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BFH: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen Finanzbehörde bezieht sich auch auf interne Vermerke, Aktennotizen und interne Kommunikation

BFH
Urteil vom 11.03.2025
IX R 24/22


Der BFH hat entschieden, dass sich ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen Finanzbehörden auch auf interne Vermerke, Aktennotizen und interne Kommunikation bezieht, sofern diese personenbezogene Daten enthalten.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Das angefochtene Urteil ist auch insoweit rechtsfehlerhaft, als das FG entschieden hat, dem Kläger stehe dem Grunde nach kein Anspruch auf Auskunftserteilung der ihn betreffenden und vom Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten zu.

a) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gewährt der betroffenen Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf die näher in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO bezeichneten Informationen.

aa) Der Begriff der personenbezogenen Daten bezeichnet gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

In der Verwendung der Formulierung "alle Informationen" bei der Bestimmung des Begriffs "personenbezogene Daten" in dieser Vorschrift kommt das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen, die potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen umfasst, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen "über" die in Rede stehende Person handelt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- IAB Europe vom 07.03.2024 - C-604/22, EU:C:2024:214, Rz 36; Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 23, m.w.N.).

Insoweit hat der EuGH entschieden, dass es sich um eine Information über eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person handelt, wenn sie aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer identifizierbaren Person verknüpft ist (EuGH-Urteile IAB Europe vom 07.03.2024 - C-604/22, EU:C:2024:214, Rz 37; Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Weiter weist der EuGH darauf hin, dass die Verwendung des Begriffs "indirekt" durch den Unionsgesetzgeber darauf hindeutet, dass es für die Einstufung einer Information als personenbezogenes Datum nicht erforderlich ist, dass die Information für sich genommen die Identifizierung der betreffenden Person ermöglicht (EuGH-Urteil OC/Kommission vom 07.03.2024 - C-479/22 P, EU:C:2024:215, Rz 47, m.w.N.).

Daraus ergibt sich, dass es für die Qualifikation als auskunftspflichtige personenbezogene Daten abweichend zur Rechtsansicht der Vorinstanz weder eines "Hebens" in Form eines Interpretationsaktes (s. oben) noch der Absicht des Verantwortlichen, eine personenbezogene Angabe in einem spezifischen, personenbezogenen Feld zu speichern, bedarf.

bb) Der Anspruch aus Art. 15 DSGVO bezieht sich auch auf interne Vermerke, Aktennotizen, Bearbeitungs- und Geschäftsgangvermerke und interne Kommunikation. Denn auch diese Unterlagen können personenbezogene Daten enthalten (vgl. dazu BGH-Urteil vom 15.06.2021 - VI ZR 576/19, Rz 24).

b) Das FG ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass die in den Akten des Beklagten enthaltenen Volltextdokumente nicht dem Schutzbereich der Datenschutz-Grundverordnung unterliegen und die darin enthaltenen personenbezogenen Daten nicht vom Auskunftsanspruch erfasst sind. Entgegen der Auffassung des FG und des Beklagten sind auch interne Vorgänge und sämtlicher Schriftverkehr erfasst, die personenbezogene Daten enthalten. Personenbezogene Daten liegen unabhängig davon vor, ob der Verantwortliche, das heißt der Beklagte, sie "gehoben" oder in einem Dateisystem gespeichert hat. Die Auskunft des Beklagten mit den Schreiben vom 17.12.2019 und vom 16.12.2021 ist daher insoweit unvollständig, als diese ausdrücklich bereits gewechselten Schriftverkehr, interne Vermerke und interne Stellungnahmen sowie Stellungnahmen anderer Steuerpflichtiger ausnimmt.

3. Anknüpfend an den vorgenannten Rechtsfehler hat das FG es ebenso fehlerhaft unterlassen zu prüfen, ob der Kläger einen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO hat.

a) Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO gewährt keinen gegenüber Art. 15 Abs. 1 DSGVO eigenständigen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Zurverfügungstellung von Dokumenten mit personenbezogenen Daten. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass Art. 15 DSGVO nicht dahin auszulegen ist, dass er in seinem Abs. 3 Satz 1 ein anderes Recht als das in seinem Abs. 1 vorgesehene gewährt. Im Übrigen bezieht sich der Begriff "Kopie" nicht auf ein Dokument als solches, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält und die vollständig sein müssen. Die Kopie muss daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 72 und Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 32). Der Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten setzt keine Begründung voraus, weshalb es auch nicht entgegensteht, wenn er mit anderen als den in Erwägungsgrund 63 Satz 1 DSGVO genannten Zwecken begründet wird (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 50 und Rz 52).

Nur wenn die Zurverfügungstellung einer Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen, wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind, besteht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO ein Anspruch darauf, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken zu erhalten (vgl. EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 75 und Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 41 und Rz 45).

Hierfür besteht jedoch keine generelle Vermutung. Vielmehr obliegt es der betroffenen Person, darzulegen, dass die Kopie der personenbezogenen Daten sowie die Mitteilung der Informationen nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO für die Wahrnehmung der ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte nicht genügt. Begehrt die betroffene Person die Zurverfügungstellung von Kopien von Dokumenten mit ihren personenbezogenen Daten, muss sie darlegen, welche ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte sie auszuüben gedenkt und aus welchen Gründen die Zurverfügungstellung von Kopien von Akten mit personenbezogenen Daten hierfür unerlässlich ist. Andernfalls liefe das durch den EuGH aufgestellte Regel-Ausnahme-Prinzip ins Leere. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO grundsätzlich auf die Zurverfügungstellung einer Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten der betroffenen Person gerichtet (EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 72 und Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 32). Wenn dies für die Wahrnehmung der Rechte aus der Datenschutz-Grundverordnung nicht genügt, kann ausnahmsweise ein Anspruch auf eine (auszugsweise) Kopie der Quelle, in der die personenbezogenen Daten verarbeitet sind, bestehen (vgl. EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 75 und Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 41 und Rz 45). Einer entsprechenden Vermutung der Unerlässlichkeit bedarf es im Übrigen auch nicht, um einen effektiven Datenschutz zu gewährleisten. Regelmäßig genügt es für die Wahrnehmung der durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte, wenn die betroffene Person Kenntnis von den über sie verarbeiteten personenbezogenen Daten erlangt und ihr die Informationen nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO mitgeteilt werden. Insbesondere durch die Mitteilung, welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden und zu welchem Zweck diese Verarbeitung erfolgt, ist die betroffene Person bereits regelmäßig in der Lage, die Richtigkeit der personenbezogenen Daten und die Rechtmäßigkeit deren Verarbeitung zu überprüfen (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 12.03.2024 - IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 27 f.).

b) Ausgehend von anderen Rechtsgrundsätzen hat es das FG unterlassen, die erforderlichen Feststellungen für eine abschließende Beurteilung zu treffen. Obwohl der Kläger in der Klageschrift vom 13.01.2020 seine Beweggründe für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs dargelegt hat, fehlt es an Feststellungen des FG dazu, ob und in welchem Umfang die begehrten Kopien für ihn unerlässlich seien, um ihm die wirksame Ausübung der ihm durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen. Ferner fehlt es an Feststellungen, welche Rechte aus der Datenschutz-Grundverordnung der Kläger überhaupt beabsichtigt geltend zu machen.

4. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Akteneinsicht ergibt sich zwar nicht aus Art. 15 DSGVO (dazu unter a). Das FG hat jedoch rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob sich ein Akteneinsichtsrecht aufgrund anderer Rechtsvorschriften ergibt (dazu unter b).

a) Das Auskunftsrecht in Art. 15 DSGVO ist nicht mit dem Akteneinsichtsrecht identisch. Denn die Datenschutz-Grundverordnung sieht keinen Anspruch auf Akteneinsicht vor (so auch Gola/Heckmann/Franck, DS-GVO, 3. Aufl., Art. 15 Rz 33, m.w.N.). Soweit der Kläger einen Anspruch auf Akteneinsicht aus Art. 15 DSGVO herleiten möchte, enthält diese Vorschrift lediglich einen Auskunftsanspruch gegenüber dem für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten Verantwortlichen.

Ebenso beinhaltet Art. 15 DSGVO keinen Anspruch auf Akteneinsicht als "Weniger" zum Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten beziehungsweise ausnahmsweise unter bestimmten Umständen auf Zurverfügungstellung der Quellen, in denen die personenbezogenen Daten verarbeitet wurden. Vielmehr handelt es sich bei der Gewährung von Akteneinsicht um ein Aliud. Während das Recht auf Akteneinsicht die temporäre Möglichkeit zur Einsicht in die gesamte Verwaltungsakte beinhaltet, betrifft Art. 15 DSGVO nicht die gesamte Verwaltungsakte, sondern ist auf die dauerhafte Überlassung der darin enthaltenen personenbezogenen Daten und nur ausnahmsweise unter bestimmten Umständen auf die Überlassung von Auszügen von Verwaltungsakten gerichtet.

Daran gemessen hat das FG einen Anspruch auf Akteneinsicht aus Art. 15 DSGVO zutreffend verneint. Art. 15 Abs. 1 DSGVO ermöglicht nicht die Einsicht in Verwaltungsakten und damit die in ihnen enthaltenen Verwaltungsdokumente in Abschrift oder im Original. Vielmehr hat der Beklagte als Verantwortlicher lediglich eine (elektronische) Kopie der personenbezogenen Daten und unter gewissen Umständen auch der Quellen, in denen solche Daten verarbeitet wurden, zur Verfügung zu stellen (Senatsurteil vom 12.03.2024 - IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 36 f.).

b) Das FG hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob sich ein Akteneinsichtsrecht aufgrund anderer Rechtsvorschriften ergibt.

aa) Die Abgabenordnung enthält zwar --anders als zum Beispiel § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes-- keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Ein solches Einsichtsrecht ist weder aus § 91 Abs. 1 AO noch aus § 364 AO abzuleiten. Allerdings steht dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zu, weil diese nicht gehindert ist, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.02.2010 - VII R 19/09, BFHE 228, 139, BStBl II 2010, 729, Rz 11; BFH-Beschluss vom 05.12.2016 - VI B 37/16, Rz 3; Senatsurteil vom 07.05.2024 - IX R 21/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 14). Grundlage dieses Anspruchs ist das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (BFH-Urteil vom 19.03.2013 - II R 17/11, BFHE 240, 497, BStBl II 2013, 639, Rz 11; Senatsurteil vom 07.05.2024 - IX R 21/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 14). Der fehlende Anspruch auf Akteneinsicht im außergerichtlichen Besteuerungsverfahren und eine insoweit der Finanzverwaltung eingeräumte Ermessensausübung verstoßen nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (vgl. BFH-Beschluss vom 04.06.2003 - VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, unter II.2.d, m.w.N.).

Dabei ist im Fall eines Antrags auf Akteneinsicht der Adressat des Antrags grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, einen geltend gemachten Anspruch unter allen zumindest denkbaren rechtlichen Aspekten zu prüfen (vgl. Senatsurteil vom 23.01.2024 - IX R 36/21, BFHE 283, 219, Rz 17; BFH-Urteil vom 08.06.2021 - II R 15/20, Rz 16).

bb) Der Kläger hat ausdrücklich Akteneinsicht beantragt. Ausgehend von anderen Rechtsgrundsätzen hat die Vorinstanz es unterlassen, die erforderlichen Feststellungen zu treffen, inwieweit der Beklagte das ihm hinsichtlich der Gewährung der Akteneinsicht zustehende Ermessen ordnungsgemäß nach dem Maßstab des § 102 FGO ausgeübt beziehungsweise eine Interessenabwägung vorgenommen hat.

5. Soweit sich der Kläger mit seinem Auskunftsanspruch auf Akten der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung bezieht, ist der Beklagte nicht der Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Insoweit ist der Beklagte weder berechtigt noch verpflichtet, Auskunft zu erteilen.

6. Soweit das FG den nationalen Ausschlussgrund des § 32c Abs. 1 Nr. 3 AO geprüft hat, tragen seine Feststellungen das Ergebnis, insbesondere zum Ausschlussgrund des § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a AO, nicht.

a) Das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gegenüber einer Finanzbehörde gemäß Art. 15 DSGVO besteht nach § 32c Abs. 1 Nr. 3 AO nicht, soweit die personenbezogenen Daten nur deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetzlicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen (Buchst. a) oder ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen (Buchst. b) und die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde sowie eine Verarbeitung zu anderen Zwecken durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen ist.

b) Insoweit prüft das FG nicht, ob die personenbezogenen Daten nur deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetzlicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen (s. II.6.a; vgl. dazu BFH-Urteil vom 07.05.2024 - IX R 21/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 33) oder die in § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO genannten Zwecke vorliegen und ob "die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde". Auch zum Ausschluss einer Verarbeitung durch "geeignete technische und organisatorische Maßnahmen" äußert sich die Ausgangsentscheidung nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Mündliche Auskunft ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO wenn die Informationen in einem Dateisystem gespeichert ist oder gespeichert werden soll

EuGH
Urteil vom 07.03.2024
C-740/22

Der EuGH hat entschieden, dass eine mündliche Auskunft eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO ist, wenn die Informationen in einem Dateisystem gespeichert ist oder gespeichert werden soll.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass eine mündliche Auskunft über möglicherweise verhängte oder bereits verbüßte Strafen in Bezug auf eine natürliche Person eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 der Verordnung darstellt, die in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, wenn diese Informationen in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

2. Die Bestimmungen der Verordnung 2016/679, insbesondere ihr Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und ihr Art. 10,
sind dahin auszulegen, dass dass sie dem entgegenstehen, dass Daten in einem Personenregister eines Gerichts über strafrechtliche Verurteilungen einer natürlichen Person jedem mündlich mitgeteilt werden können, um einen Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten sicherzustellen, ohne dass die Person, die die Mitteilung begehrt, ein besonderes Interesse an diesen Daten geltend machen muss; dabei ist unerheblich, ob diese Person ein Unternehmen oder eine Privatperson ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zur Reichweite des Begriffs "Kopie der personenbezogenen Daten" im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DSGVO

BGH
Urteil vom 05.03.2024
VI ZR 330/21
DSGVO Art. 15 Abs. 3


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Reichweite des Begriffs "Kopie der personenbezogenen Daten" im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DSGVO befasst.

Leitsatz des BGH:
Zum Begriff "Kopie der personenbezogenen Daten" in Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

BGH, Urteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21 - OLG München - LG München I

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) ein Auskunftsrecht über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.). Auf dieser Grundlage hat die Klägerin nur Anspruch auf Überlassung von Kopien der von ihr verfassten, bei den Beklagten vorhandenen Schreiben und E-Mails.

aa) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).

Nach diesen Grundsätzen sind - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, zVb; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).

bb) Mit ihrem vom Berufungsgericht zuerkannten Antrag verlangt die Klägerin - wie erläutert -, ihr eine Abschrift von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Gesprächsprotokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zu überlassen, in denen personenbezogene Daten der Klägerin enthalten sind, die die Beklagten verarbeiten. Nach den Ausführungen unter aa) handelt es sich zwar bei den von der Klägerin verfassten Schreiben und E-Mails, die den Beklagten vorliegen, ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Schreiben und E-Mails fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden.

Demgegenüber handelt es sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - weder bei Schreiben und E-Mails der Beklagten, noch bei Telefonnotizen, Aktenvermerken oder Gesprächsprotokollen der Beklagten und auch nicht bei Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der Klägerin, auch wenn sie Informationen über die Klägerin enthalten. Zwar ist bei internen Vermerken wie Telefonnotizen oder Gesprächsprotokollen, die festhalten, wie sich die Klägerin telefonisch oder in persönlichen Gesprächen äußerte, denkbar, dass der Vermerk ausschließlich Informationen über die Klägerin enthält. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dies in allen Fällen so ist. Deshalb ergibt sich aus dem Erfordernis, eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten zu erteilen, kein Anspruch der Klägerin darauf, dass - wie von ihr gefordert - alle diese Dokumente im Gesamten als Kopie zu überlassen sind. Zwar kann sich die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken unabhängig vom Erfordernis, eine vollständige Auskunft zu erteilen, dann als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 41, 45; vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 66; vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 74 f.; Senatsurteil vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, zVb; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 51 ff.). Die Klägerin hat aber weder in den Vorinstanzen dazu vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten, sodass ausnahmsweise die Übermittlung einer Kopie der geforderten Telefonnotizen, Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle, E-Mails und Briefe der Beklagten sowie Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen nötig wäre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BFH: Juristische Personen haben keine Ansprüche nach der DSGVO und damit auch keinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO

BFH
Beschluss vom 08.02.Februar 2024
IX B 113/22

Der BFH hat entschieden, dass juristische Personen keine Ansprüche nach der DSGVO und damit auch keinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO haben.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Ein Anspruch auf Überlassung der begehrten elektronischen Kopien über den Anwendungsbereich des § 78 FGO hinaus ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 3 DSGVO.

a) Dabei kann dahinstehen, ob ‑‑wie vom X. Senat des BFH bereits entschieden‑‑ die Finanzgerichtsordnung dem Datenschutzrecht und damit auch dem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO vorgeht (BFH-Beschluss vom 29.08.2019 - X S 6/19, Rz 23, unter Verweis auf die Stellungnahme der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Bundesratsstellungnahme vom 23.03.2017 zu Nr. 6, BTDrucks 18/11655, S. 27; ebenso BFH-Beschluss vom 18.03.2021 - V B 29/20, BFHE 272, 296, BStBl II 2021, 710, Rz 23; zu § 299 der Zivilprozessordnung vgl. Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 22.06.2023 - 2 VA 5/23; zustimmend z.B. Brandis in Tipke/Kruse, § 78 FGO Rz 1; kritisch Schaz, Deutsche Steuer-Zeitung 2020, 338, 339 f.).

b) Jedenfalls enthält die Datenschutz-Grundverordnung nach deren Art. 1 Abs. 1 und 2 nur Vorschriften zum Schutze natürlicher Personen. Sie erfasst nicht die Daten, die juristische Personen betreffen (EuGH-Urteil J & S Service vom 10.12.2020 - C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 41). Als betroffene Personen kommen daher nur natürliche Personen in Betracht (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Im Erwägungsgrund 14 der DSGVO heißt es hierzu, dass die Datenschutz-Grundverordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person, gilt. Dementsprechend betont der EuGH, dass der Begriff "Informationen, die sich auf Körperschaften beziehen" streng von dem unionsrechtlich definierten Begriff der personenbezogenen Daten natürlicher Personen zu unterscheiden ist. Das Recht natürlicher Personen auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten ist ein Grundrecht, das durch Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird. Dagegen werden Informationen, die juristische Personen betreffen, im Unionsrecht nicht in vergleichbarer Weise geschützt (vgl. EuGH-Urteil J & S Service vom 10.12.2020 - C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 46).

Im Streitfall kann die Klägerin, eine GmbH, als juristische Person daher keine Rechte aus Art. 15 DSGVO ableiten.

c) Ob der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin gegebenenfalls Rechte betreffend Daten einer sogenannten "Ein-Mann-GmbH" geltend machen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Den hier streitgegenständlichen Antrag hat der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht als möglicherweise betroffene natürliche Person im eigenen Namen, sondern im Namen der Klägerin, also einer juristischen Person, gestellt.

d) Auch soweit sich die Klägerin auf § 2a Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) beruft, begründet dies keine Anwendung des Art. 15 DSGVO. Die Anwendungserweiterung der Datenschutz-Grundverordnung durch § 2a Abs. 5 AO gilt nur für das Besteuerungsverfahren nach der Abgabenordnung (so auch Drüen in Tipke/Kruse, § 2a AO Rz 24a), nicht jedoch für das Verfahren vor den Finanzgerichten.

3. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

a) Nach Ansicht des Senats bestehen ‑‑auf Grundlage der oben genannten Rechtsprechung des EuGH‑‑ keine Zweifel daran, dass gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 DSGVO juristische Personen keine Rechte aus der Datenschutz-Grundverordnung ableiten können, sondern lediglich die dahinterstehenden, betroffenen (natürlichen) Personen.

b) Mangels Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung ist im vorliegenden Verfahren auch nicht klärbar, ob FA und FG gemeinsam Verantwortliche im Sinne des Art. 26 DSGVO sein können.

c) Die Frage, ob Art. 23 Abs. 1 DSGVO von seinem Anwendungsbereich nationale Gesetzgebungsmaßnahmen, die vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung erlassen wurden, ausschließt, hat der EuGH bereits beantwortet (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 56) und ist im Streitfall auch nicht entscheidungserheblich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: