedingten Vorsatz in Bezug auf die ihr nicht konkret zur Kenntnis gelangten Gesetzesverstöße Dritter (vgl. insofern z.B. BGH, Urteil vom 12.07.2007 - I ZR 18/04, GRUR 2007, 890 Rn. 21 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 140/15, GRUR 2022, 1308 Rn. 78 - YouTube II; Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 53/17, GRUR 2022, 1324 Rn. 26 mwN - uploaded II, jeweils zum Urheberrecht). Dass die Beklagte gewusst hätte oder hätte wissen müssen, dass über ihre Plattform im Allgemeinen entsprechende Rechtsverletzungen begangen werden (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2022, 1308 Rn. 77 - YouTube II; GRUR 2022, 1324 Rn. 33 - uploaded II), hat der Kläger nicht behauptet und ist auch nicht erkennbar. Das Geschäftsmodell der Beklagten regt auch nicht zu einem rechtswidrigen Tätigwerden an (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2022, 1324 Rn. 25 mwN - uploaded II).

bb) Eine Störerhaftung scheidet in den Fällen eines Verhaltensunrechts von vornherein aus (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22.07.2010 - I ZR 139/08, juris Rn. 48 mwN - Kinderhochstühle im Internet I).

cc) Allerdings hat die Beklagte ihrer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht als sog. Host-Provider nicht im vollen Umfang genügt. Daher ist sie selbst dann gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet, wenn die Voraussetzungen einer Haftungsbefreiung nach europäischem Recht erfüllt sein mögen.

(1) Die Beklagte ist nach dem in Umsetzung von Art. 15 E-Commerce-Richtlinie (RL 2003/31/EG) erlassenen § 7 Abs. 2 TMG (i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG) als sog. Host-Provider nicht dazu verpflichtet, die auf der Amazon-Plattform gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf dort auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Maßnahmen, die darin bestehen, einem Diensteanbieter wie der Beklagten aufzugeben, allein auf eigene Kosten Filtersysteme einzurichten, die mit einer allgemeinen und ständigen Überwachung verbunden sind, um jeder künftigen Verletzung etwa von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen, wären daher mit Art. 15 Abs. 1 E-Commerce-Richtlinie nicht vereinbar (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 135 - YouTube und Cyando).

Soweit für die Beklagte nach ihrer Angabe bereits seit August 2023 der gemäß Art. 93 Abs. 2 Satz 1 DSA in der Regel erst ab dem 17.02.2024 geltende Digital Services Act (Verordnung (EU) Nr. 2022/2065) anwendbar ist (vgl. insofern für sehr große Online-Plattformen, die gemäß Art. 33 Abs. 3 DSA benannt wurden, Art. 92 DSA), führt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung. Nach Art. 8 DSA wird auch Anbietern von Vermittlungsdiensten keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten.

(2) Zu Gunsten der Beklagten kann auch davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen einer Haftungsbefreiung nach § 10 Satz 1 TMG bzw. Art. 6 Abs. 1 DSA erfüllt sind. Daher kann dahingestellt bleiben, ob dieses Haftungsprivileg überhaupt für Unterlassungsansprüche gilt (verneinend noch BGH, Urteil vom 12.07.2007 - I ZR 18/04, GRUR 2007, 890 Rn. 20 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

(a) Nach § 10 Satz 1 TMG, durch den Art. 14 E-Commerce-Richtlinie umgesetzt worden ist, sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben (Nr. 1) und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird (Nr. 2). Die tatsächliche Kenntnis bzw. das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit muss sich grundsätzlich auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten und Informationen bzw. auf konkrete rechtswidrige Handlungen der Nutzer beziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 112 f., 118 - YouTube und Cyando).

Entsprechend sieht Art. 6 Abs. 1 DSA für das sog. Hosting vor, dass bei der Durchführung eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung der von einem Nutzer bereitgestellten Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen haftet, sofern er keine tatsächliche Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder rechtswidrigen Inhalten hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder rechtswidrige Inhalte offensichtlich hervorgeht (Buchst. a), oder sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen (Buchst. b). Die Pluralformulierung „rechtswidrigen Inhalten“ führt aus Sicht des Senats nicht zu einer anderen Bewertung. Soweit vorgenannte Bestimmung nach Art. 6 Abs. 3 DSA keine Anwendung auf die verbraucherschutzrechtliche Haftung von Online-Plattformen findet, die Verbrauchern das Abschließen von Fernabsatzverträgen mit Unternehmern ermöglichen, wenn die Online-Plattform die spezifischen Einzelinformationen dazu darstellt oder die betreffende Einzeltransaktion anderweitig in einer Weise ermöglicht, bei der ein durchschnittlicher Verbraucher davon ausgehen kann, dass die Information oder das Produkt oder die Dienstleistung, die bzw. das Gegenstand der Transaktion ist, entweder von der Online-Plattform selbst oder von einem ihrer Aufsicht unterstehenden Nutzer bereitgestellt wird, ist diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt. Unter diese Ausnahme dürften nur Konstellationen fallen, in denen ein Anbieter nicht nur - wie ein Hosting-Anbieter dies stets tut - eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Information einnimmt, sondern über seine neutrale Rolle als Betreiber hinaus eine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den in Rede stehenden Inhalten oder eine Kontrolle über diese zu verschaffen vermag (vgl. insofern u.a. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 77, 106, 117 - YouTube und Cyando, zum alten Recht).

(b) Eine derartige aktive Rolle hat die Beklagte ausgehend davon, dass die Angebote der Händler ohne vorhergehende Prüfung automatisiert eingestellt wurden und sie auch sonst keinen Einfluss darauf genommen oder den Eindruck erweckt hat, die Produktangebote stammten von ihr oder würden von ihr überprüft, nicht gespielt.

(3) Allerdings lässt bzw. ließe eine fehlende Haftung der Beklagten nach § 10 Satz 1 TMG bzw. Art. 6 Abs. 1 DSA die Möglichkeit einer gerichtlichen Verurteilung zur Unterlassung wegen eines Verstoßes gegen ihre wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht unberührt.

(a) Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG bleiben Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen auch im Fall der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt.

Entsprechend sieht Art. 6 Abs. 4 DSA vor, dass Art. 6 DSA die Möglichkeit unberührt lässt, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern.

(b) Diesbezüglich ist anerkannt, dass nach der § 7 TMG zugrundeliegenden E-Commerce-Richtlinie nach dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats selbst dann insbesondere gerichtliche Anordnungen an einen Hosting-Anbieter ergehen können, wenn dieser eine der in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie angeführten alternativen Voraussetzungen erfüllt, also selbst nicht als verantwortlich anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 25 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland; siehe auch Erwägungsgrund 45 der E-Commerce-Richtlinie).

Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die vorgerichtlichen Hinweise des Klägers haben für die Beklagte eine wettbewerbsrechtlichen Prüfungs- und Beseitigungspflicht ausgelöst, die über die von ihr getroffenen Maßnahmen hinausgegangen ist. Daher folgt der zuerkannte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG.

(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine unlautere Wettbewerbshandlung begehen, wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr eröffnet, dass Dritte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, wenn er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt (vgl. z.B. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 22, 36 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). In einem solchen Fall kommt ein täterschaftlicher Verstoß gegen die Generalklausel des § 3 UWG in Betracht (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 22, 36 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Die Bereitstellung der Plattform ist insoweit die Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 23 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, trifft wettbewerbsrechtlich die Pflicht, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Dem liegt der allgemeine Rechtsgrundsatz zugrunde, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der Dritten daraus drohenden Gefahren notwendig sind (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 36 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Gefahr in einem Erfolgs- oder Handlungsunrecht realisiert (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 37 mwN - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Telediensteanbieters hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht. Haftungsvoraussetzung ist eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen und Umfang richten sich nach zutreffender Ansicht des Landgerichts im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 38 mwN - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Dem Betreiber eines von der Rechtsordnung gebilligten Geschäftsmodells dürfen dabei keine Anforderungen auferlegt werden, die dieses gefährden oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren, wobei die fehlende Verpflichtung des Betreibers zur allgemeinen Überwachung mit zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 39 mwN - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Insgesamt bedarf es eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 43 f. - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland, zu Erwägungsgrund 41 der E-Commerce-Richtlinie; Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 138 - YouTube und Cyando).

(bb) Insofern hat der Kläger bereits vorgerichtlich hinreichend deutlich auf die von Drittanbietern auf der Amazon-Plattform begangenen Verstöße gegen europäische Bezeichnungsvorschriften hingewiesen. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, die Spürbarkeit dieser Verstöße sei vorprozessual nicht dargetan worden, ist ein Erfordernis zu entsprechenden Rechtsausführungen weder für die Klägerin ersichtlich gewesen noch hat es solcher bei objektiver Betrachtung bedurft. Für die Beklagte war erkennbar, dass ein Verstoß gegen die europäischen Bezeichnungsvorschriften geeignet ist, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

(cc) Die vom Landgericht antragsgemäß ausgesprochene Unterlassungspflicht erscheint bei gebotener Abwägung der widerstreitenden Interessen auch erforderlich, um den europäischen Bezeichnungsvorschriften im gebotenen Umfang Geltung zu verschaffen.

Auf Seiten des Diensteanbieters ist sein Recht auf Schutz der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12.12.2007 (GRC) beeinträchtigt. Zwar sollte die nach Art. 11 GRC geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit im Streitfall weder zu Gunsten der Beklagten noch von Drittanbietern betroffen sein. Allerdings ist der Anspruch auf unternehmerische Freiheit von Drittanbietern mit in die Abwägung einzustellen. Da ein Recht auf unternehmerische Betätigung allerdings nur im Rahmen des geltenden Rechts besteht, wird in die Freiheit der Drittanbieter nur relevant eingegriffen, soweit ausnahmsweise eine rechtmäßige Verwendung der streitgegenständlichen Bezeichnungen in Rede steht, nicht aber bei deren rechtsverletzender Verwendung. Eine schutzwürdige Beeinträchtigung der Interessen Dritter ist insoweit allenfalls bei Verwendung der streitgegenständlichen Begriffe außerhalb des Lebensmittelbereichs denkbar.

Zwar kommt die täterschaftliche Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung eines gefahrenträchtigen Betriebs grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen in Betracht, um einer unangemessenen Ausdehnung der Haftung für Rechtsverstöße Dritter entgegenzuwirken (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 05.10.2017 - I ZR 184/16, GRUR 2018, 203 Rn. 37 - Betriebspsychologe). Auch ist der Beklagten zuzugeben, dass abweichend von den Entscheidungen „Jugendgefährdende Medien bei eBay“ und „Schwimmscheiben“ kein Rechtsgut von hoher Bedeutung wie der Jugend- (vgl. insofern BGH, GRUR 2007, 890 Rn. 40 - Jugendgefährdende Medien bei eBay) oder Gesundheitsschutz (vgl. insofern OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.06.2021 - 6 U 244/19, juris Rn. 58 - Schwimmscheiben) in Rede stehen dürfte.

Allerdings ist nicht zu verkennen, dass sich auch bei fehlender Prüfungs- und Beseitigungspflicht der Beklagten empfindliche Rechtsschutzlücken ergäben. Die vom europäischen Gesetzgeber geschützten Produktbezeichnungen für Milch und Milcherzeugnisse drohten in dem Fall zu verwässern, zumal die Beklagte hierzulande eine der größten Online-Handelsplattformen betreibt. Diese Verwässerungsgefahr besteht insbesondere, weil jedenfalls auf Seiten der Verbraucher nicht unüblich ist, die beanstandeten Bezeichnungen für vegane Milchersatzprodukte zu verwenden (vgl. Anlagen B5 ff.; vgl. auch Anlage B17). Um eine derartige Verwässerung zu vermeiden, müssten Anspruchsteller wie der Kläger der Beklagten jedes einzelne gesetzesverletzende Angebot melden, damit dieses gelöscht wird, oder jeden Drittanbieter gesondert in Anspruch nehmen. Letzteres wäre zwar aufgrund der auf dem Marktplatz der Beklagten vorgeschriebenen Impressumspflicht grundsätzlich denkbar, allerdings mit erheblichem Aufwand verbunden, zumal unstreitig sein dürfte, dass das Produktangebot auf Amazon ständigen Veränderungen unterliegt. Ein Anspruchsteller müsste daher selbst kontinuierlich Marktüberwachung betreiben, um - im Rahmen des Möglichen - für eine Einhaltung der europäischen Bezeichnungsvorgaben zu sorgen. Dies kann deutlich einfacher und effektiver durch die Beklagte, etwa mit einem Wortfilter, umgesetzt werden. Dass es dadurch zu einer unzumutbaren Flut an (berechtigten) Beschwerden käme, ist bei sachgerechter Umsetzung der Unterlassungs- und Beseitigungspflicht nicht erkennbar.

Der Unterlassungstenor ist auch so konkret, dass die Beklagte keine autonome Bewertung vornehmen muss und auf automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung zurückgreifen kann (vgl. insofern EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 45 f., 53 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland, zur E-Commerce-Richtlinie).

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das ausgesprochene Verbot auch nicht zu weitgehend.

aa) Wie der Gerichtshof der Europäischen Union für persönlichkeitsverletzende Äußerungen auf einer Online-Plattform bereits entschieden hat, kann es im Einzelfall legitim sein, von einem Hosting-Anbieter sowohl die Sperre wortgleicher als auch sinngleicher Äußerungen zu verlangen, um zu erreichen, dass der Anbieter jeden weiteren Schaden beim Betroffenen verhindert und die Wirkungen einer Verfügung nicht leicht umgangen werden können, was die betroffene Person zu einer Vielzahl von Verfahren zwingen könnte. Dies gilt unabhängig davon, wer den Auftrag für die Speicherung der Information gegeben hat (vgl. insgesamt EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 37-41, 53 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland). Eine solche Verpflichtung läuft nicht auf eine allgemeine Überwachungspflicht hinaus. Der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 18 Abs. 1 E-Commerce-Richtlinie - anders in anderen Sprachfassungen - im Zusammenhang mit der Pflicht von Mitgliedstaaten zur Ermöglichung von Klagen nur von dem Ziel, „eine“ mutmaßliche Rechtsverletzung abzustellen und zu verhindern, dass den Betroffenen weiterer Schaden entsteht, die Rede ist, steht einer Erstreckung des Verbots auf gleichartige Rechtsverletzungen nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18, juris Rn. 30, 37 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland). Es ist anerkannt, dass einem Anbieter (jedenfalls im Einzelfall) aufgegeben werden kann, dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholen (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 u.a., juris Rn. 129-133, 136 - YouTube und Cyando, zur E-Commerce-Richtlinie; siehe auch BGH, Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 135/18, GRUR 2022, 1328 Rn. 46 f, 49 - uploaded III, zum Urheberrecht: „gleichartige“ Rechtsverletzungen). Dies spiegelt sich nunmehr auch in Art. 9 Abs. 1 DSA wider Diese Vorschrift nimmt Bezug auf eine (auf Grundlage des geltenden Unionsrechts oder des nationalen Rechts im Einklang mit dem Unionsrecht) von den zuständigen nationalen Justiz- oder Verwaltungsbehörden erlassene Anordnung zum Vorgehen gegen „einen oder mehrere“ bestimmte rechtswidrige Inhalte. Dem entspricht es, dass sich die durch eine Verletzungshandlung begründete, für einen Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nach deutschem Recht nicht nur auf mit der konkreten Verletzungshandlung identische Verletzungshandlungen, sondern im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes auf alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen erstreckt, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 09.12.2021 - I ZR 146/20,GRUR 2022, 399 Rn. 11 mwN - Werbung für Fernbehandlung).

Insofern begehrt der Kläger vorliegend nur das Verbot wortgleicher Rechtsverletzungen.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht auch nicht nur eine Pflicht, künftige Rechtsverstöße durch einen sog. Upload-Filter zu verhindern. Eine Unterlassungsverpflichtung kann sich auch darauf erstrecken, bereits bestehende, fortgesetzte und damit in die Zukunft reichende Rechtsverletzungen zu beseitigen (vgl. z.B. BGH, GRUR 2022, 1328 Rn. 47 mwN - upload III).

Zwar besteht eine Pflicht zur Verhinderung gleichartiger Verletzungshandlungen nur im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren (vgl. z.B. BGH, GRUR 2022, 1328 Rn. 47 - upload III). Es sind nur Maßnahmen zu treffen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in der Situation der Beklagten erwartet werden können, um entsprechende Verstöße effektiv zu unterbinden (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2022, 1324 Rn. 39 mwN - uploaded II, wenn auch zum Urheberrecht). Besondere technische Schwierigkeiten oder mit dem Einsatz eines Wortfilters verbundene erhebliche Kosten sind auf Grundlage der für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts aber weder anzunehmen noch sonst ersichtlich.

Die Beklagte macht lediglich geltend, es bestehe die Gefahr, dass auch rechtmäßige Wörter herausgefiltert würden und sie von den diese verwendenden Drittanbietern oder seit Inkrafttreten der DSA von der Kommission auf Zahlung hoher Geldbußen (vgl. insofern Art. 74 Abs. 1 DSA) in Anspruch genommen werden könnte.

Dieser Umstand führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Es ist nicht ersichtlich, dass in relevantem Umfang ein sog. Overblockig drohte, das eine aufwändige manuelle Nachprüfung erforderlich machte. Soweit die Beklagte gestützt auf Anlage B16 auf dieses Risiko verweist, hat der Kläger entgegnet, der Einsatz eines Wortfilters könne grundsätzlich auf den Bereich der „Lebensmittel & Getränke“ beschränkt werden. Soweit Teile der Drittanbieter andere Gegenstände innerhalb dieser Kategorie anbieten (wie etwa Kochmixer, Sojamilchbereiter, „Pflanzenmilch Bereiter“, Shampoo Nussmilchbeutel, Passiertücher oder einen „Sojamilch Filter Löffel […]“), erscheinen sie nicht schutzwürdig, sofern aufgrund eines Wortfilters für Lebensmittel und Getränke unzulässige gesetzliche Bezeichnungen herausgefiltert werden. Dies gilt erst Recht, wenn die Beklagte solche gesetzwidrigen Angebote nicht - wie bisher - vollständig entfernt, sondern gegebenenfalls flankiert von einem Hinweis an den jeweiligen Anbieter mithilfe einer „Suche und Ersetze“-Funktion nur die für Lebensmittel unzulässigen Bezeichnungen durch Wörter wie „Hafterdring“, „Reisdrink“, etc, ersetzte. Inwiefern der Einsatz eines Wortfilters außerhalb der Kategorie „Lebensmittel & Getränke“ geboten sein könnte, um dem titulierten Verbot zu entsprechen, bleibt der Einschätzung der Beklagten überlassen.

cc) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil für einen Anbieter wie die Beklagte seit (bzw. mit) Inkrafttreten des Digital Service Act mit einer Löschung bestimmte Hinweispflichten einhergehen. Es ist nicht ersichtlich, dass diesen Verpflichtungen nicht mit überschaubarem Aufwand automatisiert Rechnung getragen werden könnte. Daher kann offenbleiben, ob entsprechende Gesetzesvorgaben überhaupt geeignet sein können, einer wettbewerblichen Verkehrspflicht entgegenzustehen.

Bei gebotener Gesamtabwägung überwiegt demnach das vom Kläger verfolgte Interesse an der streitgegenständlichen Unterlassung (und Beseitigung).

dd) Soweit ein Verbot auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb von vornherein auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist, ist diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, dass sich die ausgesprochene Verurteilung antragsgemäß auf die Internetseite www.(...).de bezieht.

ee) Dem titulierten Verbot steht schließlich nicht entgegen, dass § 3 Abs. 2 UWG vorsieht, dass geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter sind, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Aus den oben bereits dargelegten Gründen kann vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten von einer entsprechenden Eignung ausgegangen werden. Jedenfalls aber besteht ein Wettbewerbsverstoß zu Lasten von Milcherzeugern und -anbietern, deren Schutz die streitgegenständlichen Bezeichnungsvorgaben ebenfalls dienen.

d) Für die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht eine tatsächliche Vermutung (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 12.03.2020 - I ZR 126/18, GRUR 2020, 755 Rn. 80 mwN - WarnWetterApp).

e) Die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ZPO. Soweit das Landgericht im Unterlassungstenor versehentlich die vom Kläger gemäß § 890 Abs. 2 ZPO mit beantragte Androhung einer (Ersatz) Ordnungshaft vergessen hat, hat der Senat diese offensichtliche Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 BGB berichtigt.

