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OLG Schleswig-Holstein: Zum Bestehen eines Unterlassungsanspruchs und etwaiger Schadensersatzansprüche bei Facebook-Sperre ohne vorherige Anhörung

OLG Schlewsig-Holstein
Urteil vom 08.11.2024
1 U 70/22


Das OLG Schleswig-Holstein hat sich in dieser Entscheidung mit dem Bestehen eines Unterlassungsanspruchs und etwaiger Schadensersatzansprüche bei einer Facebook-Sperre ohne vorherige Anhörung befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen — die Entfernung des Beitrags und Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Klägers — verletzten die aus dem Nutzungsvertrag folgenden Pflichten der Beklagten als Plattformbetreiberin gegenüber dem Kläger als Nutzer. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die von der Beklagten herangezogenen Nutzungsbedingungen hinsichtlich des Verbots von Hassrede und der daran anknüpfenden Sanktionen wirksam sind (vgl. hierzu die Entscheidungen des BGH vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20 und III ZR 192/20) oder im Fall ihrer Unwirksamkeit ggfls. Eingriffsbefugnisse aus ergänzender Vertragsauslegung begründet werden können. In jedem Fall durften die streitgegenständlichen Maßnahmen nicht gegen den streitgegenständlichen Beitrag ergriffen werden, der nicht gegen die Nutzungsbedingungen verstößt, sondern eine geschützte Meinungsäußerung darstellt. Zwischen den Parteien ist nicht mehr streitig, dass der Beitrag des Klägers tatsächlich nicht gegen Nutzungsbedingungen verstößt. Er ist nicht als Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Beklagten zu qualifizieren. Er stellt eine scharf formulierte politische Kritik an Wahlergebnissen dar, wobei die Bezeichnung der Deutschen als „sowas von krank“ in dem Zusammenhang nicht wörtlich, im Sinne der Behauptung einer psychischen Erkrankung, noch als personale Herabwürdigung aller Deutschen verstanden werden muss.

Nicht anerkannt werden kann das von der Beklagten reklamierte Recht zu Löschung und Sperre bereits im Fall der subjektiven Annahme eines Verstoßes, die sich jedoch später als falsch herausstellt. Die an die sog. Anscheinsgefahr im Ordnungsrecht - eine ex ante vertretbar getroffene Gefahrenprognose, die sich im Nachhinein im Lichte besseren Wissens oder weiterer Sachverhaltsaufklärung als nicht mehr haltbar erweist - erinnernde Konstruktion ist im vorliegenden Zusammenhang nicht begründbar. Ein Verstoß gegen Nutzungsbedingungen ist nach der Subsumtion unter die Definition von Hassrede festzustellen oder nicht; für Maßnahmen wegen eines Anscheins eines Verstoßes ist ebenso wenig Raum wie umgekehrt die falsche Annahme einer noch geschützten Äußerung den Nutzer vor der Löschung seines unzulässigen Beitrags bewahren könnte. Entscheidend ist immer die objektive Zu- oder Unzulässigkeit eines Beitrags (a. A. LG Frankenthal, Urteil vom 8. September 2020 - 6 O 23/20, juris Rn. 73, wonach der Beklagten im Fall „in Betracht kommender Hassrede [...] im Rahmen der ersten Beurteilung ein gewisse[r] Ermessensspielraum einzuräumen [sei] ohne dass dies im Falle einer fehlerhaften Ersteinschätzung sogleich weitere Rechtsfolgen nach sich ziehe“). Ob die Nutzungsbedingungen neben objektiven Verstößen gegen Gemeinschaftsstandards überhaupt wirksam Entfernungsvorbehalte bei „Anscheinsverstößen“ vorsehen könnten, ohne dass der Beklagten damit ein mit der Meinungsfreiheit nicht zu vereinbarendes Belieben freigestellt wäre, kann dahinstehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 192/20, juris Rn. 94, wonach Entfernungsvorbehalte in den Nutzungsbedingungen gewährleisten müssen, dass die darauf gestützten Entscheidungen nachvollziehbar sind, nicht an bloß subjektive Einschätzungen oder Befürchtungen, sondern an objektive, überprüfbare Tatbestände anknüpfen.)

2. Der vom Kläger mit seinem Berufungsantrag zu 3. weiterverfolgte beitragsbezogene Unterlassungsanspruch steht ihm mangels einer Wiederholungsgefahr nicht zu.

Allerdings hat die Beklagte mit der Entfernung des streitgegenständlichen Beitrags des Klägers und seiner deswegen verhängten Nutzungsbeschränkung bereits gegen ihre Vertragspflichten verstoßen. Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann ein Unterlassungsanspruch bestehen. Ein solcher vertraglicher Unterlassungsanspruch setzt - ebenso wie ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB - allerdings eine Erstbegehungs- beziehungsweise Wiederholungsgefahr voraus. Was letztere betrifft, kann aus der bereits begangenen Pflichtverletzung eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr folgen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20, Rn. 101 - 103).

Das Landgericht hat eine solche Vermutung hier jedoch aus überzeugenden Gründen nicht angenommen, weil die Beklagte den Beitrag vorprozessual wiederhergestellt und seine Zulässigkeit im Rechtsstreit ausdrücklich eingeräumt hat. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Beklagte hiervon künftig wieder abrücken und nicht nur künftige Beiträge des Klägers, die sich für sie als Verstoß darstellen könnten, sondern gerade den konkret streitgegenständlichen Beitrag nochmals löschen könnte. Hierin liegt eine nur theoretische Möglichkeit.

Soweit dagegen in der obergerichtlichen Rechtsprechung unter Berufung auf die zu quasinegatorischen Ansprüchen analog § 1004 BGB anerkannten Grundsätze angenommen wird, dass schon die erfolgte Pflichtverletzung die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr begründe, und diese Vermutung regelmäßig nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung entkräftet werden könne (OLG Celle, Urteil vom 22. Dezember 2022 - 5 U 67/22, GRUR-RS 2022, 56839 Rn. 17 ff; OLG München, Urteil vom 12. April 2022 - 18 U 6473/20 Pre Rn. 39; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. April 2022 - 14 U 136/21, juris Rn. 40) überzeugt dies für solche Fallgestaltungen, in denen der Verstoß nicht mehr andauert, weil die Beklagte ihre Bewertung eines Beitrags korrigiert hat, nicht. Die vom OLG Celle vertretene Auffassung, wonach auch das Eingeständnis eines Pflichtverstoßes durch die Beklagte die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht entfallen lässt, kann nach Ansicht des Senats nicht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Juli 2020, III ZR 179/20 gestützt werden. Dort ist ein Unterlassungsanspruch in der „besonderen Konstellation, in der die Beklagte bereits einmal ihre Pflichten aus dem - fortbestehenden - Vertragsverhältnis verletzt hat und die Vertragsverletzung - in Gestalt der Entfernung des Beitrags der Kl. - teilweise noch andauert“ (BGH, Urteil vom 29. Juli 2020, III ZR 179/20, BGHZ 230, 347 Rn. 102) angenommen worden. Im hier zu beurteilenden Streitfall hat die Beklagte den betreffenden Beitrag dagegen wieder freigeschaltet und geht nicht mehr von einem Verstoß aus.

Dafür, dass sich die Pflichtverletzung unter diesen Umständen nicht nur im Umgang mit anderen oder künftigen Beiträgen wiederholen, sondern abermals den konkreten Beitrag zum Gegenstand haben könnte, spricht keine tatsächliche Vermutung. Tatsächliche Vermutungen, die im Gegensatz zu gesetzlichen Vermutungen (§ 292 ZPO) mangels normativer Verankerung nicht die gesetzliche Beweislastverteilung verändern können, sind in der Beweiswürdigung nur insoweit berechtigt, als sie als Erfahrungssätze der allgemeinen Lebenserfahrung die richterliche Überzeugungsbildung tatsächlich leiten können (vgl. MünchKommZPO/Prütting, 6. Aufl. § 292 Rn. 29 ff.). Das ist hier nicht der Fall. Dass die Beklagte den konkreten Beitrag zumal in Anbetracht des hierüber geführten Rechtsstreits ein weiteres Mal sanktionieren könnte, erscheint - auch wenn der Kläger andere Fälle erinnert, in denen so etwas schon vorgekommen sei - lediglich nicht gänzlich auszuschließen, aber es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach dies naheliegend und wahrscheinlich wäre.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte nach wie vor geltend macht, seinerzeit in Anbetracht des Anscheins eines Verstoßes berechtigt vorläufige Maßnahmen ergriffen zu haben (so aber für die Begründung der Wiederholungsgefahr herangezogen von OLG München, 18 U 6473/20 Pre, juris Rn. 42). Zwar mag dies erwarten lassen, dass die Beklagte in anderen Fällen gleichermaßen verfahren und dabei wiederum Sanktionen auch an Beiträge knüpfen wird, die tatsächlich nicht gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen, was bei gründlicher Prüfung unter Einbindung auch der Aufklärungsmöglichkeiten einer Nutzeranhörung oft vermeidbar sein dürfte. Dies begründet entgegen der Auffassung des Klägers jedoch nicht die Befürchtung, dass die Beklagte seinen konkreten Beitrag erneut aufgreifen und ihn in Abkehr von den hierzu erreichten Erkenntnissen abermals als Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards behandeln könnte. Bereits eine im Zuge eines hierüber geführten Rechtsstreits erreichte Klärung der Zulässigkeit des konkreten Beitrags lässt eine erneute vorläufige Annahme eines Anscheinsverstoßes hinsichtlich des konkreten Beitrags sinnwidrig erscheinen. Das von der Beklagten in Anspruch genommene Recht auf Maßnahmen bei Anscheinsverstößen zielt darauf, die Annahme einer Pflichtverletzung und daran anknüpfende Rechtsfolgen — etwa eine Ersatzpflicht hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten der Nutzer — auszuschließen. Dass die Beklagte hingegen nach der Klärung der Zulässigkeit eines bestimmten Beitrags für sich das Recht reklamieren wollte, ihre Bewertung wieder zu ändern und einen Beitrag aufs Neue als Verstoß werten zu dürfen, ist fernliegend.

Soweit der Kläger seinen Unterlassungsanspruch — was nach dem Wortlaut des Antrags nicht ausgeschlossen wäre — allerdings gar nicht auf den konkreten Beitrag in seinem Äußerungskontext — einen Kommentar zu Kommunalwahlergebnissen — bezogen, sondern davon losgelöst die Zulässigkeit der Sätze „die Deutschen sind sowas von krank, Deutschland hat fertig“ geklärt wissen wollte, könnte er dies nicht beanspruchen. Aus dem Kontext ihrer Verwendung losgelöst können diese Worte, die im Unterschied zu einem aus sich heraus verständlichen Text nicht in sinnvoller Weise allein stehen können, nicht unter die Gemeinschaftsstandards subsumiert werden. Ihre Bedeutung hängt zuallererst davon ab, worauf sie bezogen werden. Dass sie in gar keinem denkbaren Kontext gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen können, kann nicht festgestellt werden.

3. Mit einer Einschränkung dringt der Kläger allerdings mit dem Berufungsantrag zu 4. durch. Er hat einen Anspruch auf Unterlassung künftiger Sperren durch die Beklagte, die erfolgen, ohne dass die Beklagte ihn vorab über die beabsichtigte Sperre informiert und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einräumt, dies allerdings nur, soweit es sich nicht um Ausnahmefälle handelt, hinsichtlich derer sie zuvor in den AGB die Sperre ohne Vorabverfahren geregelt hat.

a) Dieser Antrag ist auch ohne die in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2024 erklärte hilfsweise Ergänzung (Bl. 415 d. A.) zulässig.

Allerdings werden entsprechende Unterlassungsanträge von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung als unzulässig beurteilt. Zum einen werden sie für zu unbestimmt gehalten, weil sie faktisch bloß die Rechtslage nach den Urteilen des BGH vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20 und III ZR 192/20 zu den Voraussetzungen für die Vornahme einer Sperre wiederholten (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 59). Zudem seien Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt, so dass sich die Beklagte nicht erschöpfend verteidigen könne und letztlich die Entscheidung darüber, was ihr verboten sei, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibe. Es gebe nicht nur den Fall der Konto-Sperre, die nur nach Anhörung und Möglichkeit der Gegenäußerung zulässig wäre, denn von einer Anhörung vor der Maßnahme könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen werden. Auch in Wiederholungsfällen sei eine nochmalige Anhörung vor einer Sperre entbehrlich (OLG Frankfurt, a.a.O. Rn. 60). Gegen die Zulässigkeit des Unterlassungsantrags spreche auch, dass dieser in der Sache auf ein zukünftiges positives Tun, einen Leistungsanspruch auf Information und Neubescheidung vor einer möglichen Sperre gerichtet sei. Ein solcher Antrag sei nach § 259 ZPO nur zulässig, wenn ein Anspruch bereits entstanden sei, was vor der Vornahme der Einstellung eines Beitrags, der zu einer Sperre Anlass geben könnte, nicht der Fall (OLG Frankfurt, a.a.O. Rn. 61). Nach der Auffassung des Kammergerichts sind die bei Löschungen und Sperrungen bestehenden Informationspflichten der Beklagten nicht selbständig einklagbar, da sie keinen eigenen Leistungszweck verfolgten. Gegen rechtswidrige Maßnahmen müsse der Nutzer jeweils im Klageweg vorgehen (KG Berlin, Urteil vom 14. März 2022 - 10 U 1075/20, juris Rn. 70).

Diese Bedenken erachtet der Senat nicht für durchgreifend. So ist der Antrag eindeutig auf alle Sperrungen von Nutzer-Funktionen, die ohne das näher bezeichnete Vorabverfahren vorgenommen werden, bezogen und damit hinreichend bestimmt. Die Verwendung von Begriffen, die einer Konkretisierung im Vollstreckungsverfahren bedürfen, ist bei Unterlassungstiteln nicht immer vermeidbar (vgl. Stein/Jonas/Bartels, ZPO, 23. Aufl. § 890 Rn. 10 m. w. N.). Der wesentliche Inhalt der Unterlassungspflicht - keine Sperre ohne vorherige Anhörung - ist nach dem Antrag Gegenstand des Erkenntnisverfahrens; ob eine Zuwiderhandlung vorliegt, kann naturgemäß erst im Verfahren nach § 890 f. ZPO entschieden werden. Soweit die begehrte Unterlassung Fälle erfasst, in denen Ausnahmen von der Anhörungspflicht anzuerkennen sind, betrifft dies eine materiell-rechtliche Frage der Begründetheit des Antrags. Anerkannt ist zudem, dass Unterlassungspflichten auch aktives Verhalten, etwa die Verhinderung einer zu unterlassenden Störung, verlangen können (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2003 - V ZR 323/02, NJW-RR 2003, 1235, 1236). Selbst wenn sich die Zulässigkeit des Unterlassungsantrags nach § 259 ZPO beurteilte, läge die danach vorausgesetzte Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung in Anbetracht der bereits erfolgten Sperre des Klägers ohne vorherige Anhörung, dem von der Beklagten im Rechtsstreit hierzu vertretenen Standpunkt und der ausstehenden Regelung des nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Verfahrens mit Anhörung und ggfls. definierten Ausnahmen vor (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl. § 259 Rn. 8). Der Unterlassungsantrag ist schließlich auch nicht auf die Erteilung einer Information gerichtet, die nicht selbständig einklagbar wäre. Der Kläger begehrt die Unterlassung weiterer Sperren ohne vorherige Angabe eines Grundes und Möglichkeit der Stellungnahme, mithin das Unterlassen einer rechtswidrigen Sperre; einen isolierten Anspruch auf Erteilung einer Information macht er nicht geltend (ebenso OLG München, Urteil vom 20. September 2022 - 18 U 6314/20 Pre, juris Rn. 40).

Zuletzt sprechen auch prozessökonomische Gründe für die Zulassung des Antrags, da der Kläger andernfalls gezwungen wäre, angesichts künftiger Sperren bei unveränderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten jeweils erneut gegen einzelne Sperrungen im Klagewege vorzugehen (OLG München, Urteil vom 20. September 2022, ebenda Rn. 41).

b) Der Antrag ist mit der eingangs genannten Einschränkung auch begründet. Die Beklagte hat durch die Sperrung des klägerischen Nutzerkontos gegen ihre Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag verstoßen. Unabhängig davon, dass der zur Sperrung führende Beitrag des Klägers die Gemeinschaftsstandards der Beklagten schon nicht verletzte, war die Beklagte nach den Nutzungsbedingungen auch deshalb nicht zur Sperrung des Nutzerkontos des Klägers berechtigt, weil der in Nr. 4.2. vorgesehene Vorbehalt für die Sperrung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Denn ein verbindliches Verfahren zur Anhörung des betroffenen Nutzers ist nicht geregelt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20, Rn. 83 ff., 87 ff.).

Die erforderliche Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechte und Interessen der Parteien sowie der einzubeziehenden Drittinteressen ergibt, dass die Beklagte als Anbieterin eines sozialen Netzwerks zwar grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver, überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. In diesem Rahmen darf sie sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen (vgl. BGH a.a.O., Leitsatz 2 und Rn. 78). Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos grundsätzlich vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (BGH a.a.O., Leitsatz 3 und Rn. 85, 87 f.).

Dabei ist die Anhörung des Nutzers, soweit die Beklagte eine Sperrung des Nutzerkontos beabsichtigt, vor Durchführung dieser Maßnahme geboten, von eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen. Die Kontosperrung ist im Verhältnis zur Entfernung eines einzelnen Beitrags die deutlich schwerwiegendere Maßnahme, da der betroffene Nutzer während des gesamten Zeitraums der Sperrung sein Profil nicht aktiv nutzen und dementsprechend auf der Kommunikationsplattform der Beklagten nicht nur eine bestimmte Meinungsäußerung, sondern jegliche Meinungsäußerung nicht tätigen kann. Die Kontosperrung dient zudem nicht unmittelbar der Beseitigung eines aktuellen Verstoßes des Nutzers gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten, sondern der Sanktionierung eines Verstoßes und der Prävention im Hinblick auf künftige Verstöße. Ein Interesse der Beklagten, diese Maßnahme möglichst zügig und noch vor Anhörung des Nutzers durchführen zu können, ist nicht erkennbar (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20, Rn. 87). Den genannten verfahrensrechtlichen Anforderungen genügen die im Streitfall maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht.

Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben. Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB setzt — ebenso wie ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 i. V. m.§ 823 Abs. 1 BGB — eine Erstbegehungs- beziehungsweise Wiederholungsgefahr voraus (BGH a.a.O., Rn. 102 f m.w.N.). Aus der bereits begangenen Pflichtverletzung der Beklagten, die den Kläger ohne vorherige Anhörung gesperrt hat, der hierzu im Rechtsstreit vertretenen Rechtsauffassung der Beklagten sowie aus dem Umstand, dass die Regelung eines entsprechenden Anhörungsverfahrens in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach wie vor nicht ersichtlich ist, folgt die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (ebenso OLG München, Urteil vom 20. September 2022 - 18 U 6314/20 Pre, juris Rn. 48; a.A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. Mai 2022 - 14 U 136/21, juris Rn. 46, wonach ein tatsächlich vorgekommener Verstoß nicht genüge, um auch für den allgemein formulierten Unterlassungsanspruch die Wiederholungsgefahr zu begründen).

Da das Anhörungsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar regelmäßig, aber — wie das Landgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat — nicht ausnahmslos vor der Kontosperrung durchzuführen ist, müssen allerdings die somit möglichen Ausnahmefälle, die allerdings einer näheren Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedürfen, berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 179/20, Rn. 87). In dem Fall, dass eine entsprechende Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam getroffen worden ist und ein danach anzuerkennender Ausnahmefall vorliegt, kann der Kläger das Unterlassen einer Sperre ohne vorherige Anhörung nicht verlangen. Entgegen der insoweit von einigen Oberlandesgerichten vertretenen Auffassung (OLG München, Urteil vom 12. April 2022 - 18 U 6473/20 Pre, GRUR-RS 2022, 11666 Rn. 52; KG, Beschluss vom 20. Februar 2023 - 10 W 85/22, MMR 2023, 509 Rn. 29) bestehen indes keine Bedenken, dem Unterlassungsantrag deshalb nur mit einer entsprechenden Einschränkung stattzugeben (ähnlich OLG München, Urteil vom 20. September 2022 - 18 U 6314/20 Pre, juris Rn. 46, allerdings mit einer weitergehenden Einschränkung).

