Skip to content

BGH: Zur Bemessung des Streitwerts in Facebook-Scraping-Fällen für Ansprüche auf Unterlassung, Zahlung, Auskunft und Feststellung

BGH
Beschluss vom 10.12.2024
VI ZR 7/24


Der BGH hat sich in diesem Beschluss zur Bemessung des Streitwerts in Facebook-Scraping-Fällen für Ansprüche auf Unterlassung, Zahlung, Auskunft und Feststellung geäußert.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Senat hat den Streitwert für das Revisionsverfahren auf die Gebührenstufe bis 4.000 € festgesetzt und die Klageanträge dabei - wie zuvor das Berufungsgericht - wie folgt bemessen: 1.000 € (Zahlungsantrag) + 500 € (Feststellungsantrag) + 1.500 € (Unterlassungsanträge) + 500 € (Auskunftsantrag) = 3.500 €. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich allein gegen die Wertfestsetzung für die Unterlassungsanträge, die er - wie zuvor das Landgericht - mit insgesamt 5.000 € (2 x 2.500 €) bemessen haben möchte.

Eine Höherfestsetzung des Streitwerts für die Unterlassungsanträge ist nicht veranlasst. Der Streitwert ist nach allgemeinen Regeln unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen (§ 48 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 GKG, § 3 ZPO). Maßgeblich bei einem Unterlassungsantrag nach - wie im Streitfall geltend gemacht - bereits erfolgter Verletzungshandlung ist das Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, welches maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Rechts bestimmt wird. Allerdings kann auch anderen, von der bereits erfolgten Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren - etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen - Rechnung zu tragen sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15, NJW 2017, 814 Rn. 33 ff. mwN). Das Gefährdungspotential ist dabei allein mit Blick auf das konkrete Streitverhältnis zu bestimmen. Für generalpräventive Erwägungen ist bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs ebenso wenig Raum (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15, NJW 2017, 814 Rn. 42 mwN) wie für eine Orientierung an einem etwaigen (Gesamt-)Schaden unter Einbeziehung anderer Betroffener (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2004 - VI ZR 65/04, juris Rn. 2; OLG Hamm, Urteil vom 15. August 2023 - 7 U 19/23, juris Rn. 277; OLG Frankfurt/M., K&R 2024, 673). Schließlich darf das Gesamtgefüge der Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitgegenstände nicht aus den Augen verloren werden (BGH, Beschluss vom 26. November 2020 - III ZR 124/20, K&R 2021, 127 Rn. 11).

Nach diesen Grundsätzen ist die erfolgte Festsetzung des Wertes der Unterlassungsanträge auf insgesamt 1.500 € (2 x 750 €) sachgerecht (vgl. zu Parallelfällen auch OLG Hamm, Urteil vom 15. August 2023 - 7 U 19/23, juris Rn. 279 ff.; OLG Frankfurt/M., K&R 2024, 673: jeweils insgesamt 1.000 €). Der Kläger selbst hat seinen Zahlungsanspruch auf Ersatz des bereits eingetretenen Schadens auf 1.000 € beziffert. Der Senat hat hierzu in einem weiteren Parallelverfahren näher ausgeführt, dass er auch eine Bemessung in der Größenordnung von 100 € für den bloßen Kontrollverlust von Rechts wegen nicht beanstanden würde (Urteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, juris Rn. 100). Seinen Antrag auf Feststellung hinsichtlich etwaiger zukünftiger Schäden hat auch der Kläger mit 500 € bewertet; dies erscheint angesichts der absehbaren Schwierigkeiten beim Nachweis der Ursächlichkeit künftiger Schäden auch sachgerecht. Die Verletzungshandlung liegt bereits fünf Jahre zurück, ohne dass es bislang jenseits des bloßen Kontrollverlustes zum Eintritt nachweisbarer Schäden oder einer weiteren Verletzungshandlung gekommen wäre; die Beklagte hat die Suchbarkeitsfunktion in der dem Streitfall inmitten stehenden Ausgestaltung vielmehr zwischenzeitlich deaktiviert. Beide Unterlassungsanträge nehmen ihren Ausgangspunkt in derselben Verletzungshandlung und hängen in der Sache eng zusammen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Düsseldorf: Nach Ablauf der Monatsfrist gemäß Art.12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO für die Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO tritt ohne Mahnung Verzug ein

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 02.12.2024
16 W 93/23

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass nach Ablauf der Monatsfrist gemäß Art.12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO für die Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO ohne Mahnung Verzug eintritt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten bleibt erfolglos, während die Anschlussbeschwerde des Klägers Erfolg hat.

Die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 – XII ZB 495/20, juris, Rn. 12) ist gegeben. Sie ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. c, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Der Kläger ist Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO mit Wohnsitz in Deutschland und die Beklagte richtete ihre Geschäftstätigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum auch auf Deutschland aus.

Auf das Rechtsverhältnis der Parteien findet gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom-I-VO auch deutsches Recht Anwendung. Ausschlaggebend hierfür sind wiederum die Verbrauchereigenschaft des Klägers, der in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und die Ausrichtung der geschäftlichen Tätigkeit der Beklagten auch auf Deutschland.

1. Die nach §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Das gilt zum einen, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Landgericht im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung zugunsten des Klägers einen voraussichtlichen Erfolg seines Auskunftsantrags berücksichtigt hat. Das gilt zum anderen aber auch, soweit die sofortige Beschwerde hilfsweise die Gewichtung des Auskunftsantrags im Rahmen der Kostenentscheidung rügt. Die sofortige Beschwerde beanstandet insofern zwar mit Recht, dass das Landgericht den Wert des Auskunftsantrags im Rahmen der Kostenentscheidung mit 50 % und nicht niedriger gewichtet hat. Dies spielt für die Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO jedoch keine Rolle, weil die Beklagte auf die erfolgreiche Anschlussbeschwerde des Klägers auch die Kosten zu tragen hat, die auf den von ihm im Rahmen der Stufenklage verfolgten Leistungsantrag entfallen.

a) Nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Gericht im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Danach sind die auf den Auskunftsantrag entfallenden Kosten von der Beklagten zu tragen. Nach bisherigem Sach- und Streitstand wäre der Auskunftsantrag des Klägers ohne die von der Beklagten am 2. August 2023 erteilten Auskünfte, mit denen die Beklagte den Auskunftsanspruch des Klägers erfüllt hat, voraussichtlich erfolgreich gewesen.

aa) Der Auskunftsantrag war zulässig. Das gilt selbst für den Fall, dass man – entgegen der Auffassung des Senats – die vom Kläger erhobene Stufenklage, für deren erste Stufe über den Wortlaut des § 254 ZPO hinaus jegliche Auskunftsbegehren in Betracht kommen (vgl. Bacher, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.09.2024, § 254 Rn. 3), für unzulässig halten wollte. Denn dann wäre die Stufenklage hier in eine von der Stufung unabhängige objektive Anspruchshäufung nach § 260 ZPO umzudeuten (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22, juris, Rn. 26) mit der Folge, dass gegen den dann isoliert zu betrachtenden Auskunftsanspruch keine Zulässigkeitsbedenken bestünden. Anders als die Beklagte möglicherweise meint, ist die Funktionalisierung eines – wie hier – auf Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gestützten Auskunftsantrags zur Bezifferung eines unbestimmten Leistungsantrags kein Problem der Zulässigkeit oder Statthaftigkeit des Antrags, sondern wäre allenfalls auf der Ebene der Begründetheit zu hinterfragen.

bb) Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO lagen vor. Die Anwendbarkeit des Art. 15 DS-GVO in zeitlicher Hinsicht war hier zu bejahen, weil der Kläger sein Auskunftsverlangen nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung gestellt hat (vgl. zur Anwendbarkeit des Art. 15 DS-GVO in zeitlicher Hinsicht BGH, Urteil vom 5. März 2024 – VI ZR 330/21, juris, Rn. 13). Auch der sachliche und der räumliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung waren eröffnet. Soweit der Kläger als betroffene Person im Sinne von Art. 15 Abs. 1 DS-GVO mit seinem Auskunftsantrag von der Beklagten als der Verantwortlichen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht nur Auskunft über seine von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten verlangt hat, sondern auch die Mitteilung bestimmter Informationen, war dies durch die Vorschrift gedeckt. Die abgefragten Informationen entsprachen den in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO genannten.

Es steht einem Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auch nicht entgegen, wenn sich die betroffene Person – wie bei einer sogenannten pre-trial discovery – dadurch Erkenntnisse zur Bezifferung eines Zahlungsantrags erhofft. Der in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO normierte Auskunftsanspruch ist nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass die betroffene Person mit den erwünschten Angaben und Informationen in bestimmter Weise verfährt (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 – C-307/22, juris, Rn. 43). Das Recht auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO besteht in den Grenzen des Art. 12 Abs. 5 DS-GVO unabhängig von den mit der Auskunft verfolgten Zwecken. Der Auskunftsanspruch ist auch weder davon abhängig, dass die betroffene Person ihn begründet (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 – C-307/22, juris, Rn. 38 und 43), noch an die Voraussetzung gebunden, dass dem Betroffenen die erfragten Daten und Informationen gänzlich unbekannt sind (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juni 2021 – VI ZR 576/19, juris, Rn. 25, und vom 16. April 2024 – VI ZR 223/21, juris, Rn. 13).

b) Das Landgericht durfte den danach voraussichtlich in Gänze erfolgreichen Auskunftsantrag zwar nicht mit einem Wert von 50 % in die zu treffende Kostenentscheidung einstellen. Wie die Beklagte mit Recht geltend macht, ist ein Auskunftsantrag nur mit einem Bruchteil des Werts der noch zu beziffernden Leistungsklage zu bemessen. Hier erscheint danach ein Wert von etwa einem Fünftel des Werts des Zahlungsantrags angemessen. Das verhilft der sofortigen Beschwerde der Beklagten wegen der erfolgreichen Anschlussbeschwerde des Klägers jedoch noch nicht einmal zu einem Teilerfolg, weil die Beklagte auch den auf den unbezifferten Zahlungsantrag des Klägers entfallenden Kostenanteil vollumfänglich zu tragen hat.

2. Die nach § 567 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anschlussbeschwerde des Klägers ist begründet. Auch die auf den unbezifferten Leistungsantrag des Klägers entfallenden Prozesskosten sind nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO von der Beklagten zu tragen. Das entspricht billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Dem steht nicht entgegen, dass der unbezifferte Leistungsantrag des Klägers mangels Spielverlusten von Anfang an unbegründet war. Der unbezifferte Klageantrag war zulässig. Zudem hätte im Fall von erlittenen Spielverlusten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (siehe zur genügenden Wahrscheinlichkeit BGH, Beschluss vom 24. September 2020 – IX ZB 71/19, juris, Rn. 13 f.) ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte bestanden, wie eine im Verfahren nach § 91a Abs. 1 ZPO gebotene summarische Prüfung (vgl. Althammer, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 91a Rn. 27) der höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärten Rechtsfragen ergibt. Schließlich befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit der Auskunftserteilung auch in Verzug, so dass dem Kläger mit Erhebung der Stufenklage ein Anspruch auf Ersatz der auf die unbezifferte Leistungsklage entfallenden Kosten zustand. Dieser materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch ist im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO ebenfalls zu berücksichtigen.

a) Die Stufenklage – und damit auch der unbezifferte Zahlungsantrag – war nach § 254 ZPO zulässig.