2. Demgegenüber steht dem Kläger kein Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3a UWG und der Verordnung (EU) Nr.1308/2013 darauf zu, dass die Beklagte es gemäß dem Antrag zu 1 b) unterlässt, auf der Internetseite www.(...).de vegane Milchersatzprodukte mit der Angabe „Amazon's Choice für ‚reismilch‘" zu bewerben,wenn dies geschieht wie gemäß der Anlage K13.

a) Soweit der Kläger das Wort „reismilch“ im Antrag zu 1 b) nicht in Anführungszeichen gesetzt hat, entspricht dies schon nicht der konkreten Verletzungsform, von der bei der rechtlichen Bewertung auszugehen ist.

b) Die beanstandete Angabe richtet sich vorliegend an den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. z.B. BGH, GRUR 2022, 1347 Rn. 21 - 7 x mehr). Dieser erkennt im konkreten Kontext (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 93/21, GRUR 2022, 1347 Rn. 23 mwN - 7 x mehr), dass das Wort „reismilch“ im Rahmen der angegriffenen Angabe

Abbildung

die Wiedergabe seines Suchbegriffs darstellt. Er hat keinen Anlass zu der Annahme, „reismilch“ sei ein von „Amazon“ selbst verwendeter Begriff. Zwar erkennt der angesprochene Verkehr aufgrund der Wendung „Amazon’s Choice“, dass „Amazon“ - und damit bei gebotener objektiver Betrachtung der Plattformenbetreiber und nicht das technisch tatsächlich für den Algorithmus verantwortliche Unternehmen - eine Produktempfehlung ausspricht. Das Wort „Choice“ ist ein Grundwort der englischen Sprache, das dem Durchschnittsverbraucher als englischer Begriff für „Wahl“ oder „Auswahl“ geläufig ist. Allerdings hat das Landgericht unangegriffen und nach dem allein maßgeblichen Vortrag des Klägers mangels Anhaltspunkts für die fehlende Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend festgestellt, dass die Einblendung „Amazon's Choice für reismilch" nach substantiiertem Vortrag der Beklagten nur Folge des vom jeweiligen Kaufinteressenten im Suchfeld eingegebenen Begriff „reismilch" ist. Diesen Vortrag hat die Klägerseite in der Berufungsverhandlung ausdrücklich bestätigt. Ein Verbraucher, der aufgrund der Eingabe dieses Suchbegriffs auf die Empfehlung der Beklagtenseite stößt, erkennt nach zutreffender Auffassung der Beklagten ohne Weiteres aufgrund der auf ein Zitat hindeutenden Anführungszeichen und der von ihm stammenden Kleinschreibung des ersten Buchstabens des Suchworts, dass dieses lediglich wiedergegeben wird, ohne dass sich „Amazon“ den Suchbegriff aus Sicht des Verkehrs bei der Empfehlung zu Eigen macht.

b) Davon ausgehend besteht für die Beklagte als Plattformbetreiberin keine rechtliche Verpflichtung dazu, sich bei der Wiedergabe des Nutzersuchworts an die europäischen Bezeichnungsvorschriften zu halten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: Mitgliedstaat darf in seinem Hoheitsgebiet tätigen Online-Dienste-Anbietern die in anderem Mitgliedstaat ansässig sind keine generellen und abstrakten Verpflichtungen auferlegen

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 11.01.2024
in den verbundenen Rechtssachen C-662/22 - Airbnb Ireland und C-667/22 - Amazon Services Europe Sàrl,
in der Rechtssache C-663/22 - Expedia Inc.,
in den verbundenen Rechtssachen C-664/22 - Google Ireland Limited und C-666/22 - Eg Vacation Rentals Ireland Limited
in der Rechtssache C-665/22 - Amazon Services Europe


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Mitgliedstaat einem Anbieter von Online-Diensten, der in seinem Hoheitsgebiet tätig aber in anderem Mitgliedstaat ansässig ist, keine generellen und abstrakten Verpflichtungen auferlegen darf.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Szpunar: Ein Mitgliedstaat darf einem Anbieter von Online-Diensten, der in seinem Hoheitsgebiet tätig, aber in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, keine generellen und abstrakten Verpflichtungen auferlegen

In Italien unterliegen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen wie Airbnb, Google, Amazon und Vacation Rentals einer Reihe von Verpflichtungen: Sie müssen in einem Register eingetragen sein, in regelmäßigen Zeitabständen einer Behörde eine Reihe von Informationen übermitteln und eine Gebühr entrichten. Bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen drohen ihnen Sanktionen.

Mit Ausnahme von Expedia, die in den Vereinigten Staaten ansässig ist und sich lediglich gegen die Pflicht zur Erteilung von Informationen wendet, greifen die genannten Anbieter von Online-Diensten, die in der Europäischen Union ansässig sind, diese Verpflichtungen vor den italienischen Gerichten an. Sie machen geltend, die Verpflichtungen verstießen gegen die Verordnung der Union zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten , während Italien vorträgt, mit der fraglichen Regelung würden die Unionsvorschriften umgesetzt. Überdies machen die in der Union ansässigen Gesellschaften geltend, die betreffenden Verpflichtungen verstießen insbesondere gegen den in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr aufgestellten Grundsatz, wonach die Dienste der Informationsgesellschaft im Prinzip dem Recht des Mitgliedstaats der Niederlassung eines Anbieters (im konkreten Fall Irland oder Luxemburg) unterlägen. In diesem Kontext hat ein italienisches Gericht beschlossen, dem Gerichtshof Fragen vorzulegen.

Generalanwalt Maciej Szpunar kommt zu dem Ergebnis, dass es mit dem Unionsrecht und speziell der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr unvereinbar sei, einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieter von Online-Diensten solche generellen und abstrakten Verpflichtungen aufzuerlegen.

Außerdem vertritt er in Bezug auf die Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten die Auffassung, dass die in der italienischen Regelung vorgesehenen Verpflichtungen keine Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Verordnung darstellten. Die Verordnung rechtfertige die Verpflichtungen daher nicht. Sie solle durch die Schaffung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Online- Geschäftsumfelds im Binnenmarkt zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beitragen. In diesem Kontext dürfe ein Mitgliedstaat nur Informationen sammeln, die mit den ihm durch die Verordnung auferlegten Verpflichtungen und den mit ihr verfolgten Zielen in Zusammenhang stünden.



BGH: Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach der EuGVVO im Gestattungsverfahren zur Bestandsdatenauskunft durch Anbieter von Telemedien

BGH
Beschluss vom 28.09.2023
III ZB 25/21
TTDSG § 21 Abs. 2 bis 4; Verordnung (EU) 1215/2012 Art. 7 Nr. 2


Leitsatz des BGH:
Die Geltendmachung deliktischer Ansprüche gegen einen Dritten genügt nicht, um im Gestattungsverfahren zur Bestandsdatenauskunft durch Anbieter von Telemedien den Deliktsgerichtsstand der EuGVVO zu begründen.

BGH, Beschluss vom 28. September 2023 - III ZB 25/21 - OLG Köln - LG Köln

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EuG-Präsident: Rechtsfolgen der Einordnung von Amazon Store als sehr großer Online-Dienst im Sinne des Digital Services Acts teilweise vorläufig außer Kraft gesetzt

EuG-Präsident
Anordnung vom 27.09.2023
T‑367/23 R
Amazon Services Europe Sàrl ./. EU-Kommission


Der EuG-Präsident hat angeordnet, dass die Rechtsfolgen der Einordnung von Amazon Store als sehr großer Online-Dienst im Sinne des Digital Services Acts teilweise vorläufig außer Kraft gesetzt wird. Über die Rechtsmäßigkeit der Einordnung muss der EuG noch entscheiden.

Tenor der Entscheidung:
1. Operation of the decision of the European Commission of 25 April 2023, with reference C(2023) 2746 final, designating Amazon Store as a very large online platform in accordance with Regulation (EU) 2022/2065 of the European Parliament and of the Council of 19 October 2022 on a Single Market For Digital Services and amending Directive 2000/31/EC (Digital Services Act), is suspended in so far as, by virtue of that decision, Amazon Store will be required to make an advertisement repository publicly available, in accordance with Article 39 of that regulation, without prejudice to the requirement for the applicant to compile the advertisement repository.

2. The application for interim measures is dismissed as to the remainder.

3. The costs are reserved.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EU-Kommission: Liste der sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen im Sinne des Digital Services Act (DSA) - Gesetz über digitale Dienste

Die EU-Kommission hat nach den entsprechenden Benennungsbeschlüssen eine Liste der sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen im Sinne des Digital Services Act (DSA - Gesetz über digitale Dienste) veröffentlicht.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 25.04.2023:

Die Kommission hat heute die ersten Benennungsbeschlüsse im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste angenommen, in denen 17 sehr große Online-Plattformen (very large online platforms, VLOPs) und 2 sehr große Online-Suchmaschinen (very large online search engines, VLOSEs) benannt wurden, die monatlich mindestens 45 Millionen aktive Nutzer erreichen. Dazu gehören folgende:

Sehr große Online-Plattformen:

Alibaba AliExpress
Amazon Store
Apple AppStore
Booking.com
Facebook
Google Play
Google Maps
Google Shopping
Instagram
LinkedIn
Pinterest
Snapchat
TikTok
Twitter
Wikipedia
YouTube
Zalando
Sehr große Online-Suchmaschinen:

Bing
Google Search
Die Plattformen wurden auf der Grundlage der Nutzerdaten benannt, die sie bis zum 17. Februar 2023 veröffentlichen mussten.

Nächste Schritte für benannte Plattformen und Suchmaschinen
Nach ihrer Benennung müssen die Unternehmen nun innerhalb von vier Monaten allen neuen Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste nachkommen. Diese zielen darauf ab, die Handlungsfähigkeit der Nutzer, auch Minderjähriger, im Internet zu stärken und sie zu schützen, indem den benannten Diensten die Pflicht auferlegt wird, ihre systemischen Risiken zu bewerten und zu mindern sowie robuste Instrumente zur Moderation von Inhalten bereitzustellen. Dies beinhaltet Folgendes:

Stärkung der Handlungsfähigkeit der Nutzerinnen und Nutzer:
Die Nutzer erhalten klare Informationen darüber, warum ihnen bestimmte Inhalte empfohlen werden, und haben das Recht, sich gegen auf Profiling beruhende Empfehlungssysteme zu entscheiden.
Die Nutzerinnen und Nutzer werden illegale Inhalte leicht melden können, und die Plattformen müssen solchen Meldungen sorgfältig nachgehen.
Werbung darf nicht auf der Grundlage sensibler Daten des Nutzers angezeigt werden (z. B. ethnische Herkunft, politische Meinungen oder sexuelle Ausrichtung).
Die Plattformen müssen jegliche Werbung kennzeichnen und die Nutzer darüber informieren, wer sie finanziert.

