Aus den Entscheidungsgründen: Es besteht bereits kein Verfügungsanspruch. Auf Grundlage der im einstweiligen Verfügungsverfahren gebotenen (OLG Köln, Beschluss vom 5. Juli 2024 – I-5 W 33/24 –, juris, Rn. 29; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Dezember 2024 – I-30 U 40/24 –, juris, Rn. 95; OLG Koblenz, Urteil vom 12. September 2007 – 1 U 223/07 –, juris, Rn. 14) summarischen Prüfung vermag der Senat keinen Unterlassungsanspruch aus § 2 UKlaG im Hinblick auf die – nach Klarstellung des Antrags durch den Verfügungskläger allein verfahrensgegenständlichen – First Party Data festzustellen.
a) Die Verfügungsbeklagte verstößt durch die Einbringung von Daten aus dem Social Media-Angebot Facebook und dem Social Media-Angebot Instagram in einen einheitlichen Datensatz zum Training ihrer KI nicht gegen ihre Pflichten aus Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA, da sie diese Daten hierdurch nicht im Rechtssinne „zusammenführt“.
aa) Die Verfügungsbeklagte ist unstreitig ein „Torwächter“ im Sinne des Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Ziffer 1 DMA. Sowohl bei dem Social Media-Angebot Facebook als auch bei dem Social Media-Angebot Instagram handelt es sich unstreitig um zentrale Plattformdienste der Verfügungsbeklagten.
bb) Nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA darf ein Torwächter personenbezogene Daten aus dem betreffenden zentralen Plattformdienst nicht mit personenbezogenen Daten aus weiteren zentralen Plattformdiensten oder aus anderen vom Torwächter bereitgestellten Diensten oder mit personenbezogenen Daten aus Diensten Dritter zusammenführen. Damit wird ein Verbot jeglicher Zusammenführung statuiert (Podszun, in: Podszun, DMA, 2023, § 5 Rn. 17; Louven, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 01.08.2023, Art. 5 Rn. 23).
Der Begriff der „Zusammenführung“ ist im DMA (und auch in der DSGVO) nicht legal definiert (vgl. Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 96). Der Senat, der im Eilverfahren weder die Möglichkeit der Einholung einer Stellungnahme der Kommission (Art. 39 Abs. 1 DMA) noch der Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hatte, geht davon aus, dass die von der Verfügungsbeklagten angekündigte Einbringung von teilweise deidentifizierten und zerlegten Daten aus zwei zentralen Plattformdiensten in einen unstrukturierten Trainingsdatensatz für eine KI keine Zusammenführung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA ist. Es fehlt an der gezielten Verknüpfung von personenbezogenen Daten eines Nutzers aus einem zentralen Plattformdienst mit personenbezogenen Daten desselben Nutzers aus dem anderen zentralen Plattformdienst. Auf Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit c) DMA hat sich der Verfügungskläger nicht berufen.
Der Senat verkennt nicht, dass im deutschen Schrifttum teilweise vertreten wird (Hacker, GRUR 2022, 1278, 1279; Wielsch, in: Mast u.a., DSA, DMA, 2024, Art. 5 Abs. 2 DMA Rn. 60), dass die die Verbindung von Datensätzen aus Plattformdiensten zum verbesserten Training von KI eine „Zusammenführung“ im genannten Sinne darstellen soll. Hierfür spricht, dass der spezifische Nutzen der besonderen Möglichkeit, Daten zu aggregieren und damit „Verbundvorteile“ (Becker in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 94; zu Verbundvorteilen bei der KI-Anwendungen, vgl. KönigBorges/Keil, Rechtshandbuch Big Data, 2024, Rn. 9) zu erzielen, bei einer solchen Datennutzung thematisiert ist. Die Ausnutzung solcher Vorteile soll von Art. 5 Abs. 2 DMA verhindert werden (vgl. Erwägungsgrund 36 zum DMA).
Dennoch sprechen aus Sicht des Senats überwiegende Gründe gegen die Annahme, dass eine bloße Einbringung von teilweise deidentifizierten und zerlegten Daten aus zwei Plattformdiensten in einen KI-Trainingsdatensatz bereits als Zusammenführung im Rechtssinne gewertet werden kann. Die bloße Einschlägigkeit des Schutzzwecks bedeutet noch nicht, dass der Fall von der Norm auch erfasst wird. Insbesondere enthält Art. 5 DMA gerade keine Generalklausel, sondern eine „erschöpfende Enumeration“ (Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 13) von Tatbeständen, um die Durchsetzung der Regelungen zu erleichtern und die Rechtssicherheit zu erhöhen (aaO, Rn. 13). Insoweit kommt es darauf an, ob gerade der hier zu entscheidende Fall durch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA normiert ist.
Erforderlich ist insoweit eine gezielte Verbindung von Daten gerade derselben Person (so auch: Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 96). Unbehelflich mag insoweit noch ein Abgleich mit der englischen Sprachfassung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA sein. Soweit dort von „combining“ die Rede ist, kann hierunter sowohl ein bloßes Zusammenfassen von personenbezogenen Daten aus zwei zentralen Plattformdiensten in einem Datensatz als auch eine gezielte „Kombination“ gerade von Daten ein- und derselben Person gefasst werden. Auch der insoweit maßgebliche Erwägungsgrund 36 der DMA gibt keine Hinweise. Insbesondere ist dem Erwägungsgrund ein spezifischer Zweck, die Verbindung von Daten im Rahmen des Trainings von KI-Systemen einzuschränken, nicht zu entnehmen. Es ist, worauf die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung mit Recht hingewiesen hat, nicht ersichtlich, dass dem Gesetzgeber bei Schaffung des Art. 5 Abs. 2 DMA die spezifischen Fragen im Zusammenhang mit Datenverarbeitungen zum Zwecke der Entwicklung und Verbesserung von Systemen künstlicher Intelligenz vor Augen gestanden haben. Mit der vom Senat vertretenen Auslegung der Vorschrift steht es ferner in Einklang, dass in einer Entscheidung der Kommission vom 23. April 2025 (C(2025) 2091) ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass das Zusammenführen Daten derselben Person betrifft. Dort heißt es:
Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.
Wenngleich sich aus dieser Entscheidung, die dem Senat durch die Verfügungsbeklagte aufgrund einer vor Veröffentlichung durch die Kommission bestehenden Vertraulichkeit nicht vollständig vorgelegt werden konnte, keine Hinweise – in die eine oder andere Richtung – ergeben, ob diese Begriffsbestimmung abschließend zu verstehen ist, sprechen für ein solches Verständnis im Sinne eines Schutzes vor der Erstellung von Nutzerprofilen die besseren Gründe. Aus der Gesetzeshistorie folgt, dass Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit a) und b) DMA insbesondere die in dem Facebook-Verfahren des Bundeskartellamtes (vgl. hierzu die erst nach Erlass der DMA ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Juli 2023 (Az. C-252/21)) zugrundeliegende Konstellation einer plattformübergreifenden „Personalisierung mittels Datenzusammenführung“ zugrunde liegt (Bueren/Weck, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 2023, Art. 5 DMA Rn. 59 und 80; Louven, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 01.08.2023, Art. 5 Rn. 17; Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 72). Dies spricht dafür, dass ein „Zusammenführen“ von Daten allein im Fall ihrer Verbindung im Rahmen von Nutzerprofilen, nicht aber bei ihrer – wie hier – nicht näher zugeordneten und sogar deidentifizierten Einbringung in ein einheitliches „Datensilo“ anzunehmen ist. Nur bei dem erstgenannten Verständnis erklärt sich auch die Möglichkeit der betroffenen Nutzer, in eine Zusammenführung einzuwilligen (vgl. auch Göhsl/Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 2025, Art. 5 DMA Rn. 31). Nach Art. 5 Abs. 2 DMA ist die Zusammenführung der Daten rechtmäßig, wenn „dem Endnutzer“ die spezifische Wahl gegeben wurde und „er“ eingewilligt hat. Die Vorschrift geht also davon aus, dass ein Endnutzer in die Zusammenführung von Daten aus mehreren Quellen einwilligt und die Zusammenführung dann rechtmäßig ist. Auch daran zeigt sich, dass die Vorschrift auf den Fall der gezielten Verknüpfung von Daten ein und desselben Nutzers zugeschnitten ist.
b) Der Senat vermag ferner nicht festzustellen, dass die von der Verfügungsbeklagten beabsichtigte und von dem Verfügungskläger angegriffene Verarbeitung personenbezogener Daten nicht rechtmäßig (Art. 5 Abs. 1 lit a) DSGVO) wäre und damit Datenschutzrecht verletzen würde.
aa) Die datenschutzrechtlichen Anforderungen werden durch die – zwar in Kraft getretene, aber ohnehin noch nicht vollständig anwendbare (vgl. Art. 113 der Verordnung) – Verordnung (EU) 2024/1689 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 300/2008, (EU) Nr. 167/2013, (EU) Nr. 168/2013, (EU) 2018/858, (EU) 2018/1139 und (EU) 2019/2144 sowie der Richtlinien 2014/90/EU, (EU) 2016/797 und (EU) 2020/1828 (Verordnung über künstliche Intelligenz; im Folgenden: KI-VO) nicht verdrängt. Nach deren Art. 2 Abs. 7 S. 2 berührt die KI-VO die DSGVO grundsätzlich nicht (vgl. im Einzelnen etwa Schwartmann/Keber/Köhler in: Schwartmann u.a., DSGVO, 2024, Anhang 3 Rn. 37 ff.; Schwartmann/Köhler, in: Schwartmann u.a., KI-VO - Leitfaden, 2024, 2. Teil, 3. Kapitel Rn. 3; Golland, EuZW 2024, 846, 853).
Gleiches gilt für eine etwaige Verdrängung der DSGVO durch Art. 5 Abs. 2 DMA. Dieser verdrängt die Regelungen aus der DSGVO nicht, beide Regelungsmaterien gelten parallel (Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925, Rn. 86; Podszun in: Podszun, DMA, Art. 5 Abs. 2 Rn. 31.).
bb) Die Verfügungsbeklagte beabsichtigt im Rahmen des Trainings der von ihr entwickelten KI Nutzerdaten und damit – was sie selbst auch nicht in Abrede stellt – personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO zu nutzen. Insoweit verarbeitet die Verfügungsbeklagte als Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO personenbezogene Daten (mit gleichem Ergebnis für eine solche Konstellation auch: Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO, 2025, Art. 4 EUV 2016/679, Rn. 54a; Golland, EuZW 2024, 846, 847; Hüger, ZfDR 2024, 263, 267; Dieker, ZD 2024, 132, 133; Landesbeauftragte BW, Diskussionspapier: Rechtsgrundlagen im Datenschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, 17. Oktober 2024, S. 10 ff.).
cc) Die von der Verfügungsbeklagten beabsichtigte Datenverarbeitung ist bei summarischer Prüfung allerdings rechtmäßig, da sie sich, was entscheidend ist, da andere Rechtsgrundlagen nicht ersichtlich sind, auf den Rechtfertigungsgrund des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO stützen kann.
aaa) Speziellere, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO verdrängende Rechtsgrundlagen zum Training von KI mittels Nutzerdaten ergeben sich insbesondere nicht aus der KI-VO (vgl. insoweit Erwägungsgrund 63, S. 3 zur KI-VO; hierzu auch: Schwartmann/Mühlenbeck/Pieper in: Schwartmann u.a., DSGVO, 2024, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 288; Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO, 2025, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 119a). Auch aus der DSGVO ergeben sich keine vorrangigen Rechtsgrundlagen. Soweit in der Literatur gelegentlich Art. 6 Abs. 4 DSGVO für Datenverarbeitungen im Bereich der KI-Trainings herangezogen wird (vgl. die – kritische – Darstellung - bei Schwartmann/Mühlenbeck/Pieper in: Schwartmann u.a., DSGVO, 2024, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 307 und Schulz, in: Gola/Heckmann, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2022, Art. 6 Rn. 152), hat sich die Verfügungsbeklagte hierauf bereits nicht berufen. Art. 6 Abs. 4 DSGVO bietet richtigerweise zudem bereits keinen eigenen Erlaubnistatbestand (so wohl: EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-667/21 – juris, Rn. 75; aus der Literatur vgl. Schwartmann/Mühlenbeck/Pieper in: Schwartmann u.a., DSGVO, 2024, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 239 mit Nachweisen zur Gegenauffassung; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2024, Art. 6 Rn. 69; Albers/Veit, in: Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, BeckOK, Datenschutzrecht, 01.02.2025, Art. 6 Rn. 107 f.).
bbb) Bei einer summarischen Prüfung ist die streitgegenständliche Datenverarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Verfügungsbeklagten erforderlich und überwiegen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht.
Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 4.- Juli 2023 – C-252/21 – Rn. 106) ergibt sich folgende Prüfungstrias: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen.
Auf dieser Grundlage vermag der Senat auf Basis einer summarischen Prüfung nicht festzustellen, dass Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO die von der Verfügungsbeklagten beabsichtigte Datenverarbeitung nicht zu rechtfertigen vermag.
ccc) Die Verfügungsbeklagte verfolgt mit dem Training einer von ihr entwickelten KI mit den von ihren Nutzern in deren Nutzerkonten veröffentlichen Daten ein berechtigtes Interesse.
(1.) Als berechtigte Interessen kommen neben rechtlichen und ideellen insbesondere auch wirtschaftliche Belange in Betracht (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-621/22 –, juris, Rn. 47; Hüger, ZfdR 2024, 263, 272). In seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2024 hat der Ausschuss Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO auf dieser Basis als taugliche Grundlage angesehen, KI-Modell mit Datensätzen, die personenbezogene Daten enthalten, zu trainieren und hat das entsprechende Interesse damit als berechtigt angesehen. Diese Auffassung hat der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2025 geteilt (entsprechend der ganz h.M. so etwa auch: Landesbeauftragte BW, Diskussionspapier: Rechtsgrundlagen im Datenschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, 17. Oktober 2024, S. 21: „regelmäßig anzunehmen“; Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO, 2025, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 119a; Keber, in: Schwartmann u.a., KI-VO - Leitfaden, 2024, 2. Teil, Kapitel 3 Rn. 28; Golland, EuZW 2024, 846, 849; Dieker, ZD 2024, 132, 134).
(2.) Erforderlich ist weiter, dass das Interesse hinreichend klar und präzise formuliert und real und gegenwärtig und nicht bloß spekulativ ist (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-621/22 –, juris, Rn. 49).
Diese Voraussetzungen sind auf Basis einer summarischen Prüfung erfüllt.
Die Verfügungsbeklagte hat beschrieben, die Möglichkeiten generativer KI nutzen zu wollen, um einen Gesprächsassistenten bereitzustellen, der etwa Antworten in Echtzeit für Chats, Hilfe bei der Organisation und Planung etwa eines Urlaubs bis hin zu Hilfen bei der Formulierung von Texten bietet. Hierzu soll die KI an regionale Gepflogenheiten angepasst werden. Zudem sollen Inhalte wie etwa Texte, Bilder und Audios erstellt werden können. Da die Verfügungsbeklagte mit dem entsprechenden Training zeitlich unmittelbar beginnen möchte, ist das entsprechend konkret beschriebene Interesse auch gegenwärtig und nicht bloß spekulativ.
(3.) Damit die Wahrnehmung dieses Interesses eine Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO rechtfertigen kann, ist ferner ist erforderlich, dass die Verfügungsbeklagte allen anderen, ihr obliegenden Pflichten aus der DSGVO nachkommt (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-621/22 –, juris, Rn. 50).
Auf solche weiteren datenschutzrechtlichen Anforderungen, die im Rahmen des Trainings von KI-Modellen zu beachten sind (etwa: Grundsatz der Datenrichtigkeit, Art. 5 Abs. 1 lit d) DSGVO; Grundsatz der Zweckbindung, Art. 5 Abs. 1 lit b) DSGVO; Transparenzgrundsatz, Art. 5 Abs. 1 lit a) Var. 3 DSGVO und Art. 12 ff. DSGVO; vgl. Paal, ZfDR 2024, 129, 141 ff.), beziehen sich die Angriffe des Verfügungsklägers nicht im Schwerpunkt. Oftmals erscheint eine Beachtung auch noch im Rahmen des Betriebs der KI möglich. Unabhängig von einer Anwendbarkeit des Art. 14 Abs. 5 lit b) DSGVO ist den Transparenzerfordernissen (Art. 12 ff. DSGVO) durch die von der Verfügungsbeklagten umfangreich zur Verfügung gestellten Informationen (Anlage AG 8, 22 bis 29) Rechnung getragen. Ferner kommt es nicht darauf an, ob die Verfügungsbeklagte gegen eine – in Art. 83 Abs. 4 lit a) DSGVO allerdings bußgeldbewehrte – Pflicht zur Einholung einer Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO verstoßen hat. Diese ist – wie sich aus ihrer Stellung in Kapitel IV der DSGVO ergibt, dessen Anforderungen der Europäische Gerichthof nicht als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Datenschutzverordnung erachtet (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 – C-60/22 -, juris, Rn. 62; Hansen, in: Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, BeckOK Datenschutzrecht, 01.02.2024, Art. 35 Rn. 76a) – keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Datenverarbeitung (BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 – B 1 KR 7/20 R –, juris, Rn. 84 mwN.; Karg, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 2025, Art. 35 Rn. 104; Nolte/Werkmeister, in: Gola/Heckmann, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2022, Art. 35 Rn. 74).
ddd) Die entsprechende Datenverarbeitung erweist sich bei einer summarischen Prüfung auch – unter gemeinsamer Prüfung mit dem Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Absatz 1 lit c) DSGVO (vgl. hierzu EuGH Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21 -, juris, Rn. 109; EuGH, Urt. v. 9.1.2025 - Rs. C-394/23, Rn. 48f.) – als erforderlich.
Mit dieser Ansicht steht der Senat im Wesentlichen im Einklang mit der in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2025 geschilderten Auffassung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, der eine Erforderlichkeit im Grundsatz anerkannte und lediglich Zweifel hinsichtlich der Verwendung besonders eingriffsintensiver Daten äußerte (etwa Nummernschilder von Fahrzeugen, Kreditkartennummern).
Eine Datenverarbeitung ist erforderlich, wenn sie zur Erreichung des Interesses des Verarbeiters geeignet ist und es keine weniger in die Privatsphäre eingreifende Möglichkeit gibt, den entsprechenden Zweck zu erreichen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21 -, juris, Rn. 108).
Hierfür ist – worauf der Verfügungskläger mit Recht hinweist – die Verfügungsbeklagte beweisbelastet (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2024 - C-757/22 -, Rn. 52; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. November 2023 - 4 U 20/23 -, juris, Rn. 182 ff). Die entsprechenden Verfahrensvorschriften ergeben sich mangels konkreter Regelungen im europäischen Recht aus dem nationalen Recht. § 5 UKlaG verweist insoweit auf die Zivilprozessordnung. Für die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Glaubhaftmachung besteht insoweit eine Abweichung vom Regelbeweismaß der vollen Überzeugung von der Wahrheit einer Tatsache. Es genügt, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist, d.h., dass etwas mehr für das Vorliegen der Tatsache spricht als gegen sie (Kessen, in: Kessen/Tholen, KK-Vorläufiger Rechtsschutz, § 920 Rn. 19; Kessen, aaO., § 935 Rn. 9). Ob das Beweismaß erreicht ist, beurteilt das Gericht in freier Würdigung (Kessen, in: Kessen/Tholen, KK-Vorläufiger Rechtsschutz, § 920 Rn. 21; Kessen, aaO., § 935 Rn. 9).
Nach diesen Maßstäben hat der Senat keine Zweifel, dass das Training der von der Verfügungsbeklagten entwickelten KI mit den Nutzerdaten geeignet ist, die aufgezeigten, mit ihm verfolgten Zwecke zu erreichen, d.h. eine generative KI optimiert an regionale Gepflogenheiten anzubieten und in die Dienste der Verfügungsbeklagten zu implementieren.
Im Hinblick auf weniger in die Privatsphäre eingreifende – aber gleich geeignete – Möglichkeiten der Zielerreichung hat zwar der Verfügungskläger entsprechend der Stellungnahme vom 17. Dezember 2024 des Ausschusses (Rn. 75; ähnlich auch: Landesbeauftragte BW, Diskussionspapier: Rechtsgrundlagen im Datenschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, 17. Oktober 2024, S. 22) auf die Möglichkeit des Trainings mittels anonymisierter oder sog. synthetischer Daten hingewiesen. Zudem hat der Verfügungskläger vorgetragen, die Verfügungsbeklagte könne das Training der KI auf sog. Flywheel-Daten beschränken. Ferner hat er vorgetragen, die Erforderlichkeit müsse hinsichtlich jedes einzelnen Datenpunktes gegeben sein. Angesichts der Vielzahl der für das Training der KI erhobenen Daten sei nicht dargetan, dass jeder einzelne Datenpunkt erforderlich sei.
Dennoch erscheint dem Senat der mittels eidesstattlicher Verfügung glaubhaft gemachte Vortrag der Verfügungsbeklagten, dass es
„keine andere sinnvolle Alternative für Meta [gibt], um seine Interessen ebenso wirksam mit anderen, milderen Mittel zu verfolgen und zu erreichen. Meta hat zur Zielerreichung verfügbare Alternativen geprüft [im übersetzten Original: „considered available alternative ways], die eine weniger intensive Nutzung personenbezogener Daten ermöglichen würden“
als überwiegend wahrscheinlich. Die Notwendigkeit des Trainings großer generativer KI-Modelle mit „riesigen Mengen an Text, Bildern, Videos und anderen Daten“ ist im Erwägungsgrund 105 der KI-VO ausdrücklich anerkannt (vgl. zu dem erforderlichen Einsatz von Massendaten aus dem juristischen Schrifttum etwa Paal, ZfDR 2024, 129, 141). Der Vortrag der Verfügungsbeklagten wird im Hinblick auf eine fehlende Möglichkeit zur Anonymisierung durch Stellungnahmen im juristischen Schrifttum bestätigt, die eine solche für unpraktikabel halten (vgl. Paal, ZfDR 2024, 129, 136; Dieker, ZD 2024, 132, 134; Schürmann ZD 2022, 316, 317). Im Hinblick auf den bloßen Einsatz von sog. Flywheel-Daten ist es kaum plausibel, dass die so zu erzielende, deutlich geringere Menge an Daten im Vergleich zu dem vorhandenen Datenbestand aus aktiven Nutzerkonten zu vergleichbaren Ergebnissen beim Training der KI führt. Das insoweit ein „minderwertiges Produkt“ entstehen würde, hat die Verfügungsbeklagte mit eidesstattlicher Versicherung des Direktors GenAI Produkt Management bei Meta Platforms Inc, U. R., vom 18. Mai 2025 (Anlage AG 42) ebenso glaubhaft gemacht, wie die fehlende Gleichwertigkeit des Rückgriffs auf synthetische Daten (eidesstattliche Versicherung vom 21. Mai 2025, Anlage AG 45). Dem ist der Verfügungskläger nicht substantiiert entgegengetreten. Eine Pflicht, die Erforderlichkeit bezüglich jedes Datenpunktes zu belegen, trifft die Verfügungsbeklagte nicht. Das Training einer KI erfordert die Verwendung von Massen von Daten zur Generierung von Mustern und Wahrscheinlichkeitsparametern (Schwartmann/Köhler, in: Schwartmann u.a., KI-VO - Leitfaden, 2024, 2. Teil Kapitel 3 Rn. 9). Insoweit kommt dem einzelnen Datum im Zweifel kaum je ein messbarer Einfluss zu (vgl. insoweit Paal, ZfDR 2024, 129, 141: „Prüfung der Erforderlichkeit für jedes einzelne Datum weder zielführend noch praktikabel“). Der Senat geht – wie dargelegt – in Übereinstimmung mit dem Ausschuss und der ganz h.M. davon aus, dass Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO ein tauglicher Rechtfertigungsgrund für Datenverarbeitung zum Training von KI sein kann. Unmöglich zu erfüllende Anforderungen würden diese Annahme konterkarieren und dürfen nicht aufgestellt werden. Zwar werden in der Literatur teilweise Möglichkeiten diskutiert, die die Diskrepanz zwischen dem „Datenhunger“ des KI-Trainings und dem Grundsatz der Datenminimierung auflösen (vgl. insoweit Paal, ZfDR 2024, 129, 141 mwN). Im Rahmen der im Eilrechtsschutz zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten sieht der Senat aber keine hinreichend verlässlichen Alternativen. Soweit erwogen werden kann, den Grundsatz der Erforderlichkeit auf die Art der verarbeiteten Daten zu beziehen, also die Verarbeitung personenbezogener Daten möglichst zu meiden (vgl. Hüger, ZfDR 2024, 263, 273), hat die Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht, auf Methoden der Deidentifizierung der in den Trainingsdatensatz eingestellten Daten zurückzugreifen. Damit wird auch den geschilderten Bedenken des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Rechnung getragen. Soweit in der Literatur die häufig durchgeführte Form der Datensammlung durch Web-Scraping und Crawling als die „effektivste“ Form (Dieker, ZD 2024, 132,134) der Datensammlung angesehen wird, kommt es hierauf nicht an: Diese wäre mit deutlich erheblicheren Eingriffen in die Rechte der Betroffenen verbunden, da die von der Verfügungsbeklagten implementierten Abschwächungsmaßnahmen insoweit nicht greifen würden. Zudem beabsichtigt die Verfügungsbeklagte gerade ein Training mit „regionalen“ Daten, sodass diese Art der Datengewinnung nicht gleich geeignet wäre.