Dem steht hier nicht entgegen, dass die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsantrag und vorbereitendem Auskunftsantrag nicht zur Verfügung steht, wenn die Auskunft nicht dem Zweck einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dient, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22, juris, Rn. 24, und vom 8. Mai 2024 – IV ZR 102/23, juris, Rn. 8). Zwar dienten die vom Kläger mit dem Auskunftsantrag verlangten Angaben größtenteils nicht der Bezifferung eines sich aus einer Rechnungslegung ohne Weiteres ergebenden Anspruchs, sondern der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung. Das ist jedoch deshalb unschädlich, weil die vom Kläger mit dem Auskunftsantrag ebenfalls verlangten Angaben zu seiner vollständigen Zahlungshistorie auf der Grundlage seines Vorbringens in der Klageschrift (vgl. zur Maßgeblichkeit des Klägervorbringens BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 – IX ZR 168/11, juris, Rn. 20; OLG Saarbrücken, Teilurteil vom 10. Januar 2024 – 5 U 26/23, juris, Rn. 43), zu dem auch die behaupteten Spielverluste zählten, der Bezifferung seines auf Bereicherungs- und Deliktsrecht gestützten Zahlungsantrags dienen sollten. Dass der Kläger unter Einsatz von Geld bis Mitte 2021 in Deutschland an Online-Glücksspielen teilgenommen hat, welche die Beklagte ohne deutsche Glücksspiellizenz angeboten hat, war zwischen den Parteien nicht streitig.

b) Hinsichtlich der dem Kläger gegen die Beklagte aus seiner Beteiligung an den Online-Glücksspielen dem Grunde nach zustehenden Ansprüche folgt der Senat – bei der im Verfahren nach § 91a Abs. 1 ZPO gebotenen summarischen Prüfung – der einheitlichen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung. Danach bestehen in Fällen der vorliegenden Art Ansprüche der sich an den Glücksspielen Beteiligenden gegen den Glücksspielanbieter aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB i.V.m. §§ 134 BGB, 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV 2012 (siehe OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 – 9 U 3/22, juris, Rn. 63 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 21. März 2023 – I-21 U 116/21, juris, Rn. 24 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Dezember 2023 – 19 U 44/23, juris, Rn. 57 ff.; KG, Beschluss vom 21. Juli 2023 – 18 U 37/22, juris, Rn. 38 ff.; OLG Köln, Urteil vom 6. Mai 2024 – I-19 U 76/23, juris, Rn. 31 ff.; OLG Oldenburg, Urteil vom 30. November 2023 – 1 U 14/23, juris, Rn. 27 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24. Mai 2024 – 5 U 101/23, juris, Rn. 47 ff.; siehe ferner BGH, Beschlüsse vom 22. März 2024 – I ZR 88/23, juris, Rn. 11, und vom 25. Juli 2024 – I ZR 90/23, juris, Rn. 9) und aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 (OLG Köln, Urteil vom 6. Mai 2024 – I-19 U 76/23, juris, Rn. 98 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24. Mai 2024 – 5 U 101/23, juris, Rn. 158 ff.; siehe ferner BGH, Beschluss vom 25. Juli 2024 – I ZR 90/23, juris, Rn. 61 ff.). Mit der genannten oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung geht der Senat – in Kenntnis und Würdigung der bei dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Vorabentscheidungsverfahren C-440/23 und C-530/24 sowie der aktuellen Vorlage- und Aussetzungsentscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2024 – I ZR 11/24, juris, und vom 7. November 2024 – I ZR 90/23, juris) – davon aus, dass es – was für eine Kostenentscheidung zulasten einer Partei im Rahmen des § 91a Abs. 1 ZPO ausreicht – überwiegend wahrscheinlich ist, dass dieses materiell-rechtliche Ergebnis auch mit europäischem Recht, insbesondere mit der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV, vereinbar ist (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Dezember 2023 – 19 U 44/23, juris, Rn. 70 ff.; OLG Köln, Urteil vom 6. Mai 2024 – I-19 U 76/23, juris, Rn. 129 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24. Mai 2024 – 5 U 101/23, juris, Rn. 110 ff.).

c) Zwar ergab sich aus der von der Beklagten erteilten Auskunft, dass die Leistungsklage des Klägers mangels Spielverlusten von Beginn an unbegründet war. Nach der vom Senat geteilten vorherrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2012 – I-7 W 70/12, juris, Rn. 9; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 8. September 1986 – 3 WF 163/86, juris, Rn. 19 f.; Althammer, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 91a Rn. 58.44; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 254 Rn. 83; Bacher, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.09.2024, § 254 Rn. 31) hat der Beklagte im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO jedoch auch in solchen Fällen die auf die unbezifferte Leistungsklage entfallenden Prozesskosten zu tragen, wenn dem Kläger gegen den Beklagten bis dahin ein materiell-rechtlicher Schadensersatz- beziehungsweise Kostenerstattungsanspruch wegen Verzugs bei der Erfüllung der Auskunftspflicht zustand. So liegt es hier.

aa)Dem Kläger stand gegen die Beklagte bis zu der mit dem vorliegenden Beschluss getroffenen Kostenentscheidung aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB ein Ersatzanspruch in Höhe der Kosten für den unbezifferten Zahlungsantrag zu. Das vom Kläger an die Beklagte gerichtete vorgerichtliche Auskunftsverlangen nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO begründete zwischen den Parteien ein eigenes Schuldverhältnis im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung befand sich die Beklagte mit der Erteilung der von ihr nach dem Inhalt dieses Schuldverhältnisses an den Kläger zu erteilenden Auskunft auch gemäß § 286 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB in Verzug. Nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB bedarf es für den Verzugseintritt keiner Mahnung, wenn der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. So verhält es sich hier, weil § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch auf gesetzlich bestimmten Leistungsfristen anzuwenden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2015 – I ZR 167/14, juris, Rn. 142).

Das der geschuldeten Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO vorauszugehende Ereignis im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist der Auskunftsantrag der betroffenen Person. Dieser Antrag löst nach Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO eine gesetzliche Antwortfrist aus. Das Auskunftsverlangen ist danach unverzüglich, spätestens aber – im Einklang mit der Aufforderung des Klägers – innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zu beantworten. Das reicht für die Berechenbarkeit nach dem Kalender im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB aus. Dabei kann dahinstehen, ob dies für den von Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO verwendeten Begriff „unverzüglich“ gilt. Es gilt jedenfalls für die in Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO genannte Höchstfrist „innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags“.

Hier hatte der Kläger die Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 1. Februar 2023 unter Setzung einer Monatsfrist zur Auskunftserteilung aufgefordert. Dieses Auskunftsverlangen, das der Beklagten nach dem unstreitigen Klägervorbringen zugestellt worden ist, löste ungeachtet der in dem Schreiben enthaltenen Fristsetzung gemäß Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO eine gesetzliche Antwortfrist aus. Diese gesetzliche Frist hat die Beklagte nicht eingehalten. Sie hat bis zur Klageerhebung auf den Antrag weder unverzüglich noch binnen der einmonatigen Antworthöchstfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO reagiert, wie aus dem zeitlichen Abstand zwischen Antrag und Klageerhebung gefolgert werden kann. Zu den Voraussetzungen einer Fristverlängerung nach Art. 12 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO hat die Beklagte nichts vorgetragen. Dazu ist auch sonst nichts ersichtlich. Die nach Verzugseintritt vom Kläger erhobene Stufenklage mit ihrem noch unbestimmten Leistungsantrag stellte sich dann als prozessual sachgerechte und damit adäquate Folge der nicht fristgerecht erteilten Auskunft dar.

bb) Einem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB auf Ersatz der auf den unbezifferten Zahlungsantrag entfallenden Prozesskosten stand auch kein anspruchsausschließendes oder anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB entgegen. An einen entsprechenden Mitverschuldenseinwand lässt sich denken, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger eine Stufenklage erhebt, obgleich er aus eigenen Unterlagen ersehen kann, dass ihm ungeachtet der nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO noch zu erteilenden Auskunft kein Zahlungsanspruch zustehen kann, oder wenn er für den noch unbezifferten Zahlungsantrag eine Wertangabe macht, die willkürlich ist und jedes Maß vermissen lässt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2012 – I-7 W 70/12, juris, Rn. 10).

Ausreichende Anhaltspunkte für einen dieser Sachverhalte lassen sich hier jedoch nicht feststellen. Zwar hatte der Kläger in der Klageschrift noch angegeben, nötigenfalls Zahlungsnachweise für seine Spieleinsätze vorlegen zu können. Danach schien es nicht ausgeschlossen zu sein, dass der Kläger zu einer Bezifferung seiner Spielverluste in der Lage sein würde. In der Anschlussbeschwerdeschrift hat der Kläger jedoch ausgeführt, dass es sich lediglich um eine missverständliche Formulierung seines Prozessbevollmächtigten gehandelt habe und er die Auskunft nicht verlangt hätte, wenn ihm alle relevanten Kontoauszüge vorgelegen hätten. Dem ist die für ein Mitverschulden des Klägers darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nachfolgend nicht mehr entgegengetreten. Auch mit der Streitwertangabe des Klägers hat sie sich – ungeachtet ihrer Kenntnis von seinen Spieleinsätzen – nicht befasst. Soweit die Beklagte vorträgt, dass davon auszugehen sei, dass sich der Kläger erinnern könne, dass er keine Verluste gemacht, sondern nur gewonnen habe, handelt es sich – zumal angesichts der Hinweise auf die Spielsucht des Klägers in der Klageschrift – um eine nicht zwingende Schlussfolgerung, der sich der Senat auch mit Blick auf das prozessuale Vorgehen des Klägers nicht anzuschließen vermag.

Ein Mitverschulden lässt sich mit Blick auf den Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO schließlich auch nicht mit dem Hinweis darauf begründen, dass der Kläger nicht sämtliche Zahlungsbelege zu den von ihm getätigten Online-Glücksspielen aufbewahrt hat. Insoweit durfte er nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung darauf vertrauen, über seine personenbezogenen, bei der Beklagten gespeicherten Zahlungsdaten nötigenfalls gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO Auskunft von der Beklagten zu erhalten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: 100 EURO Schadensersatz in Facebook-Scraping-Fällen aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen Kontrollverlustes soferm keine wirksame Einwilligung vorlag

BGH
Urteil vom 18.11.2024
VI ZR 10/24
DS-GVO Art. 82 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: 100 EURO Schadensersatz in Facebook-Scraping-Fällen aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen Kontrollverlustes sofern keine wirksame Einwilligung vorlag - dann auch Unterlassungsanspruch über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO kann auch der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten infolge eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung sein. Weder muss eine konkrete missbräuchliche Verwendung dieser Daten zum Nachteil des Betroffenen erfolgt sein noch bedarf es sonstiger zusätzlicher spürbarer negativer Folgen.

BGH, Urteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24 - OLG Köln - LG Bonn

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Berlin-Brandburg: Newsportal hat presserechtlichen Anspruch gegen das Innenministerium auf Auskunft über anwaltliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen

OVG Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 18.10.2024
OVG 6 S 37/24


Das OVG Berlin-Brandenburg, dass ein Newsportal einen presserechtlichen Anspruch gegen das Innenministerium auf Auskunft über anwaltliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
OVG: Innenministerium muss Auskunft erteilen

Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtet, dem Betreiber eines Online-Nachrichtenportals Auskunft zu erteilen, gegen welche Person es im Jahr 2022 mit einem anwaltlichen Unterlassungsbegehren vorgegangen ist und wie die beanstandete Äußerung lautete.

Nach Auffassung des Senats hat der Betreiber des Online-Nachrichtenportals einen verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch. Das Portal sei ein im Internet frei zugängliches, audiovisuelles und journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot. Deshalb sei es im Hinblick auf den Auskunftsanspruch der Presse oder dem Rundfunk im funktionalen Sinn gleichzustellen. Zudem bestehe hinsichtlich des in Rede stehenden Auskunftsbegehrens ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein Aktualitätsbezug, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigten. Der Antragsteller habe hinreichend dargelegt, dass es sich beim Vorgehen der Bundesregierung gegen regierungskritische Presseberichterstattung mit Hilfe externer Anwaltskanzleien um ein neues Phänomen handele, an dem ein großes Interesse der Öffentlichkeit bestehe.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Beschluss vom 18. Oktober 2024 – OVG 6 S 37/24


OLG Frankfurt: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen soziales Netzwerk (hier: X / Twitter) kann auch durch Self-Service-Tool vollständig erfüllt werden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 02.07.2024
6 U 41/24


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen ein soziales Netzwerk (hier: X / Twitter) auch durch ein Self-Service-Tool vollständig erfüllt werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte durch die Bereitstellung eines Self-Service-Tool sowie das Schreiben vom 18.04.2023 (Anlage K 3) den Auskunftsanspruch des Klägers nach § 15 II DSGVO erfüllt hat.

Die Bereitstellung des Selbstbedienungstools führt dazu, dass der Kläger die Auskünfte an seinem Wohnsitz abrufen kann, wenn er dies will. Der Auskunftserfolg tritt damit auch dann am rechten Ort ein, wenn man - mit der Berufungsbegründung - zugrunde legt, dass Erfüllungsort der Sitz des Klägers ist.

Anderes ergibt sich (entgegen der Berufungsbegründung) auch nicht aus Erwägungsgrund 63 zur DSGVO. Dieser lautet:

„Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Dies schließt das Recht betroffener Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Jede betroffene Person sollte daher ein Anrecht darauf haben zu wissen und zu erfahren, insbesondere zu welchen Zwecken die personenbezogenen Daten verarbeitet werden und, wenn möglich, wie lange sie gespeichert werden, wer die Empfänger der personenbezogenen Daten sind, nach welcher Logik die automatische Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt und welche Folgen eine solche Verarbeitung haben kann, zumindest in Fällen, in denen die Verarbeitung auf Profiling beruht. Nach Möglichkeit sollte der Verantwortliche den Fernzugang zu einem sicheren System bereitstellen können, der der betroffenen Person direkten Zugang zu ihren personenbezogenen Daten ermöglichen würde. Dieses Recht sollte die Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht an Software, nicht beeinträchtigen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird. Verarbeitet der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person, so sollte er verlangen können, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt.“

Der Erwägungsgrund 63 besagt somit nirgends, dass der Fernzugang (hier: Selbstbedienungstool) nur dann erfüllungstauglich wäre, wenn der Nutzer mit dieser Art der Erfüllung einverstanden ist. Auch gebietet er keine solche Folgerung. Die Bereitstellung eines angemessenen Fernzugangs über ein Self-Service-Tool wird daher als ausreichend angesehen, um den Anspruch auf Bereitstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO zu erfüllen (OLG Dresden, Urteil vom 5. Dezember 2023, Az. 4 U 1094/23, Rn. 65, juris; OLG München, Vfg. vom 29.01.2024, 14 U 4826/23 - nicht veröffentlicht; LG Bonn, Urteil vom 8. März 2023, Az.: 17 O 165/22, GRUR-RS 2023, 3854 Rn. 59 ff.; LG Bonn, Urteil vom 3. Februar 2023, Az.: 2 O 170/22, GRUR-RS 2023, 4566, Rn. 54 ff.; LG Bonn, Urteil vom 3. Februar 2023, Az.: 18 O 127/22, GRUR-RS 2023, 4565, Rn. 56 f.; LG Paderborn, Urteil vom 19. Dezember 2022, Az.: 3 O 99/22, GRUR-RS 2022, 39349, Rn. 162 ff.; LG Paderborn, Urteil vom 13. Dezember 2022, Az.: 2 O 212/22, GRUR-RS 2022, 41028 Rn. 176 ff.; LG München I, Urteil vom 2. September 2021, Az.: 23 O 10931/20, juris Rn. 23 f.; Krämer/Burghoff, ZD 2022, 428, 432; Paal, in: Paal/Pauly DSGVO, 3. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 38 iVm Rn. 14; Franck, in: Gola/Heckmann DSGVO, 3. Aufl. 2022, Art. 15 Rn. 40.), sie ist sogar die gewünschte Form der Übermittlung

Soweit eine einzelne Stimme (Schmidt-Wudy, BeckOK Datenschutzrecht, Art. 15 DS- GVO Rn. 84) der Auffassung ist, ein Fernzugriffssystem ersetze nur dann die Übersendung der Auskunft bzw. Datenkopie im Wege der Schickschuld per Post oder auf elektronischem Wege, wenn sich der Anspruchsteller hiermit einverstanden erkläre, fehlt es hierfür ebenso an einer tragfähigen Begründung wie in der Entscheidung des LAG Niedersachsen (NZA-RR 2020, 571, Rnr. 46), die ohne Begründung diese Literaturstelle zitiert.

Die Verweisung auf den Fernzugang kann im Einzelfall zwar dazu führen, dass der betroffenen Person faktisch die Auskunft verweigert wird: Beispielsweise haben auch Menschen, die „analog leben“ oder/und keine nennenswerten Fähigkeiten im Umgang mit IT-gestützten Portalen haben, ein Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO, dieses könnte untergraben werden, wenn man sie auf das ihnen unzugängliche Selbstbedienungstool verwiese. Darüber muss vorliegend jedoch nicht entschieden werden, denn wer sich bei der Beklagten registriert, lebt denknotwendig nicht (mehr) analog und lässt auch nicht erwarten, im Umgang mit IT-gestützten Portalen unbeschlagen zu sein.

2. Es kann dahinstehen, ob der Anwendungsbereich von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf Schäden infolge der reinen Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO begrenzt ist und daher ein Verstoß gegen Art. 15 (oder Art. 34) DSGVO überhaupt einen Schadensersatzanspruch zur Folge hat. Der Kläger hat das Vorliegen eines Schadens nämlich nicht substantiiert vorgetragen.

a) Auch wenn - wie Erwägungsgrund 146 unterstreicht - der Schadensbegriff im Ansatz weit zu verstehen ist, ergibt schon die Zählung der Tatbestandsmerkmale des Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine Anzahl von drei (so auch EuGH C-300/21), nämlich (1) Verstoß, (2) Schaden, (3) Kausalität.

Der Verstoß (Herbeiführung des Kontrollverlustes an den Daten) ist schon deshalb nicht bereits der Schaden und führt auch nicht „automatisch“ zu einem Schaden (EuGH, Urt. v. 04.05.2023, C-300/21 - Österreichische Post). Da die Erwägungsgründe besagen, dass der Schaden "erlitten" sein muss, kann der Kontrollverlust (als rein objektiver Befund) nicht für sich allein bereits der Schaden sein (OLG Hamm, 7 U 19/23 Rn 72 ff).

Dergleichen hat insbesondere der Gerichtshof der Europäischen Union nicht postuliert, sondern im Gegenteil (EuGH 5.12.2023, C-807/21 Rn 82) den „Verlust der Kontrolle“ in Erwägungsgrund 85 als Beispiel für Umstände gesehen, die „erhebliche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile“ darstellen können. Daraus leitet der EuGH aber gerade nicht her, dass schon der Kontrollverlust ohne weiteres der Schaden „sei“, sondern lediglich: dass der Schaden nicht eine bereits eingetretene „missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil“ der betroffenen Person voraussetzt, sondern die Befürchtung (Rn 81) zukünftiger missbräuchlicher Verwendung ausreichen kann (vgl. auch EuGH, U. v. 20.6.2024 - C.590/22, juris Rn. 32 f.). Ein Schadensersatzanspruch besteht auch bei einem Kontrollverlust über personenbezogenen Daten nur, sofern die betroffene Person darlegt und bei Bedarf nachweist, dass sie tatsächlich einen Schaden - so geringfügig er auch sein mag - erlitten hat (EuGH, U. v. 20.6.2024 - C.590/22, juris Rn. 33 mwN), Die Fokussierung des EuGH auf den Begriff der „Befürchtung“ (englisch: „fear“, französisch: „crainte“) wäre überflüssig, wenn in dem objektiven Vorgang des Kontrollverlustes bereits ein Schaden im Sinne von § 82 Abs. 1 DSGVO läge.

Vorliegend ist das Landgericht zutreffend zum Schluss gelangt, dass nach dem Klägervortrag ein (hier unterstellter) Verstoß der Beklagten in keiner Weise irgendeine persönlich erlebte belastende Folge kausal verursacht hat. Wie gezeigt, ist der bloße Kontrollverlust als solcher nicht „der“ Schaden des Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Er führt auch nicht etwa gleichsam „automatisch“ zu „einem Zustand, in dem sich die Klägerseite berechtigt wie nachvollziehbar in Sorge um den Verbleib sowie einen möglichen Missbrauch ihrer Daten“ befinden würde: Die für Art. 82 Abs. 1 DSGVO erforderliche Befürchtung (deutlicher englisch „fear“ und französisch „crainte“, also blanke „Furcht“) besteht nicht allein in einer logischen Gedankenoperation des Betrachters oder der Klagepartei, sondern wäre ein (negatives) Gefühl der Klagepartei, das bestritten und von dieser zu beweisen war - und anhand objektiver Umstände nachvollziehbar sein muss.

Jedenfalls hat das Landgericht zu Recht den klägerischen Vortrag als pauschal und substanzlos angesehen (“Zustand des Unwohlseins und der Sorge des Datenmissbrauchs“). Das ist angesichts des formelhaften und erkennbar nicht individualisierten Zuschnitts dieses Vorbringens nicht zu beanstanden; hiergegen erinnert die Berufungsbegründung auch nichts. Hinzu kommt, dass nicht nachvollziehbar ist, wieso im Fall einer mutmaßlichen Verletzung der Auskunftspflicht - in der bisher überhaupt kein Indiz für einen Datenabfluss bestanden hat - der „Zustand des Unwohlseins und der Sorge des Datenmissbrauchs“ gegeben sein kann.

3. Da sich die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes nach nationalem Recht richtet (vgl. z.B. EuGH, U. v.26.2024 - C-182/22, juris Rn. 33), ist ein Anspruch auf Schadensersatz insoweit auch wegen überwiegenden Mitverschuldens (§ 254 BGB) ausgeschlossen, da der Kläger von der naheliegenden Möglichkeit, sich über das Selbstbedienungstool zu informieren, keinen Gebrauch gemacht hat. Eine Rechtsgrundlage für den Ersatz der außergerichtlichen Kosten ist nicht ersichtlich. Insbesondere lag kein Verzug vor. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgt vor der erstmaligen Geltendmachung des Rechts aus Art. 15 DSGVO gegenüber der Beklagten.

Ein möglicher Verzug der Beklagten - der wegen Art. 12 III DSGVO vor Ablauf einer Monatsfrist wegen der von der Beklagten geschilderten Vielzahlt von Anfragen schwer zu begründen ist - wäre daher nicht kausal für den geltend gemachten Schaden in Form der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert entgegen der Angabe des Klägers in der Klageschrift (8.000,-- €) auf 2.000 € festzusetzen.

Zwar sind die Angaben des Klägers in der Klageschrift bei der Ermessensausübung nach § 3 ZPO regelmäßig ein ganz erhebliches Indiz, da die Angabe unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits erfolgt und damit eine erhöhte Richtigkeitsgewähr einhergeht. Anderes gilt jedoch dann, wenn der Wert offensichtlich über- oder untersetzt ist.

Dies ist hier der Fall. Der Senat hält die Schmerzensgeldangabe von 3.000 € als um ein Vielfaches übersetzt an; der Kläger selbst hat schriftsätzlich einen Betrag von 1.500 € als angemessen angegeben.

Den Wert des Klagantrags zu 1.) und 2.) hingegen setzt der Senat nicht mit zusammen 5.000 €, sondern mit 500 € fest. Auskunftsansprüche bewegen im Regel im Bereich eines Bruchteils des Hauptanspruchs, wenn sie diesen unterstützen. Der Anspruch nach § 15 DSGVO ist zwar ein selbständiger Anspruch, bewegt sich jedoch wertmäßig in einer vergleichbaren Höhe. Hinzu kommt, dass der Anspruch keinen wirtschaftlichen Interessen des Klägers dient. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung nicht bestehen. Der Senat hält daher einen Wert von 500 € für angemessen (vgl. z.B. OLG Köln ZD 2018, 268; OLG Köln ZD 2019, 463)

5. Einer Entscheidung nach § 522 II ZPO steht auch nicht ein etwaiger Revisionszulassungsgrund der Divergenz oder der grundsätzlichen Bedeutung entgegen. Soweit das LAG Niedersachen (NZA-RR 2020, 571, Rnr. 46) eine Datenübersendung in elektronischer Form als zur Erfüllung ungeeignet ansieht, kann dies eine Revisionszulassung nicht begründen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (st Rspr; BGH NJW 2002, 3029). Klärungsbedürftig in diesem Sinne ist eine Rechtsfrage, wenn sie vom BGH nicht entschieden und von Oberlandesgerichten oder in der Literatur unterschiedlich beantwortet wird (BGH NZG 2010, 625 Rn. 3; DStR 2014, 383 Rn. 2). Der Klärungsbedarf entfällt, wenn abweichende Ansichten im Schrifttum vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (NZG 2024, 249 Rn. 9; BGH NZG 2010, 625). So verhält es sich hier.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: 100 EURO Schadensersatz in Facebook-Scraping-Fällen aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen Kontrollverlustes sofern keine wirksame Einwilligung vorlag - dann auch Unterlassungsanspruch

BGH
Urteil vom 18.11.2024
VI ZR 10/24


Der BGH hat im Leitentscheidungsverfahren nach § 552b ZPO entschieden, dass in Facebook-Scraping-Fällen ein Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen Kontrollverlustes in Höhe von 100 EURO angemessen sein dürfte, sofern keine wirksame Einwilligung in die Datenverarbeitung vorlag. Dies hat die Vorinstanz nunmehr zu prüfen. Der BGH hat zudem entschieden, dass dann auch Unterlassungsanspruch und ein Feststellungsinteresse für einen Schadensersatzfeststellungsanspruch besteht.

Die Pressmeiteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet über Ansprüche im Zusammenhang mit einem Datenschutzvorfall beim
sozialen Netzwerk Facebook (sog. Scraping)

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt das soziale Netzwerk Facebook. Anfang April 2021 wurden Daten von ca. 533 Millionen Facebook-Nutzern aus 106 Ländern im Internet öffentlich verbreitet. Unbekannte Dritte hatten sich zuvor den Umstand zu Nutze gemacht, dass die Beklagte es in Abhängigkeit von den Suchbarkeits-Einstellungen des jeweiligen Nutzers ermöglicht, dass dessen Facebook-Profil mithilfe seiner Telefonnummer gefunden werden kann. Die unbekannten Dritten ordneten durch die in großem Umfang erfolgte Eingabe randomisierter Ziffernfolgen über die Kontakt-Import-Funktion Telefonnummern den zugehörigen Nutzerkonten zu und griffen die zu diesen Nutzerkonten vorhandenen öffentlichen Daten ab (sog. Scraping).

Von diesem Scraping-Vorfall waren auch Daten des Klägers (Nutzer-ID, Vor- und Nachname, Arbeitsstätte und Geschlecht) betroffen, die auf diese Weise mit dessen Telefonnummer verknüpft wurden. Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um eine Ausnutzung des Kontakt-Tools zu verhindern. Ihm stehe wegen des erlittenen Ärgers und des Kontrollverlusts über seine Daten Ersatz für immaterielle Schäden zu. Darüber hinaus begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm in diesem Zusammenhang auch alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Auskunft in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO Schadensersatz in Höhe von 250 € zugesprochen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers insgesamt abgewiesen. Weder reiche der bloße Kontrollverlust zur Annahme eines immateriellen Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus noch habe der Kläger hinreichend substantiiert dargelegt, über den Kontrollverlust als solchen hinaus psychisch beeinträchtigt worden zu sein.

Mit Beschluss vom 31. Oktober hat der Bundesgerichtshof das Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren gemäß § 552b ZPO n.F. bestimmt (Pressemitteilung 206/24). Nachdem die Revision nicht zurückgenommen wurde oder sich anderweitig erledigt hat, hat der Bundesgerichtshof jedoch am 11. November 2024 mündlich zur Sache verhandelt und nach allgemeinen Regeln durch Urteil über die Revision des Klägers entschieden.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision des Klägers war teilweise erfolgreich.

Der Anspruch des Klägers auf Ersatz immateriellen Schadens lässt sich mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneinen. Nach der für die Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH kann auch der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten infolge eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung ein immaterieller Schaden im Sinne der Norm sein. Weder muss insoweit eine konkrete missbräuchliche Verwendung dieser Daten zum Nachteil des Betroffenen erfolgt sein noch bedarf es sonstiger zusätzlicher spürbarer negativer Folgen.

Erfolg hatte die Revision auch, soweit das Berufungsgericht die Anträge des Klägers auf Feststellung einer Ersatzpflicht für zukünftige Schäden, auf Unterlassung der Verwendung seiner Telefonnummer, soweit diese nicht von seiner Einwilligung gedeckt ist, und auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgewiesen hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlt es nicht an dem notwendigen Feststellungsinteresse des Klägers, da die Möglichkeit des Eintritts künftiger Schäden unter den Umständen des Streitfalles ohne Weiteres besteht. Der genannte Unterlassungsanspruch ist hinreichend bestimmt und dem Kläger fehlt insoweit auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Im Übrigen (weiterer Unterlassungsantrag und Auskunftsantrag) blieb die Revision hingegen ohne Erfolg.

Im Umfang des Erfolges der Revision hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für die weitere Prüfung hat der Bundesgerichtshof das Berufungsgericht zum einen darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten vorgenommene Voreinstellung der Suchbarkeitseinstellung auf "alle" nicht dem Grundsatz der Datenminimierung entsprochen haben dürfte, wobei das Berufungsgericht ergänzend die Frage einer wirksamen Einwilligung des Klägers in die Datenverarbeitung durch die Beklagte zu prüfen haben wird. Zum anderen hat der Bundesgerichtshof Hinweise zur Bemessung (§ 287 ZPO) des immateriellen Schadens aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO erteilt und ausgeführt, warum unter den Umständen des Streitfalles von Rechts wegen keine Bedenken dagegen bestünden, den Ausgleich für den bloßen Kontrollverlust in einer Größenordnung von 100 € zu bemessen.

Vorinstanzen:

LG Bonn - Urteil vom 29. März 2023 - 13 O 125/22

OLG Köln - Urteil vom 7. Dezember 2023 - 15 U 67/23

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

Artikel 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) - Haftung und Recht auf Schadenersatz

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

(…)



BGH: Auskunftsansprüche gegen den Zahlungsdienstleister auf Entgeltinformationen unterliegen keinem Abtretungsverbot und können an Inkassounternehmen abgetreten werden

BGH
Urteil vom 24.09.2024
XI ZR 111/23
BGB § 399 Fall 1, 675d Abs. 1 EGBGB Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 5 ZKG §§ 5, 10


Der BGH hat entschieden, dass Auskunftsansprüche gegen den Zahlungsdienstleister auf Entgeltinformationen keinem Abtretungsverbot unterliegen und an Inkassounternehmen abgetreten werden können.

Leitsätze des BGH:
a) Die Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers gegen den Zahlungsdienstleister auf Erteilung vorvertraglicher Entgeltinformationen aus § 675d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB und des Verbrauchers aus § 5 ZKG erlöschen mit Abschluss des Zahlungsdiensterahmenvertrags durch Zeitablauf.

b) Der Anspruch des Verbrauchers gegen den Zahlungsdienstleister auf Zurverfügungstellung von Entgeltaufstellungen aus § 10 ZKG besteht nicht rückwirkend, sondern erst seit Inkrafttreten der Norm und damit seit dem 31. Oktober 2018.

c) Ein Anspruch des Zahlungsdienstnutzers aus § 675c Abs. 1 i.V.m. § 666 BGB auf Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung bezüglich der an den Zahlungsdienstleister entrichteten Entgelte besteht insoweit, als das Auskunftsbegehren über die nach § 675d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 248 § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) EGBGB zu erteilenden Informationen im Einzelfall hinausgeht.

d) Die Abtretung von Ansprüchen gegen den Zahlungsdienstleister auf Entgeltinformationen aus § 675d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 248 § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) EGBGB, auf Zurverfügungstellung von Entgeltaufstellungen aus § 10 ZKG sowie auf Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung aus § 675c Abs. 1 i.V.m. § 666 BGB ist nicht gemäß § 399 Fall 1 BGB ausgeschlossen.

e) Die Ansprüche gegen den Zahlungsdienstleister auf Entgeltinformationen aus § 675d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 248 § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) EGBGB, auf Zurverfügungstellung von Entgeltaufstellungen aus § 10 ZKG sowie auf Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung aus § 675c Abs. 1 i.V.m. § 666 BGB sind grundsätzlich nicht isoliert, das heißt ohne den Hauptanspruch, dessen Vorbereitung und Berechnung sie in der Regel dienen, abtretbar (Anschluss an Senatsurteile vom 28. Februar 1989 - XI ZR 91/88, BGHZ 107, 104, 110 und vom 11. September 2018 - XI ZR 125/17, WM 2018, 2128 Rn. 28).

BGH, Urteil vom 24. September 2024 - XI ZR 111/23 - LG Bonn AG Bonn

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH liegt vor: Bestimmung zum Leitentscheidungsverfahren nach § 552b ZPO - Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO in Facebook-Scraping-Fällen

BGH
Beschluss vom 31.10.2024
VI ZR 10/24
ZPO § 552b


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH bestimmt Rechtsstreit um möglichen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO in Facebook-Scraping-Fällen zum Leitentscheidungsverfahren nach § 552b ZPO über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Zur Bestimmung eines Leitentscheidungsverfahrens gemäß § 552b ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof vom 24. Oktober 2024 (BGBl. I Nr. 328).

BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2024 - VI ZR 10/24 - OLG Köln - LG Bonn

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision wirft Rechtsfragen auf, die für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung sind. Der Senat bestimmt das vorliegende Verfahren daher zum Leitentscheidungsverfahren im Sinne des § 552b ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof vom 24. Oktober 2024 (BGBl. I Nr. 328; im Folgenden: § 552b ZPO nF).

1. Die formalen Voraussetzungen zur Bestimmung des vorliegenden Verfahrens zum Leitentscheidungsverfahren liegen vor. Das Gesetz zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof vom 24. Oktober 2024 ist nach seinem Art. 7 am Tag nach der Verkündung, mithin am 31. Oktober 2024 in Kraft getreten. Die Revisionsbegründung des Klägers wurde der Beklagten am 8. April 2024 zugestellt, die Revisionserwiderung der Beklagten ist am 15. Oktober 2024 eingegangen (§ 552b Satz 1 ZPO nF). Eine Anhörung der Parteien im Rahmen der Bestimmung des Verfahrens zum Leitentscheidungsverfahren ist nicht erforderlich (arg e contr. § 148 Abs. 4 ZPO nF; vgl. ferner Allgayer, Stellungnahme als Sachverständiger zum [Regierungs-]Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens bei Bundesgerichtshof, BTRechtsausschuss vom 13. Dezember 2023, S. 4); etwas anderes würde auch die Zielsetzung des Gesetzes unterlaufen, eine zügige höchstrichterliche Klärung trotz der Rücknahme von Revisionen aus prozesstaktischen Gründen oder aufgrund eines Vergleiches zu ermöglichen (vgl. BT-Drs. 20/8762 S. 10).

2. Das Verfahren wirft die folgenden Rechtsfragen auf:

a) Liegt in der Implementierung der sog. Kontakt-Import-Funktion in Verbindung mit der Standardvoreinstellung "alle" ein Verstoß der Beklagten gegen die Datenschutz-Grundverordnung im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO ?

b) Ist der bloße Verlust der Kontrolle über die gescrapten und nunmehr mit der Mobiltelefonnummer des Betroffenen verknüpften Daten geeignet, einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen? Falls ja, wie wäre der Ersatz für einen solchen Schaden zu bemessen ?

c) Welche Anforderungen sind an die Substantiierung einer Schadensersatzklage nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu stellen ?

d) Reicht die bloße Möglichkeit des Eintritts künftiger Schäden in einem Fall wie dem vorliegenden aus, um ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zu begründen?

e) Genügen die vom Kläger gestellten Anträge, dass die Beklagte es unterlasse,

- personenbezogene Daten der Klägerseite unbefugten Dritten über eine Software zum Importieren von Kontakten zugänglich zu machen, ohne die nach dem Stand der Technik möglichen Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen, um die Ausnutzung des Systems für andere Zwecke als der Kontaktaufnahme zu verhindern, und

- die Telefonnummer des Klägers auf Grundlage einer Einwilligung zu verarbeiten, die wegen der unübersichtlichen und unvollständigen Informationen durch die Beklagte erlangt wurde, namentlich ohne eindeutige Informationen darüber, dass die Telefonnummer auch bei Einstellung auf 'privat' noch durch Verwendung des Kontaktimporttools verwendet werden kann, wenn nicht explizit hierfür die Berechtigung verweigert und, im Falle der Nutzung der FacebookMessenger App, hier ebenfalls explizit die Berechtigung verweigert wird,

dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ?

3. Die Entscheidung dieser Rechtsfragen ist für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung (§ 552b Satz 1 ZPO n.F.). Beim erkennenden Senat sind derzeit 25 weitere Revisionsverfahren zu dem Scraping-Vorfall bei der Beklagten anhängig. In den Tatsacheninstanzen sind bei unterschiedlichen Gerichten noch insgesamt mehrere tausend Verfahren anhängig (vgl. OLG Stuttgart, GRUR-RS 2023, 32883 Rn. 136: über 100 eigene und bundesweit mehr als 6.000 Parallelverfahren; OLG Hamm, GRUR-RS 2024, 16856 Rn. 23: Vielzahl eigener Parallelverfahren; OLG Köln, GRUR-RS 2023, 37347 Rn. 29: Vielzahl gleichgelagerter eigener Verfahren).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH bestimmt Rechtsstreit um möglichen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO in Facebook-Scraping-Fällen zum Leitentscheidungsverfahren nach § 552b ZPO

BGH
Beschluss vom 31.10.2024
VI ZR 10/24


BGH hat einen Rechtsstreit um möglichen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO in Facebook-Scraping-Fällen zum Leitentscheidungsverfahren nach § 552b ZPO bestimmt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof bestimmt Leitentscheidungsverfahren in dem sog. Scraping-Komplex (Ansprüche im Zusammenhang mit einem Datenschutzvorfall beim sozialen Netzwerk Facebook)

Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus der Datenschutz-Grundverordnung zuständige VI. Zivilsenat hat in dem sog. Scraping-Komplex (Pressemitteilung 115/24) das Revisionsverfahren VI ZR 10/24 zum Leitentscheidungsverfahren bestimmt. Nach der durch das Gesetz zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof vom 24. Oktober 2024 (BGBl. I Nr. 328) neu geschaffenen Vorschrift des § 552b ZPO kann der Bundesgerichtshof ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen, wenn die Revision Rechtsfragen aufwirft, deren Entscheidung für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist. Mit der Bestimmung zum Leitentscheidungsverfahren ist eine Entscheidung über die Rechtsfragen auch dann zu treffen, wenn eine inhaltliche Entscheidung über die Revision aus prozessualen Gründen nicht mehr ergehen kann. Damit soll eine zügige höchstrichterliche Klärung trotz der Rücknahme von Revisionen aus prozesstaktischen Gründen oder aufgrund eines Vergleichs ermöglicht werden.

Das zum Leitentscheidungsverfahren bestimmte Revisionsverfahren VI ZR 10/24 wirft die Rechtsfragen auf,

ob in der von der Beklagten bei Implementierung der sog. Kontakt-Import-Funktion vorgenommenen Standardvoreinstellung auf "alle" ein Verstoß der Beklagten gegen die Datenschutz-Grundverordnung im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO liegt,

ob der bloße Verlust der Kontrolle über die gescrapten und nunmehr mit der Mobiltelefonnummer des jeweiligen Betroffenen verknüpften Daten geeignet ist, einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen,

wie in einem solchen Fall der Schaden zu bemessen wäre,

welche Anforderungen an die Substantiierung einer Schadensersatzklage nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu stellen sind,

ob die bloße Möglichkeit des Eintritts künftiger Schäden ausreicht, um ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zu begründen,

ob die vom Kläger gestellten Unterlassungsanträge dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen.

Diese Rechtsfragen sind für eine Vielzahl beim Bundesgerichtshof und in den Tatsacheninstanzen anhängiger, in wesentlichen Teilen gleichgearteter Verfahren von Bedeutung. Diese Verfahren können nunmehr grundsätzlich bis zur Erledigung des Leitentscheidungsverfahrens ausgesetzt werden.

In zwei zunächst zur Verhandlung am 8. Oktober 2024 vorgesehenen Verfahren sind die Revisionen von den Klägern kurzfristig vor dem Termin zurückgenommen worden (Pressemitteilung 190/24). Für den 11. November 2024 ist Termin zur mündlichen Verhandlung in dem nunmehr zum Leitentscheidungsverfahren bestimmten Revisionsverfahren VI ZR 10/24 anberaumt (Pressemitteilung 195/24). In dem weiteren für den 11. November 2024 terminierten Verfahren VI ZR 186/24 ist die Revision zwischenzeitlich ebenfalls zurückgenommen worden.

Vorinstanzen:

LG Bonn - Urteil vom 29. März 2023 - 13 O 125/22

OLG Köln - Urteil vom 7. Dezember 2023 - 15 U 67/23

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 552b ZPO n.F.: Bestimmung zum Leitentscheidungsverfahren

Wirft die Revision Rechtsfragen auf, deren Entscheidung für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung ist, so kann das Revisionsgericht nach Eingang einer Revisionserwiderung oder nach Ablauf eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung das Revisionsverfahren durch Beschluss zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen. Der Beschluss enthält eine Darstellung des Sachverhalts und der Rechtsfragen, deren Entscheidung für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung ist.

§ 565 ZPO n.F.: Leitentscheidung

(1) Endet die zum Leitentscheidungsverfahren bestimmte Revision, ohne dass ein mit inhaltlicher Begründung versehenes Urteil ergeht, so trifft das Revisionsgericht durch Beschluss eine Leitentscheidung. Der Beschluss ergeht ohne mündliche Verhandlung.

(2) In dem Beschluss wird

1. festgestellt, dass die Revision beendet ist, und

2. eine Leitentscheidung zu den im Beschluss nach § 552b benannten Rechtsfragen getroffen.

(3) Der Beschluss ist zu begründen. Die Begründung ist auf die Erwägungen zur Entscheidung der maßgeblichen Rechtsfragen zu beschränken.

§ 148 ZPO n.F.: Aussetzung bei Vorgreiflichkeit

(…)

(4) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Rechtsfragen abhängt, die den Gegenstand eines bei dem Revisionsgericht anhängigen Leitentscheidungsverfahrens bilden, nach Anhörung der Parteien anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Leitentscheidungsverfahrens auszusetzen ist. Eine Aussetzung hat zu unterbleiben, wenn eine Partei der Aussetzung widerspricht und gewichtige Gründe hierfür glaubhaft macht. (…)


BAG: Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO setzt Darlegung und Beweis eines konkreten Schadens voraus der durch gerügten DSGVO-Verstoß kausal verursacht wurde

BAG
Urteil vom 20.06.2024
8 AZR 91/22


Das BAG hat entschieden, dass ein Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO Darlegung und Beweis eines konkreten Schadens voraussetzt, der durch gerügten DSGVO-Verstoß kausal verursacht wurde.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Erfordernis eines Schadens und die entsprechende Darlegungslast der Klagepartei ist durch die jüngsten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt (vgl. hierzu BAG 25. April 2024 – 8 AZR 209/21 (B) – Rn. 5 f.).

a) Aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO geht klar hervor, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (EuGH 25. Januar 2024 – C-687/21 – [MediaMarktSaturn] Rn. 58; 14. Dezember 2023 – C-340/21 – [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 77; 4. Mai 2023 – C-300/21 – [Österreichische Post] Rn. 32). Der Schadenersatzanspruch hat, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, eine Ausgleichsfunktion, da eine auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und erfüllt keine Abschreckungs- oder Straffunktion (EuGH 25. Januar 2024 – C-687/21 – [MediaMarktSaturn] Rn. 50; 21. Dezember 2023 – C-667/21 – [Krankenversicherung Nordrhein] Rn. 87). Der Schaden muss keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht haben (EuGH 14. Dezember 2023 – C-456/22 – [Gemeinde Ummendorf] Rn. 16 und – C-340/21 – [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 78; 4. Mai 2023 – C-300/21 – [Österreichische Post] Rn. 51).

b) Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast hat der Gerichtshof der Europäischen Union klargestellt, dass die Person, die auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO den Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt, nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung nachweisen muss, sondern auch, dass ihr durch diesen Verstoß ein solcher Schaden entstanden ist (EuGH 11. April 2024 – C-741/21 – [juris] Rn. 35; 25. Januar 2024 – C-687/21 – [MediaMarktSaturn] Rn. 60 f.). Da der 85. Erwägungsgrund der Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich den „Verlust der Kontrolle“ zu den Schäden zählt, die durch eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten verursacht werden können, hat der Gerichtshof entschieden, dass der – selbst kurzzeitige – Verlust der Kontrolle über solche Daten einen „immateriellen Schaden“ iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen kann, der einen Schadenersatzanspruch begründet, sofern die betroffene Person den Nachweis erbringt, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden – so geringfügig er auch sein mag – erlitten hat (EuGH 11. April 2024 – C-741/21 – [juris] Rn. 42; 25. Januar 2024 – C-687/21 – [MediaMarktSaturn] Rn. 66). Dabei kann die durch einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung ausgelöste Befürchtung einer betroffenen Person, ihre personenbezogenen Daten könnten von Dritten missbräuchlich verwendet werden, für sich genommen einen „immateriellen Schaden“ iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen (EuGH 25. Januar 2024 – C-687/21 – [MediaMarktSaturn] Rn. 65; 14. Dezember 2023 – C-340/21 – [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 79 ff.). Ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten kann jedoch nicht zu einer Entschädigung führen (EuGH 25. Januar 2024 – C-687/21 – [MediaMarktSaturn] Rn. 68). Das angerufene nationale Gericht muss vielmehr prüfen, ob die Befürchtung der missbräuchlichen Datenverwendung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann (EuGH 14. Dezember 2023 – C-340/21 – [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 85).

c) Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Erfordernis eines Schadens und der entsprechenden Darlegungslast der Klagepartei kommt es nach Auffassung des Senats auf die Vorlage des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2023 (- VI ZR 97/22 – Rn. 30 ff.) nicht an. Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage gestellt, ob Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin gehend auszulegen ist, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens bloße negative Gefühle wie zB Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst genügen oder ob für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich ist. Diese Frage ist durch die nach der Vorlage des Bundesgerichtshofs ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedenfalls bezogen auf die Sorge vor Datenverlust bzw. unrechtmäßiger Datenverwendung beantwortet (aA Rombach/Hoeren WuB 2024, 28, 32; Scharpf jurisPR-ITR 8/2024 Anm. 5 unter C; vgl. auch BGH 12. Dezember 2023 – VI ZR 277/22 – Rn. 6).

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union können negative Gefühle („Befürchtung“) in solchen Konstellationen einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reicht aber nicht aus, denn das Gericht hat, wie dargestellt, zu prüfen, ob das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden kann“ (EuGH 14. Dezember 2023 – C-340/21 – [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 85). Dies setzt zwingend die Anwendung eines objektiven Maßstabs voraus (idS auch Halder/Maluszczak jurisPR-ITR 3/2024 Anm. 4 unter D; Sorber/Lohmann BB 2023, 1652, 1655; Peisker/Zhou BB 2024, 308, 310; aA Rudkowski NZA 2024, 1, 7). Dabei ist ua. die objektive Bestimmung des Missbrauchsrisikos der Daten von Bedeutung (vgl. Arning/Dirkers DB 2024, 381, 383).

bb) Dem steht nicht entgegen, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht verlangt, dass ein erlittener Nachteil spürbar oder eine Beeinträchtigung objektiv sein muss (EuGH 14. Dezember 2023 – C-456/22 – [Gemeinde Ummendorf] Rn. 17). Damit hat der Gerichtshof nur klargestellt, dass es keine „Bagatellgrenze“ gibt. Der objektive Maßstab bzgl. des Vorliegens eines Schadens als solchen ist hiervon zu unterscheiden. Besteht der Schaden in negativen Gefühlen, die für sich genommen nicht beweisbar sind, hat das nationale Gericht die Gesamtsituation und letztlich auch die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Klagepartei auf der Grundlage eines substantiierten Sachvortrags zu beurteilen. Steht ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO nach richterlicher Beweiswürdigung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO zum Nachteil der Klagepartei als geschützter Person fest, mindert sich das Beweismaß bzgl. der Entstehung und der Höhe des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG 5. Mai 2022 – 2 AZR 363/21 – Rn. 14).

2. Der Kläger hat geltend gemacht, durch die jahrelang verspätete Auskunft bleibe er weiterhin über wesentliche Faktoren der Datenverarbeitung im Dunkeln und ihm sei die Prüfung verwehrt, ob und wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeite. Ausgehend von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Kläger damit keinen immateriellen Schaden dargelegt.

a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann ein Schaden nicht allein mit der Begründung angenommen werden, durch eine Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO – so ein Verstoß dagegen einen Anspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO dem Grunde nach begründen könnte – trete ein Kontrollverlust ein, weil die Überprüfung verhindert werde, ob personenbezogene Daten rechtmäßig verarbeitet werden. Zwar dient der Auskunftsanspruch des Art. 15 Abs. 1 DSGVO dem Zweck, Betroffenen die Ausübung der Rechte auf Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung und Widerspruch gegen die Verarbeitung nach Art. 16 bis 18 und Art. 21 DSGVO zu ermöglichen (vgl. EuGH 4. Mai 2023 – C-487/21 – [Österreichische Datenschutzbehörde] Rn. 35). Ein derartiger Kontrollverlust geht jedoch mit jeder Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO zwingend einher. Er ist daher nicht geeignet einen von der bloßen Verletzung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO unterscheidbaren Schaden zu begründen (aA Brandt/Goffart NZA 2024, 240, 242). Die eigenständige Voraussetzung des Schadens würde damit bedeutungslos. Sie wäre stets erfüllt. Dies ist jedoch mit dem Normverständnis des Gerichtshofs von Art. 82 Abs. 1 DSGVO ebenso wenig zu vereinbaren wie mit den Anforderungen des nationalen Prozessrechts, das die substantiierte Darlegung eines Schadens verlangt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 8. Februar 2024 – 5 Sa 154/23 – zu II 1 b der Gründe; LAG Baden-Württemberg 27. Juli 2023 – 3 Sa 33/22 – zu B II 1 b der Gründe; Barrein/Fuhlrott NZA 2024, 443, 446).

b) Soweit der Kläger im Hinblick auf einen Verlust der Kontrolle vorträgt, ihm sei die Prüfung verwehrt, ob und wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeite, legt er lediglich ein hypothetisches Risiko einer missbräuchlichen Verwendung dar. Ein objektiv erhöhtes Missbrauchsrisiko in Bezug auf die von dem Auskunftsanspruch betroffenen personenbezogenen Daten zeigt der Kläger gerade nicht auf. Anders als bei einem Datenleck verschlechtert sich durch die unterbliebene Auskunft die Sicherheit der Daten nicht unmittelbar. Es hätte in der vorliegenden Fallgestaltung ergänzender Darlegungen des Klägers bedurft, aus welchen Gründen ein mehr als nur hypothetisches Risiko einer missbräuchlichen Verwendung seiner personenbezogenen Daten bestehen soll.

c) Soweit sich aus dem Vortrag des Klägers – andeutungsweise – negative Gefühle in Form einer Befürchtung der missbräuchlichen Datenverwendung ergeben, können diese unter den gegebenen Umständen nicht als begründet angesehen werden. Das bloße Berufen auf Befürchtungen dieser Art reicht nicht aus. Um zu prüfen, ob das Gefühl als begründet angesehen werden kann, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Dabei ist insbesondere das objektive Risiko eines Missbrauchs in den Blick zu nehmen, zu dem es vorliegend an ausreichenden Darlegungen fehlt.

3. Soweit der Kläger Schadenersatz hilfsweise aus vertraglicher, hierzu hilfsweise vertragsähnlicher, hierzu hilfsweise deliktischer Haftung nach nationalen Rechtsvorschriften geltend gemacht hat, fehlt es ebenfalls an einem hinreichend dargelegten Schaden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Patentinhaber hat bei Patentverletzung regelmäßig Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung in elektronisch auswertbarer Form

OLG Düsseldorf
Urteil vom 24.05.2024
2 U 67/23


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Patentinhaber bei einer Patentverletzung regelmäßig einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung in elektronisch auswertbarer Form hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Die Klägerin kann auch Auskunft und Rechnungslegung in elektronischer Form beanspruchen.

Angesichts der weitgehenden Digitalisierung der Geschäftswelt kann der Gläubiger des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs regelmäßig vom Schuldner desselben verlangen, die Auskunft und Rechnungslegung in elektronisch auswertbarer Form zu erhalten. Als elektronisch auswertbare Form ist hierbei eine Form zu verstehen, bei der die Daten von einem Computer unmittelbar ausgewertet werden können – also beispielsweise Microsoft Excel. Nicht genügend ist dagegen die Übermittlung von digitalisierten Fotos oder Scans schriftlicher Dokumente (außer im Rahmen der Belegvorlage; vgl. Senat, Urt. v. 25.06.2020 – I-2 U 54/19; Urt. v. 13.08.2020 – I- 2 U 52/19, GRUR-RS 2020, 49189 Rn. 95 – WC-Sitzgelenk II; Urt. v. 13.08.2020 – I-2 U 10/19, GRUR-RS 2020, 44647 Rn. 105 – Zündkerze; BeckOK PatR/Fricke, 31. Ed. 15.1.2024, PatG § 140b Rn. 26 m.w.N.). Es entspricht den heutigen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr, dass die entsprechenden Daten beim Schuldner bereits digital verfügbar sind. Dementsprechend ist es ihm regelmäßig möglich und zumutbar, dem Gläubiger dasjenige elektronische Element zu überlassen, das ohnehin die Basis einer Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Papierform bildet. Der Schuldner wird hierdurch offensichtlich nicht belastet und dem Gläubiger wird die Verwertung der Auskünfte zum Zwecke der weiteren Rechtsverfolgung entscheidend erleichtert. Liegen die entsprechenden Daten dem Schuldner ausnahmsweise nur in analoger Form vor, ist es ihm ein Leichtes, dies im Verletzungsprozess einzuwenden und seinen Einwand mit entsprechendem Sachvortrag zu untermauern. Unterbleibt dies, wie hier, besteht regelmäßig kein Grund, dem Gläubiger einen Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung in elektronischer Form zu versagen (Senat, Urt. v. 13.08.2020 – I-2 U 10/19, GRUR-RS 2020, 44647 Rn. 105 – Zündkerze; BeckOK PatR/Fricke, 31. Ed. 15.1.2024, PatG § 140b Rn. 26 m.w.N.; Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 1000).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Zugriff von Behörden auf mit IP-Adressen verknüpfte Identitätsdaten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet als ultima ratio zulässig

EuGH
Urteil vom 30.04.2024
C-470/21
La Quadrature du Net u. a.
(Personenbezogene Daten und Bekämpfung von Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums)


Der EuGH hat entschieden, dass der Zugriff von Behörden auf mit IP-Adressen verknüpfte Identitätsdaten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet als ultima ratio zulässig ist.

Tenor der Entscheidung:
Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie von Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die der mit dem Schutz von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten vor Verletzungen dieser Rechte im Internet betrauten Behörde den Zugang zu den von den Betreibern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste auf Vorrat gespeicherten Identitätsdaten, die IP-Adressen zuzuordnen sind, die zuvor von Einrichtungen der Rechteinhaber gesammelt wurden, gestattet, damit die Behörde die Inhaber dieser für Aktivitäten, die solche Rechtsverletzungen darstellen können, genutzten Adressen identifizieren und gegebenenfalls Maßnahmen gegen sie ergreifen kann, unter der Voraussetzung, dass nach dieser Regelung

– diese Daten zu Bedingungen und unter technischen Modalitäten gespeichert werden, die gewährleisten, dass es ausgeschlossen ist, dass aus der Vorratsspeicherung genaue Schlüsse auf das Privatleben der Inhaber der IP-Adressen, z. B. durch Erstellung ihres detaillierten Profils, gezogen werden können, was insbesondere dadurch erreicht werden kann, dass den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste eine Pflicht zur Vorratsspeicherung der verschiedenen Kategorien personenbezogener Daten wie Identitätsdaten, IP-Adressen sowie Verkehrs- und Standortdaten auferlegt wird, die eine wirksame strikte Trennung dieser verschiedenen Datenkategorien gewährleistet, mit der im Stadium der Speicherung jede kombinierte Nutzung dieser verschiedenen Datenkategorien verhindert wird, und die Dauer der Speicherung das absolut notwendige Maß nicht überschreitet;

– der Zugang dieser Behörde zu solchen wirksam strikt getrennt auf Vorrat gespeicherten Daten ausschließlich dazu dient, die Person zu identifizieren, die im Verdacht steht, eine Straftat begangen zu haben, und dieser Zugang mit den erforderlichen Garantien versehen ist, um auszuschließen, dass er, abgesehen von atypischen Situationen, genaue Schlüsse auf das Privatleben der Inhaber der IP-Adressen ermöglichen kann, z. B. durch die Erstellung ihres detaillierten Profils, was insbesondere impliziert, dass es den Bediensteten dieser Behörde, denen ein solcher Zugang gestattet worden ist, untersagt ist, Informationen über den Inhalt der von den Inhabern der IP-Adressen konsultierten Dateien, außer zum alleinigen Zweck der Befassung der Staatsanwaltschaft, in welcher Form auch immer offenzulegen, die von diesen Personen besuchten Internetseiten nachzuverfolgen und allgemeiner die IP-Adressen zu anderen Zwecken als dem der Identifizierung ihrer Inhaber im Hinblick auf den Erlass etwaiger gegen sie gerichteter Maßnahmen zu nutzen;

– die Möglichkeit für die bei der betreffenden Behörde mit der Prüfung des Sachverhalts betrauten Personen, solche Daten mit Dateien zu verknüpfen, die Elemente enthalten, denen sich der Titel geschützter Werke entnehmen lässt, deren Bereitstellung im Internet die Sammlung der IP-Adressen durch Einrichtungen der Rechteinhaber gerechtfertigt hat, in Fällen der erneuten Entfaltung einer Aktivität, mit der dieselbe Person Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte verletzt, von einer Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle abhängig gemacht wird, wobei die Kontrolle nicht vollständig automatisiert sein darf und vor einer solchen Verknüpfung erfolgen muss, da diese es in derartigen Fällen ermöglichen kann, genaue Schlüsse auf das Privatleben der Person zu ziehen, deren IP-Adresse für Aktivitäten genutzt wurde, die möglicherweise Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte verletzen;

– das von der Behörde verwendete Datenverarbeitungssystem in regelmäßigen Abständen einer zur Überprüfung der Integrität des Systems, einschließlich wirksamer Garantien zum Schutz vor den Gefahren eines missbräuchlichen oder unberechtigten Zugangs zu den Daten und ihrer missbräuchlichen oder unberechtigten Nutzung, sowie seiner Wirksamkeit und Zuverlässigkeit bei der Aufdeckung etwaiger Verstöße dienenden Kontrolle durch eine unabhängige Stelle unterliegt, bei der es sich im Verhältnis zu dieser Behörde um einen Dritten handelt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO umfasst alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle

BGH,
Urteil vom 16.04.2024
VI ZR 223/21
DSGVO Art. 15 Abs. 1, 3


Der BGH hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle umfasst.

Leitsatz des BGH:
Zum Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO (Anschluss an Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21).

BGH, Urteil vom 16. April 2024 - VI ZR 223/21 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klägerin hat aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Überlassung von Abschriften der bei der Beklagten gespeicherten, von ihr selbst verfassten Erklärungen (Auskunftsbegehren zu a).

a) Art. 15 DSGVO ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich auch auf Verarbeitungsvorgänge, die vor dem 25. Mai 2018 als dem Anwendungsdatum der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 99 Abs. 2 DSGVO) ausgeführt wurden, wenn das Auskunftsersuchen nach diesem Datum vorgebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 36). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2019 von der Beklagten Auskunft und Überlassung von Kopien verlangt.

b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) ein Recht auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 14; vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.).

c) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).

Nach diesen Grundsätzen sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 16; vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 8; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).

d) Danach handelt es sich bei den von der Klägerin verfassten Erklärungen, die der Beklagten vorliegen (Auskunftsbegehren zu a), ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Erklärungen fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 17).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LAG Rheinland-Pfalz: Kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO

LAG Rheinland-Pfalz
Urteil vom 08.02.2024
5 Sa 154/23


Das LAG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass eine verspätete Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO keinen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO begründet.

Aus den Entscheidungsgründen:
In der Sache ist die Berufung der Beklagten begründet; die Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin Schadensersatz zu zahlen. Das erstinstanzliche Urteil ist deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, weil die Beklagte ihrem Auskunftsverlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht innerhalb der Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nachgekommen ist. Ein Schadensersatzanspruch folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte der Klägerin die nach § 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO geforderte Datenkopie nicht bereits mit ihrer Auskunft zur Verfügung gestellt hat.

1. Die Beklagte hat auf das formelhafte Auskunftsverlangen der Klägerin vom 13. Juli 2022, eingegangen am 14. Juli 2022, nicht innerhalb der Monatsfrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO geantwortet. Ihre Auskunft vom 30. August 2022 ging erst am 2. September 2022 und damit (unstreitig) verspätet bei der Klägerin ein.

a) Die nicht fristgerechte Auskunftserteilung allein, führt zu keinem immateriellen Schadensersatzanspruch.

Die Berufungskammer teilt die Rechtsansicht anderer Landesarbeitsgerichte, dass der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO nicht genügt, um einen Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen. Dafür spricht der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO, wonach Personen, denen materieller oder immaterieller „Schaden“ entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz haben. Zwar soll nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 der DSGVO der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 04.05.2023 - C-300/21) auf eine Art und Weise weit ausgelegt werden, die den Zielen der DSGVO in vollem Umfang entspricht. Ein weites Verständnis des Schadensbegriffs bedeutet aber nicht, dass vom Vorliegen eines konkreten Schadens gänzlich abzusehen ist. Verspätete Auskünfte an eine Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO als solche sind somit nicht haftungsauslösend (vgl. LAG Düsseldorf 28.11.2023 - 3 Sa 285/23 - PM Nr. 29/2023; LAG Baden-Württemberg 27.07.2023 - 3 Sa 33/22 - Rn. 78 ff; LAG Hamm 02.12.2022 - 19 Sa 756/22 - Rn. 150 ff mwN).

b) Der von der Klägerin angeführte „Kontrollverlust“ über ihre personenbezogenen Daten stellt keinen ersatzfähigen immateriellen Schaden dar (ebenso LAG Baden-Württemberg 27.07.2023 - 3 Sa 33/22 - Rn. 82). Im Streitfall ist zudem nicht erkennbar, worin der „Kontrollverlust“ der Klägerin bestanden haben soll. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Daten der Klägerin nicht „außer Kontrolle“ geraten seien, sondern für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet wurden, § 26 BDSG. Hierauf kann sich die Beklagte - entgegen der Ansicht der Klägerin - im Berufungsverfahren berufen. Die Rüge einer „Verspätung möglicher Verteidigungshandlungen“ ist rechtlich nicht tragfähig.

Es stellt auch keinen ersatzfähigen immateriellen Schaden dar, dass sich die Klägerin über die nicht fristgerechte Antwort der Beklagten auf ihr Auskunftsverlangen geärgert hat. „Bloßer Ärger“ des Betroffenen genügt genauso wenig wie das „bloße Warten“ auf die Auskunft (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 06.10.2022 im Verfahren C-300/21), um einen immateriellen Schaden annehmen zu können.

Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der in seinem Urteil vom 4. Mai 2023 (Rechtssache C-300/21 Österreichische Post) betont hat, dass ein Schadensersatzanspruch das Vorliegen eines „Schadens“ erfordere. Der bloße Verstoß gegen die DSGVO reiche daher nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch der betroffenen Person zu begründen (Rn. 42). Ein Schadensersatzanspruch hänge zwar nicht davon ab, dass der betreffende Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreiche. Das bedeute allerdings nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen sei, der für sie negative Folgen gehabt habe, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden iSv. Art. 82 DSGVO darstellen (Rn. 50).

c) Im Streitfall ist es der Klägerin nicht gelungen, einen durch die verzögerte Auskunftserteilung entstandenen immateriellen Schaden im Sinne der Norm darzulegen.

Die Klägerin macht geltend, dass das Arbeitsverhältnis seit Jahren belastet sei; sie bezieht sich auf ihre Ausführungen im weiteren Rechtsstreit 6 Ca 738/22 (LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 155/23). Dort verlangt sie von der Beklagten ua. ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens € 30.000,00 wegen Benachteiligung und Mobbings. Die um 18 Tage verspätete Antwort der Beklagten auf ihr Auskunftsbegehren betrachtet die Klägerin als einen weiteren „Baustein“, um sie in ihrer Ehre und ihrer Persönlichkeit zu verletzen. Die Beklagte habe ihr das „klare Signal“ übermittelt, dass man sich mit ihren Anliegen nicht beschäftige, und wenn, nur unzureichend, unvollständig und nicht fristgerecht. Damit hat die Klägerin keinen kausalen Schaden durch die verspätete Auskunftserteilung dargelegt. Dasselbe gilt, soweit sie auf die zwei Abmahnungen der Beklagten mit Datum vom 29. Juni 2022 abhebt.

Es ist objektiv nicht nachvollziehbar, weshalb die nach Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO um 18 Tage verspätete Antwort der Beklagten auf ein Auskunftsbegehren, das sich im reinen Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO erschöpfte, zu einer „Demütigung “ der Klägerin geführt haben könnte. Auch eine Verletzung der Ehre oder des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise, d.h. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden der Klägerin, nicht erkennbar. Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei wegen der psychischen Belastung, ausgelöst durch die nicht fristgerechte Auskunft der Beklagten, in der Zeit vom 12. Juli bis 14. September 2002 arbeitsunfähig erkrankt, ist ein Kausalzusammenhang nicht gegeben. Das Auskunftsverlangen der Klägerin vom 13. Juli 2022 ist bei der Beklagten am 14. Juli 2022 eingegangen, die Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO am 15. August 2022 (einem Montag) abgelaufen. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin begann bereits am 12. Juli 2022. Die verspätete Auskunft der Beklagten kann auf der Zeitschiene für diesen Arbeitsunfähigkeitszeitraum nicht ursächlich gewesen sein. Hinzu kommt, dass die Klägerin behauptet, sie habe aufgrund der beiden Abmahnungen der Beklagten vom 29. Juni 2022 unter starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen (ua. Schlafstörungen, Schweißausbrüchen, starkes Unwohlsein) gelitten. Der teils widersprüchliche Sachvortrag der Klägerin ist nicht geeignet, einen Kausalzusammenhang zwischen ihrer psychischen Erkrankung und der nicht fristgerechten Auskunft schlüssig darzulegen. Bei objektiver Betrachtung ist das Auskunftsbegehren der Klägerin eine Reaktion auf die Abmahnung wegen Verletzung des Datenschutzes, und nicht umgekehrt. Das belegt schon die zeitliche Abfolge.

2. Die Beklagte ist nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie der Klägerin nicht bereits mit der erteilten Auskunft vom 30. August 2022 die geforderte Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO zur Verfügung gestellt hat. Es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten.

Die Klägerin hat sich in ihrem schriftlichen Auskunftsbegehren vom 13. Juli 2022 auf eine bloße Wiederholung des Normwortlauts des Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO beschränkt. Ansonsten hat sie - unbestimmt - verlangt, ihr eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Dies genügt für einen Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO grundsätzlich nicht. Die bloße Wiederholung des Wortlauts der Norm lässt nicht erkennen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt wird (vgl. BAG 16.12.2021 - 2 AZR 235/21 - Rn. 33 mwN). Erst wenn die geforderte Auskunft vorliegt, kann die betroffene Person beschreiben, von welchen konkret verarbeiteten personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt wird. Hier hat sich die Beklagte in Ziff. 3 des Teilvergleichs vom 1. Juni 2023 bereit erklärt, der Klägerin (in einem zu vereinbarenden Termin mit ihrem Vorgesetzten) Einsicht in die über sie gespeicherten personenbezogenen Daten zu ermöglichen, wenn ihr „die Klägerin vorher mitteilt, welche genauen Daten sie zu sehen wünscht“. Anders als die Klägerin meint, bestand vor der Konkretisierung ihres Einsichtsbegehrens kein rechtswidriger Zustand. Ihr Vorwurf, die Beklagte habe sie über „viele Monate“ benachteiligt, weil sie ihr mit der Auskunft keine Datenkopie zur Verfügung gestellt hat, ist nicht berechtigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LAG Düsseldorf: Kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter oder unvollständiger Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO

LAG Düsseldorf
Urteil vom 28.11.2023
3 Sa 285/23


Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass eine verspätete oder unvollständige Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO keinen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO begründet.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
LAG Düsseldorf: Keine Entschädigung für verspätete und unvollständige Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO

Der Kläger war vom 01.12.2016 bis zum 31.12.2016 bei dem Kundenservice eines Immobilienunternehmens, der Beklagten, beschäftigt. Bereits im Jahre 2020 hatte er einen Antrag auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO gestellt, den die Beklagte beantwortet hatte.

Mit Schreiben vom 01.10.2022, das der Beklagten an diesem Tag zuging, verlangte er erneut Auskunft und eine Datenkopie auf der Grundlage von Art. 15 DSGVO. Er setzte eine Frist bis zum 16.10.2022. Als die Beklagte nicht antwortete, erinnerte der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2022 mit weiterer Fristsetzung bis zum 31.10.2022. Die ihm mit Schreiben vom 27.10.2022 erteilte Auskunft rügte der Kläger mit Schrei-ben vom 04.11.2022 als verspätetet und inhaltlich mangelhaft. Es fehlten die konkreten Angaben zur Dauer der Datenspeicherung und die namentlich bezeichneten Empfänger seiner Daten. Außerdem sei die Datenkopie unvollständig. Mit Schreiben vom 11.11.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Angaben zu den Datenempfängern die Betroffenen in der Regel nicht interessierten und daher nur kategorisiert mitgeteilt worden seien. Zudem konkretisierte sie die Angaben zur Speicherdauer und die Datenkopie. Mit Schreiben vom 18.11.2022 verlangte der Kläger erneut die namentliche Nennung der Empfänger und auch nähere Angaben zur Speicherdauer. Die Datenkopie sei weiterhin unzureichend. Die Beklagte konkretisierte die Informationen mit Schreiben vom 01.12.2022.

Der Kläger hat von der Beklagten gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine Geldentschädigung nach Ermessen des Gerichts verlangt, die 2.000 Euro nicht unterschreiten sollte, weil sein Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO durch die Beklagte mehrfach verletzt worden sei. Diese hat dem widersprochen, weil es u.a. bereits an einem im-materiellen Schaden des Klägers fehle.

Anders als das Arbeitsgericht, das dem Kläger wegen des von ihm angenommenen vorsätzlichen Verstoßes der Beklagten eine Geldentschädigung von 10.000 Euro zugesprochen hatte, hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf die Klage heute vollständig abgewiesen. Es treffe zwar zu, dass die Beklagte gegen Art. 12 Abs. 3 DSGVO und Art. 15 DSGVO verstoßen habe. Sie habe die Auskunft nicht fristgerecht und anfangs unvollständig erteilt. Eine vollständige Auskunft habe erst am 01.12.2022, d.h. sechs Wochen nach Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist vor-gelegen. Dies begründe indes aus zwei Gründen keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Ein Verstoß gegen Art. 15 DSGVO falle bereits nicht in den Anwendungsbereich von Art. 82 DSGVO. Die Vorschrift setzt haftungsbegründend eine gegen die DSGVO verstoßende Datenverarbeitung voraus. Daran fehle es bei der bloßen Verletzung der Auskunftspflicht aus Art. 15 DSGVO - sei es, dass diese verzögert oder anfangs unvollständig erfüllt werde. Unabhängig davon setze Art. 82 DSGVO für einen Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen eines immateriellen Schadens mehr als einen bloßen Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO voraus. Der bloße vom Kläger angeführte Kontrollverlust über die Daten genüge nicht und sei mit dem Verstoß gegen Art. 15 DSGVO letztlich identisch. Zu weiterem immateriellen Schaden fehlte es an jeglichem konkreten Vortrag des Klägers.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2023 - 3 Sa 285/23
Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 23.03.2023 - 3 Ca 44/23

Auszug aus der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DSGVO)

"Artikel 12
Transparente Information, Kommunikation und Modalitäten für die Ausübung der Rechte der betroffenen Person



(3) Der Verantwortliche stellt der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den Artikeln 15 bis 22 ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung. Diese Frist kann um weitere zwei Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags über eine Fristverlängerung, zusammen mit den Gründen für die Verzögerung. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so ist sie nach Möglichkeit auf elektronischem Weg zu unterrichten, sofern sie nichts anderes angibt.



Artikel 15
Auskunftsrecht der betroffenen Person

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:

a) die Verarbeitungszwecke;

b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;

c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;

d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;

f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;

g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

h) das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Ar-tikel 22 Absätze 1 und 4 und — zumindest in diesen Fällen — aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.



(3) Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verar-beitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.

(4) Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 1b darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.

Artikel 82
Haftung und Recht auf Schadenersatz

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

(2) Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Ein Auftragsverarbeiter haftet für den durch eine Verarbeitung verursachten Schaden nur dann, wenn er seinen speziell den Auftragsverarbeitern auferlegten Pflichten aus dieser Verordnung nicht nachgekommen ist oder unter Nichtbeachtung der rechtmäßig erteilten Anweisungen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder gegen diese Anweisungen gehandelt hat.

(3) Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden einge-treten ist, verantwortlich ist.
…"