Die Plattformen müssen eine leicht verständliche und klare Zusammenfassung ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen in allen Sprachen der Mitgliedstaaten, in denen sie tätig sind, bereitstellen.
Starker Schutz Minderjähriger:

Die Plattformen müssen ihre Systeme umgestalten, um für ein hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz von Minderjährigen zu sorgen.

Gezielte Werbung auf der Grundlage des Profilings von Kindern sind nicht mehr zulässig.
Besondere Risikobewertungen, auch in Bezug auf negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, sind der Kommission vier Monate nach der Benennung vorzulegen und spätestens ein Jahr später zu veröffentlichen.

Die Plattformen müssen ihre Dienste, einschließlich ihrer Schnittstellen, Empfehlungssysteme und allgemeinen Geschäftsbedingungen, neu gestalten, um diese Risiken zu mindern.
Sorgfältigere Moderation von Inhalten, weniger Desinformation:

Plattformen und Suchmaschinen müssen Maßnahmen ergreifen, um den Risiken im Zusammenhang mit der Verbreitung illegaler Inhalte im Internet und den negativen Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit entgegenzuwirken.

Die Plattformen müssen über klare allgemeine Geschäftsbedingungen verfügen und sie sorgfältig und ohne Willkür durchsetzen.

Plattformen müssen über einen Mechanismus verfügen, über den Nutzer illegale Inhalte melden können, und müssen auf die Meldungen zügig reagieren.
Plattformen müssen ihre besonderen Risiken analysieren und Risikominderungsmaßnahmen ergreifen – beispielsweise um die Verbreitung von Desinformation und die unauthentische Nutzung ihres Dienstes zu bekämpfen.

Ein höheres Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht:

Die Plattformen müssen sicherstellen, dass ihre Risikobewertungen und die Einhaltung aller Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste einer unabhängigen externen Prüfung unterzogen werden.

Sie müssen Forschenden Zugang zu öffentlich verfügbaren Daten gewähren. Zu einem späteren Zeitpunkt wird ein spezieller Mechanismus für zugelassene Forschende eingerichtet.
Die Plattformen müssen Archive aller auf ihrer Schnittstelle dargestellten Werbeanzeigen veröffentlichen.

Die Plattformen müssen Transparenzberichte über Moderationsentscheidungen zu Inhalten und über das Risikomanagement veröffentlichen.
Spätestens vier Monate nach der Mitteilung der Benennungsbeschlüsse müssen die benannten
Plattformen und Suchmaschinen ihre Systeme, Ressourcen und Verfahren zur Einhaltung der Bestimmungen anpassen und ein unabhängiges Compliance-System einrichten sowie ihre erste jährliche Risikobewertung durchführen und der Kommission übermitteln.

Risikobewertung
Die Plattformen müssen ein breites Spektrum an systemischen Risiken ermitteln und analysieren – von der Frage, wie illegale Inhalte und Desinformation durch ihre Dienste verstärkt werden können, bis hin zu den Auswirkungen auf die Freiheit der Meinungsäußerung und die Medienfreiheit – und entsprechende Risikominderungsmaßnahmen ergreifen. Ebenso müssen spezifische Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet und dem Schutz Minderjähriger und ihrer psychischen Gesundheit im Internet bewertet und gemindert werden. Die Risikominderungspläne der benannten Plattformen und Suchmaschinen werden einer unabhängigen Prüfung durch die Kommission unterzogen und von ihr beaufsichtigt.

Eine neue Aufsichtsstruktur
Das Gesetz über digitale Dienste wird mithilfe einer europaweiten Aufsichtsstruktur durchgesetzt. Zwar ist die Kommission für die Beaufsichtigung der benannten Plattformen und Suchmaschinen zuständig, jedoch arbeitet sie innerhalb des mit dem Gesetz über digitale Dienste errichteten Aufsichtsrahmens eng mit den Koordinatoren für digitale Dienste zusammen. Diese nationalen Behörden, die auch für die Beaufsichtigung kleinerer Plattformen und Suchmaschinen zuständig sind, müssen von den EU-Mitgliedstaaten bis zum 17. Februar 2024 eingerichtet werden. Zu derselben Frist müssen auch alle anderen Plattformen ihren Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste nachkommen und ihren Nutzerinnen und Nutzern den im Gesetz über digitale Dienste festgelegten Schutz bieten sowie die entsprechenden Schutzvorkehrungen einrichten.

Um das Gesetz über digitale Dienste durchzusetzen, stärkt die Kommission auch ihr internes und externes multidisziplinäres Fachwissen. Außerdem hat sie vor Kurzem ein Europäisches Zentrum für die Transparenz der Algorithmen (ECAT) eröffnet. Dieses wird die Bewertung der Frage unterstützen, ob die Funktionsweise der algorithmischen Systeme mit den Risikomanagementverpflichtungen im Einklang steht. Darüber hinaus richtet die Kommission ein Ökosystem für die digitale Durchsetzung ein, in dem Fachwissen aus allen einschlägigen Sektoren zusammengeführt wird.

Datenzugang für Forschende
Die Kommission hat heute auch eine Aufforderung zur Stellungnahme zu den Bestimmungen des Gesetzes über digitale Dienste in Bezug auf den Datenzugang für Forschende veröffentlicht. Diese Bestimmungen dienen dazu, die Maßnahmen der Plattformanbieter zur Bekämpfung illegaler Inhalte wie illegaler Hassreden sowie in Bezug auf andere gesellschaftliche Risiken wie die Verbreitung von Desinformation und Risiken, die sich auf die psychische Gesundheit der Nutzerinnen und Nutzer auswirken können, besser zu überwachen. Zugelassene Forschende werden auf die Daten von VLOPs und VLOSEs zugreifen können, um Untersuchungen zu systemischen Risiken in der EU durchzuführen. Dies bedeutet, dass sie beispielsweise die Entscheidungen der Plattformen darüber analysieren könnten, was Nutzer im Internet sehen und womit sie in Kontakt kommen, und dass sie Zugang zu zuvor nicht offengelegten Daten haben. Unter Berücksichtigung der eingegangenen Rückmeldungen wird die Kommission einen delegierten Rechtsakt vorlegen, um ein einfaches, praktisches und klares Verfahren für den Datenzugang zu konzipieren und gleichzeitig angemessene Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch zu treffen. Die Konsultation läuft bis zum 25. Mai.

Hintergrund
Am 15. Dezember 2020 legte die Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über digitale Dienste zusammen mit dem Vorschlag für ein Gesetz über digitale Märkte als umfassenden Rahmen zur Gewährleistung eines sichereren und faireren digitalen Raums für alle vor. Nach der politischen Einigung der gesetzgebenden Organe der EU im April 2022 trat das Gesetz über digitale Dienste am 16. November 2022 in Kraft.

Das Gesetz über digitale Dienste gilt für alle digitalen Dienste, die den Verbrauchern Waren, Dienstleistungen oder Inhalte vermitteln. Es schafft umfassende neue Pflichten für Online-Plattformen in Bezug auf die Schadensbegrenzung und Risikobewältigung im Internet, sieht wirksame Schutzvorkehrungen für die Nutzerrechte im Internet vor und unterwirft digitale Plattformen einem einzigartigen neuen Rahmen, der für Transparenz und Rechenschaftspflicht sorgt. Diese Vorschriften sind als einheitliches gemeinsames Regelwerk für die gesamte EU konzipiert und bieten neue Schutzmöglichkeiten für die Nutzer und Rechtssicherheit für die Unternehmen im gesamten Binnenmarkt. Das Gesetz über digitale Dienste ist das erste Regulierungsinstrument seiner Art weltweit und setzt auch international Maßstäbe für die Regulierung im Bereich der Online-Vermittler.



EU-Kommission: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft sind Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA)

Die EU-Kommission hat festgestellt, dass Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA) sind.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:
Die Europäische Kommission hat heute im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte erstmals sechs Torwächter (Gatekeeper) benannt: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft. Insgesamt wurden 22 zentrale Plattformdienste, die von Torwächtern bereitgestellt werden, benannt. Die sechs Torwächter haben nun sechs Monate Zeit, um die vollständige Einhaltung der Verpflichtungen gemäß dem Gesetz über digitale Märkte für jeden ihrer benannten zentralen Plattformdienste sicherzustellen.

Im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte kann die Europäische Kommission digitale Plattformen als „Torwächter“ benennen, wenn diese für Unternehmen über zentrale Plattformdienste ein wichtiges Zugangstor zu Verbraucherinnen und Verbrauchern darstellen. Die heutigen Benennungsbeschlüsse sind das Ergebnis einer Überprüfung durch die Kommission über 45 Tage, nachdem Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta, Microsoft und Samsung ihren potenziellen Torwächter-Status mitgeteilt hatten. Insbesondere hat die Kommission den Torwächter-Status für die folgenden zentralen Plattformdienste festgestellt:

Parallel dazu hat die Kommission vier Marktuntersuchungen eingeleitet, um die eingereichten Mitteilungen von Microsoft und Apple weiter zu prüfen, denen zufolge einige ihrer zentralen Plattformdienste nicht als Zugangstore anzusehen sind, obwohl sie die Schwellenwerte erreichen:

Microsoft: Bing, Edge und Microsoft Advertising
Apple: iMessage
Nach dem Gesetz über digitale Märkte soll im Rahmen dieser Untersuchungen festgestellt werden, ob durch eine hinreichend stichhaltige Widerlegung durch die Unternehmen nachgewiesen wird, dass die betreffenden Dienste nicht benannt werden sollten. Die Untersuchung sollte innerhalb von fünf Monaten abgeschlossen werden.

Darüber hinaus hat die Kommission eine Marktuntersuchung eingeleitet, um weiter zu prüfen, ob Apples iPadOS zu den Torwächtern gezählt werden sollte, obwohl es die Schwellenwerte nicht erreicht. Diese Untersuchung im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte sollte innerhalb von höchstens 12 Monaten abgeschlossen werden.

Darüber hinaus kam die Kommission zu dem Schluss, dass Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser zwar die Schwellenwerte des Gesetzes über digitale Märkte für die Einstufung ihrer Betreiber als Torwächter erreichen, Alphabet, Microsoft und Samsung jedoch hinreichend begründete Argumente dafür vorgelegt haben, dass diese Dienste nicht als Zugangstor für die jeweiligen zentralen Plattformdienste anzusehen sind. Daher beschloss die Kommission, Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser nicht als zentrale Plattformdienste zu benennen. Dementsprechend wurde Samsung nicht als Torwächter in Bezug auf einen zentralen Plattformdienst eingestuft.

Nächste Schritte für benannte Torwächter
Nach ihrer Benennung haben die Torwächter nun sechs Monate Zeit, um sich an die vollständige Liste der Gebote und Verbote zu halten, die im Gesetz für digitale Märkte vorgesehen sind, sodass Endnutzern und gewerblichen Nutzern der Dienste des Torwächters eine größere Auswahl geboten und mehr Freiheit eingeräumt wird. Einige der Verpflichtungen gelten jedoch direkt ab dem Zeitpunkt der Benennung, z. B. die Verpflichtung, die Kommission über jeden geplanten Zusammenschluss zu unterrichten. Es liegt bei den benannten Unternehmen, die wirksame Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und nachzuweisen. Zu diesem Zweck müssen sie innerhalb von sechs Monaten einen ausführlichen Compliance-Bericht vorlegen, in dem sie darlegen, wie sie die einzelnen Verpflichtungen des Gesetzes über digitale Märkte erfüllen.

Die Kommission wird die wirksame Umsetzung und Einhaltung dieser Verpflichtungen überwachen. Kommt ein Torwächter den im Gesetz über digitale Märkte festgelegten Verpflichtungen nicht nach, kann die Kommission Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des weltweit erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens verhängen, der bei wiederholter Zuwiderhandlung auf bis zu 20 % hochgesetzt werden kann. Im Falle systematischer Zuwiderhandlungen ist die Kommission auch befugt, zusätzliche Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen. Beispielsweise kann sie einen Torwächter dazu verpflichten, ein Unternehmen oder Teile davon zu verkaufen, oder sie kann dem Torwächter verbieten, zusätzliche Dienste zu erwerben, die mit der systematischen Nichteinhaltung in Verbindung stehen.

In Zukunft könnten weitere Unternehmen der Kommission auf der Grundlage ihrer Selbstbeurteilung Mitteilungen im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte in Bezug auf die einschlägigen Schwellenwerte übermitteln. In diesem Zusammenhang führt die Kommission konstruktive Gespräche mit allen relevanten Unternehmen.



Hintergrund
Das Gesetz über digitale Märkte soll verhindern, dass Torwächter den Unternehmen und Endnutzern unfaire Bedingungen aufzwingen, und so die Offenheit wichtiger digitaler Märkte gewährleisten.

Zusammen mit dem Gesetz über digitale Märkte schlug die Kommission im Dezember 2020 das Gesetz über digitale Dienste vor, um die negativen Folgen bestimmter Verhaltensweisen von Online-Plattformen, die als digitale Torwächter fungieren, für den EU-Binnenmarkt anzugehen.

Das Gesetz über digitale Märkte, das seit November 2022 in Kraft ist und seit Mai 2023 angewendet wird, zielt darauf ab, bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor zu gewährleisten. Es reguliert die sogenannten Torwächter: große Online-Plattformen, die gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Verbrauchern dienen und die aufgrund dieser Stellung die Macht haben, den Marktzugang in der digitalen Wirtschaft zu kanalisieren.

Unternehmen, die mindestens einen der zehn im Gesetz über digitale Märkte aufgeführten zentralen Plattformdienste betreiben, werden als Torwächter angesehen, wenn sie die nachstehenden Kriterien erfüllen. Zu diesen zentralen Plattformdiensten gehören Online-Vermittlungsdienste wie Dienste zum Herunterladen von Computer- oder Handy-Apps, Online-Suchmaschinen, soziale Netzwerke, bestimmte Kommunikationsdienste, Video-Sharing-Plattform-Dienste, virtuelle Assistenten, Webbrowser, Cloud-Computing-Dienste, Betriebssysteme, Online-Marktplätze und Online-Werbedienste. Ein Unternehmen kann dabei auch für mehrere zentrale Plattformdienste als Torwächter benannt werden.

Es gibt drei quantitative Hauptkriterien, die die Annahme begründen, dass ein Unternehmen ein Torwächter im Sinne des Gesetzes über digitale Märkte ist: i) Das Unternehmen erzielt einen bestimmten Jahresumsatz im Europäischen Wirtschaftsraum und erbringt in mindestens drei EU-Mitgliedstaaten einen zentralen Plattformdienst, ii) das Unternehmen betreibt einen zentralen Plattformdienst mit monatlich mehr als 45 Millionen aktiven Endnutzern, die in der EU niedergelassen sind oder sich dort aufhalten, und mit jährlich mehr als 10 000 aktiven gewerblichen Nutzern mit Niederlassung in der EU und iii) das Unternehmen hat das zweite Kriterium in den drei vorhergehenden Geschäftsjahren erfüllt.

Im Gesetz über digitale Märkte ist eine Reihe spezifischer Verpflichtungen festgelegt, die Torwächter einhalten müssen, und bestimmte Verhaltensweisen werden ihnen untersagt mithilfe einer Liste von Geboten und Verboten.

Mit dem Gesetz über digitale Märkte wird der Kommission auch die Befugnis übertragen, Marktuntersuchungen durchzuführen, um i) Unternehmen aus qualitativen Gründen als Torwächter zu benennen, ii) die Verpflichtungen für Torwächter erforderlichenfalls zu aktualisieren, iii) Abhilfemaßnahmen zu konzipieren, mit denen gegen systematische Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Gesetzes über digitale Märkte vorgegangen wird.


Weitere Informationen finden Sie hier:

LG Hamburg: Verletzung deutscher Marke und Verstoß gegen Unterlassungserklärung wenn Händler Marke noch auf englischsprachiger Amazon-Shop-Seite verwendet

LG Hamburg
Urteil vom 11.05.2023
327 O 188/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Verletzung einer deutschen Marke und ein Verstoß gegen Unterlassungserklärung vorliegt, wenn ein Händler die Marke noch auf der englischsprachigen Amazon-Shop-Seite verwendet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gestützt auf die Klagemarke ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG zu.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte Hausschuhe unter dem Zeichen „Y.“ wie im Tenor zu 1) wiedergegeben, am 27.09.2021 und somit nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung nach wie vor online auf www.....de angeboten hat.

Der Zeuge E. hat bekundet, dass er am 27.09.2021 von dem Zeugen K. eine E-Mail mit einem Link erhalten habe, in der dieser auf ein potentiell markenverletzendes Angebot der Beklagten unter der Bezeichnung "Y." hingewiesen habe. Bei Anklicken des Links sei er auf das streitgegenständliche Angebot gestoßen, deren A. mit dem des früheren Streitverfahrens, auf das sich die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten bezieht, identisch gewesen sei. Dazu habe er in dem verlinkten Angebot nach unten gescrollt und die A.'s verglichen. Der Zeuge K. habe auf seine Anweisung hin sodann die verlinkten Angebote ausgedruckt und ihm übersandt. Dabei habe es sich um die als Anlage zum Klageantrag bzw. Anlage K 9 eingereichten und ihm nun vorgehaltenen Screenshots gehandelt, die mit dem verlinkten Angebot identisch und von ihm in keiner Weise bearbeitet worden seien. Der Zeuge E. bekundete weiter, er habe den übersandten Link aufgerufen, ohne die Spracheinstellung verändert zu haben. Seinen Cache lösche er immer mal wieder, wann genau im relevanten Zeitraum vor Anklicken des Links, könne er jedoch nicht sicher sagen. Der Zeuge K. hat bekundet, er habe auf der ...-Seite in das Suchfeld den Begriff "Y." eingegeben. In der daraufhin erscheinenden Liste sei auch das im hiesigen Verfahren relevante Angebot erschienen, welches er sodann angeklickt und als pdf gespeichert sowie mit dem Snipping Tool ausgeschnitten habe. Dies sei erfolgt, nachdem er einen Bericht über das Angebot an den Zeugen E. geschickt habe. Zudem habe er dem Zeugen E. eine E-Mail geschickt, in der er das von ihm aufgefundene Angebot verlinkt habe, wozu er die URL kopiert habe. Bei der Anlage K 9, die ihm vorgehalten wurde, handele es sich um diejenigen Seiten, die er gespeichert und deren URL er dem Zeugen E. geschickt habe. Er habe dabei auch nicht die Spracheinstellungen geändert, sondern schlicht die Webseite www.....de aufgerufen und den Suchbegriff eingegeben. Seinen Cache lösche er nicht und habe auch keine Einstellungen dazu getroffen.

Die beiden Zeugen haben somit übereinstimmend und widerspruchsfrei geschildert, wie sie am 27.09.2021 das streitgegenständliche Angebot auf der Webseite www.....de bzw. über den zugesandten Link aufgerufen haben und dass dabei die im Tenor wiedergegebene Webseite erschienen sei. Die Identität des als Anlage K 9 vorgelegten Screenshots mit der von ihnen aufgerufenen Webseite haben sie im Zuge dessen auf Vorhalt der Anlage K 9 bestätigt. Ihre Aussagen erscheinen daher für sich genommen glaubhaft. Sie fügen sich aber auch in den substantiierten Vortrag der Klägerin zu dem von den Zeugen bekundeten Geschehen. An der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen hat die Kammer keine Zweifel.

Der Vortrag der Beklagten, der ihr von der Klägerseite übermittelte Link habe auf das Angebot eines Hausschuhs mit der Bezeichnung „ P.“ geführt, geht insofern ins Leere, als der Link unstreitig erst mit E-Mail vom 05.10.2021 von der Klägerin an die Beklagte übersandt worden ist, der von der Beklagten angeblich in Verfolgung dieses Links eingereichte Screenshot (Anlage B 1) kein Datum aufweist, er aber selbst dann, wenn er unmittelbar nach Übersendung des Links von der Beklagten ausprobiert worden ist, keinen Schluss darauf zulässt, unter welcher Bezeichnung der Hausschuh am 27.09.2021 angeboten worden ist. Dafür, dass der Link ursprünglich, also jedenfalls am 27.09.2021, auf ein Angebot unter der Bezeichnung „Y.“ verwiesen hat, spricht, dass er die Angabe „k.=y.&q.“ enthält.

b) Auch der Einwand der Beklagten, sie sei für das Angebot des Hausschuhs mit der Bezeichnung „Y.“ in englischer Sprache nicht verantwortlich, greift nicht durch. Die Beklagte trägt dazu lediglich vor, sie stelle Angebote auf ....de nur in deutscher Sprache ein und sei für die von Amazon selbst vorgenommenen Übersetzungen nicht verantwortlich. In deutscher Sprache habe es aber am 27.09.2021 kein Angebot und keine Bewerbung mehr unter der Bezeichnung „Y.“ gegeben, sondern nur in englischer Sprache. Die Übersetzung beruhe wohl auf einem alten deutschen Datensatz, den sie nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung geändert habe. Unabhängig davon, wer die Übersetzungen der Angebote im Onlineshop auf www.....de vornimmt, ist klar, dass „Y.“ keine Übersetzung von „P.“ darstellt und ist es unwahrscheinlich, dass bei einer Übersetzung die Artikelbezeichnung ebenfalls übersetzt würde. Insoweit ist entscheidend, dass – selbst wenn ... die Übersetzungen vornimmt – die Beklagte im Nachgang zur Abgabe ihrer Unterlassungsverpflichtungserklärung, die sich auch auf das englischsprachige Angebot bezog, dazu verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen und sicherzustellen, dass auch die englischsprachige Version des Angebots die Bezeichnung „Y.“ nicht mehr enthält, was ihr ohne größeren Aufwand möglich gewesen wäre.

c) Die Beklagte hat die Bezeichnung „Y.“ in der konkret angegriffenen Verletzungsform in selbständig kennzeichnender Stellung im Rahmen des Gesamtzeichens „ K. Y.“ verwendet, so dass bei zumindest hochgradiger Zeichen- und Warenähnlichkeit von einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne auszugehen ist, indem nicht auszuschließen ist, dass der angesprochene Verkehr - hier also der allgemeine Verbraucher - davon ausgeht, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten eine wirtschaftliche Verbindung besteht, es sich etwa bei „Y.“ um eine Zweitmarke oder beim angebotenen Produkt um eine Kooperation zwischen der Klägerin und der Beklagten handelt.

