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EuGH: Mitgliedstaat darf in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Online-Dienste-Anbietern keine generellen und abstrakten Verpflichtungen auferlegen

EuGH
Urteile vom 30.05.2024
in den verbundenen Rechtssachen C-662/22 - Airbnb Ireland und C-667/22 - Amazon Services Europe Sàrl,
in der Rechtssache C-663/22 - Expedia Inc.,
in den verbundenen Rechtssachen C-664/22 - Google Ireland Limited und C-666/22 - Eg Vacation Rentals Ireland Limited
in der Rechtssache C-665/22 - Amazon Services Europe


Der EuGH hat entschieden, dass ein Mitgliedstaat in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Online-Dienste-Anbietern keine generellen und abstrakten Verpflichtungen auferlegen darf.

Die Pressemitteilung des EuGH:
E-Commerce: Ein Mitgliedstaat darf einem Anbieter von Online-Diensten, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegen

In Italien unterliegen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen wie Airbnb, Expedia, Google, Amazon und Vacation Rentals aufgrund von nationalen Vorschriften bestimmten Verpflichtungen. Diese Vorschriften wurden 2020 und 2021 mit dem erklärten Ziel erlassen, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von OnlineVermittlungsdiensten zu sorgen1. Wer solche Dienste anbietet, muss sich u. a. in ein von einer Verwaltungsbehörde (AGCOM) geführtes Register eintragen, ihr regelmäßig ein Dokument über seine wirtschaftliche Lage übermitteln, ihr eine Reihe detaillierter Informationen mitteilen und ihr einen finanziellen Beitrag entrichten. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtungen sind Sanktionen vorgesehen.

Die oben genannten Gesellschaften wenden sich vor einem italienischen Gericht gegen diese Verpflichtungen, weil die sich daraus ergebende Erhöhung des Verwaltungsaufwands gegen das Unionsrecht verstoße. Alle Gesellschaften – mit Ausnahme von Expedia, die in den Vereinigten Staaten niedergelassen ist – berufen sich u. a. auf den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und machen geltend, sie unterlägen in erster Linie dem Rechtsrahmen des Mitgliedstaats ihrer Niederlassung (hier Irland bzw. Luxemburg). Sie vertreten daher die Auffassung, das italienische Recht dürfe ihnen keine zusätzlichen Anforderungen hinsichtlich der Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft auferlegen. In diesem Zusammenhang hat das italienische Gericht beschlossen, sich an den Gerichtshof zu wenden.

Der Gerichtshof befindet, dass das Unionsrecht Maßnahmen wie den von Italien erlassenen entgegensteht.

Nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr regelt der Herkunftsmitgliedstaat der Gesellschaft, die Dienste der Informationsgesellschaft anbietet, deren Erbringung. Die Bestimmungsmitgliedstaaten, die an den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gebunden sind, dürfen den freien Verkehr solcher Dienstleistungen, von Ausnahmen abgesehen, nicht beschränken. Somit darf Italien in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Anbietern dieser Dienste keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegen, die für die Erbringung der fraglichen Dienste nicht im Niederlassungsmitgliedstaat, wohl aber in Italien vorgesehen sind.

Diese Verpflichtungen fallen nicht unter die von der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zugelassenen Ausnahmen. Sie haben nämlich zum einen vorbehaltlich einer Überprüfung durch das italienische Gericht eine allgemeine und abstrakte Geltung. Zum anderen sind sie nicht erforderlich, um eines der in dieser Richtlinie genannten Ziele des Allgemeininteresses zu schützen. Die Einführung dieser Verpflichtungen ist außerdem nicht mit der von den italienischen Behörden geltend gemachten Absicht zu rechtfertigen, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der genannten Verordnung zu sorgen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Verbundene Rechtssachen C-662/22 - Airbnb Ireland und C-667/22 - Amazon Services Europe Sàrl
Rechtssache C-663/22 - Expedia Inc.
Verbundene Rechtssachen C-664/22 - Google Ireland Limited und C-666/22 - Eg Vacation Rentals Ireland Limited
Rechtssache C-665/22 - Amazon Services Europe


EuGH-Generalanwalt: Mitgliedstaat darf in seinem Hoheitsgebiet tätigen Online-Dienste-Anbietern die in anderem Mitgliedstaat ansässig sind keine generellen und abstrakten Verpflichtungen auferlegen

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 11.01.2024
in den verbundenen Rechtssachen C-662/22 - Airbnb Ireland und C-667/22 - Amazon Services Europe Sàrl,
in der Rechtssache C-663/22 - Expedia Inc.,
in den verbundenen Rechtssachen C-664/22 - Google Ireland Limited und C-666/22 - Eg Vacation Rentals Ireland Limited
in der Rechtssache C-665/22 - Amazon Services Europe


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Mitgliedstaat einem Anbieter von Online-Diensten, der in seinem Hoheitsgebiet tätig aber in anderem Mitgliedstaat ansässig ist, keine generellen und abstrakten Verpflichtungen auferlegen darf.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Szpunar: Ein Mitgliedstaat darf einem Anbieter von Online-Diensten, der in seinem Hoheitsgebiet tätig, aber in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, keine generellen und abstrakten Verpflichtungen auferlegen

In Italien unterliegen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen wie Airbnb, Google, Amazon und Vacation Rentals einer Reihe von Verpflichtungen: Sie müssen in einem Register eingetragen sein, in regelmäßigen Zeitabständen einer Behörde eine Reihe von Informationen übermitteln und eine Gebühr entrichten. Bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen drohen ihnen Sanktionen.

Mit Ausnahme von Expedia, die in den Vereinigten Staaten ansässig ist und sich lediglich gegen die Pflicht zur Erteilung von Informationen wendet, greifen die genannten Anbieter von Online-Diensten, die in der Europäischen Union ansässig sind, diese Verpflichtungen vor den italienischen Gerichten an. Sie machen geltend, die Verpflichtungen verstießen gegen die Verordnung der Union zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten , während Italien vorträgt, mit der fraglichen Regelung würden die Unionsvorschriften umgesetzt. Überdies machen die in der Union ansässigen Gesellschaften geltend, die betreffenden Verpflichtungen verstießen insbesondere gegen den in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr aufgestellten Grundsatz, wonach die Dienste der Informationsgesellschaft im Prinzip dem Recht des Mitgliedstaats der Niederlassung eines Anbieters (im konkreten Fall Irland oder Luxemburg) unterlägen. In diesem Kontext hat ein italienisches Gericht beschlossen, dem Gerichtshof Fragen vorzulegen.

Generalanwalt Maciej Szpunar kommt zu dem Ergebnis, dass es mit dem Unionsrecht und speziell der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr unvereinbar sei, einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieter von Online-Diensten solche generellen und abstrakten Verpflichtungen aufzuerlegen.

Außerdem vertritt er in Bezug auf die Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten die Auffassung, dass die in der italienischen Regelung vorgesehenen Verpflichtungen keine Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Verordnung darstellten. Die Verordnung rechtfertige die Verpflichtungen daher nicht. Sie solle durch die Schaffung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Online- Geschäftsumfelds im Binnenmarkt zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beitragen. In diesem Kontext dürfe ein Mitgliedstaat nur Informationen sammeln, die mit den ihm durch die Verordnung auferlegten Verpflichtungen und den mit ihr verfolgten Zielen in Zusammenhang stünden.