Das OLG Köln hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass Meta Daten aus öffentlichen Profilen bei Facebook und Instagram für das KI-Training verwenden darf. Das Gericht sah insbesondere keinenn Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO und des DMA.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Meta darf Daten aus öffentlich gestellten Nutzerprofilen für KI-Training verwenden
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat heute (23.05.2025) in einem Eilverfahren einen Antrag der Verbraucherzentrale NRW e.V. gegen den Mutterkonzern von "Facebook" und "Instagram" abgelehnt, mit dem eine Verarbeitung öffentlich gestellter Nutzerdaten ab der kommenden Woche verhindert werden sollte.
Im April 2025 kündigte die Meta Platforms Ireland Limited (nachfolgend: Meta) öffentlich an, ab dem 27.05.2025 personenbezogene Daten aus öffentlichen Profilen ihrer Nutzer zum Training von Künstlicher Intelligenz zu verwenden. Meta betreibt unter anderem die Dienste "Facebook" und "Instagram". Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. ist ein qualifizierter Verbraucherverband. Sie geht mit ihrem Antrag vom 12.05.2025 auf Grundlage des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) gegen Meta vor. Betroffen sind Daten von Verbrauchern und von Dritten in öffentlich gestellten Profilen, soweit die Nutzer keinen Widerspruch eingelegt haben.
Nach vorläufiger und summarischer Prüfung im Rahmen des am 12.05.2025 eingeleiteten Eilverfahrens liegt weder ein Verstoß von Meta gegen Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) noch gegen den Digital Markets Act (DMA) vor. Diese Einschätzung stimmt mit der aufsichtsrechtlichen Bewertung durch die für Meta zuständige irische Datenschutzbehörde überein. Diese führt wegen des Sachverhalts keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen durch und hat angekündigt, die Handlungen zu begleiten. Hinsichtlich der Daten, die von Nutzern nach Mitte des Jahres 2024 öffentlich gestellt wurden, sieht auch der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit die Verarbeitung als rechtlich möglich an. Er wurde in der mündlichen Verhandlung am 22.05.2025 angehört.
Die angekündigte Verwendung der Daten für KI-Trainingszwecke stellt sich bei vorläufiger Betrachtung auch ohne Einwilligung der Betroffenen als rechtmäßig im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f) DSGVO dar. Meta verfolgt mit der Verwendung zum Training von Systemen Künstlicher Intelligenz einen legitimen Zweck. Dieser Zweck kann nicht durch gleich wirksame andere Mittel, die weniger einschneidend wären, erreicht werden. Unzweifelhaft werden für das Training große Datenmengen benötigt, die nicht zuverlässig vollständig anonymisiert werden können. Im Rahmen der Abwägung der Rechte von Nutzern und Meta als Betreiberin überwiegen die Interessen an der Datenverarbeitung. Diese heutige Bewertung beruht unter anderem auf einer Stellungnahme des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) aus Dezember 2024, welcher die Beklagte durch verschiedene Maßnahmen Rechnung getragen hat. Es sollen ausschließlich öffentlich gestellte Daten verarbeitet werden, die auch von Suchmaschinen gefunden werden. Der Umstand, dass große Mengen von Daten, auch von Dritten einschließlich Minderjährigen und auch sensible Daten im Sinne des Art. 9 DSGVO, betroffen sind, überwiegt bei der Abwägung nicht. Meta hat insoweit wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen, welche den Eingriff wesentlich abmildern. Die geplante Verarbeitung wurde bereits im Jahre 2024 angekündigt. Die Nutzer wurden über die Apps und - soweit möglich - auf anderem Wege informiert. Sie haben die Möglichkeit, die Datenverarbeitung durch Umstellung ihrer Daten auf "nicht-öffentlich" oder durch einen Widerspruch zu verhindern. Die verwendeten Daten enthalten keine eindeutigen Identifikatoren wie Name, E-Mail-Adresse oder Postanschrift einzelner Nutzer.
Nach Ansicht des Senats liegt bei vorläufiger und summarischer Prüfung im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens auch kein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 DMA vor. Es fehlt bei vorläufiger rechtlicher Würdigung an einer "Zusammenführung" von Daten, weil Meta im Rahmen der beabsichtigten Vorgehensweise keine Daten aus Nutzerprofilen bei verschiedenen Diensten oder aus anderen Quellen im Hinblick auf einen einzelnen konkreten Nutzer kombiniert. Insoweit fehlt es an einschlägiger Rechtsprechung. Dem Senat war im Eilverfahren auch keine in der Rechtsgrundlage vorgesehene Kooperation mit der Europäischen Kommission möglich.
Das heutige Urteil ist in einem Eilverfahren infolge einer summarischen Prüfung ergangen. Es gelten hier abweichende rechtliche Anforderungen, insbesondere an die Beurteilung von streitigem Tatsachenvortrag. Die Parteien können ihre Rechte in einem gesonderten Hauptsacheverfahren wahrnehmen.
Das heute verkündete Urteil ist rechtskräftig. Die Revision zum Bundesgerichtshof findet nicht gegen Entscheidungen eines Oberlandesgerichts im einstweiligen Rechtschutz statt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Für Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz sind die Oberlandesgerichte in erster Instanz zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Köln folgt aus dem behaupteten Ort des drohenden Verstoßes gegen Verbraucherschutzgesetze (vergleiche § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UKlG).
Die EU-Kommission hat entschieden, dass TikTok / Bytedance nach vorläufiger Feststellung gegen den Digital Services Act (DSA) verstößt (hier: Fehlendes Repository für Werbung).
Die Pressmeitteilung der EU_Kommission: Kommission stellt vorläufig fest, dass das Anzeigenregister von TikTok gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt
Die Kommission hat TikTok heute von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen der Verpflichtung des Gesetzes über digitale Dienste (DSA),ein Repository für Werbung zu veröffentlichen, nicht nachkommt. Ein solches Repository für Werbung ist für Forscher und die Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung, um Betrugsanzeigen, hybride Bedrohungskampagnen sowie koordinierte Informationsoperationen und gefälschte Werbung, auch im Zusammenhang mit Wahlen, zu erkennen.
Die Kommission hat festgestellt, dass TikTok nicht die erforderlichen Informationen über den Inhalt der Anzeigen, die von den Anzeigen angesprochenen Nutzer und die für die Anzeigen bezahlten Nutzer bereitstellt. Darüber hinaus erlaubt das Repository von TikTok der Öffentlichkeit nicht, auf der Grundlage dieser Informationen umfassend nach Werbung zu suchen, wodurch der Nutzen des Tools eingeschränkt wird.
Die vorläufigen Feststellungen der Kommission beruhen auf einer eingehenden Untersuchung, die unter anderem die Analyse interner Unternehmensdokumente, die Erprobung der Tools von TikTok und Interviews mit Experten auf diesem Gebiet umfasste. Mit der Übermittlung vorläufiger Feststellungen teilt die Kommission TikTok ihre vorläufige Auffassung mit, dass sie gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt. Dies gilt unbeschadet des Ergebnisses der Untersuchung.
Die nächsten Schritte
TikTok hat nun die Möglichkeit, seine Verteidigungsrechte auszuüben, indem es die Unterlagen in der Untersuchungsakte der Kommission prüft und schriftlich auf die vorläufigen Feststellungen der Kommission antwortet. Parallel dazu wird das Europäische Gremium für digitale Dienste konsultiert.
Sollte sich die vorläufige Auffassung der Kommission letztlich bestätigen, kann die Kommission eine Entscheidung über die Nichteinhaltung erlassen, die eine Geldbuße von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des Anbieters sowie einen erweiterten Überwachungszeitraum auslösen kann, um die Einhaltung der Maßnahmen zu gewährleisten, die der Anbieter zur Behebung des Verstoßes zu ergreifen beabsichtigt. Die Kommission kann auch Zwangsgelder verhängen, um eine Plattform zur Einhaltung zu zwingen.
Hintergrund
Am 19. Februar 2024 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren ein, um zu prüfen, ob TikTok möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat. Neben der Werbetransparenz betraf die Einleitung des Verfahrens auch die negativen Auswirkungen, die sich aus der Gestaltung der algorithmischen Systeme von TikTok (wie „Hasenlocheffekte“ und Verhaltenssucht), der Alterssicherung, der Verpflichtung zur Gewährleistung eines hohen Maßes an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz für Minderjährige und dem Datenzugriff für Forscher ergeben, für die die Untersuchung fortgesetzt wird.
Darüber hinaus hat die Kommission im Dezember 2024 ein förmliches Verfahren gegen TikTok wegen des Risikomanagements im Zusammenhang mit Wahlen und dem zivilgesellschaftlichen Diskurs eingeleitet, für das die Untersuchung fortgesetzt wird. Diese Untersuchungen werden von der Kommission vorrangig durchgeführt.
Die Kommission hat auch ein Hinweisgeber-Tool eingerichtet, das es Mitarbeitern und anderen Personen mit Kenntnissen ermöglicht, sich anonym an die Kommission zu wenden, um zur Überwachung der Einhaltung durch die Kommission durch benannte sehr große Online-Plattformen (VLOPs) und sehr große Online-Suchmaschinen (VLOSEs) beizutragen.
Der BGH hat entschieden, dass Apple eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB hat und somit die entsprechende Entscheidung des Bundeskartellamtes bestätigt.
Die Pressemitteilung des BGH: Bundesgerichtshof bestätigt Apples überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Feststellung des Bundeskartellamts bestätigt, dass Apple eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat. Er hat damit zum zweiten Mal über eine Beschwerde gegen eine Feststellung nach § 19a Abs. 1 GWB entschieden. Die Regelung des § 19a GWB, die der Modernisierung und Stärkung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht dient, sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Danach kann das Bundeskartellamt in einem ersten Schritt die überragende marktübergreifende Bedeutung des Unternehmens für den Wettbewerb feststellen (§ 19a Abs. 1 GWB) und dem betroffenen Unternehmen in einem zweiten Schritt bestimmte Verhaltensweisen untersagen (§ 19a Abs. 2 GWB).
Sachverhalt:
Apple ist ein US-amerikanisches Technologieunternehmen, das insbesondere Computer und Smartphones mit dazugehörigen Betriebssystemen sowie Anwendungssoftware und Unterhaltungselektronik entwickelt und weltweit vertreibt. Mit einer Börsenkapitalisierung von über 3 Billionen USD ist Apple das wertvollste Unternehmen der Welt. Im Geschäftsjahr 2022 lagen der Umsatz des Konzerns bei 394,3 Mrd USD, der Gewinn bei knapp 95 Mrd USD und die liquiden Mittel bei mehr als 180 Mrd USD. Apple beschäftigt rund 150.000 Mitarbeiter und hat in den letzten zehn Jahren weit mehr als 50 Unternehmen übernommen. Zu den von Apple produzierten und vertriebenen Hardwareprodukten gehören insbesondere das iPhone, das iPad, die Mac-Computer und verschiedene Wearables wie die Apple Watch. Mit dem iPhone erzielt der Konzern über die Hälfte seines Umsatzes. Seit der Markteinführung 2007 bis 2021 wurden weltweit mehr als 2 Mrd iPhones verkauft, etwa die Hälfte davon zwischen 2017 und 2021. Für seine Hardware-Produkte hat Apple anderen Geräteherstellern nicht zugängliche und damit "proprietäre" Betriebssysteme entwickelt, die auf den Geräten vorinstalliert und für deren Nutzung grundsätzlich unverzichtbar sind. Desweiteren stellt Apple den Nutzern seiner Geräte eine Vielzahl selbstentwickelter und in der Regel vorinstallierter Softwareprodukte zur Verfügung. Zudem betreibt Apple den auf den Endgeräten vorinstallierten Apple App Store, die zentrale digitale Vertriebsinfrastruktur für von Dritten entwickelte Anwendungssoftware, und bietet verschiedene Online-Dienste an, unter anderem den Musik-Streamingdienst Apple Music, den Video-Streamingdienst Apple TV+ und den Bezahldienst Apple Pay.
Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 3. April 2023 (B 9-67/21) festgestellt, dass der Apple Inc. einschließlich aller mit ihr verbundenen Unternehmen (Apple) eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinn des § 19a Abs. 1 GWB zukommt. Die Feststellung ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet. Gegen diesen Beschluss haben die Apple Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Beschluss aufzuheben.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Beschwerde, über die der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in erster und letzter Instanz zu entscheiden hatte (§ 73 Abs. 5 Nr. 1 GWB), hatte keinen Erfolg. Das Bundeskartellamt hat zu Recht gemäß § 19a Abs. 1 GWB festgestellt, dass Apple in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB tätig ist und dem Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt.
Mit dem Betrieb des App Store und mit seinen mobilen Betriebssystemen wie iOS für das iPhone und iPadOS für das iPad ist Apple in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten tätig. Mehrseitige Märkte im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB sind nicht nur Plattformen, auf denen Geschäftsabschlüsse zwischen verschiedenen Nutzergruppen stattfinden oder vermittelt werden. Es genügt, dass durch die Plattform die Aufmerksamkeit einer Nutzergruppe auf die andere gelenkt oder eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen technisch ermöglicht wird. Der Umfang von Apples Tätigkeit auf solchen Plattformen ist auch erheblich. Im Geschäftsjahr 2020 waren im Apple App Store rund 1,7 Mio Apps verfügbar, die 2020 über 30 Mrd mal heruntergeladen wurden. Mit den im Apple App Store verfügbaren Apps und angebotenen Leistungen wurden im Jahr 2020 insgesamt mehr als 640 Mrd USD umgesetzt. Apple erzielte im Geschäftsjahr 2021 allein durch den App Store einen Nettoerlös von über 15 Mrd USD.
Apple kommt eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb gemäß § 19a Abs. 1 GWB zu. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 23. April 2024 (KVB 56/22, BGHZ 240, 227 - Amazon) entschieden hat, muss für eine solche Feststellung weder eine konkrete Gefahr für den Wettbewerb bestehen oder dieser bereits beeinträchtigt sein, noch setzt sie voraus, dass das adressierte Unternehmen sein wettbewerbliches Potential ausnutzt. Die Norm will dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle derjenigen großen Digitalunternehmen ermöglichen, deren Ressourcen und strategische Positionierung ihnen potentiell erlauben, erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter zu nehmen, den Wettbewerbsprozess zum eigenen Vorteil zu verfälschen sowie ihre bestehende Marktmacht auf immer neue Märkte und Sektoren zu übertragen. Daher reicht es aus, dass dem Unternehmen die strategischen und wettbewerblichen Möglichkeiten offenstehen, deren abstraktes Gefährdungspotential durch § 19a Abs. 1 GWB adressiert wird. Das Bundeskartellamt hat zutreffend festgestellt, dass Apple über solche strategischen und wettbewerblichen Potentiale verfügt. Apple zählt zu den größten, umsatzstärksten und profitabelsten Unternehmen weltweit; ihm stehen außerordentliche finanzielle und sonstige Ressourcen zur Verfügung. Ausgehend von seinen hochwertigen und hochpreisigen Hardwaregeräten, insbesondere dem iPhone, von denen weltweit mehr als eine Milliarde in Gebrauch sind und die beständig sehr hohe Absatzzahlen aufweisen, sowie den dafür entwickelten proprietären Betriebssystemen erstreckt Apple seine geschäftlichen Aktivitäten in diverse weitere Bereiche. Die Produkte und Dienstleistungen, die Apple den Nutzern seiner Geräte anbietet, sind in hohem Maß vertikal integriert und untereinander eng miteinander verbunden sowie in weiten Teilen den Nutzern von Apple-Geräten vorbehalten. Dies bildet die Grundlage für das - vom Unternehmen selbst so bezeichnete - "Apple-Ökosystem". Zwar ist davon auszugehen, dass Apple beispielsweise keinen Zugang zu Nutzerdaten hat, die nur auf den Geräten gespeichert oder verschlüsselt zwischen Geräten oder zwischen einem Gerät und der iCloud übertragen werden, da das Unternehmen darauf nach eigenen Angaben tatsächlich und rechtlich nicht zugreifen kann. Apple verfügt dennoch im Ergebnis über einen breiten und tiefen Zugang zu Daten. Das ergibt sich bereits aus der Datenschutzrichtlinie des Unternehmens, wonach die Nutzer in vielen Fällen der Freigabe von Daten zustimmen müssen, wenn sie die Produkte und Dienste von Apple in bestimmter Weise nutzen wollen. Selbst unterstellt, dass nur ein geringer Teil der Nutzer eine solche Freigabe erteilt, bleiben wegen der großen weltweiten Nutzerbasis von Apple dem Unternehmen Daten in sehr großem Umfang zugänglich. Da Apples Tätigkeit große Bedeutung für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten hat, verfügt Apple über erheblichen Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit. So sind externe App-Entwickler und weitere Drittunternehmen auf Apples Unterstützung angewiesen, um Zugang zu der großen Zahl von Apple-Gerätenutzern zu erhalten. Verbunden mit der äußerst marktstarken Stellung des Konzerns in dem gesamtwirtschaftlich bedeutenden Bereich der Smartphones nebst Betriebssystem und Softwareanwendungen einschließlich App Store eröffnet dies Apple die von § 19a Abs. 1 GWB adressierten wettbewerblichen und strategischen Möglichkeiten.
Wie der Kartellsenat bereits entschieden hat (BGHZ 240, 227 - Amazon), stehen § 19a Abs. 1 GWB und einer darauf beruhenden Feststellungsverfügung weder verfassungs- noch unionsrechtliche Gründe entgegen. Die Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung Apples für den Wettbewerb nach § 19a Abs. 1 GWB wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass Apple während des Beschwerdeverfahrens mit seinen mobilen Betriebssystemen und App Stores von der Europäischen Kommission als Torwächter gemäß Art. 3 Digital Markets Act (DMA) benannt wurde und in der Europäischen Union seit dem 7. März 2024 dessen Regelungen unterworfen ist. Es ist bisher nicht ersichtlich, dass darauf beruhende Veränderungen in Apples Geschäftspraktiken in einer für § 19a Abs. 1 GWB relevanten Weise Stellung und Potentiale des Unternehmens im Wettbewerb verändert hätten. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union war auch vor dem Hintergrund neuerer Äußerungen in der Literatur nicht veranlasst.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
§ 18 Marktbeherrschung
(1) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt
1. ohne Wettbewerber ist,
2. keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder
3. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.
[…]
(3a) Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen:
1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte,
2. die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer,
3. seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten,
4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten,
5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.
[…]
§ 19a Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb
(1) Das Bundeskartellamt kann durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinne des § 18 Absatz 3a tätig ist, eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Bei der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. seine marktbeherrschende Stellung auf einem oder mehreren Märkten,
2. seine Finanzkraft oder sein Zugang zu sonstigen Ressourcen,
3. seine vertikale Integration und seine Tätigkeit auf in sonstiger Weise miteinander verbundenen Märkten,
4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten,
5. die Bedeutung seiner Tätigkeit für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie sein damit verbundener Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter.
Die Verfügung nach Satz 1 ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft zu befristen.
(2) Das Bundeskartellamt kann im Falle einer Feststellung nach Absatz 1 dem Unternehmen untersagen,
1. beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, insbesondere
a) die eigenen Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen;
b) ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder in anderer Weise in Angebote des Unternehmens zu integrieren;
2. Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, insbesondere
a) Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ausschließlichen Vorinstallation oder Integration von Angeboten des Unternehmens führen;
b) andere Unternehmen daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, ihre eigenen Angebote zu bewerben oder Abnehmer auch über andere als die von dem Unternehmen bereitgestellten oder vermittelten Zugänge zu erreichen;
3. Wettbewerber auf einem Markt, auf dem das Unternehmen seine Stellung, auch ohne marktbeherrschend zu sein, schnell ausbauen kann, unmittelbar oder mittelbar zu behindern, insbesondere
a) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens mit einer dafür nicht erforderlichen automatischen Nutzung eines weiteren Angebots des Unternehmens zu verbinden, ohne dem Nutzer des Angebots ausreichende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Umstands und der Art und Weise der Nutzung des anderen Angebots einzuräumen;
b) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens von der Nutzung eines anderen Angebots des Unternehmens abhängig zu machen;
4. durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten, die das Unternehmen gesammelt hat, Marktzutrittsschranken zu errichten oder spürbar zu erhöhen, oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern, oder Geschäftsbedingungen zu fordern, die eine solche Verarbeitung zulassen, insbesondere
a) die Nutzung von Diensten davon abhängig zu machen, dass Nutzer der Verarbeitung von Daten aus anderen Diensten des Unternehmens oder eines Drittanbieters zustimmen, ohne den Nutzern eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;
b) von anderen Unternehmen erhaltene wettbewerbsrelevante Daten zu anderen als für die Erbringung der eigenen Dienste gegenüber diesen Unternehmen erforderlichen Zwecken zu verarbeiten, ohne diesen Unternehmen eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;
5. die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern;
6. andere Unternehmen unzureichend über den Umfang, die Qualität oder den Erfolg der erbrachten oder beauftragten Leistung zu informieren oder ihnen in anderer Weise eine Beurteilung des Wertes dieser Leistung zu erschweren;
7. für die Behandlung von Angeboten eines anderen Unternehmens Vorteile zu fordern, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen, insbesondere
a) für deren Darstellung die Übertragung von Daten oder Rechten zu fordern, die dafür nicht zwingend erforderlich sind;
b) die Qualität der Darstellung dieser Angebote von der Übertragung von Daten oder Rechten abhängig zu machen, die hierzu in keinem angemessenen Verhältnis stehen. Dies gilt nicht, soweit die jeweilige Verhaltensweise sachlich gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Unternehmen. § 32 Absatz 2 und 3, die §§ 32a und 32b gelten entsprechend. Die Verfügung nach Absatz 2 kann mit der Feststellung nach Absatz 1 verbunden werden.
[….]
§ 73 Zulässigkeit, Zuständigkeit
[…]
(5) Der Bundesgerichtshof entscheidet als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts
1. nach § 19a, auch in Verbindung mit §§ 19, 20 und Artikel 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie § 32 Absatz 1, 2 und 3,
2. […],
jeweils einschließlich aller selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen.
Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte/Digital Markets Act)
Artikel 1 Gegenstand und Anwendungsbereich
[…]
(5) Um eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu vermeiden, erlegen die Mitgliedstaaten Torwächtern keine weiteren Verpflichtungen im Wege von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf, um bestreitbare und faire Märkte zu gewährleisten. Diese Verordnung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Unternehmen - einschließlich solcher, die zentrale Plattformdienste bereitstellen - für Angelegenheiten, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, Verpflichtungen aufzuerlegen, sofern diese Verpflichtungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind und nicht darauf zurückzuführen sind, dass die betreffenden Unternehmen den Status eines Torwächters im Sinne dieser Verordnung haben.
(6) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV. Sie lässt auch die Anwendung der folgenden Vorschriften unberührt:
a) […]
b) nationaler Wettbewerbsvorschriften, mit denen andere Formen einseitiger Verhaltensweisen verboten werden, soweit sie auf andere Unternehmen als Torwächter angewandt werden oder Torwächtern damit weitere Verpflichtungen auferlegt werden, […]
Artikel 3 Benennung von Torwächtern
(1) Ein Unternehmen wird als Torwächter benannt, wenn es
a) erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt hat,
b) einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient, und
c) hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position innehat oder absehbar ist, dass es eine solche Position in naher Zukunft erlangen wird.
(2) Es wird davon ausgegangen, dass ein Unternehmen die jeweiligen Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, wenn es
a) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe a in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre in der Union einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Mrd. EUR erzielt hat oder wenn seine durchschnittliche Marktkapitalisierung oder sein entsprechender Marktwert im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 75 Mrd. EUR betrug und es in mindestens drei Mitgliedstaaten denselben zentralen Plattformdienst bereitstellt;
b) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe b einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 45 Millionen in der Union niedergelassene oder aufhältige monatlich aktive Endnutzer und mindestens 10 000 in der Union niedergelassene jährlich aktive gewerbliche Nutzer hatte, wobei die Ermittlung und Berechnung gemäß der Methode und den Indikatoren im Anhang erfolgt;
c) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe c die unter Buchstabe b des vorliegenden Absatzes genannten Schwellenwerte in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre erreicht hat.
Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof: Aussetzung des Verfahrens zur Haftung des Betreibers eines sozialen Netzwerks
für von seinen Nutzern eingestellte rechtswidrige Inhalte
Der VI. Zivilsenat hat am 18. Februar 2025 über wechselseitige Revisionen verhandelt, in denen sich die Frage stellt, welche Ansprüche gegen den Betreiber eines sozialen Netzwerks Betroffenen zustehen, über die auf der Plattform dieses Netzwerks falsche Tatsachenbehauptungen verbreitet werden. Hinsichtlich des Sachverhalts und des bisherigen Prozessverlaufs wird auf die Pressemitteilung Nr. 027/2025 vom 6. Februar 2025 hingewiesen.
Nach ausführlicher Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat der VI. Zivilsenat am Ende der Sitzung das Verfahren analog § 148 ZPO bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-492/23 ausgesetzt.
Vorinstanzen:
LG Frankfurt a.M. - Entscheidung vom 8. April 2022 - 2-03 O 188/21
OLG Frankfurt a.M. - Entscheidung vom 25. Januar 2024 - 16 U 65/22
Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen ein soziales Netzwerk (hier: X / Twitter) auch durch ein Self-Service-Tool vollständig erfüllt werden kann.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte durch die Bereitstellung eines Self-Service-Tool sowie das Schreiben vom 18.04.2023 (Anlage K 3) den Auskunftsanspruch des Klägers nach § 15 II DSGVO erfüllt hat.
Die Bereitstellung des Selbstbedienungstools führt dazu, dass der Kläger die Auskünfte an seinem Wohnsitz abrufen kann, wenn er dies will. Der Auskunftserfolg tritt damit auch dann am rechten Ort ein, wenn man - mit der Berufungsbegründung - zugrunde legt, dass Erfüllungsort der Sitz des Klägers ist.
Anderes ergibt sich (entgegen der Berufungsbegründung) auch nicht aus Erwägungsgrund 63 zur DSGVO. Dieser lautet:
„Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Dies schließt das Recht betroffener Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Jede betroffene Person sollte daher ein Anrecht darauf haben zu wissen und zu erfahren, insbesondere zu welchen Zwecken die personenbezogenen Daten verarbeitet werden und, wenn möglich, wie lange sie gespeichert werden, wer die Empfänger der personenbezogenen Daten sind, nach welcher Logik die automatische Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt und welche Folgen eine solche Verarbeitung haben kann, zumindest in Fällen, in denen die Verarbeitung auf Profiling beruht. Nach Möglichkeit sollte der Verantwortliche den Fernzugang zu einem sicheren System bereitstellen können, der der betroffenen Person direkten Zugang zu ihren personenbezogenen Daten ermöglichen würde. Dieses Recht sollte die Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht an Software, nicht beeinträchtigen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird. Verarbeitet der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person, so sollte er verlangen können, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt.“
Der Erwägungsgrund 63 besagt somit nirgends, dass der Fernzugang (hier: Selbstbedienungstool) nur dann erfüllungstauglich wäre, wenn der Nutzer mit dieser Art der Erfüllung einverstanden ist. Auch gebietet er keine solche Folgerung. Die Bereitstellung eines angemessenen Fernzugangs über ein Self-Service-Tool wird daher als ausreichend angesehen, um den Anspruch auf Bereitstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO zu erfüllen (OLG Dresden, Urteil vom 5. Dezember 2023, Az. 4 U 1094/23, Rn. 65, juris; OLG München, Vfg. vom 29.01.2024, 14 U 4826/23 - nicht veröffentlicht; LG Bonn, Urteil vom 8. März 2023, Az.: 17 O 165/22, GRUR-RS 2023, 3854 Rn. 59 ff.; LG Bonn, Urteil vom 3. Februar 2023, Az.: 2 O 170/22, GRUR-RS 2023, 4566, Rn. 54 ff.; LG Bonn, Urteil vom 3. Februar 2023, Az.: 18 O 127/22, GRUR-RS 2023, 4565, Rn. 56 f.; LG Paderborn, Urteil vom 19. Dezember 2022, Az.: 3 O 99/22, GRUR-RS 2022, 39349, Rn. 162 ff.; LG Paderborn, Urteil vom 13. Dezember 2022, Az.: 2 O 212/22, GRUR-RS 2022, 41028 Rn. 176 ff.; LG München I, Urteil vom 2. September 2021, Az.: 23 O 10931/20, juris Rn. 23 f.; Krämer/Burghoff, ZD 2022, 428, 432; Paal, in: Paal/Pauly DSGVO, 3. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 38 iVm Rn. 14; Franck, in: Gola/Heckmann DSGVO, 3. Aufl. 2022, Art. 15 Rn. 40.), sie ist sogar die gewünschte Form der Übermittlung
Soweit eine einzelne Stimme (Schmidt-Wudy, BeckOK Datenschutzrecht, Art. 15 DS- GVO Rn. 84) der Auffassung ist, ein Fernzugriffssystem ersetze nur dann die Übersendung der Auskunft bzw. Datenkopie im Wege der Schickschuld per Post oder auf elektronischem Wege, wenn sich der Anspruchsteller hiermit einverstanden erkläre, fehlt es hierfür ebenso an einer tragfähigen Begründung wie in der Entscheidung des LAG Niedersachsen (NZA-RR 2020, 571, Rnr. 46), die ohne Begründung diese Literaturstelle zitiert.
Die Verweisung auf den Fernzugang kann im Einzelfall zwar dazu führen, dass der betroffenen Person faktisch die Auskunft verweigert wird: Beispielsweise haben auch Menschen, die „analog leben“ oder/und keine nennenswerten Fähigkeiten im Umgang mit IT-gestützten Portalen haben, ein Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO, dieses könnte untergraben werden, wenn man sie auf das ihnen unzugängliche Selbstbedienungstool verwiese. Darüber muss vorliegend jedoch nicht entschieden werden, denn wer sich bei der Beklagten registriert, lebt denknotwendig nicht (mehr) analog und lässt auch nicht erwarten, im Umgang mit IT-gestützten Portalen unbeschlagen zu sein.
2. Es kann dahinstehen, ob der Anwendungsbereich von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf Schäden infolge der reinen Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO begrenzt ist und daher ein Verstoß gegen Art. 15 (oder Art. 34) DSGVO überhaupt einen Schadensersatzanspruch zur Folge hat. Der Kläger hat das Vorliegen eines Schadens nämlich nicht substantiiert vorgetragen.
a) Auch wenn - wie Erwägungsgrund 146 unterstreicht - der Schadensbegriff im Ansatz weit zu verstehen ist, ergibt schon die Zählung der Tatbestandsmerkmale des Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine Anzahl von drei (so auch EuGH C-300/21), nämlich (1) Verstoß, (2) Schaden, (3) Kausalität.
Der Verstoß (Herbeiführung des Kontrollverlustes an den Daten) ist schon deshalb nicht bereits der Schaden und führt auch nicht „automatisch“ zu einem Schaden (EuGH, Urt. v. 04.05.2023, C-300/21 - Österreichische Post). Da die Erwägungsgründe besagen, dass der Schaden "erlitten" sein muss, kann der Kontrollverlust (als rein objektiver Befund) nicht für sich allein bereits der Schaden sein (OLG Hamm, 7 U 19/23 Rn 72 ff).
Dergleichen hat insbesondere der Gerichtshof der Europäischen Union nicht postuliert, sondern im Gegenteil (EuGH 5.12.2023, C-807/21 Rn 82) den „Verlust der Kontrolle“ in Erwägungsgrund 85 als Beispiel für Umstände gesehen, die „erhebliche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile“ darstellen können. Daraus leitet der EuGH aber gerade nicht her, dass schon der Kontrollverlust ohne weiteres der Schaden „sei“, sondern lediglich: dass der Schaden nicht eine bereits eingetretene „missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil“ der betroffenen Person voraussetzt, sondern die Befürchtung (Rn 81) zukünftiger missbräuchlicher Verwendung ausreichen kann (vgl. auch EuGH, U. v. 20.6.2024 - C.590/22, juris Rn. 32 f.). Ein Schadensersatzanspruch besteht auch bei einem Kontrollverlust über personenbezogenen Daten nur, sofern die betroffene Person darlegt und bei Bedarf nachweist, dass sie tatsächlich einen Schaden - so geringfügig er auch sein mag - erlitten hat (EuGH, U. v. 20.6.2024 - C.590/22, juris Rn. 33 mwN), Die Fokussierung des EuGH auf den Begriff der „Befürchtung“ (englisch: „fear“, französisch: „crainte“) wäre überflüssig, wenn in dem objektiven Vorgang des Kontrollverlustes bereits ein Schaden im Sinne von § 82 Abs. 1 DSGVO läge.
Vorliegend ist das Landgericht zutreffend zum Schluss gelangt, dass nach dem Klägervortrag ein (hier unterstellter) Verstoß der Beklagten in keiner Weise irgendeine persönlich erlebte belastende Folge kausal verursacht hat. Wie gezeigt, ist der bloße Kontrollverlust als solcher nicht „der“ Schaden des Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Er führt auch nicht etwa gleichsam „automatisch“ zu „einem Zustand, in dem sich die Klägerseite berechtigt wie nachvollziehbar in Sorge um den Verbleib sowie einen möglichen Missbrauch ihrer Daten“ befinden würde: Die für Art. 82 Abs. 1 DSGVO erforderliche Befürchtung (deutlicher englisch „fear“ und französisch „crainte“, also blanke „Furcht“) besteht nicht allein in einer logischen Gedankenoperation des Betrachters oder der Klagepartei, sondern wäre ein (negatives) Gefühl der Klagepartei, das bestritten und von dieser zu beweisen war - und anhand objektiver Umstände nachvollziehbar sein muss.
Jedenfalls hat das Landgericht zu Recht den klägerischen Vortrag als pauschal und substanzlos angesehen (“Zustand des Unwohlseins und der Sorge des Datenmissbrauchs“). Das ist angesichts des formelhaften und erkennbar nicht individualisierten Zuschnitts dieses Vorbringens nicht zu beanstanden; hiergegen erinnert die Berufungsbegründung auch nichts. Hinzu kommt, dass nicht nachvollziehbar ist, wieso im Fall einer mutmaßlichen Verletzung der Auskunftspflicht - in der bisher überhaupt kein Indiz für einen Datenabfluss bestanden hat - der „Zustand des Unwohlseins und der Sorge des Datenmissbrauchs“ gegeben sein kann.
3. Da sich die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes nach nationalem Recht richtet (vgl. z.B. EuGH, U. v.26.2024 - C-182/22, juris Rn. 33), ist ein Anspruch auf Schadensersatz insoweit auch wegen überwiegenden Mitverschuldens (§ 254 BGB) ausgeschlossen, da der Kläger von der naheliegenden Möglichkeit, sich über das Selbstbedienungstool zu informieren, keinen Gebrauch gemacht hat. Eine Rechtsgrundlage für den Ersatz der außergerichtlichen Kosten ist nicht ersichtlich. Insbesondere lag kein Verzug vor. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgt vor der erstmaligen Geltendmachung des Rechts aus Art. 15 DSGVO gegenüber der Beklagten.
Ein möglicher Verzug der Beklagten - der wegen Art. 12 III DSGVO vor Ablauf einer Monatsfrist wegen der von der Beklagten geschilderten Vielzahlt von Anfragen schwer zu begründen ist - wäre daher nicht kausal für den geltend gemachten Schaden in Form der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert entgegen der Angabe des Klägers in der Klageschrift (8.000,-- €) auf 2.000 € festzusetzen.
Zwar sind die Angaben des Klägers in der Klageschrift bei der Ermessensausübung nach § 3 ZPO regelmäßig ein ganz erhebliches Indiz, da die Angabe unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits erfolgt und damit eine erhöhte Richtigkeitsgewähr einhergeht. Anderes gilt jedoch dann, wenn der Wert offensichtlich über- oder untersetzt ist.
Dies ist hier der Fall. Der Senat hält die Schmerzensgeldangabe von 3.000 € als um ein Vielfaches übersetzt an; der Kläger selbst hat schriftsätzlich einen Betrag von 1.500 € als angemessen angegeben.
Den Wert des Klagantrags zu 1.) und 2.) hingegen setzt der Senat nicht mit zusammen 5.000 €, sondern mit 500 € fest. Auskunftsansprüche bewegen im Regel im Bereich eines Bruchteils des Hauptanspruchs, wenn sie diesen unterstützen. Der Anspruch nach § 15 DSGVO ist zwar ein selbständiger Anspruch, bewegt sich jedoch wertmäßig in einer vergleichbaren Höhe. Hinzu kommt, dass der Anspruch keinen wirtschaftlichen Interessen des Klägers dient. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung nicht bestehen. Der Senat hält daher einen Wert von 500 € für angemessen (vgl. z.B. OLG Köln ZD 2018, 268; OLG Köln ZD 2019, 463)
5. Einer Entscheidung nach § 522 II ZPO steht auch nicht ein etwaiger Revisionszulassungsgrund der Divergenz oder der grundsätzlichen Bedeutung entgegen. Soweit das LAG Niedersachen (NZA-RR 2020, 571, Rnr. 46) eine Datenübersendung in elektronischer Form als zur Erfüllung ungeeignet ansieht, kann dies eine Revisionszulassung nicht begründen.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (st Rspr; BGH NJW 2002, 3029). Klärungsbedürftig in diesem Sinne ist eine Rechtsfrage, wenn sie vom BGH nicht entschieden und von Oberlandesgerichten oder in der Literatur unterschiedlich beantwortet wird (BGH NZG 2010, 625 Rn. 3; DStR 2014, 383 Rn. 2). Der Klärungsbedarf entfällt, wenn abweichende Ansichten im Schrifttum vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (NZG 2024, 249 Rn. 9; BGH NZG 2010, 625). So verhält es sich hier.
OLG Schlewsig-Holstein
Urteil vom 08.11.2024 1 U 70/22
Das OLG Schleswig-Holstein hat sich in dieser Entscheidung mit dem Bestehen eines Unterlassungsanspruchs und etwaiger Schadensersatzansprüche bei einer Facebook-Sperre ohne vorherige Anhörung befasst.
Aus den Entscheidungsgründen: b) Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen — die Entfernung des Beitrags und Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Klägers — verletzten die aus dem Nutzungsvertrag folgenden Pflichten der Beklagten als Plattformbetreiberin gegenüber dem Kläger als Nutzer. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die von der Beklagten herangezogenen Nutzungsbedingungen hinsichtlich des Verbots von Hassrede und der daran anknüpfenden Sanktionen wirksam sind (vgl. hierzu die Entscheidungen des BGH vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20 und III ZR 192/20) oder im Fall ihrer Unwirksamkeit ggfls. Eingriffsbefugnisse aus ergänzender Vertragsauslegung begründet werden können. In jedem Fall durften die streitgegenständlichen Maßnahmen nicht gegen den streitgegenständlichen Beitrag ergriffen werden, der nicht gegen die Nutzungsbedingungen verstößt, sondern eine geschützte Meinungsäußerung darstellt. Zwischen den Parteien ist nicht mehr streitig, dass der Beitrag des Klägers tatsächlich nicht gegen Nutzungsbedingungen verstößt. Er ist nicht als Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Beklagten zu qualifizieren. Er stellt eine scharf formulierte politische Kritik an Wahlergebnissen dar, wobei die Bezeichnung der Deutschen als „sowas von krank“ in dem Zusammenhang nicht wörtlich, im Sinne der Behauptung einer psychischen Erkrankung, noch als personale Herabwürdigung aller Deutschen verstanden werden muss.
Nicht anerkannt werden kann das von der Beklagten reklamierte Recht zu Löschung und Sperre bereits im Fall der subjektiven Annahme eines Verstoßes, die sich jedoch später als falsch herausstellt. Die an die sog. Anscheinsgefahr im Ordnungsrecht - eine ex ante vertretbar getroffene Gefahrenprognose, die sich im Nachhinein im Lichte besseren Wissens oder weiterer Sachverhaltsaufklärung als nicht mehr haltbar erweist - erinnernde Konstruktion ist im vorliegenden Zusammenhang nicht begründbar. Ein Verstoß gegen Nutzungsbedingungen ist nach der Subsumtion unter die Definition von Hassrede festzustellen oder nicht; für Maßnahmen wegen eines Anscheins eines Verstoßes ist ebenso wenig Raum wie umgekehrt die falsche Annahme einer noch geschützten Äußerung den Nutzer vor der Löschung seines unzulässigen Beitrags bewahren könnte. Entscheidend ist immer die objektive Zu- oder Unzulässigkeit eines Beitrags (a. A. LG Frankenthal, Urteil vom 8. September 2020 - 6 O 23/20, juris Rn. 73, wonach der Beklagten im Fall „in Betracht kommender Hassrede [...] im Rahmen der ersten Beurteilung ein gewisse[r] Ermessensspielraum einzuräumen [sei] ohne dass dies im Falle einer fehlerhaften Ersteinschätzung sogleich weitere Rechtsfolgen nach sich ziehe“). Ob die Nutzungsbedingungen neben objektiven Verstößen gegen Gemeinschaftsstandards überhaupt wirksam Entfernungsvorbehalte bei „Anscheinsverstößen“ vorsehen könnten, ohne dass der Beklagten damit ein mit der Meinungsfreiheit nicht zu vereinbarendes Belieben freigestellt wäre, kann dahinstehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 192/20, juris Rn. 94, wonach Entfernungsvorbehalte in den Nutzungsbedingungen gewährleisten müssen, dass die darauf gestützten Entscheidungen nachvollziehbar sind, nicht an bloß subjektive Einschätzungen oder Befürchtungen, sondern an objektive, überprüfbare Tatbestände anknüpfen.)
2. Der vom Kläger mit seinem Berufungsantrag zu 3. weiterverfolgte beitragsbezogene Unterlassungsanspruch steht ihm mangels einer Wiederholungsgefahr nicht zu.
Allerdings hat die Beklagte mit der Entfernung des streitgegenständlichen Beitrags des Klägers und seiner deswegen verhängten Nutzungsbeschränkung bereits gegen ihre Vertragspflichten verstoßen. Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann ein Unterlassungsanspruch bestehen. Ein solcher vertraglicher Unterlassungsanspruch setzt - ebenso wie ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB - allerdings eine Erstbegehungs- beziehungsweise Wiederholungsgefahr voraus. Was letztere betrifft, kann aus der bereits begangenen Pflichtverletzung eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr folgen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20, Rn. 101 - 103).
Das Landgericht hat eine solche Vermutung hier jedoch aus überzeugenden Gründen nicht angenommen, weil die Beklagte den Beitrag vorprozessual wiederhergestellt und seine Zulässigkeit im Rechtsstreit ausdrücklich eingeräumt hat. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Beklagte hiervon künftig wieder abrücken und nicht nur künftige Beiträge des Klägers, die sich für sie als Verstoß darstellen könnten, sondern gerade den konkret streitgegenständlichen Beitrag nochmals löschen könnte. Hierin liegt eine nur theoretische Möglichkeit.
Soweit dagegen in der obergerichtlichen Rechtsprechung unter Berufung auf die zu quasinegatorischen Ansprüchen analog § 1004 BGB anerkannten Grundsätze angenommen wird, dass schon die erfolgte Pflichtverletzung die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr begründe, und diese Vermutung regelmäßig nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung entkräftet werden könne (OLG Celle, Urteil vom 22. Dezember 2022 - 5 U 67/22, GRUR-RS 2022, 56839 Rn. 17 ff; OLG München, Urteil vom 12. April 2022 - 18 U 6473/20 Pre Rn. 39; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. April 2022 - 14 U 136/21, juris Rn. 40) überzeugt dies für solche Fallgestaltungen, in denen der Verstoß nicht mehr andauert, weil die Beklagte ihre Bewertung eines Beitrags korrigiert hat, nicht. Die vom OLG Celle vertretene Auffassung, wonach auch das Eingeständnis eines Pflichtverstoßes durch die Beklagte die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht entfallen lässt, kann nach Ansicht des Senats nicht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Juli 2020, III ZR 179/20 gestützt werden. Dort ist ein Unterlassungsanspruch in der „besonderen Konstellation, in der die Beklagte bereits einmal ihre Pflichten aus dem - fortbestehenden - Vertragsverhältnis verletzt hat und die Vertragsverletzung - in Gestalt der Entfernung des Beitrags der Kl. - teilweise noch andauert“ (BGH, Urteil vom 29. Juli 2020, III ZR 179/20, BGHZ 230, 347 Rn. 102) angenommen worden. Im hier zu beurteilenden Streitfall hat die Beklagte den betreffenden Beitrag dagegen wieder freigeschaltet und geht nicht mehr von einem Verstoß aus.