Eine Verwechslungsgefahr ist gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass die angesprochenen Verkehrsteilnehmer davon ausgehen könnten, die von der Beklagten angebotenen Hausschuhe stammten von der Klägerin oder einem bestimmten Unternehmen, das mit der Klägerin wirtschaftlich verbunden ist oder an das der Kläger die Nutzung der Marke lizenziert hat. Ob bzw. wann eine solche Gefahr besteht, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2010, 729 Rn 23 - Mixi). Neben der Zeichen- und Warenidentität bzw. -ähnlichkeit ist dafür die Kennzeichnungskraft der Klagemarke von entscheidender Bedeutung, wobei zwischen diesen drei Faktoren neben den übrigen, je nach Einzelfall zu berücksichtigenden Faktoren eine Wechselwirkung dahingehend besteht, dass ein höherer Grad des einen Faktors den geringeren Grad eines anderen Faktors ausgleichen kann (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2014, 488 Rn 9 - Desperados/Desperado BGH, GRUR 2018, 79 Rn 7 - Oxford/Oxford Club).

Die Klagemarke verfügt für Bekleidung einschließlich Schuhen über eine mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft und zwischen den Waren, für welche die Klagemarke Schutz beansprucht - Bekleidungsstücke - und den Waren, welche die Beklagte unter Verwendung des Zeichens „Y.“ angeboten hat - Schuhe - besteht Warenidentität oder zumindest eine hochgradige Warenähnlichkeit.

Darüber hinaus liegt eine hochgradige Zeichenähnlichkeit vor. Während die Klagemarke nur aus dem einteiligen Zeichen „Y.“ besteht, bietet die Beklagte ihre Hausschuhe unter dem Kombinationszeichen „ K. Y.“ an. Ob der Bestandteil „Y.“ in dieser Kombination prägend ist, kann dahinstehen, da er in der angegriffenen Verletzungsform ungeachtet der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks der sich gegenüberstehenden Zeichen jedenfalls eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat. Er ist weder rein beschreibend noch ist er mit dem Bestandteil „ K.“ im Sinne einer integrativen neuen Bedeutung und Erscheinung dergestalt verschmolzen, dass der angesprochene Verkehr ihn nur noch als Teil eines Gesamtbegriffs ansehen würde. Mit der selbständig kennzeichnenden Stellung geht auch eine markenmäßige Verwendung des Bestandteils „Y.“ einher, da nicht auszuschließen ist, dass Teile des angesprochenen Verkehrs den Bestandteil „Y.“ als die eigentliche Produktbezeichnung auffassen, der eine produktbezogene Kennzeichungs- und damit Herkunftsfunktion zukommt, die der Verbraucher dem Inhaber des Unternehmenskennzeichens bzw. der Dachmarke „ K.“ - hier also der Klägerin - zuweist, indem er mindestens von einer Verbindung oder irgendwie gearteten Kooperation der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ausgeht.

d) Die für den Unterlassungsanspruch vorausgesetzte Wiederholungsgefahr liegt durch den erneuten Verstoß und die Weigerung, eine weitere Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, vor.

2. Der Klägerin steht - der Begründetheit des Unterlassungsanspruchs folgend - gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe der nach teilweiser Klagerücknahme noch beantragten 640,75 € aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB bzw. § 14 Abs. 6 MarkenG zu.

3. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 31.05.2021 zu, da die Beklagte durch das erneute Angebot unter der Bezeichnung „Y.“ in schuldhafter Weise gegen diese verstoßen hat. Dazu ist auf die Ausführungen unter 1. zum Unterlassungsanspruch zu verweisen, die entsprechend für den Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung gelten. Der Anspruch besteht allerdings nicht in der geforderten Höhe. Die Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 31.05.2021 enthält ein Vertragsstrafeversprechen nach sog. neuem H. Brauch, wonach die Bestimmung dem Gläubiger, hier also der Klägerin obliegt, diese jedoch durch das benannte Gericht, hier das Landgericht Hamburg, auf seine Angemessenheit hin überprüft werden kann. Die Angemessenheit ist stets unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Dabei kommt es insbesondere auf Art und Ausmaß des Verstoßes, die Bekanntheit der Klagemarke, die Größe und Bekanntheit der beteiligten Unternehmen und ihre Marktstärke an. Da es sich um einen Erstverstoß einer durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Marke handelt, die nicht übermäßig bekannt sein dürfte, erscheint der Kammer die geforderte Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,- € zu hoch, vielmehr stattdessen ein Betrag von 1.500,- € angemessen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Hannover: Ununterbrochene Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten durch Amazon im Fulfilment Center Winsen kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen

VG Hannover
Urteil vom 09.02.2023
10 A 6199/20


Das VG Hannover hat entschieden, dass die ununterbrochene Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten durch Amazon im Fulfilment Center Winsen keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen darstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Datenerhebung bei Amazon in Winsen ist rechtmäßig

10. KAMMER HAT DER KLAGE VON AMAZON STATTGEGEBEN: DAS PERSÖNLICHKEITSRECHT DER BESCHÄFTIGTEN ÜBERWIEGT HIER NICHT DIE UNTERNEHMERISCHEN INTERESSEN VON AMAZON

Die Klägerin darf weiterhin Handscanner einsetzen, mithilfe derer bestimmte Arbeitsschritte innerhalb der jeweiligen Prozesspfade von Warenein- bis Warenausgang erfasst werden:

Die Klägerin betreibt in Winsen (Luhe) ein Logistikzentrum zur Auslieferung von Waren aus dem Onlineversandhandel von Amazon (sogenanntes „Fulfillment Center“). In bestimmten Arbeitsbereichen benutzen die Beschäftigten Handscanner, mittels derer bestimmte Arbeitsschritte erfasst werden. Die Daten werden mit einer Softwareanwendung ausgewertet und dienen in erster Linie der Steuerung logistischer Prozesse. Daneben werden mit den Daten auch Bewertungsgrundlagen für Qualifizierungsmaßnahmen sowie für Feedback und Personalentscheidungen gelegt.

Wegen dieser Vorgehensweise leitete die Beklagte ein datenschutzrechtliches Kontrollverfahren gegen die Klägerin ein mit dem Ergebnis, dass sie der Klägerin mit Bescheid von Oktober 2020 untersagte, aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsdaten ihrer Beschäftigten ununterbrochen zu erheben und diese zur Erstellung von Quantitätsleistungs- und Qualitätsleistungsprofilen sowie für Feedbackgespräche und Prozessanalysen zu nutzen. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass die ununterbrochene Erhebung der entsprechenden Leistungsdaten der Beschäftigten rechtswidrig sei und gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße.

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage. Zur Begründung trug sie unter anderem vor, sie verstoße nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Vielmehr habe sie ein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung und Datenverarbeitung. So würden aktuelle und minutengenaue individuelle Leistungswerte bei der Steuerung der Logistikprozesse kurzfristig dazu benötigt, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen reagieren zu können. Anhand der aktuellen Leistungswerte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könne sie erkennen, ob Mitarbeitende an einem bestimmten Tag besonders schnell oder besonders langsam arbeiteten und hierauf durch Umverteilung reagieren. Mittelfristig würden zurückliegende individuelle Leistungswerte benötigt, um die konstanten Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden zuverlässig erfassen und bei der flexiblen Einsatzplanung berücksichtigen zu können. Zudem ermögliche diese Vorgehensweise die Schaffung objektiver und fairer Bewertungsgrundlagen für Feedback und Personalentscheidungen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern könne objektives und individuell leistungsbezogenes Feedback gegeben werden, das nicht durch subjektive Wahrnehmungen beeinflusst sei.

Das Gericht hat am 9. Februar 2023 in öffentlicher Sitzung im Amazon Logistikzentrum verhandelt und im Rahmen der Verhandlung das Fulfillment-Center besichtigt. Es hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben.

Das Gericht sieht in der ununterbrochenen Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. In Deutschland gebe es (noch) kein Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, sodass sich der Beschäftigtendatenschutz weiterhin nach § 26 Bundesdatenschutzgesetz richte. Danach dürften personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Durchführung des Beschäftigtenverhältnisses oder die Beendigung erforderlich sei.

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Datenverarbeitung für alle drei Zwecke – Steuerung der Logistikprozesse, Steuerung der Qualifizierung und Schaffung von Bewertungsgrundlagen für individuelles Feedback und Personalentscheidungen – erforderlich ist. Hinsichtlich der Optimierung der Logistikprozesse leuchte der Kammer ohne weiteres ein, dass die Klägerin die verarbeiteten Daten dazu nutzen kann, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen von Beschäftigten ad hoc zu reagieren und so den reibungsfreien Ablauf aller Prozesse innerhalb des Fulfillment Centers, das auf die Auslieferung der Ware zu einem genau definierten Zeitpunkt (Cut-Off-Zeitpunkt) ausgerichtet ist, zu garantieren. Auch könne die Klägerin individualisierte Qualifizierungsbedarfe der Beschäftigten schnell detektieren und auf diese reagieren. Schließlich verschafften die erhobenen Daten eine breite und objektive Grundlage für Feedback und Personal- und Beförderungsentscheidungen.