Es ist allein Aufgabe der Beklagten, die eng begrenzten Ausnahmefälle zu regeln, in denen eine Sperrung ohne vorherige Anhörung möglich sein soll. In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle hat der Nutzer einen Anspruch darauf, dass sein Konto nicht ohne vorherige Anhörung gesperrt wird. Das kann nicht dadurch in sein Gegenteil verkehrt werden, dass die Beklagte ihrer Aufgabe nicht nachkommt, die eng begrenzten Ausnahmefälle zu definieren. So lange sie das nicht tut, besteht der Unterlassungsanspruch unbegrenzt. Es ist weder Aufgabe des Nutzers noch Aufgabe des Gerichts, Ausnahmefälle zu erdenken, in denen eine Kontosperrung ohne vorherige Anhörung zulässig sein könnte.

Soweit die Beklagte in dem Zusammenhang auf das Recht zur außerordentlichen Kündigung von Nutzerverträgen verweist (§ 314 BGB), bleibt dieses von dem Unterlassungsanspruch unberührt.

4. Der Kläger kann von der Beklagten keine Auskunft verlangen, ob sie Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat (Berufungsantrag zu 6.). Ein solcher Auskunftsanspruch besteht weder aus dem Vertrag noch ist er aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) begründbar. Danach kommen Auskunftsansprüche in Betracht, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte schuldlos über Bestehen oder Umfang eines Rechts im Unwissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. An dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt es, wenn der Kläger mit seinem Auskunftsverlangen unter keinen Umständen einen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - III ZR 329/14, Rn. 10). Der nach Art einer Popularklage auf die gesamte Gruppe der Plattformnutzer bezogene Auskunftsanspruch lässt kein individuelles Rechtsschutzbedürfnis des Klägers erkennen.

5. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beitragsentfernung und Sperre steht dem Kläger nicht zu (Berufungsantrag zu 7.).

a) Der Antrag genügt jedenfalls dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, nachdem der Kläger klargestellt hat, den Anspruch in erster Linie auf den geltend gemachten immateriellen Schaden — der einen vom materiellen Schadensersatz verschiedenen Streitgegenstand bildet — zu stützen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2024, Bl. 415 d. A.). Ob diese Reihenfolge bereits zuvor im Wege der Auslegung des klägerischen Vorbringens zum Schaden angenommen werden konnte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 64) kann dahinstehen.

b) Materiell-rechtlich ist der Antrag nicht begründet. Der Senat schließt sich der eingehenden und überzeugenden Begründung des OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 130 - 161 an, wonach der Zahlungsanspruch unter den gegebenen Umständen trotz pflichtwidriger Beitragsentfernung und Sperre des Nutzerkontos unter keinem rechtlichen Aspekt besteht und macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des OLG Frankfurt zu eigen:

aa) Der Kläger kann keine Geldentschädigung wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) verlangen. Ein Anspruch auf eine immaterielle Geldentschädigung besteht nicht bei jeder schuldhaften Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Erforderlich ist vielmehr ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, deren Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung und Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 1175/20 Rn. 44). Eine solche Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt im Streitfall nicht vor. Auch wenn die Beklagte durch die unberechtigte Löschung des Beitrages des Klägers und die hiermit einhergehende vorübergehende Sperrung seines Nutzerkontos nicht nur eine Vertragsverletzung begangen, sondern auch der mittelbaren Drittwirkung der Meinungsfreiheit des Klägers nicht Rechnung getragen hat, verletzt die pflichtwidrige Einschränkung von Kommunikationsmöglichkeiten, die dem Kläger nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags zur Verfügung stehen, ihn nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die zeitweilige Sperrung des Profils des Klägers war nicht mit einer umfassenden Einschränkung seiner personalen Entfaltung im vorgenannten Sinne verbunden. Während der Zeit der befristeten Funktionseinschränkung war die Nutzung seines Facebook-Kontos nicht völlig aufgehoben, er konnte weiterhin Nachrichten empfangen, auf seine persönlichen Inhalte zugreifen und fremde Inhalte zur Kenntnis nehmen. Er war lediglich darin gehindert, Beiträge zu veröffentlichen, nicht aber, seine Meinung außerhalb der Plattform kundzutun. Da die Sperrung nicht öffentlich mitgeteilt wurde und zudem nicht von einer staatlichen Stelle, sondern lediglich von einem Rechtssubjekt des Privatrechts ausgesprochen wurde, ist auch nicht ernsthaft eine Prangerwirkung zu erkennen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 130 ff.).

bb) Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für einen immateriellen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO vor. Nach Art. 82 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Es kann dahinstehen, ob die unberechtigten Maßnahmen auch gegen Vorschriften der DSGVO verstoßen haben. Jedenfalls ist dem Kläger kein immaterieller Schaden i.S. des Art. 82 DSGVO entstanden. Art. 82 DSGVO begründet keinen Schadensersatzanspruch bei jedwedem Verstoß (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 140 m.N.).

Der Schadensbegriff nach der DSGVO ist zwar autonom und weit auszulegen; ein Schaden kann nicht nur materiell, sondern auch immateriell sein; eine Erheblichkeitsschwelle gibt es nicht. Es muss aber vom Anspruchsberechtigten nachgewiesen werden, dass der Verstoß gegen die DSGVO negative Folgen gehabt hat, welche einen jedenfalls immateriellen Schaden nach sich gezogen haben (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2023, C-456/22, NZA 2024, 231 Rn. 21 und Urteil vom 4. Mai 2023, C-300/21, NJW 2023, 1930 Rn. 50). Die DSGVO nennt in Erwägungsgrund 75 als Beispiele für eine möglicherweise einen (immateriellen) Schaden und damit die Schadensersatzpflicht auslösende Verarbeitung den Identitätsdiebstahl, die Rufschädigung, den Verlust der Vertraulichkeit oder anderen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Schaden. Solche Beeinträchtigungen sind nicht dargelegt.

cc) Auch materielle Schadensersatzansprüche scheiden aus. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Befreiung von einer Leistungspflicht aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB besteht nicht. Zwar bildet die Ermöglichung der Nutzung der Facebook-Dienste eine Hauptleistungspflicht der Beklagten, welche dem Kläger für den Zeitraum der Sperrung — mit Ausnahme des weiterhin bereitgestellten Read-Only-Modus — vorenthalten worden war. Diese Leistung war mit Ablauf der Sperrfrist infolge Zeitablaufs objektiv unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB), so dass der Erfüllungsanspruch ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen war. Damit stand ihm für die Dauer der unberechtigten Sperre grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu, ohne dass es einer Fristsetzung bedurfte. Allerdings fehlt es an einem beim Kläger eingetretenen Vermögensschaden, der bei vertraglichen Ansprüchen mangels ausdrücklicher Anordnung allein ersatzfähig ist (§ 253 Abs. 1 BGB). Ihm konkret entstandene Schadenspositionen wie etwa Aufwendungen zur anderweitigen Beschaffung der von der Beklagten geschuldeten Leistung oder entgangenen Gewinn hat der Kläger nicht dargetan. Allein der zeitweise Verlust der Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich der Facebook-Dienste stellt sich unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden dar, sondern als individuelle Genussschmälerung. Dasselbe gilt für die Löschung seines Beitrags. Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstands als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen zu ersetzen ist (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - VI ZR 248/07, Rn. 9). Zwar ist die Nutzbarkeit des Internets als ein Wirtschaftsgut anzusehen, dessen ständige Verfügbarkeit nach der Verkehrsanschauung für die Lebensgestaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist und bei dem sich eine Funktionsstörung als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt; die Möglichkeit zum weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern etwa über soziale Netzwerke stellt aber lediglich einen einzelnen Teilbereich dar, den der Bundesgerichtshof für die Gesamtbedeutung eines Internetzugangs aufgeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - III ZR 98/12, Rn. 17). Allein die Nutzbarkeit der über den Read-Only-Modus hinausgehenden, von der Beklagten vertragsgemäß zur Verfügung zu stellenden Leistungen, die sozialen Netzwerken immanente Möglichkeit des Kommentierens, Postens, Teilens und des Nachrichtenaustauschs, ist nach dem gebotenen strengen Maßstab kein Wirtschaftsgut in dem vorstehend dargelegten Sinne (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 147).

dd) Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Herausgabe des Werts der erlangten Gegenleistung nach §§ 346 Abs. 2 Nr. 1, 326 Abs. 1 und 4 BGB in Höhe von 1.500 € zu. Zwar hat die Beklagte während der Sperrung des Nutzerkontos des Klägers die von ihr vertraglich geschuldete Leistung teilweise nicht erbracht, auch wenn der Kläger weiterhin in der Lage war, Beiträge zu lesen; denn zum Kern des Angebots gehört die Möglichkeit, „sich auszudrücken und Inhalte zu teilen“. Da es sich bei dem Nutzungsvertrag der Parteien um ein Dauerschuldverhältnis handelt, ist durch die Nichtleistung der Beklagten Teilunmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB eingetreten. Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt bei Leistungsbefreiung des Schuldners wegen Unmöglichkeit der Anspruch auf die Gegenleistung, und bei einer Teilleistung findet § 441 BGB entsprechende Anwendung. Allerdings ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar, dass der Kläger eine anteilige nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt hat, die die Beklagte nach § 326 Abs. 4 BGB zurückerstatten müsste. Die bei der Nutzung automatisch anfallenden Daten und die Einräumung von deren Nutzungsmöglichkeit zu bestimmten Werbezwecken durch die Beklagte ist die Gegenleistung für die gegenwärtige Nutzung des sozialen Netzwerks selbst. Berücksichtigungsfähig ist daher ausschließlich der Wert der während des Sperrzeitraums von dem Kläger zur Verfügung gestellten Datennutzungsrechte. Die vom Kläger ab Beginn des zwischen den Parteien bestehenden Dauerschuldverhältnisses angefallenen Daten, die durch die Beklagte im Rahmen des ihr eingeräumten Nutzungsrechts und der vom Kläger erteilten Einwilligung verarbeitet werden durften, sind durch die damit jeweils korrespondierende Möglichkeit zur Nutzung des sozialen Netzwerks bereits abgegolten. In Ansehung des Rechtsgedankens des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien die Leistung, hier also die Gesamtheit der beklagtenseits vertragsgemäß zur Verfügung zu stellenden Leistungen im Zusammenhang mit dem sozialen Netzwerk, und die Gegenleistung, nämlich die Einräumung von Nutzungsrechten des Klägers an seinen bei der Nutzung des sozialen Netzwerks anfallenden Daten, welche der Beklagten die Platzierung zielgerichteter Werbung ermöglicht, auch für die Dauer des Dauerschuldverhältnisses als gleichbleibend äquivalent ansehen. Denn in welchem Umfang das soziale Netzwerk der Beklagten genutzt und im Gegenzug Nutzungsrechte an Nutzungsdaten des Klägers eingeräumt werden, bleibt nach der Eigenart des Dauerschuldverhältnisses offen. Umfang und Wert von Leistung und Gegenleistung hängen vielmehr vom Nutzungsverhalten des Klägers ab. Verhält er sich in dem sozialen Netzwerk besonders aktiv und nimmt dabei die Infrastruktur der Beklagten, z. B. Serverkapazitäten, stark in Anspruch, wächst seine Gegenleistung durch den größeren Anfall an Nutzungsdaten, an denen er der Beklagten vorab Nutzungsrechte eingeräumt hat, entsprechend. Mangels entgegenstehender Darlegung der Parteien sind die jeweils vom Kläger zur Verfügung gestellten Daten demnach nur Gegenleistung für die zeitgleiche Inanspruchnahme der Nutzung des sozialen Netzwerks.

Demgemäß war mit dem während der Sperrzeit allein verfügbaren Read-Only-Modus nicht nur ein Weniger an Leistungen der Beklagten verbunden. Umgekehrt ersparte sich der Kläger auch denjenigen Teil der Gegenleistung, der dem nicht erbrachten Teil der geschuldeten Leistung entspricht, denn indem er während der Sperrung keinen Gebrauch von den Möglichkeiten des Postens, Teilens, Kommentierens und Nachrichtenaustauschs machen konnte, fielen auch entsprechend weniger Nutzungsdaten an (vgl. ähnlich OLG Nürnberg Urteil vom 4. August 2020 - 3 U 3641/19, juris Rn. 200). Lediglich soweit der Kläger die Funktionen des Read-Only-Modus nutzte, fielen auch Daten an, die er zur Verfügung stellte - nicht anders als bei sonstigen Onlineformaten, bei denen Nutzer kostenfrei Inhalte konsumieren. Diese Leistungen des Klägers sind dann aber, soweit die Daten nicht schon ohnehin für die Vertragsdurchführung selbst erforderlich sind, die - reduzierte - Gegenleistung für die - reduzierten - Leistungen der Beklagten (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 155).

ee) Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch für die unberechtigte Nutzung seiner Daten zu Werbezwecken aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion), welche der Rechtsfolge nach auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr gerichtet wäre, steht dem Kläger schon dem Grunde nach nicht zu. Selbst wenn die Beklagte während des Zeitraums der unberechtigten Sperrung seine persönlichen Daten zu Werbezwecken weitergenutzt und dadurch Einnahmen erzielt haben sollte, erfolgte dies nicht ohne Rechtsgrund. Die Beklagte verfügte auch während der Sperrzeit über ein Nutzungsrecht an den vom Kläger zur Verfügung gestellten Daten und Inhalten und über eine datenschutzrechtliche Einwilligung in die Datenverarbeitung. Denn mit Abschluss des Nutzungsvertrags hat der Kläger der Beklagten seine Einwilligung zu der in den Nutzungsbedingungen geregelten Befugnis zur Verwendung seiner bei der Nutzung anfallenden Daten erteilt (vgl. Nutzungsbedingungen 3. Deine Verpflichtungen gegenüber Facebook, 3.2.). Dieses der Beklagten vertraglich eingeräumte Nutzungsrecht erlosch während der Dauer einer rechtswidrigen Sperrung nicht. Eine vertragswidrige teilweise Nichterfüllung seitens der Beklagten lässt die Wirksamkeit der Einräumung von Nutzungsrechten und der datenschutzrechtlichen Einwilligung unberührt. Ebenso wenig kann der Kläger sich für das Fehlen eines Rechtsgrunds auf eine etwaige Einrede nach § 320 bzw. § 273 BGB berufen. Nach dem dispositiven Vertragsrecht für gegenseitige Verträge erlischt im Fall einer Vertragsverletzung des anderen Teils die eigene Vertragsverpflichtung nur ausnahmsweise automatisch. Die Vorschrift des § 320 BGB zeigt, dass auch bei einer Nichterfüllung der einen Seite dem anderen nur ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Die Weiternutzung der Werberechte durch die Beklagte erfolgte deshalb mit Rechtsgrund. § 812 BGB lässt die Kondiktion nur zu, wenn der rechtliche Grund gänzlich fehlt, nicht jedoch bei dilatorischen Einreden. Für einen Anspruch nach § 813 BGB fehlt es an einer dauernden Einrede. Nur aufschiebende Einreden, wie die aus §§ 320, 273 BGB, genügen nicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 158 m. N.)

ff) Dem Kläger ist schließlich auch kein nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu ersetzender materieller Schaden entstanden. Ein materieller Schaden besteht aus der Differenz zwischen der tatsächlich durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten Vermögenslage des Geschädigten (Grüneberg/Grüneberg, 83. Aufl., Vor § 249 Rn. 10). Allein das Vorliegen einer unzulässigen Datenverarbeitung genügt nicht (Gola/Heckmann/Gola/Piltz, DS-GVO, 3. Aufl., Art. 82 Rn. 12). Dass der Kläger durch die Entfernung seines Beitrags eine Vermögensminderung erfahren hätte, ist nicht dargelegt. Der zeitweiligen Einschränkung der privaten Kommunikationsmöglichkeit auf Facebook kommt für sich genommenen kein Vermögenswert zu; sie stellt daher keinen Schaden in diesem Sinne dar (OLG München Urteil vom 18.2.2020 - 18 U 3465/19, juris Rn. 108; OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, juris Rn. 161 m.w.N.). Das bloße Affektionsinteresse ist nicht ersetzbar (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2022 - 16 U 229/20, ebd.).
[...]
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V. Die Revision war mit der im Tenor genannten Einschränkung wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zuzulassen. Das Verfahren wirft zahlreiche grundsätzliche Fragen zu den Voraussetzungen der beiden Unterlassungsansprüche auf, die für Verfahren gegen die hiesige Beklagte von wesentlicher Bedeutung sind. In der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilte Fragen zum - soweit es den in zahlreichen Verfahren gegen die Beklagte nach unberechtigter Beitragsentfernung und Sperre gestellten Feststellungsanspruch betrifft - Vorliegen eines Rechtsverhältnisses und eines Feststellungsinteresses, soweit es die Unterlassungsansprüche betrifft, zu deren Bestimmtheit und zum Vorliegen Wiederholungsgefahr, erfordern eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Hingegen werden in der hiesigen Fallkonstellation Auskunftsansprüche in Bezug auf etwaige Weisungen der Bundesregierung und Schadensersatzansprüche in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig verneint.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf: Facebook-Sperre ohne Anhörung und Begründung ist ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB - kartellrechtlicher Unterlassungsanspruch

LG Düsseldorf
Urteil vom 18.04.2024
14d O 1/23


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Sperrung eines Facbook-Accounts / einer Facebook-Seite ohne Anhörung und Begründung auch ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB durch Meta darstellt. Der Betroffene hat daher auch einen kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Landgericht Düsseldorf ist international zuständig.

a. Die Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 (nachfolgend: EuGVVO).

Der Kläger macht Ansprüche geltend, die er auf eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO stützt. Er begehrt die Unterlassung eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte als Betreiberin des sozialen Netzwerks Facebook. Das Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien schließt die Qualifikation des Klagebegehrens als deliktischen Anspruch nicht aus. In Abgrenzung zum vertraglichen Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO ist für die Annahme des deliktischen Gerichtsstands nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO vielmehr entscheidend, ob ein gesetzlicher Anspruch geltend gemacht wird, der unabhängig von einem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mit der Klage beanstandeten Handlung des Anspruchsgegners nicht vom Inhalt der beiderseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten abhängt, sondern hiervon unabhängig nach Deliktsrecht zu beurteilen ist (EuGH, Urteil vom 24.11.2020, C‑59/19, NJW 2021, 144, 146, Rn. 32 – Wikingerhof/Booking.com; BGH, Urteil vom 10.02.2021, Az. KZR 66/17, GRUR 2021, 991, 992, Rn. 11 – Wikingerhof).

Die Kartellrechtswidrigkeit der konkret beanstandeten Handlung hängt allein davon ab, ob die Beklagte Adressat des Missbrauchsverbots nach § 19 GWB ist und hiergegen verstoßen hat. Für die Beurteilung ist eine Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages im Sinne der vom EuGH aufgestellten Abgrenzungsformel (EuGH, aaO., Rn. 37) auch nicht unerlässlich. Der Kläger begründet den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch vorrangig mit einem Verstoß gegen das Kartellrecht, namentlich mit dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Insoweit ist das Verhalten grundsätzlich allein an kartellrechtlichen Maßstäben zu messen. Denn der Kläger beruft sich im Kern auf ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Beklagten verbunden mit dem Vorwurf, die Sperrung seiner FacebookSeite sei ohne vorherige oder unverzüglich nach der Sperre erfolgte Begründung und Anhörung erfolgt. Hinsichtlich der Verfahrensgrundsätze für die Löschung bzw. Kontosperrung ist nicht allein der Inhalt der Nutzungsbedingungen maßgeblich. Vielmehr kann die Prüfung, ob die Beklagte zur Einhaltung der von der Klägerin begehrten Verfahrensgrundsätze verpflichtet ist, abstrakt allein anhand wettbewerbsrechtlicher Maßstäbe erfolgen.

Dass die nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 GWB stets gebotene Interessenabwägung im Einzelfall bei einer Vertragsbeziehung der Parteien auch eine Betrachtung der vertragstypischen Rechte und Pflichten und der zwischen den Parteien getroffenen Regelungen erfordert, ist für die Qualifikation des Klageanspruchs als deliktischer Anspruch ohne Belang (BGH, aaO., Rn. 13).

Entgegen der Ansicht der Beklagten muss auch nicht zunächst der Umfang der Nutzungsberechtigung durch Auslegung des Nutzungsvertrages ermittelt werden. Im vorliegenden Streitfall wendet sich der Kläger gegen eine aus seiner Sicht willkürliche Löschung, ohne dass ein „abstraktes, unbegrenztes Recht auf Veröffentlichung auf Facebook“ geltend gemacht wird.

Auch soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf in der von der Beklagten zitierten Entscheidung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.03.2023, Az. I-16 W 8/23, vorgelegt als Anlage B 1) für Fälle, in denen keine Verbrauchereigenschaft gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. c), Art. 18 Abs. 1 EuGVVO vorliegt, eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für deliktische Ansprüche auf Grundlage von Art. 7 Abs. 2 EuGVVO ablehnt, ist diese Rechtsprechung nach Auffassung der Kammer nicht auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Während sich die dortige Antragstellerin neben einem vertraglichen Unterlassungsanspruch auch auf kartellrechtliche Ansprüche (§§ 33 Abs. 1, 19 Abs. 1 GWB) berufen hat, ist die Klage im vorliegenden Verfahren vorrangig auf einen Kartellverstoß gestützt, der – wie vorstehend ausgeführt – unabhängig von Nutzungsvertrag – zu beurteilen ist. Anders als in dem Verfahren, dem die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zugrunde lag, wird in kartellrechtlicher Hinsicht nicht der Vorwurf erhoben, „dass sich die missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin darin zeige, wie sie eine Sperre des Business-Kontos auf der Grundlage des von den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrags vornehme“ (OLG Düsseldorf, aaO., S. 11).

Auch wenn sich die Einstufung einer Klage als vertraglich im Sinne von Art. 7 Nr. 1 EuGVVO oder als deliktisch im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO nicht nach nationalem Recht richtet, sondern autonom unter Berücksichtigung der Systematik und der Ziele der EuGVVO zu entscheiden ist (EuGH, Urteil vom 13.03.2014, Az. C-548/12, NJW 2014, 1648, 1649, Rn. 18 – Brogsitter; Urteil vom 24.11.2020, Az. C-59/19, NJW 2021, 144, 146, Rn. 25 – Wikingerhof/Booking.com), erscheint es nach Auffassung der Kammer angezeigt, den vorliegenden Rechtsstreit angesichts des auf einen Marktmachtmissbrauch gerichteten Vorwurfs trotz der vertraglichen Verbindung der Parteien als deliktisch im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO zu qualifizieren. Die daraus resultierende Annahme einer Zuständigkeit deutscher Gerichte als Gerichtsstand der unerlaubten Handlung steht im Einklang mit den Zielen der EuGVVO. Das nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO zuständige Gericht – nämlich das des Marktes, der von dem geltend gemachten wettbewerbswidrigen Verhalten beeinträchtigt wird – ist am besten in der Lage, über die Hauptfrage der Begründetheit dieses Vorwurfs zu entscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 24.11.2020, Az. C‑59/19, NJW 2021, 144, 147, Rn. 37 – Wikingerhof/Booking.com).

b. Die nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO begründete internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist auch nicht aufgrund einer zwischen den Parteien getroffenen Gerichtsstandvereinbarung ausgeschlossen. Es kann dahinstehen, ob die Parteien einen irischen Gerichtsstand, wie in Ziffer 4.4. der Facebook-Nutzungsbedingungen vorgesehen, wirksam vereinbart haben. Sie führt als Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVVO jedenfalls für die hier geltend gemachten Ansprüche nicht zu einer Prorogation zu irischen Gerichten. Eine Anwendung dieser Gerichtsstandsklausel auf die geltend gemachten Ansprüche aus § 33 GWB ist zwar nach Art. 25 Abs. 1 EuGVVO nicht schlechthin ausgeschlossen. Ausgangspunkt ist hierbei das Erfordernis, dass die Geltung einer Gerichtsstandsvereinbarung zwar auf Rechtsstreitigkeiten beschränkt ist, die ihren Ursprung in dem Rechtsverhältnis haben, anlässlich dessen die Vereinbarung geschlossen wurde, weil andernfalls eine Partei dadurch überrascht wird, dass die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts für sämtliche Rechtsstreitigkeiten begründet wird, die sich eventuell aus den Beziehungen mit ihrem Vertragspartner ergeben und ihren Ursprung in einer anderen Beziehung als derjenigen haben, anlässlich deren die Begründung des Gerichtsstands vorgenommen wurde (EuGH, Urteil vom 21.05.2015, Az. C-352/13, GRUR Int. 2015, 1176, 1182, Rn. 68 m.w.N. – CDC Hydrogen Peroxide). Insoweit nimmt der EuGH an, dass die Beteiligung eines Vertragspartners an einem rechtswidrigen Kartell für das geschädigte Unternehmen im Zeitpunkt der Zustimmung nicht hinreichend vorhersehbar war und die Klausel insoweit nicht zu einer wirksamen Derogation führt (EuGH aaO., Rn. 70). Im Unterschied dazu kann sich der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, in den von einem Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, geknüpften vertraglichen Beziehungen über die Vertragsbedingungen manifestieren, mit der Folge, dass eine solche Klausel auch dann nicht überraschend im Sinne von Art. 22 EuGVVO ist, wenn sie sich nicht ausdrücklich auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverstoß bezieht (EuGH, Urteil vom 24.10.2018, Az. C-595/17, NJW 2019, 349, 350, Rn. 28f. – Apple Sales; BGH, Urteil vom 10.02.2021, Az. KZR 66/17, GRUR 2021, 991, 992, Rn. 18 – Wikingerhof).

[…]

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagte aus §§ 33 Abs.
1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB.

[...]

In der von der Beklagten vorgenommenen Sperrung ohne vorherige oder unverzüglich nach der Sperrung erfolgte Begründung und Anhörung, liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne einer Behinderung des Klägers gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB

aa. Die Behinderung des Klägers hat auch kartellrechtliche Relevanz.

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Vorfall nicht nur um eine Vertragsverletzung im Einzelfall. Als Behinderung im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB ist jedes Verhalten zu verstehen, dass die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachteilig beeinflusst (Bunte, KartellR/Nothdurft, 14. Aufl., § 19 GWB, Rn. 319 m.w.N.). Erforderlich ist, dass die Position des beeinträchtigten Unternehmens im Wettbewerb berührt wird.

Demgegenüber begründen Verstöße gegen Rechtsnormen (wie z.B. des Vertragsrechts), welche nicht den Inhalt von Marktbeziehungen zum Gegenstand haben oder auf sie einwirken, keinen Verstoß gegen § 19 GWB (HansOLG, Beschluss vom 29. Juni 2022, Az. 15 W 32/22, S. 15 f., vorgelegt als Anlage B 2; Bechtold/Bosch, in: Bechtold/Bosch, 10. Aufl. 2021, § 19 GWB, Rn. 5).

Die Sperrung der Facebook-Seite des Klägers betrifft jedoch Marktbeziehungen und berührt die Position des Klägers im Wettbewerb. Auch wenn es sich beim Kläger um einen gemeinnützigen Verein handelt, steht dieser hinsichtlich seiner Angebote, insbesondere seinen Veranstaltungen, im Wettbewerb mit anderen Film- und Kultureinrichtungen. Die Facebook-Seite wird zur Bewerbung von Veranstaltungen genutzt, mit der Folge, dass dem Kläger infolge der Sperre ein Kommunikationskanal abgeschnitten worden ist, der u.a. zur Bewerbung seiner Veranstaltungen genutzt worden ist. Dass der Kläger, worauf die Beklagte hinweist, noch über weitere Kanäle, wie u.a. seine Homepage und sein Instagram-Profil verfügt, steht einer marktbezogenen Behinderung im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. GWB nicht entgegen.

Ferner ist auch ein Nachweis konkreter nachteiliger Marktfolgen für die Bejahung eines Behinderungsmissbrauchs nicht erforderlich (Bunte aaO., Rn. 322). Ausreichend ist vielmehr ein Nachweis konkreter Gefahrenlagen, die sich vorliegend bereits aus der Sperre und damit aus den Einschränkungen bei der Veröffentlichung und Bewerbung der Angebote des Klägers ergeben. Feststellungen zum konkreten Rückgang der Teilnehmerzahlen sind hingegen nicht erforderlich.

bb. Das Vorgehen der Beklagten ist auch sachlich nicht gerechtfertigt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und den insoweit aufgestellten Mindestanforderungen an das Verfahren zur Sperrung von Nutzerkonten, ist der Nutzer umgehend über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos zu informieren, ihm ist der Grund dafür mitzuteilen und ihm ist eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (vgl. BGH, Urteil v. 29.07.2021, Az. III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, 3189, Rn 85). Zwar kann es nach Auffassung der Kammer in Ausnahmefällen auch gerechtfertigt sein, eine Löschung der Inhalte und gegebenenfalls eine Sperrung des Accounts unmittelbar und ohne vorherige Anhörung vorzunehmen, um etwa das bedeutsame Verbot der Nacktdarstellung von Minderjährigen effektiv durchzusetzen, sobald z.B. ein Algorithmus verbotene Inhalte erkennt. Eine solche Maßnahme entsprach auch den Anforderungen von § 3 Abs. 2 NetzDG in der bis 14.05.2024 geltenden Fassung. Allerdings muss eine effektive Möglichkeit bestehen, diese automatisierte Entscheidung zu überprüfen. Dies ist im vorliegenden Fall offensichtlich nicht erfolgt. Nach Art. 4 Abs. 1, Abs. 5 UAbs. 1 Verordnung (EU) 2019/1150 (nachfolgend: P2BVO) hat ein Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, will er die Geschäftsbeziehung einseitig beenden, die konkreten Tatsachen oder Umstände, einschließlich des Inhalts der Mitteilungen Dritter, die ihn zu seiner Entscheidung bewogen haben, und die für diese Entscheidung maßgeblichen Gründe anzugeben. Dabei können die Wertungen der P2B-VO mittelbar in der Kartellrechtsanwendung Berücksichtigung finden, da es sich dabei um marktbezogene Vorschriften handelt (LG München I, Urteil v. 12.05.2021, 37 O 32/21, MMR 2021, 995, 998, Rn. 75 m.w.N.). Dies wird nicht zuletzt in Erwägungsgrund 7 der P2B-VO deutlich, wonach der Zweck der Verordnung in der Sicherstellung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Online-Geschäftsumfelds im Binnenmarkt liegt. Entsprechendes gilt auch für die Vorgaben nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) und d), Abs. 3, Abs. 4 der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (nachfolgend: „Digital Services Act“). Auch hiernach erfordert die Sperrung von Nutzerkonten eine klare, spezifische und umfassende Begründung, die den Nutzer in die Lage versetzt, die gegen die Sperrung zur Verfügung stehenden internen wie externen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Wenngleich die Vorgaben des Digital Services Act erst seit Februar 2024 vollumfänglich gelten, ist die Verordnung bereits im November 2022 in Kraft getreten und bringt damit jedenfalls den Willen des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, Seitensperrungen u.a. nicht ohne Anhörung des Betroffenen vorzunehmen.

Zugunsten des Klägers sind auch dessen Grundrechte im Wege der mittelbaren Drittwirkung von der Kammer bei der Anwendung von § 19 GWB und der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen. Dabei hängt die Reichweite der mittelbaren Grundrechtswirkung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, dass die Freiheitssphären der Bürgerinnen und Bürger in einen Ausgleich gebracht werden müssen, der die in den Grundrechten liegenden Wertentscheidungen hinreichend zur Geltung bringt. Dabei können insbesondere auch die Unausweichlichkeit von Situationen, das Ungleichgewicht zwischen sich gegenüberstehenden Parteien, die gesellschaftliche Bedeutung von bestimmten Leistungen oder die soziale Mächtigkeit einer Seite eine maßgebliche Rolle spielen (BVerfG, Beschluss vom 11. April 2018, Az. 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667, Rn. 33 m.w.N.). Insoweit berücksichtigt die Kammer, dass die Nutzung von Facebook“ eine hohe soziale Relevanz hat, mit der Folge, dass sich der Kläger auf die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG), Filmfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG), (Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 9 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) sowie das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) berufen kann.

Soweit die Beklagte in der Klageerwiderung vorträgt, dass sie aufgrund von Ziff. 4.2 der Nutzungsbedingungen, ebenso wie nach §§ 314, 626 BGB, ohne Anhörung bzw. Abmahnung zur dauerhaften Kontosperrung aus wichtigem Grund berechtigt sein kann, ist dies für die Beurteilung des konkreten Vorfalls anhand von § 19 GWB ohne Bedeutung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das konkret in Rede stehende Bild keinen strafrechtlich relevanten Inhalt hat und die Beklagte auch darüber hinaus keine Gründe vorbringt, die sie im streitgegenständlichen Fall zur Sperrung ohne Anhörung des Klägers berechtigt hätten.



LG Paderborn: Widerspruch gegen weitere Zusendung von Werbung per E-Mail muss vom Versender sofort umgesetzt werden

LG Paderborn
Urteil vom 12.03.2024
2 O 35/23


Das LG Paderborn hat entschieden, dass ein Widerspruch gegen die weitere Zusendung von Werbung per E-Mail vom Versender sofort umgesetzt werden muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
Letztlich kann aber dahinstehen, ob die Beklagte einen hinreichenden Werbehinweis gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG erteilt hat, da das anwaltliche Schreiben vom 14.09.2023 jedenfalls als Widerspruch im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG gegen (weitere) Werbe-E-Mails zu verstehen war.

Die Verwendung der Adresse für die eigene Direktwerbung des Unternehmers ist ausgeschlossen, wenn der Kunde ihrer Verwendung zu Werbezwecken widersprochen hat. Der Widerspruch gegen die Verwendung der elektronischen Postadresse zum Zwecke der Übersendung von Werbung nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG ist formlos möglich und setzt nicht voraus, dass der Kunde selbst bestimmte Einstellungen im “Kundenverwaltungssystem” des Unternehmens tätigt.

Hat der Beworbene einer Werbung mittels elektronischer Post wirksam iSd § 7 Abs. 3 Nr. 3 widersprochen, so ergibt sich die Unzulässigkeit der Werbung, weil dem Unternehmer der entgegenstehende Wille des Beworbenen dann erkennbar ist.

Soweit sich die Beklagte hiernach gem. Art. 12 Abs. 3 DSGVO eine Bearbeitungsdauer von bis zu einem Monat ausbedingen will, kann sie damit nicht durchdringen.

Art. 21 Abs. 3 DSGVO stellt klar, dass nach Widerspruch gegen die Verarbeitung zu Zwecken der Direktwerbung, die Daten für diese Zwecke nicht mehr verarbeitet werden dürfen. Art. 12 Abs. 3 DSGVO sieht hingegen lediglich eine Bearbeitungsdauer von bis zu einem Monat für die Bereitstellung von Informationen vor; nicht für die Umsetzung des Widerspruchs. Ein datenschutzrechtliches Informationsrecht nimmt die Klägerin aber nicht für sich in Anspruch.

Der Verwender ist gehalten, den Widerspruch umgehend zu respektieren, d.h., dass die Umsetzung unverzüglich zu erfolgen hat. Diesem Maßstab hat die Beklagte nicht genügt. Nach dem Werbewiderspruch vom 14.09.2023 hat die Beklagte noch 5 (weitere) Werbe-E-Mails an die Klägerin versandt.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass eine bereits angelaufene Werbeaktion nicht mehr gestoppt werden könne. Wenn durch die Betätigung des Abmeldelinks die Zusendung weiterer Werbe-E-Mails verhindert werden kann, dann muss dieses für die Beklagte nach Eingang des Widerspruchs erst Recht – unverzüglich - möglich sein. Die durch die Beklagte zu Rate gezogene Orientierungshilfe der DSK zur Umsetzungsfrist des Werbewiderspruchs nach Art. 21 Abs. 3 DSGVO bezieht sich unzweifelhaft auf postalische Werbung. Ein

Bearbeitungszeitraum hinsichtlich des Werbewiderspruchs in Bezug auf E-Mail-Werbung kann daraus nicht abgeleitet werden.

Der entscheidende Referenzrahmen für die Beklagte war nicht, dass diese nach Betätigung des Abmeldelinks durch die Klägerin am 26.09.2023, den Stopp weiterer Werbe-E-Mails bis zum 04.10.2023 umsetzte, sondern inwieweit die Beklagte auf den Widerspruch vom 14.09.2023 tätig geworden ist. Die Umsetzung des Werbewiderspruchs vom 14.09.2023 war auf vor dem Hintergrund der selbst skizierten Anforderungen der Beklagten unzureichend. Insbesondere die Zusendung von insgesamt drei (weiteren) Werbe-E-Mails nach Betätigung des Abmeldelinks ist mit einer zügigen Umsetzung des Werbewiderspruchs nicht in Einklang zu bringen.

Da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG nicht vorliegen und die Klägerin der Zusendung (weiterer) Werbe-E-Mails widersprochen hat, war im Unterlassungstenor auch keine Einschränkung dahingehend vorzunehmen, dass Bestandskundenwerbung grds. erlaubt ist.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch das festgestellte rechtsverletzende Verhalten der Beklagten indiziert. (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2017, Az. VI ZR 721/15). Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hat die Beklagte nach den Feststellungen der Kammer abgelehnt.

Die Klägerin kann auch die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten iHv 652,60 € von der Beklagten verlangen.

Der Verletzte, der seinen Unterlassungsanspruch auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 2

BGB stützt, hat einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten, wenn die Abmahnung begründet war. Lässt sich der Verletzte bei der Abmahnung anwaltlich vertreten, so hat der Verletze die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu tragen, wenn die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines Verstoßes gegen einen deliktsrechtlichen Tatbestand ist nur dann nicht notwendig, wenn der Abmahnende selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Verstoßes verfügt (vgl. BGH, Urt. v. 12.09. 2013 – I ZR 208/12 = GRUR 2013, 1259).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Dresden: Facebook / Meta trägt bei Deaktivierung eines Nutzerkontos die Darlegungs- und Beweislast für Verstoß gegen Nutzungsbedingungen

OLG Dresden
Urteil vom 12.12.2023
4 U 1049/23


Das OLG Dresden hat entschieden, dass Facebook / Meta bei Deaktivierung eines Nutzerkontos die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen trägt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die einer fristlosen Kündigung gleichstehende „Deaktivierung“ des Nutzerkontos durch die Beklagte am 15.12.2019 ist unter Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem Nutzungsvertrag erfolgt. Die Beklagte kann sich insoweit weder auf ihre Nutzungsbedingungen unter Ziffer 4.2 noch auf entsprechende gesetzliche Regelungen §§ 314, 626 BGB stützen. An der Wirksamkeit von Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen (Anlage K 40) bestehen keine Bedenken, denn sie entsprechen nahezu wörtlich der gesetzlichen Regelung in § 314 BGB.

Die vorübergehende (in Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen geregelte) Deaktivierung und die dauerhafte Aussetzung oder Kündigung von Konten in Ziff. 4.2 erfordern in gleicher Weise eine Abwägung der gegenüberstehenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz, was nach der Rechtsprechung des BGH auch die Berücksichtigung verfahrensrechtlicher Sicherungen beinhaltet (vgl. auch Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/22, Rn 22 - juris). Dass die Netzwerkbetreiber vor dem Ergreifen von Sanktionen die ihnen zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts ergreifen müssen, gilt nicht nur für vorübergehende Maßnahmen, sondern erst recht für die dauerhafte Kündigung eines Nutzerkontos, die die Grundrechte des Nutzers in weitaus stärkerem Maße beeinträchtigt als etwa die 30-tägige Versetzung in den "read-only"-Modus (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rn 22 - juris). Der Netzwerkbetreiber muss sich in seinen Geschäftsbedingungen dazu verpflichten, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrages und eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos umgehend zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrages einhergeht (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2022 - III ZR 12/21, Leitsatz 4 zu Ziffer 3.2. der Nutzungsbedingungen der Beklagten). Es ist allerdings nicht zwingend geboten, die notwendige Anhörung vor dieser Maßnahme durchzuführen. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Netzwerkbetreiber im Hinblick auf die Löschung eines Beitrages in seinen Geschäftsbedingungen den Nutzern ein Recht auf unverzügliche nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einräumt (BGH, a.a.O.). Eine solche Sachverhaltsaufklärung vor einer fristlosen Kündigung wird sowohl in den §§ 314, 626 BGB als auch in Ziff. 4.2. der Nutzungsbedingungen durch das Regelerfordernis der Abmahnung sichergestellt (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rn 22 - juris). Von dem Erfordernis der Abmahnung oder der Einräumung einer Abhilfefrist kann nur in bestimmten, eng begrenzten Ausfällen abgewichen werden, wenn die andere Seite die Erfüllung ihrer Pflicht ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände eine sofortige Kündigung rechtfertigen.

Die Beklagte hat diese von ihr selbst aufgestellten Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung hier allerdings nicht eingehalten. Sie hat dem Kläger unstreitig weder eine Abhilfefrist eingeräumt noch ihn abgemahnt, bevor sie das Konto dauerhaft deaktivierte. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich ernsthaft geweigert hätte, sich an die Gemeinschaftsstandards zu halten, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht vorgetragen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass unter Abwägung der Interessen beider Parteien wegen der besonderen Umstände eine sofortige Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung oder einer zu gewährenden Abhilfefrist zulässig gewesen sein soll. Vortrag hierzu ist nicht vorhanden.

Darüber hinaus hat die Beklagte zum Vorliegen eines Kündigungsgrundes nicht schlüssig vorgetragen. Die Beklagte hat sich zur Begründung eines Verstoßes des Klägers gegen ihre Gemeinschaftsstandards darauf beschränkt, einen Verstoß gegen das Verbot von Nacktdarstellung und sexueller Ausbeutung von Kindern zu behaupten. Dies reicht nicht aus. Es besteht weder ein Screenshot des vom Kläger veröffentlichten Beitrages noch hat die Beklagte den Inhalt des Beitrages konkret dargestellt.

Es obliegt nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen der Beklagten, die sich auf einen Verstoß gegen ihre Gemeinschaftsstandards durch den Kläger beruft, vorzutragen und zu beweisen, dass ein wichtiger Grund für die dauerhafte Deaktivierung des Nutzerkontos vorgelegen hat. Insoweit kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts München vom 22.08.2019 (18 U 1319/19, Anlage B35) stützen. Der maßgebliche Abschnitt verhält sich nicht zur dauerhaften Deaktivierung, sondern betrifft die Darlegungs- und Beweislast des Gesamtkontextes als Voraussetzung der korrekten rechtlichen Bewertung der konkreten Äußerung. Unabhängig davon ist nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen derjenige, der sich auf bestimmte Tatsachen stützt (Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards, Wirksamkeit der von ihm ausgesprochenen fristlosen Kündigung) darlegungs- und beweisbelastet. Die Beweislast für den Kündigungsgrund liegt beim Kündigungsberechtigten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22.09.2020 - 21 U 92/19 - juris). Unabhängig hiervon wäre es dem Kläger angesichts der Pauschalität der Vorwürfe auch gar nicht möglich, die Vorwürfe der Beklagten zu widerlegen und die negative Tatsache, nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen zu haben, zu beweisen.

Soweit die Beklagte behauptet, ihr sei kein weiterer Vortrag möglich, weil der Beitrag unwiederbringlich und vollständig gelöscht worden sei, hat sie den Umstand, dass ihr weder ein schlüssiger Vortrag noch ein Beweisantritt möglich ist, selbst herbeigeführt.

1.3. Dem Kläger steht jedoch der im Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf die Wiederherstellung des Nutzerkontos mit allen Verknüpfungen seines Profils, wie es zum Löschungszeitpunkt bestand, nicht zu. Denn insoweit ist die Wiederherstellung nahezu vier Jahre nach der Deaktivierung nicht ohne weiteres möglich. Zum einen - und dies stellt der Kläger auch nicht in Abrede - ist offen, ob andere Nutzer, mit denen der Kläger zum Zeitpunkt der Deaktivierung seines Nutzerkontos noch verknüpft war, noch auf der sozialen Plattform aktiv sind. Zum anderen hat die Beklagte plausibel dargelegt, dass sie den in Rede stehenden Beitrag, der Auslöser für die Deaktivierung des Kontos war, endgültig und dauerhaft gelöscht habe. Auch dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr ernsthaft in Abrede gestellt. Eine Herstellung ist insoweit unmöglich gemäß § 275 Abs. 1 BGB und kann von der Beklagten nicht verlangt werden.

1.4. Der mit dem Hilfsantrag begehrte Anspruch ist nicht gemäß § 242 BGB i.V.m. Ziffer 3.1. der Nutzungsbedingungen wegen Fehlens eines schutzwürdigen Eigeninteresses ausgeschlossen, weil der Kläger ein anderes Nutzerkonto auf der sozialen Plattform bei der Beklagten errichtet hat. Nach Ziffer 3.1. kann jeder Nutzer nur ein einziges Konto für persönliche Zwecke nutzen. Gleichwohl kann die von der Beklagten vertragswidrige Deaktivierung des Nutzerkontos nicht mit der Begründung verweigert werden, der Kläger verfüge über ein anderes Konto, zumal das deaktivierte Konto über Beiträge und Verknüpfungen verfügte, die das neue Konto allein schon wegen der Dauer seines Bestehens nicht aufweisen kann. Es ist nach Wiederherstellung des früheren Nutzerkontos Sache der Parteien, wie die in Ziffer 3.1. der Nutzungsbedingungen enthaltene Regelung umgesetzt wird. Dies kann auch durch eine Löschung eines der Nutzerkonten durch den Kläger geschehen.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Berichtigung der Daten dahingehend, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen, der der Deaktivierung zugrunde lag, aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird, §§ 280, 241, 249 BGB. Der Anspruch folgt aus dem Nutzungsvertrag, den die Beklagte durch die rechtswidrige Deaktivierung verletzt hat (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rn 26 - juris).

[…]

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch, dass es diese unterlässt, sein Konto zu deaktivieren, ohne ihn vorab über die beabsichtigte Sperre zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Ebenso wenig hat er Anspruch darauf, dass es die Beklagte unterlässt, etwaige Beiträge zu löschen, ohne ihn zugleich in speicherbarer Form den Anlass der Löschung oder Sperrung mitzuteilen.

Unabhängig davon, dass die Beklagte verpflichtet ist, vor einer fristlosen Kündigung und damit verbundener Kontosperrung dem Kläger eine Abhilfemöglichkeit einzuräumen oder ihn abzumahnen, ist es nicht stets unwirksam, ein Nutzerkonto ohne vorherige Anhörung zu deaktivieren. Dies kann z. B. bei besonders schweren Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards und/oder bei strafbaren Handlungen der Fall sein. Nimmt ein Nutzer z. B. kinderpornographische Bilder oder andere strafbare Handlungen in seine timeline auf, so ist eine sofortige Sperrung oder Deaktivierung seines Nutzerkontos ohne Anhörung möglich(vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2022 - III ZR 12/21, Leitsatz 5). Um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, eine zivilrechtliche Haftung oder eine Inanspruchnahme nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) auszuschließen, muss die Beklagte unverzüglich tätig werden, um Beiträge mit strafbaren oder rechtsverletzenden Inhalten, die sie für ihre Nutzer gespeichert hat, zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, Rdnr. 77 - juris). Aus diesem Grund kann eine sofortige Sperrung oder Löschung eines Beitrags erforderlich und auch wirksam sein.

Ebenso kann aus vorgenannten Gründen eine Sperrung oder eine Löschung eines Beitrages auch dann wirksam sein, wenn dem Nutzer nicht zugleich der Anlass der Sperrung mitgeteilt wird. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Eine abstrakte Verbotsregelung kann nicht ausgesprochen werden.

Für die zugleich gegen die dauerhafte Aussetzung der Nutzungsfunktion und Kündigung gerichtete Klage besteht ein solches pauschales Anhörungserfordernis ohnehin nicht, vielmehr knüpfen Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen an den Ablauf einer „gewährten Abhilfefrist“ oder einer erfolglosen Abmahnung an (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rdnr. 28 - juris).

[…]

7. Ein Schadensersatzanspruch steht dem Kläger ebenfalls nicht zu

7.1. Der Antrag ist zwar zulässig, denn es liegt keine unzulässige alternative Klagehäufung vor. Der Kläger stützt seinen Antrag auf die rechtswidrige Deaktivierung seines Kontos und damit einen bestimmten Lebenssachverhalt. Er stützt seinen Anspruch lediglich auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen.

7.2. Er hat aber schon einen bei ihm entstandenen materiellen Schaden nicht hinreichend dargelegt, sondern lediglich ausgeführt, dass ihm die Nutzung unmöglich geworden sei und er dadurch einen materiellen Schaden erlitten habe. Dies genügt nicht. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 08.03.2022 (4 U 1050/21 unter Rdnr. 31 - juris) in vollem Umfang Bezug genommen.

Ebenso wenig steht ihm ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes in Form eines Schmerzensgeldes im Sinne von § 253 BGB zu. Ein solcher Anspruch wird regelmäßig erst dann zugesprochen, wenn ein schwerwiegender Eingriff von der Art ist, dass Rechtsbehelfe, die auf die Unterlassung bzw. Beseitigung der Störung zielen, die Verletzungsfolgen nicht hinreichend ausgleichen können. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Insoweit wird ebenfalls auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 08.03.2022 (- 4 U 1050/21 unter Rdnr. 32 - juris) in vollem Umfang Bezug genommen.

Ein Schadensersatzanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer fiktiven Lizenzgebühr begründet. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, dass vorliegend der Nutzungsmöglichkeit des Accounts ein wirtschaftlicher Wert beizumessen wäre, ist eine Bemessung von Leistung und Gegenleistung angesichts der Natur des für den Kläger unentgeltlichen Nutzungsvertrages und des unbestimmten Umfangs der im Einzelfall für die Beklagte nutzbaren Daten des Klägers nicht möglich (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rdnr. 33 - juris).

Einen Schadensersatzanspruch kann der Kläger auch nicht mit Erfolg auf Art. 82 DSGVO stützen. Dieser hängt von einer Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO ab. Erforderlich ist daneben ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verarbeitung und einem konkreten Schaden (so EuGH, Urteil vom 04.05.2023 - C - 300/21, Rdnr. 36 - juris). Für einen immateriellen Schaden besteht ein Nachweiserfordernis durch die betroffene Person (vgl. EuGH, a.a.O., Rdnrn. 49, 50 - juris). Der Schaden muss tatsächlich und sicher entstanden sein (vgl. EuGH, Urteil vom 04.04.2017 - C-337/15, Rdnr. 91 - juris). Dazu ist - wie bereits ausgeführt - nichts vorgetragen worden. Der bloße Datenverlust stellt keinen Schaden dar (vgl. Senat, Urteil vom 20.08.2020 - 4 U 784/20 - juris; vgl. Urteil Senat vom 05.12.2023 - 4 U 709/23 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Kontrollverlust über die Daten stellt keinen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO dar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 - 7 U 19/23, Rn 151 - juris; vgl. Urteil Senat vom 05.12.2023 - 4 U 709/23 - zur Veröffentlichung vorgesehen).




OLG Stuttgart: Bezeichnung einer Politikerin als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" in sozialen Medien ist unzulässige Schmähkritik

OLG Stuttgart
Urteil vom 29.11.2023
4 U 58/23


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Bezeichnung einer Politikerin als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" in sozialen Medien eine unzulässige Schmähkritik ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
OLG Stuttgart: Bezeichnung als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ ist eine Schmähkritik, die nicht hingenommen werden muss

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute den Autor eines Facebook-Beitrags, in dem eine deutsche Politikerin als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ bezeichnet wird, zur Unterlassung verurteilt und insoweit die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert. Hinsichtlich des über den Unterlassungsanspruch hinaus geltend gemachten Geldentschädigungsanspruchs blieb die Klage allerdings ohne Erfolg.

Die Klägerin, die unter anderem als Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei und als stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts tätig war, hat auf Twitter Dieter Nuhr als Reaktion auf einen Beitrag in dessen Sendung „Nuhr im Ersten“ kritisiert und dabei u.a. die Worte „ignorant, dumm und uninformiert“ verwendet. Hierzu hat der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Brandenburg auf Facebook Stellung genommen. Unter diesem Beitrag hat der Beklagte kommentiert: „Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie C.. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen.“ Die Klägerin hat den Beklagten wegen dieses – mittlerweile gelöschten – Beitrags zunächst abmahnen lassen und sodann Klage auf Unterlassung und Schmerzensgeld erhoben. Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei nicht der Urheber des Beitrags, jemand müsse sich seines Notebooks bemächtigt haben. Das Landgericht Heilbronn hat die Klage in erster Instanz vollumfänglich abgewiesen und ausgeführt, der Beitrag sei jedenfalls noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Entscheidung des Senats

Der Senat hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben.

Bei der Äußerung handele es sich um eine Schmähkritik, für die der Beklagte hafte, weil er seinen Rechner und sein Facebook-Nutzerkonto nicht ausreichend vor fremden Zugriffen gesichert und keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen habe, die eine nach höchstrichterlichen Grundsätzen entwickelte Vermutungswirkung entfallen ließen. Zudem sei der Senat nach den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsverhandlung davon überzeugt, dass er den streitgegenständlichen Beitrag selbst verfasst hat, denn er habe sich mehrfach von den Äußerungen distanziert, gleichzeitig den Beitrag aber damit verteidigt, dass es ihm erlaubt sein müsse, auf die Klägerin als Politikerin zu reagieren, um diese angesichts ihres (vom Beklagten näher beschriebenen) eigenen Verhaltens „fertig zu machen“.

Bei der Annahme einer Schmähung sei zwar grundsätzlich Zurückhaltung geboten, im Fall des Beklagten sei aber davon auszugehen, weil bei seinem Beitrag nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe und seine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung habe, sondern es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher gehe:

Mit der Aussage auf dem Facebook-Nutzerkonto des Beklagten werde die Klägerin durch die Verwendung der Begriffe „dämlich“ und „Hirn-Vakuum“ als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, die aus der Politik verschwinden soll („abtauchen“). Es handele sich um eine Äußerung, die durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs „Stück“ (konkret: dämliches Stück Hirn-Vakuum) eine die Klägerin abwertende und diffamierende Komponente enthalte, weil ein Mensch (oder dessen Teile) nicht als Stück bezeichnet wird, da ihm damit jede persönliche Würde abgesprochen wird (Art. 1 GG). Die Aussage stehe zwar im Kontext der Beiträge der Klägerin und des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Brandenburg und knüpfe damit äußerlich an eine – öffentlich geführte – Auseinandersetzung an, sei aber völlig von der vorherigen Auseinandersetzung losgelöst, indem die Klägerin nur persönlich beschimpft und angegangen werde. Auch wenn die Klägerin zunächst selbst stark abwertende und ebenfalls persönlichkeitsrechtsverletzende Begriffe verwandt habe – „ignorant, dumm und uninformiert“ –, könne der unsägliche Kommentar des Beklagten nicht mehr als adäquate Reaktion auf das Vorverhalten der Klägerin angesehen werden.

Bei der Aussage „Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen“ handele es sich ebenfalls um ein Werturteil, das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Darin sei eine Herabsetzung von Immigranten zu sehen und der Klägerin angesonnen, zu verschwinden oder abzuhauen und den Mund zu halten. Auch insoweit fehle jeglicher Bezug zu der Diskussion um das Verhalten des Kabarettisten Dieter Nuhr, weshalb auch diese Aussage allein dazu diene, die Klägerin verächtlich zu machen.

Den ebenfalls geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch hat der Senat mit der Begründung verneint, dass es trotz der eheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung an dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorausgesetzten unabwendbaren Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung fehle, zumal die Klägerin selbst starke Worte benutzt und den Diskurs damit erst veranlasst habe und der streitgegenständliche Beitrag zeitnah gelöscht worden sei. Vor diesem Hintergrund sei der zugesprochene Unterlassungstitel ausreichend.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, nachdem es sich um einen Einzelfall handele; eine grundsätzliche Bedeutung sei nicht erkennbar. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

OLG Stuttgart - 4 U 58/23 - LG Heilbronn - 8 O 85/22



LG Lübeck: Einstweilige Verfügung gegen Facebook auf Unterlassung der unwiderruflichen Löschung eines bereits deaktivierten Nutzerkontos bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens

LG Lübeck
Beschluss vom 02.06.2023
15 O 2/23


Das LG Lübeck hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass gegen Facebook
ein Anspruch auf Unterlassung der unwiderruflichen Löschung eines bereits deaktivierten Nutzerkontos bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens bestehen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag war auch begründet.

a. Der Antragstellerin stand der geltend gemachte Verfügungsanspruch zu. Bis zur Erledigung des Antrages konnte sie von der Antragsgegnerin verlangen, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen, das bereits deaktivierte Nutzerkonto der Antragstellerin und die dazu gespeicherten Daten endgültig und unwiderruflich zu löschen.

Der Anspruch folgt dabei aus § 280 Abs. 1 BGB. Hiernach können die Nutzer vorbeugende vertragliche Unterlassungsansprüche gegen Plattformbetreibern wie der Antragsgegnerin geltend machen, wenn die konkrete Gefahr einer erstmaligen Rechtsverletzung in der Zukunft besteht (Erstbegehungsgefahr) und dem Rechtsinhaber nicht zugemutet werden kann, die erste rechtswidrige Beeinträchtigung abzuwarten. Der Nachweis der Erstbegehungsgefahr obliegt dabei vollumfänglich dem Anspruchsteller.

Vorliegend bestand die konkrete Gefahr der vertragswidrigen Löschung des Nutzerkontos der Antragsgegnerin samt aller dazugehöriger Daten. Dass die Gefahr einer Datenlöschung bestand, folgt bereits aus den oben geschilderten Standardabläufen bei der Antragsgegnerin. Auch nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin werden die Daten eines – wie hier – deaktivierten Kontos „nach einer bestimmten Zeit“ (sog. „Schonfrist“) unwiderruflich gelöscht.

Diese Gefahr war vorliegend auch hinreichend unmittelbar und nicht erst in entfernter Zukunft zu besorgen. Denn aus den obigen Ausführungen ergibt sich ebenfalls, dass jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters mit jedem weiteren ablaufenden Tag das Risiko anstieg, dass es unmittelbar zu einem Datenverlust kommen würde. Dies folgt aus dem Umstand, dass sich zwar an die Deaktivierung eine „Schonfrist“ anschloss, jedoch keinerlei nachvollziehbar kommunizierten Regelungen bestanden, wie lange diese Sicherheit vor Datenverlust bieten würde. Jedenfalls aus der Sicht eines objektiven Dritten musste jederzeit damit gerechnet werden, dass die – so auch in keiner Weise kommunizierte – „Schonfrist“ enden und der Prozess der endgültigen Löschung aktiviert würde. Dieser jederzeit mögliche Löschungsprozess bot sodann keinerlei zumutbare Sicherheit mehr vor Datenverlust, da dieser zwar während einer 90-tägigen Frist noch gestoppt werden kann, es allerdings unstreitig auch während dieser 90 Tage möglich ist, dass ein Versuch der Wiederherstellung fehlschlägt und zudem bereits 14 Tage nach Einleitung des Löschvorgangs es in jedem Fall schon nicht mehr möglich ist, sämtliche Kontoinformationen wiederherzustellen.

Dem kann die Antragsgegnerin auch nicht mit durchgreifendem Erfolg entgegensetzen, sie habe gar „nicht beabsichtigt“, das Nutzerkonto der Antragstellerin und die dazugehörigen Daten vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu löschen. Denn jedenfalls bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung, mithin der Reaktivierung des Kontos am 16. Januar 2023 lag keine derartige Erklärung gegenüber der Antragstellerin vor, die geeignet gewesen wäre, die aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten bis zur Erledigung bestehende Erstbegehungsgefahr (vgl. oben) zu widerlegen. Vielmehr hatte die Antragsgegnerin bis zu diesem Zeitpunkt insbesondere auch auf das anwaltliche Schreiben nur durch eine faktisch aussagefreie Standardemail reagiert. Die Erklärung, keine Löschung zu beabsichtigen erfolgte erst im innerprozessualen Schriftsatz vom 26. Januar 2023 nach Eintritt der erledigenden Ereignisses – und damit zu spät.

Soweit andere Gerichte der entsprechenden Aussage der Antragsgegnerin, sie habe nicht vorgehabt, die Daten zu löschen, streitentscheidende Relevanz zubilligten (vgl. etwa OLG Nürnberg, Beschluss vom 7.10.2022 – 3 U 2178/22 -, MMR 2023, 375) überzeugt dies das Gericht nicht. Maßgeblich für die Prüfung der Frage, ob eine konkrete Gefahr des Datenverlustes vorlag, ist die sich aus Sicht eines objektiven Dritten darbietende Gesamtsituation. Diese sprach hier aus den dargelegten Gründen für eine erhebliche Gefahrensituation. Was hingegen die Antragsgegnerin aufgrund nicht vorgetragener, bis zur Erledigung des Verfahrens auch nicht nach außen getretener und rein interner Willensbildungsprozesse „wirklich“ wollte, kann an dieser Sachlage nichts ändern – und ist daher von der Antragstellerin auch nicht zu widerlegen.

Die damit unmittelbar drohende Löschung der Daten wäre auch rechtswidrig gewesen. In der Rechtsprechung ist insoweit mittlerweile anerkannt, dass Facebook ein Nutzerkonto grundsätzlich nur in Ausnahmefällen ohne vorherige Abmahnung kündigen und sodann die Daten löschen darf (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Februar 2022 - 10 U 17/20 -, GRUR-RS 2022, 1154). Eine vorherige Abmahnung ist hier nicht erfolgt und ein Ausnahmefall liegt nicht vor. Weder kann von einer ersichtlichen Zwecklosigkeit einer Abmahnung ausgegangen werden noch liegt in dem oben dargestellten Eintrag eine derart gravierende Vertragsverletzung vor, dass eine sofortige Kündigung zulässig gewesen wäre. Insbesondere liegt auch eine Strafbarkeit des Eintrages nach § 86a StGB nicht derart auf der Hand, dass eine Kündigung ohne Abmahnung angezeigt gewesen sein könnte. § 86a StGB ist nicht einschlägig, wenn ein Hakenkreuz in einem Kontext dargestellt wird, aus dem sich die Gegnerschaft zu der zugrundeliegenden Ideologie ergibt (BeckOK StGB/Ellbogen, 57. Ed. 1.5.2023, StGB § 86a Rn. 32-35). Dies ist vorliegend jedenfalls nicht fernliegend, da sich aus dem Text unter dem verwendeten Foto ergibt, dass die Antragsgegnerin die abgebildete Fahne als für die Abgebildeten gerade diskreditierend wahrnimmt – sich selbst mithin in Gegnerschaft zu diesen stellt.

b. Es lag auch bis zum Zeitpunkt der Erledigung der für den Erlass der Anordnung erforderliche Verfügungsgrund vor.

Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung der Antragstellerin mittels des im Hauptsacheprozess erlangten Urteils einschließlich dessen Vollstreckung vereitelt oder erschwert werden könnte. Dies ist hier der Fall gewesen, da – wie sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt – jederzeit und mit im Zeitverlauf steigendem Risiko mit der unwiderruflichen Löschung der Daten gerechnet werden musste. Ein zeitaufwändiges Hauptsacheverfahren hätte keinesfalls mit der hinreichenden Aussicht auf Bewahrung der Daten vor Löschung betrieben werden können.

Einen Fall der Selbstwiderlegungen vermag das Gericht im Übrigen nicht zu erkennen. Ein solcher liegt nach der einschlägigen Rechtsprechung vor, wenn die Antragstellerin nach Eintritt der Gefährdung mit dem Antrag zuwartet. Wie lange die Antragstellerin dabei ohne Rechtsverlust mit dem Antrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des Einzelfalls ab. Für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wird in der Regel ein Zuwarten von einem Monat noch akzeptiert, während zwei Monate dringlichkeitsschädlich sind. Ähnliche Zeiträume werden bei Ansprüchen nach dem UrhG in der Rechtsprechung angenommen und bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen (vgl. MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 19-21).

Bei der Bemessung des hier angemessenen Zeitraumes, der vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ohne Rechtsverlust verstreichen kann, kommt der Antragstellerseite vorliegend ein Einschätzungsspielraum zu. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerseite zwar einerseits vorgerichtliche Abhilfemöglichkeiten anbietet (vgl. oben), die Nutzerinnen und Nutzer dann jedoch sehr weitgehend im Unklaren lässt, wie, wann und ob überhaupt hierauf reagiert wird. Hinzukommt zudem, dass keine nachvollziehbaren Informationen vorgehalten werden, wie lange die persönlichen Daten nach einer Deaktivierung des Kontos noch vor einer Löschung „sicher“ sind und wann der Löschungsprozess eingeleitet wird. In der Zusammenschau befinden sich die Nutzerinnen und Nutzer daher in der paradoxen und individuell auch nicht auflösbaren Situation, einerseits nicht zu früh – nämlich vor Ausschöpfung der plattformeigenen Abhilfemöglichkeiten - gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen zu sollen, andererseits hierauf keine Reaktion zu erhalten und im Hinblick auf die unklare Dauer der Schonfrist und des Beginn des Löschungsprozesses auch nicht zu wissen, wann die gerichtliche Inanspruchnahme „zu spät“ sein könnte.

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht keinerlei Bedenken hinsichtlich der hier von der Antragstellerin gewählten zeitlichen Ablaufs, der eine angemessene und vernünftige Reaktion auf die aufgezeigte Gemengelage darstellt und daher nicht zu einem Rechtsverlust führen kann. Zwar verstrichen hier zwischen der gefahrbegründenden Deaktivierung des Kontos bis zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ca. 7 Wochen. Dies geschah jedoch nicht durch reine Passivität der Antragstellerin, sondern ist die Folge der sinnvollen und angemessenen Nutzung der plattformeigenen Meldewege, die die Antragstellerin zu nutzen versuchte, wobei Verzögerungen vor allem dadurch eintraten, dass die Antragsgegnerin auf die Anschreiben nicht bzw. nicht angemessen einzelfallbezogen reagierte.

Die Deaktivierung erfolgte hier am 11. November 2021. Hierauf nutzte die Antragstellerin zunächst die plattformeigenen Wege der Beanstandung und wartete vernünftigerweise die Reaktion bis Ende November 2021 ab. Als keine Reaktion erfolgte, wandte sie sich Anfang Dezember an den Prozessbevollmächtigten, der sich – was ebenfalls nicht zu beanstanden ist – zunächst mit Schreiben vom 9. Dezember außergerichtlich an die Antragstellerin wandte und nun seinerseits ca. 3 angemessene Wochen auf substantielle Antwort abwartete – die nicht erfolgte. Im Anschluss stellte die Antragstellerin unverzüglich Antrag auf Erlass der begehrten Maßnahme bei Gericht.

Die Kosten waren im Rahmen des richterlichen Ermessens nach § 91 a ZPO auch nicht aus anderen Gründen den Klägern aufzuerlegen.

Das Gericht legt den Streitwert auf 10.000 EUR fest. Hierbei geht es davon aus, dass der Streitwert in einem Hauptsacheverfahren wegen der Löschung eines Facebook-Kontos und damit einhergehend aller dort enthaltenen Freundschaftsverbindungen, Follower, Posts etc. ein Streitwert von vorliegend 10.000 EUR angemessen erscheint. Hiervon hat das Gericht vorliegend keinen weiteren Abschlag vorgenommen, da Gegenstand des hiesigen Verfahrens zwar nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung war, dessen Anlass jedoch die Befürchtung endgültigen Datenverlustes war, so dass insoweit kein erheblicher Unterschied zwischen Hauptsachestreitwert und Streitwert des einstweiligen Anordnungsverfahrens besteht (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. August 2022 - 4 W 40/22 -, Juris).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Karlsruhe: Facebook ist unabhängig von den Nutzungsbedingungen kraft Gesetzes verpflichtet und berechtigt strafbare Inhalte zu löschen

OLG Karlsruhe
Urteil vom 26.05.2023
10 U 24/22


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass Facebook unabhängig von den Nutzungsbedingungen kraft Gesetzes verpflichtet und berechtigt ist, strafbare Inhalte zu löschen

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Wiederherstellung der Facebook-Beiträge zu, die am 7.8., 26.10. und 27.10.2020 gelöscht wurden und die Bezeichnung des Andreas K. als „Vollcovidiot“ sowie private bzw. intime Fotografien von Hunter Biden enthalten (Klageanträge 7 und – soweit zulässig – 8).

aa) Allerdings besteht zwischen den Parteien ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen sich die Beklagte gemäß ihren Nutzungsbedingungen gegenüber dem Kläger verpflichtet hat, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf.

bb) Zur Begründung von Beitragslöschungen kann sich die Beklagte nicht auf die Regelungen auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 ihrer Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 i. V. m. Teil 1 Nr. 2 ihrer Gemeinschaftsstandards gleichen Datums berufen. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, sind diese gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Auf die diesbezüglichen grundlegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 29.7.2021, III ZR 179/20, ZUM 2021, 953, 957 ff., und III ZR 192/20, ZUM-RD 2021, 612, 618 ff.), denen sich der erkennende Senat bereits zu einem früheren Zeitpunkt angeschlossen hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20), wird zustimmend Bezug genommen.

cc) Ein Recht zur Löschung folgt auch nicht aus einer ergänzenden Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Nutzungsvertrags (vgl. BGH, a. a. O., OLG Karlsruhe, a. a. O.). Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Nach § 306 Abs. 2 BGB tritt an die Stelle der unwirksamen Klauseln das dispositive Gesetzesrecht. Bei strafbaren Inhalten war die Beklagte auch unter Geltung ihrer Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 zur Entfernung von Beiträgen und zur (vorübergehenden) Sperrung des Nutzerkontos berechtigt und verpflichtet (siehe sogleich). Auch im Übrigen stand die Beklagte etwaigen Vertragsverstößen der Nutzer nicht wehrlos gegenüber, da in diesem Fall die gesetzlich geregelten Möglichkeiten der Reaktion bei einer Pflichtverletzung des anderen Teils eingreifen (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20; OLG Karlsruhe Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20).

dd) Die Beklagte war aber kraft Gesetzes wegen des strafbaren Inhalts der betreffenden Beiträge zur Löschung berechtigt. Gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG war und ist die Beklagte unabhängig von dem Inhalt ihrer Nutzungsbedingungen gehalten, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte in ihrem sozialen Netzwerk zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird (BGH, Urteil vom 29.7.2021, III ZR 179/20, BGH, NJW 2021, 3179, 3188). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die von dem Beklagten abgesetzten Posts, die die Beklagte am 7.8.2020, am 26.10.2020 und am 27.10.2020 gelöscht hat und die die Bezeichnung des Andreas K. als „Vollcovidiot“ bzw. private und intime Fotografien von Hunter Biden enthielten, waren strafbaren Inhalts.

(1) Der Post „Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?“ enthält eine gemäß § 185 StGB strafbewerte Beleidigung. Diese Äußerung ist als Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung des Klägers gegenüber Andreas K. zu qualifizieren (vgl. zum strafrechtlichen Begriff der Beleidigung nur BGH, Urteil vom 29.5.1951, 2 StR 153/51, BGHSt 1, 288, 289), ohne dass die Äußerung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers vorgenommen wurde (vgl. § 193 StGB).

(a) Um zu dieser Beurteilung zu gelangen, war zunächst zu ermitteln, in welcher Hinsicht die Äußerung ihrem objektiven Sinn nach das Persönlichkeitsrecht des Andreas K. beeinträchtigt. Maßgeblich für die Deutung ist dabei weder die subjektive Absicht des Klägers noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums haben. Fernliegende Deutungen sind dabei ausgeschlossen (zum Vorstehenden BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005, 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207, 208; BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995, 1 BvR 1476/91 u.a., NJW 1995, 3303, 3305). Diese Sinnermittlung fällt vorliegend eindeutig aus. Durch die Verwendung des Schimpfwortes „Idiot“ hat der Kläger seine Missachtung des Andreas K. als ein vernünftiges Wesen durch den Vorwurf elementarer menschlicher Unzulänglichkeiten klar zur Geltung gebracht (vgl. Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 185 Rn. 2). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass das Wort „Idiot“ nicht als solches verwendet, sondern im Rahmen eines Wortspiels mittels des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ benutzt wurde; der Stamm des Schimpfwortes blieb dadurch erhalten, es war auch weiterhin sofort als solches zu identifizieren. Umgekehrt wurde der abwertende Charakter der Bezeichnung durch die Vorsilbe „Voll-“, die aus der Bezeichnung als „Vollidiot“ bekannt ist, inhaltlich ausgeweitet und der Teil „Idiot“ des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ dadurch noch verstärkt. Eine abweichende Deutung des Begriffs als bloßes Wortspiel, das gerade wegen seines spielerischen Charakters den die Person des Andreas K. abwertenden Kern verlieren könnte, scheidet bei dieser Sachlage aus. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerung. Mit der Formulierung „Landet jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufzuregen?“ hat der Kläger die Abwertung der Person des Andreas K., der „Mist“ äußere und dadurch Grund zur Aufregung gebe, noch weiter verstärkt. Auch durch die Formulierung „Andreas WER?“ hat er zum Ausdruck gebracht, dass seine Äußerungen in der Gesamtschau gerade auf eine Zurücksetzung der Person des Andreas K. gerichtet gewesen sind.

(b) Allerdings ist der Begriff „Covidiot“ – auch im vorgenannten Äußerungskontext – nicht bereits deshalb als ohne weitere Abwägung strafbare Beleidigung anzusehen, weil es sich bei ihr um eine Schmähung oder Schmähkritik, eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde handeln würde. Dieser Ausnahmefall ist nur gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Konstellationen, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, 1 BvR 2979/10, NJW 2012, 3712, 3713). Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Die Bezeichnung als „Covidiot“ und auch der Verweis auf den „Mist“, den Andreas K. verbreitet habe, stellt einen Sachbezug zu dem vorangegangenen Beitrag des Andreas K. auf „Facebook“ her. Die Formulierung des Klägers beschränkte sich also nicht auf die Abwertung der Person des Andreas K., sondern bezog sich auch auf den Inhalt dessen eigener Äußerungen zum Erfordernis von infektionsschützenden Maßnahmen in der Corona-Pandemie (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8.2.2017, 1 BvR 2973/14, NJW 2017, 1460, 1461, zur Bezeichnung der Teilnehmer an einer Demonstration als „rechtsextreme Idioten“).

(c) Bei dieser Sachlage besteht bei der Beurteilung, ob eine strafrechtlich relevante Beleidigung vorliegt, weder ein genereller Vorrang für die Meinungsfreiheit des Klägers noch für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Andreas K. Geboten ist vielmehr eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte im Wege einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen gehören insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 682; BVerfG, Beschluss vom 19.5.2020, 1 BvR 2397/19, NJW 2020, 2622, 2625).

Diese Abwägung ergibt vorliegend den Vorrang des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Andreas K. und führt daher zur Annahme einer strafbaren, insbesondere auch nicht gemäß § 193 StGB gerechtfertigten Beleidigung.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, spricht für den Kläger, dass er an eine inhaltliche Äußerung des Andreas K. angeknüpft und diese (als „Mist“ bezeichnet) ebenfalls zum Gegenstand seines Facebook-Beitrags gemacht hat. Er mag die Äußerung auch subjektiv nicht in erster Linie als persönlichen Angriff gegen Andreas K. verstanden, sondern nur gegen dessen inhaltliche Äußerung gerichtet haben wollen. Zudem erfolgte die Äußerung in dem Kontext einer durch Debatten über das Erfordernis von infektionsschützenden Maßnahmen in der gesellschaftlichen Extremsituation einer Pandemie bereits aufgeheizten öffentlichen Stimmung, was – allgemeinkundig – derbe und pointierte Äußerungen von allen Seiten des Meinungsspektrums einschloss. Schließlich mag der Kläger auch durch das Wortspiel „Covidiot“ dazu verleitet worden sein, diesen Begriff zu verwenden.

Diese Gesichtspunkte tragen aber nicht darüber hinweg, dass es sich bei dem Wortstamm „Idiot“ um ein derbes Schimpfwort handelt, das die Ehre des Betroffenen in erheblicher Weise tangiert (zum objektiven Sinn siehe bereits oben). Der Begriff wurde – in für das Wortspiel keinesfalls erforderlicher Weise – noch gesteigert, indem die Vorsilbe „Voll-“ vorangestellt wurde, die aus dem Schimpfwort „Vollidiot“ bekannt ist und den ehrenrührigen Teil des zusammengesetzten Wortes „Covidiot“ in besonderer Weise betont. Die Äußerung erfolgte zudem in Bezug auf eine einzelne Person und nicht eine Personengruppe, was der individuellen Abwertung der Person des Andreas K. ein besonderes Gewicht verleiht. Sie geschah in einer Facebook-Gruppe, also gegenüber mehreren Adressaten, und erhielt auch dadurch eine größere Tragweite. Schließlich gab der Kläger dem – wie ausgeführt – im Ausgangspunkt (auch) vorhandenen Sachbezug seiner Äußerung keinen diskursiven Raum, indem er den vorangegangenen Beitrag des Andreas K. – ebenfalls derb und abwertend – als „Mist“ qualifizierte, es also an jedem von Argumenten getragenen sachlichen Diskurs von vornherein vermissen ließ. Umgekehrt hatte Andreas K. mit dem Inhalt seines Posts, der in nachdenklichem und zurückhaltenden Duktus gehalten und frei von Schärfe oder gar Schimpfworten ist, keinerlei Anlass zu einer derben Reaktion gegeben. Der Kläger hätte auch vor diesem Hintergrund seine Meinung bei „Facebook“ vertreten und auch pointiert äußern können, ohne dass irgendein Grund dafür bestand, hierfür – wie geschehen – auf ein auch noch gesteigertes Schimpfwort – und sei es auch im Rahmen eines Wortspiels – zurückzugreifen. In der Gesamtschau überwiegen die für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Andreas K. sprechenden Gesichtspunkte daher in erheblicher Weise.

(d) Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass die Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Bezeichnung von Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen als „Covidioten“ durch die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Saskia Esken nicht als strafrechtlich relevante Beleidigung eingestuft hat. Dieser Umstand ändert aber nichts an der Einschätzung des Senats betreffend den vorliegenden Fall. Das Landgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Äußerung selbst, aber insbesondere auch ihr Kontext von der vorliegend zu entscheidenden Konstellation mehrfach und maßgeblich abweichen, ohnehin aber keine Bindungswirkung der in dem genannten Strafverfahren getroffenen Entscheidung für den vorliegenden Rechtsstreit besteht.

(2) Auch die Beiträge des Klägers, die private und intime Fotografien des Hunter Biden enthalten bzw. verlinkt haben, sind strafbaren Inhalts. Sie verstoßen gegen die Strafvorschrift des § 33 KunstUrhG i. V. m. §§ 22, 23 KunstUrhG.

(a) Nach § 22 Satz 1 KunstUrhG dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Dagegen hat der Kläger verstoßen, als er Fotografien von Hunter Biden postete bzw. verlinkte, ohne dass dieser – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – damit einverstanden war.

(b) Soweit sich der Kläger auf die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG berufen hat, wonach Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen, dringt er damit nicht durch.

Die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung richtet sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KunstUrhG (grundlegend BGH, Urteil vom 6.3.2007, VI ZR 51/06, NJW 2007, 1977, 1978 f.; BGH, Urteil vom 6.3.2007, VI ZR 13/06, NJW 2007, 1981, 1982). Die danach im Rahmen der Prüfung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG erforderliche Beurteilung, ob es um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte geht, erfordert eine umfassende Abwägung zwischen den Rechten der abgebildeten Person aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der das Bild verbreitenden Person aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. BGH, Urteil vom 8.11.2022, VI ZR 57/21, GRUR 2023, 196, 198). Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ist insoweit, wenn das Bildnis nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, der Informationswert der Veröffentlichung auch im Kontext der begleitenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der abgebildeten Person sind ergänzend die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist oder in welcher Situation die betroffene Person erfasst bzw. dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt umso schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogener Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den gegebenen Umständen typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, in der konkreten Situation nicht in den Medien abgebildet zu werden (vgl. Herrmann, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 39. Edition 2023, § 23 KunstUrhG Rn. 14).

Der Kläger führt insoweit – bereits wenig substantiiert – aus, die Vorgänge rund um das „Laptop from Hell“ von Hunter Biden „rund um die systematische Unterdrückung dieser Informationen vor den letzten Präsidentschaftswahlen“ hätten zu mehrjähriger internationaler Presseberichterstattung und mehreren Buchveröffentlichungen, die sich ausschließlich mit diesem Vorgang beschäftigt hätten, geführt; es handele sich „geradezu um ein Paradebeispiel des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG“. Offenbar nimmt der Kläger damit auf – aufgrund Medienberichterstattung allgemeinkundige – Vorgänge in den Vereinigten Staaten von Amerika Bezug. Danach seien vor den US-Präsidentschaftswahlen im November 2020 auf einem Hunter Biden, dem Sohn des amerikanischen Präsidenten Jon Biden, zugerechneten Laptop E-Mails und Bankunterlagen aufgefunden worden, die Hinweise auf umfangreiche geschäftliche Beziehungen des Hunter Biden mit ukrainischen und chinesischen Geschäftspartnern ergeben hätten, bei denen er möglicherweise von der politischen Stellung seines Vaters profitiert habe. Außerdem habe das Laptop kompromittierende Bilder und Videos des Hunter Biden enthalten (vgl. zum Ganzen nur Neue Zürcher Zeitung, https://www.nzz.ch/feuilleton/laptop-saga-hunter-biden-bringt-seinen-vater-in-bedraengnis-ld.1685440). Der Senat versteht den klägerischen Vortrag vor diesem Hintergrund dahingehend, er wolle die Veröffentlichung der privaten und intimen Fotografien des Hunter Biden mit einem berechtigten öffentlichen Interesse an dem Inhalt dessen Laptops rechtfertigen.

Dieser Sichtweise tritt der Senat jedoch nicht bei. Zwar ist dem Kläger zuzubilligen, dass an der Person des Hunter Biden im Zusammenhang mit der „Laptop-Affäre“ ein grundsätzliches Informationsinteresse bestand. Denn er ist im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Veröffentlichung eines Lichtbildes des Hunter Biden mit nacktem Oberkörper in einer Badewanne sowie anderer, intimer Lichtbilder, die keinerlei Bezug zu geschäftlichen Beziehungen in die Ukraine sowie nach China aufweisen, auf welche sich das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Ausgangspunkt bezieht. Diese Lichtbilder sind in einem rein privaten Umfeld entstanden und zeigen Lebenssituationen, die üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogen sind und von denen die abgebildete Person daher ersichtlich davon ausgehen durfte, sie werde in dieser konkreten Situation nicht öffentlich abgebildet. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Hunter Biden ist daher erheblich höher zu bewerten als die Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers, zumal es diesem unbenommen bleibt, sich über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle des Hunter Biden auch weiterhin zu äußern, und der ausschließlich darauf verzichten muss, solche Äußerungen mit Lichtbildern aus der Intim- oder Privatsphäre zu illustrieren.

(c) Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass auch § 23 Abs. 2 KunstUrhG einer Verbreitung der fraglichen Lichtbilder von Hunter Biden durch den Kläger entgegengestanden hätte. Danach dürfen solche zeitgeschichtlich relevanten Bildnisse von Personen der Zeitgeschichte nicht verbreitet oder zur Schau gestellt werden, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Die Veröffentlichung von Fotografien aus der Intimsphäre des Betroffenen ist vor diesem Hintergrund stets unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 10.1.1985, VI ZR 28/83, NJW 1985, 1617; OLG Frankfurt, Urteil vom 21.9.1999, 11 U 28/99, NJW 2000, 594, 595). Soweit lediglich Fotos aus der Privatsphäre betroffen wären, führte die auch im Rahmen des § 23 Abs. 2 KunstUrhG erforderliche Abwägung im Übrigen zu demselben Ergebnis, das vorstehend zu § 23 Abs. 1 KunstUrhG gefunden wurde (vgl. Herrmann, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 39. Edition 2023, § 23 KunstUrhG Rn. 29).

(3) Demnach war die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Klageantrags Ziffer 7 zurückzuweisen. Die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Wiederherstellung der Hunter Biden betreffenden Beiträge hatte dagegen Erfolg.

e) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Datenberichtigung zu (Klageantrag Ziffer 1).

(1) Dem Kläger steht der mit dem insoweit gestellten Hauptantrag geltend gemachte umfassende Anspruch gegen die Beklagte nicht zu, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, vollständig zurückgesetzt wird.

(a) Soweit der Kläger die Beseitigung von Lösch- und Sperrvermerken aus seinem Nutzerdatensatz bei der Beklagten begehrt, kann er dies nicht mit der Begründung erreichen, die Beklagte speichere insoweit unzutreffende Daten. Denn die Beitragslöschungen und Accountsperrungen haben tatsächlich – unstreitig – stattgefunden (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19). Ein Anspruch auf Datenberichtigung mit der Begründung, die gespeicherten Daten seien unrichtig, besteht damit weder auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB noch gemäß Art. 16 DSGVO.

(b) Ein Anspruch auf umfassende Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke besteht auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Diese Vorschrift gibt ein „Recht auf Vergessenwerden“, also auf Löschung personenbezogener Daten insbesondere dann, wenn sie unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 d) DSGVO), wofür nach den obigen Ausführungen keine Anhaltspunkte vorhanden sind, oder wenn sie für die Zwecke, für die sie verarbeitet wurden, nicht mehr erforderlich sind (Art. 17 Abs. 1 a) DSGVO). Der Kläger beruft sich insoweit darauf, dass die Lösch- und Speichervermerke bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten keine Relevanz mehr besäßen. Die Beklagte wendet ein, sie halte die entsprechenden Daten zur Abwehr von Rechtsansprüchen und damit gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. e) DSGVO berechtigt vor. Dieser Einwand greift jedenfalls im vorliegenden Fall ersichtlich durch, nachdem der Kläger die Beklagte wegen angeblicher unberechtigter Sperrungen und Beitragslöschungen in Anspruch nimmt und es der Beklagten jedenfalls während des noch laufenden Verfahrens unbenommen sein muss, Informationen darüber vorzuhalten, die ihr eine sachgerechte Rechtsverteidigung erlauben. Dazu gehört es, dass es ihr möglich sein muss, den klägerischen Vortrag zu stattgefundenen Beitragslöschungen und Sperrungen anhand eigener Aufzeichnungen verifizieren oder falsifizieren zu können. Soweit die Beklagte bemerkt, der Kläger könne „nicht einfach eine Klage wegen Vertragsverletzung einreichen und gleichzeitig von der Beklagten verlangen, ihre Aufzeichnungen darüber zu löschen, ob solche Verstöße stattgefunden haben“, tritt der Senat dieser Einschätzung vollumfänglich bei.

(c) Soweit der Kläger außerdem eine Rückstellung des Zählers verlangt, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, hat die Beklagte vorgetragen, nach einem Jahr aus ihrer Sicht erfolgte Verstöße ohnehin nicht mehr zu zählen, und damit der Sache nach Erfüllung eingewandt. Der Kläger hat diese Einwendung nicht bestritten. Dass im – aktuell – zurückliegenden Jahr von der Beklagten als solche gezählte Verstöße vorgekommen wären, hat der Kläger nicht behauptet, so dass der von ihm insoweit geltend gemachte Anspruch – jedenfalls – nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen wäre (siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20). Ob und in welchem Umfang der Anspruch zuvor bestanden hat (hierzu OLG Rostock, Urteil vom 29.9.2021, 2 U 4/20, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

(2) Soweit der Kläger hilfsweise die Verurteilung der Beklagten beantragt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den

a. am 7.8.2020 gelöschten Beitrag,

b. am 26.10.2020 gelöschten Beiträge,

c. am 27.10.2020 gelöschten Beiträge,

d. Beitrag, der der am 15.2.2020 verhängten Sperre zugrunde liegt,

e. Beitrag, der der am 6.5.2020 verhängten Sperre zugrunde liegt,

aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um alle an diesen Tagen erfassten Verstöße zurückgesetzt wird, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Der Kläger macht damit der Sache nach geltend, die Beklagte vermerke in ihrem System, dass er der Löschung unterliegende Beiträge gepostet habe, die tatsächlich aber gar nicht hätten gelöscht werden dürfen.

Ein solcher Anspruch besteht aber nicht, nachdem zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagte – von ihr gesehene – unzulässige Inhalte nach Ablauf eines Jahres nicht mehr als Grundlage etwaiger Sanktionen bei ggf. neuerlichen Vertragsverstößen eines Nutzers heranzieht. Ein etwaiger Anspruch auf Rücksetzung des Zählers, der die Zahl der Verstöße erfasst, ist daher auch insoweit jedenfalls wegen Erfüllung erloschen (siehe oben (1)). Soweit in der Datenbank der Beklagten darüber hinaus noch Informationen über von ihr gesehene Verstöße als Teil des Chatverlaufs enthalten sind, besteht kein Berichtigungsanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Eine vertragliche Pflichtverletzung durch die Beklagte ist insoweit jedenfalls dann nicht ersichtlich, wenn die betreffenden Beiträge des Nutzers keine Grundlage mehr für weitere Sanktionen der Beklagten bei etwaigen zukünftigen Vertragsverstößen sein können, weil sie ohnehin von der Beklagten nicht mehr als zurückliegende Vertragsverstöße gezählt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19, GRUR-RS 2020, 41910; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, MMR 2021, 79). Es liegen insoweit auch keine unrichtigen Daten im Sinne von Art. 16 DSGVO vor, wenn und weil die Accountsperrungen und Beitragslöschungen – unabhängig von ihrer Berechtigung – tatsächlich stattgefunden haben und es sich bei der in ihrem System ebenfalls hinterlegten Auffassung der Beklagten, Löschung und Sperrung seien rechtmäßig gewesen, um ein nicht dem Anspruch aus Art. 16 DSGVO unterfallendes Werturteil handelt (OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19). Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in einer vergleichbaren Konstellation einen Anspruch aus Art. 16 DSGVO angenommen hat, weil es irreführende, unklare oder missverständliche Daten gesehen hat, die nach der Zweckbestimmung ihrer Verarbeitung die betroffene Person „in ein falsches Licht“ rücken und somit ihre Rechtsstellung beeinträchtigen könnten (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810), tritt der Senat dem jedenfalls im vorliegend zu entscheidenden Fall nicht bei. Es liegen weder Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte irreführende, unklare, oder missverständliche personenbezogene Daten des Klägers gespeichert hätte, noch rechtfertigen die getroffenen Feststellungen die Annahme, von der Beklagten gespeicherte Daten hätten die Zweckbestimmung, den Kläger „in ein falsches Licht zu rücken“.

Soweit sich der Kläger auf Art. 17 DSGVO beruft, wird auf die obigen Ausführungen unter (1) (b) verwiesen.

(3) Damit hatte die Berufung der Beklagten in diesem Punkt Erfolg, soweit sie erstinstanzlich zur Datenberichtigung verurteilt worden ist. Soweit der Kläger eine weitergehende Verurteilung der Beklagten zur Datenberichtigung erstrebt hat, war seine Berufung zurückzuweisen.

f) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, steht dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte zu, eine erneute Löschung des Beitrags „Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?“ sowie eine Sperrung des Accounts des Klägers bei erneuter Einstellung des Beitrags zu unterlassen (Klageantrag Nr. 9).

Wie oben ausgeführt, ist der fragliche Beitrag strafrechtlich relevant. Die Beklagte wäre daher bei einer Wiederholung des Beitrags gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG erneut zur Löschung berechtigt (und verpflichtet).

Das Landgericht hat außerdem zu Recht darauf hingewiesen, dass der von dem Kläger geltend gemachte pauschale Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung wegen eines – wie ausgeführt – strafbaren und damit kraft Gesetzes unzulässigen Inhalts nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022, 10 U 17/20, GRUR-RS 2022, 1154). Daher kann auch keine entsprechende pauschale Unterlassungsverpflichtung der Beklagten ausgesprochen werden (vgl. KG, Beschluss vom 20.2.2023, 10 W 85/22, GRUR-RS 2023, 2693; OLG München, Urteil vom 12.4.2022, 18 U 6473/20, GRUR-RS 2022, 11666).

Die Berufung des Klägers konnte vor diesem Hintergrund insoweit keinen Erfolg haben.

g) Das Landgericht hat die Klage ebenfalls zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Unterlassung einer erneuten Accountsperrung ohne vorherige Gelegenheit zur Gegenäußerung gerichtet ist (Klageantrag Nr. 11). Ein derartiger allgemeiner Unterlassungsanspruch steht dem Kläger aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Nutzervertrag – und auch sonst – nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist vor Durchführung einer Kontosperre lediglich im Regelfall geboten, dass der Nutzer von der Beklagten dazu angehört wird; in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen ist dies dagegen nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 29.7.2021, III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, 3181, 3189). Ein Unterlassungsanspruch in dem von dem Kläger begehrten umfassenden Umfang besteht vor diesem Hintergrund nicht, denn dies würde voraussetzen, dass ausnahmslos in jedem Fall vor jeder Sperre eine Anhörung unerlässlich wäre (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; KG, Beschluss vom 20.2.2023, 10 W 85/22, GRUR-RS 2023, 2693; OLG München, Urteil vom 12.4.2022, 18 U 6473/20, GRUR-RS 2022, 11666).

Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, dass die Beklagte in ihren aktuellen Nutzungsbedingungen vom 26.7.2022 unter Nummer 3.2 ohnehin vorsieht, dass Einschränkungen bestimmter Funktionen von Facebook-Konten grundsätzlich nur erfolgen, nachdem der betroffene Nutzer darüber informiert worden ist und eine Gelegenheit zur Gegenäußerung erhalten hat. Auch die Frage, ob die Nutzungsbedingungen vom 26.7.2022 zwischen den Parteien wirksam vereinbart wurden, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

Die Berufung des Klägers hatte mithin auch in diesem Punkt keinen Erfolg.

h) Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Auskunft über die Beteiligung beauftragter Unternehmen bei den erfolgten Accountsperren und Beitragslöschungen zu (Klageantrag Ziffer 13).

(1) Soweit sich der Kläger zur Begründung dieses Anspruchs erstinstanzlich allein auf § 242 BGB als Anspruchsgrundlage berufen hat, schließt sich der Senat der hierzu bereits vorliegenden – soweit ersichtlich einheitlichen – Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte an (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; OLG München, Urteil vom 20.9.2022, 18 U 6314/20, GRUR 2023, 96, 100; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2020, 4 U 784/20, NJW-RR 2020, 1370, 1372; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.6.2022, 16 U 229/20, MMR 2023, 212, 218 f.) an. Der Kläger hat auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm Ansprüche gegen etwaige von der Beklagten beauftragte Dritte zustehen könnten, zu deren Geltendmachung er der begehrten Auskunft bedarf.

(2) Soweit sich der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals auf Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO als Anspruchsgrundlage beruft, ist diese Vorschrift bereits nicht dazu geeignet, den von ihm formulierten Anspruch auf Auskunftserteilung, „ob die Sperren […] sowie die Beitragslöschungen […] durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten und in letzterem Fall, durch welches“, zu begründen. Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO gibt einen Anspruch, im Falle der Verarbeitung personenbezogener Daten über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, informiert zu werden. Diese Anspruchsgrundlage bezieht sich damit auf die Kenntnis von der Verbreitung der eigenen personenbezogenen Daten. Einen solchen Anspruch macht der Kläger aber ausweislich der Formulierung seines Antrags gerade nicht geltend, sondern er möchte vielmehr über die logistische Beteiligung anderer Unternehmen an Accountsperrungen sowie Beitragslöschungen der Beklagten informiert sein. Er macht damit einen inhaltlich vom Gehalt des Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO abweichenden Anspruch geltend.

Aber auch unabhängig davon könnte der Kläger mit einem Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO im Ergebnis nicht durchdringen.

Zwar gibt ihm diese Vorschrift grundsätzlich einen Anspruch, von der Beklagten im Falle der Verarbeitung ihn betreffende personenbezogene Daten über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegen über denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, informiert zu werden. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (trotz ihres missverständlichen Wortlauts) grundsätzlich ein Anspruch auf Mitteilung der Identität der konkreten Empfänger und nicht nur der Kategorien von Empfängern, es sei denn, dass die Informationserteilung über konkrete Empfänger nicht möglich oder der Auskunftsantrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist (EuGH, Urteil vom 12.1.2023, C-154/21, NVwZ 2023, 319, 321).

Einer solchen Auskunftserteilung steht vorliegend aber jedenfalls Art. 15 Abs.4 DSGVO entgegen, wonach das Recht auf Auskunft „die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen“ darf. Die Beklagte hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass die Offenlegung der Identität ihrer Diensteanbieter die Sicherheit der jeweiligen Diensteanbieter und damit auch diejenige der Nutzer gefährde. Sie mache die betreffenden Diensteanbieter anfällig für Cyberangriffe und könne die Diensteanbieter dem Risiko von Vergeltungsmaßnahmen durch Nutzers aussetzen, die von etwaigen Maßnahmen betroffen und damit nicht einverstanden seien. Weiterhin könne ein möglicher Schädiger anhand der Informationen über die Identität der Diensteanbieter zusammen mit Einzelheiten zu den spezifischen Aufgaben oder der Art, der ihnen von der Beklagten zugewiesenen Aufgaben nachvollziehen, wie die Beklagte ihre Überprüfungsprozesse durchführt. Dies könne es solchen Personen ermöglichen, Durchsetzungsmaßnahmen der Beklagten zu umgehen. Schließlich würde eine Offenlegung der Identität und Aufgaben der Diensteanbieter die Beklagte zur von Geschäftsgeheimnissen zwingen und ihr so schaden. Auf der Grundlage der damit anhand dieser unstreitigen Tatsachen vorzunehmenden umfassenden Abwägung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten (vgl. Schmidt-Wudy, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 43. Edition 2023, Art. 15 DS-GVO Rn. 96) kann der Kläger keine Auskunftserteilung verlangen, weil die von der Beklagten angeführten (und unstreitigen) Belange das Informationsinteresse des Klägers an der konkreten Person des Empfängers seiner Daten überwiegen, zumal dieser – wie oben ausgeführt – diese Information zur Durchsetzung etwaiger sonstiger Rechte nicht benötigt.

Auf die Frage, ob der Kläger mit seinem Vorbringen zu Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO in der Berufungsinstanz nicht ohnehin gemäß § 531 Abs. 2 ZPO auszuschließen wäre, kommt es daher nicht an.

(3) Die Berufung des Klägers hatte daher auch in diesem Punkt keinen Erfolg.

i) Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger Auskunft über etwaige Einflussnahmen der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen begehrt hat (Klageantrag Ziffer 14). Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht auf der Grundlage von § 242 BGB. Die durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ausgelösten Handlungsaufforderungen für Betreiber sozialer Netzwerke lassen sich dem Gesetzestext entnehmen; einer Information darüber seitens der Beklagten bedarf es für den Kläger daher nicht. Für eine weitergehende Einflussnahme von Bundesbehörden im konkreten Einzelfall trägt der Kläger keine belastbaren Tatsachen vor. Eine Auskunftspflicht über bloße, bei objektiver Betrachtung fernliegende Mutmaßungen kann eine Vertragspartei gegenüber der anderen jedoch auch und gerade unter Berücksichtigung der Maßstäbe von Treu und Glauben nicht geltend machen (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2022, 14 U 270/20, GRUR-RS 2022, 11300; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 96/19; OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2020, 4 U 784/20, NJW-RR 2020, 1370, 1372; OLG München, Urteil vom 20.9.2022, 18 U 6314/20, GRUR 2023, 96, 100; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19, GRUR-RS 2022, 1200; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.6.2022, 16 U 229/20, MMR 2023, 212, 219). Die Berufung des Klägers war daher insoweit zurückzuweisen.

j) Das Landgericht hat die Klage ebenfalls zu Recht abgewiesen, soweit der Kläger materiellen und immateriellen Schadensersatz begehrt (Klageantrag Ziffer 15). Soweit der Kläger zur Begründung auf die Löschung seiner Beiträge Bezug nimmt, fehlt es nach obigen Ausführungen bereits an einer Pflichtverletzung. Soweit er sich auf die vorübergehenden Nutzungseinschränkungen seines Kontos bezieht, fehlt es jedenfalls am schlüssigen Vortrag eines ersatzfähigen Schadens.

Ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden wegen einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, eine schwerwiegende, nicht anders ausgleichbare Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus (vgl. nur BGH, Urteil vom 15.11.1994, VI ZR 56/94, NJW 1995, 861, 864; BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029, 2033). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die vorübergehende Deaktivierung von Funktionen eines Facebook-Accounts stellt – wenn überhaupt – jedenfalls keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar (siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, GRUR-RS 2020, 2103; OLG München, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20, GRUR-RS 2021, 53369; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19; OLG Dresden, Beschluss vom 11.6.2019, 4 U 760/19, ZD 2019, 567, 568).

Einen ersatzfähigen materiellen Schaden, etwa wegen einer unberechtigten Nutzung der von dem Kläger generierten Daten durch die Beklagte, hat der Kläger bereits nicht schlüssig vorgetragen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.7.2020, 15 U 120/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2022, 19 U 89/20; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.2021, 4 U 484/20, GRUR-RS 2021, 57810; OLG München, Urteil vom 7.1.2020, 18 U 1491/19, GRUR-RS 2020, 2103; OLG München, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20, GRUR-RS 2021, 53369; OLG Celle, Urteil vom 20.1.2022, 13 U 84/19).

Für einen Anspruch aus Art. 82 DSGVO fehlt es bereits – wie oben ausgeführt – an einer datenschutzrechtlichen Pflichtverletzung der Klägerin.

Auch in diesem Punkt hatte die Berufung des Klägers daher keinen Erfolg.

k) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB (Klageantrag Ziffer 16). Die mit den Anwaltsschreiben vom 29.10.2020 und 18.6.2021 geltend gemachten Ansprüche standen dem Kläger zur fraglichen Zeit nach den vorangegangenen Ausführungen sämtlich nicht zu. Dies gilt auch, soweit mit dem Schreiben vom 29.10.2020 die Aufhebung der Nutzungsbeschränkung vom 7.8.2020 begehrt worden ist, da diese bereits nach drei Tagen beendet worden war, zur Zeit des anwaltlichen Tätigwerdens also nicht fortdauerte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie

BMJ: Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt - Accountsperren, erweiterte Auskunftsansprüche und Erleichterung von Zustellungen

Das BMJ hat Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt veröffentlicht.

Die Pressemitteilung des BMJ:
Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt
Immer wieder werden Menschen im Netz massiv beleidigt und verleumdet oder im schlimmsten Fall wird dort ihr Leben bedroht. Für viele Betroffene ist es wichtig, dass solche Inhalte schnell gelöscht und die weitere Verbreitung verhindert werden. Derzeit haben Betroffene aber oft nur unzureichende Möglichkeiten, ihre Rechte selbst durchzusetzen. Häufig scheitert die Durchsetzung ihrer Rechte bereits daran, dass es nicht gelingt, zügig und mit vertretbarem Aufwand Auskunft über die Identität des Verfassers bzw. der Verfasserin rechtswidriger Inhalte zu erlangen. Auch fehlt es an einem effektiven Instrument, um gegen den ständigen Missbrauch eines Nutzerkontos für Angriffe gegen eine andere Person vorzugehen.

Um künftig die private Rechtsdurchsetzung zu stärken, plant das Bundesministerium der Justiz (BMJ) ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorzulegen. Zur Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs hat das BMJ ein Eckpunktepapier erstellt, das folgende drei wesentlichen Zielrichtungen enthält:

1. Stärkung privater Auskunftsverfahren
Durch das Gesetz soll das private Auskunftsverfahren so ausgestaltet werden, dass Betroffene von digitaler Gewalt bei einer offensichtlichen Rechtsverletzung, wie etwa Formalbeleidigungen - das heißt beispielsweise besonders herabwürdigende Ausdrücke - oder Morddrohungen, innerhalb weniger Tage herausfinden können, wer diese Inhalte verfasst hat. In allen anderen Fällen soll binnen weniger Tage nach Einleitung des Auskunftsverfahrens vom Gericht zumindest eine Datenspeicherung angeordnet werden können. Ziel der Speicherung ist es u.a., dass die gesicherten Daten in einem anschließenden Gerichtsverfahren als Beweismittel genutzt werden können.

2. Anspruch auf eine richterlich angeordnete Accountsperre
Mit einem Anspruch auf richterlich angeordnete Accountsperren soll der Rechtsschutz gegen hartnäckige Täterinnen und Täter im Netz verbessert werden. Betroffene sollen sich auf diese Weise wirksam dagegen zu Wehr setzen können, dass sie immer wieder von demselben Nutzer bzw. derselben Nutzerin eines sozialen Netzwerks verunglimpft, diffamiert oder bedroht werden.

3. Erleichterung der Zustellung
Soziale Netzwerke sind verpflichtet, einen Ansprechpartner in Deutschland (sogenannter inländischer Zustellungsbevollmächtigter) zu benennen, an den Schreiben förmlich zugestellt werden können. Diese Verpflichtung besteht für soziale Netzwerke bislang für behördliche und gerichtliche Verfahren, um Verfahren schnellstmöglich gegen das soziale Netzwerk einleiten zu können. Diese Regelung soll durch das Gesetz gegen digitale Gewalt auch auf vorgerichtliche Schreiben (also beispielsweise anwaltliche Schreiben) ausgeweitet werden. Die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten ermöglicht den Nachweis, dass das soziale Netzwerk über einen beleidigenden oder bedrohenden Inhalt in Kenntnis gesetzt wurde und deshalb haftet, wenn es einen rechtswidrigen Inhalt nicht löscht.


OLG Frankfurt: Kein Anspruch auf Freischaltung eines aus Sicherheitsgründen gesperrten privaten Facebook-Kontos im Eilverfahren

OLG Frankfurt:
Beschluss vom 27.03.2023
17 W 8/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Anspruch auf Freischaltung eines aus Sicherheitsgründen gesperrten privaten Facebook-Kontos im Eilverfahren besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Facebook - Kein Anspruch auf Kontofreischaltung

Wurde ein privat genutztes Facebook-Konto aus Sicherheitsgründen gesperrt, hat der Nutzer im Eilverfahren keinen Anspruch auf Freischaltung.

Wurde ein privat genutztes Facebook-Konto aus Sicherheitsgründen gesperrt, hat der Nutzer im Eilverfahren keinen Anspruch auf Freischaltung, wenn Facebook bereits die unwiederbringliche Kontolöschung untersagt wurde. Dass der Nutzer vorübergehend bis zum Abschluss eines etwaigen Hauptverfahrens seine privaten Kontakte über Facebook nicht pflegen kann, ist hinzunehmen. Das Oberlandesgericht am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beschwerde einer Facebook-Nutzerin zurückgewiesen.

Die Antragstellerin verfügt über ein Facebook-Konto. Facebook sperrte und deaktivierte dieses Konto, da die Standards der Facebook-Gemeinschaft nicht eingehalten worden seien. Die Antragstellerin, die behauptete, ihr Konto sei „gehackt“ worden, beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung. Facebook sollte verpflichtet werden, das Konto wiederherzustellen und ihr die Nutzung wieder zu ermöglichen. Jedenfalls sollte Facebook verboten werden, das Konto unwiederbringlich zu löschen. Das Landgericht hatte Facebook untersagt, das Konto unwiederbringlich zu löschen und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen.

Mit ihrer hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde begehrt die Antragstellerin weiterhin die Wiederherstellung des Kontos und die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Hiermit hatte sie auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Antragstellerin habe keine hinreichenden Gründe für die besondere Dringlichkeit ihres Anliegens dargetan. Durch das bereits vom Landgericht veranlasste Verbot der Kontolöschung sei die Antragstellerin hinreichend gegen den Verlust der von ihr benötigten und über ihr Konto abrufbaren Daten gesichert. „Dass die Antragstellerin bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, in dem die Aufhebung der Kontosperre unter Deaktivierung begehrt werden kann, auf die aktive (und wohl auch passive) Nutzung des Facebook-Kontos verzichten müsste, wäre von ihr hinzunehmen“, führte das OLG weiter aus. Anders als in einer von ihr herangezogenen Entscheidung eines anderen OLG ginge es hier auch nicht um den Verlust einer fünfstelligen Zahl von Followern. Die Antragstellerin berufe sich vielmehr ausschließlich auf ihre private Kontaktpflege und die damit einhergehende Kommunikation. Es sei fernliegend, dass die Antragstellerin diese Kontakte nicht über andere soziale Medien bedienen könne. Zudem stünde hier weiterhin im Raum, dass das Facebook-Konto von Dritten unberechtigt genutzt worden sei. Es sei nicht dargelegt, dass eine weitergehende derartige Nutzung im Fall der Aktivierung des Kontos im Eilverfahren verhindert werde.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.3.2023, Az. 17 W 8/23
(vorausgehend Landgericht Hanau, Beschluss vom 28.2.2023, Az. 9 O 213/23)




BfJ: Bußgeldverfahren nach dem NetzDG gegen Twitter wegen systemischen Versagens des Beschwerdemanagements beim Umgang mit Nutzerbeschwerden wegen rechtswidriger Inhalte

Das BfH hat ein Bußgeldverfahren nach dem NetzDG gegen Twitter wegen systemischen Versagens des Beschwerdemanagements beim Umgang mit Nutzerbeschwerden wegen rechtswidriger Inhalte

Die Pressemitteilung des BfJ:
Bundesamt für Justiz führt Bußgeldverfahren gegen die Twitter International Unlimited Company wegen unzureichenden Umgangs mit Nutzerbeschwerden

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat ein Bußgeldverfahren nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gegen die Twitter International Unlimited Company eingeleitet. Aus Sicht des BfJ liegen hinreichende Anhaltspunkte für Versäumnisse im Beschwerdemanagement der Anbieterin von Twitter in Deutschland vor.

Die Anbieterin von Twitter unterliegt den Vorschriften des NetzDG. Dem BfJ liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass sie gegen die gesetzliche Pflicht zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte verstoßen hat und es sich dabei um ein bußgeldbewehrtes systemisches Versagen im Beschwerdemanagement der Anbieterin handelt.

Fehlerhafter Umgang mit Nutzerbeschwerden
Die Anbieterin von Twitter ist nach dem NetzDG verpflichtet, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten. Sie muss unter anderem unverzüglich von einem gemeldeten Inhalt Kenntnis nehmen, prüfen, ob dieser rechtswidrig im Sinne des NetzDG ist, und einen rechtswidrigen Inhalt, unter Beachtung der gesetzlichen Frist von regelmäßig sieben Tagen bzw. 24 Stunden im Falle offensichtlicher Rechtswidrigkeit, löschen oder den Zugang zu ihm sperren. Ein Inhalt gilt nach dem NetzDG als rechtwidrig, wenn er einen der in § 1 Absatz 3 NetzDG aufgeführten Tatbestände des Strafgesetzbuchs, wie beispielsweise Volksverhetzung, Beleidigung oder Bedrohung, erfüllt.

Dem BfJ wurden zahlreiche Inhalte gemeldet, die auf Twitter veröffentlicht wurden, nach Einschätzung der Behörde rechtswidrig sind und trotz Nutzerbeschwerden nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen von der Anbieterin gelöscht oder gesperrt wurden. Hierauf gründet das eingeleitete Bußgeldverfahren.

Systemisches Versagen des Beschwerdemanagements
Bei vereinzelten Verstößen von Anbieterinnen und Anbietern sozialer Netzwerke gegen die Prüf- und Löschpflichten des NetzDG kann in der Regel noch nicht angenommen werden, dass kein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorgehalten wird. Bußgeldbewehrt ist aber ein systemisches Versagen des Beschwerdemanagements, das vorliegt, wenn Verfehlungen gegen die einschlägigen Vorgaben des NetzDG zeit- und sachnah wiederholt auftreten.

Die dem Bußgeldverfahren gegen die Anbieterin von Twitter zugrundeliegenden Inhalte weisen einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang auf und sind daher geeignet, ein systemisches Versagen im Beschwerdemanagement der Anbieterin zu begründen. Sie wurden in einem Zeitraum von rund vier Monaten auf Twitter veröffentlicht und der Anbieterin von Twitter von Nutzerinnen und Nutzern als rechtswidrig angezeigt. Alle Inhalte enthalten ähnlich gelagerte, nicht gerechtfertigte, ehrverletzende Meinungsäußerungen, die sich sämtlich gegen dieselbe Person richten. Sie erfüllen nach Einschätzung des BfJ den Tatbestand der Beleidigung.

Anhörung der Anbieterin und Vorabentscheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bonn
Das BfJ hat der Anbieterin von Twitter nunmehr zu dem Vorwurf eines systemischen Versagens des Beschwerdemanagements Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Im weiteren Verfahren wird das BfJ die in der Stellungnahme vorgebrachten Argumente prüfen. Sollte das BfJ zum Ergebnis kommen, dass der Vorwurf des rechtswidrigen Verhaltens weiterhin berechtigt ist, wird das BfJ beim Amtsgericht Bonn die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beantragen und zugleich die Stellungnahme der Anbieterin vorlegen.

Vor dem Erlass eines Bußgeldbescheids gegen Anbieter sozialer Netzwerke wegen fehlerhafter Nichtlöschung oder Nichtsperrung rechtswidriger Inhalte soll nach § 4 Absatz 5 NetzDG die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhalte herbeigeführt werden. Zuständig für dieses sogenannte Vorabentscheidungsverfahren ist das Amtsgericht Bonn.

Sollte das Amtsgericht Bonn die Rechtswidrigkeit der Inhalte feststellen, kann das BfJ eine Geldbuße gegen die Anbieterin von Twitter festsetzen.



LG Karlsruhe: 90.000 EURO Ordnungsgeld gegen YouTube wenn trotz gerichtlicher Entscheidung ein zu Unrecht gelöschtes Video nicht wieder zugänglich gemacht wird

LG Karlsruhe
Beschluss vom 19.12.2022
22 O 11/22


Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 90.000 EURO gegen YouTube angemessen ist, wenn der Betreiber der Videoplattform trotz gerichtlicher Entscheidung ein zu Unrecht gelöschtes Video nicht wieder zugänglich macht.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der unstreitige Sachverhalt rechtfertigt Grund und Höhe des von der Kammer verhängten Ordnungsgelds von 90.000,00 € entsprechend drei Tagessätzen.

a) Der Beschluss der Kammer vom 23.03.2022 verpflichtete die Schuldnerin, es zu unterlassen, das von dem Antragsteller (jetzt: Gläubiger) auf der Plattform YouTube eingestellte und unter https://www.youtube.com/watch… abrufbare Video zu löschen und/oder den Antragsteller wegen der Einstellung dieses Inhalts mit einer Verwarnung zu versehen und/oder das Video zu löschen oder für dieses eine Verwarnung auszusprechen, soweit dem Antragsteller nicht, z.B. mit Timecode, mitgeteilt wird, welche Passagen oder sonstigen Inhalte gegen welche Regelung verstoßen haben sollen.

Der Beschluss wurde der Schuldnerin am 05.05.2022 zugestellt. Die Schuldnerin schaltete das streitgegenständliche Video am 12.05.2022 wieder frei, um es sodann am 16.05.2022 wieder zu löschen. Am selben Tag verwarnte die Schuldnerin den Gläubiger zum zweiten Mal. Eine dreimalige Verwarnung binnen 90 Tagen geht bei der Schuldnerin mit einer Kanal-Löschung einher. Ferner bedeutet die zweimalige Verwarnung für den Nutzer, dass er zwei Wochen lang keine Videos hochladen, Beiträge posten oder Inhalte live streamen kann. Eine Mitteilung an den Gläubiger, welche Passagen oder sonstigen Inhalte seines Videos gegen welche Regelung der Schuldnerin verstoßen haben sollen, insb. unter Angabe eines Timecodes, erfolgte bei der erneuten Löschung und zweiten Verwarnung (wieder) nicht. Die Beschwerde des Gläubigers gegen die erneute Löschung wies die Schuldnerin am 17.05.2022 zurück. Zugunsten der Schuldnerin ist ihr Vortrag (zu dem der Gläubiger noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte) zu unterstellen, dass sie das Video am 19.05.2022 wieder eingestellt hat. Die Schuldnerin ist nach unstreitigem Vortrag des Gläubigers ohne weiteres in der Lage, Videos innerhalb von 48 Stunden wiederherzustellen.

b) Danach hat die Schuldnerin in mehrfacher Weise gegen den Unterlassungstitel verstoßen, als sie das Video um mehrere Tage verspätet wieder einstellte, es sodann erneut löschte und den Gläubiger wieder ohne Angabe, inwiefern sein Video regelwidrig sei, verwarnte. Insbesondere ist es nicht hinnehmbar, dass die Schuldnerin für die Befolgung des Unterlassungstitels eine volle Woche benötigte, obwohl ihr ein weitaus schnelleres Tätigwerden möglich wäre. Das gesamte Vorgehen der Schuldnerin im vorliegenden Fall offenbart einen laxen Umgang mit dem gerichtlichen Titel. Unterstellt man zu ihren Gunsten, dass die erneute Löschung und Verwarnung nicht vorsätzlich erfolgten, so liegt ein erheblicher Grad von Fahrlässigkeit jedenfalls darin, dass die Schuldnerin ihr Unternehmen offensichtlich nicht so organisiert hat, dass ihr eine zügige Befolgung gerichtlicher Entscheidungen verlässlich gelingt. Das Zusammentreffen dieser Säumigkeit mit den weiteren genannten Fehlleistungen der Schuldnerin rechtfertigt bereits ein nennenswertes Ordnungsgeld.

Für den Gläubiger bedeutete die zweite Verwarnung ein erhebliches Risiko einer Kanal-Löschung und unmittelbare negative Folgen in der Nutzbarkeit seines Kanals. Nachdem die Schuldnerin sogar die Beschwerde des Gläubigers gegen die erneute Löschung zurückgewiesen hatte, musste der Gläubiger befürchten, für beachtliche Zeit nicht mehr auf YouTube hochladen und posten zu können, also – unter Verstoß gegen einen von ihm erwirkten Titel – vorübergehend insoweit mundtot gemacht zu werden.

c) Zu Unrecht versucht die Schuldnerin, die Bemessung des Ordnungsgelds unter dem Gesichtspunkt einer nicht ausreichenden Darlegung ihrer Finanzstärke anzugreifen. Dahinstehen kann, ob – wie die Schuldnerin meint – nicht auf ihre Konzernzugehörigkeit, sondern nur auf sie als (Tochter-)Unternehmen abzustellen ist, was nach Auffassung der Kammer schon deswegen nicht zutrifft, weil etwa im Fall von Gewinnverlagerungen bzw. Gewinnabführungsverträgen Titelverstöße in einem Tochterunternehmen vorkommen können, welches nur aus konzerninternen/steuerlichen Gründen finanzschwach ist. Allgemeinbekannt generiert die Schuldnerin jedenfalls immense Werbeeinnahmen, was etwa die französische Datenschutzbehörde dazu veranlasste, wegen erheblicher Datenschutzverstöße Bußgelder von 60 Mio. Euro im Januar 2022 und von 40 Mio. Euro im Dezember 2020 zu verhängen. Die Gelegenheit, zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen ihrer Beschwerdeschrift vorzutragen, hat die Schuldnerin nicht genutzt.

d) Nachdem es sich auf der anderen Seite um einen Erstverstoß handelt, war das Ordnungsgeld nicht auf den oder in der Nähe des Höchstbetrags festzusetzen, sondern bei Gesamtabwägung wie mit dem angegriffenen Beschluss geschehen.



BGH: Zustellungen an Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG nur hinsichtlich rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG

BGH
Beschluss vom 10.11.2022
I ZB 10/22
ZPO § 890 Abs. 1 und 2; NetzDG § 1 Abs. 3 und 4, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2


Der BGH hat entschieden, dass Zustellungen an den Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG nur hinsichtlich rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG wirksam bewirkt werden können.

