OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 12.08.202 6 UKI 3/25
Das OLG Schleswig-Holstein hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Meta wegen der Verwendung von Nutzerdaten als KI-Trainingsdaten mangels Dringlichkeit abgelehnt.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Eilantrag einer niederländischen Verbraucherschutzstiftung gegen Meta auf Untersagung der Nutzung bestimmter Kundendaten scheitert an fehlender Dringlichkeit
Der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat mit Urteil vom heutigen Tag den Antrag einer niederländischen Verbraucherschutzstiftung gegen Meta Platforms Ireland Limited (Meta) auf Untersagung der Nutzung bestimmter Kundendaten von Facebook und Instagram für KI-Lernzwecke wegen fehlender Dringlichkeit zurückgewiesen.
Meta hatte am 27.05.2025 nach Vorankündigung begonnen, bestimmte Nutzerdaten der Dienste Facebook und Instagram für KI-Trainingszwecke ohne Einverständnis der Profilinhaber zu nutzen. Meta berief sich dafür auf ein berechtigtes Interesse an der Entwicklung und Verbesserung ihrer KI-Technologien für die Plattformen und den KI-Dienst Llama. Der Datenschutz sei gewährleistet. Es würden nur bestimmte Daten von öffentlichen Profilen volljähriger Kunden genutzt und die Daten würden für das KI-Training de-identifiziert und tokenisiert. Ein Antrag der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auf einstweilige Untersagung dieser Nutzung war vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 23.05.2025; Az. I-15 UKl 2/25) gescheitert.
Die niederländische Verbraucherschutzstiftung Stichtung Onderzoek Marktinformatie (SOMI) hatte am 27.06.2025 vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht einen Antrag auf einstweilige Untersagung der Nutzung gegen Meta eingereicht. Die tatsächliche Nutzung der Daten ohne Einverständnis der Nutzer habe nun begonnen, und die Interessen und Grundrechte der Verbraucher seien höher zu bewerten als das Interesse von Meta.
Der Senat hat den Antrag nach mündlicher Verhandlung und Anhörung des Hamburgischen Beauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit zurückgewiesen. Die Angelegenheit sei nicht eilbedürftig und rechtfertige daher nicht den Erlass eines einstweiligen Nutzungsverbotes. SOMI muss etwaige Ansprüche mit einer Hauptsacheklage verfolgen. Der Senat weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass Meta bereits im Jahr 2024 gegenüber der Öffentlichkeit und dann insbesondere per E-Mails im April 2025 konkret gegenüber den Nutzern - und damit auch der SOMI - bekannt gegeben habe, die Daten entsprechend nutzen zu wollen. Während es der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (in dem Verfahren vor dem OLG Köln) möglich gewesen sei, aufgrund der Ankündigungen zügig im Mai 2025 noch vor Beginn der Datennutzung gegen Meta vorzugehen, habe SOMI mit der Beantragung bis zum 27.06.2025 gewartet. Zu diesem Zeitpunkt habe Meta die Kundendaten bereits einen Monat lang genutzt.
Durch das lange Abwarten vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes stehe fest, dass die Angelegenheit aus Sicht von SOMI nicht derart eilbedürftig sei, dass es der Regelung durch eine einstweilige Verfügung bedürfe. Die behaupteten Datenschutzverstöße durch das Verhalten von Meta seien spätestens seit April 2025 erkennbar gewesen. Meta habe auch nicht etwa Dinge angekündigt, die sich dann bei Beginn der Datenverarbeitung anders dargestellt hätten. So sei bereits seit einer Pressemitteilung vom 14.04.2025 erkennbar gewesen, dass die Datensätze aus Beiträgen, Kommentaren und Bildern von öffentlichen Profilen volljähriger Nutzer auch personenbezogene Daten von Kindern und nichtregistrierten Dritten enthalten könnten. Diese wüssten im Zweifel nichts von der Nutzung und könnten demnach auch nicht widersprechen. Zudem könnten sie ihre Daten nicht im Trainingsdatensatz oder innerhalb der Daten des KI-Modells selbst identifizieren, um eine unzulässige Datenverarbeitung zu beanstanden. Gleiches gelte für besonders geschützte personenbezogene Daten im Sinne von Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Solche Daten können etwa Angaben zur ethnischen oder rassischen Herkunft, sexuellen Orientierung oder politischen Meinungen enthalten. Sofern die Betroffenen ihre Daten nicht selbst öffentlich gemacht haben, ist eine Verarbeitung dieser Daten in der Regel untersagt. Nach eigener Aussage von Meta sei - so der Senat - nicht ausgeschlossen, dass solche Daten ohne Einverständnis der Betroffenen verarbeitet und von KI-Modellen ausgegeben würden. Die Möglichkeit der unzulässigen Nutzung von Verbraucherdaten sei SOMI spätestens durch eine E-Mail von Meta vom 19.04.2025 bekannt gewesen. Ein einstweiliges Verbot habe also zügig vor Beginn der Datenverarbeitung beantragt werden können.
Das OLG Koblenz hat entschieden, dass das Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren durch den ungesciherten Verfügungskläger nicht dringlichkeitsschädlich ist.
Aus den Entscheidungsgründen: Auch der Umstand, dass die Verfügungsklägerin sowohl die Berufungs- als auch die Berufungsbegründungsfrist nahezu ausgeschöpft hat, ist nicht als dringlichkeitsschädlich zu qualifizieren. Eine Selbstwiderlegung liegt auch insoweit nicht vor.
Zwar kann die Vermutung des § 12 Abs. 1 UWG grundsätzlich auch durch ein eigenes Verhalten des Verfügungsklägers widerlegt werden (vgl. Senat, Urteil vom 14. Mai 2024 - 9 U 33/24 -; BGH, GRUR 2000, 151, 152 - Späte Urteilsbegründung; KG, Beschluss vom 22. Juni 2022 - 5 W 79/22 -, GRUR-RS 2022, 51632, Rdnr. 6; OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Januar 2022 – 2 U 288/21 –, juris, Rdnr. 32; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 31, 31, m.w.N.; BeckOK Fritzsche/Münker/Stollwerck-Scholz, UWG, 28. Edition, Stand: 1. April 2025, § 12, Rdnr. 21; Ohly/Sosnitza-Sosnitza, UWG, 8. Aufl. 2023, § 12, Rdnr. 80; MünchKomm-Schlingloff, a.a.O., Rdnr. 67; in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 12, Rdnr. 68). So entfällt die Dringlichkeitsvermutung unter anderem dann, wenn der Verfügungskläger das Verfügungsverfahren nicht zügig, sondern schleppend betreibt (vgl. Senat, a.a.O.; BGH, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; Ohly/Sosnitza-Sosnitza, a.a.O., Rdnr. 82). Entscheidend ist insoweit, ob der Verfügungskläger - und sei es auch nach zunächst hinreichend zeitnaher Verfahrenseinleitung - durch sein Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass die Sache für ihn nicht (mehr) eilig ist (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Nürnberg, Urteil vom 24. Oktober 2023 – 3 U 965/23 –, juris, Rdnr. 31; OLG Hamburg, Urteil vom 7. September 2023 – 15 U 113/22 –, juris, Rdnr. 36; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 7. Januar 2019 – 6 W 86/18 –, juris, Rdnr. 2; KG, GRUR-RR 2015, 181, 183, Rdnr. 31, m.w.N.; Ohly/Sosnitza-Sosnitza, a.a.O., Rdnr. 80; MünchKomm-Schlingloff, Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, § 12 UWG, Rdnr. 76, m.w.N.). Entscheidend ist das Zeichen, das der Verfügungskläger gesetzt hat (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Januar 2022 – 2 U 288/21 –, juris, Rdnr. 32).
Auch nach diesen Maßstäben ist es jedoch grundsätzlich nicht dringlichkeitsschädlich, wenn der Berufungsführer - wie hier die Verfügungsklägerin - die gesetzlichen Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung voll ausschöpft (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 24. Oktober 2023 - 3 U 965/23 -, juris, Rdnr. 39; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2020 - 14 U 124/19 -, juris, Rdnr. 39, m.w.N.; OLG Hamburg, GRUR-RR 2018, 27, 29, Rdnr. 36; OLG Bremen, GRUR-RR 2015, 345, 346, Rdnr. 24, m.w.N.; NJOZ 2012, 846, 847; OLG Frankfurt am Main, GRUR 2002, 236, 237, m.w.N.; Köhler/Feddersen-Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. 2025, § 12, Rdnr. 2.16, m.w.N.; MünchKomm-Schlingloff, Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, § 12 UWG, Rdnr. 89, m.w.N.). Eine andere Sichtweise würde zu einer faktischen Verkürzung der gesetzlichen Fristen und damit einer Umgehung der Entscheidung des Gesetzgebers, Hauptsache- und Eilverfahren bezüglich der Rechtsmittelfristen gleich zu behandeln, führen (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Bremen, GRUR-RR 2015, 345, 346, Rdnr. 24). Umstände, die im Streitfall ausnahmsweise eine andere Sichtweise rechtfertigen würden, sind weder dargetan noch sonst irgendwie ersichtlich.
OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 05.06.2025 6 U 3/25
Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass für die Dringlichkeit bei einer Urheberrechtsverletzung auf einer Website auf die konkrete Verletzungshandlung und nicht eine Änderung im Impressum abzustellen ist.
Aus den Entscheidungsgründen: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gem. §§ 935, 938 ZPO zurückzuweisen, da der Verfügungskläger die erforderliche Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht hat.
Der Senat teilt hierbei grundsätzlich die Einschätzung des Landgerichts, dass eine Dringlichkeit regelmäßig zu bejahen sein dürfte, wenn weitere Verletzungshandlungen drohen oder durch eine Verletzungshandlung ein noch andauernder Störungszustand geschaffen wird. Allerdings kann in diesen Fällen die vorzunehmende Interessenabwägung dann zu einem anderen Ergebnis gelangen, wenn der Antragsteller durch zu langes Zuwarten nach Kenntniserlangung von dem anspruchsbegründenden Sachverhalt zu erkennen gegeben hat, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist (Meckel in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Auflage 2018, § 97 UrhG, Rn. 88). Hierbei ist aber nach Auffassung des Senats an die konkrete Verletzungshandlung bzw. den andauernden Zustand der behaupteten Rechtsverletzung und nicht an die Änderung des Impressums der Internetseite anzuknüpfen.
Im Urheberrecht besteht eine gesetzliche Vermutung der Eilbedürftigkeit analog § 12 Abs. 2 UWG nicht; die tatsächlichen Voraussetzungen einer besonderen Eilbedürftigkeit sind daher glaubhaft zu machen (Schricker/Loewenheim/Wimmers, 6. Aufl. 2020, UrhG § 97 Rn. 341a, beck-online). Die Eilbedürftigkeit folgt nicht bereits aus dem Vorliegen einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr. Die einstweilige Verfügung muss vielmehr notwendig sein, um wesentliche Nachteile in Bezug auf das Rechtsverhältnis abzuwenden oder um die Vereitelung bzw. wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung zu verhindern; die ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung zu befürchtenden Nachteile müssen so schwer wiegen, dass ihre Abwehr den Verzicht auf die Erkenntnismöglichkeiten des ordentlichen Verfahrens rechtfertigt (Schricker/Loewenheim/ Wimmers, a.a.O.). Das setzt nicht nur eine Dringlichkeit im zeitlichen Sinne, sondern auch eine Interessenabwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des Antragstellers und den schutzwürdigen Interessen des Antragsgegners voraus. Die Darlegungslast dafür, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO vorliegen, liegt beim verletzten Antragsteller (Schricker/Loewenheim/Wimmers, a.a.O.).
Bei dem Verfügungsgrund handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung (OLG Hamburg, ZUM 2007, 917; OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2002, 44; MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 917 Rn. 1, 2). Der Erlass einer einstweiligen Verfügung muss aus Sicht des Gläubigers so dringlich sein, dass ohne eine Sofortmaßnahme die Durchsetzung des Verfügungsanspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert würde (Anders/Gehle/Becker, 83. Aufl. 2025, ZPO § 935 Rn. 6-7). Ein Verfügungsgrund ist nur dann gegeben, wenn dem Antragsteller ohne die beantragte einstweilige Regelung eine konkrete, schwerwiegende Beeinträchtigung seiner rechtlichen Interessen droht (Anders/Gehle, a.a.O.). Dem Antragsteller darf ein Zuwarten auf eine Hauptsacheentscheidung nicht zuzumuten sein (Anders/Gehle, a.a.O.). Der einmal grundsätzlich gegebene Verfügungsgrund kann jedoch wieder entfallen, wenn der Antragsteller nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag zuwartet (Anders/Gehle, a.a.O., m.w.N.).
Der Verfügungskläger hat mit seinem Verhalten ab 2017 nicht gezeigt, dass er nachhaltig und zügig gegen die Nutzung seiner angeblichen Werke auf der Internetseite XY […Internetdomain] vorgehen wollte. Unstreitig erfolgte die vom Verfügungskläger behauptete Verletzung seiner Urheberrechte bereits seit Jahren relativ unverändert auf der Internetseite XY […Internetdomain]. Die einzige Veränderung, die der Kläger am 01.11.2024 wahrnahm, war, dass eine neue Person als Verantwortlicher im Impressum der Internetseite angegeben war. Diese Veränderung bedeutet zwar offenkundig, dass der Verfügungsbeklagte unstreitig die auf der Internetseite am 01.11.2024 veröffentlichten Daten und Grafiken genutzt hat. Dies mag im Vergleich zu einer Nutzungshandlung der S. GmbH oder der M. GmbH eine neue Verletzungshandlung darstellen. Allein dies impliziert jedoch nicht eine Dringlichkeit der Rechtsverfolgung für den Verfügungskläger. Schließlich ist die Dringlichkeit einer Untersagung der Nutzung für jede Verletzungshandlung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu beurteilen.
Hierbei ist insbesondere auch abzuwägen, ob es dem Verfügungskläger in Anbetracht der Gesamtumstände im Einzelfall zumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. In Anbetracht der Tatsache, dass der Verfügungskläger zu einer Dringlichkeit im Sinne von §§ 935, 940 ZPO trotz Hinweises des Senats nichts Erhebliches vorgetragen hat, ist nicht erkennbar, aus welchem Grund die Untersagung für den Verfügungskläger in Anbetracht der seit Jahren andauernden Verletzungshandlung besonders dringlich sein sollte.
Auch die vorzunehmende Abwägung der Interessen der Parteien spricht zur Überzeugung des Senats dafür, dass der Verfügungskläger seine Unterlassungsansprüche im Klageverfahren und nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren, welches nur eingeschränkte Beweisführungsmöglichkeiten hat und nur einer vorläufigen Regelung dient, geltend machen muss. Unstreitig hat der Verfügungsbeklagte den gesamten Geschäftsbetrieb der M. GmbH im Oktober 2024 erworben. Aufgrund der Tatsache, dass der Verfügungskläger sich jahrelang bis November 2024 nicht mit Nachdruck um die Durchsetzung der von ihm behaupteten Unterlassungsansprüche kümmerte, konnte der Verfügungsbeklagte darauf vertrauen, dass ihm eine Nutzung der über einen längeren Zeitraum von der M. GmbH bereits genutzten Werke nicht unmittelbar nach Geschäftsübernahme vom Verfügungskläger per einstweiliger Verfügung untersagt werden würde. Dieses stellt den Verfügungskläger auch keineswegs rechtlos, da er eben den ordentlichen Klageweg beschreiten kann, um seine behaupteten Rechte durchzusetzen.
Mangels Dringlichkeit kommt es für die Entscheidung über die Berufung im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht auf die wirksame Vollziehung der zunächst erlassenen einstweiligen Verfügung oder die Wirksamkeit des vom Kläger behaupteten Lizenzvertrags an.
Das OLG Hamburg hat entschieden, dass es nicht dringlichkeitsschädlich ist, wenn ein Markeninhaber bei Markenrechtsverletzungen nicht gegen den Hersteller sondern gegen Händler vorgeht.
Aus den Entscheidungsgründen: cc. Mit dem Landgericht ist auch ein Verfügungsgrund zu bejahen. Die Dringlichkeitsvermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG ist im Streitfall nicht widerlegt. Auch aus dem Gesichtspunkt des anhängigen Löschungs- und Verfallsverfahrens gegen die Verfügungsmarke ergibt sich – wie vom Landgericht zu Recht angenommen – kein Fehlen der Dringlichkeit. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg.
aaa. Die Antragstellerin hat sich vorliegend nicht dringlichkeitsschädlich verhalten.
Die konkrete Verletzungsform, wie sie im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren angegriffen wird, ist der Antragstellerin unwidersprochen erst am 22.05.2024 bekannt geworden. Der Screenshot Anlage Ast 8 weist dieses Datum aus. Die Antragstellerin hat eine erstmalige Kenntnis am 22.05.2024 behauptet und mit der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers U. R. auch glaubhaft gemacht. Auch im Berufungsverfahren behauptet die Antragsgegnerin (bzw. die Nebenintervenientin, was sich die Antragsgegnerin zu eigen gemacht hat) keine frühere Kenntnis der Antragstellerin von der hier angegriffenen Verkaufsanzeige. Der Verfügungsantrag wurde am 17.06.2024 eingereicht.
Der Einwand der Berufung, die Antragstellerin habe sich dringlichkeitsschädlich verhalten, weil sie nicht (schnell genug) gegen die Nebenintervenientin als Herstellerin der betreffenden Stühle vorgegangen sei, bleibt ohne Erfolg. Die Dringlichkeit ist im Verhältnis der Parteien zueinander zu beurteilen; die Kenntnis von gleichartigen Verletzungshandlungen eines Dritten ist grundsätzlich nicht dringlichkeitsschädlich (Jaworski in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., Vor §§ 14-19d Rn. 259 m.w.N.). Die Dringlichkeit ist im Ausgangspunkt nicht durch die Untätigkeit des Antragstellers berührt, der gegen gleichartige Verstöße Dritter nicht vorgegangen ist. Denn die Entscheidung, ob und gegen welchen Verletzer er vorgeht, liegt allein in der Hand des Antragstellers (OLG Hamburg PharmR 2013, 418, 419; Köhler/Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 12 Rn. 2.19). Dies gilt auch für den Fall, dass der Antragsteller nur gegen den Vertreiber eines Produkts vorgeht, nicht aber gegen dessen Hersteller (Köhler/Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 12 Rn. 2.19).
Im vorliegenden Streitfall kommt hinzu, dass die Antragstellerin gegen die Nebenintervenientin als Herstellerin der Stühle eine einstweilige Verfügung vom 19.07.2024 erwirkt hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Antragsteller bei seiner Rechtsverfolgung kein Prozessrisiko eingehen muss. Es kann von ihm nicht verlangt werden, überhastet und ohne ordnungsgemäße Prüfung einen Verfügungsantrag zu stellen. Er muss das Gericht deshalb erst anrufen, wenn er erstens verlässliche Kenntnis all derjenigen Tatsachen hat, die eine Rechtsverfolgung im einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgversprechend machen, und wenn er zweitens die betreffenden Tatsachen in einer solchen Weise glaubhaft machen kann, dass sein Obsiegen sicher absehbar ist (Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 940 ZPO Rn. 86). Dass die Antragstellerin vorliegend bereits nach der E-Mail vom 03.05.2024 (Anlage NI 26) mit Erfolg einen Verfügungsantrag gegenüber der Nebenintervenientin mit Sitz in Bosnien-Herzogowina hätte stellen können, davon ist im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nicht überwiegend wahrscheinlich auszugehen. Die Antragstellerin macht insoweit geltend, eine Lieferung der betreffenden Stühle nach Deutschland habe zunächst nicht festgestellt werden können. Das Angebot der Nebenintervenientin selbst habe die Antragstellerin erst am 17.06.2024 festgestellt. Ein erforderliches bewusstes Sich-Verschließen von der Kenntnis vor dem 17.06.2024 betreffend die Inanspruchnahme der Nebenintervenientin als Herstellerin kann im Streitfall nicht festgestellt werden. Es besteht insoweit keine allgemeine Marktbeobachtungobliegenheit oder Obliegenheit zu ständiger Markenüberwachung (Jaworski in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., Vor §§ 14-19d Rn. 258 m.w.N.).
bbb. Auch im Hinblick auf das anhängige Löschungsverfahren betreffend die deutsche Verfügungsmarke ist ein Verfügungsgrund gegeben. Zwar kann ein Verfügungsgrund zu verneinen sein, wenn ein gleichzeitig anhängiger Löschungsantrag nach der Einschätzung des Verletzungsgerichts hohe Erfolgsaussicht hat (Senat GRUR-RS 2020, 33485 Rn. 78 - smartBASE/smartbase m.w.N.). Erforderlich ist nach der Auffassung des Senats jedoch, dass als so gut wie feststehend angenommen werden kann, dass die Marke zu löschen ist. Derartiges ist hier nicht der Fall. Das durch die Antragsgegnerin betriebene Löschungsverfahren wird nach dem im vorliegenden Verfahren gehaltenen und glaubhaft gemachten Vortrag nicht erfolgreich sein.
Das OLG Celle hat entschieden, dass die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 1 UWG durch Beantragung und Ausschöpfen einer Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist widerlegt wird.
Aus den Entscheidungsgründen: Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).
Es dürfte dahingestellt bleiben können, ob in Bezug auf die beiden im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Äußerungen ein Verfügungsanspruch besteht. Denn jedenfalls dürfte kein Verfügungsgrund (§ 935 ZPO) gegeben sein, weil die insoweit erforderliche Eilbedürftigkeit der Sache nicht anzunehmen ist. Zwar wird für lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche die Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG vermutet. Die Dringlichkeitsvermutung dürfte jedoch durch die Prozessführung der Verfügungsklägerin in der Berufungsinstanz widerlegt sein.
1. Die Dringlichkeit kann auch noch während des Verfahrens entfallen, wenn der Antragsteller das Verfahren verzögert (Köhler/Feddersen/Köhler/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 12 Rn. 2.16, beck-online). Um die Dringlichkeitsvermutung nicht zu widerlegen, muss der Antragsteller nicht nur das Verfügungsverfahren zügig - nach der Rechtsprechung des Senats binnen Monatsfrist nach Kenntniserlangung vom Verstoß und vom Verletzer - einleiten, sondern gerade auch das Verfügungsverfahren beschleunigt weiter betreiben, soweit er nicht bereits durch eine einstweilige Verfügung gesichert ist (OLG Hamm, Urteil vom 15. März 2011 - 4 U 200/10 -, Rn. 15, juris). Der Antragsteller hat insofern alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Von ihm verursachte Verfahrensverzögerungen bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung lassen regelmäßig darauf schließen, dass ihm die Sache nicht so eilig ist (aaO m.w.N.). Dringlichkeitsschädliche Verfahrensverzögerungen können insbesondere vom Antragsteller beantragte Fristverlängerungen oder Terminsverlegungen um einen nicht unerheblichen Zeitraum sein (MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, § 12 Rn. 88).
Streitig ist insoweit, ob es bereits dringlichkeitsschädlich sein kann, wenn der Berufungsführer die gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen voll ausschöpft (vgl. Teplitzky, WRP 2013, 1414 ff.; aA Köhler/Feddersen/Köhler/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 12 Rn. 2.16, beck-online). Nach überwiegender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist es aber jedenfalls als grundsätzlich dringlichkeitsschädlich anzusehen, wenn für die Berufungsbegründung eine weitreichende Fristverlängerung beantragt und die gewährte Fristverlängerung vollständig ausgenutzt wird (Senat, Beschluss vom 17. September 2015 - 13 U 72/15, Rn. 7, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2002 - 20 U 74/02, Rn. 5, juris; KG Berlin, Beschluss vom 16. April 2009 - 8 U 249/08, Rn. 4, juris, m.w.N.; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 7.11.2017 - 3 U 1206/17, BeckRS 2017, 153630 Rn. 12, beck-online; OLG München, Urteil vom 30. Juni 2016 - 6 U 531/16, Rn. 95, juris, bereits bei einer Überschreitung der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist um 2 Tage; s.a. Schüttpelz in: Berneke/Schüttpelz, Die Einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. 2018, Rn. 206, beck-online, m.w.N.).
Dass eine Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß gewährt wurde, steht der Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung nicht entgegen. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist unterliegt anderen Voraussetzungen als die Annahme einer nicht dringlichkeitsschädlichen zügigen Verfahrensführung (s. hierzu auch OLG Hamm aaO). An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. NJW 2017, 2041 [BGH 09.05.2017 - VIII ZB 69/16] Rn. 12). Demgegenüber sind im einstweiligen Rechtsschutz deutlich höhere Anforderungen zu stellen, damit eine vom Antragsteller verursachte Verfahrensverzögerung die Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt.
2. Nach dieser Maßgabe ist im Streitfall von einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung auszugehen. Die Verfügungsklägerin hat - trotz einer übersichtlichen Sach- und Rechtslage - nach der Zustellung des angefochtenen Urteils drei Monate benötigt, um die Berufung zu begründen. Die für die Fristverlängerung angeführten Gründe - andere fristgebundene Angelegenheiten sowie die Weihnachtsfeiertage - stehen der Dringlichkeitsschädlichkeit dieser verzögerten Verfahrensführung nicht entgegen.
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass das Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig nicht dringlichkeitsschädlich ist.
Aus den Entscheidungsgründen: "Der Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG.
1. Ein Werbeanruf gegenüber einem Verbraucher ist bei den unstreitig im November 2022 und am 08.12.2022 erfolgten Anrufen jeweils zu bejahen. Dazu genügt es, wenn im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses die Fortsetzung oder Erweiterung der Vertragsbeziehung (vgl. BGH GRUR 1995, 220 – Telefonwerbung V; OLG Frankfurt GRUR-RR 2013, 74 (75)) angestrebt wird; ferner, wenn ein Kunde abgeworben oder ein abgesprungener Kunde zur Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung bestimmt werden soll (und sei es auch nur durch Befragen nach den Gründen seines Wechsels; vgl. BGH GRUR 1994, 380 (382) – Lexikothek) oder ein Kunde von der Ausübung eines Vertragsauflösungsrechts (Widerruf, Rücktritt, Kündigung, Anfechtung) abgehalten oder abgebracht werden soll (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 151).
2. Die Verfügungsbeklagte bleibt bei beiden Anrufen glaubhaftmachungsbelastet für das Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung.
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trägt der Werbende (BGH GRUR 2004, 517 (519) – E-Mail-Werbung I; BGH WRP 2013, 1579 Rn. 24 – Empfehlungs-E-Mail), im vorliegenden Fall somit die Verfügungsbeklagte. Wer mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher wirbt, hat nach § 7a UWG ab dem 01.10.2021 sogar dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß § 7a Abs. 2 S. 1 UWG aufzubewahren.
Hinsichtlich des Anrufs Anfang November 2022 behauptet die Verfügungsbeklagte eine Einwilligung nicht. Vielmehr ist unstreitig, dass Frau B. gegenüber der Verfügungsbeklagten – nachdem sie die Riesterrente im Oktober 2022 beitragsfrei stellte – am 18.10.2022 per E-Mail (Anlage ASt 6) eine etwaig von ihr erteilte Einwilligung zur Kontaktaufnahme widerrief, was der Verfügungsbeklagten auch zuging (Anlage ASt 7). Auf die Anfrage der Verfügungsbeklagten vom 31.10.2022 zur Vereinbarung eines Termins (Anlage AG 1) reagierte Frau B. nicht.
In Bezug auf den zweiten Anruf vom 08.12.2022 steht eine Einwilligung von Frau B. zwischen den Parteien im Streit. Während die Verfügungsbeklagte durch eidesstattliche Versicherung von Frau N. (Anlage AG 3) glaubhaft machte, dass Frau B. beim ersten Anruf im November ihr mitgeteilt habe, dass sie sich im Augenblick des Telefonats in der Arbeit befinde und deshalb um einen weiteren Anruf „in den nächsten Tagen“ bat, machte der Verfügungskläger durch eidesstattliche Versicherung von Frau B. (Anlage ASt 8) glaubhaft, dass ein derartiger Wunsch von ihr nicht geäußert worden sei. Vielmehr habe sie in diesem Telefonat mitgeteilt, dass sie – wie beim letzten Telefonat bereits erwähnt – kein Interesse an einem Termin habe und jetzt nur ran gegangen sei, um nochmal klar zu kommunizieren, dass die Verfügungsbeklagte aufhören solle, sie zu kontaktieren. Aufgrund der sich widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen bleibt die Verfügungsklägerin für eine Einwilligung glaubhaftmachungsbelastet, zumal eine hinreichende Dokumentation i.S.v. § 7a UWG von ihr nicht behauptet wird.
II.Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG ist nicht widerlegt.
1. Die Vermutung der Dringlichkeit gilt als widerlegt, wenn der Verfügungskläger durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“. Das ist der Fall, wenn er längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Entscheidend ist dabei allein der Zeitpunkt, zu welchem der Verfügungsklagepartei die maßgeblichen Tatsachen bekannt geworden sind (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2019, 131, Rn. 46 – Schnupfenmittel; OLG Nürnberg WRP 2021, 944 Rn. 38).
2. Im vorliegenden Fall ist die Vermutung der Dringlichkeit nicht durch zögerliche Antragstellung (selbst) widerlegt. Der Verfügungskläger führte auf den gerichtlichen Hinweis in der Terminsladung aus, dass er von den beiden Telefonanrufen vom November 2022 und 08.12.2022 am 21.12. oder 22.12. Kenntnis erlangt habe und dass am 23.12. Frau B. dann die Belege (Anlagen ASt 6, 7, 9 sowie den in ihrer eidesstattlichen Versicherung wiedergegebenen Screenshot des Telefonanrufs) übersandt habe. Nachdem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.01.2023 datiert, erfolgte die Antragstellung innerhalb der Monatsfrist.
Dass die Verfügungsbeklagte den Zeitpunkt der Kenntniserlangung bestreitet, führt zu keiner anderen Beurteilung. Grundsätzlich ist es Sache der Verfügungsbeklagten, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen, also eine frühere Kenntnis auf Seiten des Verfügungsklägers darzulegen und glaubhaft zu machen (OLG Hamburg, MDR 2002, 1026, juris-Rn. 26). Nur wenn objektive, darauf hindeutende Umstände vorliegen, dass der Verletzte bereits vor mehr als einem Monat vor Einleitung des Verfügungsverfahrens Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt hat, obliegt es ihm, vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass dies nicht zutrifft (OLG München, GRUR 1994, 670 [Leitsatz], MDR 1993, 688, juris-Rn. 5). Derartige objektive Umstände sind im vorliegenden Fall weder von der Verfügungsbeklagten dargetan noch ersichtlich. Zwar erfolgten die streitgegenständlichen Telefonanrufe bereits im November 2022 und 08.12.2022. Es ist jedoch keineswegs unplausibel, dass die Kundin des Verfügungsklägers, Frau S. B., diesen anlässlich eines Kundengesprächs erst am 21.12. oder 22.12.2022 über die Anrufe informierte. Dieses Datum passt auch in den vom Verfügungskläger geschilderten weiteren zeitlichen Ablauf (Übersendung der Belege durch Frau B. am 23.12.2022, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Frau B. am 28.12.2022).
Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund der eidesstattlichen Versicherung von Frau N. vom 16.03.2023 veranlasst, in welcher Frau N. ausführte,
„dass Frau B. mir erklärte, dass sie sich unterdessen mit ihrem Berater besprochen hätte, der ihr gesagt habe, dass sie den Riestervertrag beitragsfrei gestellt lassen solle und dass sie sich auf kein Gespräch einlassen solle.“
Zum einen bestätigt Frau B. eine derartige Äußerung in ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht. Zum anderen ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung nicht, ob Frau B. mit Berater den Verfügungskläger meinte. Schließlich kann den Ausführungen nicht entnommen werden, ob Frau B. ihren Berater auch über die unzulässigen Telefonanrufe informierte.
3. Das Ausschöpfen der zur Einlegung und Begründung der Berufung gesetzlich vorgesehenen Fristen (§ 517, § 520 Abs. 2 ZPO) ist im vorliegenden Fall nicht dringlichkeitsschädlich.
Zwar haben die gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen mit der Dringlichkeit an sich nichts zu tun (Teplitzky, WRP 2013, 1414 Rn. 10 ff.). Die Funktion der Rechtsmittelfristen ist es, in Zivilverfahren einen für beide Parteien verlässlichen zeitlichen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen ein Rechtsmittel zulässig ist. Diese Funktion wird vom Ergebnis der Dringlichkeitsprüfung nicht berührt, da das Rechtsmittel auch dann zulässig bleibt, wenn der Verfügungsgrund verneint wird.
Dennoch schließt sich der Senat der im Wettbewerbsrecht weit überwiegend vertretenen Auffassung an, wonach das volle Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen in der Regel nicht dringlichkeitsschädlich ist (MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 89; Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 12 Rn. 2.16; OLG Bremen, GRUR-RR 2015, 345 – rent a rentner; OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 77 – Verkaufsaktion für Brillenfassungen; OLG Hamburg, GRUR-RR 2018, 27 Rn. 36 – HSA FREI). Die Ausschöpfung der Berufungsbegründungsfrist ist den Berufungsführern gesetzlich zugestanden; im Hinblick auf die Länge dieser Fristen differenziert das Gesetz – was man rechtspolitisch kritisieren können mag – nicht zwischen Hauptsache- und Eilverfahren. Der Gesetzgeber gibt damit zu erkennen, dass er die Zeit von insgesamt 2 Monaten für ausreichend, aber auch erforderlich hält, um das Rechtsmittel in der gebotenen Weise zu begründen, was sich mittelbar auch auf die Frage der Dringlichkeitsschädlichkeit auswirkt. Solange die Partei nur die ihr gesetzlich eingeräumten Fristen wahrnimmt, dürfen aus dem damit in Zusammenhang stehenden (zulässigen) prozessualen Verhalten auch aus Rechtssicherheitsgründen grundsätzlich keine Rückschlüsse für die Frage gezogen werden, wie eilig es ihr damit ist, ihr Ziel im einstweiligen Rechtsschutz zu erreichen.
Entgegen der Argumentation des Vertreters der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung liegt darin auch kein Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Senats, dass die Beantragung und Ausnutzung einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist regelmäßig dringlichkeitsschädlich ist. Eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist setzt nach § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO besondere Umstände voraus, insbesondere das Fehlen einer Verzögerung oder erhebliche Gründe. Die Verlängerung stellt damit nach der Gesetzessystematik einen begründungsbedürftigen Ausnahmefall dar. Es gilt in diesem Fall daher nicht mehr die Wertung des Gesetzgebers, dass die in prozessualer Hinsicht zur Berufungsbegründung zur Verfügung stehende Frist auch im Hinblick auf die Dringlichkeit in der Regel als unbedenklich angesehen werden kann.
Lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen kann eine Selbstwiderlegung durch verzögertes Betreiben des Verfahrens auch bei der Einhaltung der Rechtsmittelfristen entfallen. Ein solcher Sonderfall kommt im Rahmen der Gesamtwürdigung allenfalls in Betracht, wenn zum einen eine tatsächlich und rechtlich äußerst einfache Fallgestaltung gegeben ist, bei der keinerlei weitere tatsächliche Ermittlungen anzustellen und keine weiteren Glaubhaftmachungsmittel zu beschaffen sind, und wenn zum anderen der Verfügungskläger auch durch sein sonstiges Verhalten zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist. Vorliegend handelt es sich weder um eine äußerst einfache Fallgestaltung, da das Landgericht die erlassene einstweilige Verfügung wegen des Nichteinhaltens der Vollziehungsfrist aufhob, noch sind weitere Aspekte dargetan oder ersichtlich, die demonstrieren würden, dass der Verfügungskläger das Verfahren in der Berufungsinstanz nicht mit der gebotenen Zügigkeit betreibt. Insbesondere musste sich die Verfügungsklägerin nach dem die Verfügung aufhebenden Ersturteil erstmals mit den tatsächlichen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Wahrung der Vollziehungsfrist befassen.
III. Die Beschlussverfügung wurde innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß zugestellt.
1. Nach § 929 Abs. 2, § 936 ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Arrestbefehl/das Verfügungsurteil verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt wurde, ein Monat verstrichen ist. Bei einer Anordnung durch Beschluss wird diese Frist mit dessen Amtszustellung an den Gläubiger (vgl. § 329 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 ZPO) in Gang gesetzt. In dem Falle, dass der Antragsgegner bereits einen Prozessbevollmächtigten bestellt hatte, kann wirksam nur an diesen zugestellt werden (§ 191, § 172 Abs. 1 ZPO).
Grundsätzlich liegt in dem Umstand, dass ein Anwalt eine Partei im vorgerichtlichen Abmahnverfahren vertritt, nicht automatisch eine Bestellung für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren, auch wenn vorprozessual mitgeteilt wurde, dem Anwalt sei Zustellungsvollmacht erteilt (OLG Düsseldorf, GRUR 2005, 102 – Elektronischer Haartrockner; OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 355 – Stadtkartenausschnitt). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn sich ein Prozessvertreter (nur) für das Hauptsacheverfahren angezeigt hat, im Regelfall Zustellungen im Verfügungsverfahren wirksam an die Partei selbst vorgenommen werden können (OLG Nürnberg, NJOZ 2002, 1175).
2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs genügt die nicht näher spezifizierte Mitteilung im anwaltlichen Schreiben vom 09.01.2023 nicht, damit wirksam nur an den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zugestellt werden konnte. Das Schreiben erfolgte in Reaktion auf die vorgerichtliche Abmahnung, darin wurde lediglich die (außergerichtliche) anwaltliche Vertretung der Verfügungsbeklagten und die (allgemeine) Zustellungsbevollmächtigung angezeigt.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht wegen des pauschalen Vortrags der Verfügungsbeklagten veranlasst, wonach eine Vielzahl von Parallelverfahren zwischen den Parteien bestünde, bei denen die Verfügungsbeklagte immer von den hiesigen Prozessbevollmächtigten außergerichtlich und gerichtlich vertreten worden sei. Denn der Verfügungskläger trägt unwidersprochen vor, dass es sich bei dem Streitfall um den ersten Aktivprozess handele, den er über seine Prozessbevollmächtigten gegen die hiesige Verfügungsbeklagte eingeleitet habe. Alle vorangehenden Gerichtsverfahren – darunter lediglich zwei Verfügungsverfahren – seien hingegen von der Verfügungsbeklagten eingeleitet worden. Eine tatsächliche Übung, wonach bei einer Anzeige der Bevollmächtigung in einem anwaltlichen Schreiben, die als Reaktion auf eine vorgerichtliche Abmahnung erfolgte, auch eine Prozessvertretung im gerichtlichen Verfahren einschließlich Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes umfasst ist, konnte damit nicht entstehen."
Das LG Lübeck hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass gegen Facebook
ein Anspruch auf Unterlassung der unwiderruflichen Löschung eines bereits deaktivierten Nutzerkontos bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens bestehen kann.
Aus den Entscheidungsgründen: Der Antrag war auch begründet.
a. Der Antragstellerin stand der geltend gemachte Verfügungsanspruch zu. Bis zur Erledigung des Antrages konnte sie von der Antragsgegnerin verlangen, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen, das bereits deaktivierte Nutzerkonto der Antragstellerin und die dazu gespeicherten Daten endgültig und unwiderruflich zu löschen.
Der Anspruch folgt dabei aus § 280 Abs. 1 BGB. Hiernach können die Nutzer vorbeugende vertragliche Unterlassungsansprüche gegen Plattformbetreibern wie der Antragsgegnerin geltend machen, wenn die konkrete Gefahr einer erstmaligen Rechtsverletzung in der Zukunft besteht (Erstbegehungsgefahr) und dem Rechtsinhaber nicht zugemutet werden kann, die erste rechtswidrige Beeinträchtigung abzuwarten. Der Nachweis der Erstbegehungsgefahr obliegt dabei vollumfänglich dem Anspruchsteller.
Vorliegend bestand die konkrete Gefahr der vertragswidrigen Löschung des Nutzerkontos der Antragsgegnerin samt aller dazugehöriger Daten. Dass die Gefahr einer Datenlöschung bestand, folgt bereits aus den oben geschilderten Standardabläufen bei der Antragsgegnerin. Auch nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin werden die Daten eines – wie hier – deaktivierten Kontos „nach einer bestimmten Zeit“ (sog. „Schonfrist“) unwiderruflich gelöscht.
Diese Gefahr war vorliegend auch hinreichend unmittelbar und nicht erst in entfernter Zukunft zu besorgen. Denn aus den obigen Ausführungen ergibt sich ebenfalls, dass jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters mit jedem weiteren ablaufenden Tag das Risiko anstieg, dass es unmittelbar zu einem Datenverlust kommen würde. Dies folgt aus dem Umstand, dass sich zwar an die Deaktivierung eine „Schonfrist“ anschloss, jedoch keinerlei nachvollziehbar kommunizierten Regelungen bestanden, wie lange diese Sicherheit vor Datenverlust bieten würde. Jedenfalls aus der Sicht eines objektiven Dritten musste jederzeit damit gerechnet werden, dass die – so auch in keiner Weise kommunizierte – „Schonfrist“ enden und der Prozess der endgültigen Löschung aktiviert würde. Dieser jederzeit mögliche Löschungsprozess bot sodann keinerlei zumutbare Sicherheit mehr vor Datenverlust, da dieser zwar während einer 90-tägigen Frist noch gestoppt werden kann, es allerdings unstreitig auch während dieser 90 Tage möglich ist, dass ein Versuch der Wiederherstellung fehlschlägt und zudem bereits 14 Tage nach Einleitung des Löschvorgangs es in jedem Fall schon nicht mehr möglich ist, sämtliche Kontoinformationen wiederherzustellen.
Dem kann die Antragsgegnerin auch nicht mit durchgreifendem Erfolg entgegensetzen, sie habe gar „nicht beabsichtigt“, das Nutzerkonto der Antragstellerin und die dazugehörigen Daten vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu löschen. Denn jedenfalls bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung, mithin der Reaktivierung des Kontos am 16. Januar 2023 lag keine derartige Erklärung gegenüber der Antragstellerin vor, die geeignet gewesen wäre, die aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten bis zur Erledigung bestehende Erstbegehungsgefahr (vgl. oben) zu widerlegen. Vielmehr hatte die Antragsgegnerin bis zu diesem Zeitpunkt insbesondere auch auf das anwaltliche Schreiben nur durch eine faktisch aussagefreie Standardemail reagiert. Die Erklärung, keine Löschung zu beabsichtigen erfolgte erst im innerprozessualen Schriftsatz vom 26. Januar 2023 nach Eintritt der erledigenden Ereignisses – und damit zu spät.
Soweit andere Gerichte der entsprechenden Aussage der Antragsgegnerin, sie habe nicht vorgehabt, die Daten zu löschen, streitentscheidende Relevanz zubilligten (vgl. etwa OLG Nürnberg, Beschluss vom 7.10.2022 – 3 U 2178/22 -, MMR 2023, 375) überzeugt dies das Gericht nicht. Maßgeblich für die Prüfung der Frage, ob eine konkrete Gefahr des Datenverlustes vorlag, ist die sich aus Sicht eines objektiven Dritten darbietende Gesamtsituation. Diese sprach hier aus den dargelegten Gründen für eine erhebliche Gefahrensituation. Was hingegen die Antragsgegnerin aufgrund nicht vorgetragener, bis zur Erledigung des Verfahrens auch nicht nach außen getretener und rein interner Willensbildungsprozesse „wirklich“ wollte, kann an dieser Sachlage nichts ändern – und ist daher von der Antragstellerin auch nicht zu widerlegen.
Die damit unmittelbar drohende Löschung der Daten wäre auch rechtswidrig gewesen. In der Rechtsprechung ist insoweit mittlerweile anerkannt, dass Facebook ein Nutzerkonto grundsätzlich nur in Ausnahmefällen ohne vorherige Abmahnung kündigen und sodann die Daten löschen darf (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Februar 2022 - 10 U 17/20 -, GRUR-RS 2022, 1154). Eine vorherige Abmahnung ist hier nicht erfolgt und ein Ausnahmefall liegt nicht vor. Weder kann von einer ersichtlichen Zwecklosigkeit einer Abmahnung ausgegangen werden noch liegt in dem oben dargestellten Eintrag eine derart gravierende Vertragsverletzung vor, dass eine sofortige Kündigung zulässig gewesen wäre. Insbesondere liegt auch eine Strafbarkeit des Eintrages nach § 86a StGB nicht derart auf der Hand, dass eine Kündigung ohne Abmahnung angezeigt gewesen sein könnte. § 86a StGB ist nicht einschlägig, wenn ein Hakenkreuz in einem Kontext dargestellt wird, aus dem sich die Gegnerschaft zu der zugrundeliegenden Ideologie ergibt (BeckOK StGB/Ellbogen, 57. Ed. 1.5.2023, StGB § 86a Rn. 32-35). Dies ist vorliegend jedenfalls nicht fernliegend, da sich aus dem Text unter dem verwendeten Foto ergibt, dass die Antragsgegnerin die abgebildete Fahne als für die Abgebildeten gerade diskreditierend wahrnimmt – sich selbst mithin in Gegnerschaft zu diesen stellt.
b. Es lag auch bis zum Zeitpunkt der Erledigung der für den Erlass der Anordnung erforderliche Verfügungsgrund vor.
Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung der Antragstellerin mittels des im Hauptsacheprozess erlangten Urteils einschließlich dessen Vollstreckung vereitelt oder erschwert werden könnte. Dies ist hier der Fall gewesen, da – wie sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt – jederzeit und mit im Zeitverlauf steigendem Risiko mit der unwiderruflichen Löschung der Daten gerechnet werden musste. Ein zeitaufwändiges Hauptsacheverfahren hätte keinesfalls mit der hinreichenden Aussicht auf Bewahrung der Daten vor Löschung betrieben werden können.
Einen Fall der Selbstwiderlegungen vermag das Gericht im Übrigen nicht zu erkennen. Ein solcher liegt nach der einschlägigen Rechtsprechung vor, wenn die Antragstellerin nach Eintritt der Gefährdung mit dem Antrag zuwartet. Wie lange die Antragstellerin dabei ohne Rechtsverlust mit dem Antrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des Einzelfalls ab. Für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wird in der Regel ein Zuwarten von einem Monat noch akzeptiert, während zwei Monate dringlichkeitsschädlich sind. Ähnliche Zeiträume werden bei Ansprüchen nach dem UrhG in der Rechtsprechung angenommen und bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen (vgl. MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 19-21).
Bei der Bemessung des hier angemessenen Zeitraumes, der vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ohne Rechtsverlust verstreichen kann, kommt der Antragstellerseite vorliegend ein Einschätzungsspielraum zu. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerseite zwar einerseits vorgerichtliche Abhilfemöglichkeiten anbietet (vgl. oben), die Nutzerinnen und Nutzer dann jedoch sehr weitgehend im Unklaren lässt, wie, wann und ob überhaupt hierauf reagiert wird. Hinzukommt zudem, dass keine nachvollziehbaren Informationen vorgehalten werden, wie lange die persönlichen Daten nach einer Deaktivierung des Kontos noch vor einer Löschung „sicher“ sind und wann der Löschungsprozess eingeleitet wird. In der Zusammenschau befinden sich die Nutzerinnen und Nutzer daher in der paradoxen und individuell auch nicht auflösbaren Situation, einerseits nicht zu früh – nämlich vor Ausschöpfung der plattformeigenen Abhilfemöglichkeiten - gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen zu sollen, andererseits hierauf keine Reaktion zu erhalten und im Hinblick auf die unklare Dauer der Schonfrist und des Beginn des Löschungsprozesses auch nicht zu wissen, wann die gerichtliche Inanspruchnahme „zu spät“ sein könnte.
Vor diesem Hintergrund hat das Gericht keinerlei Bedenken hinsichtlich der hier von der Antragstellerin gewählten zeitlichen Ablaufs, der eine angemessene und vernünftige Reaktion auf die aufgezeigte Gemengelage darstellt und daher nicht zu einem Rechtsverlust führen kann. Zwar verstrichen hier zwischen der gefahrbegründenden Deaktivierung des Kontos bis zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ca. 7 Wochen. Dies geschah jedoch nicht durch reine Passivität der Antragstellerin, sondern ist die Folge der sinnvollen und angemessenen Nutzung der plattformeigenen Meldewege, die die Antragstellerin zu nutzen versuchte, wobei Verzögerungen vor allem dadurch eintraten, dass die Antragsgegnerin auf die Anschreiben nicht bzw. nicht angemessen einzelfallbezogen reagierte.
Die Deaktivierung erfolgte hier am 11. November 2021. Hierauf nutzte die Antragstellerin zunächst die plattformeigenen Wege der Beanstandung und wartete vernünftigerweise die Reaktion bis Ende November 2021 ab. Als keine Reaktion erfolgte, wandte sie sich Anfang Dezember an den Prozessbevollmächtigten, der sich – was ebenfalls nicht zu beanstanden ist – zunächst mit Schreiben vom 9. Dezember außergerichtlich an die Antragstellerin wandte und nun seinerseits ca. 3 angemessene Wochen auf substantielle Antwort abwartete – die nicht erfolgte. Im Anschluss stellte die Antragstellerin unverzüglich Antrag auf Erlass der begehrten Maßnahme bei Gericht.
Die Kosten waren im Rahmen des richterlichen Ermessens nach § 91 a ZPO auch nicht aus anderen Gründen den Klägern aufzuerlegen.
Das Gericht legt den Streitwert auf 10.000 EUR fest. Hierbei geht es davon aus, dass der Streitwert in einem Hauptsacheverfahren wegen der Löschung eines Facebook-Kontos und damit einhergehend aller dort enthaltenen Freundschaftsverbindungen, Follower, Posts etc. ein Streitwert von vorliegend 10.000 EUR angemessen erscheint. Hiervon hat das Gericht vorliegend keinen weiteren Abschlag vorgenommen, da Gegenstand des hiesigen Verfahrens zwar nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung war, dessen Anlass jedoch die Befürchtung endgültigen Datenverlustes war, so dass insoweit kein erheblicher Unterschied zwischen Hauptsachestreitwert und Streitwert des einstweiligen Anordnungsverfahrens besteht (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. August 2022 - 4 W 40/22 -, Juris).
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG regelmäßig dringlich gemäß §§ 935, 940 ZPO sind und im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden können. Allerdings entfällt die Dringlichkeit wenn der ungesicherte Antragsteller bzw. seine Verfahrensbevollmächtigten im Berufungsverfahren eine Fristverlängerung beantragen.
Aus den Entscheidungsgründen: Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG zwar nicht, die Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG ist nicht analog anwendbar. Bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund jedoch regelmäßig aus der Sache selbst.
a) Der Senat schließt sich der Rechtsmeinung an, die eine analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG auf Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG mangels planwidriger Regelungslücke ablehnt (vgl. MüKoUWG/Krbetschek, 3. Aufl. 2022, GeschGehG § 6 Rn. 40; OLG München, GRUR-RR 2019, 443 Rn. 14 – Medizinisches Fachpersonal). Denn der Gesetzgeber dehnte die Dringlichkeitsvermutung anlässlich der Übernahme der §§ 17-19 UWG a.F. in das am 26.4.2019 in Kraft getretene GeschGehG in Kenntnis dieser Spezialregel nicht auf dieses Gesetz aus. Vielmehr führte er aus, dass es – soweit keine speziellen Bestimmungen für die Geltendmachung der dort vorgesehenen Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz getroffen wurden – bei den allgemeinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen verbleibe (Begründung zum RegE vom 04.10.2018, BT-Drs. 19/4724, S. 34). Daraus ergibt sich, dass er im GeschGehG bewusst von spezifischen Regelungen zum Verfügungsverfahren absah, während er mit Wirkung zum 14.01.2019 – also im engen zeitlichen Zusammenhang zum hiesigen Gesetzgebungsverfahren – eine Dringlichkeitsvermutung in Kennzeichensachen einführte (§ 140 Abs. 3 MarkenG).
b) Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an. Denn bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich die Dringlichkeit regelmäßig aus der Natur der Sache.
Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf. Notwendig ist eine einzelfallorientierte Interessenabwägung. Dabei ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen: Das Interesse des Verfügungsklägers muss die Nachteile eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2019, 64 Rn. 13 – CurryWoschdHaus).
Bei einer Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses ergibt die Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen, dass regelmäßig der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund zu bejahen ist. Denn ein Geschäftsgeheimnis wird grundsätzlich vor allem dadurch geschützt, dass es Dritten nicht zugänglich gemacht wird, weil es sonst den Charakter eines Geheimnisses verliert. Vor diesem Hintergrund verlangt die Rechtsordnung in der Regel bei einer eingetretenen Verletzung nach einer dringlichen Untersagungsverfügung. Die Dringlichkeit ist somit auf eine gewisse Weise dem Geheimnisschutz inhärent (BeckOK GeschGehG/Spieker, 15. Ed. 15.03.2020, GeschGehG § 6 Rn. 46).
2. Der somit im vorliegenden Fall grundsätzlich zu bejahende Verfügungsgrund fehlt wegen Selbstwiderlegung, da die Verfügungsklägerin durch ihr Verhalten selbst zu erkennen gegeben hat, dass es ihr nicht eilig ist. Die erforderliche Interessenabwägung aller Umstände des Einzelfalles ergibt im Streifall, dass die Verfügungsklägerin das Berufungsverfahren nicht in der erforderlichen Zügigkeit betrieben hat und deswegen die Dringlichkeit entfallen ist.
a) Es besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass der Verfügungsgrund wegen Selbstwiderlegung fehlt, wenn der Verfügungskläger nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag eine längere Zeit zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt, weil er damit zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist. Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der noch ungesicherte Verfügungskläger sich mit der Begründung der Berufung nicht beeilt, sondern die gesetzlich eingeräumte zweimonatige Begründungsfrist verlängern lässt und auch diese Frist vollständig ausschöpft. Hierbei handelt es sich um allgemeine Grundsätze, die nicht nur für Unterlassungsansprüche aus dem UWG gelten, sondern auch für solche, die auf Anspruchsgrundlagen aus dem BGB oder anderen Gesetzen gestützt werden (OLG Nürnberg, GRUR 1987, 727; OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.11.2017 – 3 U 1206/17, BeckRS 2017, 153630, Rn. 12).
Dabei muss sich der Verfügungskläger Verzögerungen, die durch seinen Prozessbevollmächtigten verursacht werden, gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Dieser hat die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grundsätzlich weder auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung noch auf Urlaub berufen (OLG München, WRP 2021, 1622 Rn. 7). Bei einem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bringt der Berufungsführer zum Ausdruck, dass er eine mit der Bewilligung der beantragten Fristverlängerung einhergehende Verfahrensverlängerung in Kauf nimmt und ihm die Sache nicht derart eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde (OLG München a.a.Ol. Rn. 10).
b) Gemessen an diesen Maßstäben ist ein Verfügungsgrund vorliegend zu verneinen.
Durch den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat im Schriftsatz vom 15.05.2023 und das Ausschöpfen dieser Frist hat die Verfügungsklägerin zu erkennen gegeben, dass sie nicht derart eilig auf das begehrte Verbot angewiesen ist, dass es ihr nicht zugemutet werden kann, ihr Rechtsschutzziel in einem Hauptsacheverfahren durchzusetzen.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfügungsklägerin den einmonatigen Fristverlängerungsantrag mit Arbeitsüberlastung ihres Prozessbevollmächtigten begründete. Der Prozessbevollmächtigte hat jedoch die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grundsätzlich nicht auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung berufen. Vielmehr ist zu erwarten, dass innerhalb eines Eilverfahrens für Vertretung zu sorgen ist oder notfalls weniger eilbedürftige Sachen zurückgestellt werden.
c) Der fehlenden Eilbedürftigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Verfügungsklägerin nicht rechtzeitig auf die Folgen einer Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist hingewiesen worden ist. Denn die Rechtsprechung zum Verlust der Dringlichkeit bei Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist als bekannt vorauszusetzen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 31; OLG Nürnberg, BeckRS 2017, 153630, Rn. 15).
Das LG Hannover hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Produktbewertungen vorliegt, wenn der Anbieter seinen Kunden für positive Bewertungen Vorteile gewährt.
Aus den Entscheidungsgründen: I. Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Unterlassung in dem tenorierten Umfang aus §§ 8 I, III, 5 I UWG.
Gemäß § 5 I UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist eine geschäftliche Handlung gemäß § 2 I Nr. 1 UWG, da sie mit den Veröffentlichungen der Bewertungen ihren Absatz fördert.
2. Das Werben mit Bewertungen, für die von der Beklagten sog. X-points gewährt wurden, ist irreführend.
Eine geschäftliche Handlung ist im Sinne von § 5 Absatz 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 89/12, GRUR 2013, 1254).
Einträge in Bewertungsportalen, die Erfahrungen von Nutzern mit einem Produkt oder einem Unternehmen wiedergeben, sind für viele Verbraucher eine überaus wichtige Informationsquelle, auch wenn sie subjektiv gefärbten positiven wie negativen Bewertungen erfahrungsgemäß mit größerer Skepsis begegnen. Jedenfalls erwarten die Verbraucher, dass der Bewerter dafür kein Entgelt bekommen hat und dass es sich auch um keine gekauften erfundenen Beiträge handelt. Ist dies der Fall, so erfüllt dies den Tatbestand des § 5 I UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 5a Rn. 7.80). Maßgebend ist nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG die Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder des durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verbrauchergruppe. Der Verkehr wird bei Produktbewertungen grds. davon ausgehen, dass diese grds. ohne Gegenleistung erstellt werden. Er mag den Bewertungen zwar nicht den gleichen Stellenwert einräumen wie redaktionellen Beiträgen, jedoch davon ausgehen, dass die Bewerter die Produkte auf Grund eines eigenen Kaufentschlusses erworben haben und nunmehr ihre Bewertung unbeeinflusst von Dritten mitteilen. Auf dieser Grundlage basiert die Idee der Produktbewertung in Verkaufsportalen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Erwartung des Verkehrs - im Gegensatz zu redaktionellen Angeboten - bei Produktbewertungen zunehmend auch auf subjektiv gefärbte positive oder negative Stellungnahmen gerichtet ist, denen er erfahrungsgemäß mit größerer Skepsis begegnet. Er wird jedenfalls weiterhin die Erwartung haben, dass der - subjektiv urteilende - Bewerter für seine Bewertung keine Gegenleistung erhalten hat und in dem Sinne authentisch ist, dass sie eben nicht "gekauft" ist (vgl. OLG Frankfurt WRP 2019, 643 [OLG Frankfurt am Main 22.02.2019 - 6 W 9/19] Rn 27). Auch wenn das Entgelt gering ist, ist davon auszugehen, dass die Rezensenten die Bewertung nicht allein um der Sache willen abgegeben haben (vgl. OLG Düsseldorf ZVertriebsR 2022, 262 Rn 31).
So liegen die Dinge hier. Die Bewertungen sind hier zumindest teilweise nicht frei und unabhängig abgegeben worden. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bewertungen nur deshalb abgegeben wurde, weil die Bewerter durch X-points belohnt wurden. Es liegt auch auf der Hand, dass solche Bewertungen eher positiv ausfallen. Es ist damit zwar keine bezahlte Empfehlung im Wortsinn gegeben. Gleichwohl sind die Bewertungen nicht als objektiv anzusehen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 20. August 2020 - 6 U 270/19 -, Rn. 27, juris).
3. Schließlich fehlt es auch nicht an der notwendigen geschäftlichen Relevanz. Das Veröffentlichen der Bewertungen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Produktbewertungen, bei denen für den Verkehr erkennbar ist, dass der Rezensent eine Gegenleistung erhalten hat, werden vom Verkehr anders gewürdigt werden als Bewertungen, bei denen der Rezensent für das Produkt bezahlt hat (OLG Frankfurt MMR 2019, 313 [OLG Frankfurt am Main 22.02.2019 - 6 W 9/19] Rn. 25-29, beck-online). Die Rezensenten bekamen für ihre Teilnahme eine wenn auch kleine Belohnung in Form der X-points. Daraus folgt zwangsläufig, dass sie bei der Abgabe ihrer Bewertung nicht frei von sachfremden Einflüssen sind. Es bestand die konkrete Gefahr, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Teilnehmer an dem Programm sich, beeinflusst von der Belohnung, veranlasst sahen, ein Produkt positiver zu bewerten als dies ihrer tatsächlichen Meinung entspricht (vgl. OLG Frankfurt ZVertriebsR 2022, 262 Rn. 28-33, beck-online).
4. Der uneingeschränkt gestellte Antrag ist jedoch insoweit nicht begründet, als mit seiner umfassenden Formulierung der Beklagten auch Verhaltensweisen verboten werden, die ihr erlaubt sind. Denn die umfassend beantragte Untersagung verböte auch die Verwendung der Bewertungen, wenn die Beklagte deutlich kenntlich macht, dass es sich insoweit um Bewertungen handelt, für die X-points als finanzieller Vorteil vergeben wurden. Die Einschränkung des Unterlassungsgebots ist daher im Urteil auszusprechen. Der Antrag ist auch durch die Formulierung "wie geschehen auf der Homepage der Beklagten in dem Zeitraum 13.11.2013 bis zum 13.07.2017" nicht auf die konkrete Verletzungsform beschränkt. Denn diese Bezugnahme bezieht sich nicht auf die Werbung unter Bezugnahme auf die Bewertungen in diesem Zeitraum, sondern auf das in diesem Zeitraum von der Beklagte unterhaltene X-point-System. Da mithin der Unterlassungsantrag abstrakt gefasst ist, muss diese Einschränkung in den Tenor aufgenommen werden, um zu vermeiden, dass auch erlaubte Verhaltensweisen vom Verbot erfasst werden (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2002 - I ZR 317/99 -, Rn. 34, juris).
5. Der Unterlassungsanspruch ist nicht gemäß § 11 UWG verjährt.
Im vorliegenden Fall hat die Verjährungsfrist noch nicht zu laufen begonnen, da es sich um eine Dauerhandlung handelt, von der eine fortwährende von der Beklagten aufrecht erhaltene Störung ausgeht. Da der Eingriff noch fortdauert, kann die Verjährung des Unterlassungsanspruchs nicht beginn (vgl. BGH GRUR 2003, 448 [BGH 27.02.2003 - I ZR 25/01]). Denn auch wenn das X-point-System nicht mehr existiert, verwendet die Beklagte weiterhin auch Bewertungen, für die X-points vergeben worden sind.
II. Da die Klage auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage im Hauptantrag begründet ist, sind der Beklagten gemäß § 890 Abs. 2 ZPO die in § 890 Abs. 1 ZPO genannten Ordnungsmittel anzudrohen.
III. Der Kläger hat sowohl einen Anspruch auf Zahlung der Kostenpauschale in Höhe von 294 EUR als auch auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus § 12 II UWG a.F.
Nach § 12 I 2 UWG kann ein zur Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs Berechtigter, der nach § 12 I 1 UWG vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens den Schuldner abmahnen und ihm Gelegenheit geben soll, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen, die dafür erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Eine Abmahnung ist berechtigt iSv § 12 I 2 UWG, wenn sie begründet ist, ihr also ein materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zugrunde liegt, und sie außerdem wirksam sowie erforderlich ist, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (vgl. BGH GRUR 2019, 82 Rn. 24 = WRP 2019, 68 [BGH 31.10.2018 - I ZR 73/17] - Jogginghosen, mwN). Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeblich (vgl. nur BGH GRUR 2020, 886 [BGH 23.04.2020 - I ZR 85/19] Rn. 26 = WRP 2020, 1017 - Preisänderungsregelung).
Maßstab für die Höhe des Aufwendungsersatzes ist die Erforderlichkeit, vergleichbar der Notwendigkeit der Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in § 91 I 1 ZPO. Ob Aufwendungen erforderlich sind, bestimmt sich nach den Verhältnissen des jeweiligen Gläubigers (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 13 Rn. 116). So können -neben der Kostenpauschale- etwa auch Detektivkosten ersatzfähig sein, sofern diese erforderlich sind, einen konkreten Verdacht eines Wettbewerbsverstoßes zu erhärten, um so ein Verfahren vorzubereiten (MüKoUWG/Ottofülling, 3. Aufl. 2022, UWG § 13 Rn. 282, 296).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind dem Kläger auch die Sachverständigenkosten zuzusprechen. Es bestand ein konkreter Verdacht eines Wettbewerbsverstoßes, zu dessen Vorbereitung die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich war, um die Bewertungen auszuwerten und den Verdacht zu konkretisieren. Konkrete Einwendungen gegen die Höhe der Kosten, die die Kammer gemäß § 287 ZPO für angemessen hält, werden nicht erhoben.
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass ein sofortige Beschwerde des Antragstellers ohne Begründung die Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung entfallen lässt.
Aus den Entscheidungsgründen: Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO). Eine Begründung der Beschwerde ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Antragstellerin fehlt für die begehrte einstweilige Verfügung der Verfügungsgrund, weshalb es dahinstehen kann, ob ihr der geltend gemachte Anspruch zusteht.
Eine Dringlichkeitsvermutung besteht für die geltend gemachten Ansprüche nicht, weshalb der Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens einer besonderen Rechtfertigung bedarf (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.10.2018 – 3 W 1932/18, juris-Rn. 15 – CurryWoschdHaus). Ein dabei maßgebliches Kriterium ist das Zeitmoment: Der Antragsteller bzw. sein Prozessbevollmächtigter hat alles in seiner Macht stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Daher besteht der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht, wenn der Antragsteller mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet oder das Verfahren nicht zügig, sondern schleppend betreibt und damit selbst zu erkennen gibt, dass es ihm mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.10.2022 – 3 U 2178/22, juris-Rn. 10 – Kontolöschung).
Im vorliegenden Fall ergibt eine Gesamtschau der maßgeblichen Umstände, dass der Verfügungsgrund aufgrund des Prozessverhaltens der Antragstellerin zu verneinen ist.
1. Zum einen ist das erstinstanzliche Verhalten der Antragstellerin zu berücksichtigen.
Nach gefestigter Rechtsprechung muss der Antragsteller durch sein prozessuales Verhalten zu erkennen geben, dass sein Begehren weiterhin dringlich ist. Dies ist mittels Gesamtbetrachtung seines Verhaltens zu eruieren. Auf einen Hinweis des Gerichts muss der Antragsteller, auch ohne Fristsetzung, so schnell wie möglich und geboten reagieren. Gesetzte Fristen sind einzuhalten (Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl. 2022, § 940 ZPO Rn. 91 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund ist es im vorliegenden Fall als dringlichkeitsschädlich anzusehen, dass die Antragstellerin – obwohl ihr mit Verfügung des Landgerichts vom 02.01.2023 aufgegeben wurde, bis zum 09.01.2023 glaubhaft zu machen, Inhaberin der gegenständlichen Domains bzw. E-Mail-Postfächer zu sein – binnen dieser gesetzten Frist kein Mittel der Glaubhaftmachung einreichte. Mit Schriftsatz vom 09.01.2023 kündigte sie lediglich an, eine eidesstattliche Versicherung des Herrn A. nachzureichen. Diese ging jedoch erst nach Fristablauf, mithin am 10.01.2023, beim Erstgericht ein. Eine Berücksichtigung durch das Landgericht konnte nicht mehr erfolgen, da ausweislich der Verfügung der Vorsitzenden Richterin vom 11.01.2023 der Beschluss vom 10.01.2023 bereits vor Kenntnisnahme erlassen worden war.
2. Zum anderen ist in die Gesamtwürdigung das Verhalten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren einzustellen.
a) Die Pflicht zur zügigen Rechtsverfolgung setzt sich für den in erster Instanz unterlegenen Antragsteller in der Beschwerde- oder Berufungsinstanz fort.
So muss der noch ungesicherte Verfügungskläger im Berufungsverfahren den geltend gemachten Anspruch zügig weiterverfolgen. Ihm ist es daher jedenfalls zuzumuten, eine eingelegte Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (OLG München, Urteil vom 30.06.2016 – 6 U 531/16, juris-Rn. 95) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge das Verfahren zu verzögern (OLG Dresden, Beschluss v. 25.07.2019, 4 U 1087/19, juris-Rn. 2). Gleiches gilt für einen Terminsverlegungsantrag (OLG München, Beschluss vom 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, juris-Rn. 8).
Gleiches kann bei der Nichtbegründung einer Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist gelten. Zwar ist die Beschwerde – wenn sie nicht begründet wird – gleichwohl zulässig. Sie soll jedoch nach § 571 Abs. 1 ZPO begründet werden. Es entspricht daher einer sachgerechten Prozessführung, dem Rechtsmittelgericht gegenüber zeitnah zum Ausdruck zu bringen, aus welchen Gründen die Entscheidung angefochten wird (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2013 – 11 W 13/13, juris-Rn. 20). Auch das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet und ob es ihr dementsprechend abhilft. Dies setzt in aller Regel – angesichts der vorangegangenen ablehnenden Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts – eine Beschwerdebegründung voraus (KG Berlin, Beschluss vom 20.09.2016 – 5 W 147/16, juris-Rn. 9). Insbesondere bei einem Rechtsmittelführer, der den Weg des einstweiligen Verfügungsverfahrens eingeschlagen hat, legt eine sachgerechte Prozessführung es nahe, die Beschwerdebegründung innerhalb der Beschwerdefrist oder jedenfalls im engen zeitlichen Zusammenhang mit ihr einzureichen (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2013 – 11 W 13/13, juris-Rn. 20).
b) Im vorliegenden Fall ergibt eine Gesamtschau der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, dass die Nichtbegründung der Beschwerde als dringlichkeitsschädlich anzusehen ist.
Das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet (was in aller Regel eine Beschwerdebegründung voraussetzt) und ihr dementsprechend abhilft. Auf diese Weise kann im Eilverfahren der Beschwerdeführer auf raschem Wege zu seinem Ziel – Erlass der zunächst abgelehnten einstweiligen Verfügung – gelangen, ist doch das Erstgericht bereits in den Fall eingearbeitet, kennt die Akten und vermag schnell zu beurteilen, ob und ggf. dass die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe durchgreifen und die Verfügung nunmehr zu erlassen ist. Dieser Möglichkeit des schnellstmöglichen Erreichens des Rechtsschutzziels hat sich die Antragstellerin begeben, indem sie dem Landgericht die Gründe ihrer Beschwerde vorenthalten hat (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 04.04.2008 – 5 W 51/08, juris-Rn. 7).
Auch gegenüber dem Senat entspricht es den Interessen des Rechtsmittelführers, der die Überprüfung im Rechtsmittelweg beantragt, dass er dem überprüfenden Gericht gegenüber zum Ausdruck bringt, was er an der angefochtenen Entscheidung beanstandet (vgl. Heßler, in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 571 Rn. 1). Dass die Antragstellerin – entgegen dieses Eigeninteresses – keine Beschwerdebegründung einreichte, zeigt, dass es der Antragstellerin mit der Erreichung ihres Rechtsschutzziels nicht (mehr) eilig ist.
Erschwerend kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass die Antragstellerin im Beschwerdeschriftsatz angab, dass sie zur Begründung ihrer Anträge mit gesondertem Schriftsatz ausführen werde. Die Antragstellerin sah daher im vorliegenden Fall selbst die Notwendigkeit, zum Ausdruck zu bringen, aus welchen Gründen die Entscheidung angefochten wird.
Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Senat mit Verfügung vom 09.02.2023 beiden Parteien Gelegenheit gab, bis 24.02.2023 zur Beschwerde Stellung zu nehmen. Die Antragsgegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Eine Begründung der Beschwerde durch die Antragstellerin ging dagegen nicht ein.
Ein Anlass für die Nichteinreichung der Begründung und die damit entstandene Verzögerung ist von der Antragstellerin nicht dargetan.
Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass eine Unionsmarke bestehend aus einem stilisierten "S" durch ein abgeschnittenes "S" bei hochgradiger Warenähnlichkeit verletzt wird. Vorliegend ging es um Sportschuhe.
Aus den Entscheidunsggründen: Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit besteht; er wird gemäß § 140 Abs. 3 Markengesetz in Verbindung mit Artikel 129 Abs. 2 UMV vermutet. Überdies hat die Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherung ihres Syndikus A glaubhaft gemacht, erst Anfang April 2021 Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt zu haben. Wie bereits im Senatsbeschluss vom 2.9.2021 ausgeführt, rechtfertigt es das Vorbringen der Antragsgegnerin nicht, an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung zu zweifeln. Ausgehend von einer Kenntniserlangung Anfang April 2021 hat die Antragstellerin alsbald nach Kenntniserlangung ihren Eilantrag - am 30.4.2021 - bei Gericht eingereicht.
B) Es besteht auch ein Verfügungsanspruch.
Der auf die Verletzung der Unionsbildmarke UM 003867579 gestützte Unterlassungsanspruch folgt aus Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV.
1. Die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Nichtbenutzung (Art. 18 UMV) greift nicht durch. Die Antragsgegnerin beanstandet in diesem Zusammenhang, die - insoweit darlegungsbelastete - Antragstellerin habe keine Benutzungsnachweise vorgelegt, ausweislich derer sie die Verfügungsmarke - stilisiertes „S“ vor schwarzem, quadratischen Hintergrund - benutze. Mit dieser Argumentation kann die Antragsgegnerin nicht durchdringen. Der kennzeichnende Charakter der Marke wird durch das stilisierte „S“, nicht aber durch das schwarze Quadrat im Hintergrund bestimmt. Deshalb sieht der Verkehr in der benutzten Form des stilisierten „S“ ohne ein schwarzes Quadrat im Hintergrund dieselbe Marke (auf dieses Kriterium abstellend: BGH GRUR 2009, 772 - Augsburger Puppenkiste).
2. Zwischen dem angegriffenen Zeichen und der Verfügungsmarke besteht Verwechslungsgefahr.
a) Die Markenrechtsrichtlinie überlässt die Art und Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr dem nationalen Recht (16. Erwägungsgrund a.E.).
Ob von einer Verwechslungsgefahr auszugehen ist, ist nach deutschem Rechtsverständnis eine Rechtsfrage (Bornkamm/Kochendörfer, FS 50 Jahre Bundespatentgericht, S. 533 m. zahlr. Nachw.). Das gilt in gleicher Weise für die Hauptkriterien für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, also die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit und die Zeichenähnlichkeit. Für die Verwechslungsgefahr ist es deshalb nicht maßgeblich, ob es bei den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich zu Verwechslungen kommt (Bornkamm/Kochendörfer, a.a.O., S. 534). Die Zuerkennung eines weiten Schutzbereichs für besonders kennzeichnungskräftige Marken etwa lässt sich aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht begründen, weil die empirische Verwechslungsgefahr hier eher abnimmt (Ströbele/Hacker/Thiering MarkenG 13. Aufl., § 9 Rn 20).
b) Es besteht Warenidentität. Die Verfügungsmarke ist für Schuhwaren eingetragen. Die Antragstellerin nutzt sie für Lifestyle-Schuhe wie aus Anlage AST1 ersichtlich. Auch die Antragsgegnerin benutzt das angegriffene Zeichen für Schuhwaren. Zwar ist sie auf Sicherheitsschuhe spezialisiert, sie bietet aber auch sportliche Sneaker an, wie aus Anlage Ast4 (Bl. 48, 50 d.A.) ersichtlich.
c) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt hat, ist die von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke durch die von der Antragstellerin dargelegte umfangreiche Nutzung gesteigert.
Die Antragstellerin hat zwischen Juli 2016 und April 2019 in Europa, insbesondere in der EU, mehr als drei Millionen Paar Schuhe verkauft, auf denen die Verfügungsmarke aufgebracht ist. Sie vertreibt die Schuhe innerhalb der EU über Vertriebspartner und über ihre eigenen Tochterunternehmen. Zu ihren Vertriebspartnern gehören in Deutschland u.a. B, C, D, E und F. Außerdem vertreibt sie die Schuhe in der EU über ihre E-Commerce Internetseiten. Damit hat die Antragstellerin einen Nutzungsumfang dargelegt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Syndikus A glaubhaft gemacht, der es rechtfertigt, von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen. Der Einwand der Antragsgegnerin, im Jahr 2019 seien in der EU mehr als 2,5 Milliarden Schuhe verkauft worden, der Marktanteil der Antragstellerin liege mithin bei nur 0,04 %, verfängt nicht. Für die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft einer Marke kommt es nicht allein auf den Marktanteil, sondern auch auf den Werbeaufwand an. Abgesehen davon ist ein Anteil von 0,04 % an einem Markt, auf dem eine Ware - hier Schuhe - milliardenfach verkauft wird, durchaus beachtlich.
Die Kennzeichnungskraft wird nicht relativiert durch den Umstand, dass zugunsten des französischen Schuhherstellers Salomon S.A.S. ebenfalls ein stilisiertes „S“ für Schuhe als Marke geschützt ist. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt:
„Zwar ist es richtig, dass durch dritte Zeichen im Ähnlichkeitsbereich eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke eintreten kann (BGH, Urteil vom 5.11.2008 - I ZR 39/06 - Stofffähnchen I - Rn 32, juris). Eine solche Schwächung stellt aber einen Ausnahmetatbestand dar. Sie setzt voraus, dass die Drittzeichen im Bereich der gleichen Branche oder eng benachbarter Branchen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen in einem Umfang tatsächlich in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Zeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (BGH, a.a.O.). Derartiges hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Sie hat sich lediglich auf eine weitere Marke berufen, die ebenfalls ein stilisiertes „S“ darstellt. Weitere Drittkennzeichen hat sie nicht benannt. Auch wenn als zutreffend unterstellt werden kann, dass es sich bei dem Schuhhersteller Salomon um ein bekanntes französisches Unternehmen handelt, rechtfertigt diese eine Marke es nicht, anzunehmen, dass sich der Verkehr an weitere Zeichen im Ähnlichkeitsbereich gewöhnt hat, zumal die Antragsgegnerin zum Umfang der Nutzung des Salomon-S nichts vorgetragen hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dieses „S“ sich von der Verfügungsmarke dadurch unterscheidet, dass die verbindende Linie zwischen dem oberen und dem unteren Querstrich diagonal gestaltet ist und nicht horizontal, wie bei der Verfügungsmarke.“
Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Umsätze des Unternehmens Salomon insgesamt verfängt nicht, da dieses bei weitem nicht nur Schuhwaren verkauft, sondern vor allem auf dem Markt der Wintersportausrüstung tätig ist.
d) Wie der Senat ebenfalls bereits in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt hat, liegt ein Fall absoluter Zeichenunähnlichkeit nicht vor. Dass es für den Schutz der Marke grundsätzlich allein auf die eingetragene Form ankommt und außerhalb der Registereintragung liegende Umstände nicht zu berücksichtigen sind, hat der Senat in diesem Beschluss unter Verweis auf sein Urteil vom 26.10.2017 - 6 U 154/16 („notebooksbilliger.de“) bereits ausgeführt.
Bei der Verfügungsmarke handelt es sich um eine Bildmarke in Gestalt eines stilisierten „S“, die sich dadurch auszeichnet, dass drei nahezu horizontal zueinander verlaufende Querbalken oben links und unten rechts mit einer teilweise geschwungenen Linienführung miteinander verbunden sind. Das angegriffene Zeichen besteht ebenfalls aus drei Querbalken, die allerdings nur unten rechts miteinander verbunden sind. Der Senat ist nach wie vor - der Argumentation der Antragstellerin folgend - der Überzeugung, dass hierdurch beim Verkehr der Eindruck eines „abgeschnittenen“ S entsteht.
Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist keine Tatsachenfeststellung, sondern Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens (BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft; BGH, Urteil vom 3.5.2001 - I ZR 318/98 - Das Beste jeden Morgen). Dieses Erfahrungswissen kann das Gericht grundsätzlich selbst dann haben, wenn die entscheidenden Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (BGH, Urteil vom 29.3.2007, I ZR 122/04 - Bundesdruckerei, Rn 36, juris). Maßgebend ist der Eindruck eines nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs; die Bestimmung des Teils des Verkehrs, der als „nicht ganz unerheblich“ im Sinne der Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr anzusehen ist, ist normativer Art und von den Umständen des Einzelfalles abhängig (BGH, Urteil vom 19.11.1992 - I ZR 254/90 - Guldenburg, Rn 29, juris).
Im Streitfall ist davon auszugehen, dass jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Teil des Verkehrs das angegriffene Zeichen als ein „abgeschnittenes S“ wahrnimmt und gedanklich vervollständigt, indem er die oberen beiden Balken durch eine bogenförmige Linienführung verbindet und damit ein Zeichen wahrnimmt, dass der Verfügungsmarke hochgradig ähnlich ist. Für diesen Teil des Verkehrs ist die Verwechslungsgefahr evident gegeben. Um den Schutzbereich der gesteigert kennzeichnungskräftigen Verfügungsmarke nicht zu eng zu definieren, ist bereits ein vergleichsweise kleiner Teil des Verkehrs ausreichend, um als „nicht ganz unerheblich“ im Sinne der Rechtsprechung zu gelten.
Die von der Antragsgegnerin eingeholte demoskopische Erhebung der Firma G stellt diese Argumentation nicht in Frage. Grundlage der Erhebung ist eine Online-Befragung, bei der das angegriffene Zeichen isoliert auf dem Bildschirm eingeblendet wurde. Der weit überwiegende Teil der Befragten konnte mit dem Zeichen im Zusammenhang mit Schuhen nichts verbinden, nur rund 5 % erkannte in dem Zeichen ein „abgeschnittenes S“ oder gar das „SKETCHERS-Logo“. Aus den oben dargelegten Gründen vermag dieser empirische Befund die normativen Erwägungen zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht in Frage zu stellen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Teilnehmer der Online-Befragung das angegriffene Zeichen auf einem Bildschirm vor sich sahen und nicht, wie in der Realität, aufgebracht auf einem Schuh.
Die vorstehenden Erwägungen beruhen auf der Vorberatung des Senats und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zum Zeitpunkt der Vorberatung war dem Senat der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16. Mai 2022, der der Antragsgegnerin nach ihren Angaben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorlag, noch nicht bekannt.
Nur ergänzend, ohne dass es für die Entscheidung des Falles hierauf ankäme, zeigt der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16.5.2022 weitere Aspekte auf, die gegen die Aussagekraft des Parteigutachtens sprechen. So spricht die angegebene Interviewdauer von im Durchschnitt 1:58 Minuten (so das Parteigutachten, Bl. 422 d.A.) gegen eine gewissenhafte Beantwortung der gestellten Fragen.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Teilnehmer der Befragung diese möglichst schnell „abarbeiten“ wollten. Auch weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass das Parteigutachten davon ausgeht, dass die Hälfte der Bevölkerung (47,9 %) von sich aus die Abbildung nicht beschreiben und nichts damit verbinden könne. Das ergibt sich aus dem Ankreuzen der vorgegebenen Antworten bei Frage 2 „weiß nicht“ und bei Frage 3 „kann nichts dazu sagen“ und bei Frage 4 „weiß nicht/kann ich nicht näher beschreiben“. Der Personenkreis, der diese Antwortmöglichkeiten ankreuzt, unterliegt jedoch ebenfalls einer potentiellen Verwechslung der Verfügungsmarke mit dem angegriffenen Zeichen.
Der Aufbau des Fragenkatalogs bietet den Befragten durch das Setzen eines Häkchens bei der Antwort „weiß nicht/kann ich nicht näher beschreiben“ einen einfachen Ausweg, die Befragung schnell zu beenden.
e) Mit Rücksicht auf die zumindest hochgradige Warenähnlichkeit und die gesteigerte Kennzeichnungskraft, die der Verfügungsmarke zukommt, ist die vorhandene Zeichenähnlichkeit hoch genug, um zu dem Ergebnis des Bestehens einer Verwechslungsgefahr zu gelangen.
OLG Köln
Hinweisbeschluss vom 08.06.2022 6 U 220/21
Das OLG Köln hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass kein Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung vorliegt, wenn der Rechteinhaber nur gegen Franchisenehmer und nicht gegen den Franchisegeber als Quelle der Rechtsverletzung gerichtlich vorgeht.
Aus den Gründen: I. Im vorliegenden Verfügungsverfahren geht die Antragstellerin gegen einen Lizenznehmer und Franchisenehmer vor, dem vom Lizenzgeber und Franchisegeber Nutzungsrechte an Zeichnungen der Antragstellerin eingeräumt wurden. Streitig ist unter anderem, welche Rechte die Antragstellerin dem Lizenzgeber eingeräumt hat.
Der Antragsgegner eröffnete sein Geschäft am 10.04.2021. Die Antragstellerin suchte am 17.04.2021 die Filiale des Antragsgegners auf und stellte die mögliche Verletzungshandlung fest. Damit wusste die Antragstellerin, die bereits zahlreiche andere Filialen kannte, jedenfalls ab diesem Zeitpunkt, dass der Franchisegeber gegenüber dem Antragsgegner Nutzungsrechtsvereinbarungen über die streitgegenständlichen Rechte vereinbart hat.
Die Antragstellerin ließ daraufhin den Antragsgegner mit Schreiben vom 23.04.2021 abmahnen. Taggleich ließ sie auch den Franchisegeber abmahnen. Gegenüber dem Antragsgegner drohte die Antragstellerin, „sofort die geeigneten gerichtlichen Maßnahmen“ an, sollte eine Unterlassungserklärung nicht abgegeben werden. Gegenüber dem Franchisegeber, mit dem sie sich bereits seit Anfang 2021 wegen der Vielzahl an weiteren Nutzungen durch verschiedene Franchiseunternehmen in einer Auseinandersetzung über den Umfang der Nutzungsberechtigungen in Bezug auf die streitbefangenen Werke befindet, kündigte die Antragstellerin das „Bestreben einer gütlichen außergerichtlichen Bereinigung des vorliegenden Konfliktfalles“ an und kündigte die Einleitung von „geeigneten gerichtlichen Maßnahmen“ für den Fall an, dass der Franchisegeber die erbetene Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht fristgerecht abgeben werde. Die beiden Abgemahnten unterwarfen sich nicht. Weitere Abmahnungen an Franchisenehmer wurden nicht versandt. Mit dem Franchisegeber steht die Antragstellerin weiterhin in außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen. Eine einstweilige Verfügung gegen den Franchisegeber wegen der einzelnen Zeichnungen, die diesem Verfahren zugrunde liegen, hat die Antragstellerin nicht erwirkt, während sie gegen den Antragsgegner als (einzigen) Franchisenehmer in diesem Verfügungsverfahren mit Antrag vom 12.05.2021 vorgegangen ist. Gegen den Franchisegeber richtet sich lediglich das Verfahren LG Köln, 14 O 329/21 / OLG Köln, 6 U 62/22, in dem eine bestimmte Verpackung Gegenstand ist, die auch mit dem vorliegenden Verfahren angegriffen wird.
II. Vor diesem Hintergrund besteht nach dem vorläufigen Ergebnis der Vorberatung des Senats kein Verfügungsgrund (mehr).
Es stellt sich die Frage, ob ein Verfügungsgrund angenommen werden kann, nachdem die Antragstellerin zwar gegen den Antragsgegner, nicht aber gegen den Franchisegeber im Rahmen eines Verfügungsverfahrens vorgegangen ist und dies nunmehr aufgrund des langen Zuwartens auch nicht (mehr) möglich ist.
Hierzu wird auf der einen Seite vertreten, dass der Verfügungsgrund allein im Verhältnis der Parteien zueinander zu bestimmen ist (vgl. ausführlich zum Meinungsstand: Hoppe-Jänisch in GRUR 2015, 1075, mwN; s. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 21.10.2004 – 2 U 65/04, GRUR-RR 2005, 307).
Es wird allerdings auch vertreten, dass die vorstehende Argumentation zu kurz greife. Denn wenn der Berechtigte nicht gegen die Quelle einer Verletzungshandlung vorgehe, zeige er damit, dass ihm die Sache nicht eilig sei. Er schalte die Quelle nicht aus. Das OLG Frankfurt (Urteil vom 05.12.2019 – 6 U 151/19, GRUR-RR 2020, 368) führt hierzu in einem markenrechtlichen Fall folgendes aus:
Unterlässt es der Markeninhaber bewusst, gegen den Hersteller vorzugehen, kann er sich nicht mit Erfolg drauf berufen, das Vorgehen gegen ein Handelsunternehmen sei dringlich (vgl. Senat, GRUR 2015, 279). Zwar mag etwas anderes gelten, wenn ein Hersteller im Ausland ansässig ist und der Markeninhaber keine sicheren Anhaltspunkte dafür hat, dass der Hersteller das markenverletzende Angebot im Inland veranlasst hat (Senat, aaO). Solche Umstände lagen jedoch aus den genannten Gründen nicht vor, zumal auch die Antragsgegnerin zu 2 im Ausland ansässig ist.
Die letztgenannte Meinung überzeugt. Für die Frage, ob eine Dringlichkeit anzunehmen ist, kann insbesondere nicht allein auf das Verhalten des Anspruchstellers gegenüber dem Anspruchsgegner abgestellt werden. Vielmehr kann der Anspruchsteller auch durch sein sonstiges Verhalten zeigen, dass das Eilbedürfnis fehlt. Hieraus folgt, dass nicht nur eine zögerliche Verfahrensführung dringlichkeitsschädlich sein kann. Vielmehr kann jedes Verhalten des Antragstellers dringlichkeitsschädlich sein, aus welchem sich ergibt, dass ihm die Sache nicht eilig ist. Damit kann zwar nicht generell jedes Verhalten gegenüber einem Dritten für den Verlust der Dringlichkeit berücksichtigt werden. Auch gibt der Antragsteller bei Nichtvorgehen gegen einen Dritten im Ausgangspunkt lediglich zu erkennen, dass ihm ein Vorgehen gegen diesen nicht eilig ist. Allerdings kann in einem Nichtvorgehen gegen einen Dritten im Einzelfall zu erkennen sein, dass das Verfahren gegen den Antragsgegner ebenfalls nicht dringlich ist (vgl. Hoppe-Jänisch in GRUR 2015, 1075). Dies vorausgesetzt kann im Einzelfall auch darauf abgestellt werden, ob der Anspruchsteller gegen die Quelle einer möglichen Verletzungshandlung vorgegangen ist, um so einen umfassenden Rechtsschutz zu erlangen, oder ob die einstweilige Verfügung aus anderen Gründen beantragt worden ist.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, ob das Vorgehen gegen die Quelle letztlich mit vergleichbaren Prozessaussichten möglich ist. Dies kann abzulehnen sein, wenn ein Vorgehen aufgrund der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend erfolgversprechend ist, die praktische Durchsetzbarkeit fraglich ist, Probleme bei einer möglichen Vollstreckung drohen oder die Rechtsverfolgung in einem solchen Fall insgesamt weniger effektiv erscheint (vgl. Hoppe-Jänisch in GRUR 2015, 1075).
Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Sache nicht (mehr) als dringlich anzusehen. Denn gegen den Franchisegeber kann die Antragstellerin (mit Ausnahme der Verpackung) nicht mehr im Rahmen eines Verfügungsverfahrens vorgehen.
Bereits im Rahmen der Abmahnung hat die Antragstellerin gegenüber dem Franchisegeber lediglich geeignete gerichtliche Maßnahmen angekündigt, während sie gegenüber dem Antragsgegner sofortige gerichtliche Maßnahmen angedroht hat. Auch hat die Antragstellerin im Rahmen der Abmahnung gegen den Antragsgegner weitere Vergleichsgespräche erfragt, die tatsächlich stattgefunden haben. Weiter führt die Antragstellerin selbst aus, dass sie weitere Verletzungshandlungen durch den Franchisegeber erkennt und deren Fortsetzung ausdrücklich befürchtet. Diese weiteren Verletzungen hätte die Antragstellerin in erster Linie im Rahmen eines gerichtlichen Vorgehens durch ein Verfügungsverfahren gegen den Franchisegeber kurzfristig unterbinden können, zumal die Antragstellerin keinen weiteren Franchisenehmer abgemahnt hat.
Nachdem auch der Franchisegeber seinen Sitz in Deutschland hat, ist nicht ersichtlich, dass die Prozessaussichten gegen diesen geringer wären oder Probleme im Rahmen der ggf. notwendigen Vollstreckung auftreten könnten. Insbesondere wären in dem Verfahren gegen den Franchisegeber die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu klären und der Anspruch könnte effektiv durchgesetzt werden. Gründe, die darauf hindeuten würden, dass eine Vollstreckung gegen den Franchisegeber weniger aussichtsreich wären, sind nicht ersichtlich.
Soweit sich die Antragstellerin in Vergleichsverhandlungen mit dem Franchisegeber befindet, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn sie hat die Möglichkeit ungenutzt verstreichen lassen, durch ein zeitnahes Vorgehen gegen diesen in einem Eilverfahren die Nutzungen unmittelbar und einheitlich zu unterbinden. Dadurch, dass die Antragstellerin somit tatsächlich die weiteren Nutzungen nicht unterbunden hat, hat sie gezeigt, dass die einstweilige Verfügung nicht beantragt wurde, um die rechtswidrigen Nutzungen kurzfristig zu unterbinden, sondern dass sie andere Gründe hatte (vgl. OLG Frankfurt, GRUR 2015, 279).
Soweit die Antragstellerin den Franchisegeber hinsichtlich einer Verpackungsgestaltung im o.a. Verfügungsverfahren in Anspruch nimmt, führt dies ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Verhalten der Antragstellerin zeigt insgesamt, dass ihr Ziel nicht das kurzfristige Unterbinden der Nutzungen war.
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine unlautere getarnte Werbung durch Amazon vorliegt, wenn die Gesamtbewertung eines Produkts bezahlte Produktrezensionen berücksichtig, ohne dass die Nutzer über diesen Umstand und den Anteil bezahlter Bewertungen informiert werden.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Unlautere getarnte Werbung bei Berücksichtigung bezahlter Produktrezensionen innerhalb des Gesamtbewertungsergebnisses eines Produktes
Fließen in das Gesamtbewertungsergebnis für Produkte, die auf eine Verkaufsplattform angeboten werden, auch Rezensionen ein, für die an den Rezensenten ein - wenn auch geringes - Entgelt gezahlt wird, liegt unlautere getarnte Werbung vor, sofern die Berücksichtigung dieser bezahlten Rezensionen nicht kenntlich gemacht wird. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung die vom Landgericht ausgeurteilte Unterlassungsverpflichtung bestätigt.
Die Klägerin bietet im Internet die entgeltliche Vermittlung von Kundenrezensionen an. Die Kunden der Klägerin sind ausschließlich Händler auf Online-Verkaufsplattformen. Die Beklagte betreibt die Verkaufsplattform amazon.de. Die Produkte werden dort mit einem Gesamtsterne-Bewertungssystem bewertet. Die Beklagte vermittelt zudem ihren Verkaufspartnern gegen Entgelt Kundenrezensionen im Rahmen des sog. Early Reviewer Programms (i.F.: ERP). Dabei handelt es sich um Bewertungen ausländischer Rezensenten gegen Entgelt oder Gutscheine für Produkte, die zuvor auf dem US-, UK- oder Japan-Marketplace gekauft wurden. Diese Bewertungen werden auch deutschen Käufern angezeigt und fließen in das Gesamtbewertungsergebnis ein.
Die Klägerin wendet sich gegen die Veröffentlichung von ERP-Rezensionen, wenn diese Teil des Gesamtbewertungsergebnisses werden und nicht darauf hingewiesen wird, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele dieser Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind.
Die gegen die vom Landgericht ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Es liege eine unlautere getarnte Werbung vor, bestätigte das OLG. ERP-Rezensionen zu veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind, sei unlauter.
Die Berücksichtigung dieser ERP-Rezensionen - und damit auch nicht ihr Anteil - würde von der Beklagten nicht kenntlich gemacht und ergebe sich auch nicht aus den Umständen. Ob Internetnutzer damit rechneten, dass in ein Gesamtbewertungsergebnis auch immer Rezensionen einfließen, die nicht sachlich begründet sein, könne offenbleiben. Dies dürfe jedenfalls „kein Freibrief dafür sein ... , beeinflusste Rezensionen zu verwenden“, stellte das OLG klar.
Die Berücksichtigung von ERP-Rezensionen habe hier auch geschäftliche Relevanz. Die Rezensenten des ERP erhielten eine kleine Belohnung für die Abfassung der Rezension. „Daraus folgt zwangsläufig, dass sie bei Abgabe ihrer Bewertung nicht frei von sachfremden Einflüssen sind“, betont das OLG. Es bestehe vielmehr die konkrete Gefahr, dass ein nicht geringer Anteil der Teilnehmer an dem Programm sich veranlasst sehe, ein Produkt positiver zu bewerten als dies tatsächlich seiner Meinung entspreche, um weiterhin an dem Programm teilnehmen zu dürfen.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.06.2022, Az. 6 U 232/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2021, Az. 3-06 O 26/21)
Das OLG Celle hat entschieden, dass kein Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung besteht, wenn Facebook eine Kontosperre bereits aufgehoben und den gelöschten Beitrag wiederhergestellt hat.
Leitsätze des Gerichts:
1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel der Untersagung der – erneuten – Löschung eines Beitrags in einem sozialen Netzwerk und der erneuten vorübergehenden Sperre des Nutzerkontos ist ein Verfügungsgrund im Regelfall gesondert darzulegen.
2. Dies gilt insbesondere, wenn der streitgegenständliche Beitrag vom Betreiber des sozialen Netzwerks wieder eingestellt worden ist.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Verfügungskläger keinen Verfügungsgrund dargelegt bzw. glaubhaft gemacht.
a. Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich nicht substantiiert ausgeführt, dass und aus welchen Gründen er meint, den von ihm verfolgten Anspruch in einem einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgen zu können, obwohl die Verfügungsbeklagte auf Seiten 19 f. ihres Schriftsatzes vom 29. Juni 2021 (Bl. 92 f. d. A.) auf diese rechtliche Problematik hingewiesen hat. Das Vorbringen des Verfügungsklägers ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, die Voraussetzung der besonderen Dringlichkeit zu belegen.
b. Der Hinweis des Verfügungsklägers, die Einschränkung seines Rechts auf Meinungsäußerung genüge für einen Verfügungsgrund, geht fehl. Es ist gerade nicht ersichtlich, warum es für den Verfügungskläger wegen besonderer Dringlichkeit unzumutbar sein soll, die vorliegenden Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren
zu klären. Er war nie daran gehindert, sich zu äußern, sondern nur für drei Tage, dies über „Facebook“ zu tun. Seit mehr als einem Jahr hat der Verfügungskläger wieder unbeschränkten Zugang zu seinem dortigen Nutzerkonto. Da der Verfügungskläger selbst darauf abhebt, der Hinweis des Senats auf ein einstweiliges
Verfügungsverfahren sei abwegig, weil die Verfügungsbeklagte gar nicht beabsichtige, das Nutzerkonto wieder zu sperren, wird deutlich, dass das vorliegende Begehren nicht tauglicher Gegenstand für einen einstweiligen Rechtsschutz darstellt.
c. Dies gilt umso mehr, als bereits vor Zustellung der Antragsschrift im einstweiligen Rechtsschutzverfahren am 21. Juli 2021 nicht nur die vorübergehende Kontosperrung von drei Tagen bereits abgelaufen war, sondern die Verfügungsbeklagte am 8. April 2021 auch den hier streitgegenständlichen Post von sich aus
nach einer internen Überprüfung anhand der „Gemeinschaftsstandards“ wieder eingestellt hatte. Danach war dem Verfügungskläger auch die ganz konkrete, streitbefangene Meinungsäußerung auf der Plattform der Verfügungsbeklagten wieder möglich. Der Senat braucht nicht zu bewerten, ob dies auch materiellrechtlich der Annahme einer Wiederholungsgefahr entgegensteht (was zweifelhaft sein dürfte vor dem Hintergrund, dass in der Regel der einmalige Verstoß die tatsächliche Vermutung der Wiederhoungsgefahr begründet, an deren Widerlegung hohe Anforderungen zu stellen sind, vgl. nur Herrler, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. § 1004 Rn. 32 m.w.N.). Es hat jedoch erhebliche Bedeutung für die Frage, ob eine besondere Dringlichkeit für eine vorläufige Unterlassungsverfügung bis zur Entscheidung in der Hauptsache besteht. Insoweit ist zu beachten, dass die Frage der Dringlichkeit – wie sämtliche Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung – im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu beurteilen ist.
d. Der pauschal gehaltene Vortrag, es bedürfe wegen der Marktmacht der Verfügungsbeklagten grundsätzlich des Instruments des einstweiligen Rechtsschutzes, weil die Nutzer sonst gleichsam willkürlich der Entscheidung der Verfügungsbeklagten ausgesetzt seien, vorübergehend Beiträge zu löschen oder Konten zu sperren, wird dem konkreten Einzelfall nicht gerecht. Denn die Verfügungsbeklagte hat hier nicht unter dem Eindruck des Verfügungsverfahrens den Beitrag wieder eingestellt, sondern bereits (deutlich) vor Zustellung der Antragsschrift. Der Hinweis auf andere vom Bevollmächtigten des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte geführte Verfahren vermag einen Eilbedarf in diesem konkreten Rechtsstreit ebenfalls nicht zu begründen. Dies zeigt gerade auch der Hinweis des Verfügungsklägers auf die Entscheidung des Landgerichts Heilbronn vom 23. Juni 2021 (Wo 1 O 40/21). Danach differenziert die Verfügungsbeklagte erkennbar im Einzelfall, inwieweit sie auf von ihr (zunächst) beanstandete Äußerungen auf ihrer
Plattform reagiert.
e. Letztlich fehlt eine konkrete Auseinandersetzung des Verfügungsklägers mit der in den Schriftsätzen der Verfügungsbeklagten klar zum Ausdruck kommenden ursprünglichen Motivation der Verfügungsbeklagten, den Beitrag zu löschen. Im Laufe des Rechtsstreits ist hinreichend deutlich geworden, dass sich die Verfügungsbeklagte nicht an dem Textbeitrag stört („O. will in den Duden. Or else.“), sondern an dem sich hieran („anderenfalls“) anschließenden GIF, in dem eine männliche Person mit einer Pistole auf den Leser zielt. Mit seinem Antrag begehrt der Verfügungskläger jedoch gerade „isoliert“ nur eine Untersagung der Löschung des Textteils und einer darauf beruhenden Kontosperrung. Das Bild ist vom Streitgegenstand nicht umfasst. In seiner Antragsschrift erwähnt der Verfügungskläger das GIF nicht und geht auf die diesbezüglichen Einwände der Verfügungsbeklagten (zum Beispiel im Schriftsatz vom 29. Juni 2021 und in der Berufungsbegründung) nicht inhaltlich ein, sondern stellt allein darauf ab, in ihrer vorprozessualen Mitteilung über die Löschung habe die Verfügungsbeklagte nur den Textteil genannt. Letztlich geht auch der Verfügungskläger (so ausdrücklich im Schriftsatz vom 23. Januar 2022, S. 11 unter Buchstabe c = Blatt 393) davon aus, dass sich der vorliegende Einzelfall dadurch auszeichne, dass die Verfügungsbeklagte ihre rechtswidrige Löschung sogar eingeräumt habe und sich nicht gegen die Wiederherstellung des streitigen Inhalts wehre.
OLG München
Hinweisbeschluss vom 16.09.2021 29 U 3437/21 Kart
Das OLG München hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Fristverlängerungsantrag oder ein Terminverlegungsantrag des ungesicherten Antragstellers im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig dringlichkeitsschädlich ist. Dies gilt auch für Anträge im Berufungsverfahren.
Aus den Gründen:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Antragstellerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern ein Urteil des Senats. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
a) Die Berufung hat nach derzeitiger Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg. Die Zurückweisung des Verfügungsantrags durch das Landgericht ist jedenfalls deswegen zu Recht erfolgt, weil der für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht zu bejahen sein dürfte.
aa) Die nahezu einhellige Meinung behandelt den Verfügungsgrund als Zulässigkeitsvoraussetzung zur Rechtfertigung des Vorgehens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Als Prozessvoraussetzung ist sein Vorliegen von Amts wegen zu prüfen und ist der Disposition der Parteien entzogen. Fehlt dieses besondere Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Eilverfahrens, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen (Retzer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 299 m. w. N.; Senat, WRP 2020, 109 Rn. 3).
bb) Grundsätzlich hat der Antragsteller nach § 936, § 920 Abs. 2 ZPO darzulegen und glaubhaft zu machen, warum er einer Eilentscheidung über die behaupteten Ansprüche bedarf, soweit nicht im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 UWG bzw. aufgrund vergleichbarer Vorschriften eine Dringlichkeitsvermutung besteht. Unabhängig davon aber, ob ein Verfügungsgrund glaubhaft zu machen ist oder vermutet wird, ist er zu verneinen, wenn sich der Antragsteller bzw. dessen Prozessbevollmächtigter dringlichkeitsschädlich verhält (s. auch OLG Dresden, Beschluss v. 25.07.2019, 4 U 1087/19, Rn. 2, juris).
cc) Dies ist hier der Fall, denn der mit Schriftsatz vom 05.07.2021 (Bl. 73 d.A.) gestellte Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat ist - worauf der Senat mit Verfügung vom 06.09.2021 (Bl. 93 d.A.) hingewiesen hat - als dringlichkeitsschädlich anzusehen.
(i) Als dringlichkeitsschädliches Verhalten ist ein solches anzusehen, das erkennen lässt, dass es dem Antragsteller mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist (st. Rspr., vgl. die Nachweise bei Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.15), so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit all den damit zu Lasten des Antragsgegners verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und die mit dem Eilverfahren verbundene Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen beim angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint (Senat, WRP 2019, 1375 Rn. 15 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung).
(ii) Dringlichkeitsschädliche Auswirkungen auf den Verfügungsgrund entfalten dabei nicht nur Verhaltensweisen vor Antragstellung, sondern auch solche während des bereits anhängigen Verfahrens, denn die mangelnde Dringlichkeit kann sich auch aus dem prozessualen Verhalten eines Antragstellers ergeben (BVerfG, 03.04.1998, 2 BvR 415/96, Rn. 4, juris). So wirkt sich insbesondere das zögerliche Betreiben des Verfahrens nachteilig auf den Verfügungsgrund aus (vgl. Schmidt, in: Büscher, UWG, § 12 Rn. 168, 213 ff.; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.16; Retzer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 321), wobei sich der Antragsteller Verzögerungen, die durch seinen Prozessbevollmächtigten verursacht werden, gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 325; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 203). Dieser hat die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grundsätzlich weder auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung noch auf Urlaub berufen (Senat, WRP 2019, 1375 Rn. 15 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 203; einschränkend Singer, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 47 Rn. 52 a. E., 54).
(iii) Nach zutreffender Auffassung sind daher im Regelfall Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge als dringlichkeitsschädlich anzusehen (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.16), wenn sie vom noch ungesicherten Antragsteller gestellt werden. Denn mit gerichtlichen Entscheidungen, die derartigen Anträgen stattgeben, geht in aller Regel zwangsläufig eine Verfahrensverlängerung einher, mit der sich der den Fristverlängerungs-/Terminsverlegungsantrag anbringende Antragsteller zumindest konkludent einverstanden erklärt und damit zum Ausdruck bringt, dass ihm die Sache nicht derart eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde. Weil sich ein solches dringlichkeitsschädliches Verhalten mithin aus dem Antrag selbst ergibt, ist ein Verfügungsgrund folglich selbst dann zu verneinen, wenn einem derartigen Antrag seitens des Gerichts nicht entsprochen wird oder sich eine etwaige Stattgabe des Antrags im Ergebnis ausnahmsweise nicht auf die Verfahrensdauer auswirkt.
(iv) Auch im Berufungsverfahren muss der noch ungesicherte Antragsteller den geltend gemachten Anspruch zügig weiterverfolgen (vgl. Singer, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 47 Rn. 54; Voß, in: Cepl/Voß, ZPO, 2. Aufl., § 940 Rn. 90). Ihm ist es daher jedenfalls zuzumuten, eine eingelegte Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (vgl. OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 79 - Verkaufsaktion für Brillenfassungen) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge das Verfahren zu verzögern (OLG Dresden, Beschluss v. 25.07.2019, 4 U 1087/19, Rn. 2, juris).
(v) Gemessen an diesen Maßstäben dürfte ein Verfügungsgrund vorliegend zu verneinen sein. Durch den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat im Schriftsatz vom 05.07.2021 hat die Antragstellerseite zum Ausdruck gebracht, dass sie eine mit der Bewilligung der beantragten Fristverlängerung einhergehende Verfahrensverlängerung in Kauf nimmt und ihr die Sache nicht derart eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde. Dass die Antragstellerin die verlängerte Frist nicht voll ausgeschöpft hat, ist ohne Belang, da sich das dringlichkeitsschädliche Verhalten nach oben Gesagtem bereits aus der Antragstellung selbst ergibt.
Angesichts dessen greift auch der Einwand der Antragstellerin nicht, dass es nicht nahvollziehbar sei, weshalb die Antragstellerin weder nach Beantragung der Verlängerung noch im Rahmen der Bewilligung einen entsprechenden Hinweis erhalten habe, nicht, da zu diesen Zeitpunkten das dringlichkeitsschädliche Verhalten bereits erfolgt war - ungeachtet dessen, dass es insoweit ohnehin keines Hinweises bedurfte (OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 79 - Verkaufsaktion für Brillenfassungen).
dd) Soweit die Antragstellerin unter Verweis auf hiervon zum Teil abweichende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte die Zulassung der Revision beantragt, hat auch dieser Antrag im Hinblick auf § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO von vornherein keinen Erfolg.
b) Da die Berufung bereits aus diesem Grund erfolglos bleiben dürfte, kann dahinstehen, ob der Verfügungsgrund auch aus anderen Gründen zu verneinen ist und ob ein Verfügungsanspruch gegeben ist.