Nach Auffassung des Gerichts steht der durch die Überwachung der Beschäftigten bedingte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten nicht außer Verhältnis zu den schützenswerten Interessen der Klägerin, so dass der Eingriff auch angemessen sei:

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse und nach der Befragung der Zeugen – der früheren Betriebsratsvorsitzenden und des jetzigen Betriebsratsvorsitzenden – in der mündlichen Verhandlung geht nach Auffassung des Gerichts eine Abwägung der gegenläufigen Interessen hier zu Gunsten der Klägerin aus. Das Gericht hat dabei unter anderem berücksichtigt, dass keine heimliche Datenerhebung erfolgt, die Beschäftigten die Datenerhebung vielmehr vorhersehen können und wissen, dass die Klägerin die Daten für die logistischen Prozesse benötigt. Zudem finde keine Verhaltenskontrolle statt, die Kommunikation und physische Bewegungen würden nicht erfasst, vielmehr finde „nur“ eine Leistungskontrolle statt. Die Privatsphäre sei nicht betroffen. Außerdem sei der Hauptzweck der Datenerhebung nicht die Überwachung und Kontrolle der Beschäftigten, sondern die Steuerung der Logistikabläufe. Schließlich werde die Möglichkeit objektiven Feedbacks und fairer Personalentscheidungen von vielen Beschäftigten als positive Wirkung der Überwachung gewertet; dies hätten auch die Zeugen bestätigt, die deutlich gemacht hätten, dass die Überwachung kein besonderes Thema im Betrieb sei.

Das Gericht hat die Berufung zugelassen. Die Beklagte hat demnach die Möglichkeit Berufung gegen das Urteil vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg binnen eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Entscheidungsgründe einzulegen.

Urteil vom 9. Februar 2023

Az.: 10 A 6199/20



LG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Werbung durch Amazon bei Google mit Produktpreisen wenn beworbene Preise nur für Amazon Prime-Kunden gelten

LG Frankfurt
Urteil vom 13.01.2023
3-10 O 93/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass es wettbewerbswidrig ist, wenn Amazon bei Google mit Produktpreisen wirbt, wenn die beworbene Preises nur für Amazon Prime-Kunden gelten und dies nicht für den Nutzer durch einen klaren Hinweis erkennbar ist. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Volltext BGH liegt vor: Affiliate-Programm-Anbieter haftet nicht für irreführende Werbung von Affiliate-Partner wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig wird

BGH
Urteil vom 26.01.2023
I ZR 27/22
Haftung für Affiliates
UWG § 8 Abs. 2

Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Anbieter eines Affiliate-Programms haftet nicht für irreführende Werbung von Affiliate-Partner wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig wird - Amazon" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber (Anschluss an BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 - I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 [juris Rn. 21] = WRP 2009, 1520 - Partnerprogramm, mwN).

b) Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren. Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stellt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betriebsinhabers dar.

BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 27/22 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anbieter eines Affiliate-Programms haftet nicht für irreführende Werbung von Affiliate-Partner wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig wird - Amazon

BGH
Urteil vom 26.01.2023
I ZR 27/22

Das BGH hat entschieden, dass der Anbieter eines Affiliate-Programms (hier: Amazon) nicht für irreführende Werbung von Affiliate-Partnern haftet, wenn diese im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig werden.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung für Affiliate-Partner

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Betreiber eines Affiliate-Programms nicht für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners haftet, wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig geworden ist und es deshalb an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betreibers des Affiliate-Programms fehlt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Matratzenherstellerin. Die Beklagten sind Gesellschaften der Amazon-Gruppe und in unterschiedlichen Funktionen am Betrieb der Online-Verkaufsplattform "Amazon" beteiligt. Im Rahmen des von der Beklagten zu 1 betriebenen Amazon-Partnerprogramms steht es Dritten, sogenannten Affiliates, frei, auf der eigenen Webseite Links auf Angebote der Verkaufsplattform zu setzen. Wird dadurch ein Verkauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil am Kaufpreis. Im Jahr 2019 warb ein Affiliate auf seiner Webseite, die sich im weitesten Sinne mit den Themen Schlaf und Matratzen befasste und zumindest optisch einem redaktionellen Online-Magazin entsprach, unter anderem für Matratzen unter Verwendung von Links auf entsprechende Angebote auf der Verkaufsplattform. Die Klägerin hält die Werbung des Affiliates für irreführend und hat die Beklagten, denen der Wettbewerbsverstoß ihres Affiliates gemäß § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen sei, auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Die Beklagten hafteten für diesen Wettbewerbsverstoß des Affiliates aber nicht als Täter oder Teilnehmer. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers für Beauftragte nach § 8 Abs. 2 UWG lägen nicht vor.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Amazon-Partnerprogramms sowie der beanstandeten Webseite des Affiliates fehlt es im Streitfall an einer solchen Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 1 und damit am inneren Grund der Zurechnung gemäß § 8 Abs. 2 UWG. Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen - hier eine Internetseite mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen -, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren. Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stellt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 1 dar.

Es fehlt im Streitfall auch an der für eine Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG erforderlichen Beherrschung des Risikobereichs durch die Beklagte zu 1. Der Affiliate wird bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit Amazon geschlossenen Vereinbarung tätig, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein im eigenen Namen und im eigenen Interesse. Die Beklagte zu 1 musste sich einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auch nicht sichern, weil sie mit dem Produkt des Affiliates ihren Geschäftsbetrieb nicht erweitert hat.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 20. Mai 2021 - 81 O 62/20

OLG Köln - Urteil vom 11. Februar 2022 - 6 U 84/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. …

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.



Volltext BGH liegt vor: Internethändler muss nur dann umfassend über Herstellergarantie informieren wenn diese zentrales Merkmal des Angebots ist

BGH
Urteil vom 10.11.2022
I ZR 241/19
Herstellergarantie IV
UWG § 3a, § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 aF, § 5a Abs. 1 nF, § 5b Abs. 4 nF; BGB § 312d Abs. 1 Satz 1, § 443, § 479 Abs. 1 aF, § 479 Abs. 1 nF; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 aF, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 nF

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Internethändler muss nur dann umfassend über Herstellergarantie informieren wenn diese zentrales Merkmal des Angebots ist über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Den Unternehmer trifft eine vorvertragliche Pflicht zur Information über eine Herstellergarantie für ein im Internet angebotenes Produkt, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. Erwähnt er in seinem Internetangebot die Herstellergarantie dagegen nur beiläufig, muss er dem Verbraucher keine Informationen hierzu zur Verfügung stellen.

BGH, Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 241/19 - OLG Hamm - LG Bochum

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Markenrechtliche Annexansprüche bei Markenrechtsverletzung durch Anhängen an fremde ASIN bei Amazon - 100.000 EURO Streitwert

LG Hamburg
Urteil vom 14.07.2022
327 O 32/19


Das LG Hamburg hat sich in dieser Entscheidung mit den markenrechtlichen Annexansprüchen bei einer Markenrechtsverletzung durch Anhängen an eine fremde ASIN bei Amazon befasst. Zudem hat das Gericht entschieden, dass bei einer Markenrechtsverletzung ein Streitwert in Höhe von 100.000 EURO angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte zeichenrechtliche Annexansprüche wegen einer aus Sicht der Klägerin erfolgten Zeichenrechtsverletzung durch die Beklagte geltend.

Die Klägerin ist im Handelsregister des Amtsgerichts S. unter ihrer aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Firma seit dem 15.06.2009 (Eintragungstag) mit dem Unternehmensgegenstand „Zoologischer Groß- und Einzelhandel, Im- und Export von Waren und Gütern aller Art, insbesondere Zoofachartikel und der An- und Verkauf von Materialien, die dem Geschäftszweck dienlich sind“ eingetragen (vgl. Anlage K 18). Sie ist ferner Inhaberin der deutschen Wort-/Bildmarke „Lyra Pet“ mit einer Priorität vom 28.09.2017 und Schutz u. a. für „Tiernahrung“ und „Vogelfutter“ in Nizza-Klasse 31 (vgl. Anlage K 1; im Folgenden die „Klagemarke“).

Die Beklagte betrieb ein Verkäuferprofil unter „amazon.de“ und erschien dort am 28.06.2018 mit dem Angebot „10 kg Sonnenblumenkerne schwarz Lyra Pet Wildvogelfutter Vogelfutter Ernte 2017“ mit dem Zusatz „von Lyra Pet“ (vgl. Anlage K 2). Jene Angebotsbezeichnung (ohne Zusatz) erschien auch als Artikelbezeichnung in einer von der Beklagten gegenüber Herrn C. K. ausgestellten Rechnung vom 29.06.2018 (vgl. Anlage K 4) für die Lieferung des aus Anlage K 5 ersichtlichen Vogelfutters.

Die Klägerin ließ die Beklagte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 04.07.2018 wegen einer nach Auffassung der Klägerin in dem Angebot der Beklagten liegenden Zeichenrechtsverletzung abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern (vgl. Anlage K 7). Mit Anwaltsschreiben vom 03.08.2018 ließ die Beklagte daraufhin gegenüber der Klägerin eine strafbewehrten Unterlassungserklärung abgeben, die die Klägerin annahm (vgl. Anlagen K 10 und K 11). Ferner leistete die Beklagte auf der Basis eines von ihr insoweit zugrunde gelegten Gegenstandswertes in Höhe von 20.000,00 € Abmahnkostenersatz in Höhe von 1.171,67 € an die Klägerin.

In den Anlagen K 16 und K 21 legt die Klägerin ihr von der Amazon Deutschland Services GmbH unter dem 14.12.2018 erteilte Drittauskünfte betreffend Angebote der Beklagten bei „amazon.de“ u. a. unter der ASIN (Amazon Standard Identification Number) des Angebots gemäß Anlage K 2 vor.

In Anlage K 6 liegt eine an die Klägerin ausgestellte Rechnung der „Internetrecherchen & Bürodienstleistungen C. K.“ vom 02.06.2018 für „Testkauf und Beweissicherungen“ „Lyra Pet Futter XL K. GmbH“ vor, aus der sich ein Bruttorechnungsbetrag i. H. v. 119,00 € (zzgl. Auslagen) ergibt.

Mit Schriftsatz vom 22.08.2019 hat die Beklagte der Klägerin im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits nach Rechtshängigkeit Auskünfte erteilt.