Leitsätze des BGH:
a) Für die Frage, ob Zustellungen an den gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NetzDG benannten Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG bewirkt werden können, kommt es maßgeblich darauf an, aus welchem Grund vom Anbieter des sozialen Netzwerks die Löschung von Inhalten begehrt wird beziehungsweise aus welchem Grund der Anbieter des sozialen Netzwerks Inhalte gelöscht und/oder Accounts gesperrt hat. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist jeweils eine Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG.

b) Der Gläubiger genügt seiner Darlegungslast zur Wirksamkeit einer Zustellung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG, wenn er in der Begründung seines Antrags oder seiner Klage auf Wiederherstellung des entfernten oder gesperrten Inhalts ausreichende Anhaltspunkte dafür darlegt, dass es aus der Sicht eines verständigen Dritten angesichts des konkret entfernten Beitrags sowie der hierauf bezogenen Löschungs- und Sperrmitteilung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt, dass der streitgegenständliche Inhalt von dem Anbieter des sozialen Netzwerks in der Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte gelöscht und/oder der Account aus diesem Grund gesperrt worden ist. Der Netzwerkanbieter trägt dann die sekundäre Darlegungslast für seine Behauptung, eine die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten auslösende Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG sei nicht Gegenstand des Verfahrens.

BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - I ZB 10/22 - OLG Köln - LG Bonn

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG München: Sperrung eines Social-Media-Accounts muss begründet werden - Kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO

OLG München
Urteil v. 20.09.2022
18 U 6314/20 Pre


Das OLG München hat entschieden, dass die Sperrung eines Social-Media-Accounts begründet werden muss. Zudem hat das Gericht entschieden, dass kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO bei rechtswidriger Sperrung besteht.

Leitsätze des Gerichts:
1. Zum grundsätzlich bestehenden vertraglichen Anspruch des Nutzers eines sozialen Netzwerks gegen dessen Anbieter auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Beitragslöschung bei Fehlen einer Bestimmung in den Geschäftsbedingungen, wonach sich der Anbieter verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 192/20).

2. Der Antrag des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen, ist auf Unterlassung und nicht auf Erteilung einer - nicht selbständig einklagbaren - Information gerichtet (entgegen KG, Urteil vom 14.3.2022 - 10 U 1075/20).

3. Der Nutzer hat grundsätzlich Anspruch auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen. Eine weitergehende Begründung im Sinne einer rechtlichen Subsumtion, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll, kann er nicht verlangen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei Verhängung der Sperre wurde zudem ausweislich der Screenshots auf S. 18 der Klage (Bl. 18 d.A.) ein Grund hierfür nicht angegeben.

d) Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (vgl. BGH a.a.O., Rn. 102 m.w.N.). Ein solcher ist auch in der vorliegenden Konstellation, in der die Beklagte bereits einmal ihre Pflichten aus dem - fortbestehenden - Vertragsverhältnis verletzt hat, anzunehmen. Dies gilt ungeachtet der zwischenzeitlichen Löschung des Nutzerkontos (s. hierzu nachfolgend unter Ziff. III 1), nachdem der Kläger seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2020 zufolge die Einrichtung eines neuen Kontos anstrebt.

Dem stehen auch nicht die Erwägungen des Kammergerichts Berlin in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 14.03.2022 (Az. 10 U 1075/20) entgegen. Das Kammergericht weist darin einen gleichlautenden Unterlassungsantrag des (dortigen) Klägers ab und führt zur Begründung aus, dass die vom Bundesgerichtshof angenommenen Informationspflichten der Beklagten gegenüber dem Nutzer nicht selbständig einklagbar seien. Da die Entfernungs- und Sperrvorbehalte in den Geschäftsbedingungen der Beklagten (unter anderem) den Anforderungen an die Informationspflicht nicht genügten, seien die genannten Vorbehalte gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam mit der Folge, dass eine vertragliche Grundlage für Löschungen und Sperrungen fehle. Gegen Löschungen von Beiträgen und Teilsperrungen seines Nutzerkontos könne der Nutzer im Klagewege vorgehen. Nur in diesem Zusammenhang komme den Informationspflichten eine Bedeutung zu. Da die Informationspflichten keinen eigenen Leistungszweck verfolgten, bestehe kein eigener, auf die Erfüllung der unselbständigen Unterlassungspflicht bezogener Unterlassungsanspruch (KG a.a.O.).

Anders als das Kammergericht meint, handelt es sich vorliegend jedoch nicht um einen auf Erteilung einer Information gerichteten Antrag, die nicht selbständig einklagbar wäre und die nicht zum Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs gemacht werden könnte. Denn der Kläger begehrt die Unterlassung einer erneuten Sperre, schränkt dies allerdings zulässigerweise in Übereinstimmung mit dem bereits erfolgten Vertragsverstoß dahin ein, dass er sich (nur) gegen eine erneute Sperre ohne Angabe eines Grundes wendet. Er begehrt mithin das Unterlassen der rechtswidrigen Sperre; ein isolierter Anspruch auf Erteilung einer Information wird damit nicht geltend gemacht.

Darüber hinaus sprechen auch prozessökonomische Gründe für die Zulassung des Antrags, da der Kläger andernfalls gezwungen wäre, trotz gleichbleibenden Sachverhalts bei unveränderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten jeweils erneut gegen derartige Sperrungen im Klagewege vorzugehen.

e) In inhaltlicher Hinsicht kann der Kläger von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen, ihn (erneut) zu sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht jedoch nicht.

aa) Hinsichtlich des Umfangs der Mitteilungspflichten kann der Kläger allein die Mitteilung verlangen, welches Verhalten zum Anlass der Sperre genommen wurde, nicht jedoch eine weitergehende Begründung im Sinne einer rechtlichen Subsumtion, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit dem NetzDG: So soll nach dessen Gesetzesbegründung „die in den Beschwerdesystemen der sozialen Netzwerke übliche Multiple-Choice-Begründungsform“ im Rahmen der in § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG normierten Begründungspflicht ausreichen (BT-Drs. 18/12356, S. 23). Wenn die Sperre auf Gründe gestützt wird, die sich nicht auf rechtswidrige Inhalte nach dem NetzDG beziehen, kann insoweit kein strengerer Maßstab gelten.

Gleiches gilt für die vom Kläger geforderte Mitteilung „in speicherbarer Form“, die im NetzDG ebenfalls nicht vorgesehen ist. Es erscheint dem Kläger zumutbar, eine über die Plattform mitgeteilte Begründung ggf. durch einen Screenshot zu sichern.

bb) Die Mitteilung des Anlasses der Sperrung hat außerdem nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur „unverzüglich“ (anstatt wie beantragt „zugleich“) zu erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Dem Bundesgerichtshof zufolge ist die erforderliche Anhörung des Nutzers - die neben der einleitenden Information über eine beabsichtigte Kontosperrung und der Mitteilung des Grundes hierfür auch die Möglichkeit des Nutzers zur Gegenäußerung mit einer anschließenden Neubescheidung umfasst - grundsätzlich vor der Sperrung des Kontos durchzuführen und nur in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen kann von einer vorherigen Durchführung abgesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 85 und 87). Die vom Kläger im Streitfall begehrte Mitteilung des Grundes bzw. Anlasses der Sperrung ist danach Teil des vom Bundesgerichtshofs geforderten Anhörungsverfahrens, das zwar regelmäßig, aber nicht ausnahmslos vor der Kontosperrung durchzuführen ist. Um auch die vom Bundesgerichtshof erwähnten Ausnahmefälle angemessen berücksichtigen zu können, erscheint es zu weitgehend, dem Kläger einen Anspruch auf Mitteilung „zugleich“ mit der Sperre - im Sinne von „gleichzeitig“ bzw. „zeitgleich“ - zuzubilligen. Vielmehr kann der Kläger als „Minus“ gegenüber seinem ursprünglichen Antrag nur eine unverzügliche Mitteilung des Anlasses der Sperrung verlangen. Damit wird zudem ein Gleichlauf mit der vom Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Löschung eines Beitrags geforderten unverzüglichen nachträglichen Anhörung (vgl. BGH a.a.O., Rn. 88) sowie mit § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG erreicht, der in den unter das NetzDG fallenden Konstellationen ebenfalls eine unverzügliche Information und Begründung verlangt. In der Mehrzahl der Fälle dürfte das Erfordernis einer unverzüglichen Mitteilung allerdings faktisch ohnehin darauf hinauslaufen, dass die Begründung wiederum zugleich mit der Sperre zu erfolgen hat. Denn regelmäßig sollte die Prüfung im Zeitpunkt der Verhängung der Sperre auf Seiten der Beklagten bereits abgeschlossen und die Mitteilung des Grundes der Beklagten möglich und zumutbar sein.

[...]

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO aus.

Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen. Die Verarbeitung der Daten der Klägerin durch die Beklagte verstieß aber nicht gegen die DS-GVO; denn sie beruhte auf der vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO und auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO.

Im Übrigen gilt auch für diese Anspruchsgrundlage, dass ersatzfähig alle Nachteile sind, die der Geschädigte an seinem Vermögen oder an sonst rechtlich geschützten Gütern erleidet (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 19). Ein solch immaterieller Schaden, der hier allenfalls an eine - ggf. auch weniger schwerwiegende - Verletzung des Persönlichkeitsrechts anknüpfen könnte (vgl. hierzu Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 82 DSGVO Rn. 4c; Wybitul, Immaterieller Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen, NJW 2019, 3265, 3267), liegt jedoch wie dargelegt nicht vor. Die bloße Sperrung des klägerischen Nutzerkontos begründet einen solchen Schaden nicht


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Sperren der Auflademöglichkeit einer Elektroauto-Batterie per Fernzugriff unzulässig - AGB-Klausel in Mietbedingungen von Renault unwirksam

BGH
Urteil vom 26.10.2022
XII ZR 89/21


Der BGH hat entschieden, dass das Sperren der Auflademöglichkeit einer Elektroauto-Batterie per Fernzugriff unzulässig ist. Eine entsprechende AGB-Klausel in den Mietbedingungen von Renault ist wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Bundesgerichtshof erklärt Klausel zur Fernabschaltung einer Autobatterie durch den Vermieter für
unwirksam

Der unter anderem für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Zulässigkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mietvertrags über eine Autobatterie entschieden, die dem Vermieter eine Fernabschaltung der Batterie ermöglicht.

Sachverhalt:

Der Kläger hat als Verbraucherschutzverein gegen die Beklagte, eine französische Bank, die Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln bei Vermietung von Batterien für Elektrofahrzeuge geltend gemacht. Die Beklagte vermietet Batterien für von ihren Kunden gekaufte oder geleaste Elektrofahrzeuge. Hierfür verwendet sie "Allgemeine Batterie-Mietbedingungen", die ihr als Vermieterin im Fall der außerordentlichen Vertragsbeendigung durch Kündigung nach entsprechender Ankündigung die Sperre der Auflademöglichkeit der Batterie erlauben. Der Kläger macht geltend, die AGB-Klausel sei unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung der Mieter enthalte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung einer Verwendung der Klausel gegenüber Verbrauchern verurteilt. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Das Sperren der Auflademöglichkeit stelle eine verbotene Eigenmacht gemäß § 858 Abs. 1 BGB dar; ein Eingriff in die unmittelbare Sachherrschaft des Besitzers dürfe aber nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels erfolgen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis bestätigt.

Dabei bedurfte die Annahme des Berufungsgerichts, die Sperrung der Auflademöglichkeit löse Ansprüche der Mieter aus Besitzschutz aus, keiner abschließenden Beurteilung. Zwar stellt ein Fernzugriff auf die vermietete Batterie eine Besitzstörung im Sinne des § 858 BGB dar. Ein Besitzschutz gegen die bloße Besitzstörung wäre aber ausgeschlossen, wenn der Vermieter aufgrund seiner Zugriffsmöglichkeit auf die Batterie deren Mitbesitzer geblieben wäre. Unter Mitbesitzern bestünde nach § 866 BGB ein Besitzschutz nur gegen eine - hier nicht vorliegende - vollständige Entziehung des Besitzes. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob in solchen Fällen ein Mitbesitz vorliegt, bedurfte hier aber keiner Entscheidung.

Denn die streitgegenständliche Klausel stellt jedenfalls eine einseitige Vertragsgestaltung dar, mit der die Beklagte missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten der Mieter durchzusetzen versucht, ohne deren Interessen angemessen zu berücksichtigen. Durch die allein in der Macht des Vermieters liegende Sperrmöglichkeit wird die Last, sich die weitere Nutzung zu sichern, auf den Mieter abgewälzt. Darin liegt jedenfalls dann eine unangemessene Benachteiligung des Mieters als Verbraucher, wenn dieser die Weiterbenutzung seines - gesondert erworbenen, geleasten oder gemieteten - E-Fahrzeugs im Streitfall nur durch gerichtliche Geltendmachung einer weiteren Gebrauchsüberlassung der Batterie erreichen kann. Zwar liegt es grundsätzlich im berechtigten Interesse des Vermieters, dass er nach wirksamer Beendigung des Mietvertrags die weitere Nutzung des Mietobjekts unterbinden kann. Auf der anderen Seite steht aber das Interesse des Mieters, sich die weitere Vertragserfüllung zu sichern. Dieses ist jedenfalls dann als berechtigt anzuerkennen, wenn die Wirksamkeit der Kündigung zwischen den Vertragsparteien streitig ist. Beruft sich etwa der Mieter auf eine Mietminderung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln, so läuft er Gefahr, dass der Vermieter ungeachtet dessen die Kündigung erklärt und das Mietobjekt per Fernzugriff sperrt. Das gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn das Mietobjekt und dessen fortgesetzte Nutzung für den Mieter von erheblichem Interesse sind.

Dementsprechend ist die gesetzliche Risikoverteilung beim Mietverhältnis dadurch geprägt, dass der Vermieter aufgrund der Überlassung des Mietobjekts grundsätzlich das Risiko der nach Mietvertragsbeendigung fortgesetzten (Ab-)Nutzung trägt. Dagegen kann er sich durch Vereinbarung einer Mietkaution absichern. Außerdem steht ihm ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB zu. Die streitgegenständliche Klausel erlaubt dagegen einen Zugriff auf die Batterie und mittelbar auch auf das E-Fahrzeug, das für den Mieter infolge der Batteriesperrung nutzlos wird. Dadurch, dass die Batterie herstellergebunden und mit dem E-Fahrzeug verknüpft ist, hat der Mieter keine zumutbare Möglichkeit, die gesperrte Batterie durch ein anderes Fabrikat zu ersetzen, um das E-Fahrzeug weiter betreiben zu können. Mit dem E-Fahrzeug wird somit neben der Batterie ein wesentlich höherwertiger Vermögensbestandteil für ihn unbrauchbar bzw. ein Nutzungsrecht daran entwertet. Hinzu kommt, dass das längerfristig angeschaffte bzw. gesondert gemietete oder geleaste E-Fahrzeug vom Mieter nicht selten beruflich genutzt wird und regelmäßig auch für die private Lebensgestaltung von wesentlicher Bedeutung ist.

Wenn unter diesen Umständen bei einem Streit über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung abweichend von der gesetzlichen Risikoverteilung die Klagelast durch allgemeine Geschäftsbedingungen auf den Mieter abgewälzt werden soll, verstößt die entsprechende Klausel gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB. Denn der mit der Sperrung einhergehende Ausschluss von der Nutzung der Batterie und folglich auch des E-Fahrzeugs geht mit seinen Wirkungen über die Batterie als Mietobjekt wesentlich hinaus. Eine solche Gestaltung lässt sich auch nicht durch das Interesse der Beklagten an der Sicherung gegen den mit der Abnutzung der Batterie nach Vertragsbeendigung verbundenen Vermögensschaden rechtfertigen.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

§ 858 BGB Verbotene Eigenmacht

Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).



§ 866 BGB Mitbesitz

Besitzen mehrere eine Sache gemeinschaftlich, so findet in ihrem Verhältnis zueinander ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt.

§ 546a BGB Entschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe

(1) Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist.

(2) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) …

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 11. Dezember 2019 - 12 O 63/19

OLG Düsseldorf - Urteil vom 7. Oktober 2021 - 20 U 116/20

OLG Frankfurt: Fehlende Anhörung des Nutzers durch Facebook vor Löschung eines Facebook-Posts kann im Prozess um erneute Freischaltung des Beitrags nachgeholt werden

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.06.2022
16 U 229/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine fehlende Anhörung des Nutzers durch Facebook vor Löschung eines Facebook-Posts im Prozess um die erneute Freischaltung des Beitrags nachgeholt werden kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Unterlassene Anhörung des Betroffenen vor Löschung eines Posts bei Facebook kann im Prozess um die Wiederfreischaltung nachgeholt werden

Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 (III ZR 179/20) sind die Regelungen in den Nutzungsbedingungen, die Facebook in einem Fall der Hassrede eine Befugnis zur Löschung dieses Posts einräumen, unwirksam, weil sie kein Verfahren vorsehen, aufgrund dessen der betroffene Nutzer über die Entfernung umgehend informiert, ihm der Grund dafür mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird, woran sich eine neue Entscheidung mit der Möglichkeit der Wiederfreischaltung des Posts anschließt. Der Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat mit dem heute verkündeten Urteil nunmehr entschieden, dass die fehlende Anhörung seitens der Beklagten im Verfahren nachgeholt werden kann und, wenn diese zu keiner anderen Bewertung führt, der betroffene Nutzer dann nicht die Wiederfreischaltung des Posts beanspruchen kann. Das Löschungsrecht ergebe sich in diesem Fall bei einem vertragswidrigen Post aus dem Nutzungsvertrag.

Die Beklagte ist in Deutschland Vertragspartnerin der Nutzer von Facebook. Der Kläger stimmte den im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten zu. Im November 2018 postete er im Zusammenhang mit einem Artikel über die gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Afghanen in einer Flüchtlingsunterkunft, in deren Verlauf diese untereinander Messer eingesetzt hatten, u.a.: „Solange diese sich gegenseitig abstechen ist es doch o. k. Ist jemand anderer Meinung? Messer-Emoji“. Die Beklagte löschte diesen Beitrag und sperrte außerdem vorübergehend Teilfunktionen des klägerischen Kontos. Der Kläger begehrte daraufhin vor dem Landgericht unter anderem die Freischaltung des gelöschten Beitrags. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hat auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Wiederfreischaltung des gelöschten Posts. Der Post sei zwar eine Meinungsäußerung. Er verstoße aber gegen die über die Nutzungsbedingungen einbezogenen Bestimmungen in den Gemeinschaftsstandards zur Hassrede. Der Begriff der Hassrede sei hinreichend transparent und in den Regelungen selbst definiert worden. Erfasst würden u.a. „Angriffe durch eine gewalttätige und entmenschlichende Sprache, durch Aussagen über Minderwertigkeit und durch Aufrufe, Personen auszuschließen und zu isolieren“. Die Beklagte sei auch berechtigt, ein Verbot von Hassrede vorzusehen, „durch das auch nicht strafbare oder rechtsverletzende Meinungsäußerungen erfasst werden“. Sie dürfe den Nutzern ihres Netzwerks bestimmte Kommunikationsstandards vorgeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgingen. Die Verhaltensregeln sollten einen Kodex für „einen respektvollen Umgang miteinander“ enthalten.

Hier verstehe der flüchtige Leser die Äußerung so, dass es dem Kläger „gleichgültig ist bzw. er es in Ordnung finde, wenn afghanische Flüchtlinge sich gegenseitig abstechen“. Dies unterfalle dem Bereich der Hassrede.

Soweit die Löschung des Posts erfolgte, ohne den Kläger umgehend zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme mit anschließender Neuentscheidung zu gegeben, könne die Beklagte sich zwar nicht auf ihre Regelungen zum Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen. Diese seien gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam.

Die Beklagte sei aber zur Löschung unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag berechtigt. Die Verfahrensanforderungen zur Information des Betroffenen über die Löschung ergäben sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Durch die Unwirksamkeit der Klausel über den Entfernungs- und Sperrvorbehalt sei im vertraglichen Gefüge eine Lücke entstanden, die im Wege der Auslegung zu schließen sei. Über diese ergänzende Vertragsauslegung sei die Beklagte verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zu informieren und im Gelegenheit zur Stellungnahme und Neuentscheidung zu geben. Dies sei im Rahmen des hiesigen Prozesses nachgeholt worden. Der anfängliche Anhörungsfehler sei damit nachträglich geheilt worden.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BGH u.a. hinsichtlich des dargestellten Antrags auf Wiederherstellung des gelöschten Artikels zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.06.2022, Az. 16 U 229/20
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 03.09.2020, Az. 2-03 O 282/19)