Dafür, dass sich die Pflichtverletzung unter diesen Umständen nicht nur im Umgang mit anderen oder künftigen Beiträgen wiederholen, sondern abermals den konkreten Beitrag zum Gegenstand haben könnte, spricht keine tatsächliche Vermutung. Tatsächliche Vermutungen, die im Gegensatz zu gesetzlichen Vermutungen (§ 292 ZPO) mangels normativer Verankerung nicht die gesetzliche Beweislastverteilung verändern können, sind in der Beweiswürdigung nur insoweit berechtigt, als sie als Erfahrungssätze der allgemeinen Lebenserfahrung die richterliche Überzeugungsbildung tatsächlich leiten können (vgl. MünchKommZPO/Prütting, 6. Aufl. § 292 Rn. 29 ff.). Das ist hier nicht der Fall. Dass die Beklagte den konkreten Beitrag zumal in Anbetracht des hierüber geführten Rechtsstreits ein weiteres Mal sanktionieren könnte, erscheint - auch wenn der Kläger andere Fälle erinnert, in denen so etwas schon vorgekommen sei - lediglich nicht gänzlich auszuschließen, aber es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach dies naheliegend und wahrscheinlich wäre.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte nach wie vor geltend macht, seinerzeit in Anbetracht des Anscheins eines Verstoßes berechtigt vorläufige Maßnahmen ergriffen zu haben (so aber für die Begründung der Wiederholungsgefahr herangezogen von OLG München, 18 U 6473/20 Pre, juris Rn. 42). Zwar mag dies erwarten lassen, dass die Beklagte in anderen Fällen gleichermaßen verfahren und dabei wiederum Sanktionen auch an Beiträge knüpfen wird, die tatsächlich nicht gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen, was bei gründlicher Prüfung unter Einbindung auch der Aufklärungsmöglichkeiten einer Nutzeranhörung oft vermeidbar sein dürfte. Dies begründet entgegen der Auffassung des Klägers jedoch nicht die Befürchtung, dass die Beklagte seinen konkreten Beitrag erneut aufgreifen und ihn in Abkehr von den hierzu erreichten Erkenntnissen abermals als Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards behandeln könnte. Bereits eine im Zuge eines hierüber geführten Rechtsstreits erreichte Klärung der Zulässigkeit des konkreten Beitrags lässt eine erneute vorläufige Annahme eines Anscheinsverstoßes hinsichtlich des konkreten Beitrags sinnwidrig erscheinen. Das von der Beklagten in Anspruch genommene Recht auf Maßnahmen bei Anscheinsverstößen zielt darauf, die Annahme einer Pflichtverletzung und daran anknüpfende Rechtsfolgen — etwa eine Ersatzpflicht hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten der Nutzer — auszuschließen. Dass die Beklagte hingegen nach der Klärung der Zulässigkeit eines bestimmten Beitrags für sich das Recht reklamieren wollte, ihre Bewertung wieder zu ändern und einen Beitrag aufs Neue als Verstoß werten zu dürfen, ist fernliegend.
Soweit der Kläger seinen Unterlassungsanspruch — was nach dem Wortlaut des Antrags nicht ausgeschlossen wäre — allerdings gar nicht auf den konkreten Beitrag in seinem Äußerungskontext — einen Kommentar zu Kommunalwahlergebnissen — bezogen, sondern davon losgelöst die Zulässigkeit der Sätze „die Deutschen sind sowas von krank, Deutschland hat fertig“ geklärt wissen wollte, könnte er dies nicht beanspruchen. Aus dem Kontext ihrer Verwendung losgelöst können diese Worte, die im Unterschied zu einem aus sich heraus verständlichen Text nicht in sinnvoller Weise allein stehen können, nicht unter die Gemeinschaftsstandards subsumiert werden. Ihre Bedeutung hängt zuallererst davon ab, worauf sie bezogen werden. Dass sie in gar keinem denkbaren Kontext gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen können, kann nicht festgestellt werden.
3. Mit einer Einschränkung dringt der Kläger allerdings mit dem Berufungsantrag zu 4. durch. Er hat einen Anspruch auf Unterlassung künftiger Sperren durch die Beklagte, die erfolgen, ohne dass die Beklagte ihn vorab über die beabsichtigte Sperre informiert und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einräumt, dies allerdings nur, soweit es sich nicht um Ausnahmefälle handelt, hinsichtlich derer sie zuvor in den AGB die Sperre ohne Vorabverfahren geregelt hat.
a) Dieser Antrag ist auch ohne die in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2024 erklärte hilfsweise Ergänzung (Bl. 415 d. A.) zulässig.
Allerdings werden entsprechende Unterlassungsanträge von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung als unzulässig beurteilt. Zum einen werden sie für zu unbestimmt gehalten, weil sie faktisch bloß die Rechtslage nach den Urteilen des BGH vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20 und III ZR 192/20 zu den Voraussetzungen für die Vornahme einer Sperre wiederholten (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 59). Zudem seien Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt, so dass sich die Beklagte nicht erschöpfend verteidigen könne und letztlich die Entscheidung darüber, was ihr verboten sei, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibe. Es gebe nicht nur den Fall der Konto-Sperre, die nur nach Anhörung und Möglichkeit der Gegenäußerung zulässig wäre, denn von einer Anhörung vor der Maßnahme könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen werden. Auch in Wiederholungsfällen sei eine nochmalige Anhörung vor einer Sperre entbehrlich (OLG Frankfurt, a.a.O. Rn. 60). Gegen die Zulässigkeit des Unterlassungsantrags spreche auch, dass dieser in der Sache auf ein zukünftiges positives Tun, einen Leistungsanspruch auf Information und Neubescheidung vor einer möglichen Sperre gerichtet sei. Ein solcher Antrag sei nach § 259 ZPO nur zulässig, wenn ein Anspruch bereits entstanden sei, was vor der Vornahme der Einstellung eines Beitrags, der zu einer Sperre Anlass geben könnte, nicht der Fall (OLG Frankfurt, a.a.O. Rn. 61). Nach der Auffassung des Kammergerichts sind die bei Löschungen und Sperrungen bestehenden Informationspflichten der Beklagten nicht selbständig einklagbar, da sie keinen eigenen Leistungszweck verfolgten. Gegen rechtswidrige Maßnahmen müsse der Nutzer jeweils im Klageweg vorgehen (KG Berlin, Urteil vom 14. März 2022 - 10 U 1075/20, juris Rn. 70).
Diese Bedenken erachtet der Senat nicht für durchgreifend. So ist der Antrag eindeutig auf alle Sperrungen von Nutzer-Funktionen, die ohne das näher bezeichnete Vorabverfahren vorgenommen werden, bezogen und damit hinreichend bestimmt. Die Verwendung von Begriffen, die einer Konkretisierung im Vollstreckungsverfahren bedürfen, ist bei Unterlassungstiteln nicht immer vermeidbar (vgl. Stein/Jonas/Bartels, ZPO, 23. Aufl. § 890 Rn. 10 m. w. N.). Der wesentliche Inhalt der Unterlassungspflicht - keine Sperre ohne vorherige Anhörung - ist nach dem Antrag Gegenstand des Erkenntnisverfahrens; ob eine Zuwiderhandlung vorliegt, kann naturgemäß erst im Verfahren nach § 890 f. ZPO entschieden werden. Soweit die begehrte Unterlassung Fälle erfasst, in denen Ausnahmen von der Anhörungspflicht anzuerkennen sind, betrifft dies eine materiell-rechtliche Frage der Begründetheit des Antrags. Anerkannt ist zudem, dass Unterlassungspflichten auch aktives Verhalten, etwa die Verhinderung einer zu unterlassenden Störung, verlangen können (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2003 - V ZR 323/02, NJW-RR 2003, 1235, 1236). Selbst wenn sich die Zulässigkeit des Unterlassungsantrags nach § 259 ZPO beurteilte, läge die danach vorausgesetzte Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung in Anbetracht der bereits erfolgten Sperre des Klägers ohne vorherige Anhörung, dem von der Beklagten im Rechtsstreit hierzu vertretenen Standpunkt und der ausstehenden Regelung des nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Verfahrens mit Anhörung und ggfls. definierten Ausnahmen vor (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl. § 259 Rn. 8). Der Unterlassungsantrag ist schließlich auch nicht auf die Erteilung einer Information gerichtet, die nicht selbständig einklagbar wäre. Der Kläger begehrt die Unterlassung weiterer Sperren ohne vorherige Angabe eines Grundes und Möglichkeit der Stellungnahme, mithin das Unterlassen einer rechtswidrigen Sperre; einen isolierten Anspruch auf Erteilung einer Information macht er nicht geltend (ebenso OLG München, Urteil vom 20. September 2022 - 18 U 6314/20 Pre, juris Rn. 40).
Zuletzt sprechen auch prozessökonomische Gründe für die Zulassung des Antrags, da der Kläger andernfalls gezwungen wäre, angesichts künftiger Sperren bei unveränderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten jeweils erneut gegen einzelne Sperrungen im Klagewege vorzugehen (OLG München, Urteil vom 20. September 2022, ebenda Rn. 41).
b) Der Antrag ist mit der eingangs genannten Einschränkung auch begründet. Die Beklagte hat durch die Sperrung des klägerischen Nutzerkontos gegen ihre Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag verstoßen. Unabhängig davon, dass der zur Sperrung führende Beitrag des Klägers die Gemeinschaftsstandards der Beklagten schon nicht verletzte, war die Beklagte nach den Nutzungsbedingungen auch deshalb nicht zur Sperrung des Nutzerkontos des Klägers berechtigt, weil der in Nr. 4.2. vorgesehene Vorbehalt für die Sperrung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Denn ein verbindliches Verfahren zur Anhörung des betroffenen Nutzers ist nicht geregelt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20, Rn. 83 ff., 87 ff.).
Die erforderliche Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechte und Interessen der Parteien sowie der einzubeziehenden Drittinteressen ergibt, dass die Beklagte als Anbieterin eines sozialen Netzwerks zwar grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver, überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. In diesem Rahmen darf sie sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen (vgl. BGH a.a.O., Leitsatz 2 und Rn. 78). Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos grundsätzlich vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (BGH a.a.O., Leitsatz 3 und Rn. 85, 87 f.).
Dabei ist die Anhörung des Nutzers, soweit die Beklagte eine Sperrung des Nutzerkontos beabsichtigt, vor Durchführung dieser Maßnahme geboten, von eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen. Die Kontosperrung ist im Verhältnis zur Entfernung eines einzelnen Beitrags die deutlich schwerwiegendere Maßnahme, da der betroffene Nutzer während des gesamten Zeitraums der Sperrung sein Profil nicht aktiv nutzen und dementsprechend auf der Kommunikationsplattform der Beklagten nicht nur eine bestimmte Meinungsäußerung, sondern jegliche Meinungsäußerung nicht tätigen kann. Die Kontosperrung dient zudem nicht unmittelbar der Beseitigung eines aktuellen Verstoßes des Nutzers gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten, sondern der Sanktionierung eines Verstoßes und der Prävention im Hinblick auf künftige Verstöße. Ein Interesse der Beklagten, diese Maßnahme möglichst zügig und noch vor Anhörung des Nutzers durchführen zu können, ist nicht erkennbar (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20, Rn. 87). Den genannten verfahrensrechtlichen Anforderungen genügen die im Streitfall maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht.
Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben. Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB setzt — ebenso wie ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 i. V. m.§ 823 Abs. 1 BGB — eine Erstbegehungs- beziehungsweise Wiederholungsgefahr voraus (BGH a.a.O., Rn. 102 f m.w.N.). Aus der bereits begangenen Pflichtverletzung der Beklagten, die den Kläger ohne vorherige Anhörung gesperrt hat, der hierzu im Rechtsstreit vertretenen Rechtsauffassung der Beklagten sowie aus dem Umstand, dass die Regelung eines entsprechenden Anhörungsverfahrens in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach wie vor nicht ersichtlich ist, folgt die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (ebenso OLG München, Urteil vom 20. September 2022 - 18 U 6314/20 Pre, juris Rn. 48; a.A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. Mai 2022 - 14 U 136/21, juris Rn. 46, wonach ein tatsächlich vorgekommener Verstoß nicht genüge, um auch für den allgemein formulierten Unterlassungsanspruch die Wiederholungsgefahr zu begründen).
Da das Anhörungsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar regelmäßig, aber — wie das Landgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat — nicht ausnahmslos vor der Kontosperrung durchzuführen ist, müssen allerdings die somit möglichen Ausnahmefälle, die allerdings einer näheren Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedürfen, berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 179/20, Rn. 87). In dem Fall, dass eine entsprechende Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam getroffen worden ist und ein danach anzuerkennender Ausnahmefall vorliegt, kann der Kläger das Unterlassen einer Sperre ohne vorherige Anhörung nicht verlangen. Entgegen der insoweit von einigen Oberlandesgerichten vertretenen Auffassung (OLG München, Urteil vom 12. April 2022 - 18 U 6473/20 Pre, GRUR-RS 2022, 11666 Rn. 52; KG, Beschluss vom 20. Februar 2023 - 10 W 85/22, MMR 2023, 509 Rn. 29) bestehen indes keine Bedenken, dem Unterlassungsantrag deshalb nur mit einer entsprechenden Einschränkung stattzugeben (ähnlich OLG München, Urteil vom 20. September 2022 - 18 U 6314/20 Pre, juris Rn. 46, allerdings mit einer weitergehenden Einschränkung).
Es ist allein Aufgabe der Beklagten, die eng begrenzten Ausnahmefälle zu regeln, in denen eine Sperrung ohne vorherige Anhörung möglich sein soll. In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle hat der Nutzer einen Anspruch darauf, dass sein Konto nicht ohne vorherige Anhörung gesperrt wird. Das kann nicht dadurch in sein Gegenteil verkehrt werden, dass die Beklagte ihrer Aufgabe nicht nachkommt, die eng begrenzten Ausnahmefälle zu definieren. So lange sie das nicht tut, besteht der Unterlassungsanspruch unbegrenzt. Es ist weder Aufgabe des Nutzers noch Aufgabe des Gerichts, Ausnahmefälle zu erdenken, in denen eine Kontosperrung ohne vorherige Anhörung zulässig sein könnte.
Soweit die Beklagte in dem Zusammenhang auf das Recht zur außerordentlichen Kündigung von Nutzerverträgen verweist (§ 314 BGB), bleibt dieses von dem Unterlassungsanspruch unberührt.
4. Der Kläger kann von der Beklagten keine Auskunft verlangen, ob sie Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat (Berufungsantrag zu 6.). Ein solcher Auskunftsanspruch besteht weder aus dem Vertrag noch ist er aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) begründbar. Danach kommen Auskunftsansprüche in Betracht, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte schuldlos über Bestehen oder Umfang eines Rechts im Unwissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. An dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt es, wenn der Kläger mit seinem Auskunftsverlangen unter keinen Umständen einen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - III ZR 329/14, Rn. 10). Der nach Art einer Popularklage auf die gesamte Gruppe der Plattformnutzer bezogene Auskunftsanspruch lässt kein individuelles Rechtsschutzbedürfnis des Klägers erkennen.
5. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beitragsentfernung und Sperre steht dem Kläger nicht zu (Berufungsantrag zu 7.).
a) Der Antrag genügt jedenfalls dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, nachdem der Kläger klargestellt hat, den Anspruch in erster Linie auf den geltend gemachten immateriellen Schaden — der einen vom materiellen Schadensersatz verschiedenen Streitgegenstand bildet — zu stützen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2024, Bl. 415 d. A.). Ob diese Reihenfolge bereits zuvor im Wege der Auslegung des klägerischen Vorbringens zum Schaden angenommen werden konnte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 64) kann dahinstehen.
b) Materiell-rechtlich ist der Antrag nicht begründet. Der Senat schließt sich der eingehenden und überzeugenden Begründung des OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 130 - 161 an, wonach der Zahlungsanspruch unter den gegebenen Umständen trotz pflichtwidriger Beitragsentfernung und Sperre des Nutzerkontos unter keinem rechtlichen Aspekt besteht und macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des OLG Frankfurt zu eigen:
aa) Der Kläger kann keine Geldentschädigung wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) verlangen. Ein Anspruch auf eine immaterielle Geldentschädigung besteht nicht bei jeder schuldhaften Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Erforderlich ist vielmehr ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, deren Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung und Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 1175/20 Rn. 44). Eine solche Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt im Streitfall nicht vor. Auch wenn die Beklagte durch die unberechtigte Löschung des Beitrages des Klägers und die hiermit einhergehende vorübergehende Sperrung seines Nutzerkontos nicht nur eine Vertragsverletzung begangen, sondern auch der mittelbaren Drittwirkung der Meinungsfreiheit des Klägers nicht Rechnung getragen hat, verletzt die pflichtwidrige Einschränkung von Kommunikationsmöglichkeiten, die dem Kläger nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags zur Verfügung stehen, ihn nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die zeitweilige Sperrung des Profils des Klägers war nicht mit einer umfassenden Einschränkung seiner personalen Entfaltung im vorgenannten Sinne verbunden. Während der Zeit der befristeten Funktionseinschränkung war die Nutzung seines Facebook-Kontos nicht völlig aufgehoben, er konnte weiterhin Nachrichten empfangen, auf seine persönlichen Inhalte zugreifen und fremde Inhalte zur Kenntnis nehmen. Er war lediglich darin gehindert, Beiträge zu veröffentlichen, nicht aber, seine Meinung außerhalb der Plattform kundzutun. Da die Sperrung nicht öffentlich mitgeteilt wurde und zudem nicht von einer staatlichen Stelle, sondern lediglich von einem Rechtssubjekt des Privatrechts ausgesprochen wurde, ist auch nicht ernsthaft eine Prangerwirkung zu erkennen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 130 ff.).
bb) Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für einen immateriellen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO vor. Nach Art. 82 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Es kann dahinstehen, ob die unberechtigten Maßnahmen auch gegen Vorschriften der DSGVO verstoßen haben. Jedenfalls ist dem Kläger kein immaterieller Schaden i.S. des Art. 82 DSGVO entstanden. Art. 82 DSGVO begründet keinen Schadensersatzanspruch bei jedwedem Verstoß (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 140 m.N.).
Der Schadensbegriff nach der DSGVO ist zwar autonom und weit auszulegen; ein Schaden kann nicht nur materiell, sondern auch immateriell sein; eine Erheblichkeitsschwelle gibt es nicht. Es muss aber vom Anspruchsberechtigten nachgewiesen werden, dass der Verstoß gegen die DSGVO negative Folgen gehabt hat, welche einen jedenfalls immateriellen Schaden nach sich gezogen haben (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2023, C-456/22, NZA 2024, 231 Rn. 21 und Urteil vom 4. Mai 2023, C-300/21, NJW 2023, 1930 Rn. 50). Die DSGVO nennt in Erwägungsgrund 75 als Beispiele für eine möglicherweise einen (immateriellen) Schaden und damit die Schadensersatzpflicht auslösende Verarbeitung den Identitätsdiebstahl, die Rufschädigung, den Verlust der Vertraulichkeit oder anderen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Schaden. Solche Beeinträchtigungen sind nicht dargelegt.
cc) Auch materielle Schadensersatzansprüche scheiden aus. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Befreiung von einer Leistungspflicht aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB besteht nicht. Zwar bildet die Ermöglichung der Nutzung der Facebook-Dienste eine Hauptleistungspflicht der Beklagten, welche dem Kläger für den Zeitraum der Sperrung — mit Ausnahme des weiterhin bereitgestellten Read-Only-Modus — vorenthalten worden war. Diese Leistung war mit Ablauf der Sperrfrist infolge Zeitablaufs objektiv unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB), so dass der Erfüllungsanspruch ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen war. Damit stand ihm für die Dauer der unberechtigten Sperre grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu, ohne dass es einer Fristsetzung bedurfte. Allerdings fehlt es an einem beim Kläger eingetretenen Vermögensschaden, der bei vertraglichen Ansprüchen mangels ausdrücklicher Anordnung allein ersatzfähig ist (§ 253 Abs. 1 BGB). Ihm konkret entstandene Schadenspositionen wie etwa Aufwendungen zur anderweitigen Beschaffung der von der Beklagten geschuldeten Leistung oder entgangenen Gewinn hat der Kläger nicht dargetan. Allein der zeitweise Verlust der Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich der Facebook-Dienste stellt sich unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden dar, sondern als individuelle Genussschmälerung. Dasselbe gilt für die Löschung seines Beitrags. Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstands als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen zu ersetzen ist (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - VI ZR 248/07, Rn. 9). Zwar ist die Nutzbarkeit des Internets als ein Wirtschaftsgut anzusehen, dessen ständige Verfügbarkeit nach der Verkehrsanschauung für die Lebensgestaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist und bei dem sich eine Funktionsstörung als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt; die Möglichkeit zum weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern etwa über soziale Netzwerke stellt aber lediglich einen einzelnen Teilbereich dar, den der Bundesgerichtshof für die Gesamtbedeutung eines Internetzugangs aufgeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - III ZR 98/12, Rn. 17). Allein die Nutzbarkeit der über den Read-Only-Modus hinausgehenden, von der Beklagten vertragsgemäß zur Verfügung zu stellenden Leistungen, die sozialen Netzwerken immanente Möglichkeit des Kommentierens, Postens, Teilens und des Nachrichtenaustauschs, ist nach dem gebotenen strengen Maßstab kein Wirtschaftsgut in dem vorstehend dargelegten Sinne (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 147).
dd) Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Herausgabe des Werts der erlangten Gegenleistung nach §§ 346 Abs. 2 Nr. 1, 326 Abs. 1 und 4 BGB in Höhe von 1.500 € zu. Zwar hat die Beklagte während der Sperrung des Nutzerkontos des Klägers die von ihr vertraglich geschuldete Leistung teilweise nicht erbracht, auch wenn der Kläger weiterhin in der Lage war, Beiträge zu lesen; denn zum Kern des Angebots gehört die Möglichkeit, „sich auszudrücken und Inhalte zu teilen“. Da es sich bei dem Nutzungsvertrag der Parteien um ein Dauerschuldverhältnis handelt, ist durch die Nichtleistung der Beklagten Teilunmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB eingetreten. Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt bei Leistungsbefreiung des Schuldners wegen Unmöglichkeit der Anspruch auf die Gegenleistung, und bei einer Teilleistung findet § 441 BGB entsprechende Anwendung. Allerdings ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar, dass der Kläger eine anteilige nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt hat, die die Beklagte nach § 326 Abs. 4 BGB zurückerstatten müsste. Die bei der Nutzung automatisch anfallenden Daten und die Einräumung von deren Nutzungsmöglichkeit zu bestimmten Werbezwecken durch die Beklagte ist die Gegenleistung für die gegenwärtige Nutzung des sozialen Netzwerks selbst. Berücksichtigungsfähig ist daher ausschließlich der Wert der während des Sperrzeitraums von dem Kläger zur Verfügung gestellten Datennutzungsrechte. Die vom Kläger ab Beginn des zwischen den Parteien bestehenden Dauerschuldverhältnisses angefallenen Daten, die durch die Beklagte im Rahmen des ihr eingeräumten Nutzungsrechts und der vom Kläger erteilten Einwilligung verarbeitet werden durften, sind durch die damit jeweils korrespondierende Möglichkeit zur Nutzung des sozialen Netzwerks bereits abgegolten. In Ansehung des Rechtsgedankens des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien die Leistung, hier also die Gesamtheit der beklagtenseits vertragsgemäß zur Verfügung zu stellenden Leistungen im Zusammenhang mit dem sozialen Netzwerk, und die Gegenleistung, nämlich die Einräumung von Nutzungsrechten des Klägers an seinen bei der Nutzung des sozialen Netzwerks anfallenden Daten, welche der Beklagten die Platzierung zielgerichteter Werbung ermöglicht, auch für die Dauer des Dauerschuldverhältnisses als gleichbleibend äquivalent ansehen. Denn in welchem Umfang das soziale Netzwerk der Beklagten genutzt und im Gegenzug Nutzungsrechte an Nutzungsdaten des Klägers eingeräumt werden, bleibt nach der Eigenart des Dauerschuldverhältnisses offen. Umfang und Wert von Leistung und Gegenleistung hängen vielmehr vom Nutzungsverhalten des Klägers ab. Verhält er sich in dem sozialen Netzwerk besonders aktiv und nimmt dabei die Infrastruktur der Beklagten, z. B. Serverkapazitäten, stark in Anspruch, wächst seine Gegenleistung durch den größeren Anfall an Nutzungsdaten, an denen er der Beklagten vorab Nutzungsrechte eingeräumt hat, entsprechend. Mangels entgegenstehender Darlegung der Parteien sind die jeweils vom Kläger zur Verfügung gestellten Daten demnach nur Gegenleistung für die zeitgleiche Inanspruchnahme der Nutzung des sozialen Netzwerks.
Demgemäß war mit dem während der Sperrzeit allein verfügbaren Read-Only-Modus nicht nur ein Weniger an Leistungen der Beklagten verbunden. Umgekehrt ersparte sich der Kläger auch denjenigen Teil der Gegenleistung, der dem nicht erbrachten Teil der geschuldeten Leistung entspricht, denn indem er während der Sperrung keinen Gebrauch von den Möglichkeiten des Postens, Teilens, Kommentierens und Nachrichtenaustauschs machen konnte, fielen auch entsprechend weniger Nutzungsdaten an (vgl. ähnlich OLG Nürnberg Urteil vom 4. August 2020 - 3 U 3641/19, juris Rn. 200). Lediglich soweit der Kläger die Funktionen des Read-Only-Modus nutzte, fielen auch Daten an, die er zur Verfügung stellte - nicht anders als bei sonstigen Onlineformaten, bei denen Nutzer kostenfrei Inhalte konsumieren. Diese Leistungen des Klägers sind dann aber, soweit die Daten nicht schon ohnehin für die Vertragsdurchführung selbst erforderlich sind, die - reduzierte - Gegenleistung für die - reduzierten - Leistungen der Beklagten (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 155).
ee) Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch für die unberechtigte Nutzung seiner Daten zu Werbezwecken aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion), welche der Rechtsfolge nach auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr gerichtet wäre, steht dem Kläger schon dem Grunde nach nicht zu. Selbst wenn die Beklagte während des Zeitraums der unberechtigten Sperrung seine persönlichen Daten zu Werbezwecken weitergenutzt und dadurch Einnahmen erzielt haben sollte, erfolgte dies nicht ohne Rechtsgrund. Die Beklagte verfügte auch während der Sperrzeit über ein Nutzungsrecht an den vom Kläger zur Verfügung gestellten Daten und Inhalten und über eine datenschutzrechtliche Einwilligung in die Datenverarbeitung. Denn mit Abschluss des Nutzungsvertrags hat der Kläger der Beklagten seine Einwilligung zu der in den Nutzungsbedingungen geregelten Befugnis zur Verwendung seiner bei der Nutzung anfallenden Daten erteilt (vgl. Nutzungsbedingungen 3. Deine Verpflichtungen gegenüber Facebook, 3.2.). Dieses der Beklagten vertraglich eingeräumte Nutzungsrecht erlosch während der Dauer einer rechtswidrigen Sperrung nicht. Eine vertragswidrige teilweise Nichterfüllung seitens der Beklagten lässt die Wirksamkeit der Einräumung von Nutzungsrechten und der datenschutzrechtlichen Einwilligung unberührt. Ebenso wenig kann der Kläger sich für das Fehlen eines Rechtsgrunds auf eine etwaige Einrede nach § 320 bzw. § 273 BGB berufen. Nach dem dispositiven Vertragsrecht für gegenseitige Verträge erlischt im Fall einer Vertragsverletzung des anderen Teils die eigene Vertragsverpflichtung nur ausnahmsweise automatisch. Die Vorschrift des § 320 BGB zeigt, dass auch bei einer Nichterfüllung der einen Seite dem anderen nur ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Die Weiternutzung der Werberechte durch die Beklagte erfolgte deshalb mit Rechtsgrund. § 812 BGB lässt die Kondiktion nur zu, wenn der rechtliche Grund gänzlich fehlt, nicht jedoch bei dilatorischen Einreden. Für einen Anspruch nach § 813 BGB fehlt es an einer dauernden Einrede. Nur aufschiebende Einreden, wie die aus §§ 320, 273 BGB, genügen nicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 158 m. N.)
ff) Dem Kläger ist schließlich auch kein nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu ersetzender materieller Schaden entstanden. Ein materieller Schaden besteht aus der Differenz zwischen der tatsächlich durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten Vermögenslage des Geschädigten (Grüneberg/Grüneberg, 83. Aufl., Vor § 249 Rn. 10). Allein das Vorliegen einer unzulässigen Datenverarbeitung genügt nicht (Gola/Heckmann/Gola/Piltz, DS-GVO, 3. Aufl., Art. 82 Rn. 12). Dass der Kläger durch die Entfernung seines Beitrags eine Vermögensminderung erfahren hätte, ist nicht dargelegt. Der zeitweiligen Einschränkung der privaten Kommunikationsmöglichkeit auf Facebook kommt für sich genommenen kein Vermögenswert zu; sie stellt daher keinen Schaden in diesem Sinne dar (OLG München Urteil vom 18.2.2020 - 18 U 3465/19, juris Rn. 108; OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 161 m.w.N.). Das bloße Affektionsinteresse ist nicht ersetzbar (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, ebd.).
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V. Die Revision war mit der im Tenor genannten Einschränkung wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zuzulassen. Das Verfahren wirft zahlreiche grundsätzliche Fragen zu den Voraussetzungen der beiden Unterlassungsansprüche auf, die für Verfahren gegen die hiesige Beklagte von wesentlicher Bedeutung sind. In der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilte Fragen zum - soweit es den in zahlreichen Verfahren gegen die Beklagte nach unberechtigter Beitragsentfernung und Sperre gestellten Feststellungsanspruch betrifft - Vorliegen eines Rechtsverhältnisses und eines Feststellungsinteresses, soweit es die Unterlassungsansprüche betrifft, zu deren Bestimmtheit und zum Vorliegen Wiederholungsgefahr, erfordern eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Hingegen werden in der hiesigen Fallkonstellation Auskunftsansprüche in Bezug auf etwaige Weisungen der Bundesregierung und Schadensersatzansprüche in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig verneint.
Die EU-Kommission hat eine Geldbuße gegen Meta in Höhe von 797,72 Mio. EUR wegen missbräuchlicher Praktiken im Zusammennhang mit Facebook Marketplace verhängt.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission verhängt Geldbuße in Höhe von 797,72 Mio. EUR gegen Meta wegen missbräuchlicher Praktiken zugunsten von Facebook Marketplace
Die Europäische Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von 797,72 Mio. EUR gegen Meta verhängt, weil das Unternehmen gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt, indem es seinen Online-Kleinanzeigendienst Facebook Marketplace mit seinem persönlichen sozialen Netzwerk Facebook verknüpft und anderen Anbietern von Online-Kleinanzeigendiensten unfaire Handelsbedingungen auferlegt hat.
Die Zuwiderhandlung
Meta ist ein multinationales Technologieunternehmen mit Sitz in den USA. Wichtigstes Geschäftsfeld ist sein persönliches soziales Netzwerk Facebook. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch den Online-Kleinanzeigendienst „Facebook Marketplace“ an, über den Nutzer Waren kaufen und verkaufen können.
Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass Meta auf dem Markt für persönliche soziale Netzwerke, der zumindest den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) umfasst, sowie auf den nationalen Märkten für Online-Display-Werbedienste in sozialen Medien eine beherrschende Stellung innehat.
Konkret hat die Kommission festgestellt, dass Meta mit den folgenden Maßnahmen seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstößt:
Verknüpfung seines Online-Kleinanzeigendienstes Facebook Marketplace mit seinem persönlichen sozialen Netzwerk Facebook: Aufgrund dieser Verknüpfung haben alle Facebook-Nutzer automatisch Zugang zu Facebook Marketplace, der ihnen – ob sie dies wünschen oder nicht – auch regelmäßig angezeigt wird. Die Kommission hat festgestellt, dass Wettbewerber von Facebook Marketplace auf diese Weise vom Markt ausgeschlossen werden könnten, da Facebook Marketplace durch die Verknüpfung von einem wesentlichen Vertriebsvorteil profitiert, den andere Anbieter nicht ausgleichen können.
Einseitiges Auferlegen unfairer Handelsbedingungen für andere Anbieter von Online-Kleinanzeigendiensten, die auf den Plattformen von Meta, insbesondere den sehr beliebten sozialen Netzwerken Facebook und Instagram, Werbung treiben: So kann Meta Werbedaten, die von anderen Werbetreibenden erzeugt werden, ausschließlich zugunsten von Facebook Marketplace nutzen.
Geldbuße
Die Kommission hat Meta angewiesen, diese Verhaltensweisen wirksam einzustellen und davon abzusehen, dieses missbräuchliche Verhalten in der Zukunft erneut aufzunehmen oder Praktiken mit gleichem Ziel bzw. gleicher Wirkung einzuführen.
Die Geldbuße in Höhe von 797,72 Mio. EUR wurde auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 (siehe Pressemitteilung und MEMO) festgesetzt.
Bei der Festsetzung der Geldbuße wurden die Dauer und die Schwere der Zuwiderhandlung sowie der mit den Zuwiderhandlungen in Zusammenhang stehende Umsatz von Facebook Marketplace, von dem ausgehend der Grundbetrag bestimmt wird, berücksichtigt. Die Kommission hat auch den Gesamtumsatz von Meta berücksichtigt, um eine ausreichende Abschreckungswirkung auf ein Unternehmen zu erzielen, das über so große Ressourcen wie Meta verfügt.
Hintergrund
Im Juni 2021 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren wegen möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Facebook ein. Im Dezember 2022 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Meta, auf die das Unternehmen im Juni 2023 antwortete.
Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens verbieten den Missbrauch einer beherrschenden Stellung.
Eine marktbeherrschende Stellung ist nach dem EU-Kartellrecht nicht grundsätzlich verboten. Allerdings tragen marktbeherrschende Unternehmen eine besondere Verantwortung, denn sie dürfen ihre starke Marktstellung nicht missbrauchen, indem sie den Wettbewerb auf dem beherrschten Markt oder auf anderen Märkten einschränken.
Geldbußen für Unternehmen, die gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen, werden in den Gesamthaushaltsplan der EU eingestellt. Diese Einnahmen sind nicht für bestimmte Ausgaben vorgesehen. Stattdessen werden die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt für das Folgejahr entsprechend gekürzt. Somit tragen die Geldbußen zur Finanzierung der EU bei und entlasten die Steuerzahler.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer AT.40684 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht.
Das OLG Hamburg hat in einem Rechtsstreit um ein rechtswidriges X-Profil entschieden, dass ein auf einer deutschen Norm beruhender Unterlassungsanspruch nur in der Bundesrepublik Deutschland und nicht in der gesamten EU gilt.
Aus den Entscheidungsgründen: Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11.09.2024 der Antragsgegnerin bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland den Namen „… G…" als Inhaber eines Profils und/oder als Verfasser von Posts zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder veröffentlichen oder verbreiten zu lassen,
wie in dem „X"- Profil „@ …" geschehen.
Es hat ausgeführt, dass dem Antragsteller ein Unterlassungsanspruch zustehe. Die angegriffene Nutzung des Namens des Antragstellers verletze dessen Namensrecht als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Antragsgegnerin habe die ihr obliegenden Pflichten als Hostproviderin verletzt. Die Untersagung sei jedoch auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu beschränken.
Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und verfolgt sein Begehren, dass das Verbot auch das übrige Gebiet der Europäischen Union zu erstrecken sei, weiter. Er beruft sich hierzu insbesondere auf das Urteil des EuGH vom 17.10.2017, C-194/16 (Bolagsupplysningen OÜ ua/Svensk Handel AB), NJW 2017, 3433.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung eine Pflichtverletzung der Antragsgegnerin festgestellt. Das von ihr vorgenommene Geo-Blocking ist unzureichend. Der Antragsteller hat anwaltlich versichert, dass das in Rede stehende Profil weiterhin in Deutschland unter Verwendung eines VPN-Dienstes abrufbar ist. Die Antragsgegnerin hätte jedenfalls aufgrund einer sekundären Darlegungslast begründen müssen, warum ihr ein anderes Mittel als das vorgenommene Geo-Blocking nicht möglich und zumutbar ist (vgl. hierzu Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.04.2018, 324 O 51/18, AfP 2018, 543, 543).
Der Antragsteller hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass die Untersagung auf weitere Gebiete der EU erstreckt wird.
Die von ihm in Bezug genommene „eDate“-Entscheidung des EuGH, ZUM-RD 2011, 657, betrifft nach einhelliger Ansicht Schadensersatzansprüche und keinen Unterlassungsanspruch, wie er hier geltend gemacht wird.
Anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des EuGH vom 17.10.2017, C-194/16 (Bolagsupplysningen OÜ ua/Svensk Handel AB), NJW 2017, 3433.
Dieses hatte zwar u.a. die Entfernung von Äußerungen zum Gegenstand. Kläger waren auch eine natürliche Person – wie hier ebenfalls – und eine juristische Person. Der EuGH führt am Ende der Entscheidung zudem aus:
„In Anbetracht der umfassenden Abrufbarkeit der auf einer Website veröffentlichten Angaben und Inhalte und des Umstands, dass die Reichweite ihrer Verbreitung grundsätzlich weltumspannend ist (vgl. i. d. S. EuGH, ECLI:EU:C:2011:685 = EuZW 2011, 962 Rn. 46 – eDate Advertising ua), ist ein auf die Richtigstellung dieser Angaben und die Entfernung dieser Inhalte gerichteter Antrag jedoch einheitlich und untrennbar und kann somit nur bei einem Gericht erhoben werden, das nach der Rechtsprechung, die sich aus den Urteilen Shevill ua (EuGH, ECLI:EU:C:1995:61 = NJW 1995, 1881 Rn. 25 f. u. 32) und eDate Advertising ua (EuGH, ECLI:EU:C:2011:685 = EuZW 2011, 962 Rn. 42 u. 48) ergibt, für die Entscheidung über einen Antrag auf Ersatz des gesamten Schadens zuständig ist, und nicht bei einem Gericht, das nicht über eine solche Zuständigkeit verfügt.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 Nr. 2 der VO Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass eine Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, nicht vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die im Internet veröffentlichten Informationen zugänglich sind oder waren, eine Klage auf Richtigstellung der Angaben und Entfernung der Kommentare erheben kann.“.
Danach könnte das Begehren des Antragstellers, dessen Mittelpunkt seiner Interessen nach seinem Vorbringen in Deutschland liegt, eine Grundlage haben. Wenn er nur an einem Gerichtsstand seinen Anspruch geltend machen kann, spricht einiges dafür, dass das danach zuständige Gericht ein Verbot nicht auf seinen Bezirk beschränkt, da der Verletzte, dem kein anderer Gerichtsstand zur Verfügung steht, ansonsten weitestgehend schutzlos wäre.
Dem Senat ist auch die Entscheidung des supreme court of canada vom 28.06.2018, Google Inc..v. Equustek Solutions (2017 SCC 34) bekannt, welche ein weltweites Verbot betrifft, was allerdings nachfolgend von einem US-Bezirksgericht nicht akzeptiert wurde.
Gegen eine solche Konsequenz der Entscheidung des EuGH spricht jedoch, dass nach – soweit feststellbar – einhelliger Ansicht der EuGH mit seiner Ansicht die sog. Mosaiktheorie hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit nicht aufgegeben hat, sondern diese weiterhin anwendet (vgl. hierzu Stein/Schnichels/Lenzing, Die Entwicklung des Europäischen Zivilprozessrechts im Bereich der EuGVVO im Jahr 2021, EuZW 2022, 1094).
Der Generalstaatsanwalt hat außerdem in seinem Schlussantrag zum vor dem EuGH geführten Verfahren zum Az. C-194/16 für die Aufhebung der Mosaik-Theorie gerade mit dem Argument, dass die nationalen Staaten auf ihr Hoheitsgebiet beschränkt seien, geworben (Schlussantrag vom 13.07.2017, C-194-16, BeckRS 2017, 116694, Rn 80). Der EuGH hat indes an der Mosaik-Theorie letztlich festgehalten.
Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die fragliche Entscheidung des EuGH die internationale Zuständigkeit betrifft und nicht welches Recht das danach zuständige Gericht anzuwenden hat. Dieses ist hier nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB das deutsche Recht. Das deutsche Recht sieht jedoch bei den hier in Rede stehenden Normen für den Unterlassungsanspruch, nämlich das Namensrecht nach § 12 BGBG und das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Artt. 1 und 2 GG, keine über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinausgehende Geltung vor.
Anerkannt ist zwar im Rahmen der DSGVO ein Verbot, welches für das gesamte Gebiet der EU Wirkung entfaltet. Aber dieser europaweite Verbotsanspruch folgt unmittelbar aus der DSGVO und wird aus deren Vollharmonisierung innerhalb der EU abgeleitet (vgl. EuGH, Urteil vom 24.09.2019 – C-507/17).
An einer Vollharmonisierung fehlt es hier indes, und zwar auch dann, wenn der Antragsteller die Untersagung auf die EMRK stützen könnte, welche innerhalb des gesamten Gebietes der EU gilt. Denn ein solcher Anspruch folgt nicht unmittelbar aus der EMRK, sondern aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der EMRK, also wiederum einer deutschen (nicht harmonisierten) Norm.
Es erscheint auch zweifelhaft, dass der hier geltend gemachte Unterlassungsanspruch ein unteilbarer Anspruch ist, was nach der fraglichen EuGH-Entscheidung Voraussetzung wäre. Es ist vorstellbar, dass die Antragsgegnerin ihn nur in einzelnen Ländern der EU umsetzt.
Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass in anderen Rechtsgebieten wie dem Markenrecht, welches zum Teil harmonisiert ist, nur dann eine Untersagung für das gesamte Gebiet der EU ausgesprochen wird, wenn das Verbot auf einer harmonisierten Norm beruht.
Nach alledem kann dahinstehen, ob der Antragsteller zu dem in den anderen Staaten der EU geltendem Recht hätte vortragen müssen oder inwieweit sein Interesse auch diese Staaten berührt. Letzteres ist nicht ersichtlich, da der Inhalt auf Deutsch verfasst ist, sich mit deutschen Vorgängen befasst und nicht erkennbar ist, dass der Antragsteller außerhalb von Deutschland bekannt oder geschäftlich tätig ist.
Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass es für die Strafbarkeit der Beleidigung von Politikern in sozialen Medien nicht auf die Reichweite und die Anzahl der Follower ankommt.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung: Auf die Anzahl der „Follower“ kommt es nicht an
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Zweibrücken hat entschieden, dass es für die Strafbarkeit von Beleidigungen in sozialen Medien gegenüber im politischen Leben stehenden Personen lediglich auf den Inhalt der Äußerung ankommt. Nicht relevant sind dagegen die sonstigen Umstände, wie beispielsweise die gewählte Verbreitungsart und die Größe des Adressatenkreises.
Im September 2021 veröffentlichte ein Mann aus Kaiserslautern auf seinem öffentlichen Facebook-Profil folgenden Kommentar: „Merkel im Ahrtal…daß sich die dumme Schlampe nicht schämt…“. Der Text war dabei in weißer Schriftfarbe auf braunem Untergrund geschrieben, auf dem zudem insgesamt sieben sogenannte Emoticons in Form von lächelnden Kothaufen zu sehen waren.
Das Amtsgericht Kaiserslautern verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe. Auf die Berufung des Angeklagten stellte das Landgericht Kaiserslautern das Verfahren gegen ihn ein. Bei der sog. „Politikerbeleidigung“ (§ 188 Strafgesetzbuch: Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung) seien neben der Äußerung selbst auch die Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Dies betreffe neben der Person des Betroffenen auch die Reichweite der jeweiligen Veröffentlichung. Der Post des Facebook-Nutzers auf seinem privaten Profil mit 417 „Freunden“ habe nicht die Reichweite, die eine Strafbarkeit seines Tuns rechtfertige. Einer Verurteilung wegen (einfacher) Beleidigung stand der fehlende Strafantrag der ehemaligen Bundeskanzlerin entgegen.
Der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken teilte diese Rechtsmeinung nicht, weshalb er das Urteil des Landgerichts in der Verhandlung am 30.09.2024 aufhob und die Sache zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Kaiserslautern zurückverwies. Für die Strafbarkeit komme es einzig auf den Inhalt der Äußerung an und nicht auf sonstige Umstände. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der kurz vor der Tat den Anwendungsbereich des Straftatbestands durch eine Gesetzesänderung erheblich ausweitete, um Personen, die sich im politischen Leben engagieren, vor Hass und Hetze im Internet besser schützen zu können.
Das Bundeskartellamt hat das Verfahrens gegen Facebook / Meta hinsichtlich der Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Angeboten und Diensten abgeschlossen.
Die Pressemitteilung des Bundeskartellamts: Abschluss des Facebook-Verfahrens
Das Bundeskartellamt hat sein Facebook-Verfahren abgeschlossen. Ergebnis des Verfahrens ist ein Gesamtpaket von Maßnahmen, das den Nutzenden des sozialen Netzwerkes Facebook deutlich verbesserte Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Verknüpfung ihrer Daten einräumt.
Im Februar 2019 hatte das Bundeskartellamt Meta (vormals Facebook) untersagt, personenbezogene Daten der Nutzenden ohne Einwilligung aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen. Gegen die Entscheidung hatte Meta Beschwerde eingelegt. Neben einer jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzung und der Bestätigung des Bundeskartellamtes in Grundsatzfragen durch den Bundesgerichtshof (2020) sowie den Europäischen Gerichtshof (2023) haben Meta und das Bundeskartellamt intensiv über konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung verhandelt. Nun wurden die Einzelmaßnahmen Metas als hinreichend wirkungsvolles Gesamtpaket angesehen, um das Verfahren abzuschließen. Meta hat seinerseits die vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf) anhängige Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes zurückgenommen. Die Entscheidung ist damit bestandskräftig.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Facebook-Entscheidung aus dem Jahr 2019 kann bis heute als bahnbrechend gelten. Auf Grundlage unserer seinerzeitigen Entscheidung hat Meta ganz wesentliche Anpassungen beim Umgang mit Nutzerdaten vorgenommen. Zentral ist dabei, dass die Nutzung von Facebook nicht mehr voraussetzt, dass man in eine grenzenlose Sammlung und Zuordnung von Daten zum eigenen Nutzerkonto einwilligt, auch wenn die Daten gar nicht im Facebook-Dienst anfallen. Das betrifft etwa Konzerndienste wie Instagram oder Drittseiten und -Apps. Das bedeutet, dass Nutzende nun deutlich bessere Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Zusammenführung ihrer Daten haben. Neben diesen ganz konkreten Verbesserungen hat die Entscheidung des Bundeskartellamtes darüber hinaus zu einer wichtigen Leitentscheidung des Europäischen Gerichtshofes geführt und auf der nationalen wie europäischen Ebene Gesetzgebungsinitiativen inspiriert. Dies bedeutet auch, dass wir im Hinblick auf die Rechtsklarheit und die Eingriffsinstrumente in diesem Bereich heute einen ganz anderen Stand haben als noch vor fünf Jahren.“
Vor der Entscheidung des Bundeskartellamtes konnte das soziale Netzwerk Facebook nur unter der Voraussetzung genutzt werden, dass Facebook die Möglichkeit eingeräumt wurde, Daten über die Nutzenden auch außerhalb des Facebook-Angebots zu erheben und dem jeweiligen Facebook-Nutzerkonto zuzuordnen. Dies betraf zum einen Daten aus anderen unternehmenseigenen Diensten (wie Instagram) und zum anderen Daten, die in Apps und auf Websites von Drittanbietern erhoben wurden. Nutzende hatten insoweit nur die Wahl, entweder einer nahezu unbegrenzten Datenzusammenführung zuzustimmen oder auf die Nutzung des sozialen Netzwerks zu verzichten. Das Bundeskartellamt hatte diese Geschäftsbedingungen untersagt und verlangt, dass eine Zusammenführung der Daten nur nach gesonderter Einwilligung erfolgt, die gerade nicht zur Voraussetzung für die Nutzung von Facebook gemacht werden darf (vgl. Pressemitteilung vom 7. Februar 2019).
Der Beendigung des Verfahrens war ein intensiver Diskussionsprozess zwischen Meta und dem Bundeskartellamt vorausgegangen, innerhalb dessen Meta schrittweise folgende Maßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung ergriffen bzw. zugesagt hat:
Einführung einer Kontenübersicht (vgl. Pressemitteilung vom 7. Juni 2023) zur Datentrennung zwischen einzelnen Meta-Diensten: Die Kontenübersicht erlaubt es Nutzenden, selbst zu entscheiden, welche Meta-Dienste (z. B. Facebook und Instagram) sie miteinander verknüpfen und damit einen Datenaustausch auch zu Werbezwecken erlauben wollen. Eine getrennte Nutzung der Dienste bleibt ohne wesentliche Qualitätseinbußen möglich.
Einführung von „Cookie“-Einstellungen zur Trennung von Facebook-Daten und anderen Daten: Im Hinblick auf Daten, die Meta über seine sog. Business Tools von Webseiten oder Apps anderer Unternehmen erhält, können Nutzende jetzt im Rahmen der „Cookie“-Einstellungen von Facebook entscheiden, ob sie eine Verknüpfung mit ihren in dem Dienst gespeicherten Daten erlauben möchten. Gleiches gilt für Instagram.
Sonderstellung des Facebook-Logins: Wer sich dafür entscheidet, seine Facebook-Daten nicht mit seinen Nutzungsdaten von anderen Websites oder Apps zusammenzuführen, kann hiervon für das Facebook-Login eine Ausnahme machen, wenn er diese Anmeldemöglichkeit in Apps oder auf Websites von Dritten benutzen möchte. Zuvor mussten Nutzende Meta sämtliche Datenzusammenführungen mit Daten aus Drittapps bzw. von Drittwebsites erlauben, wenn sie auf das Facebook-Login nicht verzichten wollten.
Prägnante Kundeninformation: Damit Metas Kundinnen und Kunden schnell zu den einschlägigen Einstellungen gelangen, mit denen ungewollte Datenverknüpfungen unterbunden werden können, werden Nutzende, die einer Datenverknüpfung in der Vergangenheit zugestimmt haben, beim Aufruf von Facebook auffällig gestaltete Benachrichtigungen erhalten, die jeweils direkte Verlinkungen zu den neu gestalteten Auswahlinstrumenten enthalten.
Vorgeschalteter Wegweiser: Meta hat am Anfang seiner Datenrichtlinie einen deutlichen Hinweis auf die Wahlmöglichkeiten der Nutzenden eingeführt (https://de-de.facebook.com/privacy/policy/ „So verwaltest du die Informationen, die wir verwenden“). Dieser enthält einen kurzen Erläuterungstext und Links zur Kontenübersicht und den „Cookie“-Einstellungen.
Eingeschränkte Datenverknüpfung für Sicherheitszwecke: Unabhängig von den von den Nutzenden vorgenommenen Einstellungen in Facebook oder Instagram speichert und verknüpft Meta Nutzungsdaten zu Sicherheitszwecken. Dies geschieht indessen nur vorübergehend und – sofern sich kein Verdacht auf unzulässiges Verhalten ergibt – längstens für einen vorab einheitlich festgelegten Zeitraum.
Andreas Mundt: „In der Gesamtschau ermöglichen diese Instrumente den Nutzenden eine erheblich verbesserte Kontrolle über das Ausmaß der Zuordnung von persönlichen Daten aus anderen Meta-Diensten sowie von Webseiten oder Apps anderer Unternehmen zu ihrem jeweiligen Facebook-Konto.“
Die oben beschriebenen Maßnahmen sind bereits umgesetzt oder werden in den nächsten Wochen realisiert.
Der Abschluss des Verfahrens bedeutet nicht, dass alle kartellrechtlichen Bedenken restlos ausgeräumt worden wären. Vielmehr wurden die Maßnahmen Metas als hinreichend geeignetes Gesamtpaket angesehen, um auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten und das Verfahren im Ermessenswege abzuschließen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass andere Behörden über wirksame und gut geeignete Instrumentarien verfügen, um ggf. weiterreichende Verbesserungen für die Nutzenden von Meta-Diensten in der Europäischen Union zu erreichen. Der Abschluss des Verfahrens auf der Basis des oben beschriebenen Maßnahmenpakets enthält daher keine Wertung, ob Meta die sich aus diesen Instrumentarien ergebenden Pflichten erfüllt. So hat die Europäische Kommission inzwischen die Befugnis, auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 2 des Digital Markets Act (DMA), welcher die Problematik der Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamtes aufgreift und weiterentwickelt, gegen Datenzusammenführungen zwischen verschiedenen Diensten von sog. Torwächtern vorzugehen, sofern keine wirksame Einwilligung vorliegt. Die Datenschutzbehörden können in Anwendung der Datenschutzgrundverordnung prüfen, inwieweit Einwilligungen tatsächlich freiwillig erfolgt sind und ob Datenverarbeitungen – auch innerhalb einzelner Dienste – ggf. exzessiv sind. Auch könnten hinsichtlich Metas Gestaltung der Nutzerdialoge verbraucherschützende Vorschriften zum Zug kommen.
Aufgrund z. T. ähnlicher Fragestellungen in Kartell- und Datenschutzrecht hat sich das Bundeskartellamt während des Verfahrens regelmäßig mit Datenschutzbehörden ausgetauscht. Zudem wurde das Bundeskartellamt in technischen Fragen vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik unterstützt. Ferner war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) als Beigeladene an dem Verfahren beteiligt.
Hintergrund:
Am 6. Februar 2019 untersagte das Bundeskartellamt Meta (vormals Facebook) per Beschluss, Daten ohne Einwilligung der Nutzenden aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen. Hiergegen legte Meta Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein. Dieses ordnete auf Antrag Metas am 26. August 2019 die aufschiebende Wirkung der Beschwerde an. Diese Anordnung hob der Bundesgerichtshof auf Antrag des Bundeskartellamtes mit Beschluss vom 23. Juni 2020 auf und lehnte Metas Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ab. Am 24. März 2021 legte das OLG Düsseldorf dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) diverse Fragen vor und setzte das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus. Der EuGH sollte u. a. klären, ob das Bundeskartellamt im Rahmen von kartellrechtlichen Abwägungsentscheidungen auch DSGVO-Normen auslegen darf. Der Europäische Gerichtshof hat dies in seiner Entscheidung am 4. Juli 2023 (Rechtssache C-252/21) bejaht. Der Rechtsstreit vor dem OLG Düsseldorf wurde angesichts der Gespräche zwischen den Parteien zuletzt nicht aktiv betrieben und ist jetzt mit der Rücknahme der Beschwerde durch Meta beendet.
Aktuell wird die Rechtmäßigkeit von Metas „Pay or consent“-Modell diskutiert, welches eine werbefreie Nutzung von Facebook bzw. Instagram gegen Gebühr ermöglicht. Mehrere europäische Verbraucherverbände haben hiergegen Beschwerde bei ihren jeweiligen nationalen Datenschutzbehörden eingelegt (siehe https://www.beuc.eu/press-releases/consumer-groups-launch-complaints-against-metas-massive-illegal-data-processing). Auch der Europäische Datenschutzausschuss hat entsprechende Modelle in einer Stellungnahme vom 17. April 2024 kritisiert (siehe https://www.edpb.europa.eu/system/files/2024-04/edpb_opinion_202408_consentorpay_en.pdf). Die Europäische Kommission sieht im „Pay or consent“-Modell von Meta einen möglichen Verstoß gegen den seit 7. März 2024 durchsetzbaren Digital Markets Act (DMA) und hat Meta hierzu am 1. Juli 2024 ihre vorläufigen Feststellungen mitgeteilt (siehe https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_24_3582).
Den Fallbericht des Bundeskartellamts finden Sie hier:
Das LG Traunstein hat entschieden, dass der Nutzer eines weltweit agierenden sozialen Netzwerks nach der DSGVO keinen Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe und Übermittlung personenbezogener Daten in die USA hat.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Klage ist nur teilweise zulässig.
I. Das Landgericht Traunstein ist sachlich nach §§ 1 ZPO, 71 Abs. 1, 23 GVG, international nach Art. 79 Abs. 2 S. 2, 82 Abs. 6 DSGVO und örtlich nach § 44 Abs. 1 S. 2 BDSG zuständig.
II.Der auf die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klagepartei für künftige Schäden gerichtete Antrag ist nicht hinreichend bestimmt gern. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der auf die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klagepartei für künftige Schäden gerichtete Antrag ist nicht hinreichend bestimmt gern. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag bezieht sich auf „künftige Schäden“, „die der Klägerseite (…) entstanden sind und/oder noch entstehen werden.„Auch unter Berücksichtigung des gesamten klägerischen Vorbringens ist für das Gericht nicht zu erkennen, ob sich der Antrag nur auf künftige Schäden oder auch bereits entstandene, aber ggfs. noch nicht bekannte Schäden erstrecken soll.
III. Hinsichtlich des Feststellungsantrags besteht auch kein ausreichendes Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Ein Feststellungsinteresse ist zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW-RR 2007, 601). Welcher Schaden der Klagepartei dadurch entstehen soll, dass die Beklagte rechtswidrig ihre MessengerNachrichten überwacht, OffF Daten verarbeitet und Daten in die USA übermitteln sollte, ist für das Gericht nicht ersichtlich und wird auch nicht plausibel dargelegt.
IV. Der Unterlassungsantrag zu Ziff. 4 a) der Klageanträge ist nicht hinlänglich bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Wort „anlasslos“ schränkt das Unterlassungsbegehren in objektiv nicht abgrenzbarer Weise ein. Ein entsprechender Ausspruch wäre nicht vollstreckungsfähig.
V. Hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu Ziff. 4b) fehlt der Klagepartei das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klagepartei hat die Möglichkeit, über die Einstellungen die Behandlung der „Off-...- Daten“ bzw. „Aktivitäten außerhalb der ...-Technologien“ selbst zu steuern. Dies muss der Klagepartei spätestens aufgrund des Beklagtenvortrags im Rechtsstreit auch bekannt sein. Da ihr ein einfacherer Weg zur Erreichung ihres Rechtsschutzziels zur Verfügung steht, fehlt ihr für eine Unterlassungsklage das Rechtsschutzbedürfnis.
VI. Der Antrag auf Löschung „anlasslos gespeicherter“ Daten (Ziff. 5a und b der Klageanträge) ist aus den oben unter Ziff. IV genannten Erwägungen wegen Unbestimmtheit unzulässig.
VII. Im Übrigen ist die Klage zulässig.
B.
Die Klage ist – soweit sie unzulässig ist, jedenfalls auch – unbegründet.
23
I. Der Klagepartei stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit den behaupteten Vorwürfen hinsichtlich des ...-Messenger-Dienstes zu. Es fehlt bereits an einem relevanten Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO.
Die Klagepartei hat nicht schlüssig dargelegt, woraus sich ergeben soll, dass die Beklagte die über den ...-Messenger-Dienst ausgetauschten Inhalte systematisch automatisiert überwacht im Sinne eines „crawlings“ der Inhalte. Aus der Datenschutzrichtlinie der Beklagten ergibt sich solches jedenfalls nicht. Die Beklagte hat vielmehr plausibel dargelegt, dass sie die übertragenen Nachrichten entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere der ePrivacy-Richtlinie, behandelt und ein zulässiges CSAM (child sexual abuse material)-Scanning zur Identifikation kinderpornographischer Inhalte durchführt. Soweit die Klagepartei die Länge und Unübersichtlichkeit der Datenschutzrichtlinie der Beklagten rügt, lässt sich kein Verstoß gegen Art. 13, 14 DSGVO erkennen. Die umfangreichen datenschutzrechtlichen Anforderungen, die von Rechts wegen an die Beklagte gestellt werden, in Verbindung mit der Komplexität der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dienstleistungen lassen keine knappere oder einfachere Darstellung der datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen zu. Dass die Beklagte die über den MessengerDienst ausgetauschten Inhalte als solche speichert und an den Adressaten übermittelt, ist zur Bereitstellung dieser Dienstleistung unumgänglich, Art. 6 Abs. 1 Buchst. B DSGVO. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO) sieht das Gericht deswegen ebenfalls keine Anhaltspunkte. Das CSAM-Scanning ist von Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO gedeckt. Im Übrigen ist es der Klagepartei – wie jedem „f-Nutzer selbst überlassen, ob sie den MessengerDienst überhaupt verwenden will oder nicht.
II. Der Klagepartei stehen auch keine Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit den behaupteten Vorwürfen hinsichtlich der “Off-...-Daten“ zu.
1. Auch insoweit ist kein datenschutzrechtlicher Verstoß ersichtlich. Die Verarbeitung von Daten im Zusammenhang mit „Aktivitäten außerhalb der ...-Technologien“ („Off-...-Daten“) ist durch die Einwilligung des Nutzers gedeckt, Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO. Nach dem Vortrag der Beklagten, an dessen Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, holt sie die Einwilligung der Nutzer mittels eines im Schriftsatz vom 04.03.2024 auf S. 11 abgebildeten CookieBanners ein. Die entsprechenden Einstellungen werden durch Hinweise nachvollziehbar beschrieben und können vom Benutzer nachträglich abgeändert werden. Die Klagepartei ist bei „...“ angemeldet, so dass sie selbst die entsprechenden Einstellungen vornehmen kann. Wie es sich bei Personen verhält, die nicht bei „...“ angemeldet sind, kann dahinstehen, weil die Klagepartei nicht zu diesem Personenkreis gehört. Dass die Schaltfläche „Alle Cookies erlauben“ blau eingefärbt ist, stellt keinen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 2 DSGVO (datenschutzfreundliche Voreinstellung) dar. Denn es handelt sich um keine „Voreinstellung“, sondern um eine übliche und erlaubte optische Hervorhebung, die die aktive Entscheidungsmöglichkeit des Nutzers unberührt lässt. Soweit die Beklagte Informationen von Cookies und ähnlichen Technologien von Dritten erhält, verarbeitet sie diese nach eigenen Angaben ohne Zustimmung des Nutzers nur zu Sicherheits- und Integritätszwecken, was durch Art. 6 Abs. 1 Buchst. b ff. DSGVO bzw. Art. 9 Abs. 2 Buchst. B ff. DSGVO gedeckt ist. Substanziell Entgegenstehendes wurde durch die Klagepartei nicht in den Rechtsstreit getragen.
2. Soweit die Beklagte bis zum Beschluss des Bundeskartellamts vom 06.02.2019 (s. Pressemitteilung vom 07.02.2019, Anlage KE-4) die „Off-...-Daten“ ohne eine erforderliche Einwilligung verarbeitet haben sollte, wird schon nicht vorgetragen, dass die Beklagte „Off ... Daten“ aus diesem Zeitraum bezogen auf die Klagepartei überhaupt noch vorhält. Im Übrigen wären daraus resultierende Ansprüche der Klagepartei jedenfalls verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 214 Abs. 1 BGB. Die Klagepartei musste jedenfalls infolge der vorgenannten Pressemitteilung die tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen kennen oder sich dem Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis aussetzen. Verjährung wäre somit zum Ende des Jahres 2022 eingetreten.
III. Der Klagepartei stehen schließlich keine Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit den behaupteten Vorwürfen im Zusammenhang mit der Datenübermittlung in die USA zu.
1. Eine rechtswidrige Datenübermittlung kann das Gericht nicht erkennen. Die Plattform „...“ und der MKonzern stammen aus den USA. „...“ ist als globale Plattform konzipiert. Um dieses weltweite Netzwerk unterhalten zu können, müssen zwangsläufig Daten international ausgetauscht werden. Dass in diesem Zusammenhang auch Daten durch die Beklagte in die USA übermittelt werden, liegt folglich nahe. Dieses Erfordernis ist auch unabhängig davon, ob die Klagepartei mit USamerikanischen „...“-Nutzern „befreundet“ ist oder nicht. Denn allein die Suche nach Nutzern in anderen Rechtsgebieten kann nur funktionieren, wenn ein grenzüberschreitender Datenaustausch stattfindet. All dies muss jedem „..."-Nutzer, auch der Klagepartei, hinlänglich bekannt sein. Die Klagepartei hat keinen Anspruch darauf, dass „...“ dergestalt betrieben wird, dass sämtliche Daten in Europa gespeichert und verarbeitet werden im Sinne eines rein europäischen „...“. Die unternehmerische Entscheidung des Betreibers der Plattform „...“, Daten in den Vereinigten Staaten von Amerika zu verarbeiten, ist von den Nutzern hinzunehmen, zumal niemand dazu gezwungen wird, die Plattform „...“ zu nutzen.
2. Die Datenübermittlung ist daher grundsätzlich zur Vertragserfüllung erforderlich, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO. Dafür dass die Beklagte, was die Klagepartei letztlich behauptet, darüber hinaus ihren gesamten Datenbestand dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst voraussetzungslos zur freien Verfügung stellt, gibt es keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Was die USamerikanische Regierung insoweit „zugegeben“ haben soll, wird klägerseits nicht konkret dargelegt. Die Beklagte jedenfalls hat solches bestritten und Beweis wurde klägerseits nicht geführt.
3. Die Voraussetzungen für die Datenübermittlung in Drittländer nach Kapitel V DSGVO werden von der Beklagten eingehalten.
a) Aktuell erfolgt die Datenübermittlung aufgrund des Angemessenheitsbeschlusses der Kommission vom 10.07.2023. Dieser stellt eine taugliche Grundlage für die Datenübermittlung dar, Art. 45 Abs. 3 DSGVO. Eine weitergehende Überprüfung der Angemessenheit des Schutzniveaus erübrigt sich dadurch.
b) Für den vorangegangenen Zeitraum stellen die von der Kommission erlassenen Standardvertragsklauseln 2010 und 2021 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c) DSGVO eine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Nach Art. 46 Abs. 1 DSGVO müssen den Betroffenen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, um ein dem EURecht gleichwertiges Schutzniveau zu gewährleisten. Die Klagepartei rügt insoweit, dass der USamerikanische Rechtsbehelfsmechanismus auf einer Verordnung der Regierung und nicht auf formellem Gesetz beruhe. Auch bei einer Verordnung handelt es sich aber um ein Gesetz im materiellen Sinne. Wieso hierdurch kein gleichwertiger Rechtsschutz zur Verfügung gestellt werden könne, ist nicht zu erkennen.
c) Schließlich ist die Datenübermittlung, wie bereits oben ausgeführt, zur Vertragserfüllung erforderlich und damit auf Grundlage von Art. 49 Abs. 1 S. 1 b DSGVO zulässig.
d) Soweit Datenschutzbehörden abweichende Auffassungen vertreten, sind diese für das Gericht nicht bindend.
4. Für eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f bzw. Art. 32 DSGVO ist schlüssig nichts vorgetragen. Wieso Anlass zur Annahme bestehen sollte, dass die Beklagte die Daten der Klagepartei in technischer oder organisatorischer Hinsicht nicht hinlänglich schützt, ergibt sich aus dem Klagevortrag nicht.
5. Eine Verletzung von Art. 13 DSGVO kann das Gericht ebenfalls nicht erkennen. Die Beklagte hat die Fundstellen genannt, unter denen sich der Nutzer über die Notwendigkeit der Datenübermittlung an ausländische Unternehmen, namentlich die .., Inc., wie auch über die Beauskunftung von Regierungsanfragen informieren kann. Dass die Beklagte ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen wäre, ist nicht ersichtlich.
6. Soweit US-Regierungsbehörden einschließlich der Geheimdienste von .., Inc., nach USamerikanischem Recht Auskünfte verlangen können, ist dies Folge der rechtmäßigen Datenübermittlung in den Herrschaftsbereich der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Möglichkeit steht der Gewährleistung eines im Wesentlichen gleichen Schutzniveaus nicht entgegen, da sie auch unter europäischem Datenschutzregime nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO (Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung) zulässig wäre.
IV. Für einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO fehlt es zudem an einem kausalen Schaden der Klagepartei. Diese gab im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung lediglich an, dass sie erst durch die Klägervertreter auf etwaige Datenschutzverstöße im Zusammenhang mit der Übermittlung von Daten bzw. dem Messenger gebracht worden sei. Erst auf Hinweis des Gerichtes wurde ihr offenbar, dass die hiesige Klage sich nicht auf die Scraping-Fälle bezieht. Schließlich wird Bezug genommen auf die Entscheidung des OLG München, Az. 14 U 3359/23 e, Verfügung vom 19.12.23, in welcher folgendes ausgeführt wird:
„Die Befürchtung (noch deutlicher: englisch „fear“ und französisch „crainte“), in der der EuGH einen materiellen Schaden erblickt, kann nur etwas sein, was der Geschädigte (a) persönlich erlebt und was ihn (b) seelisch belastet, mithin psychisch beeinträchtigt. Vermag das Tatgericht nichts dergleichen zu erkennen, so ist der Eintritt des immateriellen Schadens nicht überwiegend wahrscheinlich im Sinne von § 287 Abs. 1 ZPO.“
So liegt der Fall hier: allein die im Rahmen der informatorischen Anhörung (erst) auf Vorhalt ihres Prozessbevollmächtigten angegebene „große Sorge“ (nachdem zunächst angegeben wurde, dass man es „auch schlimm findet“) stellt keinen immateriellen Schaden dar.
V. Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO stehen der Klagepartei gegen die Beklagte nicht zu.
1. Soweit begehrt wird Auskunft bezüglich der Daten „aus der Überwachung des FMessengers“ zu erteilen, „ChatProtokolle vorzulegen und deren interne Bewertung offenzulegen“, können die Chat-Verläufe durch die Klagepartei selbst heruntergeladen werden. Der Auskunftsanspruch ist dadurch erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Was unter einer „internen Bewertung“ zu verstehen sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht; eine Subsumtion unter eine der Kategorien des Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist insoweit nicht möglich.
2. Soweit Auskunft begehrt wird, welche „Off-...-Daten“ durch die Beklagte an der IP-Adresse der Klägerseite gesammelt und zu welchem Zweck sie gespeichert und verwendet wurden, verweist die Beklagte zu Recht auf die von ihr zur Verfügung gestellte Selbstauskunftsmöglichkeit und hinsichtlich der Verarbeitungszwecke auf eine bestimmte Seite im Hilfebereich. Die Auskunft ist damit erteilt, § 362 Abs. 1 BGB.
3. Hinsichtlich etwaiger an die NSA übermittelter Daten kann die Beklagte die Auskunft verweigern, weil zum einen eine Geheimhaltungspflicht nach USamerikanischem Rechts besteht und es sich zum anderen um ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftige Informationen handelt, Art. 23 DSGVO i.V.m. § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG, wobei sich letztgenannte Vorschrift entgegen der Auffassung der Klagepartei schon dem Wortlaut nach nicht auf Berufsgeheimnisträger beschränkt. Es versteht sich von selbst, dass die Information, ob und welche Auskünfte an Geheimdienste erteilt werden, ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig ist. Im Übrigen erfolgt die Beauskunftung an die NSA nicht durch die Beklagte, sondern durch die .., Inc., so dass die Beklagte hinsichtlich eines Auskunftsanspruchs auch nicht passivlegitimiert wäre.
VI. Die Löschungsanträge nach Art. 17 DSGVO (Ziff. 5 b und c der Klageanträge) gehen ins Leere, weil sie unter der Voraussetzung gestellt sind, dass die Datenverarbeitung „anlasslos“ erfolgt. Selbst wenn man diesem Begriff die Bedeutung „nicht notwendig“ (Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO), „ohne Rechtsgrundlage“ (Art. 17 Abs. 1 Buchst. b DSGVO), oder „unrechtmäßig“ (Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO) beimessen wollte, liegen diese Voraussetzungen, wie unter Ziffer I. bis II. ausgeführt, nicht vor.
VII. Sämtliche Unterlassungsansprüche scheitern am Fehlen eines Verstoßes gegen die DSGVO, s.o. Ziff. I bis III. Bezüglich der „Off-...-Daten“ tritt hinzu, dass es der Nutzer selbst in der Hand hat, die diesbezüglichen Einstellungen zu verwalten. Die Klagepartei handelt widersprüchlich, wenn sie die Einstellungen so belässt, wie sie sind, und andererseits von der Beklagten verlangt, die Daten nicht auf Grundlage dieser Einstellungen zu verarbeiten.
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Plattformbetreiber wie YouTube auch nach Art. 6 Abs.1 Digital Services Act (DSA) nur bei unschwer erkennbareren Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Unterlassung haften.
Aus den Entscheidungsgründen: b) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung steht in Einklang mit den Vorgaben des nunmehr geltenden Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über digitale Dienste (DSA), der die bisherigen Haftungsbeschränkungen des § 10 S. 1 TMG ersetzt.
aa) Bei der Beklagten handelt es sich um einen Vermittlungsdienstleister i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DSA, weil sie einen „Hosting“- Dienst betreibt, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern (Art. 3 lit. g) iii) DSA). Es ist nicht dargetan, dass die Beklagte beim Hochladen des Videos ihre neutrale Rolle verlassen und eine aktive Rolle eingenommen hat (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA), insbesondere dass sie bewusst mit einem Nutzer zusammenarbeitet, um rechtswidrige Tätigkeiten auszuüben (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA). Insbesondere genügt allein die Bereitstellung der technischen Infrastruktur samt Such- und Rankingfunktion nicht, um eine aktive Rolle des Diensteanbieters zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 95, 107 ff. – YouTube und Cyando).
bb) Anbietern von Vermittlungsdiensten wird keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten (Art. 8 DSA, vgl. § 7 Abs. 2 TMG a.F.).
Darüber hinaus enthält die Vorschrift des Art. 6 DSA einen Haftungsausschluss für Hostingdienste, um die Haftungsrisiken für diese Dienste im Rahmen zu halten. Deren Anwendungsbereich ist eröffnet, da weder der Nutzer Herr J. der Beklagten untersteht oder von ihr beaufsichtigt wird, noch es sich bei dem Video um eigene oder zu eigen gemachte Inhalte der Beklagten handelt. Daher haftet die Beklagte als Diensteanbieterin nicht für die im Auftrag des Nutzers Herrn J. in dem Video gespeicherten Informationen, sofern sie keine tatsächliche Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten hat, und sobald sie diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen. Dabei ist die Kenntnis von einer konkreten rechtswidrigen Information erforderlich, weshalb der Hinweis auf eine behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung so präzise sein muss, dass der Diensteanbieter die beanstandeten Inhalte leicht auffinden und deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres feststellen kann (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 52).
Auch nach Art. 6 DSA muss somit ein Anlass für den Diensteanbieter bestehen, einen Inhalt auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Ein solcher Anlass kann insbesondere durch hinreichend präzise und begründete Nutzermeldungen im Verfahren nach Art. 16 DSA entstehen, wobei sich die Unaufklärbarkeit der Rechtswidrigkeit nicht zulasten des Diensteanbieters auswirken darf (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 41). Auch in einem vorzusehenden Meldeverfahren muss nach Art. 16 Abs. 3 DSA die Information es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Sie darf es nicht erforderlich machen, dass der Hostingdiensteanbieter den Kontext eigenständig einschätzen und einer detaillierten juristischen Prüfung unterziehen muss (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 16 Rn. 51).
cc) Die Haftungsbeschränkung des § 10 S. 1 TMG galt nicht für Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben (BGH a.a.O. Rn. 21 – Hotelbewertungsportal). Es kann dahinstehen, ob dies auch für Art. 6 DSA angenommen werden kann (vgl. BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 61 ff.; NK-DSA/F. Hofmann, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 6 Rn. 27 f.). Denn jedenfalls lässt Art. 6 Abs. 4 DSA – ebenso wie zuvor schon Art. 14 Abs. 3 der E-Commerce-Richtlinie – die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern (vgl. (BGH a.a.O. Rn. 20 – www.jameda.de). Betroffen hiervon sind vor allem zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Materiell fußen derartige Anordnungen im deutschen Recht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf den Grundsätzen der Haftung als mittelbare Störer analog § 1004 BGB (BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 64).
dd) Ob die vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht (so Müller-Terpitz/Köhler/Barudi, DSA, 1. Aufl. 2024, Art. 16 Rn. 33; auch kritisch zur Vermischung der Kenntniserlangung nach § 10 TMG und den Prüfpflichten im Rahmen der Störerhaftung MüKoStGB/Altenhain, 4. Aufl. 2023, TMG § 10 Rn. 17), kann im Streitfall offenbleiben. Allerdings sprechen nach Auffassung des Senats verschiedene Umstände gegen einen solchen Widerspruch, zumal Erwägungsgrund 50 S. 1 des DSA auf die besonders wichtige Rolle des Hostingdiensteanbieters beim Umgang mit rechtswidrigen Online-Inhalten verweist.
Zum einen steht die Kenntniserlangung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSA in Wechselwirkung mit dem nach Art. 16 DSA einzurichtenden Meldeverfahren. Diese Meldungen von rechtswidrigen Inhalten sollen nach Art. 16 Abs. 3 DSA bewirken, dass für die Zwecke des Art. 6 DSA von einer tatsächlichen Kenntnis oder einem Bewusstsein in Bezug auf die betreffende Einzelinformation ausgegangen wird, wenn sie es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Auch Art. 16 Abs. 6 DSA enthält eine Verpflichtung zu einer Beschwerdeentscheidung, die sorgfältig, frei von Willkür und objektiv ist (vgl. NK-DSA/Raue, a.a.O. Art. 16 Rn. 62). Und die Pflicht zur sorgfältigen Bearbeitung einer Meldung nach Art. 16 Abs. 3 DSA kann eine Beteiligung des Verfassers des Betrags implizieren.
Zum anderen kann diese Obliegenheit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider unter die Regelung des Art. 6 Abs. 4 DSA subsumiert werden. Nach dieser Vorschrift lässt die in Abs. 1 enthaltene Privilegierung die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern. Dies kann auch eine auf der Störerhaftung beruhende und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls begründete Pflicht des Providers zur Klärung der Berechtigung der Beanstandung des Betroffenen unter Einbeziehung einer Stellungnahme des Nutzers umfassen.
c) Vor dem Hintergrund dieser materiellen Anforderungen an ein Tätigwerden des Hostproviders trifft den Portalbetreiber in prozessualer Hinsicht bezüglich der für die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange maßgeblichen Tatsachen eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Klagepartei insoweit eine nähere Darlegung nicht möglich ist und sie auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Dabei kann der Portalbetreiber auch eine Recherchepflicht haben. Diese ist ihm grundsätzlich zumutbar, da er auf Grund seiner materiellen Prüfpflicht ohnehin gehalten sein kann, vom User zusätzliche Angaben und Belege zu den Tatsachen zu fordern. Dem entspricht in prozessualer Hinsicht seine Obliegenheit, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vom Nutzer entsprechende Informationen zu fordern. Kommt der Portalbetreiber dieser Obliegenheit nicht nach, sind die Tatsachenbehauptungen der Klagepartei nach den allgemeinen Regeln über die sekundäre Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 47-49 – www.jameda.de).
Dieser Grundsatz aus dem „Jameda-Urteil“ zur Darlegungslast entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast dann trifft, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Sie führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Prozessgegners, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH GRUR 2014, 657, Rn. 17, 18 – BearShare; BGH GRUR 2009, 871, Rn. 27 – Ohrclips).
Daraus folgt, dass die sekundäre Darlegungslast des Hostproviders und die daran anknüpfende Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nicht greifen, wenn entweder die Tatsachen aus dem angegriffenen Beitrag aus der Sphäre des Betroffenen stammen oder dem Betroffenen eine weitere Sachverhaltsaufklärung – beispielsweise durch eine eigene Kontaktierung des Nutzers – möglich und zumutbar ist.
2. Im vorliegenden Fall können unter Berücksichtigung des zugrundezulegenden rechtlichen Maßstabs (nachfolgend unter Buchstabe a)) die behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht unschwer bejaht werden (nachfolgend unter Buchstabe b)). Daher wurde dadurch eine Pflicht der Beklagten, i.S.v. Art. 6 Abs. 1 DSA bzw. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung als mittelbare Störerin tätig zu werden, nicht ausgelöst (nachfolgend unter Buchstabe c)). Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Grundsätze zur sekundären Darlegungslast veranlasst (nachfolgend unter Buchstabe d)).
a) Folgender Rechtsrahmen ist in Bezug auf die Voraussetzungen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung für den Senat streitentscheidend:
Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH a.a.O. Rn. 30 – www.jameda.de). Dabei sind das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der bewerteten Partei am Schutz ihrer sozialen Anerkennung und ihrer (Berufs) Ehre mit der in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Meinungsäußerungsfreiheit des Bewertenden abzuwägen.
Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen insbesondere vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH GRUR 2013, 312 Rn. 12 – IM „Christoph“). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hat die Meinungsfreiheit des sich Äußernden regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten, denn an der Verbreitung unwahrer Tatsachen besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse.
Bei Meinungsäußerungen verlangt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und dem geschützten Rechtsgut andererseits droht (BVerfG NJW 2018, 770 Rn. 18). Lässt sich die Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an (BVerfG NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder).
Bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung maßgeblich der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter die Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 38).
Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist dabei unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 20).
Ein Anspruch steht grundsätzlich nur demjenigen zu, der durch den Beitrag individuell und unmittelbar betroffen ist. Die Äußerung muss sich, so wie sie vom Verkehr verstanden wird, mit dem Anspruchstellenden befassen oder in enger Beziehung zu seinen Verhältnissen, seiner Betätigung oder gewerblichen Leistungen stehen (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 5 Rn. 262). Das ist primär derjenige, der in der Äußerung erwähnt ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann in Konstellationen angenommen werden, die auf einem sehr engen Näheverhältnis beruhen (Ehefrau und Ehemann / Eltern und Kinder), wobei in diesen Fällen nicht jede (ehrverletzende) Äußerung ausreicht, sondern die Äußerung sich auch jeweils auf das Persönlichkeitsbild der mittelbar betroffenen Person auswirken muss. Darüber hinaus kann bei einem Verband auch ein Verbandsmitglied betroffen sein, wenn durch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Verbands zugleich auch das eigene Persönlichkeitsbild des Mitglieds mit der Vorstellung eines Minderwertes belastet ist (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 823 Rn. 94). Schließlich kann bei juristischen Personen auch der unmittelbar Verantwortliche wie etwa der Alleingesellschafter und Geschäftsführer anspruchsberechtigt sein (BeckOK InfoMedienR/Söder, 44. Ed. 1.5.2024, BGB § 823 Rn. 74).
b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs können die angegriffenen Äußerungen nicht als unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzungen qualifiziert werden. Entweder handelt es sich dabei um – eine Abwägung notwendig machende – Meinungsäußerungen, keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen oder nicht den Kläger unmittelbar betreffende Aussagen.
aa) Bei der explizit den Kläger namentlich nennenden Aussage
„Herr W., der überall als Manager von W. genannt wird – zusammen mit Herrn Prof. R. – sind nur Teilhaber der Gesellschaft“
handelt es sich um eine zulässige Tatsachenbehauptung. Denn der Kläger behauptet selbst, Gesellschafter der W. GmbH zu sein. Dies entspricht der umgangssprachlichen Formulierung „Teilhaber der Gesellschaft“.
Gleiches gilt für die Behauptung, dass Herr W. nach außen als Manager der W. GmbH auftrete. Auch diese Äußerung ist nach dem Klägervortrag zutreffend, da der Kläger in der Klageschrift ausführt, dass Herr W. in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig sei und die Tätigkeiten der Gesellschaft bei Veranstaltungen im Iran vorstelle.
bb) Bei der unmittelbar auf den Kläger bezogenen Äußerung
„Diese Personen (L., R., W.), die in die Taschen (der Menschen im Iran) greifen und ihnen das Geld herausziehen (rauben) […]“
handelt es sich um ein Werturteil, welches – da es nicht als Schmähkritik einzustufen ist – eine Abwägung der Grundrechtsbelange erfordert und deshalb nicht eine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt.
(1) Es handelt sich insgesamt um eine Meinungsäußerung, da die angegriffene Aussage Tatsachen und Meinungen derart vermengt, dass sie insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden und durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht würde.
Denn die Ermittlung des objektiven Sinns der Aussagen, deren Unterlassung der Kläger begehrt, aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, zeigt, dass es dem sich in dem Video Äußernden maßgeblich darum geht, sein subjektives Empfinden über das Geschäftsgebaren der W. GmbH insgesamt auszudrücken. Mit der Aussage wird nicht etwa ein konkreter Sachverhalt geschildert, in dem der Kläger anderen Personen „in die Taschen“ greife und so im Wege des Diebstahls oder Betrugs Geld aus diesen Taschen an sich nehme. Es wird vielmehr deutlich, dass hier eine wertende Äußerung, nämlich die subjektive Ansicht des sich Äußernden zum Ausdruck kommt. Er vermittelt sein eigenes Werturteil, indem er zeigt, dass nach seiner Auffassung das gerügte Verhalten der W. GmbH unredlich ist, weil die Betroffenen keine angemessene Gegenleistung für ihre Bezahlung erhalten. Das ist eine subjektive Einschätzung und damit eine Meinungsäußerung.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass selbst die Verwendung von Wörtern wie „Betrug“ oder auch „betrügerisch“ oder „Machenschaften“ nicht als Tatsachenbehauptung einer Strafbarkeit anzusehen ist, sondern als Werturteil im alltagssprachlichen Sinne (vgl. nur BGH GRUR 2015, 289, Rn. 10 – Hochleistungsmagneten; OLG Hamburg MMR 2011, 685 [688]; BGH NJW 2002, 1192 [1193]). In seiner Entscheidung Hochleistungsmagneten hielt der BGH etwa die Bezeichnungen als „groß angelegten Schwindel“ oder „Betrug“ für (zulässige) Meinungsäußerungen, da sie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der dortigen Klägerin zum Ausdruck brachten und damit eine subjektive Wertung. Selbst wenn man diese Begriffe als Entäußerung einer Rechtsauffassung verstehen wollte, änderte dies nichts an deren Zulässigkeit, denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind rechtliche Bewertungen in der Regel als Meinungsäußerungen und nicht als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren (BGH a.a.O. Rn. 10 – Hochleistungsmagneten).
(2) Die für die Feststellung der Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderliche Abwägung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die angegriffene Äußerung als Schmähkritik zu qualifizieren wäre und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG teilhätte.
Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH a.a.O. Rn. 18 – Hochleistungsmagneten).
Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Äußerung im Gesamtzusammenhang, in dem sie gefallen ist, nicht als Schmähkritik zu qualifizieren, da ihr ein Sachbezug nicht abgesprochen werden kann. Der Beitrag bezieht sich – für den verständigen Durchschnittsrezipienten erkennbar – insgesamt auf den wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der W. GmbH. Diese Auseinandersetzung in der Sache tritt nicht, wie es bei der Schmähkritik der Fall wäre, vollständig in den Hintergrund, so dass die gesamte Kommentierung sich auch nicht in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Die Äußerung stellt ebenso wenig eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da sie noch nicht das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts verlässt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15.08.2023 – 204 StRR 292/23, Rn. 30). Gerade im Geschäftsverkehr muss man sich auch scharfe und überzogen formulierte Kritik gefallen lassen (vgl. BGH NJW 2015, 773 Rn. 19).
(3) Über die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Äußerung wäre somit im Rahmen einer Gesamtabwägung der Schutzinteressen des lediglich in seiner Sozialsphäre betroffenen Klägers und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund kann der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Klägers nicht unschwer bejaht werden.
cc) Die weitere unmittelbar auf den Kläger bezogene Äußerung
„Noch trauriger ist, dass weder Herr W. noch Prof. R. Fachkenntnisse in Arbeitsvermittlung haben.“
enthält ebenfalls keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Auch wenn die Äußerung insgesamt auf einem – eine Abwägung bedingenden – Werturteil beruht, enthält sie die Tatsachenbehauptung, dass der Kläger über keine (besonderen) Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfüge, weil sie insoweit beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft. Auch wenn der Begriff der „Fachkenntnisse“ nicht eindeutig ist, enthält die Aussage für den angesprochenen Verkehr den nachprüfbaren Tatsachenkern, dass der Kläger keine langjährige Berufserfahrung und/oder Schulung durch umfassende Praxis und fundierte theoretische Kenntnisse im Bereich der Arbeitsvermittlung hat.
Dieser Tatsachenkern ist bereits nach den Darlegungen des Klägers nicht unzutreffend. Denn der Kläger trägt lediglich vor, dass er Professor an der Fakultät Betriebswirtschaft der T. Hochschule und lange Koordinator für die Iran-Aktivitäten der T. Hochschule gewesen sei. Seit 2008 habe er den Iran häufig besucht und sei mit den kulturellen und institutionellen Gegebenheiten im Iran und mit der Lage am deutschen Arbeitsmarkt vertraut. Zudem betreue er in seiner Funktion als Hochschullehrer seit Jahren auch MBA-Studierende aus dem Iran. Aus diesen Darlegungen ergibt sich nicht, dass er über spezifische – entweder durch Schulungen oder langjährige Praxiserfahrungen erworbene – Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfügen würde, mag er auch Kenntnisse und Erfahrungen auf verwandten Gebieten besitzen, die für derartige Tätigkeiten nützlich sind.
Soweit in der Aussage darüber hinaus die fachliche Eignung des Klägers in Frage gestellt wird, handelt es sich um ein Werturteil, bei dem eine umfassende Abwägung der grundgesetzlich geschützten Interessen erforderlich ist (vgl. BVerfG GRUR 2013, 1266 – Winkeladvokat), weshalb keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben ist.
dd) Auch die – nicht den Kläger unmittelbar persönlich, sondern lediglich die W. GmbH betreffende – Äußerung
„Die Katastrophe scheint noch viel größer zu sein, wenn wir feststellen, dass die Firma gar nicht existiert, und die Adresse, die sie auf ihrer Website angibt, eigentlich zu einer Versicherungsfirma gehört“
kann nicht unschwer als Persönlichkeitsrechtsverletzung qualifiziert werden.
Zum einen ist – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung in Bezug auf dessen Aktivlegitimation veranlasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein entsprechend enges Näheverhältnis zwischen dem Kläger und der W. GmbH weder dargelegt noch erkennbar ist. Vielmehr ist der Kläger unstreitig lediglich Teil des „Teams“ des Unternehmens, hat aber bereits nach seinem eigenen Vortrag keine repräsentative Rolle inne, da nicht er, sondern Herr W. „in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig [ist] und […] die Tätigkeiten der Gesellschaft auch bei Veranstaltungen im Iran vor[stellt]“. Auch ist er nicht Geschäftsführer der Gesellschaft. Sonstige Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger in einem besonders engen Zusammenhang zu der W. GmbH stehe, sind nicht dargetan. Insbesondere bleibt seine Tätigkeit für die W. GmbH auf seinem eigenen Internetauftritt unerwähnt. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob sich die über die W. GmbH getroffenen Äußerungen abträglich auf das Persönlichkeitsbild des Klägers auswirken.
Zum anderen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Videos, dass dieses nicht die rechtliche Existenz der W. GmbH in Abrede stellt, da der Beitrag – indem an anderer Stelle ausdrücklich auf die Handelsregistereintragung Bezug genommen wird – selbst davon ausgeht, dass die W. GmbH im Handelsregister eingetragen ist. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsempfänger versteht die angegriffene Äußerung daher dahingehend, dass darin als Tatsachenkern behauptet wird, dass der Geschäftsbetrieb der W. GmbH unter der auf der Webseite angegebenen Adresse physisch nicht auffindbar ist. Dieser Tatsachenkern ist nicht offenkundig unzutreffend, da die W. GmbH unstreitig in Bürogemeinschaft mit der Versicherungsfirma O. ansässig ist und sich deren Büroräume mit dieser teilt.
Die in dem Beitrag getroffene Schlussfolgerung in Bezug auf die (physische) Inexistenz der GmbH stellt eine die Abwägung erfordernde Meinungsäußerung dar.
ee) In Bezug auf die Äußerung
„Die W. GmbH verfügt über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung in Deutschland. Um dies in Deutschland tun zu dürfen, ist aber eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit eine zwingende Voraussetzung, die die W. GmbH jedoch nicht hat“
stehen dem Kläger ebenfalls keine Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten zu.
Zum einen ist auch hinsichtlich dieser Aussage – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung zur Aktivlegitimation erforderlich. Auf die obigen Ausführungen unter B.III.2.b) dd) wird Bezug genommen.
Zum anderen ist unstreitig, dass die Aussage, wonach die W. GmbH über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung verfüge, an sich zutreffend ist. Zwischen den Parteien steht lediglich im Streit, ob eine solche Erlaubnis für die von der W. GmbH betriebene Arbeitsvermittlung rechtlich erforderlich ist oder nicht. Da die Beurteilung dieser Frage eine nicht unkomplizierte Rechtsprüfung notwendig macht, ist auch aus diesem Grund keine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben. Darüber hinaus handelt es sich bei der Einschätzung der Erlaubnispflichtigkeit der Tätigkeit der W. GmbH um eine rechtliche Bewertung, somit eine Meinungsäußerung.
ff) Die Äußerung
„Um die Wahrheit zu erfahren, reicht es nur, dass wir die Eintragung im Handelsregister der W. GmbH in Deutschland prüfen. Da entdecken wir einen Haufen Betrügereien und Lügen.“
ist als Meinungsäußerung in Bezug auf die W. GmbH zu qualifizieren, weshalb auch diesbezüglich die Beklagte nicht als mittelbare Störerin haftet. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
c) Vor diesem Hintergrund lag im Streitfall kein Hinweis auf unschwer zu bejahenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen des Klägers vor, aufgrund dessen die Beklagte die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Inhalte ohne Weiteres hätte feststellen können. Daher war auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur mittelbaren Störerhaftung keine Bewertung des gesamten Sachverhalts durch die Beklagte einschließlich der Einholung einer Stellungnahme des Journalisten Herrn J. veranlasst, weshalb – wie bereits ausgeführt – der Senat nicht entscheiden muss, ob diese vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit der Durchführung eines „Anhörungsverfahrens“ durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht.
d) Im vorliegenden Fall kann – entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts – auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte in prozessualer Hinsicht ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachkam. Deshalb sind die tatsächlichen vom Kläger vorgetragenen Umstände in Bezug auf die Beanstandungen aus dem streitgegenständlichen Video auch nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten.
Zum einen fehlt es – wie soeben ausgeführt – an einem die materielle Prüfpflicht auslösenden Hinweis auf eine klare Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Zum anderen ist der Journalist Herr J., der das streitgegenständliche Video auf dem You-Tube-Kanal A. hochlud, den Gesellschaftern der W. GmbH bekannt. Vor Klageerhebung hatten sie mehrere E-Mails an ihn übersandt. Außerdem war das Video bereits zuvor der Geschäftsführerin der W. GmbH zugespielt worden. Anders als bei einem Bewertungsportal – bei dem der Nutzer zulässigerweise anonym auftreten kann, weshalb der bewertete Arzt diesen nicht kennt und sich die für seine Identifizierung erforderlichen Informationen selbst dann, wenn sie dem Portalbetreiber vorliegen sollten, mangels Auskunftsanspruchs gegen den Portalbetreiber jedenfalls nicht auf diesem Weg beschaffen kann (vgl. BGH a.a.O. Rn. 38 f. – www.jamede.de) – stehen dem Kläger in Bezug auf die Äußerungen im Video durchaus Möglichkeiten zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung. Zwar sieht der Senat, dass der Journalist auf die ihm übersandten Mails nicht reagiert hatte. Es besteht jedoch beispielsweise die Möglichkeit, unmittelbar gegen diesen gerichtlich vorzugehen. Dass ein solches Vorgehen gegen den in den USA wohnhaften Journalisten unzumutbar ist, trägt der Kläger nicht vor.
Schließlich handelt es sich bei den streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen – anders als beispielsweise der behauptete Behandlungskontakt eines anonymen Nutzers – um solche aus der Sphäre des Klägers. Der Kläger hat den besten Einblick in die W. GmbH, seinen Aufgaben darin oder seinen Fachkenntnissen in der Arbeitsvermittlung. Ihm ist Vortrag dazu möglich und zumutbar.
Deshalb trifft die Beklagte im vorliegenden Fall keine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die zu treffende Abwägungsentscheidung.
IV. Auch aus Art. 17 DSGVO ergibt sich kein Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten.
1. Dabei unterstellt der Senat zugunsten des Klägers, dass sich aus Art. 17 DSGVO grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch der betroffenen Person ergeben kann (vgl. dazu Vorlagefrage des BGH in GRUR 2023, 1724 – Bewerbungsprozess).
Auch sieht der Senat, dass die Anwendbarkeit der DSGVO vom Gesetz über digitale Dienste unberührt bleibt (Art. 2 Abs. 4 lit. g DSA). Der Schutz von Einzelpersonen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten soll sogar einzig durch die Vorschriften des Unionsrechts in diesem Bereich, insbesondere durch die DSGVO, geregelt werden (Erwägungsgrund 10 UA 3 S. 2 DSA).
Schließlich geht der Senat davon aus, dass das von dem Journalisten Herrn J. hochgeladene Video auch personenbezogene Daten des Klägers i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthält.
2. Der Senat kann offenlassen, ob das Betreiben einer Videoplattform, auf der Dritte personenbezogene Daten hochladen können, eine Verarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt und der Hostprovider dafür als Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO anzusehen ist. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil der Provider dadurch in Bezug auf die in dem von dem Nutzer hochgeladenen Video – anders als hinsichtlich der Daten der Nutzer und Besucher der Seiten (vgl. dazu EuGH NJW 2018, 2537 Rn. 30 – ULD/Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein) – lediglich Speicherplatz zur Verfügung stellt. Auch wird der Content vom Provider nicht wie von einer Suchmaschine automatisch indexiert und den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung gestellt (vgl. dazu BGH GRUR 2020, 1331 Rn. 13 – Recht auf Vergessenwerden).
3. Die Frage des Vorliegens einer Verarbeitung kann dahinstehen, weil unabhängig davon der Kläger aufgrund der nachfolgend genannten Umstände keinen Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten als Hostproviderin geltend machen kann.
a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, muss der Betroffene nachweisen, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist (BGH GRUR 2023, 1218 Rn. 33 – Recht auf Vergessenwerden II). Zwar hat der Bundesgerichtshof den für die Haftung eines Suchmaschinenbetreibers als mittelbarer Störer bestehenden Maßstab – wonach dieser aufgrund eines konkreten Hinweises Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt haben muss – für den Auslistungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO zugunsten einer grundsätzlich gleichberechtigten Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte aufgegeben (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II). Doch entspricht die Voraussetzung des bisher erforderlichen Hinweises auf eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung letztlich der nunmehr maßgeblichen Voraussetzung eines relevanten und hinreichenden Nachweises, dass die in den gelisteten Inhalten enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II).
b) Die Anwendung dieses rechtlichen Maßstabs zum vom Bundesgerichtshof entwickelten Haftungsregime von Suchmaschinenbetreibern nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO auf die Haftung von Hostprovidern führt im Streitfall dazu, dass aufgrund der erforderliche Abwägung der Unionsgrundrechte eine Löschung von der Beklagten nicht verlangt werden kann.
Zum einen gilt auch beim Provider, dass dieser – anders als der Inhalteanbieter, der den von ihm selbst generierten Inhalt unmittelbar zu verantworten hat – wie der Suchmaschinenbetreiber nur einen erleichterten Zugang zu diesem Content verschafft und damit mittelbar dessen Verbreitung fördert. Dieser unterschiedliche Grad an Einflussmöglichkeit auf die Richtigkeit des Inhalts bedingt auch bei der Haftung des Providers nach der DSGVO eine abgestufte, durch unterschiedliche Verhaltenspflichten gekennzeichnete Haftung. Auch beim Plattformprovider ergibt sich eine Auslistungspflicht nur als Folge der Verletzung nachgelagerter, durch eine initiale Meldung von Betroffenen ausgelösten Prüfungs- und Reaktionspflichten.
Zum anderen kann im Rahmen der nach Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO durchzuführenden Abwägung unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information die Vorschrift des Art. 6 DSA – der die Frage der Haftung des Hostproviders explizit regelt – nicht außer Acht gelassen werden. Die darin geregelte Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers mit entsprechenden Haftungsprivilegierungen in Gestalt eines notice and take down-Verfahrens – das dem Modell des Bundesgerichtshofs zur Haftung des mittelbaren Störers entspricht – muss auch für das unionale Datenschutzrecht gelten, sollte das Verhalten von Plattformen diesem unterliegen. Andernfalls würden die bewusst differenzierenden Regelungen des DSA umgangen, da bei entsprechendem Verständnis jedes Verhalten eines Host-Providers zugleich eine Datenverarbeitung wäre und damit einen Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSA begründen würde.
c) Da – wie bereits ausgeführt – die Beklagte nicht als sogenannte mittelbare Störerin für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht als Auslistungsverlangen in der Sache berechtigt.
Das LG Hamburg hat entschieden, dass Posts in einem auf privat gestellten Instagram-Account bei hoher Follower-Zahl öffentlich im Sinne des Presserechts sind und somit aufgrund einer Selbstöffnung Gegestand von Presseberichterstattung sein können.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG oder einer anderen Anspruchsgrundlage.
Im Rahmen der anzustellenden Abwägung überwiegen die Rechte der Klägerin jene der Beklagten nicht. Die vorliegende Berichterstattung über die Schwangerschaft der Klägerin berührt zwar deren Privatsphäre (hierzu unter I.); der Schutz der Privatsphäre der Klägerin ist indes durch eine Selbstöffnung ihrerseits entfallen bzw. verringert, so dass das Berichterstattungsinteresse der Beklagten höher zu gewichten ist (hierzu unter II.). Schließlich ist hinsichtlich der Berichterstattung über die Schwangerschaft der Klägerin jedenfalls teilweise die Wiederholungsgefahr entfallen (hierzu unter III.).
I. Die Berichterstattung der Beklagten über die Schwangerschaft der Klägerin berührt grundsätzlich deren Privatsphäre.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zusichert, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Dabei ist der Schutz der Privatsphäre sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt und umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2011, VI ZR 26/11 - Juris Rn. 10 m.w.N.). Hiernach fällt auch eine Schwangerschaft in den thematischen Bereich des Kernbereichs der Privatsphäre, jedenfalls soweit sie noch nicht von außen für jedermann zweifelsfrei optisch wahrnehmbar ist und dadurch eine soziale Dimension erlangt (KG Berlin, Urt. v. 16.09.2021, Az. 10 U 63/19 - Juris Rn. 27; OLG Köln, Urt. v. 10.11.2015, Az. 15 U 97/15 - Juris Rn. 17). Teilweise wird weitergehend auch vertreten, dass es für den thematischen Schutz der Privatsphäre im Zusammenhang mit Schwangerschaften auf die äußere Erkennbarkeit der Schwangerschaft nicht ankomme (so wohl OLG München, Urt. v. 25.02.2014, Az. 18 U 277, 18 U 2770/13 - Juris Rn. 42f.). Eine Entscheidung zwischen diesen Positionen kann hier offenbleiben. Denn die vorliegenden Fotografien der im fünften Monat schwangeren Klägerin im Februar 2022 (Anlagen K 1 und K 2) lassen nicht erkennen, dass die Schwangerschaft der Klägerin zum Zeitpunkt der Berichterstattung bei entsprechender Kleidung für jedermann zweifelsfrei von außen optisch wahrnehmbar gewesen wäre.
II. Der Schutz der Privatsphäre der Klägerin ist indes durch eine Selbstöffnung ihrerseits entfallen bzw. verringert worden, so dass das Berichterstattungsinteresse der Beklagten das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin überwiegt.
Im einstweiligen Verfügungsverfahren 324 O 101/22 hat die Kammer im Beschluss eine Selbstöffnung noch mit folgenden Erwägungen verneint:
„Insbesondere liegt eine solche Selbstöffnung nicht in dem Umstand, dass die Antragstellerin die Schwangerschaft in einem Posting auf ihrem Instagram-Profil mitgeteilt hat. Denn bei diesem Profil handelt es sich nicht um ein öffentliches Profil, dessen Inhalte jeder Instagram-Nutzer einsehen könnte. Vielmehr ist das Instagram-Profil, wie aus der Anlage ASt 5 ersichtlich und von der Antragstellerin an Eides statt versichert, als „privates“ Konto geführt. Die Postings auf einem privaten Instagram-Konto sind nur für bestätigte Follower dieses Kontos sichtbar. Die Reichweite der erfolgten Mitteilung unterlag somit der Kontrolle der Antragstellerin. Dabei ändert auch der Umstand, dass das Profil 411 Follower hat, nichts daran, dass eine an diesen Empfängerkreis versandte Nachricht nicht als veröffentlicht angesehen werden kann.“
Daran hat die Kammer im Urteil festgehalten und darauf abgestellt, dass
„(d)ie Antragstellerin (...) ihren Account erkennbar auf „privat“ gestellt (hatte), so dass ihre Posts nur für ihre ca. 400 Follower lesbar waren und sein sollten und die Erlangung eines Follower-Status und damit die Zugriffsmöglichkeit auf die von der Antragstellerin geposteten Inhalte von ihrem jeweiligen Einverständnis abhängig waren. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie nur diesem begrenzten Personenkreis die hier in Frage stehenden privaten Informationen zukommen lassen wollte.“
Im vorliegenden Hauptsacheverfahren ist nun erstmals vorgetragen und unstreitig geworden, dass unter den der Klägerin folgenden mehr als 400 Instagram-Accounts auch Accounts von Politikern sind, wie der des stellvertretenden C.-Bundesvorsitzenden C. L. sowie der Bundestagsabgeordneten C. P., T. K., Dr. K. L1 und J. M. (Anlage B 3) sowie der offizielle Instagram-Account des Kreisverbands der J. U. P1 (Anlage B 7).
Dies rechtfertigt nach Auffassung der Kammer eine andere rechtliche Würdigung der Frage der Selbstöffnung als sie im einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgt ist: Nicht nur ist die Zahl der Follower mit 411 für einen Freundes- und Verwandtenkreis ungewöhnlich hoch. Zusätzlich liegt hinsichtlich der Politiker- und Kreisverbandsaccounts, die der Klägerin folgen, kein begrenzter Personenkreis mehr vor, den die Klägerin vollständig kennen und kontrollieren konnte. Zwar trägt die Klägerin insoweit vor, die Politiker-Accounts würden lediglich von 1 bis 3 Mitarbeitern bearbeitet, die ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet seien. Dass diese Mitarbeiter ihr zu jedem Zeitpunkt bekannt seien, behauptet die Klägerin indes nicht. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Followerschaft des Kreisverbandes der J. U. P1 vorgetragen hat, dass ihr die beiden Zugriffsberechtigten bekannt seien und über diese hinaus nur eine Handvoll Personen zugangsberechtigt seien, die ihr ebenfalls bekannt seien, gilt Entsprechendes. Denn eine „Handvoll Personen“ als Zugriffsberechtigte bedeuten für die Klägerin gerade keine jederzeitige vollständige Kenntnis und Kontrollmöglichkeit; auch wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass ihr die in Betracht kommenden Personen grundsätzlich bekannt sind, hat die Klägerin nicht geltend gemacht, dass sie zu jedem Zeitpunkt Kenntnis davon hätte, wer im Kreisverband der J. U. P1 zugriffberechtigt war. Damit stellt sich ihr Einverständnis hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeit der Politiker- und Kreisverbandsaccounts als personell nicht kontrollierbar und nicht begrenzt dar. Die Klägerin hat die Erwartung, dass die Umwelt ihre Schwangerschaft als Privatangelegenheit nicht oder nur begrenzt zur Kenntnis nimmt, jedenfalls nicht mehr „situationsübergreifend und konsistent“ zum Ausdruck gebracht (vgl. Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl. 2019, § 2 Rn. 82 m.w.N.). Der bei der Bestimmung der Reichweite des Persönlichkeitsrechtsschutzes zentrale situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartung (BVerfG, NJW 2006, 3406, 3408) ist danach im Falle der Klägerin entfallen bzw. jedenfalls deutlich gemindert.
Auch wenn vor diesem Hintergrund kein völliges Entfallen des Privatsphärenschutzes der Klägerin, sondern nur eine Abschwächung wegen der Öffnung gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit angenommen würde, führte dies nicht zu einer Unzulässigkeit der Berichterstattung:
Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - VI ZR 284/17 -, Juris Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall.
Auch unterhaltende Beiträge wie der vorliegende nehmen in vollem Umfang am Schutz der Berichterstattungsfreiheit des Art. 5 Abs. 2 GG teil. Die Klägerin und ihr Ehemann sind bekannte Persönlichkeiten des (H.) sozialen Lebens und treten gemeinsam bei öffentlichen Veranstaltungen auf, wo sie sich auch gemeinsam fotografieren lassen. Ein Berichterstattungsinteresse an der Klägerin und ihrem Ehemann als Prominenten ist daher auch vor dem Hintergrund der Leitbild- und Kontrastfunktion bekannter Personen anzuerkennen, auch wenn der vorliegende Beitrag vornehmlich die Neugier der Leser hinsichtlich der Angelegenheiten der Klägerin und ihres Ehemannes befriedigen soll und weniger einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellt. Aufgrund der Selbstöffnung der Klägerin überwiegt ihr persönlichkeitsrechtliches Interesse gegenüber dem Berichterstattungsinteresse der Beklagten nicht. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Berichterstattungsaspekts der Schwangerschaft als auch hinsichtlich des Aspekts des beabsichtigten Umzugs nach H1.
III. Zusätzlich ist jedenfalls hinsichtlich der auf die Schwangerschaft der Klägerin bezogenen Teile der Berichterstattung, die keine weiteren privaten Details als die Tatsache der Geburt (wie Zwillinge, Jungen etc.) enthalten, die Wiederholungsgefahr durch die Geburt der Kinder der Klägerin im Juli 2022 entfallen (Anträge b., c. erster Satz). Die Geburt eines Kindes stellt grundsätzlich einen sozialen Umstand mit Gemeinschaftsbezug dar, der nicht der Privatsphäre zuzurechnen ist (OLG Hamburg, NJW-RR 1991, 98). Jedenfalls aufgrund der vom Ehemann der Klägerin im Dezember 2022 der Öffentlichkeit mitgeteilten Geburt der Kinder (Anlage B 9) berührte die streitgegenständliche Berichterstattung - soweit sie die Tatsache der Schwangerschaft an sich betrifft - zum jetzigen Zeitpunkt insoweit nur die Sozialsphäre der Klägerin, da mit der Geburt auch notwendig eine vorangegangene Schwangerschaft von im Regelfall 9 Monaten Dauer bekannt wird. Die Abwägung ginge aus den oben genannten Gründen insoweit zugunsten der Beklagten aus.
Ferner stellen die Auskünfte des Ehemannes der Klägerin im Dezember 2022 gegenüber dem S.-H. Zeitungsverlag zur Geburt der Kinder mit darüberhinausgehenden Details (wie Geburtsdatum und Namen, Anlage B 9) eine der Klägerin zuzurechnende weitere Selbstöffnung dar (bezüglich der Anträge a. und teilweise c.), die auch insoweit die Wiederholungsgefahr entfallen lässt.
Die EU-Kommission kommt nach vorläufiger Einschätzung zu dem Ergebnis, dass die Kontoverifizierung durch X / Twitter allein durch Abschluss eines kostenpflichtigen Abos gegen den Digital Services Act (DSA) verstößt.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission übermittelt X vorläufige Feststellungen wegen Verstoßes gegen das Gesetz über digitale Dienste
Die Kommission hat X heute von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass sie in Bereichen im Zusammenhang mit Dark Patters, Transparenz der Werbung und Datenzugang für Forscher gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt.
Transparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf die Moderation von Inhalten und Werbung stehen im Mittelpunkt des Gesetzes über digitale Dienste. Auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung, die unter anderem die Analyse interner Unternehmensunterlagen, Befragungen von Sachverständigen und die Zusammenarbeit mit den nationalen Koordinatoren für digitale Dienste umfasste, hat die Kommission in drei Fällen vorläufig festgestellt, dass die Vorschriften nicht eingehalten wurden:
Erstens gestaltet und betreibt X seine Schnittstelle für die „verifizierten Konten“ mit dem „Blue Checkmark“ in einer Weise, die nicht der Branchenpraxis entspricht und die Nutzer täuscht. Da jedermann einen solchen „überprüften“ Status abonnieren kann, beeinträchtigter die Fähigkeit der Nutzer, freie und fundierte Entscheidungen über die Authentizität der Konten und die Inhalte, mit denen sie interagieren, zu treffen. Es gibt Belege für motivierte böswillige Akteure, die das „verifizierte Konto“ missbrauchen, um Nutzer zu täuschen.
Zweitens hält X nicht die erforderliche Transparenz in Bezug auf Werbung ein, da es kein durchsuchbares und zuverlässiges Werbearchiv bietet, sondern Gestaltungsmerkmale und Zugangsbarrieren einrichtet, die das Repository für seine Transparenzzwecke gegenüber den Nutzern ungeeignet machen. Insbesondere ermöglicht das Design nicht die erforderliche Überwachung und Erforschung neu auftretender Risiken, die sich aus dem Online-Vertrieb von Werbung ergeben.
Drittens gewährt X Forschern keinen Zugang zu seinen öffentlichen Daten gemäß den im Gesetz über digitale Dienste festgelegten Bedingungen. Insbesondere untersagt X förderfähigen Forschern, unabhängig auf seine öffentlichen Daten zuzugreifen, z. B. durch Verschrotten, wie in seinen Nutzungsbedingungen angegeben. Darüber hinaus scheint das Verfahren von X, förderfähigen Forschern Zugang zu seiner Anwendungsprogrammierschnittstelle (API) zu gewähren, Forscher von der Durchführung ihrer Forschungsprojekte abzuhalten oder ihnen keine andere Wahl zu lassen, als unverhältnismäßig hohe Gebühren zu zahlen.
Mit der Übermittlung der vorläufigen Feststellungen teilt die Kommission X ihren vorläufigen Standpunkt mit, dass sie gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt. Dies greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor, da X nun die Möglichkeit hat, seine Verteidigungsrechte auszuüben, indem sie die Unterlagen in der Untersuchungsakte der Kommission prüft und schriftlich auf die vorläufigen Feststellungen der Kommission antwortet. Parallel dazu wird das Europäische Gremium für digitale Dienste konsultiert.
Sollte sich die vorläufige Auffassung der Kommission letztlich bestätigen, würde die Kommission einen Verstoßbeschluss erlassen, in dem sie feststellt, dass X gegen die Artikel 25, 39 und 40 Absatz 12 des Gesetzes über digitale Dienste verstößt. Eine solche Entscheidung könnte zu Geldbußen von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des Anbieters führen und den Anbieter anweisen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß zu beheben. Eine Entscheidung wegen Nichteinhaltung kann auch einen erweiterten Überwachungszeitraum auslösen, um die Einhaltung der Maßnahmen sicherzustellen, die der Anbieter zu ergreifen beabsichtigt, um den Verstoß zu beheben. Die Kommission kann auch Zwangsgelder verhängen, um eine Plattform zur Einhaltung der Vorschriften zu zwingen.
Hintergrund
X, vormals Twitter, wurde am 25. April 2023 im Rahmen des EU-Gesetzes über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform (VLOP) benannt, nachdem sie erklärt hatte, monatlich mehr als 45 Millionen aktive Nutzer in der EU zu erreichen.
Am 18. Dezember 2023 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren ein, um zu prüfen, ob X möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste in Bereichen verstoßen hat, die mit der Verbreitung illegaler Inhalte und der Wirksamkeit der zur Bekämpfung der Informationsmanipulation ergriffenen Maßnahmen zusammenhängen, für die die Untersuchung fortgesetzt wird, sowie Dark Patterns, Transparenz der Werbung und Datenzugang für Forscher, die Gegenstand der heute angenommenen vorläufigen Feststellungen sind.
Die Kommission hat auch ein Whistleblower-Tool eingerichtet, das es Mitarbeitern und anderen Personen mit Wissen ermöglicht, sich anonym mit der Kommission in Verbindung zu setzen, um zur Überwachung der Einhaltung durch die Kommission durch benannte sehr große Online-Plattformen/VLOSE beizutragen.
Darüber hinaus hat die Kommission im Februar und April 2024 ein förmliches Verfahren gegen TikTok, AliExpress im März 2024 und Meta im April und Mai 2024 eingeleitet.