Die Klägerin ist der Auffassung, in dem Angebot der Beklagten gemäß Anlage K 2, das unter einer von ihr, der Klägerin, bereits am 11.05.2015 angelegten ASIN (vgl. Anlage K 23) erfolgt sei, habe eine Verletzung ihrer Marken- und Unternehmenskennzeichenrechte an der Bezeichnung „Lyra Pet“ gelegen, woraus die von ihr gegenüber der Beklagten geltend gemachten zeichenrechtlichen Ansprüche folgten. Bei dem Kauf, der Gegenstand der von der Beklagten ausgestellten Rechnung gemäß Anlage K 4 gewesen sei, habe es sich um einen von ihr, der Klägerin, beauftragten Testkauf gehandelt, für den ihr Testkaufkosten in der mit dem Tenor zu Ziff. 2 zugesprochenen Höhe entstanden seien. Der für die Berechnung der ihr, der Klägerin, für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten erwachsenen Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legende, angemessene Gegenstandswert betrage 100.000,00 €. Schließlich könne sie, die Klägerin, auch bereits jetzt - ohne Notwendigkeit der Erhebung einer Stufenklage - eine Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt verlangen, da ausweislich des Missverhältnisses zwischen der von der Amazon Deutschland Services GmbH erteilten Drittauskunft und der von der Beklagten erteilten Auskunft die Beklagte bereits einmal falsch Auskunft erteilt habe.

Die Klägerin beantragt

- zu den Ziff. 1 bis 4 des Tenors wie erkannt -

sowie, die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß [dem Tenor zu] Ziff. 3 erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt die von der Klägerin geltend gemachte Kennzeichenrechtsverletzung in Abrede. Die von der Klägerin selbst vertriebenen Waren trügen nicht „den Markennamen 'Lyra Pet'“, so dass die Klägerin bei „Eintragung“ der Klagemarke „bösgläubig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkG“ [sic] gewesen sei und mit ihrem vorliegenden zeichenrechtlichen Vorgehen gegen die Beklagte - nach u. a. OLG Köln MMR 2021, 569 f. - rechtsmissbräuchlich handele. Dass die ASIN des hier in Rede stehenden Angebots von der Klägerin und bereits im Jahre 2015 angelegt worden sei, werde vor dem Hintergrund, dass die Klagemarke erst am 31.01.2018 eingetragen worden sei, bestritten. Schließlich seien der Klägerin keine Testkaufkosten entstanden, ein Testkauf wäre ferner nicht notwendig gewesen und der von der Klägerin für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten zugrunde gelegte Gegenstandswert sei übersetzt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Y. P. sowie - gemäß Beweisbeschluss vom 07.12.2021 - die Vernehmung des Zeugen D. M. im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2021 sowie auf das Protokoll der Rechtshilfevernehmung durch das Amtsgericht B. vom 01.02.2022 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2019, vom 17.12.2020, vom 02.12.2021 und vom 09.06.2022 verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und weit überwiegend auch begründet. Im Umfang des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Beklagten gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt unterlag die Klage der Abweisung.

I. Der von der Klägerin mit der Abmahnung gemäß Anlage K 7 vorgerichtlich gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgte jedenfalls aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 Satz 1 MarkenG.

Die Beklagte hat ohne Zustimmung der Klägerin unter dem Begriff „Lyra Pet“, mithin dem Wortbestandteil der Klagemarke, Vogelfutter, für das die Klagemarke in Nizza-Klasse 31 u. a. Schutz genießt, angeboten.

Dass die Verwendung der ASIN eines Angebots, das den Wortbestandteil der Klagemarke enthält, für das Angebot von Vogelfutter, das nicht von der Klägerin stammt oder mit deren Zustimmung in den Verkehr gebracht worden ist, erforderlich gewesen wäre, ist fernliegend und von der Beklagten auch nicht dargetan worden, so dass das zeichenrechtliche Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagte auch in keiner Weise rechtmissbräuchlich ist.

Einen Rechtsmissbrauch in Form eines Behinderungswettbewerbs i. S. v. § 4 Nr. 4 UWG anzunehmen, erachtet das OLG Köln in seiner in MMR 2021, 569 f., veröffentlichten und von der Beklagten zitierten Entscheidung unter den nachfolgenden Voraussetzungen für denkbar (vgl. OLG Köln a. a. O., S. 570):

„a) Den aus einer Marke hergeleiteten Ansprüchen kann einredeweise entgegen gehalten werden, dass auf Seiten des Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als eine wettbewerbswidrige Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 4 UWG erscheinen lassen (vgl. BGH U. v. 15.10.2015 – I ZB 69/14 – GLÜCKSPILZ; U. v. 26.6.2008 – I ZR 190/05 [= MMR 2008, 777 (Ls.)] – EROS; U. v. 12.7.2007 – I ZR 148/04 – CORDARONE; Hacker, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 55). Das wettbewerbsrechtlich Unlautere kann darin liegen, dass ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Zeichenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzt (vgl. BGH U. v. 3.2.2005 – I ZR 45/03 – Russisches Schaumgebäck; OLG Frankfurt/M. U. v. 27.10.2011 – 6 U 179/10 [= MMR 2012, 183]). Der BGH hat ausdrücklich angenommen, dass bei einer böswillig angemeldeten Marke dem Unterlassungsanspruch der Einwand des § 4 Nr. 4 UWG entgegengehalten werden kann, auch wenn Löschungsansprüche nicht bestehen (vgl. BGH U. v. 15.10.2015 – I ZB 44/14 – LIQUIDROM).
[...]

aa) Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH U. v. 11.10.2017 – I ZR 210/16 [= MMR 2018, 230 m. Anm. Kiparski] – Portierungs-Auftrag; U. v. 21.2.2002 – I ZR 281/99 [= MMR 2002, 605] – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, a.a.O. – Portierungs-Auftrag; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).“

Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben: Die Beklagte hat bereits nicht dargetan, für das Angebot von Vogelfutter unter „amazon.de“ eine ASIN mit der Bezeichnung „Lyra Pet“ zu benötigen. Ferner hat die Beklagte auch in ihrer Angebotsüberschrift die Bezeichnung „Lyra Pet“ verwendet. Und schließlich hatte die Klägerin, die bereits seit dem 15.06.2009 unter ihrer aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Firma u. a. für den Unternehmensgegenstand „Zoologischer Groß- und Einzelhandel“ im Handelsregister des Amtsgerichts S. eingetragen ist, auch bereits im Jahre 2015 - also vor Eintragung der Klagemarke - ein hinreichendes Interesse an der Erstellung der hier in Rede stehenden ASIN mit der Bezeichnung „Lyra Pet“, unter der die Klägerin - wie von der insgesamt glaubwürdigen Zeugin P. glaubhaft und zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO bestätigt - seit dem 11.05.2015 Angebote eingestellt hatte.

II. Der von der Klägerin geltend gemachte Rest-Abmahnkostenersatzanspruch (Tenor zu Ziff. 1) folgt daher aus den §§ 670, 677, 683 BGB.

Der insoweit von der Klägerin zugrunde gelegte Gegenstandswert in Höhe von 100.000,00 € entspricht dem Streitwertgefüge der mit Kennzeichenstreitsachen befassten Gerichte. Im Rahmen von kennzeichenrechtlichen Unterlassungsklagen in Fällen der Verletzung sogar nur unterdurchschnittlich benutzter Marken oder geschäftlicher Bezeichnungen werden regelmäßig Streitwerte im Bereich zwischen 100.000,00 € und 150.000,00 € festgesetzt (vgl. nur Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 142 MarkenG, Rn. 10 m. w. N.).

Der von der Klägerin insoweit geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III. Auch die Testkaufkosten (Tenor zu Ziff. 2) gehören zu den der Klägerin erwachsenen - und erforderlichen - Rechtsverfolgungskosten. Nur durch den Testkauf hat die Klägerin in Erfahrung bringen können, welches Produkt die Beklagte unter dem Zeichen „Lyra Pet“ angeboten hat. Dass die Klägerin jenen Testkauf bei der „Internetrecherchen & Bürodienstleistungen C. K.“ beauftragt und diese der Klägerin den Testkauf wie aus Anlage K 6 ersichtlich auch in Rechnung gestellt hat, hat die Rechtshilfevernehmung des Zeugen M. durch das Amtsgericht B. schließlich ohne Weiteres zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO ergeben. Soweit die Beklagte bestritten hat, dass die Klägerin die Rechnung gemäß Anlage K 6 auch beglichen hat, hat sich der Freihalteanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Bezug auf jene Rechnung aufgrund der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

IV. Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch (Tenor zu Ziff. 3; analog § 319 Abs. 1 ZPO hat die Kammer das Wort „umfassenden“ in dem dahingehenden Klageantrag durch das Wort „umfassten“ ersetzt) folgt aus § 19 MarkenG. Die Klägerin kann auch seit dem 11.05.2015 Auskunft und Rechnungslegung von der Beklagten verlangen, da die Vernehmung der Zeugin P. zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO zweifelsfrei ergeben hat, dass die Klägerin bereits seit ihrer Eintragung im Handelsregister im Jahre 2009 unter ihrer Firma - und mithin ihrem Unternehmenskennzeichen „Lyra Pet“ - mit dem im Handelsregister eingetragenen Unternehmensgegenstand des „[z]oologische[n] Groß- und Einzelhandel[s]“ auch geschäftlich tätig ist und seit dem 11.05.2015 durchgängig den hier in Rede stehenden Artikel unter der hier in Rede stehenden ASIN unter „amazon.de“ im Angebot hatte.

V. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten (Tenor zu Ziff. 4) folgt aus § 14 Abs. 6 MarkenG. Die Beklagte hat insoweit jedenfalls fahrlässig gehandelt.

VI. Die Klägerin kann mit der Geltendmachung ihres Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs indes nicht zugleich die Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Beklagten gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt verlangen. Insoweit hätte sie eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO erheben müssen.

Zwar ergeben sich aus der bereits mit der Klage eingereichten Anlage K 16, der der Klägerin von der Amazon Deutschland Services GmbH erteilten Drittauskunft, 506 Verkäufe der Beklagten unter der hier in Rede stehenden ASIN und hat die Beklagte noch im Laufe dieses Rechtsstreits lediglich 324 Verkäufe unter jener ASIN beauskunftet, so dass eine augenfällige Diskrepanz zwischen jenen Auskünften besteht. Die dahingehende Auskunft der Beklagten war jedoch ausdrücklich nur für die Jahre 2018 und 2019 erteilt worden, in der - irrigen - (Rechts-) Ansicht, allenfalls für jene Jahre Auskunft zu schulden. Dafür, dass die nunmehr gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 verurteilte Beklagte nicht richtig und unvollständig Auskunft erteilen würde, liegen darüber hinaus keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: