Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass ein sofortige Beschwerde des Antragstellers ohne Begründung die Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung entfallen lässt.
Aus den Entscheidungsgründen: Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO). Eine Begründung der Beschwerde ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Antragstellerin fehlt für die begehrte einstweilige Verfügung der Verfügungsgrund, weshalb es dahinstehen kann, ob ihr der geltend gemachte Anspruch zusteht.
Eine Dringlichkeitsvermutung besteht für die geltend gemachten Ansprüche nicht, weshalb der Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens einer besonderen Rechtfertigung bedarf (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.10.2018 – 3 W 1932/18, juris-Rn. 15 – CurryWoschdHaus). Ein dabei maßgebliches Kriterium ist das Zeitmoment: Der Antragsteller bzw. sein Prozessbevollmächtigter hat alles in seiner Macht stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Daher besteht der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht, wenn der Antragsteller mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet oder das Verfahren nicht zügig, sondern schleppend betreibt und damit selbst zu erkennen gibt, dass es ihm mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.10.2022 – 3 U 2178/22, juris-Rn. 10 – Kontolöschung).
Im vorliegenden Fall ergibt eine Gesamtschau der maßgeblichen Umstände, dass der Verfügungsgrund aufgrund des Prozessverhaltens der Antragstellerin zu verneinen ist.
1. Zum einen ist das erstinstanzliche Verhalten der Antragstellerin zu berücksichtigen.
Nach gefestigter Rechtsprechung muss der Antragsteller durch sein prozessuales Verhalten zu erkennen geben, dass sein Begehren weiterhin dringlich ist. Dies ist mittels Gesamtbetrachtung seines Verhaltens zu eruieren. Auf einen Hinweis des Gerichts muss der Antragsteller, auch ohne Fristsetzung, so schnell wie möglich und geboten reagieren. Gesetzte Fristen sind einzuhalten (Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl. 2022, § 940 ZPO Rn. 91 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund ist es im vorliegenden Fall als dringlichkeitsschädlich anzusehen, dass die Antragstellerin – obwohl ihr mit Verfügung des Landgerichts vom 02.01.2023 aufgegeben wurde, bis zum 09.01.2023 glaubhaft zu machen, Inhaberin der gegenständlichen Domains bzw. E-Mail-Postfächer zu sein – binnen dieser gesetzten Frist kein Mittel der Glaubhaftmachung einreichte. Mit Schriftsatz vom 09.01.2023 kündigte sie lediglich an, eine eidesstattliche Versicherung des Herrn A. nachzureichen. Diese ging jedoch erst nach Fristablauf, mithin am 10.01.2023, beim Erstgericht ein. Eine Berücksichtigung durch das Landgericht konnte nicht mehr erfolgen, da ausweislich der Verfügung der Vorsitzenden Richterin vom 11.01.2023 der Beschluss vom 10.01.2023 bereits vor Kenntnisnahme erlassen worden war.
2. Zum anderen ist in die Gesamtwürdigung das Verhalten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren einzustellen.
a) Die Pflicht zur zügigen Rechtsverfolgung setzt sich für den in erster Instanz unterlegenen Antragsteller in der Beschwerde- oder Berufungsinstanz fort.
So muss der noch ungesicherte Verfügungskläger im Berufungsverfahren den geltend gemachten Anspruch zügig weiterverfolgen. Ihm ist es daher jedenfalls zuzumuten, eine eingelegte Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (OLG München, Urteil vom 30.06.2016 – 6 U 531/16, juris-Rn. 95) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge das Verfahren zu verzögern (OLG Dresden, Beschluss v. 25.07.2019, 4 U 1087/19, juris-Rn. 2). Gleiches gilt für einen Terminsverlegungsantrag (OLG München, Beschluss vom 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, juris-Rn. 8).
Gleiches kann bei der Nichtbegründung einer Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist gelten. Zwar ist die Beschwerde – wenn sie nicht begründet wird – gleichwohl zulässig. Sie soll jedoch nach § 571 Abs. 1 ZPO begründet werden. Es entspricht daher einer sachgerechten Prozessführung, dem Rechtsmittelgericht gegenüber zeitnah zum Ausdruck zu bringen, aus welchen Gründen die Entscheidung angefochten wird (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2013 – 11 W 13/13, juris-Rn. 20). Auch das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet und ob es ihr dementsprechend abhilft. Dies setzt in aller Regel – angesichts der vorangegangenen ablehnenden Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts – eine Beschwerdebegründung voraus (KG Berlin, Beschluss vom 20.09.2016 – 5 W 147/16, juris-Rn. 9). Insbesondere bei einem Rechtsmittelführer, der den Weg des einstweiligen Verfügungsverfahrens eingeschlagen hat, legt eine sachgerechte Prozessführung es nahe, die Beschwerdebegründung innerhalb der Beschwerdefrist oder jedenfalls im engen zeitlichen Zusammenhang mit ihr einzureichen (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2013 – 11 W 13/13, juris-Rn. 20).
b) Im vorliegenden Fall ergibt eine Gesamtschau der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, dass die Nichtbegründung der Beschwerde als dringlichkeitsschädlich anzusehen ist.
Das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet (was in aller Regel eine Beschwerdebegründung voraussetzt) und ihr dementsprechend abhilft. Auf diese Weise kann im Eilverfahren der Beschwerdeführer auf raschem Wege zu seinem Ziel – Erlass der zunächst abgelehnten einstweiligen Verfügung – gelangen, ist doch das Erstgericht bereits in den Fall eingearbeitet, kennt die Akten und vermag schnell zu beurteilen, ob und ggf. dass die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe durchgreifen und die Verfügung nunmehr zu erlassen ist. Dieser Möglichkeit des schnellstmöglichen Erreichens des Rechtsschutzziels hat sich die Antragstellerin begeben, indem sie dem Landgericht die Gründe ihrer Beschwerde vorenthalten hat (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 04.04.2008 – 5 W 51/08, juris-Rn. 7).
Auch gegenüber dem Senat entspricht es den Interessen des Rechtsmittelführers, der die Überprüfung im Rechtsmittelweg beantragt, dass er dem überprüfenden Gericht gegenüber zum Ausdruck bringt, was er an der angefochtenen Entscheidung beanstandet (vgl. Heßler, in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 571 Rn. 1). Dass die Antragstellerin – entgegen dieses Eigeninteresses – keine Beschwerdebegründung einreichte, zeigt, dass es der Antragstellerin mit der Erreichung ihres Rechtsschutzziels nicht (mehr) eilig ist.
Erschwerend kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass die Antragstellerin im Beschwerdeschriftsatz angab, dass sie zur Begründung ihrer Anträge mit gesondertem Schriftsatz ausführen werde. Die Antragstellerin sah daher im vorliegenden Fall selbst die Notwendigkeit, zum Ausdruck zu bringen, aus welchen Gründen die Entscheidung angefochten wird.
Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Senat mit Verfügung vom 09.02.2023 beiden Parteien Gelegenheit gab, bis 24.02.2023 zur Beschwerde Stellung zu nehmen. Die Antragsgegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Eine Begründung der Beschwerde durch die Antragstellerin ging dagegen nicht ein.
Ein Anlass für die Nichteinreichung der Begründung und die damit entstandene Verzögerung ist von der Antragstellerin nicht dargetan.
Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass eine Unionsmarke bestehend aus einem stilisierten "S" durch ein abgeschnittenes "S" bei hochgradiger Warenähnlichkeit verletzt wird. Vorliegend ging es um Sportschuhe.
Aus den Entscheidunsggründen: Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit besteht; er wird gemäß § 140 Abs. 3 Markengesetz in Verbindung mit Artikel 129 Abs. 2 UMV vermutet. Überdies hat die Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherung ihres Syndikus A glaubhaft gemacht, erst Anfang April 2021 Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt zu haben. Wie bereits im Senatsbeschluss vom 2.9.2021 ausgeführt, rechtfertigt es das Vorbringen der Antragsgegnerin nicht, an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung zu zweifeln. Ausgehend von einer Kenntniserlangung Anfang April 2021 hat die Antragstellerin alsbald nach Kenntniserlangung ihren Eilantrag - am 30.4.2021 - bei Gericht eingereicht.
B) Es besteht auch ein Verfügungsanspruch.
Der auf die Verletzung der Unionsbildmarke UM 003867579 gestützte Unterlassungsanspruch folgt aus Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV.
1. Die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Nichtbenutzung (Art. 18 UMV) greift nicht durch. Die Antragsgegnerin beanstandet in diesem Zusammenhang, die - insoweit darlegungsbelastete - Antragstellerin habe keine Benutzungsnachweise vorgelegt, ausweislich derer sie die Verfügungsmarke - stilisiertes „S“ vor schwarzem, quadratischen Hintergrund - benutze. Mit dieser Argumentation kann die Antragsgegnerin nicht durchdringen. Der kennzeichnende Charakter der Marke wird durch das stilisierte „S“, nicht aber durch das schwarze Quadrat im Hintergrund bestimmt. Deshalb sieht der Verkehr in der benutzten Form des stilisierten „S“ ohne ein schwarzes Quadrat im Hintergrund dieselbe Marke (auf dieses Kriterium abstellend: BGH GRUR 2009, 772 - Augsburger Puppenkiste).
2. Zwischen dem angegriffenen Zeichen und der Verfügungsmarke besteht Verwechslungsgefahr.
a) Die Markenrechtsrichtlinie überlässt die Art und Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr dem nationalen Recht (16. Erwägungsgrund a.E.).
Ob von einer Verwechslungsgefahr auszugehen ist, ist nach deutschem Rechtsverständnis eine Rechtsfrage (Bornkamm/Kochendörfer, FS 50 Jahre Bundespatentgericht, S. 533 m. zahlr. Nachw.). Das gilt in gleicher Weise für die Hauptkriterien für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, also die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit und die Zeichenähnlichkeit. Für die Verwechslungsgefahr ist es deshalb nicht maßgeblich, ob es bei den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich zu Verwechslungen kommt (Bornkamm/Kochendörfer, a.a.O., S. 534). Die Zuerkennung eines weiten Schutzbereichs für besonders kennzeichnungskräftige Marken etwa lässt sich aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht begründen, weil die empirische Verwechslungsgefahr hier eher abnimmt (Ströbele/Hacker/Thiering MarkenG 13. Aufl., § 9 Rn 20).
b) Es besteht Warenidentität. Die Verfügungsmarke ist für Schuhwaren eingetragen. Die Antragstellerin nutzt sie für Lifestyle-Schuhe wie aus Anlage AST1 ersichtlich. Auch die Antragsgegnerin benutzt das angegriffene Zeichen für Schuhwaren. Zwar ist sie auf Sicherheitsschuhe spezialisiert, sie bietet aber auch sportliche Sneaker an, wie aus Anlage Ast4 (Bl. 48, 50 d.A.) ersichtlich.
c) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt hat, ist die von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke durch die von der Antragstellerin dargelegte umfangreiche Nutzung gesteigert.
Die Antragstellerin hat zwischen Juli 2016 und April 2019 in Europa, insbesondere in der EU, mehr als drei Millionen Paar Schuhe verkauft, auf denen die Verfügungsmarke aufgebracht ist. Sie vertreibt die Schuhe innerhalb der EU über Vertriebspartner und über ihre eigenen Tochterunternehmen. Zu ihren Vertriebspartnern gehören in Deutschland u.a. B, C, D, E und F. Außerdem vertreibt sie die Schuhe in der EU über ihre E-Commerce Internetseiten. Damit hat die Antragstellerin einen Nutzungsumfang dargelegt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Syndikus A glaubhaft gemacht, der es rechtfertigt, von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen. Der Einwand der Antragsgegnerin, im Jahr 2019 seien in der EU mehr als 2,5 Milliarden Schuhe verkauft worden, der Marktanteil der Antragstellerin liege mithin bei nur 0,04 %, verfängt nicht. Für die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft einer Marke kommt es nicht allein auf den Marktanteil, sondern auch auf den Werbeaufwand an. Abgesehen davon ist ein Anteil von 0,04 % an einem Markt, auf dem eine Ware - hier Schuhe - milliardenfach verkauft wird, durchaus beachtlich.
Die Kennzeichnungskraft wird nicht relativiert durch den Umstand, dass zugunsten des französischen Schuhherstellers Salomon S.A.S. ebenfalls ein stilisiertes „S“ für Schuhe als Marke geschützt ist. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt:
„Zwar ist es richtig, dass durch dritte Zeichen im Ähnlichkeitsbereich eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke eintreten kann (BGH, Urteil vom 5.11.2008 - I ZR 39/06 - Stofffähnchen I - Rn 32, juris). Eine solche Schwächung stellt aber einen Ausnahmetatbestand dar. Sie setzt voraus, dass die Drittzeichen im Bereich der gleichen Branche oder eng benachbarter Branchen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen in einem Umfang tatsächlich in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Zeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (BGH, a.a.O.). Derartiges hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Sie hat sich lediglich auf eine weitere Marke berufen, die ebenfalls ein stilisiertes „S“ darstellt. Weitere Drittkennzeichen hat sie nicht benannt. Auch wenn als zutreffend unterstellt werden kann, dass es sich bei dem Schuhhersteller Salomon um ein bekanntes französisches Unternehmen handelt, rechtfertigt diese eine Marke es nicht, anzunehmen, dass sich der Verkehr an weitere Zeichen im Ähnlichkeitsbereich gewöhnt hat, zumal die Antragsgegnerin zum Umfang der Nutzung des Salomon-S nichts vorgetragen hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dieses „S“ sich von der Verfügungsmarke dadurch unterscheidet, dass die verbindende Linie zwischen dem oberen und dem unteren Querstrich diagonal gestaltet ist und nicht horizontal, wie bei der Verfügungsmarke.“
Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Umsätze des Unternehmens Salomon insgesamt verfängt nicht, da dieses bei weitem nicht nur Schuhwaren verkauft, sondern vor allem auf dem Markt der Wintersportausrüstung tätig ist.
d) Wie der Senat ebenfalls bereits in seinem Beschluss vom 2.9.2021 ausgeführt hat, liegt ein Fall absoluter Zeichenunähnlichkeit nicht vor. Dass es für den Schutz der Marke grundsätzlich allein auf die eingetragene Form ankommt und außerhalb der Registereintragung liegende Umstände nicht zu berücksichtigen sind, hat der Senat in diesem Beschluss unter Verweis auf sein Urteil vom 26.10.2017 - 6 U 154/16 („notebooksbilliger.de“) bereits ausgeführt.
Bei der Verfügungsmarke handelt es sich um eine Bildmarke in Gestalt eines stilisierten „S“, die sich dadurch auszeichnet, dass drei nahezu horizontal zueinander verlaufende Querbalken oben links und unten rechts mit einer teilweise geschwungenen Linienführung miteinander verbunden sind. Das angegriffene Zeichen besteht ebenfalls aus drei Querbalken, die allerdings nur unten rechts miteinander verbunden sind. Der Senat ist nach wie vor - der Argumentation der Antragstellerin folgend - der Überzeugung, dass hierdurch beim Verkehr der Eindruck eines „abgeschnittenen“ S entsteht.
Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist keine Tatsachenfeststellung, sondern Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens (BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft; BGH, Urteil vom 3.5.2001 - I ZR 318/98 - Das Beste jeden Morgen). Dieses Erfahrungswissen kann das Gericht grundsätzlich selbst dann haben, wenn die entscheidenden Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (BGH, Urteil vom 29.3.2007, I ZR 122/04 - Bundesdruckerei, Rn 36, juris). Maßgebend ist der Eindruck eines nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs; die Bestimmung des Teils des Verkehrs, der als „nicht ganz unerheblich“ im Sinne der Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr anzusehen ist, ist normativer Art und von den Umständen des Einzelfalles abhängig (BGH, Urteil vom 19.11.1992 - I ZR 254/90 - Guldenburg, Rn 29, juris).
Im Streitfall ist davon auszugehen, dass jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Teil des Verkehrs das angegriffene Zeichen als ein „abgeschnittenes S“ wahrnimmt und gedanklich vervollständigt, indem er die oberen beiden Balken durch eine bogenförmige Linienführung verbindet und damit ein Zeichen wahrnimmt, dass der Verfügungsmarke hochgradig ähnlich ist. Für diesen Teil des Verkehrs ist die Verwechslungsgefahr evident gegeben. Um den Schutzbereich der gesteigert kennzeichnungskräftigen Verfügungsmarke nicht zu eng zu definieren, ist bereits ein vergleichsweise kleiner Teil des Verkehrs ausreichend, um als „nicht ganz unerheblich“ im Sinne der Rechtsprechung zu gelten.
Die von der Antragsgegnerin eingeholte demoskopische Erhebung der Firma G stellt diese Argumentation nicht in Frage. Grundlage der Erhebung ist eine Online-Befragung, bei der das angegriffene Zeichen isoliert auf dem Bildschirm eingeblendet wurde. Der weit überwiegende Teil der Befragten konnte mit dem Zeichen im Zusammenhang mit Schuhen nichts verbinden, nur rund 5 % erkannte in dem Zeichen ein „abgeschnittenes S“ oder gar das „SKETCHERS-Logo“. Aus den oben dargelegten Gründen vermag dieser empirische Befund die normativen Erwägungen zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht in Frage zu stellen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Teilnehmer der Online-Befragung das angegriffene Zeichen auf einem Bildschirm vor sich sahen und nicht, wie in der Realität, aufgebracht auf einem Schuh.
Die vorstehenden Erwägungen beruhen auf der Vorberatung des Senats und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zum Zeitpunkt der Vorberatung war dem Senat der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16. Mai 2022, der der Antragsgegnerin nach ihren Angaben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorlag, noch nicht bekannt.
Nur ergänzend, ohne dass es für die Entscheidung des Falles hierauf ankäme, zeigt der Schriftsatz der Antragstellerin vom 16.5.2022 weitere Aspekte auf, die gegen die Aussagekraft des Parteigutachtens sprechen. So spricht die angegebene Interviewdauer von im Durchschnitt 1:58 Minuten (so das Parteigutachten, Bl. 422 d.A.) gegen eine gewissenhafte Beantwortung der gestellten Fragen.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Teilnehmer der Befragung diese möglichst schnell „abarbeiten“ wollten. Auch weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass das Parteigutachten davon ausgeht, dass die Hälfte der Bevölkerung (47,9 %) von sich aus die Abbildung nicht beschreiben und nichts damit verbinden könne. Das ergibt sich aus dem Ankreuzen der vorgegebenen Antworten bei Frage 2 „weiß nicht“ und bei Frage 3 „kann nichts dazu sagen“ und bei Frage 4 „weiß nicht/kann ich nicht näher beschreiben“. Der Personenkreis, der diese Antwortmöglichkeiten ankreuzt, unterliegt jedoch ebenfalls einer potentiellen Verwechslung der Verfügungsmarke mit dem angegriffenen Zeichen.
Der Aufbau des Fragenkatalogs bietet den Befragten durch das Setzen eines Häkchens bei der Antwort „weiß nicht/kann ich nicht näher beschreiben“ einen einfachen Ausweg, die Befragung schnell zu beenden.
e) Mit Rücksicht auf die zumindest hochgradige Warenähnlichkeit und die gesteigerte Kennzeichnungskraft, die der Verfügungsmarke zukommt, ist die vorhandene Zeichenähnlichkeit hoch genug, um zu dem Ergebnis des Bestehens einer Verwechslungsgefahr zu gelangen.
OLG Köln
Hinweisbeschluss vom 08.06.2022 6 U 220/21
Das OLG Köln hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass kein Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung vorliegt, wenn der Rechteinhaber nur gegen Franchisenehmer und nicht gegen den Franchisegeber als Quelle der Rechtsverletzung gerichtlich vorgeht.
Aus den Gründen: I. Im vorliegenden Verfügungsverfahren geht die Antragstellerin gegen einen Lizenznehmer und Franchisenehmer vor, dem vom Lizenzgeber und Franchisegeber Nutzungsrechte an Zeichnungen der Antragstellerin eingeräumt wurden. Streitig ist unter anderem, welche Rechte die Antragstellerin dem Lizenzgeber eingeräumt hat.
Der Antragsgegner eröffnete sein Geschäft am 10.04.2021. Die Antragstellerin suchte am 17.04.2021 die Filiale des Antragsgegners auf und stellte die mögliche Verletzungshandlung fest. Damit wusste die Antragstellerin, die bereits zahlreiche andere Filialen kannte, jedenfalls ab diesem Zeitpunkt, dass der Franchisegeber gegenüber dem Antragsgegner Nutzungsrechtsvereinbarungen über die streitgegenständlichen Rechte vereinbart hat.
Die Antragstellerin ließ daraufhin den Antragsgegner mit Schreiben vom 23.04.2021 abmahnen. Taggleich ließ sie auch den Franchisegeber abmahnen. Gegenüber dem Antragsgegner drohte die Antragstellerin, „sofort die geeigneten gerichtlichen Maßnahmen“ an, sollte eine Unterlassungserklärung nicht abgegeben werden. Gegenüber dem Franchisegeber, mit dem sie sich bereits seit Anfang 2021 wegen der Vielzahl an weiteren Nutzungen durch verschiedene Franchiseunternehmen in einer Auseinandersetzung über den Umfang der Nutzungsberechtigungen in Bezug auf die streitbefangenen Werke befindet, kündigte die Antragstellerin das „Bestreben einer gütlichen außergerichtlichen Bereinigung des vorliegenden Konfliktfalles“ an und kündigte die Einleitung von „geeigneten gerichtlichen Maßnahmen“ für den Fall an, dass der Franchisegeber die erbetene Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht fristgerecht abgeben werde. Die beiden Abgemahnten unterwarfen sich nicht. Weitere Abmahnungen an Franchisenehmer wurden nicht versandt. Mit dem Franchisegeber steht die Antragstellerin weiterhin in außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen. Eine einstweilige Verfügung gegen den Franchisegeber wegen der einzelnen Zeichnungen, die diesem Verfahren zugrunde liegen, hat die Antragstellerin nicht erwirkt, während sie gegen den Antragsgegner als (einzigen) Franchisenehmer in diesem Verfügungsverfahren mit Antrag vom 12.05.2021 vorgegangen ist. Gegen den Franchisegeber richtet sich lediglich das Verfahren LG Köln, 14 O 329/21 / OLG Köln, 6 U 62/22, in dem eine bestimmte Verpackung Gegenstand ist, die auch mit dem vorliegenden Verfahren angegriffen wird.
II. Vor diesem Hintergrund besteht nach dem vorläufigen Ergebnis der Vorberatung des Senats kein Verfügungsgrund (mehr).
Es stellt sich die Frage, ob ein Verfügungsgrund angenommen werden kann, nachdem die Antragstellerin zwar gegen den Antragsgegner, nicht aber gegen den Franchisegeber im Rahmen eines Verfügungsverfahrens vorgegangen ist und dies nunmehr aufgrund des langen Zuwartens auch nicht (mehr) möglich ist.
Hierzu wird auf der einen Seite vertreten, dass der Verfügungsgrund allein im Verhältnis der Parteien zueinander zu bestimmen ist (vgl. ausführlich zum Meinungsstand: Hoppe-Jänisch in GRUR 2015, 1075, mwN; s. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 21.10.2004 – 2 U 65/04, GRUR-RR 2005, 307).
Es wird allerdings auch vertreten, dass die vorstehende Argumentation zu kurz greife. Denn wenn der Berechtigte nicht gegen die Quelle einer Verletzungshandlung vorgehe, zeige er damit, dass ihm die Sache nicht eilig sei. Er schalte die Quelle nicht aus. Das OLG Frankfurt (Urteil vom 05.12.2019 – 6 U 151/19, GRUR-RR 2020, 368) führt hierzu in einem markenrechtlichen Fall folgendes aus:
Unterlässt es der Markeninhaber bewusst, gegen den Hersteller vorzugehen, kann er sich nicht mit Erfolg drauf berufen, das Vorgehen gegen ein Handelsunternehmen sei dringlich (vgl. Senat, GRUR 2015, 279). Zwar mag etwas anderes gelten, wenn ein Hersteller im Ausland ansässig ist und der Markeninhaber keine sicheren Anhaltspunkte dafür hat, dass der Hersteller das markenverletzende Angebot im Inland veranlasst hat (Senat, aaO). Solche Umstände lagen jedoch aus den genannten Gründen nicht vor, zumal auch die Antragsgegnerin zu 2 im Ausland ansässig ist.
Die letztgenannte Meinung überzeugt. Für die Frage, ob eine Dringlichkeit anzunehmen ist, kann insbesondere nicht allein auf das Verhalten des Anspruchstellers gegenüber dem Anspruchsgegner abgestellt werden. Vielmehr kann der Anspruchsteller auch durch sein sonstiges Verhalten zeigen, dass das Eilbedürfnis fehlt. Hieraus folgt, dass nicht nur eine zögerliche Verfahrensführung dringlichkeitsschädlich sein kann. Vielmehr kann jedes Verhalten des Antragstellers dringlichkeitsschädlich sein, aus welchem sich ergibt, dass ihm die Sache nicht eilig ist. Damit kann zwar nicht generell jedes Verhalten gegenüber einem Dritten für den Verlust der Dringlichkeit berücksichtigt werden. Auch gibt der Antragsteller bei Nichtvorgehen gegen einen Dritten im Ausgangspunkt lediglich zu erkennen, dass ihm ein Vorgehen gegen diesen nicht eilig ist. Allerdings kann in einem Nichtvorgehen gegen einen Dritten im Einzelfall zu erkennen sein, dass das Verfahren gegen den Antragsgegner ebenfalls nicht dringlich ist (vgl. Hoppe-Jänisch in GRUR 2015, 1075). Dies vorausgesetzt kann im Einzelfall auch darauf abgestellt werden, ob der Anspruchsteller gegen die Quelle einer möglichen Verletzungshandlung vorgegangen ist, um so einen umfassenden Rechtsschutz zu erlangen, oder ob die einstweilige Verfügung aus anderen Gründen beantragt worden ist.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, ob das Vorgehen gegen die Quelle letztlich mit vergleichbaren Prozessaussichten möglich ist. Dies kann abzulehnen sein, wenn ein Vorgehen aufgrund der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend erfolgversprechend ist, die praktische Durchsetzbarkeit fraglich ist, Probleme bei einer möglichen Vollstreckung drohen oder die Rechtsverfolgung in einem solchen Fall insgesamt weniger effektiv erscheint (vgl. Hoppe-Jänisch in GRUR 2015, 1075).
Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Sache nicht (mehr) als dringlich anzusehen. Denn gegen den Franchisegeber kann die Antragstellerin (mit Ausnahme der Verpackung) nicht mehr im Rahmen eines Verfügungsverfahrens vorgehen.
Bereits im Rahmen der Abmahnung hat die Antragstellerin gegenüber dem Franchisegeber lediglich geeignete gerichtliche Maßnahmen angekündigt, während sie gegenüber dem Antragsgegner sofortige gerichtliche Maßnahmen angedroht hat. Auch hat die Antragstellerin im Rahmen der Abmahnung gegen den Antragsgegner weitere Vergleichsgespräche erfragt, die tatsächlich stattgefunden haben. Weiter führt die Antragstellerin selbst aus, dass sie weitere Verletzungshandlungen durch den Franchisegeber erkennt und deren Fortsetzung ausdrücklich befürchtet. Diese weiteren Verletzungen hätte die Antragstellerin in erster Linie im Rahmen eines gerichtlichen Vorgehens durch ein Verfügungsverfahren gegen den Franchisegeber kurzfristig unterbinden können, zumal die Antragstellerin keinen weiteren Franchisenehmer abgemahnt hat.
Nachdem auch der Franchisegeber seinen Sitz in Deutschland hat, ist nicht ersichtlich, dass die Prozessaussichten gegen diesen geringer wären oder Probleme im Rahmen der ggf. notwendigen Vollstreckung auftreten könnten. Insbesondere wären in dem Verfahren gegen den Franchisegeber die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu klären und der Anspruch könnte effektiv durchgesetzt werden. Gründe, die darauf hindeuten würden, dass eine Vollstreckung gegen den Franchisegeber weniger aussichtsreich wären, sind nicht ersichtlich.
Soweit sich die Antragstellerin in Vergleichsverhandlungen mit dem Franchisegeber befindet, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn sie hat die Möglichkeit ungenutzt verstreichen lassen, durch ein zeitnahes Vorgehen gegen diesen in einem Eilverfahren die Nutzungen unmittelbar und einheitlich zu unterbinden. Dadurch, dass die Antragstellerin somit tatsächlich die weiteren Nutzungen nicht unterbunden hat, hat sie gezeigt, dass die einstweilige Verfügung nicht beantragt wurde, um die rechtswidrigen Nutzungen kurzfristig zu unterbinden, sondern dass sie andere Gründe hatte (vgl. OLG Frankfurt, GRUR 2015, 279).
Soweit die Antragstellerin den Franchisegeber hinsichtlich einer Verpackungsgestaltung im o.a. Verfügungsverfahren in Anspruch nimmt, führt dies ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Verhalten der Antragstellerin zeigt insgesamt, dass ihr Ziel nicht das kurzfristige Unterbinden der Nutzungen war.
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine unlautere getarnte Werbung durch Amazon vorliegt, wenn die Gesamtbewertung eines Produkts bezahlte Produktrezensionen berücksichtig, ohne dass die Nutzer über diesen Umstand und den Anteil bezahlter Bewertungen informiert werden.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Unlautere getarnte Werbung bei Berücksichtigung bezahlter Produktrezensionen innerhalb des Gesamtbewertungsergebnisses eines Produktes
Fließen in das Gesamtbewertungsergebnis für Produkte, die auf eine Verkaufsplattform angeboten werden, auch Rezensionen ein, für die an den Rezensenten ein - wenn auch geringes - Entgelt gezahlt wird, liegt unlautere getarnte Werbung vor, sofern die Berücksichtigung dieser bezahlten Rezensionen nicht kenntlich gemacht wird. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung die vom Landgericht ausgeurteilte Unterlassungsverpflichtung bestätigt.
Die Klägerin bietet im Internet die entgeltliche Vermittlung von Kundenrezensionen an. Die Kunden der Klägerin sind ausschließlich Händler auf Online-Verkaufsplattformen. Die Beklagte betreibt die Verkaufsplattform amazon.de. Die Produkte werden dort mit einem Gesamtsterne-Bewertungssystem bewertet. Die Beklagte vermittelt zudem ihren Verkaufspartnern gegen Entgelt Kundenrezensionen im Rahmen des sog. Early Reviewer Programms (i.F.: ERP). Dabei handelt es sich um Bewertungen ausländischer Rezensenten gegen Entgelt oder Gutscheine für Produkte, die zuvor auf dem US-, UK- oder Japan-Marketplace gekauft wurden. Diese Bewertungen werden auch deutschen Käufern angezeigt und fließen in das Gesamtbewertungsergebnis ein.
Die Klägerin wendet sich gegen die Veröffentlichung von ERP-Rezensionen, wenn diese Teil des Gesamtbewertungsergebnisses werden und nicht darauf hingewiesen wird, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele dieser Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind.
Die gegen die vom Landgericht ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Es liege eine unlautere getarnte Werbung vor, bestätigte das OLG. ERP-Rezensionen zu veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind, sei unlauter.
Die Berücksichtigung dieser ERP-Rezensionen - und damit auch nicht ihr Anteil - würde von der Beklagten nicht kenntlich gemacht und ergebe sich auch nicht aus den Umständen. Ob Internetnutzer damit rechneten, dass in ein Gesamtbewertungsergebnis auch immer Rezensionen einfließen, die nicht sachlich begründet sein, könne offenbleiben. Dies dürfe jedenfalls „kein Freibrief dafür sein ... , beeinflusste Rezensionen zu verwenden“, stellte das OLG klar.
Die Berücksichtigung von ERP-Rezensionen habe hier auch geschäftliche Relevanz. Die Rezensenten des ERP erhielten eine kleine Belohnung für die Abfassung der Rezension. „Daraus folgt zwangsläufig, dass sie bei Abgabe ihrer Bewertung nicht frei von sachfremden Einflüssen sind“, betont das OLG. Es bestehe vielmehr die konkrete Gefahr, dass ein nicht geringer Anteil der Teilnehmer an dem Programm sich veranlasst sehe, ein Produkt positiver zu bewerten als dies tatsächlich seiner Meinung entspreche, um weiterhin an dem Programm teilnehmen zu dürfen.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.06.2022, Az. 6 U 232/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2021, Az. 3-06 O 26/21)
Das OLG Celle hat entschieden, dass kein Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung besteht, wenn Facebook eine Kontosperre bereits aufgehoben und den gelöschten Beitrag wiederhergestellt hat.
Leitsätze des Gerichts:
1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel der Untersagung der – erneuten – Löschung eines Beitrags in einem sozialen Netzwerk und der erneuten vorübergehenden Sperre des Nutzerkontos ist ein Verfügungsgrund im Regelfall gesondert darzulegen.
2. Dies gilt insbesondere, wenn der streitgegenständliche Beitrag vom Betreiber des sozialen Netzwerks wieder eingestellt worden ist.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Verfügungskläger keinen Verfügungsgrund dargelegt bzw. glaubhaft gemacht.
a. Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich nicht substantiiert ausgeführt, dass und aus welchen Gründen er meint, den von ihm verfolgten Anspruch in einem einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgen zu können, obwohl die Verfügungsbeklagte auf Seiten 19 f. ihres Schriftsatzes vom 29. Juni 2021 (Bl. 92 f. d. A.) auf diese rechtliche Problematik hingewiesen hat. Das Vorbringen des Verfügungsklägers ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, die Voraussetzung der besonderen Dringlichkeit zu belegen.
b. Der Hinweis des Verfügungsklägers, die Einschränkung seines Rechts auf Meinungsäußerung genüge für einen Verfügungsgrund, geht fehl. Es ist gerade nicht ersichtlich, warum es für den Verfügungskläger wegen besonderer Dringlichkeit unzumutbar sein soll, die vorliegenden Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren
zu klären. Er war nie daran gehindert, sich zu äußern, sondern nur für drei Tage, dies über „Facebook“ zu tun. Seit mehr als einem Jahr hat der Verfügungskläger wieder unbeschränkten Zugang zu seinem dortigen Nutzerkonto. Da der Verfügungskläger selbst darauf abhebt, der Hinweis des Senats auf ein einstweiliges
Verfügungsverfahren sei abwegig, weil die Verfügungsbeklagte gar nicht beabsichtige, das Nutzerkonto wieder zu sperren, wird deutlich, dass das vorliegende Begehren nicht tauglicher Gegenstand für einen einstweiligen Rechtsschutz darstellt.
c. Dies gilt umso mehr, als bereits vor Zustellung der Antragsschrift im einstweiligen Rechtsschutzverfahren am 21. Juli 2021 nicht nur die vorübergehende Kontosperrung von drei Tagen bereits abgelaufen war, sondern die Verfügungsbeklagte am 8. April 2021 auch den hier streitgegenständlichen Post von sich aus
nach einer internen Überprüfung anhand der „Gemeinschaftsstandards“ wieder eingestellt hatte. Danach war dem Verfügungskläger auch die ganz konkrete, streitbefangene Meinungsäußerung auf der Plattform der Verfügungsbeklagten wieder möglich. Der Senat braucht nicht zu bewerten, ob dies auch materiellrechtlich der Annahme einer Wiederholungsgefahr entgegensteht (was zweifelhaft sein dürfte vor dem Hintergrund, dass in der Regel der einmalige Verstoß die tatsächliche Vermutung der Wiederhoungsgefahr begründet, an deren Widerlegung hohe Anforderungen zu stellen sind, vgl. nur Herrler, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. § 1004 Rn. 32 m.w.N.). Es hat jedoch erhebliche Bedeutung für die Frage, ob eine besondere Dringlichkeit für eine vorläufige Unterlassungsverfügung bis zur Entscheidung in der Hauptsache besteht. Insoweit ist zu beachten, dass die Frage der Dringlichkeit – wie sämtliche Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung – im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu beurteilen ist.
d. Der pauschal gehaltene Vortrag, es bedürfe wegen der Marktmacht der Verfügungsbeklagten grundsätzlich des Instruments des einstweiligen Rechtsschutzes, weil die Nutzer sonst gleichsam willkürlich der Entscheidung der Verfügungsbeklagten ausgesetzt seien, vorübergehend Beiträge zu löschen oder Konten zu sperren, wird dem konkreten Einzelfall nicht gerecht. Denn die Verfügungsbeklagte hat hier nicht unter dem Eindruck des Verfügungsverfahrens den Beitrag wieder eingestellt, sondern bereits (deutlich) vor Zustellung der Antragsschrift. Der Hinweis auf andere vom Bevollmächtigten des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte geführte Verfahren vermag einen Eilbedarf in diesem konkreten Rechtsstreit ebenfalls nicht zu begründen. Dies zeigt gerade auch der Hinweis des Verfügungsklägers auf die Entscheidung des Landgerichts Heilbronn vom 23. Juni 2021 (Wo 1 O 40/21). Danach differenziert die Verfügungsbeklagte erkennbar im Einzelfall, inwieweit sie auf von ihr (zunächst) beanstandete Äußerungen auf ihrer
Plattform reagiert.
e. Letztlich fehlt eine konkrete Auseinandersetzung des Verfügungsklägers mit der in den Schriftsätzen der Verfügungsbeklagten klar zum Ausdruck kommenden ursprünglichen Motivation der Verfügungsbeklagten, den Beitrag zu löschen. Im Laufe des Rechtsstreits ist hinreichend deutlich geworden, dass sich die Verfügungsbeklagte nicht an dem Textbeitrag stört („O. will in den Duden. Or else.“), sondern an dem sich hieran („anderenfalls“) anschließenden GIF, in dem eine männliche Person mit einer Pistole auf den Leser zielt. Mit seinem Antrag begehrt der Verfügungskläger jedoch gerade „isoliert“ nur eine Untersagung der Löschung des Textteils und einer darauf beruhenden Kontosperrung. Das Bild ist vom Streitgegenstand nicht umfasst. In seiner Antragsschrift erwähnt der Verfügungskläger das GIF nicht und geht auf die diesbezüglichen Einwände der Verfügungsbeklagten (zum Beispiel im Schriftsatz vom 29. Juni 2021 und in der Berufungsbegründung) nicht inhaltlich ein, sondern stellt allein darauf ab, in ihrer vorprozessualen Mitteilung über die Löschung habe die Verfügungsbeklagte nur den Textteil genannt. Letztlich geht auch der Verfügungskläger (so ausdrücklich im Schriftsatz vom 23. Januar 2022, S. 11 unter Buchstabe c = Blatt 393) davon aus, dass sich der vorliegende Einzelfall dadurch auszeichne, dass die Verfügungsbeklagte ihre rechtswidrige Löschung sogar eingeräumt habe und sich nicht gegen die Wiederherstellung des streitigen Inhalts wehre.
OLG München
Hinweisbeschluss vom 16.09.2021 29 U 3437/21 Kart
Das OLG München hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Fristverlängerungsantrag oder ein Terminverlegungsantrag des ungesicherten Antragstellers im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig dringlichkeitsschädlich ist. Dies gilt auch für Anträge im Berufungsverfahren.
Aus den Gründen:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Antragstellerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern ein Urteil des Senats. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
a) Die Berufung hat nach derzeitiger Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg. Die Zurückweisung des Verfügungsantrags durch das Landgericht ist jedenfalls deswegen zu Recht erfolgt, weil der für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht zu bejahen sein dürfte.
aa) Die nahezu einhellige Meinung behandelt den Verfügungsgrund als Zulässigkeitsvoraussetzung zur Rechtfertigung des Vorgehens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Als Prozessvoraussetzung ist sein Vorliegen von Amts wegen zu prüfen und ist der Disposition der Parteien entzogen. Fehlt dieses besondere Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Eilverfahrens, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen (Retzer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 299 m. w. N.; Senat, WRP 2020, 109 Rn. 3).
bb) Grundsätzlich hat der Antragsteller nach § 936, § 920 Abs. 2 ZPO darzulegen und glaubhaft zu machen, warum er einer Eilentscheidung über die behaupteten Ansprüche bedarf, soweit nicht im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 UWG bzw. aufgrund vergleichbarer Vorschriften eine Dringlichkeitsvermutung besteht. Unabhängig davon aber, ob ein Verfügungsgrund glaubhaft zu machen ist oder vermutet wird, ist er zu verneinen, wenn sich der Antragsteller bzw. dessen Prozessbevollmächtigter dringlichkeitsschädlich verhält (s. auch OLG Dresden, Beschluss v. 25.07.2019, 4 U 1087/19, Rn. 2, juris).
cc) Dies ist hier der Fall, denn der mit Schriftsatz vom 05.07.2021 (Bl. 73 d.A.) gestellte Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat ist - worauf der Senat mit Verfügung vom 06.09.2021 (Bl. 93 d.A.) hingewiesen hat - als dringlichkeitsschädlich anzusehen.
(i) Als dringlichkeitsschädliches Verhalten ist ein solches anzusehen, das erkennen lässt, dass es dem Antragsteller mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist (st. Rspr., vgl. die Nachweise bei Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.15), so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit all den damit zu Lasten des Antragsgegners verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und die mit dem Eilverfahren verbundene Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen beim angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint (Senat, WRP 2019, 1375 Rn. 15 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung).
(ii) Dringlichkeitsschädliche Auswirkungen auf den Verfügungsgrund entfalten dabei nicht nur Verhaltensweisen vor Antragstellung, sondern auch solche während des bereits anhängigen Verfahrens, denn die mangelnde Dringlichkeit kann sich auch aus dem prozessualen Verhalten eines Antragstellers ergeben (BVerfG, 03.04.1998, 2 BvR 415/96, Rn. 4, juris). So wirkt sich insbesondere das zögerliche Betreiben des Verfahrens nachteilig auf den Verfügungsgrund aus (vgl. Schmidt, in: Büscher, UWG, § 12 Rn. 168, 213 ff.; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.16; Retzer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 321), wobei sich der Antragsteller Verzögerungen, die durch seinen Prozessbevollmächtigten verursacht werden, gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 325; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 203). Dieser hat die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grundsätzlich weder auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung noch auf Urlaub berufen (Senat, WRP 2019, 1375 Rn. 15 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 203; einschränkend Singer, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 47 Rn. 52 a. E., 54).
(iii) Nach zutreffender Auffassung sind daher im Regelfall Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge als dringlichkeitsschädlich anzusehen (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.16), wenn sie vom noch ungesicherten Antragsteller gestellt werden. Denn mit gerichtlichen Entscheidungen, die derartigen Anträgen stattgeben, geht in aller Regel zwangsläufig eine Verfahrensverlängerung einher, mit der sich der den Fristverlängerungs-/Terminsverlegungsantrag anbringende Antragsteller zumindest konkludent einverstanden erklärt und damit zum Ausdruck bringt, dass ihm die Sache nicht derart eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde. Weil sich ein solches dringlichkeitsschädliches Verhalten mithin aus dem Antrag selbst ergibt, ist ein Verfügungsgrund folglich selbst dann zu verneinen, wenn einem derartigen Antrag seitens des Gerichts nicht entsprochen wird oder sich eine etwaige Stattgabe des Antrags im Ergebnis ausnahmsweise nicht auf die Verfahrensdauer auswirkt.
(iv) Auch im Berufungsverfahren muss der noch ungesicherte Antragsteller den geltend gemachten Anspruch zügig weiterverfolgen (vgl. Singer, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 47 Rn. 54; Voß, in: Cepl/Voß, ZPO, 2. Aufl., § 940 Rn. 90). Ihm ist es daher jedenfalls zuzumuten, eine eingelegte Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (vgl. OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 79 - Verkaufsaktion für Brillenfassungen) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge das Verfahren zu verzögern (OLG Dresden, Beschluss v. 25.07.2019, 4 U 1087/19, Rn. 2, juris).
(v) Gemessen an diesen Maßstäben dürfte ein Verfügungsgrund vorliegend zu verneinen sein. Durch den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat im Schriftsatz vom 05.07.2021 hat die Antragstellerseite zum Ausdruck gebracht, dass sie eine mit der Bewilligung der beantragten Fristverlängerung einhergehende Verfahrensverlängerung in Kauf nimmt und ihr die Sache nicht derart eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde. Dass die Antragstellerin die verlängerte Frist nicht voll ausgeschöpft hat, ist ohne Belang, da sich das dringlichkeitsschädliche Verhalten nach oben Gesagtem bereits aus der Antragstellung selbst ergibt.
Angesichts dessen greift auch der Einwand der Antragstellerin nicht, dass es nicht nahvollziehbar sei, weshalb die Antragstellerin weder nach Beantragung der Verlängerung noch im Rahmen der Bewilligung einen entsprechenden Hinweis erhalten habe, nicht, da zu diesen Zeitpunkten das dringlichkeitsschädliche Verhalten bereits erfolgt war - ungeachtet dessen, dass es insoweit ohnehin keines Hinweises bedurfte (OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 79 - Verkaufsaktion für Brillenfassungen).
dd) Soweit die Antragstellerin unter Verweis auf hiervon zum Teil abweichende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte die Zulassung der Revision beantragt, hat auch dieser Antrag im Hinblick auf § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO von vornherein keinen Erfolg.
b) Da die Berufung bereits aus diesem Grund erfolglos bleiben dürfte, kann dahinstehen, ob der Verfügungsgrund auch aus anderen Gründen zu verneinen ist und ob ein Verfügungsanspruch gegeben ist.
LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 18.8.2021 4 SaGa 1/21
Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass keine einstweilige Verfügung wegen Unterlassung der Nutzung von Geschäftsgeheimnissen ergehen kann, wenn der Verfügungsbeklagte nicht mehr in Besitz der Geschäftsgeheimnisse ist und dies etwa durch eine eidesstattlicher Versicherung glaubhaft gemacht wird.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Verfügungsklägerin steht weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund zur Seite.
I. Es fehlt bereits an einem Verfügungsanspruch. Die Verfügungsklägerin kann einen solchen Anspruch nicht auf § 6 GeschGehG stützen.
Gem. § 6 GeschGehG kann der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses den Rechtsverletzer auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Rechtsverletzung erstmalig droht. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einer Begehungs-/Wiederholungsgefahr.
1. Der Verfügungsklägerin ist noch einzuräumen, dass es sich bei ihrer Preiskalkulation um ein Geschäftsgeheimnis iSd. § 2 Nr. 1 GeschGehG handelt.
a) Die Preiskalkulation der Verfügungsklägerin ist Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, weder allgemein bekannt noch ohne Weiteres zugänglich iSv. § 2 Nr. 1 lit. a GeschGehG. Dies drängt sich bei einer internen Preiskalkulationsmatrix, wie der vorliegend streitigen, die sich auf spezifische Leistungen im Segment „F.“ bezieht, geradezu auf.
Entgegen dem Verteidigungsvorbringen des Verfügungsbeklagten wurde diese Kalkulation auch nicht dem Auftraggeber D. B. AG bekannt gemacht. Nach eidesstattlicher Versicherung des Herrn M. K. handelt es sich bei den Vergabeverfahren der D. B. AG um Verhandlungsverfahren mit verdeckter Ziellinie. Die D. B. AG legt einen Angebotspreis fest. Die Bieter geben ihr Angebot in Unkenntnis der Ziellinie ab. Bleibt ein Bieter unterhalb der Ziellinie, erhält er den Zuschlag. Bleiben mehrere Bieter unterhalb der Ziellinie, wird die Ziellinie nach unten verlegt und die Bieter angefragt, ob sie ein unterhalb der (neuen) Ziellinie liegendes Angebot unterbreiten wollen. Das Verfahren wird so oft wiederholt, bis nur noch ein Bieter übrigbleibt. Im Rahmen der Ausschreibungen der D. B. AG sei es zwar üblich, zu den Angeboten sogenannte „Urkalkulationen“ einzureichen. Der Sinn sei aber nur, dass der Auftraggeber im Nachtragsfall Kostensätze hat, mit denen der Ursprungsauftrag kalkuliert wurde, um auszuschließen, dass Nachträge unverhältnismäßig teuer werden. Diese sogenannten „Urkalkulationen“ sind aber nur stark komprimierte Kalkulationen und enthalten keineswegs so detaillierte Kalkulationsgrundlagen, wie sie sich der Verfügungsbeklagte an seine Emailadresse versandt hat. Dem ist der Verfügungsbeklagte nicht weiter entgegengetreten.
b) Die vom Verfügungsbeklagten an sein Emailpostfach übermittelte Preiskalkulationsmatrix hat auch einen wirtschaftlichen Wert iSv. § 2 Nr. lit. a GeschGehG.
aa) Eine Information weist auch dann einen wirtschaftlichen Wert auf, wenn dem Inhaber des Geheimnisses im Falle einer Rechtsverletzung wirtschaftliche Nachteile drohen. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung der Information ohne Zustimmung des Inhabers dessen wissenschaftliches oder technisches Potenzial, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Positionen oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen (Begr. zum RegE, BT-Drs. 19/4724, 24; vgl. Erwägungsgrund 14 Richtlinie (EU) 2016/943). Hieraus folgt, dass ein Handelswert nicht nur dann zu bejahen ist, wenn es sich bei dem Geheimnis um kommerziell verwertbare Informationen handelt, sondern es genügt, wenn die geheime Information für das Unternehmen von einem wirtschaftlichen und/oder einem unternehmensstrategischen Interesse ist. Rein ideelle Nachteile (zB ein drohender Ansehensverlust) genügen allerdings nicht (Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG 39. Auflage § 2 GeschGehG Rn. 45).
bb) Vorliegend handelte es sich bei der übersandten Preiskalkulation um ein 21-seitiges Template (Schablone) mit einer Auflistung der exakten Berechnungsgrundlagen. Die Preiskalkulation beinhaltet u.a. die genaue Berechnung und Zusammensetzung von Personalkosten, Maschinen-/Gerätekosten und Materialkosten, die jeweils selbst hinsichtlich aller in Betracht kommenden Teilfaktoren aufgeschlüsselt sind. Dieses Template wird auch nach Darstellung des Verfügungsbeklagten selbst immer wieder für aktuelle Angebotserstellungen benutzt. Von Bedeutung sind somit hauptsächlich die Rechenschritte und weniger die aktuell einzutragenden Zahlen, weshalb es unerheblich ist, dass die vom Verfügungsbeklagten an sich weitergeleitete Tabelle die Zahlen aus der Kalkulation 2015/2016 enthielten. Der Verfügungsbeklagte räumte selbst ein, mit dieser Schablone am Montag nach der Übersendung an der Angebotserstellung für die Ausschreibung 2021/2022 gearbeitet zu haben.
c) Die Preiskalkulation war zudem Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen iSv. § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG.
aa) Der Maßstab, an dem die Angemessenheit der Geheimhaltungsmaßnahmen gemessen werden muss, ist ein objektiver. Nicht erforderlich ist ein optimaler Schutz. Die Angemessenheit ist indes nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu würdigen. Bei der Bewertung der Angemessenheit können zum Beispiel folgende Aspekte berücksichtigt werden: Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, Natur der Information, Bedeutung für das Unternehmen, Größe des Unternehmens, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Informationen, vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern. Ein solches Prüfprogramm wird indiziell durch Art. 11 Abs. 2 der RL 2016/943 EU bestätigt, wonach die zuständigen Gerichte bei ihrer Prüfung der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit den dort genannten Aspekten Rechnung tragen müssen (LAG Düsseldorf 3. Juni 2020 - 12 SaGa 4/20 -).
bb) Diesen Anforderungen genügen die bei der Verfügungsbeklagten getroffenen Vorkehrungen.
(1) Bei der Verfügungsklägerin gilt eine allen Mitarbeitern bekannte IT-Richtlinie (Anlage AS 11), nach dessen § 6.1 das Emailsystem der Verfügungsklägerin nur im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und nur zu geschäftlichen Zwecken benutzt und eingesetzt werden darf. Gem. § 8 dieser IT-Richtlinie dürfen ohne Zustimmung unternehmensinterne Datenbestände weder mittels Email oder Fax noch mittels anderer Datenträger oder in ausgedruckter Form außer Haus gebracht werden. Diese Ansage ist deutlich und unmissverständlich.
(2) Im Übrigen galt bei der Verfügungsklägerin bezogen auf Kalkulationen und Angebote ein sogenanntes „need to know“- Prinzip, welches als angemessene Geheimhaltungsmaßnahme geeignet sein kann (Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG 39. Auflage § 2 GeschGehG Rn. 59). Dieses Prinzip wurde insbesondere bei der Videokonferenz zur aktuellen Ausschreibung am 10. März 2020 auch angewandt, wie sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn M. T. (Anlage AS 02) ergibt. Das erstmalige allgemeine Bestreiten des Verfügungsbeklagten im Berufungstermin vermochte den Beweiswert nicht mehr zu erschüttern.
(3) Hinzu kommt, dass die Verfügungsklägerin ein Unternehmenscompliancesystem geschaffen hat, mit dem Verfügungsbeklagten als Compliance Officer. Es war gerade der Verfügungsbeklagte selbst, der die Einhaltung der Regelwerke überwachen und kontrollieren sollte. Eine solche organisatorische Maßnahme ist als Geheimhaltungsmaßnahme grundsätzlich geeignet (Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG 39. Auflage § 2 GeschGehG Rn. 58).
(4) Geheimhaltungspflichten können auch individualvertraglich oder formularmäßig begründet werden (Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG 39. Auflage § 2 GeschGehG Rn. 61). Dies ist vorliegend in § 6 des Arbeitsvertrages geschehen. Die Vertragsklausel, mit welcher der Verfügungsbeklagte zu Stillschweigen über Geschäftsgeheimnisse – auch nachvertraglich – verpflichtet wurde, ist entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten auch nicht zu allgemein gefasst. Vielmehr sind „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die mit der Leitung [Benennung eines Bereichs] und mit vertraulichen Themen der Geschäftsführung und Geschäftsleitung zusammenhängen“ ausdrücklich benannt.
d) Ohne Zweifel hat die Verfügungsklägerin ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung ihrer Kalkulationsgrundlagen iSv. § 2 Nr. 1 lit. c GeschGehG.
2. Die Verfügungsklägerin ist auch Inhaberin des Geschäftsgeheimnisses iSd. § 2 Nr. 2 GeschGehG. Nur deshalb, weil dieses Template ursprünglich von der S. R.-Gruppe stammt, fehlt es der Verfügungsklägerin nicht an der Inhaberschaft. Denn die Verfügungsklägerin hat die S. R.-Gruppe im Jahr 2010 übernommen und somit selbstverständlich auch deren Geheimisse.
3. Der Verfügungsbeklagte hat die Rechte der Verfügungsklägerin verletzt, indem er sich die Preiskalkulation ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin an seine private E-Mail-Adresse übersandte, §§ 2 Nr. 3; 4 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG.
4. Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin besteht jedoch keine Begehungs- oder Wiederholungsgefahr in Bezug auf weitere Rechtsverletzungen (mehr).
a) Durch einen bereits begangenen Wettbewerbsverstoß wird in der Regel die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr begründet. Sie kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Sie entfällt nicht schon mit der Einstellung oder Änderung des beanstandeten Verhaltens (BGH 14. Januar 2016 - I ZR 65/14 -; BGH 30. April 2014 - I ZR 170/10 -). Etwas anderes gilt nur, wenn jede Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme ähnlicher Handlungen durch den Verletzer beseitigt ist (BGH 30. April 2014 - I ZR 170/10 -).
b) Eine solche aus der Erstbegehung abgeleitete Vermutungswirkung hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr greift aber nur bei typischen Geschehensabläufen. Die Tatsache des unbefugten Beschaffens eines Betriebsgeheimnisses besagt jedoch noch nichts regelhaft über eine Verwendung der Unterlagen (BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 394/97 -). Es wird deshalb als zweifelhaft erachtet, ob die Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr allein durch die Weiterleitung von Dokumenten des Arbeitgebers an den privaten Emailaccount des Arbeitnehmers begründet werden kann. Denn selbst aus der Verschaffung von Betriebsgeheimnissen durch den Arbeitnehmer kann nicht per se auf eine beabsichtigte Nutzung oder Offenlegung dieser Daten durch den Arbeitnehmer geschlossen werden (LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2021 - 3 SaGa 8/20 -).
c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte aus der bloßen Übermittlung einer Email durch den Verfügungsbeklagten an seinen privaten Emailaccount nicht mit Vermutungswirkung rückgeschlossen werden, dass damit regelhaft eine unberechtigte (Weiter-)Nutzung beabsichtigt war. Es ist vielmehr der vom Verfügungsbeklagten vorgebrachte Grund, dass er die ihm selbst vom Kollegen auf sein Mobiltelefon übermittelte Email nur zum Zwecke der besseren Lesbarkeit und Bearbeitbarkeit auf seinem privaten Rechner übermittelt hat, in der praktischen Lebenserfahrung nicht ganz abwegig, wenn auch nach dem Regelwerk der Verfügungsklägerin nicht erlaubt.
d) Aber selbst wenn man aus der Übermittlung der Preiskalkulation an das private Email-Postfach rückschließen wollte, dass damit auch eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich weiterer Nutzungen zu vermuten wäre, hätten der Verfügungsbeklagte das Gegenteil dessen durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht.
aa) Macht im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens der Verfügungsbeklagte durch Versicherung an Eides statt glaubhaft, dass er nicht mehr im Besitz der streitgegenständlichen Dokumente ist, entfällt ein etwaiger Anspruch auf Unterlassung der Nutzung bzw. Offenlegung der erlangten Daten bereits deshalb, weil dem Verfügungsbeklagten die zu verbietenden Handlungen nicht mehr möglich sind. Der Verfügungsbeklagte kann sich gleichermaßen wie die Verfügungsklägerin hierbei einer eidesstattlichen Versicherung als Glaubhaftmachungsmittel bedienen (LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2021 - 3 SaGa 8/29 -).
bb) Eine solche Unmöglichkeit des wiederholenden Rechtsverstoßes hat der Verfügungsbeklagte vorliegend durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht.
Der Verfügungsbeklagten hat bereits in der eidesstattlichen Versicherung vom 7. Dezember 2020 versichert, das an seine private Emailadresse weitergeleitete Dokument endgültig und unwiederbringlich gelöscht zu haben. Er habe dieses weder in irgendeiner Form an Dritte weitergeleitet, noch sei er im Besitz dieses Dokuments. Er sei auch nicht in der Lage, dieses Dokument in irgendeiner Form wiederherzustellen. Auf die Beanstandungen der Verfügungsklägerin hat der Verfügungsbeklagte seine eidesstattliche Versicherung im Berufungstermin ergänzt und präzisiert. Er versicherte an Eides statt, zu keinem Zeitpunkt Kopien oder Ausdrucke gemacht zu haben. Die Email sei gelöscht, und zwar auch im Papierkorb gelöscht. Der Verfügungsbeklagte vermochte für die Kammer nachvollziehbar darzulegen, die Email nur deshalb an sein Emailpostfach weitergeleitet zu haben, weil er die Email zu Hause auf seinem Handy empfangen habe. Der Kollege habe ihn gebeten zu prüfen, ob er mit dieser Schablone arbeiten könne. Zur besseren Sichtbarmachung und besseren Lesbarkeit habe er sich die Exceltabelle auf seinem privaten Rechner angeschaut. Am folgenden Montag habe er die Bearbeitung im Betrieb vorgenommen. Außer einer kurzen Einsichtnahme habe er mit der Email auf seinem privaten Rechner nichts gemacht.
Es bestehen für die Kammer keine Anhaltspunkte, die zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser eidesstattlichen Versicherung Anlass böten. Auch die Verfügungsklägerin konnte solche nicht benennen. Sie verblieb im Berufungstermin bei bloßen Mutmaßungen, dass der Verfügungsbeklagten doch noch in irgendeiner anderen (nicht benannten) Form im Besitz der Daten sein könnte. Das ist unzureichend.
Dass dem Verfügungsbeklagten im Verfahren über die Anlage AS 30 wieder eine Kenntnisnahmemöglichkeit der Preiskalkulation verschafft wurde, begründet eine Begehungs- und Wiederholungsgefahr nicht. Hier greift der Schutz der Einstufung als geheimnisbedürftig gem. § 16 Abs. 1 GeschGehG mit der Sanktionsmöglichkeit nach § 17 GeschGehG.
II. Auch einem aus § 1004 BGB abgeleiteten Unterlassungsanspruch würde es gleichermaßen am notwendigen Tatbestandsmerkmal einer Wiederholungsgefahr mangeln.
III. Besteht keine Begehungs- oder Wiederholungsgefahr, fehlt es auch am Verfügungsgrund.
IV. Die Einstufung diverser Anlagen als geheimhaltungsbedürftig gem. § 16 Abs. 1 GeschGehG hätte eigentlich gem. § 20 Abs. 5 GeschGehG durch Beschluss erfolgen müssen. Die Tenorierung durch das Arbeitsgericht im Urteil ist jedoch unschädlich. Dieser Urteilsteil wurde in der Berufung nicht angegriffen. Er ist somit in Rechtskraft erwachsen. Deshalb wurde diese Tenorierung zur Klarstellung nochmals wiederholend in den Tenor aufgenommen."
Das OLG Rostock hat entscheiden, dass das Bestehen der Wiederholungsgefahr nicht automatisch die Dringlichkeit bzw. den Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung begründet.
Aus den Entscheidungsgründen: "Jedenfalls nämlich fehlt aus den Gründen, die das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss noch einmal pointiert von der hier nicht ausschlaggebenden Frage nach dem Zeitversatz zwischen Kenntnisnahme vom Verstoß und Antragstellung (so genannte Selbstwiderlegung; vgl. MüKoZPO/Drescher, 05. Aufl. 2016, § 935 Rn. 18 ff., m.w.N.) abgegrenzt hat, der Verfügungsgrund (§§ 920 Abs. 2, 936 ZPO). Den dahingehenden Überlegungen des Landgerichts tritt der Senat mit der ergänzenden Maßgabe bei, dass jedenfalls nicht bereits aus der - etwaigen - Bejahung der für den Verfügungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr zugleich auf den Verfügungsgrund geschlossen werden kann (OLG Dresden, Urteil vom 07.04.2005 - 9 U 263/05, NJW 2005, 1871 [Juris; Tz. 14]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 935 Rn. 10; BeckOK ZPO/Mayer, 40. Edition - Stand: 01.03.2021, § 935 Rn. 14). Daher ergibt sich ein Verfügungsgrund insbesondere nicht - schon - daraus, dass der (etwaige) Unterlassungsschuldner die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert hat (OLG Dresden, a.a.O.). Vorliegend hat die Antragsgegnerin den streitbegriffenen Artikel mit den angegriffenen Äußerungen und Lichtbildern am 03.03.2021 „aus dem Netz“ genommen. Seither - nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen kommt es nicht auf die Zeitspanne zwischen dem 03.03.2021 und dem Zeitpunkt der Antragstellung (19.03.2021) an, sondern auf die (längere) Zeitspanne bis zum Verhandlungsschluss (§ 296a Satz 1 ZPO) bzw. (im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung) bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (durch den Senat, also „bis jetzt“) - hat die Antragsgegnerin keinerlei Anstalten unternommen, den Beitrag erneut „ins Netz“ zu stellen (oder in irgendeiner sonstigen Form zu wiederholen). Es liegt auch sonst keinerlei konkreter Anhaltspunkt für eine - zeitnahe und damit ein Hauptsacheverfahren ausschließende - Wiederholung vor."
Das OLG Köln hat entschieden, dass keine Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung im Urheberrecht besteht, wenn die Verletzungshandlung eingestellt wurde.
Aus den Entscheidungsgründen:
"II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Antragsteller dürfte zwar ein Verfügungsanspruch zustehen aus §§ 97 Abs. 1, 13, 15, 19a, 72 UrhG, weil die Antragsgegnerin den Eindruck erweckt hat, dass alle nicht gesondert gekennzeichneten Inhalte auf der streitgegenständlichen Internetseite der Antragsgegnerin – wie das Lichtbild des Antragstellers - aus ihrem Hause stammten und ihr zuzuordnen seien. Es fehlt jedoch an einem Verfügungsgrund.
Ein Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940 ZPO besteht in der (objektiv begründeten) Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wessentlich erschwert werden könnte (G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 935 Rn. 10 m.w.N.). Es ist durch eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 14.8.2020 glaubhaft gemacht, dass er erst am 16.7.2020 Kenntnis von der Nutzung des streitgegenständlichen Lichtbildes auf der im Antrag und Tenor wiedergegebenen Internetseite erhalten hat. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 14.8.2020 beim Landgericht eingegangen. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller die Verfolgung seiner Rechte nachdrücklich betrieben hat.
Die Antragsgegnerin hat jedoch am 30.7.2020, also vor Beantragung der einstweiligen Verfügung, wie durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht und letztlich unstreitig gestellt, nachträglich einen auf den Antragsteller lautenden Urhebervermerk am streitgegenständlichen Lichtbild einfügen lassen. Eine aktuelle Rechtsverletzung des Antragstellers liegt derzeit nicht vor. Zwar führt materiell-rechtlich die bloße Einstellung oder Beendigung eines Verstoßes nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Die bereits begangene Verletzungshandlung indiziert die Wiederholungsgefahr; insoweit besteht eine tatsächliche Vermutung (vgl. nur BGH GRUR 2014, 706 – Reichweite des Unterlassungsgebots – juris Rn.12). Bei Unterlassungsansprüchen ergibt sich die „Dringlichkeit“ als Voraussetzung des Verfügungsgrundes jedoch nicht schon aus der materiellrechtlichen Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 935 Rn. 10). Im Rahmen des Verfügungsgrundes kann die rein tatsächliche Beendigung der Verletzungslage dazu führen, dass der Verfügungsgrund entfällt und dem Verletzten nur das Hauptsacheverfahren bleibt (vgl. Specht in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. § 97 Rn. 114; Köhler in: KBF, UWG, 39. Aufl. § 12 Rn. 2.18 für zeitbedingte Verstöße; ebenso: Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. Kap. B III Rn. 139 m.w.N.).
Dies gilt jedenfalls für das Urheberrecht. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG greift hier nicht. Der Antragsteller hat vielmehr darzutun und ggfls. glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO vorliegen und der Weg ins Hauptsacheverfahren unzumutbar ist (vgl. OLG Nürnberg, GRUR#RR 2019, 64; OLG München BeckRS 2008, 42109). Bei einer fortbestehenden Rechtsverletzung wird sich die Dringlichkeit zwar auch ohne Vermutung des § 12 Abs. 1 UWG in der Regel aus der Lage des Falles selbst ergeben (vgl. Senat BeckRS 2016, 09601; OLG München BeckRS 2008, 42109; GRUR 2007, 184; Senat WRP 2014, 1085). Im vorliegenden Fall dauert die Rechtsverletzung jedoch nicht mehr an, sodass es Sache des Antragstellers gewesen wäre, näher vorzutragen, weshalb die Sache für ihn noch dringlich ist. Allein dass die Wiederholungsgefahr weiter besteht, genügt nicht. Denn zur Bejahung der Wiederholungsgefahr bedarf es keiner zeitlichen Komponente. Für die Wiederholungsgefahr ist der Zeitpunkt einer etwaigen weiteren Rechtsverletzung irrelevant (vgl. Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. Kap. B III Rn. 139). Für die Frage des Verfügungsgrundes hingegen ist die zeitliche Komponente, also ob zeitnah eine Wiederholung droht, von entscheidender Bedeutung. Wenn die Antragsgegnerin nach der Abmahnung den Urhebervermerk nachträglich einfügen lässt, besteht aufgrund der vorangegangenen Verletzungshandlung zwar grundsätzlich weiter die Vermutung zukünftiger Rechtsverletzungen, also die Wiederholungsgefahr. Dafür jedoch, dass eine zukünftige Rechtsverletzung durch die Antragsgegnerin nicht nur als solche wahrscheinlich, sondern auch konkret in unmittelbar zeitlicher Nähe stattfinden wird, sodass ein Hauptsacheverfahren nicht durchgeführt werden könnte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen. Für die zeitliche Nähe einer weiteren Rechtsverletzung besteht, anders als für die Wiederholungsgefahr, auch keine tatsächliche Vermutung. Insoweit wäre es Sache des Antragstellers gewesen näher darzutun, weshalb es ihm, obwohl die Rechtsverletzung bereits eingestellt worden ist, dennoch unzumutbar ist, im Hauptsacheverfahren eine abschließende Klärung herbeizuführen. Soweit er auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 21.8.2020 im Schriftsatz vom 7.9.2020 nähere Ausführungen macht, beziehen sich diese im Wesentlichen auf das Fortbestehen der materiell-rechtlichen Wiederholungsgefahr trotz rein tatsächlicher Aufgabe der Verletzungshandlung, wobei er von einem Gleichlauf von Wiederholungsgefahr und Verfügungsgrund ausgeht mit Ausnahme der zögerlichen Verfolgung durch den Verletzten selbst. Da ein solcher Gleichlauf bei zeitbedingten Verstößen (etwa anlässlich von Jubiläen) und bei Aufgabe einer Verletzungshandlung ausscheiden kann, hätte es weiteren Vortrags zur Dringlichkeit bedurft.
Der Antragsteller ist auch nicht schutzlos dem Willen oder der Willkür des Verletzers ausgesetzt. Sollte die Antragsgegnerin den Urhebervermerk vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens tatsächlich wieder entfernen und dadurch die Rechtsverletzung wiederholen, wäre damit eine zeitnahe Wiederholung der Rechtsverletzung offensichtlich und dann ein Verfügungsgrund unproblematisch gegeben.
Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung mit der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach dem GeschGehG im einstweiligen Verfügungsverfahren befasst.
Leitsätze des Gerichts:
1. Zur Frage der Dringlichkeit bei im Wege des Eilverfahrens geltend gemachten Ansprüchen nach dem GeschGehG.
2. Bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem GeschGehG ist es im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit der Anträge erforderlich, dass die streitbefangenen Geschäftsgeheimnisse konkret bezeichnet werden.
3. Die Ausräumung einer im Sinne von § 6 GeschGehG konkreten Erstbegehungsgefahr setzt nicht die Abgabe einer strafbewerten Unterlassungserklärung voraus. Sie kann in der Regel durch einen sog. actus contrarius ausgeräumt werden, der auch darin gesehen werden kann, dass die Antragsgegnerin im Eilverfahren erklärt, etwaige Geschäftsgeheimnisse nicht zu nutzen oder offenzulegen.
4. Der Empfang einer E-Mail erfüllt nicht das Erfordernis eines „unbefugten Zugangs“ im Sinne von § 4 Abs. 1 GeschGehG.
Aus den Entscheidungsgründen:
1. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt es dem Verfügungsantrag nicht an der notwendigen Dringlichkeit. Das GeschGehG selbst enthält - anders als etwa das UWG in § 12 Abs. 2 - keine speziellen Bestimmungen für die Geltendmachung der dort vorgesehenen Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz, so dass entsprechend der Begründung zum RegE vom 4.10.2018 (BT-Drs. 19/4724, 34) zu Abschnitt 3 die allgemeinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen, also diejenigen aus GVG und ZPO (McGuire in Büscher, UWG, § 15 GeschGehG Rn 7). Ob angesichts des Umstands, dass durch das am 26.4.2019 in Kraft getretene GeschGehG die bis dahin geltenden §§ 17-19 UWG ersetzt wurden, für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 6 GeschGehG im einstweiligen Rechtsschutz die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG analog anzuwenden ist, ist umstritten (verneinend: OLG München GRUR-RR 2019, 443 Rn 13; Löffel WRP 2019, 1378, 1379; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, 38. Auflage 2020, GeschGehG § 15 Rn 16; bejahend: BeckOK GeschGehG/Spieker, 5. Ed. 15.3.2020, GeschGehG § 6 Rn 42-56). Die Frage kann jedoch im Ergebnis dahinstehen, da auch ohne Dringlichkeitsvermutung die nötige Eilbedürftigkeit nicht verneint werden kann.
Der Senat sieht es dabei als glaubhaft gemacht an, dass die Antragstellerin erst im Juni 2020 Kenntnis von den streitgegenständlichen Handlungen ihres Mitarbeiters hatte. Soweit der Vortrag und die Glaubhaftmachungen bisher den Eindruck zuließen, Mitarbeitern der Antragstellerin sei durch die Software „Digital Guardian“ bereits im März 2020 Meldung über verdächtige Datenbewegungen gemacht worden, hat die Antragstellerin in der Beschwerde klargestellt und auch glaubhaft gemacht, dass dies nicht der Fall war, sondern erst durch die Untersuchung im Juni rückblickend festgestellt wurde, dass die Software verdächtige Datenbewegungen registriert hatte. Angesicht der missverständlichen Formulierung hält der Senat dies auch nicht für wechselnden - und damit problematischen -, sondern nur für missverständlichen Vortrag.
Nach Kenntnis der Informationen hat die Antragstellerin hinreichend zügig gehandelt. Die aufgrund der Gesamtumstände und der Gefahr der Verwendung von Geschäftsgeheimnissen offensichtlich bestehende Dringlichkeit ist daher nicht widerlegt.
Soweit die Antragsgegnerin der Auffassung ist, die Antragstellerin habe die Überwachungssoftware dergestalt einrichten müssen, dass bei verdächtigen Datenbewegungen sofort Meldungen erstellt würden, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Es nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin unter Dringlichkeitsgesichtspunkten anlasslos dazu verpflichtet sein sollte, ihre Mitarbeiter regelmäßig daraufhin zu überwachen, ob diese keine Geschäftsgeheimnisse unerlaubt weitergeben - soweit dies rechtlich überhaupt möglich wäre.
2. In der Sache ist der Verfügungsantrag mangels hinreichender Bestimmtheit der Anträge teilweise unzulässig.
a) Die Hauptanträge sind mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig, da sie abstrakt auf „Geschäftsgeheimnisse“ Bezug nehmen, ohne diese jedoch genau zu bezeichnen. Für die Zulässigkeit des Verfügungsantrags ist wesentlich, dass die eingetretene, noch fortdauernde oder zukünftig bevorstehende Beeinträchtigung des Geschäftsgeheimnisses hinsichtlich der konkreten Verletzungsform bezeichnet wird (BeckOK GeschGehG/Spieker, 5. Ed. 15.3.2020, GeschGehG § 6 Rn 42-56).
Hier sind die Geschäftsgeheimnisse nicht näher bezeichnet und im Übrigen auch zwischen den Parteien streitig, so dass die Frage, was Gegenstand der Verurteilung ist, unzulässiger Weise in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde.
b) Auch der erste Hilfsantrag teilt dieses Schicksal. Zwar ist der Antrag durch den Verweis auf die „in Anlagen ASt 12, ASt 14 bis ASt 16 sowie ASt 20“ enthaltenen Geschäftsgeheimnisse“ konkretisiert; die Antragstellerin selbst sieht jedoch nicht den gesamten Inhalt der Anlage ASt 12 als Geschäftsgeheimnis an, ohne insoweit im Antrag zu differenzieren, auf welchen Teil der Inhalte sich das Verbot erstrecken solle. Für die Antragsgegnerin bliebe daher auch hier die Reichweite des Verbots unklar.
c) Der zweite Hilfsantrag hingegen weist die notwendige Bestimmtheit auf. Er umfasst konkret bezeichnete Dateien der Anlage ASt 12 sowie die kompletten Inhalte der Anlagen ASt 14 bis ASt 16 und Anlage ASt 20. Damit ist für die Antragsgegnerin hinreichend erkennbar, welches Verhalten ihr untersagt werden soll.
3. Der Hilfsantrag zu III. erweist sich jedoch als unbegründet. Der Antragstellerin stehen der geltend gemachte Unterlassungsansprüche aus § 6 GeschGehG nicht zu. Die Antragstellerin hat klargestellt, dass sich der Verfügungsantrag hinsichtlich der im Antrag 1 enthaltenen Begehungshandlungen des Nutzens und Offenlegens auf eine Erstbegehungsgefahr stützt; eine solche liegt jedoch nicht vor.
a) Im Hinblick auf beide im Antrag enthaltene Handlungen des Nutzens und Offenlegens von Geschäftsgeheimnissen wäre eine mögliche Begehungsgefahr durch die Erklärung der Antragsgegnerin, keine Geschäftsgeheimnisse nutzen oder offenlegen zu wollen, die von dem Hilfsantrag erfasst sind, in Wegfall geraten.
Aus den konkreten Einzelfallumständen kann sich zwar ergeben, dass die (erstmalige) Begehung der Beeinträchtigung des Geschäftsgeheimnisses ernstlich droht (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann UWG § 8 Rn 78). Die Begehungsgefahr schafft einen sog. vorbeugenden Unterlassungsanspruch. Die Feststellung einer Erstbegehungsgefahr verlangt also, dass objektiv ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der näher bezeichneten Weise rechtswidrig verhalten (ständige Rspr., vgl. BGH GRUR 2015, 603, 605 - Keksstangen; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann UWG § 8 Rn 84). Dabei muss sich die drohende Verletzungshandlung angesichts der konkreten Einzelfallumstände derart konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind. Insoweit ist der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses darlegungs- und beweisbelastet. Es besteht keine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Erstbegehungsgefahr.
Der Senat hält das Bestehen einer Erstbegehungsgefahr für fraglich. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verbietet nicht die Lebenserfahrung die Annahme, die Antragsgegnerin werde die Betriebsgeheimnisse nicht nutzen. Eine solche Vermutung mag vielleicht zulässig sein, wenn der Mitarbeiter der Antragstellerin und der Geschäftsführer der Antragsgegnerin in kollusivem Zusammenwirken Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin entwendet hätte. Der Senat kann jedoch - wie oben dargelegt - bei der einzigen an den Geschäftsführer der Antragsgegnerin tatsächlich gelangen E-Mail nicht zugrunde legen, dass der Versand tatsächlich mit Kenntnis und Unterstützung der Antragsgegnerin erfolgt. Vielmehr ist ebenso vorstellbar, dass der Mitarbeiter der Antragstellerin dies aus eigenem Antrieb und ohne Kenntnis der Antragsgegnerin gemacht hat. Es verbleibt daher die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Antragsgegnerin ohne sein vorheriges Wissen eine E-Mail erhalten hat, die (möglicherweise) ein Geschäftsgeheimnis der Antragstellerin enthält. Diese lässt nicht den zwingenden Schluss zu, das Geheimnis werde auch benutzt oder offengelegt.
Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, da ein Erstbegehungsgefahr jedenfalls wieder entfallen wäre.
Die Ausräumung einer derartigen - konkreten - Erstbegehungsgefahr verlangt nicht die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher UWG § 8 Rn 108; Teplitzky/Kessen Kap. 10 Rn 21 f.; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann UWG § 8 Rn 106), die vom Rechtsverletzten bei der bloßen Erstbegehungsgefahr auch gar nicht verlangt werden kann. Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr gelten daher weniger strenge Anforderungen als bei der Ausräumung der Wiederholungsgefahr (ständige Rspr. - vgl. BGH GRUR 2014, 382, 384 - Real Chips). Sie kann in der Regel durch einen sog. actus contrarius ausgeräumt werden, d.h. dass das die Begehungsgefahr ausräumende Verhalten spiegelbildlich das umkehren muss, was nach den konkreten Einzelfallumständen die Entstehung der Begehungsgefahr begründet hat (BGH a.a.O.). Das erforderliche entgegengesetzte Verhalten hängt davon ab, durch welches Verhalten die Erstbegehungsgefahr begründet wurde (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann UWG § 8 Rn 108 ff.).
An die Ausräumung der Wiederholungsgefahr sind hier nach Auffassung des Senats keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, wäre doch eine etwaige Begehungsgefahr allenfalls dadurch zu begründen, dass die Antragsgegnerin eine entsprechende E-Mail von Antragsteller zugesandt bekommen hat, ohne dass die Antragsgegnerin hierzu durch aktives Tun einen Beitrag geleistet hätte. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist daher keine strafbewehrte Unterlassungserklärung erforderlich.
Hier ist daher durch die ausdrückliche Erklärung der Antragsgegnerin in den Schriftsätzen vom 13.11.2020 und 20.11.2020, etwaige Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin, die von dem Hilfsantrag umfasst sind, nicht zu nutzen oder offenzulegen, eine mögliche Erstbegehungsgefahr als ausgeräumt anzusehen.
b) Ob eine Wiederholungsgefahr dadurch besteht, dass eine mögliche rechtswidrige Erlangung eines Geschäftsgeheimnisses - analog zum Markenrecht - eine Wiederholungsgefahr auch für die Handlung des Nutzens und Offenlegens begründen würde, kann dahinstehen, da die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag ausdrücklich (nur) Erstbegehungsgefahr gestützt hat. Die Wiederholungsgefahr stellt hierzu einen abweichenden Streitgegenstand dar.
4. Der im Hilfsantragskomplex III. mit dem Antrag 2. geltend gemachte Sequestrationsanspruch besteht ebenfalls nicht. Er setzt nach § 7 Nr. 1 GeschGehG voraus, dass die Antragsgegnerin elektronische Dateien im Besitz oder Eigentum hat, die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder verkörpern. An einer derartigen Verletzungshandlung fehlt es.
a) Vorausgesetzt wird nach § 7 Nr. 1 GeschGehG durch die Bezeichnung der Passivlegitimation des „Rechtsverletzers“ eine Rechtsverletzung, also, dass ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1 entgegen § 4 rechtswidrig erlangt, genutzt oder offengelegt worden ist, ohne dass ein Fall von § 5 vorliegt (vgl. § 2 Nr. 3). Nicht erforderlich ist, dass die Voraussetzungen eines Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs vorliegen, was einschließt, dass kein Verschulden wie beim Schadensersatzanspruch und auch keine Wiederholungsgefahr erforderlich ist (BeckOK GeschGehG/Spieker, 5. Ed. 15.3.2020, GeschGehG, § 7 Rn 4).
b) Eine derartige Verletzungshandlung hat hier nicht vorgelegen. Die Antragsgegnerin hat die in Anlage ASt 12 markierten sowie die in Anlagen ASt 14 bis ASt 16 enthaltenen Dateien nicht im Sinne von § 4 Abs. 3 S. 1 GeschGehG „erlangt“.
(1) Während das Verbot des § 4 Abs. 1 GeschGehG hier nicht betroffene Verhaltensweisen erfasst, mit denen sich eine Person unbefugt den Zugriff auf das Geschäftsgeheimnis selbst oder einen (körperlichen oder unkörperlichen) Geheimnisträger verschafft, erfasst § 4 Abs. 3 GeschGehG auch mittelbare Verletzungshandlungen, bei denen die handelnde Person das Geschäftsgeheimnis entweder von einem Dritten bezieht bzw. ableitet oder mit rechtsverletzenden Produkten umgeht. In beiden Fällen ist in der Person des Handelnden indes ein subjektives Element erforderlich (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, 38. Auflage 2020, GeschGehG § 4 Rn 60).
(2) Hieran fehlt es jedoch. Es ist erforderlich, dass die handelnde Person das Geschäftsgeheimnis von diesem Dritten erlangt, wobei sie gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass der Dritte einen Rechtsverstoß begangen hat. Das Gesetz nennt drei Formen der unzulässigen Kenntniserlangung: Zugang, Aneignung, Kopieren. Die Aufzählung ist abschließend und stellt klar, dass nicht jede Kenntniserlangung als Handlungsverbot nach dem GeschGehG einzustufen ist (BeckOK GeschGehG/Hiéramente, 5. Ed. 15.9.2020, GeschGehG § 4 Rn 14-19). Keine dieser Handlungsformen liegt hier jedoch vor, insbesondere kann ein „Zugang“ nicht bejaht werden. Dieser liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn eine E-Mail empfangen wird, da der Empfänger hierzu keinerlei Beitrag leistet. Vielmehr ist zu verlangen, dass in dem „Zugang“ ein aktives Element enthalten sein muss. D.h., der Empfänger muss auch eine Form von Aktivität entfaltet haben.
Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass es hinsichtlich der Dringlichkeitsvermutung für eine einstweilige Verfügung wegen unzulässiger positiver Kundenrezensionen gegen Gegenleistung auf das Testkaufdatum und nicht den tatsächlichen Erhalt der Gegenleistung ankommt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ergibt sich aus dem entscheidungserheblichen Sachverhalt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin, das der Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche entgegenstehen würde.
Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 4.10).
Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Indizien legen es auch in der Gesamtschau nicht nahe, dass die Antragstellerin hier überwiegend sachfremde Motive verfolgt. Insbesondere sind die Inhalte der von der Antragstellerin vorformulierten Unterlassungserklärung zwar insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs von den Ansprüchen der Antragstellerin nicht umfasst. Dies begründet jedoch für sich allein keinen Hinweis auf ein nicht schutzwürdiges Gebührenerzielungsinteresse der Antragstellerin (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 4.12a). Die Höhe der geforderten Vertragsstrafe von 5.200,00 EUR lässt keinen Rückschluss auf eine systematische Übervorteilung der Antragsgegnerin zu.
Auch der Umstand, dass die Antragstellerin an der Verwirklichung eines etwaigen Wettbewerbsverstoßes mitgewirkt hat, legt keinen Rechtsmissbrauch nahe. Die Antragstellerin hat durch die veranlassten Testkäufe letztlich überprüft, ob die Nutzung der Webseite „U2.de“ in der dort beworbenen Art und Weise abläuft. Der Grundstein für das beanstandete Verhalten war indes bereits in der Bereitstellung des Angebots gesetzt, ohne dass die Antragstellerin an diesem Vorgang irgendwie beteiligt war.
II. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist jedoch unbegründet, denn es fehlt an dem nach §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Verfügungsgrund, der im Rahmen der Begründetheit des Antrages zu prüfen ist. Es kann dahinstehen, ob ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht ist.
Die Antragstellerin hat durch ihr Verhalten die grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 UWG bestehende Dringlichkeitsvermutung widerlegt.
Die Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG ist widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass ihm die Sache nicht eilig ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 38. Aufl. 2020, UWG § 12 Rn. 3.15). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Antragsteller längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt (Köhler a.a.O.).
Für die Frage, ab welcher Zeitdauer der Antragsteller nach Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß durch zu langes Zuwarten die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt hat, gelten keine starren Fristen (OLG Frankfurt , Beschluss vom 27.09.2012 - 6 W 94/12, BeckRS 2012, 22063; OLG Koblenz, Urteil vom 23.02.2011 - 9 W 698/10, GRUR 2011, 451). Vielmehr ist auch bei Zugrundelegung von Regelfristen eine Beurteilung unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (OLG Hamburg, Urteil vom 21.03.2019 – 3 U 105/18, GRUR-RS 2019, 9190; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, § 12 Rn. 3.15b). Im Einklang mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vertritt die Kammer die Auffassung, dass regelmäßig auch noch ein Zeitraum von zwei Monaten zwischen Kenntnisnahme vom Wettbewerbsverstoß bis zur Antragstellung noch nicht dringlichkeitsschädlich ist (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2019 - 15 U 48/19, BeckRS 2019, 24920; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2014 - I-20 U 154/14, BeckRS 2015, 6633).
Für den Beginn der Dringlichkeitsfrist wird auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme aller relevanten Umstände abgestellt, wobei die notwendige Recherche zur sorgfältigen Klärung grundsätzlich nicht dringlichkeitsschädlich ist (OLG Köln, Urteil vom 14.7.2017 – 6 U 197/16, GRUR-RR 2018, 207).
Vorliegend hat die Antragstellerin bereits Anfang Juni von dem Angebot auf „U2.net“ erfahren. Spätestens am 01.07.2020, als die Kundenrezensionen der Testkäufer, die in Erwartung auf Erhalt der teilweisen Kaufpreisrückerstattung erfolgt sind, unter dem Angebot der Antragsgegnerin ohne den Hinweis auf die Gegenleistung veröffentlicht wurden, hatte die Antragstellerin Kenntnis von dem gerügten Wettbewerbsverstoß. Demnach hat sie länger als zwei Monate zugewartet, bis sie den Verfügungsantrag einreichte.
Soweit die Antragstellerin die Ansicht vertritt, dass für die Kenntniserlangung auf den Eingang der Rückerstattung des halben Kaufpreises auf den Konten der Testkäufer am 23.07.2020 abzustellen sei, folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht. Die Antragstellerin rügt als Wettbewerbsverstoß die Irreführung von Verbrauchern durch das Bewerben von Matratzen im Internet mit Kundenrezensionen, für die die Rezensenten eine Gegenleistung erhalten haben, ohne auf diesen Umstand hinzuweisen.
Dieses Bewerben kann allein durch die Veröffentlichung der entsprechenden Kundenrezensionen ohne den Hinweis auf die Gegenleistung und insoweit unabhängig von dem tatsächlichen Eingang der für Verbraucher und andere Marktteilnehmer nicht erkennbaren teilweisen Kaufpreisrückerstattung erfolgen. Insofern kommt es für den Zeitpunkt der Kenntnisnahme auch bei der Durchführung der Recherche in Form von Testkäufen auf den Veröffentlichungszeitpunkt und nicht auf den Rückzahlungseingang an. Zu diesem Zeitpunkt werden den Verbrauchern die gerügten Bewertungen zugänglich gemacht und können insofern eine etwaige wettbewerbswidrige Wirkung entfalten.
Dabei kann es sich nicht zu Gunsten der Antragstellerin auswirken, dass sie in ihrem Antrag auf den Erhalt der Gegenleistung abstellt, denn nach ihrem eigenen Vortrag hat die Antragstellerin die Testkäufe selbst veranlasst und war mit dem Prozedere bekannt. Dabei war sie insbesondere auch darüber informiert, dass Voraussetzung des Bewertungsauftrags die Abgabe einer 5-Sterne-Bewertung war, so dass der Kern der beanstandeten Handlung, nämlich die Abgabe der Rezension unter dem Eindruck einer versprochenen Gegenleistung, bereits mit der Veröffentlichung der Rezension erfüllt war.
Das OLG Köln hat entschieden, dass wenn nach einstweiliger Verfügung gegen eine GmbH erst später gegen den alleinigen Geschäftsführer eine einstweilige Verfügung begehrt wird, insoweit die Dringlichkeit fehlt.
Aus den Entscheidungsgründen: Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet. Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner zu. Es fehlt insoweit an einem Verfügungsgrund. Denn es kann als Zeitpunkt der Kenntnis von Verstoß und Verletzer nicht erst auf den Zeitpunkt der Zustellung des Urteils des Senats in dem Verfahren gegen die GmbH – 31 O 222/16 – am 19.11.2018 und die Testkäufe am 11. und 13.2.2019 abgestellt werden.
1. Die Antragstellerin hätte zu dem Zeitpunkt, als sie von dem Vertrieb der nachgeahmten Produktgestaltung Kenntnis erlangt und gegen die Gesellschaft vorgegangen ist, auch den Antragsgegner persönlich in Anspruch nehmen können und müssen. Sie hatte damals Kenntnis von allen Umständen, die eine unlautere geschäftliche Handlung iSd § 4 Nr. 3 UWG begründeten. Sie hat sich damals entschieden, nur gegen die Gesellschaft vorzugehen und nicht auch gegen den Antragsgegner.
a. Sie behauptet nunmehr, dass sie keine Kenntnis von der internen Organisation der Gesellschaft gehabt habe und damals nicht gewusst habe, inwieweit der Geschäftsführer mitgewirkt und für die Produktgestaltung verantwortlich gewesen sei. Diese Argumentation überzeugt nicht.
b. Dass die Antragstellerin damals nicht auch gegen den Geschäftsführer vorgegangen ist, mag daran gelegen haben, dass sie es seinerzeit nicht für erforderlich gehalten hat oder sich – mangels Kenntnis von der undurchsichtigen Unternehmensgruppenstruktur - keine Gedanken gemacht hat. Dass sie ein Vorgehen überlegt, aber wegen der Unkenntnis von den internen Unternehmensabläufen und insbesondere den Entscheidungskompetenzen und damit wegen der Unkenntnis der Beteiligung des Antragsgegners an der Entscheidung zum Vertrieb einer bestimmten Ausstattung davon abgesehen hat, auch gegen ihn vorzugehen, erscheint wenig plausibel.
aa. Aus dem Rubrum des Parallelverfahrens gegen die Gesellschaft ergibt sich bereits, dass die E GmbH & Co. KG nur einen Geschäftsführer hatte. Damit konnte die Antragstellerin ohne weiteres damals bereits erkennen, dass es keine Zuständigkeitsprobleme innerhalb der Geschäftsführung geben konnte. Sie wusste damals bereits, dass der Antragsgegner Alleingeschäftsführer war und somit alle wichtigen Entscheidungen allein zu treffen hatte.
bb. Außerdem wusste sie, dass es um den Vertrieb einer bestimmten Produktreihe unter einem bestimmten Markenzeichen und in einer bestimmten Ausstattung ging. Über die Aufnahme des Vertriebs einer eigenen Produktpalette und die Produktgestaltung wird typischerweise auf Geschäftsleitungsebene entschieden (s. BGH, Urt. v. 22.1.2015 – I ZR 107/13, GRUR 2015, 909 = WRP 2015, 1090 – Exzenterzähne Rn. 45 mwN). Da es nur einen Geschäftsführer gab, musste die Antragstellerin damals schon davon ausgehen, dass die Entscheidung über den Vertrieb letztlich von dem Antragsgegner herrührte. Der Verweis auf die Möglichkeit der Entscheidung einer Marketingabteilung führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch wenn eine Marketingabteilung das Design einer Ausstattung erarbeitet, ist es üblich, solche Entscheidungen letztlich auf Geschäftsführungsebene zu treffen oder freizugeben. Sollte es in dem Unternehmen des Antragsgegners tatsächlich so sein, dass eine Abteilung solche Maßnahmen alleinverantwortlich trifft, beruht eine solche Organisation letztlich auf einer Entscheidung der Geschäftsführung, für die sie im Ergebnis ebenfalls verantwortlich zeichnet, weil sie die Struktur in dieser Weise eingeführt und „in Gang gesetzt“ hat.
cc. Auf die komplexe Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung bei einem von mehreren Geschäftsführern, der möglicherweise mit einer bestimmten Maßnahme nicht befasst war und deshalb nicht aus seiner Organstellung heraus verantwortlich ist, kommt es vorliegend nicht an.
c. Wenn danach davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin bereits zu dem Zeitpunkt, als sie gegen die Gesellschaft vorgegangen ist, alle Umstände kannte, die auch eine Verantwortlichkeit des Alleingeschäftsführers begründeten, hat sie durch ihr Vorgehen gezeigt, dass es ihr mit der Durchsetzung ihrer Rechte dem Antragsgegner gegenüber nicht so eilig war und damit die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG selbst widerlegt.
d. Der Umstand, dass nach Verurteilung der Gesellschaft nach wie vor noch Produkte in der verbotenen Aufmachung erworben werden konnten, stellt keine andersartige oder derart intensivere Verletzungshandlung dar, dass dadurch eine neue Dringlichkeitsfrist in Gang gesetzt worden wäre.
2. Da die Antragstellerin zum einen die Möglichkeit hat und bereits in Anspruch genommen hat, gegen die Gesellschaft zu vollstrecken, und ihr weiterhin die Möglichkeit bleibt, gegen den Geschäftsführer im Wege der Hauptsacheklage vorzugehen, ist ihr auch in keiner Weise rechtlicher Schutz verwehrt. Es besteht lediglich kein Bedürfnis für ein Eilverfahren mehr.
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass auch im einstweiligen Verfügungsverfahren in Ausnahmefällen eine Aufbrauchfrist in Betracht kommen kann.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Antragstellerin war hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin eine Aufbrauchsfrist zuzubilligen. Eine sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs würde eine unverhältnismäßige Härte darstellen.
(1) Eine Aufbrauchsfrist als immanente Beschränkung des Unterlassungsanspruchs kommt nur in Betracht, wenn dem Schuldner durch ein unbefristetes Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstünden und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung der Wettbewerbswidrigkeit nicht unzumutbar beeinträchtigt werden (BGH GRUR 1990, 522, 528 - HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz). Im Kern der Prüfung steht eine Abwägung der Interessen des Schuldners auf der einen sowie des Gläubigers und der Allgemeinheit auf der anderen Seite, bei der für den Schuldner schwere Nachteile durch den sofortigen Vollzug des Verbotes erforderlich sind. Dies kommt in Rechtsmittelinstanz oft nicht in Betracht, da sich der Schuldner durch die bisherige Verfahrensdauer auf das drohende Unterlassungsgebot einstellen konnte, so dass die Interessenslage in den Rechtsmittelinstanzen oft die Gewährung einer Aufbrauchsfrist nicht gebietet (BGH GRUR 1974, 474, 476 - Großhandelshaus; OLG Köln NJWE-WettbR 2000, 209, 211; KG WRP 1999, 339, 341 f.; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 1.97).
Als Interesse des Gläubigers ist die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs in die Interessenabwägung einzustellen, wobei zu bemerken ist, dass aufgrund der Gesamtumstände der Verstoß an der unteren Grenze der Spürbarkeit nach § 3 II UWG anzusiedeln ist. Auf der anderen Seite hat die Antragsgegnerin dargelegt und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht (Anlage AG 9), dass aufgrund der Produktions- und Lieferbedingungen ein Zugriff auf die einzelnen Kartons zum Zwecke des Austauschs der in der Bedienungsanleitung enthaltenden Garantiebedingungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. Danach werden die in Malaysia hergestellten Geräte dort fertig konfektioniert und in für ganz Europa identischer Aufmachung zum für Zentraleuropa zuständige externen Lager der Fa. X verschifft, von wo sie palettenweise weitergeliefert werden. Der Zugriff auf jeden einzelnen Karton (Entpacken der Paletten, Zugriff auf jeden einzelnen Karton, Entfernung der Zellophanierung, Öffnen des Kartons, Austausch der Bedienungsanleitung, Verschließen, Versiegeln, Zellophanieren) ist damit unverhältnismäßig. Unter diesen Umständen würde die Unterlassungsverpflichtung faktisch zu einem totalen Vertriebsstopp führen, der angesichts des geringen Verstoßes unverhältnismäßig wäre.
Die Antragsgegnerin hat zudem glaubhaft gemacht, dass aufgrund der dargestellten Lieferumstände eine Änderung der Bedienungsanleitung in Malaysia zu einer Bereitstellung auf dem deutschen Markt nach vier Monaten folgen würde. Da die Antragsgegnerin seit Ende November 2019 Kenntnis von der wettbewerbsrechtlichen Beanstandung durch die Antragstellerin hatte, bestand seit diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, eine Änderung herbeizuführen, weshalb die Aufbrauchsfrist bis 01.04.2020 angemessen erscheint.
(2) Einer Aufbrauchsfrist im Eilverfahren steht auch nicht eine besondere Dringlichkeit der Sache entgegen (so auch Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rnr. 1.96-1.98; Berlit WRP 1998, 250, 251 f.; Ulrich WRP 1991, 26, 28 f.; Berneke/Schüttpelz Rdn. 354; KG GRUR 1972, 192; OLG Stuttgart WRP 1989, 832; WRP 1993, 536; a.A. noch Senat, WRP 1988, 110, 113). Es sind keine Argumente erkennbar, warum nicht auch im Eilverfahren eine derartige Einschränkung des Unterlassungsanspruchs in Betracht kommen soll. Das Eilverfahren soll nur das Risiko ausgleichen, dass eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren für den Gläubiger zu spät kommt und ein endgültiger Rechtsverlust eintritt. Es kann indes dem Gläubiger keinen weitergehenden Unterlassungsanspruch verschaffen als ein Hauptsacheverfahren."
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Dringlichkeitsvermutung nach § 140 Abs. 3 MarkenG widerlegt werden kann, wenn sich die Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände geradezu aufdrängte und länger als 6 Wochen gewartet wird.
Aus den Entscheidungsgründen:
"1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Dringlichkeitsvermutung (§ 140 Abs. 3 MarkenG) widerlegt ist. Die Antragstellerin hat sich durch zu langes Zuwarten selbst in Widerspruch zur Eilbedürftigkeit gesetzt.
a) Die Eilbedürftigkeit entfällt, wenn der Antragsteller längere Zeit untätig geblieben ist, obwohl er positive Kenntnis von Tatsachen hatte, die die Markenverletzung begründen, oder sich bewusst dieser Kenntnis verschlossen hat (Senat, WRP 2017, 1392 Rn. 31). Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht in diesem Zusammenhang zwar nicht (vgl. Senat, GRUR-RR 2017, 404; OLG Köln GRUR-RR 2014, 127, Rn. 12 m.w.N.). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Antragstellerin bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Zeichenbenutzung erkennen konnte. Jedoch kann sich die Antragstellerin nicht auf Unkenntnis berufen, wenn sich die Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände nach der Lebenserfahrung geradezu aufdrängte. Für das zu lange Zuwarten gelten keine starren Fristen. Ein Zeitraum von sechs Wochen stellt nach den Gepflogenheiten im hiesigen Gerichtsbezirk einen groben Zeitrahmen dar, an dem sich diese Beurteilung orientieren kann (Senat, GRUR-RR 2019, 63 - Mastschellen).
b) Die angegriffenen angeblichen Markenverletzungen betreffen einen Messeauftritt der Antragsgegner in der Zeit vom 26.4. - 28.4.2019 (Anlage LHR 13). Der Eilantrag wurde am 25.4. eingereicht und - in seiner erlassenen Form - am 26.4. konkretisiert. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin von Benutzungshandlungen der Antragsgegnerin zu 1, wie sie Gegenstand des Eilantrags sind, spätestens seit Januar 2019 Kenntnis haben musste. Mit Anwaltsschreiben vom 10.1.2019 ließ die Antragsgegnerin zu 1 die Klägerin wegen unlauteren Behinderungswettbewerbs im Hinblick auf die angeblich bösgläubige Anmeldung der Verfügungsmarke abmahnen (Anlage LHR 15 der Beiakte …). In dem Schreiben heißt es, die Antragsgegnerin zu 1 stelle Wasserpfeifentabak unter der Bezeichnung „Al Mahmoud“ wie nachstehend wiedergegeben her und beliefere damit Abnehmer in Deutschland, insbesondere Herrn C. Es folgte eine Einblendung eines der Verfügungsmarke des hiesigen Verfügungsantrags weitegehend entsprechenden Zeichens. Bereits mit Schreiben vom 21.12.2018 hatte die Antragstellerin ihrerseits Herrn C abmahnen lassen, wobei das Schreiben Bilder von Tabakdosen beinhaltete, die das fragliche Zeichen zeigten und auch die Antragsgegnerin zu 1 als Herstellerin auswiesen. Bei dieser Sachlage musste der Antragstellerin klar sein, dass die Antragsgegnerin zu 1 Abnehmer in Deutschland mit Tabakwaren beliefert, die in der beanstandeten Art gekennzeichnet sind. Sie kann sich nicht mit Erfolg drauf berufen, sie habe nicht gewusst, ob die Angaben in dem Abmahnschreiben der Antragsgegnerin der Wahrheit entsprechen. Darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass sich die Antragsgegnerin der Handlung berühmt. Der Inhalt des Anwaltsschreibens begründet damit zumindest eine Erstbegehungsgefahr. Die Antragstellerin kann auch nicht damit gehört werden, sie habe jedenfalls nicht gewusst, dass die Antragsgegnerin das Zeichen selbst in Deutschland nutzt, zum Beispiel auf einem Messestand. Auch darauf kommt es nicht entscheidend an. Für die Dringlichkeit spielt es keine Rolle, ob die Antragsgegnerin Händler in Deutschland mit markenverletzender Ware beliefert oder diese selbst auf Messen anbietet.
c) Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin auf ein Wiederaufleben der Dringlichkeit infolge eines „Qualitätssprungs“. Zwar ist es anerkannt, dass eine neue Dringlichkeit entsteht, wenn eine Verletzungshandlung eine andere Qualität aufweist als frühere, hingenommene Verletzungshandlungen. Ein solcher Qualitätssprung liegt aber nicht schon in der tatsächlichen Begehung einer zunächst nur drohenden Verletzungshandlung. Denn wer keinen Anlass sieht, eine real drohende (konkrete) Gefahr vorbeugend abzuwehren, kann nicht längere Zeit später glaubhaft geltend machen, sein nunmehriges Vorgehen gegen die Realisierung eben dieser Gefahr sei dringlich (Senat, GRUR-RR 2014, 82 Rn. 22 m.w.N.).
d) Die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung gegenüber dem Verhalten der Antragsgegnerin zu 1 wirkt sich auch auf den Eilantrag gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 aus. Unterlässt es der Markeninhaber bewusst, gegen den Hersteller vorzugehen, kann er sich nicht mit Erfolg drauf berufen, das Vorgehen gegen ein Handelsunternehmen sei dringlich (vgl. Senat, GRUR 2015, 279). Zwar mag etwas anderes gelten, wenn ein Hersteller im Ausland ansässig ist und der Markeninhaber keine sicheren Anhaltspunkte dafür hat, dass der Hersteller das markenverletzende Angebot im Inland veranlasst hat (Senat, aaO). Solche Umstände lagen jedoch aus den genannten Gründen nicht vor, zumal auch die Antragsgegnerin zu 2 im Ausland ansässig ist.
e) Im Übrigen hatte die Antragstellerin in dringlichkeitsschädlicher Zeit auch Kenntnis von Umständen, nach denen sich eine Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin zu 2 für die streitgegenständlichen Lieferungen nach Deutschland aufdrängte. In dem beigezogenen Verfahren ließ die Antragstellerin mit einem am 1.3.2019 verfassten Schriftsatz vortragen, Recherchen hätten ergeben, dass die A Handelsgesellschaft mbH (= Antragsgegnerin zu 2) auf der Sisha Messe vom 26.4.2019 Produkte der Marke Karaparsian (= Antragsgegnerin zu 1) ausstellen wird (vgl. Beiakte … Bl. 94). Beigefügt war ein Auszug aus dem Ausstellerverzeichnis der Messe mit entsprechenden Einträgen. Ferner legte sie dar, dass die E GmbH Lieferungen von Al Mahmood-Produkten der Antragsgegnerin zu 1 nach Deutschland abrechnet (Bl. 94, 95 d. Beiakte und Anlage LHR 19, Bl. 136). Aus dem Schriftsatz und der Rechnung nach Anlage LHR 19 geht hervor, dass die E GmbH exakt an der gleichen Adresse wie die Antragsgegnerin zu 2 ansässig ist. Es drängte sich bei dieser Sachlage auf und wäre unschwer zu ermitteln gewesen, dass es sich bei der Antragsgegnerin zu 2 (A mbH) um die umfirmierte E GmbH handelt. Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin daher darauf, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Antragsgegnerin zu 2 gerade Al Mahmood-Produkte auf der Messe ausstellen wird. Dies lag unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ohne weiteres nahe."
Das OLG München hat entschieden, dass die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG wohl nicht analog für Unterlassungsansprüchen nach § 6 GeschGehG gilt. Die Dringlichkeitsvermutung ist jedoch widerlegt wenn die Frist zur Antragskonkretisierung nach richterlichem Hinweis nicht eingehalten wird.
Aus den Entscheidungsgründen:
"1. Das GeschGehG selbst enthält - anders als etwa das UWG in § 12 Abs. 2 UWG - keine speziellen Bestimmungen für die Geltendmachung der dort vorgesehenen Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz, so dass entsprechend der Begründung zum RegE vom 04.10.2018 (BT-Drs 19/4724, dort S. 34) zu Abschnitt 3 die allgemeinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen, also diejenigen aus GVG und ZPO (McGuire, in: Büscher, UWG, § 15 GeschGehG Rn. 7). Ob angesichts dessen, dass durch das am 26.04.2019 in Kraft getretene GeschGehG die bis dahin geltenden §§ 17 bis 19 UWG ersetzt wurden, für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 6 GeschGehG im einstweiligen Rechtsschutz die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG analog anzuwenden ist, kann vorliegend allerdings dahinstehen. Denn selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin eine Dringlichkeitsvermutung annehmen wollte, ist diese jedenfalls durch das der Antragstellerin zuzurechnende dringlichkeitsschädliche Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten als widerlegt anzusehen.
a) Allerdings erscheint es bereits fraglich, ob § 12 Abs. 2 UWG im vorliegenden Fall analog angewendet werden kann, da dies eine planwidrige Regelungslücke voraussetzen würde und ferner, „dass der zu beurteilende Sachverhalt so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen“ (Feddersen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 54 Rn. 19a; BGH, GRUR 2003, 622, 623 - Abonnementvertrag). Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, erscheint zweifelhaft, zumal sich aus der im engen zeitlichen Zusammenhang zum hiesigen Gesetzgebungsverfahren erfolgten expliziten Aufnahme der Dringlichkeitsvermutung im MarkenG zu ergeben scheint, dass der Gesetzgeber beim GeschGehG bewusst von spezifischen Regelungen zum Verfügungsverfahren abgesehen hat, während er andere prozessrechtliche Fragen - wie diejenige der weitgehenden Abschaffung des Tatortgerichtsstands (vgl. Ohly, GRUR 2019, 441, 450) - ausdrücklich im GeschGehG gesetzlich geregelt hat.
b) Ob indes für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 6 GeschGehG eine Dringlichkeit gleichwohl zu vermuten ist oder der Verfügungsgrund nach allgemeinen Regeln (§ 936, § 920 Abs. 2 ZPO) glaubhaft zu machen ist, kann offen bleiben, denn vorliegend ist ein Verfügungsgrund wegen dringlichkeitsschädlichen Verhaltens im Laufe des Rechtsstreits zu verneinen.
aa) Als dringlichkeitsschädliches Verhalten ist ein solches anzusehen, das erkennen lässt, dass es dem Antragsteller mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist (st. Rspr., vgl. die Nachweise bei Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 12 Rn. 3.15), so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit all den damit zu Lasten des Antragsgegners verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und die mit dem Eilverfahren verbundene Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen beim angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint.
bb) Dringlichkeitsschädliche Auswirkungen auf den Verfügungsgrund entfalten dabei nicht nur Verhaltensweisen vor Antragstellung, sondern auch solche während des bereits anhängigen Verfahrens. So wirkt sich insbesondere das zögerliche Betreiben des Verfahrens nachteilig auf den Verfügungsgrund aus (vgl. Schmidt, in: Büscher, UWG, § 12 Rn. 168, 213 ff.; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 12 Rn. 3.16; Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 321), wobei sich der Antragsteller Verzögerungen, die durch seinen Prozessbevollmächtigten verursacht werden, gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 325; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 203). So hat dieser die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grds. weder auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung noch auf Urlaub berufen (Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 203; einschränkend Singer, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl., Kap. 45 Rn. 52 a.E.).
cc) Gemessen an diesen Maßstäben haben sich die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vorliegend dringlichkeitsschädlich verhalten, indem sie auf die ihnen nach eigenem Vortrag am 19.07.2019 zugegangene Verfügung der Vorsitzenden der 39. Zivilkammer am Landgericht nicht binnen der dort gesetzten Frist hin eine dem Hinweis entsprechende Antragskonkretisierung vorgenommen haben.
(i) Nach dem Vortrag der Antragstellerin in der sofortigen Beschwerde (dort S. 2, Bl. 22 d.A.) wurde die landgerichtliche Verfügung vom 16.07.2019 (Bl. 11 d.A.) Herrn Rechtsanwalt S. per beA am 19.07.2019 zugestellt (Bl. 22 d.A.). Unstreitig und zudem ausweislich des Briefkopfes der Antragsschrift ist Herr Rechtsanwalt S. Partner der prozessbevollmächtigten Kanzlei der Antragstellerin.
(ii) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es für die Frage, ob ein dringlichkeitsschädliches Verhalten der Antragstellervertreter vorliegt, nicht darauf an, ob Herr Rechtsanwalt S. auch Sachbearbeiter des hiesigen Verfügungsverfahrens ist. Denn auch ausweislich der Antragsschrift ist als Prozessbevollmächtigter der Antragstellerin nicht Herr Rechtsanwalt B. allein bestellt, sondern die Rechtsanwälte …: so heißt es folgerichtig in der Antragsschrift: „Namens und im Auftrag der Antragstellerin beantragen wir … den Erlass folgender einstweiliger Verfügung“ und ferner in der sofortigen Beschwerde: „In dem Rechtsstreit … legen wir namens der Antragstellerin … sofortige Beschwerde ein“.
(iii) Den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ist mithin am 19.07.2019 die Verfügung des Landgerichts zugegangen mit der Folge, dass eine die Dringlichkeit wahrende Sachbehandlung nur dann angenommen hätte werden können, wenn bis zum Ablauf des 26.07.2019 eine Stellungnahme auf diesen Hinweis bei Gericht eingegangen wäre. Dies war indes nicht der Fall.
(iv) Die Umstände, die die Antragstellerin vortragen lässt, vermögen ihr zögerliches Verhalten nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ergibt sich aus einer Zusammenschau der in der Woche vom 19.07.2019 bis 26.07.2019 behaupteten Tätigkeiten ein den Antragstellervertretern anzulastendes zögerliches Verhalten: Nachdem die landgerichtliche Verfügung am 19.07.2019 um 12:24 Uhr bei Herrn Rechtsanwalt S. eingegangen ist (Anlage ASt 13), wurde diese - ohne, dass hierfür eine Erklärung vorgebracht wird - erst am Nachmittag des 22.07.2019 an den Sachbearbeiter bei den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin weitergeleitet (Anlage ASt 14). Dieser befand sich jedoch bis 24.07.2019 seinem eigenen Vortrag nach im Urlaub, so dass die Verfügung des Landgerichts mangels anderer Angaben bis zum 25.07.2019 lediglich mehrfach weitergeleitet, aber nicht bearbeitet wurde. Vorkehrungen dafür, dass auch während des Urlaubs des Sachbearbeiters eine vorrangige Bearbeitung dieser Eilsache sichergestellt wäre, behauptet auch die Antragstellerin nicht ergriffen zu haben. Ungeachtet dessen ist dem Vorbringen der Antragstellerin nicht zu entnehmen, warum nicht noch am 25.07. bzw. am 26.07.2019 eine Stellungnahme durch den Sachbearbeiter an das Landgericht hätte gefertigt und diesem zugeleitet werden können. Soweit die Antragstellerin vortragen lässt, der Sachbearbeiter habe am 25.07.2019 mindestens drei Mal versucht, die Vorsitzende am Landgericht telefonisch zu erreichen, „um zu erfahren, ob das Gericht das Adressverzeichnis ausgedruckt auf Papier bevorzuge oder in Form einer elektronischen Speicherung auf einem Memorystick“, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg, denn dies erklärt nicht, warum sie ihren konkretisierten Antrag nicht spätestens am 26.07.2019 bei Gericht hätte einreichen können. Zumindest hat sie ausweislich Bl. 17/19 der Akte einen entsprechenden Schriftsatz auf den 26.07.2019 datiert. Dass sie diesen nicht am gleichen Tag, sondern erst am 29.07.2019 an das Gericht weitergeleitet hat, lässt sich jedenfalls nicht damit rechtfertigen, dass eine vorherige telefonische Rücksprache mit dem Gericht am 25.07.2019 nicht möglich gewesen sein soll (ungeachtet dessen, dass Versuche, die Vorsitzende Richterin am Landgericht am 26.07.2019 zu erreichen, nicht behauptet werden).
dd) Für den mit Schriftsatz vom 26.07.2019 abgeänderten Antrag kann sich die Antragstellerin auch nicht auf eine zwischenzeitlich neu in Gang gesetzte Dringlichkeitsfrist berufen.
(i) So wird der Antrag vom 26.07.2019 - bei Gericht eingegangen am 29.07.2019 - auf einen von der Antragsschrift abweichenden Sachvortrag gestützt. Zunächst wurde behauptet, dass die ehemalige Angestellte der Antragstellerin Frau L. S. das streitgegenständliche Adressverzeichnis am 19.02.2019 kopiert habe, nachdem sie sich unter Beihilfe des für die IT-Sicherheit Verantwortlichen der Antragstellerin mittels eines dem System unbekannten Computers Zugriff auf die Daten der Antragstellerin verschafft gehabt habe. Im auf den 26.07.2019 datierten Schriftsatz wird demgegenüber vorgetragen, dass eine Überprüfung des IT-Systems ergeben habe, dass der Inhalt des Adressverzeichnisses bereits am 14.02.2019 kopiert worden sei. Hiervon habe der Geschäftsführer der Antragstellerin am 25.07.2019 erfahren.
(ii) Wie sich aber dieser Vortrag zu den in der Antragsschrift behaupteten Vorgängen verhält, insbesondere ob die Antragstellerin an ihrer noch in der Antragsschrift vorgetragenen Version festhält, erklärt die Antragstellerin ebenso wenig, wie den Umstand, dass die im Schriftsatz vom 26.07.2019 geschilderte Untersuchung ersichtlich nicht bereits unmittelbar nach Kenntnis der eMail vom 17.06.2019 durchgeführt wurde. Auch dies offenbart ein der Antragstellerin anzulastendes zögerliches Verhalten bei der Sachverhaltsaufklärung, das der Annahme eines Verfügungsgrundes auch für den abgeänderten Antrag entgegensteht. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin die behaupteten IT-Untersuchungsergebnisse erst am 25.07.2019 erfahren hat, zumal die Antragstellerin selbst vorträgt, dass die am 14.02.2019 als Kopie der Adressliste angeblich angefertigte Excel-Datei von Frau L. S. am 15.02.2019 an die E-Mail-Adresse des Geschäftsführers der Antragstellerin selbst geschickt wurde (Bl. 18 d.A.). Dieser hatte mithin bereits seit diesem Tag Kenntnis von der behaupteten Kopie der Adressliste in Form einer Excel-Datei, ohne dies spätestens nach Kenntnis der eMail vom 17.06.2019 zum Anlass zu nehmen, insoweit weitere Aufklärung zu betreiben, geschweige denn bereits am 15.02.2019 die aus Sicht des Geschäftsführers nicht erforderliche Erstellung einer Excel-Datei durch Frau S. zu hinterfragen. Ob bei der Überprüfung entdeckt wurde, dass sich Frau S. am 15.02.2019 bei der an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten C. beworben hat, ist angesichts dieser dringlichkeitsschädlichen Aufklärungsbemühungen der Antragstellerin unerheblich, zumal sich den Ausführungen der Antragstellerin nicht entnehmen lässt, inwiefern die streitgegenständlichen Daten für die C. überhaupt von Interesse hätten sein können.
2. Es kann daher dahinstehen, ob der Antrag im Übrigen als zulässig anzusehen ist. Insbesondere bedarf es keiner weiteren Aufklärung, ob die seitens der Antragsgegnerin im Schreiben vom 10.07.2019 (Anlage ASt 5) gegenüber der Antragstellerin angekündigte Stellungnahme bis 19.07.2019 zu der zuvor ausgesprochenen Abmahnung vom 04.07.2019 (Anlage ASt 4) zwischenzeitlich bei der Antragstellerin eingegangen ist. Denn wäre dies der Fall, dann wäre im Hinblick auf die dann bislang nicht erfolgte Vorlage dieser Stellungnahme zu erwägen, ob rechtmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin anzunehmen wäre (vgl. hierzu Senat, WRP 2017, 1523 - Vorenthalten der Abmahnungserwiderung; LG München I, WRP 2017, 496 -Titelerschleichung).
3. Ebenfalls offen bleiben kann, ob die Antragstellerin einen Verfügungsanspruch hinreichend dargetan hat. Insbesondere die Frage, wie es sich auswirkt, dass die behauptete Beschaffungshandlung durch die ehemalige Angestellte der Antragstellerin zeitlich vor Inkrafttreten des GeschGehG stattgefunden haben soll, die hier streitgegenständliche Nutzungshandlung indes nach Inkrafttreten des Gesetzes, bedarf vorliegend keiner Klärung. Nicht entschieden werden muss ferner, ob der Vortrag der Antragstellerin - der sich im Wesentlichen auf die Beschaffungshandlung(en) konzentriert - hinreichend substantiierten Sachvortrag zu dem nach § 4 Abs. 3 S. 1 GeschGehG zumindest erforderlichen Wissenmüssen bzgl. der dort näher genannten Umstände enthält.
III.
Zu den Nebenentscheidungen:
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 47 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO.
3. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist im Streitfall, dem ein auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtetes Verfahren zu Grunde liegt, kein Raum (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
4. Der Antragsgegnerin ist der hiesige Beschluss von Amts wegen über deren Prozessbevollmächtigte bekannt zu geben. § 922 Abs. 3 ZPO steht dem nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG (GRUR 2018, 1288) ist es verfassungsrechtlich geboten, dem Antragsgegner auch dann Hinweise des Gerichts zur Kenntnis zu bringen, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wird. Dies betrifft insbesondere solche Hinweise, die es dem Antragsteller ermöglichen, zu Dringlichkeitsbedenken des Gerichts Stellung zu nehmen oder seinen Antrag nachzubessern (BVerfG, GRUR 2018, 1288, Rn. 24). Der Grund für die Mitteilung solcher Hinweise auch an den Antragsgegner liegt dabei nicht nur darin, dass sich der Antragsgegner im noch laufenden Verfügungsverfahren hierzu entsprechend verhalten kann, sondern auch in der dem Antragsgegner grds. zu verschaffenden Möglichkeit, diese Hinweise in einem etwaigen anderen Verfahren nutzbar zu machen (vgl. BVerfG, GRUR 2018, 1288, Rn. 24).
Vorliegend hat das Landgericht die der Antragstellerin erteilten Hinweise der Gegenseite vor seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht. Angesichts dessen, dass - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - die bisher erteilten Hinweise nicht dazu führen, dass der Antragsgegner diese im hiesigen Verfahren, welches durch die Zurückweisung der Beschwerde rechtskräftig abgeschlossen wird, zu seinen Gunsten nutzen können müsste, erscheint eine Beteiligung vor der Zurückweisung der Beschwerde nicht geboten. Erforderlich ist jedoch die Bekanntgabe des Beschlusses mit den dortigen Ausführungen, damit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Waffengleichheit auch im Hinblick auf etwaige zukünftige Verfahren hinreichend Rechnung getragen wird."