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BVerfG: Verstoß gegen prozessuale Waffengleichheit wenn einstweilige Verfügung keine Ausführungen enthält weshalb Gericht von mündlicher Verhandlung abgesehen hat

BVerfG
Beschluss vom 12.03.2024
1 BvR 605/24


Das BVerfG hat in einem Eilverfahren entschieden, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit naheliegt, wenn eine einstweilige Verfügung keine Ausführungen enthält, weshalb das Gericht von einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Erfolgreicher Eilantrag einer Zeitungsverlegerin gegen die gerichtliche Untersagung der Bebilderung zweier Presseartikel

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts dem Antrag der Verlegerin einer deutschlandweit erscheinenden Zeitung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben. Sie wendet sich gegen eine ohne mündliche Verhandlung ergangene einstweilige Verfügung, mit der ihr die Bebilderung zweier Presseartikel teilweise untersagt wurde. Eine Entscheidung über die in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde steht noch aus.

Im Dezember 2023 berichtete die Beschwerdeführerin auf ihrer Internetseite in zwei Artikeln über einen Unfall. Beide Artikel waren mit Fotoaufnahmen bebildert, auf denen der bei dem Unfall Verstorbene – bis auf die Augenpartie unverpixelt – zu sehen war. Auf Antrag der Witwe des Verstorbenen untersagte das Landgericht der Beschwerdeführerin im Wege der – ohne mündliche Verhandlung ergangenen – einstweiligen Verfügung, diese Bilder zu veröffentlichen. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben und hiermit verbunden beantragt, die Wirksamkeit des angegriffenen Beschlusses einstweilen außer Vollzug zu setzen. Der angegriffene Beschluss verletze sie insbesondere in ihrem Recht auf prozessuale Waffengleichheit.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Die vorzunehmende Folgenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen. Denn die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der gerügten Verletzung der prozessualen Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren offensichtlich zulässig und begründet.

Weshalb das Landgericht von einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat, obschon eine solche auch vor der Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Regel ist, lässt sich seiner Entscheidung nicht entnehmen. Ihre Begründung lässt mangels jeglicher Ausführungen zu § 937 Abs. 2 ZPO nicht einmal erkennen, dass sich das Landgericht von den einfachrechtlichen Anforderungen an seine Verfahrensweise überhaupt leiten ließ. Soweit es damit sogar hinter einer nur formelhaft begründeten Verfahrenshandhabung zurückbleibt, die das Bundesverfassungsgericht in einem ähnlich gelagerten Fall desselben Spruchkörpers erst unlängst beanstandet hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 15. Juni 2023 - 1 BvR 1011/23 -, Rn. 31 f.), ist deshalb ein bewusstes und systematisches Übergehen der prozessualen Rechte der Beschwerdeführerin nachvollziehbar dargetan.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Nürnberg: Kein Verstoß gegen Unterlassungserklärung und keine Vertragsstrafe wenn urheberrechtswidrige Inhalte noch im Internetarchiv Wayback Machine aufrufbar sind

OLG Nürnberg
Hinweisbeschluss vom 19.02.2024
3 U 2291/23


Das OLG Nürnberg führt in einem Hinweisbeschluss aus, dass kein Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung vorliegt und somit keine Vertragsstrafe verwirkt ist, wenn urheberrechtswidrige Inhalte noch im Internetarchiv Wayback Machine aufrufbar sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs hat die Klägerin keine Zuwiderhandlungen der Beklagten gegen den Unterlassungsvertrag vom 16.11.2021 dargetan.

1. Bei dem behaupteten Verstoß der weiterhin bestehenden Auffindbarkeit der streitgegenständlichen Kartenausschnitte über Eingabe der genauen URL fehlt es an der Öffentlichkeit der Zugänglichmachung (vgl. BGH GRUR 2021, 1286 Rn. 16 ff. – Lautsprecherfoto). Das Landgericht führte aus, dass bereits auf Grund der eigentümlichen Buchstaben-Zahlen-Kombination, die die Beklagte zur Bezeichnung ihrer Einsatzpläne verwendet hatte und die in dieser Form für den jeweiligen Einsatzplan auch in die längere URL hätte eingegeben werden müssen, nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden könne, dass die URL-Adresse nur von Personen eingegeben werden könne, die diese Adresse zuvor – als die Kartenausschnitte noch im Rahmen des Internetauftritts der Beklagten über die Systemnavigation frei zugänglich gewesen seien – abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert hätten. Gegen diese zutreffende Einschätzung durch das Erstgericht wendet sich die Berufung nicht. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Wiedergabe gegenüber recht vielen Personen gegeben ist.

2. Eine Zuwiderhandlung nach § 339 S. 2 BGB kann auch nicht in dem Vortrag der Klägerin gesehen werden, dass die Kartenausschnitte auch nach Abschluss des Unterwerfungsvertrags über das Internetarchiv „w...“ abrufbar gewesen seien.

a) Es fehlt zum einen an den – auch für eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag – erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe in seiner besonderen Erscheinungsform des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung.

aa) Im Streitfall kann bereits deshalb kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19a UrhG angenommen werden, weil die Beklagte auf dem Internetarchiv „w...“ nicht die Kontrolle über die Bereithaltung der Kartenausschnitte ausübt und sich diese daher nicht in ihrer Zugriffssphäre befinden (vgl. BGH GRUR 2019, 950 Rn. 44 – Testversion).

bb) Darüber hinaus fehlt es an den Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe i.S.v. § 15 Abs. 2 UrhG, da die Beklagte über die „w...“ nicht absichtlich und gezielt Dritten einen Zugang zu den Kartenausschnitten verschafft und auch Umstände, die im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung von Bedeutung sind, gegen eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag sprechen.

In diesem Zusammenhang ist der Zweck der „w...” – eine Internetbibliothek mit dem Ziel zu schaffen, Forschern, Historikern, Wissenschaftlern und allen weiteren Interessierten einen permanenten Zugang insbesondere zu nicht mehr vorhandenen Webseiten zu bieten (Hoeren, MMR 2006, V) – zu berücksichtigen. So wie die fortdauernde Auffindbarkeit einer früheren, mittlerweile zu unterlassenden Werbung in der „w...“ mangels Marktbezugs keine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG darstellt, da die Auffindbarkeit darüber kein denkbarer Kanal zur Absatzförderung ist (LG Karlsruhe GRUR-RS 2023, 2296), liegt kein urheberrechtlich relevantes Verschaffen eines Zugangs zum geschützten Werk vor, da dem durchschnittlichen Internetnutzer bekannt ist, dass es sich bei den von der „w...“ vorgehaltenen Seiten um eine frühere Fassung des Internetauftritts handelt (vgl. zum Speichern im Cache der Suchmaschine Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 19a Rn. 6a). Die Beklagte verschafft somit nicht Dritten in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens Zugang zu den Kartenausschnitten.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die „w...“ nicht von üblichen Internet-Suchmaschinen durchsucht werden kann. Vielmehr muss der Internetnutzer gezielt das Internetarchiv aufrufen und dort – da das Archiv keine eigene Suchfunktion aufweist – gezielt nach Inhalten suchen.

Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe eine wertende Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände erforderlich macht. Daraus folgt für den Streitfall, dass in die Auslegung des Unterlassungsvertrags eingestellt werden kann, dass die Beklagte keine zentrale Rolle einnahm, um Nutzern über die „w...“ Zugang zu den Kartenausschnitten zu verschaffen, dass die (ursprüngliche) Veröffentlichung der Notfalltreffpunkte im Gemeindegebiet nicht Erwerbszwecken diente, sowie dass bei einer „Wiedergabe“ über die „w...“ nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine aufnahmebereite Öffentlichkeit für die Kartenausschnitte selbst besteht.

b) Zum anderen fehlt es an der Darlegung der Verletzung von Handlungspflichten zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands.

So ist weder dargetan noch ersichtlich, dass eine Abrufbarkeit über die „w...“ der Beklagten (wirtschaftlich) zugutekommt, was aber Voraussetzung für eine Einwirkungspflicht auf Dritte ist.

Außerdem trägt die Beklagte vor, dass sie gegenüber den Betreibern des Internetarchivs entsprechende Löschungsanträge gestellt habe. Damit hätte sie ihren – unterstellten – Handlungspflichten zur Beseitigung des Störungszustandes genügt. Einen Erfolg des Bemühens der Einwirkung auf Dritte schuldet der Unterlassungsschuldner nicht (vgl. BGH GRUR 2018, 292 Rn. 33 – Produkte zur Wundversorgung).

3. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Unterwerfungsvertrag schließlich darauf stützt, dass bei der Eingabe bestimmter Begriffe in Suchmaschinen ein Link zu der Datei mit dem streitgegenständlichen Kartenausschnitt auf der Homepage der Beklagten an erster Stelle der Ergebnisliste erschienen sei, kann dies aus den nachfolgenden beiden Gründen der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.

a) Zum einen fehlt es beim Vortrag im Zusammenhang mit den Suchmaschinen an der Darlegung des Zugänglichmachens der Kartenausschnitte, also der Wiedergabe, selbst.

Auf den vorgelegten Screenshots mit den Ergebnislisten der Suchmaschinen ist lediglich ein Link zu einem PDF-Dokument auf der von der Beklagten betriebenen Homepage ersichtlich. Die Werke sind in der Ergebnisliste weder als Vorschaubilder (vgl. BGH GRUR 2010, 628 Rn. 19 – Vorschaubilder) noch sonst erkennbar.

Dass beim Klicken auf den Link tatsächlich die Homepage der Beklagten geöffnet und Zugang zu den Kartenausschnitten geschaffen wird, ist weder dargetan noch vor dem Hintergrund des nicht bestrittenen Vortrags der Beklagten des vollständigen Löschens aus dem CMS der Beklagten, weshalb ein Aufruf über die Seitennavigation der URL www.s[…]-m[…].de nicht mehr möglich sei, ersichtlich. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Kartenausschnitte bei heute abrufbar seien, kann den im Zusammenhang mit diesem Vortrag vorgelegten Anlagen K 15, BK 1 und BK 2 entnommen werden, dass diese Seiten bei der sogenannten „w...“ (https://archive.org/web) aufgerufen wurden. Die Aufrufbarkeit über das Internetarchiv „w...“ kann – wie bereits ausgeführt – eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag jedoch nicht begründen.

b) Zum anderen fehlt es – wegen der Übertragbarkeit der im Zusammenhang mit der Eingabe der genauen URL gemachten Überlegungen zur Öffentlichkeit der Zugänglichmachung (vgl. dazu die obigen Ausführungen unter Ziffer 1.) auf die im vorliegenden Fall notwendige Eingabe bestimmter Begriffe in Suchmaschinen – an der Darlegung einer öffentlichen Wiedergabe. Aufgrund der vorliegend maßgeblichen Einzelfallumstände ist in der konkreten Situation nicht damit zu rechnen, dass eine entsprechend große Personengruppe die Kartenausschnitte suchen und auffinden könnte.

aa) Im vorliegenden Fall war es erforderlich, bestimmte Begriffe wie „Notfalltreffpunkt O. der S.“, „einsatzplan o. der st.“ oder „einsatzplan r. l.“ in die Suchmaschine einzugeben, um als Suchergebnis einen Link zur Webseite der Beklagten angezeigt zu bekommen. Eine – unterstellte – Zugänglichkeit zu den Kartenausschnitten war daher nur „umständlich“ durch Eingabe genau dieser Wörter möglich. Es fehlt vor diesem Hintergrund an der Öffentlichkeit der Wiedergabe, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass recht viele Personen über diese konkreten Suchbegriffe auf die streitgegenständlichen Notfallpläne Zugriff haben. Es ist auszuschließen, dass Dritte in nennenswerter Zahl von der Möglichkeit des Abrufs Gebrauch machen, weshalb jegliche Relevanz für den Urheber und dessen Möglichkeit, sein Werk wirtschaftlich zu verwerten, fehlt.

bb) Der Senat schließt sich der Einschätzung des Landgerichts an, dass die klägerseits verwendeten Suchmaschinenbegriffe für einen gewöhnlichen Internetnutzer zur Bezeichnung von Einsatzplänen schon deswegen völlig ungewöhnlich sind, weil nicht einmal der Gemeindename der Beklagten in das Suchfeld zusätzlich eingegeben wurde. Die Möglichkeit, dass ein gewöhnlicher Internetnutzer in der Zeit von 2015 bis November 2021 sich die entsprechenden Namen der Einsatzpläne der Beklagten notiert oder abgespeichert hat und sodann bei einer Suchmaschinen-Suche nach diesem Zeitraum direkt den Namen der Pläne ohne Angabe der Gemeinde suchen würde, entspricht nicht der Lebenserfahrung.

Die entsprechenden Namen sind überdies exklusiv auf das Gemeindegebiet der Beklagten – einer kleinen Gemeinde von reichlich 7.000 Einwohnern – zugeschnitten, so dass jedenfalls Nutzer, die nicht schon vor dem Jahr 2021 von der Existenz entsprechender Pläne samt Namen wussten, nunmehr nach Herunternahme der Einsatzpläne vom Internetauftritt der Beklagten von sich aus nicht darauf kommen würden, dass es solche Einsatzpläne womöglich geben könnte und deshalb danach mittels Suchmaschine suchen würden.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es vorliegend um die Bezeichnung von Notfallplänen geht, deren namentliche Existenz überhaupt nur einer ganz kleinen, speziellen Gruppe – nämlich wohl nur Feuerwehr- und Katastrophenschutzbehördenmitarbeitern in der Gemeinde bzw. dem zugehörigen Landkreis – bekannt sein dürfte. Andere Personen, insbesondere Gemeindebürger der Beklagten, würden nach entsprechenden Einsatz-/Notfalltreffpunktplänen wohl ausnahmslos nur im ganz konkreten Brand- und/oder Katastrophenfall suchen, jedoch kaum vorab sich diese insbesondere namentlich (analog oder digital) notieren.

c) Außerdem setzt eine öffentliche Wiedergabehandlung grundsätzlich voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis – also absichtlich und gezielt – der Folgen seines Verhaltens tätig werden muss, woran es im vorliegenden Fall ebenfalls fehlt. Es sind keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Kartenausschnitte nach dem Löschen aus dem CMS der Beklagten, weshalb sie nicht (mehr) über die Homepage der Beklagten aufrufbar waren, nach dem Willen der Beklagten – einer Gemeinde – (weiter) für andere Personen verfügbar sein sollten. Der streitgegenständliche Unterlassungsvertrag kann vor dem Hintergrund des Wortlauts, der Art und Weise des Zustandekommens sowie der Anlassverstöße auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Parteien über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen und vom verletzten Verwertungsrecht nicht erfasste Handlungen einbeziehen wollten.

d) In Bezug auf die schließlich notwendige wertende Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls kann auf die obigen Ausführungen unter B.II.2.a) bb) a.E. verwiesen werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: Cookie-Banner muss so gestaltet sein dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist - Schließen des Cookie-Banners mit "X" ist keine wirksame Einwilligung

OLG Köln
Urteil vom 19.01.2024
6 U 80/23


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Cookie-Banner so gestaltet sein muss, dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist. Zudem hat das Gericht entschieden, dass das Schließen des Cookie-Banners mit "X" keine wirksame Einwilligung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Durch eine Gestaltung der Cookie-Banner wie in der vom Kläger in Bezug genommenen konkreten Verletzungsform wird dem Verbraucher weder auf der ersten noch auf der zweiten Ebene eine gleichwertige, mithin auf klaren und umfassenden Informationen beruhende, Ablehnungsoption angeboten, weshalb er – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – zur Abgabe der Einwilligung hingelenkt und von der Ablehnung der Cookies abgehalten wird, so dass die erteilte Einwilligung nicht als freiwillig und hinreichend aufgeklärt im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art. 4 Nr. 11 DSGVO angesehen werden kann. Die erste Ebene enthält überhaupt keine Ablehnungsoption für den Verbraucher. Vielmehr kann dieser durch den Button „Einstellungen“ lediglich auf die zweite Ebene gelangen. Hier hat der Verbraucher dann die Auswahl zwischen dem Button „Alles Akzeptieren“ und dem Button „Speichern“. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, erschließt sich dem Durchschnittsnutzer aber bereits nicht, welche Funktion sich konkret hinter dem jeweiligen Button verbirgt bzw. mit welchem Button er nunmehr tatsächlich die Ablehnung der Cookies erreichen kann. Die Beklagte hat in erster Instanz selbst wiederholt ausgeführt, dass für den Verbraucher eine echte Wahlmöglichkeit gegeben sein müsse. Dies ist indes bei der hier aufgezeigten Gestaltung der Cookie-Banner gerade nicht der Fall.

Die Zurückweisung des Antrages zu b) – den der Kläger in der Berufungsinstanz in unveränderter Form gestellt hat – ist durch das Landgericht zu Unrecht erfolgt. Auch wenn der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung zunächst dahingehend positioniert hat, dass es ihm gerade auf den Einschub zu a) ankomme und daher allenfalls dieser von dem beantragten Verbot isoliert erfasst sein solle, hat er letztlich den Antrag wie angekündigt gestellt und demgemäß hieran gerade nicht festgehalten. Durch die Verknüpfung und/oder bestand zwischen den Anträgen zu a) und b) ein echtes Alternativverhältnis, weshalb das Landgericht auch isoliert über den Antrag zu b) hätte entscheiden müssen. Eine andere Auslegung lässt entgegen der Auffassung der Beklagten auch das den Antrag zu b) einleitende Wort „dabei“ nicht zu, da dies ohne weiteres auch Sinn ergibt, wenn dieser Antrag nur isoliert geltend gemacht wird.

Dieser hinreichend bestimmte Antrag hat in der Sache ebenfalls Erfolg. Die Gestaltung der Cookie-Banner mit dem verlinkten Button „Akzeptieren & Schließen X“ in der rechten oberen Ecke verstößt gegen die Grundsätze von Transparenz und Freiwilligkeit der Einwilligung und führt zu deren Unwirksamkeit. Insoweit kann wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Das „X“-Symbol ist Nutzern bekannt als Möglichkeit, um ein Fenster zu schließen, nicht aber, um in die Verwendung von Cookies und anderen Technologien durch den Websitebetreiber einzuwilligen. Dass hiermit eine Einwilligung erklärt wird, wird dem durchschnittlichen Nutzer nicht bewusst sein. Zwar steht unmittelbar neben dem „X“- Symbol „Akzeptieren & Schließen“. Die Verknüpfung dieser beiden Funktionen ist aber irreführend und intransparent für die Nutzer. Auch wird für die Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei „Akzeptieren & Schließen“ und dem „X“-Symbol um ein und denselben Button handelt. Vor diesem Hintergrund kann die Einwilligung mithilfe des „X“-Symbols weder als unmissverständlich oder eindeutig bestätigend, noch als freiwillig im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art 4 Nr. 11 DSGVO bewertet werden


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OLG Düsseldorf: Vorformulierte Unterlassungserklärungen können der AGB-Kontrolle unterliegen - Vertragsstrafeklausel unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam

OLG Düsseldorf
Urteil vom 23.11.2023
2 U 99/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass vorformulierte Unterlassungserklärungen der AGB-Kontrolle unterliegen können. Eine Vertragsstrafklausel unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Aus den Entscheidungsgründen:
3. Die Berufung weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Vertragsstrafenabrede als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist. Denn die A hat die Vertragsstrafeklausel als Verwender im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Einzelnen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB mit der Beklagten ausgehandelt.

a) Vertragsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz in Abrede gestellt, dass es sich um ein vorgegebenes Formular gehandelt habe, das für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorformuliert gewesen sei (vgl. Bl. 66 eAkte LG). Damit kann sie indes nicht durchdringen.

Dass die mit Schreiben vom 23. Oktober 2023 übergebene Unterwerfungserklärung „vorformuliert“ und nicht von ihr „ad hoc in Vertragsverhandlungen formuliert“ (vgl. Staudinger/Mäsch (2022) BGB § 305, Rn. 25) worden ist, steht außer Frage. Sie war ihrem äußeren Anschein nach aber auch für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert („Mehrfachverwendungsabsicht“).

Das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingung muss derjenige darlegen und beweisen, der sich zu seinen Gunsten auf die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB beruft, vorliegend also die Beklagte. Der Darlegungslast kann aber im Einzelfall bereits durch Vorlage des Vertrags genügt werden (BGH, NJW 1992, 2160, 2162). Denn aus Inhalt und Gestaltung von Vertragsklauseln kann der äußere Anschein folgen, dass diese zur mehrfachen Verwendung vorformuliert wurden (vgl. BGH, a.a.O., NJW 2004, 502, 503, NJW 2009, 3717, 3720, jeweils zum Bau(träger)vertrag; BGH, NJW 2017, 265 Rn. 30 zum Architekten- und Ingenieurvertrag; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 556 - VENOM, OLG Jena, BeckRS 2012, 9286, jeweils zur Vertragsstrafevereinbarung; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 18; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 305 Rn. 23). Ein solcher Anschein kann sich zum Beispiel daraus ergeben, dass Vertragsklauseln weitgehend allgemein und abstrakt gehalten sind (BGH, NJW 2017, 265 Rn. 30). Es ist dabei nicht erforderlich, dass das gesamte Vertragsmuster diesen Anforderungen entspricht. Entscheidend ist, ob einzelne Vertragsklauseln, hier also das Vertragsstrafeversprechen, jeweils die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB erfüllen (BGH, NJW 1998, 2600 f.).

aa) Es drängt sich vorliegend bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auf, dass der Inhaber von Schutzrechten eine Unterlassungserklärung regelmäßig nicht allein für den konkreten Einzelfall formuliert bzw. formulieren lässt, sondern – schon aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus – eine Mehrfachverwendungsabsicht verfolgt. Er wird darauf bedacht sein, ein Standardformular zu entwickeln, dass sich mit möglichst wenigen Modifikationen an die jeweilige Situation anpassen lässt. In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es gängige Praxis sei, „das Rad nicht immer neu zu erfinden“, sondern auf bewährte Muster oder in Datenbanken hinterlegte Textbausteine zurückzugreifen (vgl. Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil „Vertragsrecht“, Stichwort „Individualvereinbarung“ Rn. 8).

Diese Erwägungen gelten umso mehr, wenn die Erklärung von einer Rechtsanwaltskanzlei formuliert wurde, was vorliegend naheliegt, da das Anschreiben von der (damaligen) Kanzlei C stammt. Diese wird auf vorhandene Vorstücke bzw. Muster zurückgreifen oder – bei erstmaliger Formulierung – darauf bedacht sein, solche – auch für spätere Mandate – zu entwickeln. Gerade bei großen Sozietäten streitet daher bereits der erste Anschein für eine Mehrfachverwendungsabsicht (Löhnig/Jerger, GWR 2013, 239, 240). In den Fällen von durch Dritte vorformulierten Verträgen genügt es im Übrigen, dass diese vom Dritten in Mehrfachverwendungsabsicht erstellt wurden. Die Partei, die sich eines solchen Formulars bedient, kann sich nicht darauf berufen, dass sie selbst nur die Absicht hatte, dieses in einem einzigen Fall zu verwenden (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 10; BeckOK BGB/Becker, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 305 Rn. 25; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 119; Löhnig/Jerger, a.a.O., für den von einer Rechtsanwaltskanzlei entworfenen Vertrag).

Im Ergebnis streiten daher bereits die äußeren Umstände dafür, dass es sich bei der Unterlassungserklärung um eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Erklärung handelte. Diesen Anschein hat die Klägerin nicht entkräftet. Sie hat keine Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, die es nahelegen könnten, dass es sich bei der Vertragsstrafeklausel um eine nur für diesen konkreten Einzelfall formulierte Abrede handelte. Soweit sie darauf verweist, dass ein Rückgriff auf ein „Simile“ aus einem anderen Rechtsstreit, das dort in Einzelverwendungsabsicht erstellt worden war, unschädlich sei, so lässt sie offen, ob sie einen solchen Geschehensablauf vorliegend behaupten will, zumal damit auch eine erst sodann für die Zukunft gefasste Mehrfachverwendungsabsicht nicht ausgeschlossen wäre. Wenn sie weiterhin ausführt, dass der seinerzeit sachbearbeitende Rechtsanwalt nicht einmal auf ein „Simile“ zurückgreifen hätte müssen, da er die ihm aus seiner Praxis geläufige Vertragsstrafeklausel auch aus dem Gedächtnis heraus hätte formulieren können, so kommt es hierauf nicht an. Denn Allgemeine Geschäftsbedingungen können auch dann vorliegen, wenn üblicherweise verwendete Klauseln aus dem Gedächtnis heraus in den Vertrag eingefügt werden (BGH, NJW 1999, 2180, 2181). Im Ergebnis genügt daher der – sich in allgemeinen Erwägungen erschöpfende – klägerische Tatsachenvortrag nicht, um eine ernsthafte Möglichkeit für einen vom Anscheinsbeweis abweichenden Geschehensablauf darzulegen, weshalb dem angetretenen Zeugenbeweis durch Vernehmung des seinerzeit sachbearbeitenden Rechtsanwalts nicht nachzugehen war.

bb) Im Übrigen erweckt die ursprüngliche Unterlassungserklärung auch ihrer inhaltlichen Gestaltung nach den Eindruck, dass ihre Klauseln für eine Vielzahl vergleichbarer Abmahnsituationen herangezogen und nur einzelne Stellen an den konkreten Sachverhalt angepasst werden.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die für das hiesige Verfahren streitentscheidende Vertragsstrafeklausel. Diese ist in ihrer Formulierung („Upon pain of a contractual penalty of € 10.000.00 (ten thousand EUR) for each case of non-compliance - excluding the application of the continuation-of-offence clause - to refrain from”) allgemein gehalten und weist keinen besonderen Bezug zum konkreten Einzelfall auf, der erst im weiteren Verlauf der Erklärung – nämlich im Rahmen der Unterlassungsverpflichtung – durch Einrücken der Patentansprüche hergestellt wird. Auch bei dem Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs („excluding the application of the continuation-of-offence clause“) handelt es sich – auch heute noch – um eine vielfach verwendete Standardregelung (vgl. z. B. Kummermehr, in; Kroiß (Hrsg.)/Kröger u.a., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 4 Rn. 196; Meyer-Sparenberg, in: BeckFormB BHW, 14. Aufl. 2022, Form. II.11).

Die Vertragsstrafeklausel liefert damit keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ausschließlich für die Unterlassungserklärung der Beklagten formuliert wurde. Auch aus anderen Klauseln der ursprünglichen Unterlassungserklärung lassen sich solche Anhaltspunkte nicht herleiten.

So enthalten die beiden identisch ausgestalteten Klauseln zur Rechnungslegung (Ziffern I.2 und II.5) mehrere formelhafte Regelungen, die nur insoweit auf den Einzelfall zugeschnitten sind, als dass unter lit. a) und b) jeweils ein bestimmter Zeitraum benannt wird, für den Rechnung zu legen ist, während die übrigen Bestimmungen lit. a) aa) bis dd), b) aa) bis bb) und c) keinen konkreten Bezug zur Beklagten aufweisen. Bei Ziffer II.5 fällt zudem auf, dass der Verweis auf die „Handlungen unter 1.“ („actions referred to under 1. above“) fälschlicherweise nicht angepasst wurde, was notwendig gewesen wäre, da sich die zu unterlassende Handlung für die Vorrichtung im Sinne des EP 2 324 XXA unter Ziffer II.4 findet. Dies verstärkt den Eindruck der Verwendung vorformulierter Klauseln, wobei es allerdings – entgegen der Berufung – für den Beleg einer Mehrfachverwendungsabsicht nicht genügt, dass eine Klausel in demselben Vertrag mehrfach Verwendung findet, da § 305 Abs. 1 S. 1 BGB eine „Vielzahl von Verträgen“ fordert.

b) Die vorformulierten Vertragsbedingungen wurden von der A auch als Verwenderin im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt.

aa) Verwenderin ist diejenige Vertragspartei, die der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrags vorformulierte Vertragsbedingungen stellt. Sind die Bedingungen von einem Dritten formuliert, ist entscheidend, ob eine der Vertragsparteien sie sich als von ihr gestellt zurechnen lassen muss (BGH, NJW 1994, 2825, NJW 2016, 1230 Rn. 24 – Vertragsstrafe). Vorliegend kommt es demnach nicht darauf an, ob die A die strafbewehrte Unterlassungserklärung selbst formuliert hat oder ihre damalig beauftragte Rechtsanwaltskanzlei C. Denn es bestehen keine Zweifel, dass diese im Auftrag der A handelte, die sich das Handeln daher zurechnen lassen muss.

Das Merkmal des Stellens ist erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsabschluss verlangt werden. Dabei genügt der einseitige Wunsch einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 12 a.E.; NJW 2016, 1230 Rn. 24 – Vertragsstrafe). Ein Ungleichgewicht hinsichtlich der vertraglichen Durchsetzungsmacht muss dabei nicht bestehen. Verwenderin kann auch eine Vertragspartei sein, die der anderen weder wirtschaftlich noch sonst überlegen ist (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 12).

Dass die A die Verwendung der von ihr eingebrachten Formularbestimmungen zumindest wünschte, steht vor dem Hintergrund des Inhalts ihres Abmahnschreibens vom 23. Oktober 2014 außer Frage. Denn dort wurde der Beklagten – mit äußerst knapper Frist bis zum nächsten Morgen, 8:00 Uhr – die Möglichkeit der Unterzeichnung der vorformulierten Unterlassungserklärung gegeben, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Dabei ging die A davon aus, dass die Erklärung durch die Beklagte mittels Unterzeichnung des zur Verfügung gestellten „Vordrucks“ erfolgen sollte.

bb) Allerdings gelten Vertragsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB dann nicht als von dem Verwender gestellt, soweit diese zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Ein solches Aushandeln ist vorliegend indes nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich dies nicht daraus, dass die Beklagte an der überreichten Unterlassungserklärung umfangreiche Kürzungen vorgenommen und dieser einen Einleitungssatz zur Rechtsbindung vorangestellt hat.

(1) Von einem Aushandeln kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH, NJW 2019, 2080 Rn. 14).

Hieran werden in der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt (Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand März 2023, Teil „Klauselwerke“, Stichwort: „Stromlieferverträge“ Rn. 102). So führt beispielsweise allein eine formularmäßige Aufforderung an den Unterzeichner, den Inhalt einer Formularerklärung durch Streichung einzelner Teile zu verändern, nicht zu der Annahme eines Aushandelns (BGH, NJW 1987, 2011). Auch die Aufforderung in einem Anschreiben, „Anmerkungen oder Änderungswünsche“ mitzuteilen, genügt für sich genommen noch nicht, um davon auszugehen, dass tatsächlich die Gelegenheit eingeräumt wurde, eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen (BGH, NJW 2016, 1230 Rn. 30 – Vertragsstrafe). In aller Regel muss sich die Bereitschaft zur Änderung in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes niederschlagen, es sei denn, es bleibt erst nach gründlicher Erörterung bei dem vorformulierten Text (BGH, NJW 1998, 2600, 2601; NJW 2013, 2027 Rn. 20; NJW 2015, 1952 Rn. 33).

(2) Vorliegend ergibt sich aus dem klägerischen Anschreiben keine Bereitschaft, den Inhalt der Unterlassungserklärung ganz oder teilweise ernsthaft zur Disposition zu stellen. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Klägerin die seitens der Beklagten vorgenommenen Änderungen akzeptiert hat.

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang die Feststellung getroffen, dass die Beklagte in der Vertragsstrafeklausel die Formulierung „für jeden Fall der Nichteinhaltung“ in „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ abgeändert habe. An diese Feststellung ist der Senat allerdings nicht gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Denn wie eingangs erläutert haben sich die A und die Beklagte allein auf der Grundlage einer englischsprachigen Unterlassungserklärung geeinigt. Sowohl in dem an die Beklagten ausgehändigten Exemplar als auch in der von der Beklagten unterzeichneten Erklärung findet sich jeweils übereinstimmend die Formulierung „for each case of non-compliance“. Eine Anpassung der Formulierung seitens der Beklagten hat es daher nicht gegeben. Vielmehr wurde in den später angefertigten Übersetzungen der Begriff „non-compliance“ unterschiedlich in die deutsche Sprache übersetzt, einmal als „Nichteinhaltung“ und einmal als „Zuwiderhandlung“. Da aber an der eigentlichen Vertragsstrafeklausel im englischsprachigen Original („Upon pain of a contractual penalty of € 10.000.00 (ten thousand EUR) for each case of non-compliance - excluding the application of the continuation-of-offence clause - to refrain from”) keine Änderung vorgenommen wurde, kann hierauf ein „Aushandeln“ nicht gestützt werden.

Im Übrigen könnte selbst bei Vorliegen einer solchen Formulierungsänderung hieraus kein Rückschluss auf eine Dispositionsbereitschaft gezogen werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verliert eine Klausel selbst bei Änderungen des Textes ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung nur dann, wenn die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgt, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Das ist nicht der Fall, wenn der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel beibehalten und die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wurde (BGH, NJW 2015, 1952 Rn. 33). Vorliegend wäre mit der Formulierungsänderung aber keine Verbesserung der Rechtsposition der Beklagten einhergegangen. Aufgrund des in der Sache unveränderten Kerngehalts der Klausel hätte auch in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden können, dass der Kerngehalt der Klausel seitens der Verwenderin ernsthaft zur Disposition gestellt wurde.

(3) Auch die Ergänzung in Form eines Einleitungssatzes lässt nicht den Rückschluss zu, dass die A die Vertragsstrafeklausel zur Disposition gestellt hat und insoweit von einer ausgehandelten Individualvereinbarung auszugehen ist. Das angegriffene Urteil enthält hierzu die Feststellung, dass der Unterlassungserklärung seitens der Beklagten der Einleitungssatz „for mere economical reasons and in order-to provide for a fast settlement of the matter, without prejudice, however, legally binding“ (deutsche Übersetzung: aus rein wirtschaftlichen Gründen und um eine schnelle Einigung in der Angelegenheit zu erzielen, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, jedoch rechtsverbindlich) vorangestellt wurde.

Die Formulierung des Vertragsstrafeklausel wurde durch diese Ergänzung allerdings nicht abgeändert. Dies ist deshalb von Belang, da es nicht darauf ankommt, ob die vom Verwender gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen an irgendeiner Stelle abgeändert oder ergänzt wurden, um von einem Aushandeln auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klausel vielmehr auch dann nicht ausgehandelt, wenn nach Verhandlungen über verschiedene andere Teilaspekte eines Vertrags nur dort Vertragsbedingungen geändert worden sind, nicht aber an der streitbefangenen Klausel (BGH NJW 2019, 2080 Rn. 15). Zwar mögen die Vertragspartner bei solchen Verhandlungen jeweils für sich ihre wirtschaftliche Position als einheitliches Paket beurteilt haben. Das rechtfertigt es aber nicht, eine vom Verwender gestellte, konkret nicht verhandelte und unverändert in den Vertrag übernommene Vertragsbedingung als ausgehandelt anzusehen. Denn das Aushandeln muss sich nach dem Gesetzeswortlaut jeweils auf bestimmte Vertragsbedingungen beziehen („im Einzelnen“) und führt nur in diesem Umfang („soweit“) zur Nichtanwendung der §§ 305 ff. BGB (BGH, a.a.O.). Selbst in einem überwiegend als Individualvereinbarung ausgestalteten Vertrag können daher formularmäßige Einzelabreden als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sein (BGH, NJW 1979, 2387; BGH NJW 1997, 135). Daher ist grundsätzlich für jede einzelne Klausel festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB gegeben sind oder nicht (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 46).

Die Ergänzung in Gestalt des Einleitungssatzes hat im Übrigen auch nur einen deklaratorischen Charakter (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 91), da in der strafbewehrten Unterlassungserklärung selbst keine Anerkennung der Berechtigung der Abmahnung liegt, sondern diese allein die Funktion hat, mit Wirkung für die Zukunft die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (BGH, GRUR 2013, 1252 Rn. 10 – Medizinische Fußpflege). Somit ist der Erklärungsinhalt dieser Ergänzung schon nicht in der Lage, den Inhalt der nachfolgenden vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung abzuschwächen, so dass die Akzeptanz der Ergänzung seitens der A nicht ihre Bereitschaft belegen kann, den wesentlichen Inhalt der von ihr vorgegebenen Vertragsstrafeklausel zur Disposition zu stellen.

(4) Die umfangreichen Streichungen der Beklagten in Bezug auf andere Vertragsklauseln führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

Aus dem unstreitigen Vortrag der Parteien ergibt sich, dass die Beklagte große Teile aus der vorformulierten Unterlassungserklärung herausgestrichen hat, nämlich in Gestalt der Klauseln zur Rechnungslegung (Ziff. I.2, II.5), zur Entschädigung (Ziff. I.3. II.6), zur Vernichtung (Ziff. III), zur Tragung anwaltlicher Kosten (Ziff. IV) und der Gerichtsstandsvereinbarung (Ziff. V). Im Ergebnis hat sie damit nur die mit einer Vertragsstrafeandrohung versehene Unterlassungsverpflichtung übernommen.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abänderung eines Klauselwerkes an mehreren zentralen Punkten im Einzelfall darauf hindeuten, dass die Parteien alle sachlich damit zusammenhängenden Bedingungen in ihren Gestaltungswillen aufgenommen und damit das ganze Klauselwerk ausgehandelt haben (BGH, NJW 2013, 2027 Rn. 20). Dagegen spricht vorliegend aber schon, dass die Klausel zur vertragsstrafebewehrten Unterlassung als namensgebender Kern einer Unterlassungserklärung inhaltlich unverändert übernommen wurde. Es erscheint auch fernliegend, dass die A in diesem Kernbereich Streichungen gleichermaßen akzeptiert hätte. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH, NJW 2013, 2027), in dem sich die Parteien mehrfach über den Inhalt eines möglichen vertraglichen Wettbewerbsverbots austauschten, sich wechselseitig entsprechende Entwürfe unterbreiteten und zu den Entwürfen der Gegenseite Stellung nahmen, kann vorliegend auch keine gründliche Erörterung festgestellt werden. Eine einseitig vorgenommene Streichung von Klauseln ist keine gründliche Erörterung, so dass deren Akzeptanz kein Aushandeln im Hinblick auf die unverändert gebliebene Vertragsstrafeklausel nahelegt.

4. Die Vertragsstrafenabrede benachteiligt die Beklagte unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB und ist daher unwirksam.

a) Vertragsstrafenabreden im kaufmännischen Verkehr fallen zwar gemäß § 310 Abs. 1 BGB nicht unter § 309 Nr. 6 BGB, sie unterliegen aber gleichwohl der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 12).

Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn der Verwender mit der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen. Dabei ist ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste typisierende Betrachtungsweise zu Grunde zu legen (vgl. z. B. BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 13).

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt, dass im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. „Wesentliche Grundgedanken“ des dispositiven Rechts sind solche, denen eine Leitbildfunktion zukommt und die eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellen (BGH, NJW-RR 2019, 1072 Rn. 26). „Gesetzliche Regelungen" sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; NJW 1998, 1640, 1642).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend die Vertragsstrafeklausel wegen ihres ausnahmslosen Ausschlusses des Zusammenfassens von einzelnen Verstößen als unangemessen benachteiligend einzustufen, da sie von einem wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken abweicht, ohne dass dies wegen besonderer Umstände gerechtfertigt wäre.

Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, dass der in der Klausel enthaltene Einschub „excluding the application of the continuation-of-offence clause“ (deutsche Übersetzung: unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs) einen im Zusammenhang mit Vertragsstrafenabreden veralteten – wenn gleichwohl in der Vertragspraxis weiterhin verwendeten (vgl. z. B. Kummermehr, in; Kroiß (Hrsg.)/Kröger u.a., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 4 Rn. 196; Meyer-Sparenberg, in: BeckFormB BHW, 14. Aufl. 2022, Form. II.11) – Rechtsbegriff verwendet und dieser bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2014 überholt war. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2001 (vgl. BGH, NJW 2001, 2622 – Trainingsvertrag) seine bisherige Auffassung aufgegeben, wonach die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs im Zivilrecht einen vom Strafrecht losgelösten Bedeutungsgehalt gewonnen hat (so noch BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang). Ein bürgerlich-rechtlicher Rechtsbegriff der Fortsetzungstat könne im Recht der Vertragsstrafe nicht mehr anerkannt werden. Es müsse vielmehr durch Auslegung ermittelt werden, ob einzelne Taten, soweit sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Vertrags als rechtliche Einheit darstellten, als eine Zuwiderhandlung zu behandeln seien (BGH, NJW 2001, 2622, 2624 – Trainingsvertrag).

Die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs hat seitdem (auch) im Bereich des Vertragsstrafenrechts keine Bedeutung mehr (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 113). Dies hat zur Folge, dass nun durch Auslegung ermittelt werden muss, ob einzelne Taten, soweit sie sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Vertrags als rechtliche Einheit darstellen, als eine Zuwiderhandlung zu behandeln sind. Diese unterschiedliche Betrachtung ändert allerdings nichts daran, dass die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise mehrfache Verstöße gegen eine Unterlassungsverpflichtung zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, wegen des typischen Charakters von Unterlassungsverträgen regelmäßig nach denselben Grundsätzen zu beurteilen sind (BGH, NJW 2001, 2622, 2624 – Trainingsvertrag).

Wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein nach der heutigen Rechtslage nicht mehr gebräuchlicher Rechtsbegriff verwendet, so ist – entsprechend den allgemeinen Auslegungsregeln – nach einem objektivierten Empfängerhorizont zu ermitteln, was unter diesem Begriff im Zusammenhang heutiger Verhältnisse und geltender Rechtslage verstanden werden kann (OLG Brandenburg, BeckRS 2021, 5601 Rn. 27). Losgelöst von der konkreten Begrifflichkeit kann es vorliegend keine Zweifel geben, dass durch die Klausel ein Zusammenfassen von Einzelverstößen und damit eine „Vergünstigung“ bei Mehrfachverstößen ausgeschlossen werden soll, wie sie – bei alleiniger Verwendung der Formulierung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ – ansonsten im Wege der Auslegung in Betracht zu ziehen wäre (vgl. hierzu BGH, GRUR 2015, 1021 Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung).

Ungeachtet der Tatsache, dass Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob einzelne Verstöße zusammenzufassen sind, nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichthofs die Vereinbarung der Parteien ist, entspricht es nach wie vor einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass je nach Einzelfall mehrere Einzelakte zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind und die Strafe nur einmal auslösen, wenn sie eine natürliche Handlungseinheit bilden (vgl. hierzu BGH, NJW 1960, 2332). Daher muss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch geeignete Formulierungen sichergestellt werden, dass durch die Aufsummierung rechtlich zusammengehöriger Einzelstrafen keine unangemessene Gesamtstrafhöhe entsteht (BeckOK BGB/Becker, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 309 Nr. 6 Rn. 28). Schließt eine Klausel hingegen eine Behandlung mehrerer Zuwiderhandlungen als Einheit kategorisch aus, z. B. durch ein Verbot der Anwendung des Fortsetzungszusammenhangs, so verletzt sie diesen Grundgedanken und stellt in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners dar (BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2022, 556 Rn. 22 – VENOM; OLG Köln, Beschl. v. 15. Juni 2010 – 19 U 53/10 –, Rn. 4, juris; OLG Nürnberg, MDR 2023, 1262, 1263; BeckOGK/Kähler, 1.4.2023, BGB § 307 Vertragsstrafeklausel Rn. 209; Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil „Vertragsrecht“, Stichwort „Vertragsstrafe“ Rn. 35; Pitz, in: BeckOF Prozess, 56. Ed. 2023, Form. 9.1.1.3 Anm. Rn. 1; offengelassen von: BGH, NJW 2017, 3145 Rn. 22, Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 94 a.E.).

So liegt der Fall auch hier. Die Vertragsstrafeklausel benachteiligt den Schuldner durch den Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs unangemessen. Es sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Abweichung vom Rechtsgrundsatz der Zusammenfassung bei natürlicher Handlungseinheit ausnahmsweise rechtfertigen könnten, z. B. in Form einer aus bestimmten Gründen gegebenen Notwendigkeit oder besonderer Interessen der Gläubigerseite (vgl. hierzu BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang). Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich in den letzten 30 Jahren seit der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O.) in der Praxis die Verwendung von Klauseln, die eine Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung ohne einen entsprechenden Ausschluss vorsehen, aus Gläubigersicht als unzureichend erwiesen hätte.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass auch der Unterlassungsschuldner ein Interesse an der Wirksamkeit einer solchen Vertragsstrafeklausel habe, da bei der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der Vertragsstrafeklausel die Wiederholungsgefahr wiederauflebe, so verfängt dies nicht. So überzeugt bereits die Argumentation nicht, dass ein Unterlassungsschuldner stets eine ihn ungemessen benachteiligende Vertragsstrafeklausel hinnehmen wolle, um (weiterhin) die Wiederholungsgefahr beseitigt zu sehen. Denn er hat es in der Hand, diese Wirkung durch die Abgabe einer eigenen strafbewehrten Unterlassungserklärung, die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr keiner Annahme durch den Gläubiger bedarf (BGH, GRUR 2010, 355 Rn. 21 – Testfundstelle), wiederherzustellen.

Der Senat setzt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in einen Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Lauterkeitsrecht. In der von der Klägerin angeführten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mitnichten seine Rechtsprechung zur unangemessenen Benachteiligung von Klauseln, die den Fortsetzungszusammenhang ausschließen (BGH, NJW 1993, 721 – Fortsetzungszusammenhang), aufgegeben. Er hat dort allein darauf verwiesen, dass in dem zu entscheidenden Fall die Verneinung eines Missbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG a.F. nicht deshalb anders zu beurteilen sei, weil der Gläubiger des Unterlassungsanspruchs in einer dem Abmahnschreiben beigefügten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs vorgesehen hatte (vgl. BGH, GRUR 2012, 286 – falsche Suchrubrik). Eine (stillschweigende) Billigung dieser Klauseln unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung kann hieraus nicht hergeleitet werden. Vielmehr führt die Verwendung dieser Klauseln nicht (zugleich) auch zwangsläufig zu der Annahme einer missbräuchlichen Rechtsdurchsetzung im Sinne des Lauterkeitsrechts.

Soweit die Klägerin – ebenfalls unter Bezugnahme auf das Lauterkeitsrecht – auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg (MDR 2023, 1262=GRUR-RS 2023, 18853) verweist, so verkennt sie, dass sich dieses in der von der Klägerin zitierten Passage (GRUR-RS 2023, 18853 Rn. 36) allein mit der Frage einer Zulässigkeit des Ausschlusses des Fortsetzungszusammenhangs im Rahmen einer Individualvereinbarung befasst. Dahingegen wird eine Randnummer zuvor zutreffend darauf hingewiesen, dass „in allgemeinen Geschäftsbedingungen […] eine Vertragsklausel, nach der eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelverstößen von vornherein ausgeschlossen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich unwirksam“ ist (OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 35).

c) Das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung führt gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Bestimmung. Dies hat vorliegend zur Folge, dass die gesamte Vertragsstrafeklausel als unwirksam anzusehen ist.

Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion scheidet es insbesondere aus, die Klausel durch die Streichung des Einschubes zum Fortsetzungszusammenhang auf ein zulässiges Maß zurückzuführen (so auch OLG Frankfurt, GRUR-RR 2022, 556 Rn. 22 – VENOM; OLG Köln, Beschl. v. 15. Juni 2010 – 19 U 53/10 –, Rn. 5, juris). Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass der Bundesgerichtshof dies in seiner Entscheidung „Fortsetzungszusammenhang“ (BGH, NJW 1993, 721) abweichend beurteilt habe. Denn dort musste sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage nicht befassen, da schon die Bejahung der Unwirksamkeit der Ausschlussklausel zu einer Aufrechterhaltung des Urteils der Berufungsinstanz führte, die die Klausel nur einschränkend ausgelegt hatte und deshalb zur Abweisung weiterer Ansprüche der (Revisions-)Klägerin gelangt war.

Die Klausel ist auch nicht aufteilbar im Sinne eines „blue-pencil-tests“. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die eigentliche Vertragsstrafenabrede aus Ziffer 1 der Unterlassungserklärung herauslösen ließe, so dass mit der – dann nicht mehr strafbewehrten – Verpflichtung zum Unterlassen ein zulässiger Teil verbliebe. Denn die Vertragsstrafenabrede an sich, von deren Wirksamkeit der Klageerfolg abhängt, ist jedenfalls nicht teilbar im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs. Hierfür wäre Voraussetzung, dass sich in einer Klausel mehrere inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen finden, die Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein können (BGH, NJW 2020, 1811 Rn. 26). Dies könnte zwar gegebenenfalls für die Verpflichtung zur Unterlassung einerseits und für die Vertragsstrafenabrede andererseits zu bejahen sein. Der Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs innerhalb der Vertragsstrafeklausel stellt hingegen keine eigenständige Regelung dar, die Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein könnte, sondern bestimmt allein und von dieser abhängig die Reichweite der Vertragsstrafe (so auch OLG Frankfurt, und OLG Köln a.a.O.). Ein Herausstreichen würde damit kein Aufteilen zweier zusammengefasster selbständiger Regelungen in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil darstellen, sondern wäre eine unzulässige geltungserhaltene Reduktion.


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LG Berlin: Abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß wenn im Online-Shop auf der Seite zur Abgabe der Bestellung nicht alle wesentlichen Merkmale der Ware aufgelistet werden

LG Berlin
Urteil vom 07.11.2023
91 O 69/23


Das LG Berlin hat entschieden, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn in einem Online-Shop auf der Seite zur Abgabe der Bestellung entgegen § 312j Abs. 2 BGB nicht alle wesentlichen Merkmale der Ware aufgelistet werden.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Antragsgegnerin ist als Vertreiberin der streitgegenständlichen Kleidungsstücke für den Onlineauftritt einschließlich Onlineshop unstreitig verantwortlich und damit passiv legitimiert.

3. § 312j Abs. 2 BGB dient dem Schutz der Verbraucher und ist somit eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. § 3a Rn. 1.311).

Gemäß § 312j Abs. 2 BGB ist der Unternehmer bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr verpflichtet, dem Verbraucher u.a. die Informationen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, somit die wesentlichen Eigenschaften der Ware, in dem für das Kommunikationsmittel und für die Ware angemessenen Umfang, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen.

a) Ein Zurverfügungstellen der Informationen, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, liegt nur dann vor, wenn sich die Informationen auf der Internetseite befinden, auf der der Kunde den Bestellvorgang abschließt, nicht aber, wenn die Informationen nur über einen Link abrufbar sind oder aber sogar nur - wie vorliegend - über das Anklicken der Produktdetailseite ohne eindeutigen Hinweis darauf, dass sich hier die Materialzusammensetzung befindet (Palandt-Grüneberg, BGB, 82. Aufl. § 312j Rn. 7; OLG München, GRUR-RR 2019, 265; OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 5 W 14/14, juris, dort Tz. 3; vgl. auch OLG Köln NJW-RR 2015, 1453 Tz. 16). Dies ergibt sich unzweideutig aus der Gesetzesbegründung, in der insoweit ausgeführt ist (BT Drucksache 17/7745 S. 10):

Die Informationen müssen im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Abgabe der Bestellung stehen. Wenn - wie meist - die Bestellung über eine Schaltfläche erfolgt, müssen die Informationen in räumlicher Nähe zu der Schaltfläche für die Bestellung angezeigt werden, damit das Merkmal der Unmittelbarkeit erfüllt ist. ... Keinesfalls genügt es, wenn die Informationen erst über einen gesonderten Link erreichbar oder nur einem gesondert herunterzuladenden Dokument entnehmbar sind.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich auch aus der Richtlinie 2011/83/EU, deren Art. 8 Abs. 2 durch § 312j Abs. 2 BGB umgesetzt wird (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O. § 312j Rn. 1), dass die Anzeige der wesentlichen Eigenschaften auf derselben Internetseite zu erfolgten hat, auf der die Bestellung abgeschlossen wird. Art. 8 Abs. 2 RL 2011/83/EU lautet wie folgt:

Wenn ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, weist der Unternehmer den Verbraucher klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor dieser seine Bestellung tätigt, auf die in Artikel 6 Abs. 1 Buchstaben a, e o und p genannten Informationen hin.

In Art. 6 Abs. 1 a) RL 2011/83/EU, der durch Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB umgesetzt wurde, sind wiederum die wesentlichen Eigenschaften der Waren in dem für das Kommunikationsmittel und die Waren angemessenen Umfang genannt. In Erwägungsgrund 39 der RL 2011/83/EU heißt es hinsichtlich des Ortes der Anzeige:

Es ist wichtig, dass sichergestellt wird, dass die Verbraucher bei Fernabsatzverträgen, die über Webseiten abgeschlossen werden, in der Lage sind, die Hauptbestandteile des Vertrags vor Abgabe ihrer Bestellung vollständig zu lesen und zu verstehen. Zu diesem Zweck sollte in dieser Richtlinie dafür Sorge getragen werden, dass diese Vertragsbestandteile in unmittelbarer Nähe der für die Abgabe der Bestellung erforderlichen Bestätigung angezeigt werden.

Nach der Richtlinie 2011/83/EU, deren Umsetzung § 312j Abs. 2 BGB dient, sollen die Informationen, auf die unmittelbar vor der Bestellung hinzuweisen ist, somit in unmittelbarer Nähe der Schaltfläche für die Bestellung angezeigt werden, was bei einer bloßen Verlinkung gerade nicht der Fall ist. Dass die bloße Verlinkung auf die auf einer anderen Internetseite angegebenen wesentlichen Eigenschaften der Ware den Anforderungen des § 312j Abs. 2 BGB nicht genügt, ergibt sich auch daraus, dass die Informationspflichten hinsichtlich der Angaben nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB mit den Informationspflichten hinsichtlich der Angaben nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 5 (Gesamtpreis) und Nr. 11 und 12 (Laufzeit des Vertrages, Mindestdauer der Verpflichtungen) identisch geregelt sind. Dass hinsichtlich der Gesamtpreisangaben, der Vertragslaufzeit und der Mindestdauer der Vertragspflichten eine bloße Verlinkung auf diese in der Nähe des Bestellbuttons ausreichend sein sollte, ist aus Gründen des Verbraucherschutzes, dem die Regelungen dienen, fernliegend. Es mag aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit bei größeren Bestellungen - de lege ferenda - in Betracht kommen, hinsichtlich der wesentlichen Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen auch eine Verlinkung auf andere Seiten in der Nähe der Bestellschaltfläche für ausreichend zu erachten. De lege lata genügt dies den Anforderungen nicht.

b) Bei dem Material des Stoffes, dem Material des Gestells und dem Gewicht bei Sonnenschirmen sowie beim Material bei Bekleidungsstücken handelt es sich auch um wesentliche Eigenschaften der Waren im Sinne des Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB (OLG München, GRUR-RR 2019, 265 (bestätigt doch BGH vom 28.11.19 zu I ZR 43/19 - juris; vgl. auch OLG Köln, BeckRS 2016, 119172, Tz. 39; OLG Hamm, Beschluss vom 14.03.2017, Az. 4 W 34/16, 4 W 35/16, juris, dort Tz. 19 - Warenkorbansicht; OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 5 W 14/14, juris, dort Tz. 7). Hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs der gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB zu erteilenden Informationen kommt es auf die konkrete Ware an. Maßgebend ist eine Beschreibung, aus der der Verbraucher die für seine Entscheidung maßgeblichen Merkmale entnehmen kann (BT-Drucksache 17/12637 S. 74). Da für den Verbraucher die Zusammensetzung des Materials eines Kleidungsstückes von maßgeblicher Bedeutung ist, handelt es sich um eine aufzuführende wesentliche Eigenschaft eines T-Shirts oder anderer Kleidungsstücke (vgl. OLG Hamburg a.a.O. Tz. 7; a. A. OLG Hamm a.a.O. Tz. 19 - Warenkorbansicht).

c) Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern i.S.d. § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.

II. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Nach § 12 Abs. 1 UWG können einstweilige Verfügungen zur Sicherung der vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfassten Ansprüche allerdings ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. Im Anwendungsbereich von § 12 Abs. 1 UWG setzt der Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich keine gesonderte Darlegung und Glaubhaftmachung der in §§ 935, 940 ZPO geregelten Dringlichkeitsvoraussetzungen voraus; die Dringlichkeit wird insoweit vermutet (KG, Urteil vom 02. Juni 2017 – 5 U 196/16, Rn. 3, juris). Die von § 12 Abs. 1 UWG vorgesehene Vermutung kann jedoch dadurch widerlegt werden, dass der Verletzte durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gibt, dass die Verfolgung des beanstandeten Verstoßes für ihn selbst nicht eilig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 01. Juli 1999 – I ZB 7/99, Rn. 11, juris – Späte Urteilsbegründung). Eine solche Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung kommt nicht nur bei zögerlicher Verfahrenseinleitung (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 5. Dezember 2019 – 6 U 151/19, Rn. 16, juris), sondern auch dann in Betracht, wenn der Antragsteller (nach zunächst hinreichend zeitnaher) Verfahrenseinleitung durch sein (Prozess-)verhalten zu erkennen gibt, dass die Sache für ihn nicht (mehr) eilig ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19. August 2021 – I-4 U 57/21, Rn. 41, juris; KG, Urteil vom 17. Oktober 2014 – 5 U 63/14, Rn. 38, juris). Von einer zögerlichen Verfahrenseinleitung ist auszugehen, wenn der Verletzte in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und der ihm fortdauernd drohenden Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs verzögert hat. Dringlichkeitsschädlich verhält sich der Antragsteller dabei nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts regelmäßig dann, wenn er vom Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis von der Person des Verletzers sowie von den maßgeblichen Umständen der Verletzungshandlung bis zur Einreichung des Verfügungsantrags länger als zwei Monate zugewartet hat (KG, Urteil vom 02. Juni 2017 – 5 U 196/16, Rn. 4, juris). Das ist vorliegend nicht der Fall gewesen. Soweit die Antragsgegnerin die angeblich zögerliche Verfahrenseinleitung rügt, so verkennt sie dabei, dass die Dauer der außergerichtlichen Korrespondenz maßgeblich dadurch geprägt war, dass die Antragsgegnerin vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten zweifach Fristverlängerung begehrt haben.


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OLG Düsseldorf: Bestellbutton von Meta für kostenpflichtiges Facebook bzw. Instagram-Abo mit "Abonnieren" bzw. "Weiter zur Zahlung" genügt nicht den Vorgaben der Button-Lösung

OLG Düsseldorf
Urteil vom 08.02.2024
I-20 UKlaG 4/23


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass der Bestellbutton von Meta für das kostenpflichtige Facebook bzw. Instagram-Abo mit der Beschriftung "Abonnieren" bzw. "Weiter zur Zahlung" nicht den Vorgaben der Button-Lösung nach 312j Abs. 3 BGB genügt.

20. Zivilsenat verkündet Urteil zu Bestellbuttons bei Facebook und Instagram

Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Erfried Schüttpelz hat heute im einstweiligen Verfügungsverfahren einer Unterlassungsklage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. („Verbraucherzentrale“) teilweise stattgegeben und der Meta Platforms Ireland Limited („Meta“) untersagt, den Bestellprozess der von ihr angebotenen kostenpflichtigen werbefreien Nutzung der sozialen Netzwerke „Facebook“ und „Instagram“ durch Auslösen einer Schaltfläche (Bestellbutton) zu gestalten, ohne dass sich auf dieser ein eindeutiger Hinweis auf eine zahlungspflichtige Bestellung befindet (Aktenzeichen: I-20 UKlaG 4/23).

Meta bietet Kunden die Nutzung der sozialen Netzwerke „Facebook“ sowie „Instagram“ unter anderem über die von ihr betriebene Webseite www.facebook.com oder als App auf elektronischen Endgeräten an. Die Nutzung erfolgte bislang kostenfrei; allerdings hatte sich Meta in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Zusendung personalisierter Werbung ausbedungen. Seit November 2023 besteht neben der kostenlosen Nutzung mit Werbung die Option einer kostenpflichtigen werbefreien Nutzung der sozialen Dienste. Diese buchen Nutzer auf der Webseite mit dem Bestellbutton „Abonnieren“ und in den Apps auf den Betriebssystemen iOS und Android über den Bestellbutton „Weiter zur Zahlung“. Die Verbraucherzentrale sieht hierin einen Verstoß gegen das Verbraucherschutzrecht, da die Bestellbuttons nicht hinreichend darauf hinwiesen, dass bei ihrer Bestätigung ein kostenpflichtiger Abonnementvertrag abgeschlossen werde. Nach erfolgloser vorgerichtlicher Abmahnung beantragt die Verbraucherzentrale im einstweiligen Verfügungsverfahren u.a. die Untersagung des so gestalteten Bestellprozesses.

Der 20. Zivilsenat hat dem Antrag heute stattgegeben und ausgeführt, Unternehmer seien gesetzlich verpflichtet, Bestellbuttons, also Schaltflächen, über die im elektronischen Rechtsverkehr ein Vertrag mit einem Verbraucher zustande komme, mit eindeutigen Formulierungen wie „zahlungspflichtig bestellen“ zu kennzeichnen. Dem werde der Bestellbutton „Abonnieren“ nicht gerecht, weil es auch kostenlose Abonnements gebe. Dass im Rahmen des Bestellvorgangs vorher und währenddessen eindeutig auf die Kostenpflichtigkeit des Abonnements hingewiesen werde, sei unerheblich. Allein der Text auf der Schaltfläche sei maßgeblich.

Auch der Bestellbutton in den Apps „Weiter zur Zahlung“ genüge den gesetzlichen Verbraucherschutzvorgaben nicht. Zwar fehle hier nicht ein Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit. Für den Verbraucher sei aber nicht erkennbar, dass er bereits durch Betätigung dieses Buttons einen Vertrag abschließe und nicht lediglich auf eine weitere Seite zur Angabe seiner Daten und zu einem verbindlichen Vertragsabschluss weitergeleitet werde.

Soweit die Verbraucherzentrale erst in der mündlichen Verhandlung noch beanstandet hat, dass die für eine Kündigung notwendigen Schaltflächen und Webseiten für den Verbraucher erst dann zugänglich seien, wenn er sich angemeldet habe, fehle es bereits an der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderlichen Eilbedürftigkeit. Der Verbraucherzentrale sei spätestens seit dem 23. November 2023 bekannt gewesen, dass sich die fraglichen Buttons und Webseiten jedenfalls nicht auf der allgemein zugänglichen Webseite befinden. Dies hätte sie von vornherein zum Gegenstand ihres Antrags machen können.

Das Urteil ist rechtskräftig.



OLG Hamburg: Kununu muss Arbeitgeberbewertung löschen wenn Identität des Bewertenden nicht überprüfbar mitgeteilt wird - interne Prüfung des Bewertungsportals reicht nicht

OLG Hamburg
Beschluss vom 08.02.2024
7 W 11/24


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass das Bewertungsportal Kununu eine negative Arbeitgeberbewertung löschen muss, wenn der Portalbetreiber dem Arbeitgeber die Identität des Bewertenden nicht überprüfbar mitteilt. Eine interne Prüfung des Bewertungsportals auf Authentizität reicht nicht aus.

Aus den Entscheidungsgrünen:
I. Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin das Unterlassen der Zugänglichmachung von zwei Bewertungen ihres Unternehmens in einem Arbeitgeber-Bewertungsportal.

Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen zum Vertrieb von ... und ein Ladengeschäft in Hamburg. Sie hat etwa 22 Mitarbeiter. Die Antragsgegnerin betreibt eine große Arbeitgeber-Bewertungsplattform. Auf dieser über das Internet aufrufbaren Plattform können gegenwärtige und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Bewerberinnen und Bewerber und Auszubildende ihren Arbeitgeber in verschiedenen Kategorien bewerten. Auf der Bewertungsplattform befinden sich über 5.300.000 Bewertungen zu über 1.040.000 Unternehmen, täglich kommen rund 1.000 neuen Bewertungen zu etwa 500 Unternehmen hinzu.

In diese Bewertungsplattform wurden die angegriffenen, aus dem Tenor ersichtlichen Bewertungen eingestellt.

Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin durch zwei kurz aufeinander folgende Schreiben auffordern, die Einträge zu löschen. Zur Begründung hieß es in beiden Schreiben jeweils gleichlautend: "Der genannte Bewerter hat unsere Mandantschaft negativ bewertet. Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt zu dem Bewerter wird mit Nichtwissen bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann." Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin auf, mögliche unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Rechtsverletzungen zu substanziieren. Hintergrund hierfür war, so die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin durch ihre Rechtsanwälte innerhalb kürzester Zeit gegen elf Bewertungen - von insgesamt 14 eingestellten Bewertungen des Unternehmens der Antragstellerin - gleichlautende Beanstandungen erhoben hatte, die die Antragsgegnerin als jeweils unsubstanziiert ansah. Als die Antragsgegnerin von der Antragstellerin keine weiteren Informationen erhielt, sah sie von einer Löschung der Einträge ab. Nach Erhalt des dieses Verfahren einleitenden Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wandte sich die Antragsgegnerin an die Nutzer, die die hier beanstandeten Bewertungen abgegeben hatten. Die von diesen erhaltenen Unterlagen, aus denen sich der Nachweis ergeben sollte, dass die Nutzer bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen seien, anonymisierte eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin und übersandte der Antragstellerin zum Beleg, dass der Urheber der mit dem Antrag zu a) angegriffenen Bewertung bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen sei, den folgenden - anonymisierten - Tätigkeitsnachweis: ...,

und zum Beleg, dass der Urheber der mit dem Antrag zu b) angegriffenen Bewertung bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen sei, den folgenden - anonymisierten - Tätigkeitsnachweis: ...

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die zuletzt genannten Unterlagen ausreichen würden, um eine tatsächliche Mitarbeiterstellung der Rezensenten nachzuweisen, so dass die Übermittlung ungeschwärzter Tätigkeitsnachweise nicht erforderlich gewesen sei. Soweit die Antragstellerin vortrage, aus den Unterlagen nicht auf die Identität der Bewertenden schließen zu können, stelle sie damit die Authentizität der Unterlagen nicht in Abrede. Zudem habe die Antragsgegnerin - unbestritten und durch eine eidesstattliche Versicherung belegt - vorgetragen, dass die Tätigkeitsnachweise und die darin enthaltenen Namen von ihrer Mitarbeiterin [...] mit den im Bewerterprofil der Antragstellerin hinterlegten Bestandsdaten abgeglichen und verifiziert worden seien und die Daten übereinstimmten.

Hiergegen richtet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie ihren Verfügungsantrag mit den im Antrag auf deren Erlass vorgebrachten Argumenten weiterverfolgt.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet und führt dazu, dass der Senat die begehrte einstweilige Verfügung erlässt.

Der Antragstellerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Artt. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertungen zu.

Auch für den hier gegebenen Fall kommen die nunmehr vom Bundesgerichtshof für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) vollen Umfangs zum Tragen: Die Antragstellerin ist als Portalbetreiberin mittelbare Störerin hinsichtlich der beanstandeten Bewertungen und haftet als solche nur eingeschränkt. Wird sie mit der Beanstandung eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein kann – konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich, unabhängig davon, ob die beanstandete Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil, das auf einer behaupteten Tatsache aufbaut, zu qualifizieren ist. Als hinreichend konkrete Beanstandung des Bewerteten ist es dabei bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich ausreichend, wenn dieser rügt, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt des Bewerters mit seiner Leistung zugrunde liege; diese Rüge darf der Bewertete grundsätzlich so lange aufrechterhalten, bis ihm gegenüber der Bewerter so individualisiert wird, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann.

Diese Rüge nicht gegebenen Geschäftskontakts hat die Antragstellerin hier erhoben. Da die Antragstellerin in ihren Abmahnungen sich auf diese Rüge beschränkt hat, bedurfte es der Übermittlungen von konkreten weiteren Informationen zu den Inhalten der Bewertungen, von deren Übermittlung die Antragsgegnerin ihr Tätigwerden zunächst abhängig machen wollte, nicht. Derartige Informationen wären im Grundsatz ohnehin wenig geeignet gewesen, zu einer weiteren Begründung des Löschungsverlangens der Antragstellerin beizutragen; denn die Überprüfungsobliegenheit des Portalbetreibers ist durch seine Erkenntnisquellen begrenzt, und nur solche konkreten Hinweise auf Umstände, die es ihm aus seiner Perspektive ermöglichen, einen Rechtsverstoß unschwer - "ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung" - zu bejahen, muss der Portalbetreiber an den Urheber der Bewertung weiterleiten (BGH aaO.). Da die Bewertungen aber überwiegend Werturteile enthielten, hätte die Übermittlung weiterer Informationen durch die Antragstellerin es der Antragsgegnerin kaum ermöglicht, allein aufgrund dieser Informationen unschwer einen eventuellen Rechtsverstoß zu erkennen, so dass sie auch bei einer Übermittlung weiterer Informationen nicht darum herumgekommen wäre, ermitteln zu müssen, ob den Bewertungen tatsächliche geschäftliche Kontakte zugrundelagen, zu diesem Zweck von den Urhebern der Bewertungen Stellungnahmen einzuholen und diese in solcher Form der Antragstellerin zu präsentieren, dass diese das tatsächliche Vorliegen von Geschäftskontakten hätte überprüfen können.

Dass die Antragstellerin die Rüge nicht gegebenen geschäftlichen Kontakts hinsichtlich vieler Bewertungen, die über das Bewertungsportal der Antragsgegnerin verbreitet worden sind, erhoben hat, begründet, anders als die Antragsgegnerin meint, nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs; denn es ist nicht ausgeschlossen, dass auf einem Bewertungsportal eine Vielzahl nicht auf konkreten Kontakten beruhender Bewertungen eines Betroffenen eingestellt werden. Noch weniger kann der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs - wie es die Antragsgegnerin geltend macht - damit begründet werden, dass sich der Betroffene von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten lässt, die offensiv damit wirbt, gegen Zahlung pauschalierter Festhonorare gegen Einträge in Bewertungsportalen vorzugehen; denn die Beauftragung einer solchen Kanzlei allein lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob das Bestreiten des Vorliegens eines geschäftlichen Kontaktes durch die Antragstellerin in jedem einzelnen Fall in der Sache begründet ist oder nicht. Der große Umfang des Geschäftsbetriebs der Antragsgegnerin entbindet sie von der Einhaltung ihrer Überprüfungsobliegenheit nicht, da diese jeden Betreiber eines Bewertungsportals trifft.

Die Antragsgegnerin hat auf die Rüge der Antragstellerin dieser die Bewerter nicht so identifizierbar gemacht, dass die Antragstellerin in der Lage wäre, das tatsächliche Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes zu prüfen. Die der Antragstellerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens übermittelten Unterlagen mögen aus dem Geschäftsbereich der Antragstellerin stammen; wer die betreffenden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter gewesen sein mögen, auf die sie sich beziehen, vermag sie aus diesen Unterlagen aber nicht zu erkennen, so dass sie nicht überprüfen kann, ob die Urkunden wirklich die Urheber der Bewertungen betreffen und ob es sich dabei tatsächlich um Personen handelt, die einmal für sie gearbeitet haben oder noch für sie arbeiten. Die Möglichkeit zu einer eigenen Überprüfung des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts darf dem von der Bewertung Betroffenen nicht in der Weise genommen werden, dass der Portalbetreiber die Überprüfung für sich vornimmt und dem Bewerteten dann versichert, sie habe ein positives Ergebnis erbracht; ansonsten stünde der Betroffene, der geltend macht, nicht zu wissen, ob er überhaupt Kontakt zu dem Bewerter hatte, der Behauptung des Portalbetreibers, dies sei der Fall gewesen, wehrlos gegenüber.

Der Umstand, dass es sich bei dem Portal der Antragsgegnerin um ein Arbeitgeber-Bewertungsportal handelt, rechtfertigt eine andere Sichtweise nicht. Die Antragsgegnerin meint zwar, dass der Antragstellerin hier schon aufgrund der geringen Anzahl der bei ihr beschäftigten Personen eine eigenständige Überprüfung darauf, ob eine Bewertung von einer dieser Personen stamme, möglich sein müsse, zumal ein Arbeitgeber viel eher in der Lage sei, aus einer Bewertung zu ersehen, ob die darin erhobenen Beanstandungen der innerbetrieblichen Verhältnisse von Angehörigen seines Personals stamme, als ein Unternehmer, der nur aufgrund einmaligen Kontakts mit ihm ansonsten unbekannten Kunden zu tun hat, aus einer Bewertung ersehen könnte, ob ihr ein tatsächlicher Geschäftskontakt zugrunde liegt. Dem kann aber nicht gefolgt werden; denn auch bei der Bewertung eines Arbeitgebers kann sich eine Kritik auf konkrete Fälle beziehen, die auf ihre tatsächliche Gegebenheit von ihm nur dann überprüft werden können, wenn die Person des (angeblich) betroffenen Arbeitnehmers oder jedenfalls der konkreten Situation, die geschildert wird, bekannt sind (hier z.B. bei den Kritiken "Einarbeitung? Fehlanzeige! Am ersten Tag bekommt man ein paar Dokument[e], die man sich auf eigene Faust aneignen soll[,] und dann wird bitte losgelegt", "Abmachungen wurden nicht eingehalten"), und auch aus allgemein gehaltenen Meinungsäußerungen, die etwa das Betriebsklima oder die Ausstattung mit Betriebsmitteln betreffen (hier z.B. die Kritiken "Vorgesetztenverhalten ... Empathie ist ein Fremdwort", "Software auf Hobby-Niveau"), lassen sich Rückschlüsse auf das tatsächliche Bestehen eines Beschäftigtenverhältnisses nicht ziehen.

Zu einem abweichenden Beurteilungsmaßstab führt auch nicht der Umstand, dass es für den Betreiber eines Arbeitgeber-Bewertungsportals schwieriger sein mag, nach der Beanstandung einer Eintragung einzelne Bewerter dazu zu bewegen, sich zu erkennen zu geben, weil sie im Gegensatz zu Nutzern, die einmalige Geschäftskontakte wie einen Hotelaufenthalt, einen singulären Arztbesuch oder den Ankauf einer Ware bewertet haben, häufig befürchten werden, nach ihrer Kenntlichmachung Repressalien ihres negativ bewerteten Arbeitgebers ausgesetzt zu sein. Auch dies aber vermag nicht zu rechtfertigen, dass ein Arbeitgeber, der einer über das Internet verbreiteten Kritik einer Person, die behauptet, für ihn gearbeitet zu haben oder zu arbeiten, ausgesetzt wird, diese öffentliche Kritik hinnehmen muss, ohne die Möglichkeit zu erhalten, sie auf das Vorliegen einer tatsächlichen Grundlage zu prüfen und sich ggf. dazu in der Sache zu positionieren.

Aus dem zuletzt genannten Grund kann die Antragsgegnerin gegen das Erfordernis, dem Bewerteten die Person des Bewerters individualisieren zu müssen, wenn sie die Bewertung weiterhin zugänglich halten will, auch nicht mit Erfolg vorbringen, dass sie den Bewerter aus Datenschutzgründen ohne dessen Zustimmung nicht ohne Weiteres namhaft machen dürfe. Selbst wenn § 21 TTDSG - wegen des Erfordernisses des Verfahrens nach dessen Absätzen 2 bis 4 - diese Konsequenz haben sollte, dürfte das nicht dazu führen, dass eine Bewertung öffentlich zugänglich gehalten werden darf, solange dem Bewerteten die Möglichkeit genommen ist zu klären, ob ihr überhaupt ein geschäftlicher Kontakt mit dem Bewerter zugrunde liegt; denn soweit es um die Verbreitung von Äußerungen geht, deren Rechtmäßigkeit nur überprüft werden kann, wenn der Urheber oder die Quelle der Äußerungen bekannt ist, trägt das Risiko, ob er den Urheber oder die Quelle namhaft machen darf, kann oder will, im Streitfall grundsätzlich der Verbreiter. Geschieht die Verbreitung im Rahmen eines Geschäftsbetriebes, wie das bei einem Bewertungsportal der Fall ist, gehört dieses Risiko zu den typischen Geschäftsrisiken, die jeden Unternehmer bei seiner Tätigkeit treffen.

Auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die es zulassen könnten, in der Beurteilung dieses Falls von den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Fotograf hat keine Ansprüche wegen Urheberrechtsverletzung wenn Hotelbetreiber Fotos vom Hotelzimmer mit einer Fototapete im Internet veröffentlicht

OLG Düsseldorf
Urteil vom 08.02.2024
20 U 56/23


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Fotograf, der Urheber des Fototapetenmotivs ist, keine Ansprüche wegen einer Urheberrechtsverletzung zustehen, wenn ein Hotelbetreiber Fotos vom Hotelzimmer mit einer entsprechenden Fototapete im Internet veröffentlicht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer entscheidungserheblichen Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO durch das Landgericht, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht vollumfänglich abgewiesen. Der Klägerin stehen - ihre Aktivlegitimation und die Urheberschaft ihres CEO, Herrn ..., an den streitgegenständlichen Fotografien mit den Titeln "Calm Table Dancer" und "Wavebreaker at Baltic Sea" unterstellt - die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Die Beklagte hat zwar die zumindest als Lichtbild gemäß § 72 UrhG geschützten Fotografien ohne Urheberbenennung (§ 13 UrhG) vervielfältigt, §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG, und öffentlich zugänglich gemacht, §§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19a UrhG. Sie hat aber durch dieses Verhalten weder die - insoweit unterstellten - Rechte der Klägerin noch das - unterstellt in Prozessstandschaft geltend gemachte - Urheberpersönlichkeitsrecht des Herrn ... widerrechtlich verletzt.

I. Durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotografien zur Bewerbung des von ihr betriebenen Hotels hat die Beklagte keine Urheberrechte der Klägerin verletzt.

1. Es kann offen bleiben, ob die Fototapeten als unwesentliches Beiwerk der auf den angegriffenen, von der Beklagten für die Bewerbung ihres Hotels verwendeten Aufnahmen eines Gastzimmers und eines Raums im Spa-Bereich im Sinne des § 57 UrhG anzusehen sind, weil sie weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele und ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst würde (siehe dazu BGH, Urteil vom 17. November 2014, Az.: I ZR 177/13, NJW 2015, 2119 Rn. 27 -Möbelkatalog; zur Frage der Auslegung des § 57 UrhG in diesem Zusammenhang: Wyphol, ZUM 2023, 688, 692).

Denn der Beklagten sind mit Erwerb der streitgegenständlichen Fototapeten konkludent urheberrechtliche Nutzungsrechte an den Tapeten eingeräumt worden. Zur Begründung kann zunächst vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts Bezug genommen werden, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen umfassend verwiesen wird und die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ergänzend das Folgende auszuführen:

a. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten erworbenen, zur Dekoration der Räumlichkeiten des Hotels ... verwendeten und auf den öffentlich zugänglich gemachten Fotografien der Räumlichkeiten sichtbaren Fototapeten mit der Zustimmung und auf Veranlassung von Herrn ... in den Verkehr gelangt sind.

Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Fototapeten von einem Unternehmen erworben hat, an dem Herr ... nach dem Vortrag der Klägerin nicht beteiligt ist und bei dem es sich auch nicht um einen von Herrn ... autorisierten Vertriebspartner handelt. Denn es ist davon auszugehen, dass die Fa. "... group", von der die Beklagte ausweislich der vorgelegten Rechnung vom 11. Januar 2011 (Anlage Bl) die in Rede stehenden Fototapeten erworben hat, diese als Zwischenhändlerin von einem von Herrn ... betriebenen Unternehmen - z.B. der M... GmbH & Co. KG - erworben und dann über ihren Webshop "S....de" weiterverkauft hat. Diese Annahme ist zum einen aufgrund des Umstands gerechtfertigt, dass die beiden auf den Fototapeten abgebildeten Motive den Lichtbildern, für die die Klägerin Urheberrechte beansprucht, genau entsprechen, insbesondere keinen anderen Ausschnitt, eine andere Farbwahl oder eine sonstige Bearbeitung zeigen und Fototapeten mit genau diesen Motiven nach dem eigenen Vortrag der Klägerin mit Zustimmung von Herrn ... angefertigt und in großer Stückzahl verkauft worden sind. Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht und dargelegt, dass und ggf. wie sich die von der Beklagten erworbenen, streitgegenständlichen Fototapeten von denen unterscheiden, die von der M... GmbH & Co. KG mit denselben Motiven vertrieben wurden. Auch zu der Vertriebsstruktur der M... GmbH & Co. KG bzw. zur generellen Vertriebsstruktur für die von Herrn ... autorisierten Fototapeten im relevanten Zeitraum - Januar 2011 - hat die Klägerin nicht vorgetragen. Daher ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständlichen Fototapeten, welche die Beklagte in dem von ihr betriebenen Hotel verwendet hat, nicht mit Zustimmung und auf Veranlassung des Herrn ... auf den Markt gelangt sind.

Soweit die Klägerin mutmaßt, die Beklagte habe die "frei im Internet verfügbaren" Fotos von Herrn ... genutzt, um selbst Fototapeten mit diesen Motiven anfertigen zu lassen, ist dies aufgrund der schlechten Auflösung von im Internet frei verfügbaren Fotos zum einen unwahrscheinlich, zum anderen spricht die als Anlage B1 vorgelegte Rechnung der "... group", in der die einzelnen Fototapeten jeweils mit einem Titel näher bezeichnet werden, gegen eine solche Annahme. Denn die Rechnung weist hinsichtlich jedenfalls einer der beiden Fototapeten genau den von dem vermeintlichen Urheber, Herrn ..., verwendeten, individuellen Titel "Calm Temple Dancer" auf. Wieso die Beklagte genau denselben Bildtitel für von ihr gestaltete und in Auftrag gegebene Fototapeten gewählt haben sollte, ist dabei nicht erklärlich. Schließlich lässt auch der Umstand, dass die Beklagte zwei Fototapeten bei der Fa. "... group" erworben hat, die beide jeweils ein Lichtbild des Herrn ... wiedergeben, die Schlussfolgerung zu, dass die Fototapeten mit Einverständnis des Herrn ... in den Vertrieb gekommen und von einem von Herrn ... beauftragten Unternehmen - z.B. der M... GmbH & Co. KG - an die "... group" weitervertrieben worden sind. Andernfalls ließe sich nicht erklären, warum die Beklagte ausgerechnet zwei Lichtbilder des Herrn ... irgendwo im Internet gefunden und diese für die Anfertigung einer Fototapete benutzt haben sollte.

b. Die Annahme des Landgerichts, Herr ... habe - über eine seiner Vertriebsgesellschaften für auf der Grundlage seiner Fotografien angefertigten Fototapeten -, z.B. die M... GmbH & Co. KG - den Käufern der Fototapeten konkludent ein einfaches Nutzungsrecht mit dem Inhalt eingeräumt, dass diese zur Ablichtung des Raumes mit der an der Wand angebrachten Fototapete und zum öffentlichen Zugänglichmachung dieser Lichtbilder berechtigt seien, weist keine Rechtsfehler auf.

Die vertragsgemäße Nutzung einer Fototapete sieht ihre untrennbare Verbindung mit dem Raum vor. Nachdem sie mit der Wand verklebt wurde, dient sie zum einen der Dekoration des Raumes. Darüber hinaus gehört zu ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung - sowohl in privaten, als auch in gewerblichen Räumen dass von dem mit der Fototapete ausgestatteten Raum Lichtbilder gefertigt sowie diese verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Denn bei lebensnaher Betrachtung kann von dem Erwerber einer Fototapete im Rahmen einer vertragsgemäßen Nutzung nicht erwartet werden sicherzustellen, dass keine Lichtbilder in dem mit der Fototapete ausgestattetem Raum gefertigt werden oder die Fototapete abgedeckt oder auf den gefertigten Lichtbildern nachträglich retuschiert wird. Hätte der Erwerber um diese gravierende Einschränkung der bestimmungsgemäßen Nutzung gewusst, so ist zu erwarten, dass er die Fototapete niemals erworben hätte; die Fototapeten wären schlicht unverkäuflich. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob sich der Fotograf einer stillschweigenden Einräumung einfacher Nutzungsrechte im dargestellten Umfang bewusst war. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist jedenfalls davon auszugehen und Gegenteiliges trägt auch die Klägerin nicht vor, dass der Fotograf ein wirtschaftliches Interesse an dem Verkauf der Rechte an den von ihm gefertigten Fotos und damit letztlich auch an dem Verkauf der Fototapeten hatte. Eine Vertragsauslegung, die faktisch zu einer Unverkäuflichkeit der Fototapeten führt, widerspricht den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gemäß §§ 133, 157 BGB, da sie schlicht nicht sach- und interessengerecht ist.

2. Zudem ist die Klägerin - wie ebenfalls bereits vom Landgericht mit zutreffender Begründung angenommen - infolge des Inverkehrbringens der Fototapeten nach Treu und Glauben gern. § 242 BGB daran gehindert, Ansprüche wegen der streitgegenständlichen Veröffentlichung von Innenaufnahmen des von der Beklagten betriebenen Hotels, auf denen die Fototapeten zu sehen sind, geltend zu machen, weil sie sich durch ihre Rechtsausübung in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise in Widerspruch zu ihrem vorherigem Verhalten setzt.

Ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) ist rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. Urteil vom 16. März 2017, Az.: I ZR 39/15, GRUR 2017, 702). Eine Rechtsausübung ist unzulässig, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenseite deshalb vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom Urteil vom 16. März 2017, Az.: I ZR 39/15, GRUR 2017, 702 Rn. 96 - PC mit Festplatte I mit Hinweis auf BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015, Az.: XII ZB 508/14, MDR 2015, 1101 Rn. 12; Urteil vom 12. Juli 2016, Az.: XI ZR 501/15, WM 2016, 138 Rn. 20).

Vorliegend lassen die Gesamtumstände die Rechtsausübung durch die Klägerin als treuwidrig erscheinen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin wurden die auf den streitgegenständlichen Fototapeten abgebildeten Fotos mit Zustimmung ihres Geschäftsführers und CEOs Herrn ..., der nach dem Vortrag der Kläger auch Urheber der Fotos ist, für die Herstellung und den Vertrieb von Fototapeten benutzt, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Als Erwerber der streitgegenständlichen Fototapeten durfte die Beklagte jedoch davon ausgehen, dass sie die Fototapeten nicht nur bestimmungsgemäß in dem von ihr betriebenen Hotel fest mit der Wand verkleben durfte, sondern auch Lichtbilder der Hotel-Räumlichkeiten, auf denen (auch) die Fototapeten zu sehen waren, anfertigen und öffentlich zugänglich machen durfte, weil dieses Vorgehen im Digitalzeitalter üblich ist.

Durch das Inverkehrbringen der Fototapeten hat der vermeintliche Urheber der hierfür genutzten Fotos einen Vertrauenstatbestand geschaffen, weil die Beklagte vernünftigerweise davon ausgehen durfte, dass die nunmehr angegriffene Nutzung der Fototapete von der Einwilligung des Urhebers bzw. Rechteinhabers gedeckt sei und sich dieser auch nicht in seinen Interessen beeinträchtigt fühlen würde (vgl. Urteil des LG Stuttgart vom 25. Oktober 2022, Az. 17 O 39/22, GRUR-RS 2022, 48323). Dies gilt jedenfalls solange der Erwerber der Fototapete keinen gegenteiligen Hinweis auf eine nur eingeschränkte Nutzung oder eine Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren erhält und solange die Nutzung der Fototapete über eine naheliegende und nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwartenden Nutzung nicht hinausgeht. Diese Ausnahmen liegen jedoch nicht vor. Die Klägerin behauptet selbst nicht, bei der Vermarktung ihrer Fototapeten die Erwerber darauf hingewiesen zu haben, dass keine Befugnis zur Vervielfältigung durch Erstellen von Lichtbildern der mit der Fototapete ausgestattete Räume und deren öffentliches Zugänglichmachen besteht, obwohl dies ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre.

Überdies geht die angegriffene Nutzung der Fototapeten durch die Beklagte auch nicht über die übliche Nutzung hinaus, weil die Beklagte die Räumlichkeiten ihres Hotels, in denen die streitgegenständlichen Fototapeten verwendet wurden, zu naheliegenden Werbezwecken fotografiert und diese Fotos zum Vertrieb ihres Hotels verwendet hat.

Die Fototapeten standen - ihrem Wesen entsprechend - dabei nicht im Mittelpunkt der Lichtbilder, und sie sind überdies klar als solche zu erkennen. Hätte die Beklagte darum gewusst, dass die Klägerin in der Vervielfältigung durch Erstellen von Lichtbildern der mit der Fototapete ausgestatteten Räume und deren öffentliches Zugänglichmachen eine Urheberrechtsverletzung erblickt und sich zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in einer den Kaufpreis der Fototapete um ein Vielfaches übersteigenden Höhe berechtigt sieht, so ist anzunehmen, dass sie die Fototapete niemals erworben hätte.

Zu dem insoweit geschaffenen Vertrauenstatbestand setzt sich die Klägerin in Widerspruch, wenn sie sich nunmehr auf eine Verletzung von Urheberrechten wegen der Veröffentlichung von Fotos, auf denen die Fototapeten zu sehen sind, beruft und handelt somit treuwidrig gem. § 242 BGB.

II. Aus den vom Landgericht dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird und denen sich der Senat anschließt, kann die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts in Gestalt des Urheberbenennungsrechts gemäß § 13 UrhG stützen.

1. Allerdings ergibt sich aus § 13 UrhG ein Recht des Urhebers auf Namensnennung, dessen widerrechtliche Verletzung Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz, § 97 UrhG, sowie Ersatz von Abmahnkosten, § 97a Abs. 3 UrhG, begründen kann. Auch ist das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung in seinem Kern unverzichtbar (BGH GRUR 2023, 1619 - Microstock-Portal; Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Auflage, § 13 Rn. 24). Außerhalb seines unverzichtbaren Kerns ist das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung indes vertraglichen Einschränkungen zugänglich (BGH a.a.O.). Daraus, dass der Urheber nach § 13 Satz 2 UrhG bestimmen kann, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist, ergibt sich, dass es ihm grundsätzlich freisteht, auf die Ausübung dieses Rechts zu verzichten (Schulze, a.a.O.) oder in dieses Recht beeinträchtigende Nutzungen einzuwilligen (Peukert, in: Schricker/Loewenheim/, UrhG, 6. Auflage, vor §§ 12 ff. Rn. 17). Das Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung kann grundsätzlich durch ausdrücklich oder stillschweigend getroffene vertragliche Vereinbarung zwischen Urheber und Werkverwerter eingeschränkt werden.

2. Dies berücksichtigend ist im Streitfall jedenfalls von einem stillschweigenden Verzicht auszugehen. So ist zwar der konkrete Inhalt der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Urheber Herrn ... und dem von ihm zur Fertigung von Fototapeten autorisierten Unternehmen - z.B. der M... GmbH & Co. KG - nicht bekannt. Unstreitig ist indes, dass die Fototapeten selbst keinerlei Urheberbezeichnung enthalten, was mangels gegenteiliger Anhaltspunkte den Schluss rechtfertigt, dass Herr ... auf sein Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Auch bei fehlender Eintragung nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG hat Abmahnverein Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren

BGH
Beschluss vom 21.12.2023
I ZB 42/23


Der BGH hat entschieden, dass auch bei fehlender Eintragung nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG ein Abmahnverein über die notwendige Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren verfügt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht der Antragsbefugnis des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren nicht entgegen, dass er - anders als noch im Erkenntnisverfahren auf Grundlage des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (aF) angenommen - gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 geänderten und seit dem 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (BGBl. | S. 2568, 2574; UWG nF) nicht mehr klagebefugt wäre, weil er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF eingetragen ist.

a) Die Zwangsvollstreckung ist ein vom Erkenntnisverfahren selbständiges und unabhängiges Verfahren (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., 85 Rn. 10). Die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgt aus § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO und nicht aus § 8 Abs. 3 UWG nF.

[…]

cc) Für die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF erfüllt sind.

(1) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF standen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF bedürfen Wirtschaftsverbände nunmehr der Eintragung in eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF, um Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend machen zu können. Damit soll ein Missbrauch der Anspruchsverfolgung verhindert werden (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, BT-Drucks. 19/12084, S. 26 f.; Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., 88 Rn. 3.31; BeckOK.UWG/Haertel, 22. Edition [Stand 1. Oktober 2023], 8 8 Rn. 171). Nach § 15a Abs. 1 UWG nF ist diese Neuregelung nicht auf Verfahren anzuwenden, die am 1. September 2021 bereits rechtshängig sind.

(2) Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG arF/nF regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis (zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - | ZR 111/22, GRUR 2023, 585 [juris Rn. 13] = WRP 2023, 576 - Mitgliederstruktur) für die Geltendmachung von Beseitigungs- und (bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr) Unterlassungsansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG im Erkenntnisverfahren. Ein Wegfall dieser Prozessführungsbefugnis durch die Neuregelung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF kann einer Festsetzung von Ordnungsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO, für das es gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf die Parteistellung im Titel (oder der Klausel) ankommt (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard aaO 8 10 Rn. 60 und 8 23 Rn. 30), nicht entgegengehalten werden (vgl. KG, NJW 1995, 1036 [juris Rn. 9]; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. September 1997 - 2 W 30/97, juris Rn. 31; aA Engler, NJW 1995, 2185, 2188; Koch/Artz, WM 2001, 1016, 1021).

(3) Dem steht die Intention des Gesetzgebers, mit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung entgegenzuwirken, nicht entgegen. Ein Missbrauch kann in erster Linie auf der Ebene der prozessualen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Einschränkung der Prozessführungsbefugnis wirksam verhindert werden. Für eine Übertragung dieser Einschränkung in das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren, das sich an der Parteistellung im zu vollstreckenden Titel orientiert (vgl. BGH, NJW 2018, 399 [juris Rn. 13]) besteht kein Bedürfnis.

dd) Für die Zulässigkeit eines Ordnungsmittelantrags des Gläubigers sind die Änderung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 sowie die Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF danach ohne Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob § 15a Abs. 1 UWG nF auch auf das Ordnungsmittelverfahren Anwendung findet (vgl. BeckOK.UWG/Scholz aaO 8 12 Rn. 349a) und ob für den Stichtag des 1. September 2021 auf das dem Titel zugrundeliegende Erkenntnisverfahren abzustellen ist oder ob der Stichtag auch für das nachfolgende Ordnungsmittelverfahren maßgeblich ist.

b) Die Neuregelung der sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF und der daraus folgende Wegfall der Sachbefugnis des Gläubigers, wenn dieser nicht in die Liste gemäß § 8b UWG nF eingetragen ist, greift in das streitgegenständliche Zwangsvollstreckungsverfahren ebenfalls nicht ein.

aa) Es gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, dass die Vollstreckbarkeit eines Titels von dem Schicksal des sachlich-rechtlichen Anspruchs unabhängig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - V ZB 15/01, BGHZ 148, 392 [juris Rn. 12]; Beschluss vom 27. Februar 2004 - IXa ZB 135/03, BGHZ 158, 159 [juris Rn. 11]; GaulV/Schilken/ Becker-Eberhard aaO 8 40. Rn. 2).

bb) Ob und inwieweit die aufgrund der Gesetzesänderung (jedenfalls derzeit) entfallene Sachbefugnis des Gläubigers der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF die Möglichkeit eröffnet, sich wegen dieser materiellen Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel zu wenden, bedarf im Streitfall mithin keiner Entscheidung (zur Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen einen Uhnterlassungstitel nach Wegfall der Sachbefugnis des Vollstreckungsgläubigers aufgrund des UWG-Änderungsgesetzes vom 25. Juli 1995 [BGBi. | S. 1738], das keine dem § 15a Abs. 1 UWG nF vergleichbare Übergangsvorschrift enthielt, vgl. BGHZ 133, 316 [juris Rn. 31 bis 33] - Altunterwerfung I, mwN; BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - | ZR 4/97, GRUR 1999, 762 [juris Rn. 17] =WRP 1999, 845 - Herabgesetzte Schlußverkaufspreise; Engler, NJW 1995, 2185, 2186).

cc) Ebenfalls offenbleiben kann deshalb, ob gegen Unterlassungstitel, die - wie hier - im Verfahren der einstweiligen Verfügung erlassen worden sind, die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO statthaft ist oder ob die Schuldnerin dagegen allein mit einem Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 Abs. 1 ZPO vorgehen kann (vgl. zum Streitstand Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 52 f. mwN) und wie sich die Abgabe einer Abschlusserklärung auswirkt, in der die Schuldnerin - wie hier - auf ihre Rechte aus § 927 ZPO verzichtet hat (vgl. Scholz in Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavani, Wettbewerbsprozessrecht, 2. Aufl., Rn. 1173; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., $ 927 Rn. 9a; zur erforderlichen einschränkenden Auslegung eines solchen Verzichts vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2009 - | ZR 146/07, BGHZ 181, 373 [juris Rn. 26] - Mescher weis; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl, 812 Rn. 156; Teplitzky/Bacher aaO Kap. 43 Rn. 8).



LG München: Ansprüche gegen TikTok wegen Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos - keine bestmögliche Anstrengungen zur Lizenzierung nach § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG

LG München
Urteil vom 09.02.2024
42 O 10792/22


Das LG München hat entschieden, dass Rechteinhaber Ansprüche gegen den Betreiber der Plattform TikTok wegen Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos zustehen. Der Plattformbetreiber hat keine bestmögliche Anstrengungen zu Lizenzierung im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG unternommen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Verhandlungspflicht für digitale Plattform“
Die für das Urheberrecht zuständige 42. Zivilkammer hat heute eine digitale Plattform zu Unterlassung und Auskunft für das öffentliche Zugänglichmachen von Filmproduktionen verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadenersatz festgestellt, da die Plattform bestmögliche Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG hat vermissen lassen, um die seitens der Klägerin hierfür angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben (42 O 10792/22). Eine derartige Obliegenheit fordert das Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Dienstanbietern für das Teilen von Online-Inhalten zur Anwendung vom 21.05.2021, das die sogenannte DSM Richtlinie im deutschen Recht umsetzt.

Die Beklagte betreibt eine digitale Plattform insbesondere zum Erstellen und Teilen von Videos. Die vornehmlich von Nutzern generierten und hochgeladenen Videos werden von der Beklagten gespeichert, organisiert und anderen Nutzern öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat die Beklagte auf diverse unberechtigte Veröffentlichungen verschiedener Filme auf ihrer Plattform hingewiesen und angeboten, diese kostenpflichtig zu lizenzieren. Die zwischen den Parteien geführten Verhandlungen blieben allerdings ohne Ergebnis.

Die Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen, da sie für die erfolgten öffentlichen Wiedergaben der Filmproduktionen urheberrechtlich verantwortlich ist und sich nicht auf eine Enthaftung nach § 1 Abs. 2 UrhDaG berufen kann. Während die Klägerin ihren Obliegenheiten bei den Lizenzverhandlungen nachgekommen ist und ein konkretes Angebot unterbreitet hat, hat die Beklagte die erforderlichen bestmöglichen Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG vermissen lassen, um die seitens der Klägerin angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben.

Ob der Diensteanbieter bestmögliche Anstrengungen unternommen hat, ist auf Grundlage einer umfassenden Betrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beurteilen. Nach den Leitlinien zu Art. 17 der RL 2019/790/EU sind die Verhandlungen zwischen den Diensteanbietern und Rechteinhabern fair und zügig zu führen, wobei für die konkrete Ausgestaltung auf die bereits in Art. 16 der RL 2014/26/EU statuierten Verhandlungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann, die im deutschen Recht ihre Umsetzung in § 36 VGG gefunden haben und Ausdruck verallgemeinerbarer Grundsätze sind.

Das konkrete Verhalten der Beklagte ließ nicht das Ziel erkennen, alsbald zu einem beiderseits interessengerechten Ergebnis zu gelangen. Die Verhandlungen waren vielmehr von einem einseitigen Informationsfluss von der Klägerin zur Beklagten geprägt.

Da die Beklagte gegen ihre Lizenzobliegenheit nach § 4 UrhDaG verstoßen hat, kann dahinstehen, ob die Beklagten ihre Pflichten zur einfachen und qualifizierten Blockierung nach §§ 7, 8 UrhDaG erfüllt hat. Um in den Vorteil der Enthaftung zu kommen, hat die Beklagte die Pflichten aus §§ 4, 7 bis 11 UrhDaG kumulativ zu erfüllen. Die folgt nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem regulatorischen Kontext der genannten Vorschriften. Die §§ 1 ff. UrhDaG bezwecken in Umsetzung von Art. 17 der RL 2019/790/EU diejenigen, deren urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Upload-Plattformen genutzt werden, an der dabei stattfindenden Wertschöpfung partizipieren zu lassen. Die Entwicklung des Marktes für die Vergabe von Lizenzen zwischen Rechteinhabern und Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten soll gefördert und den Rechtsinhabern die Erzielung höherer Lizenzeinnahmen ermöglicht werden. Die angestrebte Teilhabe des Rechteinhabers an der Wertschöpfung liefe indes leer, wenn es der Diensteanbieter in der Hand hätte, in den Fällen des § 4 Abs. 2 UrhDaG zwischen Lizenzierung und Blockierung zu wählen und sich im Falle eines Verstoßes gegen die Lizenzierungsobliegenheit auf die getroffenen Maßnahmen zur qualifizierten Blockierung (§ 7 UrhDaG) und einfachen Blockierung (§ 8 UrhDaG) zurückzuziehen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



Zum Hintergrund:

Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Dienstanbietern für das Teilen von Online-Inhalten

§ 4 UrhDaG - Pflicht zum Erwerb vertraglicher Nutzungsrechte; Direktvergütungsanspruch des Urhebers
(1) Ein Diensteanbieter ist verpflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben. Der Diensteanbieter erfüllt diese Pflicht, sofern er Nutzungsrechte erwirbt, die

1.
ihm angeboten werden,

2.
über repräsentative Rechtsinhaber verfügbar sind, die der Diensteanbieter kennt, oder

3.
über im Inland ansässige Verwertungsgesellschaften oder abhängige Verwertungseinrichtungen erworben werden können.
(2) Nutzungsrechte nach Absatz 1 Satz 2 müssen

1.
für Inhalte gelten, die der Diensteanbieter ihrer Art nach offensichtlich in mehr als geringfügigen Mengen öffentlich wiedergibt,

2.
in Bezug auf Werke und Rechtsinhaber ein erhebliches Repertoire umfassen,

3.
den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abdecken und

4.
die Nutzung zu angemessenen Bedingungen ermöglichen.

(3) Hat der Urheber das Recht der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes einem Dritten eingeräumt, so hat der Diensteanbieter für vertragliche Nutzungen gleichwohl dem Urheber eine angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe des Werkes zu zahlen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Dritte eine Verwertungsgesellschaft ist oder der Urheber den Dritten als Digitalvertrieb einschaltet.

(4) Der Urheber kann auf den Direktvergütungsanspruch nach Absatz 3 nicht verzichten und diesen im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten. Er kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.




OLG Karlsruhe: Kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten wenn entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der Abmahnung die Berechnung der Abmahnkosten fehlt

OLG Karlsruhe
Urteil vom 10.01.2024
6 U 28/23


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht, wenn entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der Abmahnung die Berechnung der Abmahnkosten fehlt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Berufung ist hingegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung zu beseitigen und die Klage insoweit abzuweisen. Denn der vom Landgericht zugesprochene Anspruch auf Erstattung von Kosten ist unbegründet.

Es fehlt an den Voraussetzungen, von denen ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 UWG mit Blick auf Anforderungen an die ihm zugrunde gelegte Abmahnung abhängt. Insoweit können die Anspruchsvoraussetzungen im Streitfall auch nicht durch Zubilligung eines Anspruchs nach der vom Kläger ergänzend angeführten Vorschrift in § 9 UWG oder nach §§ 670, 677, 683 Satz 1 BGB unterlaufen werden (vgl. BT-Drucks. 19/12084, S. 32; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 47), zumal ein ersatzfähiger Schaden oder eine ersatzfähige Aufwendung nur den Kosten solcher Maßnahmen liegen könnten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren (siehe BGH, GRUR 2011, 754 Rn. 15 ff - Kosten des Patentanwalts II), was auf eine die gesetzlichen Anforderungen verfehlende Abmahnung nicht zutrifft.

a) Nach § 13 Abs. 3 UWG kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nicht schon dann verlangen, wenn und soweit die Abmahnung berechtigt ist; Voraussetzung des Ersatzanspruchs ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zudem, dass die Abmahnung den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 99; MünchKommUWG/Schlingloff, 3. Aufl., UWG § 13 Rn. 241; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 47).


b) Entgegen der Ansicht der Beklagten verfehlt die Abmahnung allerdings nicht die Anforderungen an die Angaben zu Name oder Firma des Abmahnenden nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Ob dazu auch im Allgemeinen die Angabe der Anschrift des Abmahnenden gehört, kann dahinstehen. Sie war jedenfalls im Streitfall zur Angabe des Namens oder der Firma des Abmahnenden nicht erforderlich, der aus Sicht der früher bei diesem beschäftigten Beklagten zweifelsfrei identifiziert war. Abgesehen davon, dass der Beklagten aus dem früheren beruflichen Verhältnis zum Kläger zudem dessen Anschrift des Klägers bekannt gewesen sein musste, war dieser auf die Abmahnung hin über dessen in der Abmahnung mit Anschrift genannten Bevollmächtigten erreichbar.

c) Die Abmahnung war auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unzureichend, soweit nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG anzugeben sind. Diese ergaben sich ohnehin für jedermann klar und verständlich aus der Information im Abmahnschreiben, der Abmahnende sei Inhaber des Friseurbetriebs […] in […], wo er die typischen Dienstleistungen des Friseurhandwerks anbiete. Erst recht waren weitere Angaben nicht gegenüber der Beklagten erforderlich, der die geschäftliche handwerkliche Tätigkeit des Klägers aus ihrer früheren Beschäftigung zudem näher bekannt war.

d) Die Abmahnung ist auch nicht mit Blick auf die Anforderungen an die Bezeichnung der Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG) und die im Abmahnschreiben des Klägers erhobene Unterlassungsforderung ungeeignet, einen Anspruch auf Kostenerstattung zu begründen.

Erforderlich ist (nur), den Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau anzugeben und den darin erblickten Verstoß so klar und eindeutig zu bezeichnen, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (vgl. BGH, GRUR 2021, 752 Rn. 26 mwN - Berechtigte Gegenabmahnung). Der Abmahnende muss daher (nur) die begangene Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so detailliert schildern, dass dem Abgemahnten deutlich wird, was der Abmahnende konkret beanstandet und was der Abgemahnte abstellen oder künftig unterlassen soll (BGH, GRUR 2021, 752 Rn. 26 mwN - Berechtigte Gegenabmahnung). Dem genügen die Darlegungen des Abmahnschreibens dazu, welches Verhalten beanstandet wurde. Dazu wies die Abmahnung im Übrigen im Kern rechtlich zutreffend auf die „marktverhaltensregelnden Normen“ zur Ausübung des Friseurhandwerks im stehenden Gewerbe und die Kriterien zur Abgrenzung vom Reisegewerbe hin, beanstandete (als die abgemahnte Handlung), dass die Beklagte im Internet herausstelle, dass sich Interessierte unter Zuhilfenahme der vorgegebenen Angaben an sie wenden sollten, um sie mit der Leistungserbringung zu beauftragen, und verlangte, dass die Beklagte sich stattdessen vielmehr werbemäßig an die Vorgaben des Reisegewerbes halten müsse. Dass die Abmahnung das beanstandete Verhalten rechtlich unzutreffend als Irreführung im Sinn von § 5 UWG durch Umgehung der Berufsausübungsregeln des Reisegewerbes einordnete, kennzeichnete die geltend gemachte Verletzungshandlung nicht und steht der Erfüllung der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abmahnung nicht entgegen.

Die Abmahnung war dabei auch nicht etwa deshalb (teilweise) unberechtigt, weil die darin für die Beklagte vorformulierte Unterlassungserklärung zu weit gefasst war. Eine Abmahnung ist zwar nur berechtigt, wenn sie dem Schuldner den Weg weist, wie er sich zu verhalten hat, damit ein Prozess vermieden wird. Dementsprechend muss die Abmahnung die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalten. Es ist aber unschädlich, wenn der Gläubiger mit der von ihm vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr fordert, als ihm zusteht; denn es ist Sache des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben (BGH, GRUR 2019, 82 Rn. 35 mwN - Jogginghosen). Da die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung eher sprachlich missglückt scheint, als dass sie offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausginge, ist auch kein Ausschluss von Ansprüchen wegen Rechtsmittbrauchs nach § 8c Abs. 1, 2 Nr. 5, Abs. 5 UWG zu erkennen.

d) Zu den Inhalten der Abmahnung, die für einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 UWG erforderlich sind, gehört aber nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch, dass in der Abmahnung klar und verständlich angegeben wird, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

aa) Die Abmahnung gibt zwar – entgegen der Rüge der Berufung – eine Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs und deren Einforderung an.

bb) Sie genügt aber nicht der Anforderung, diese Angabe klar und verständlich zu machen und dabei anzugeben, wie sich der Aufwendungsersatzanspruch berechnet. Die Abmahnung gibt nur an, die zu erstattenden Kosten machten aufgrund eines Streitwerts von 10.000 € einen Betrag von 1.192,86 € aus. Sie gibt weder an, welche Art von Gebühr(en) und welcher Gebührensatz der Berechnung zugrunde liegen, noch ob in dem geforderten Betrag Umsatzsteuer enthalten ist.

Dabei kann dahinstehen, ob eine Angabe des geforderten Betrags in Verbindung mit einer Angabe des Gegenstandswerts genügt, wenn der Abgemahnte aus diesen Angaben durch eigene Rück- oder Proberechnung erschließen kann, dass eine der Kostenforderung eine – regelmäßig angesetzte – 1,3-fachen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG bei nebst Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20 % der Gebühren, höchstens 20 € zugrundeliegt, wobei sich aus dem angegeben Kostenbetrag ferner erschließen lässt, ob diese mit oder ohne Umsatzsteuer erstattet verlangt wird (siehe aber etwa MünchKommUWG/Schlingloff, 3. Aufl., UWG § 13 Rn. 255). Dies ist im Streitfall nämlich ebenso wenig möglich wie sonstige Berechnungen zur Feststellung, welche Parameter zu dem in der Abmahnung genannten Kostenbetrag führen konnten. Bei dem angegebenen Streitwert von 10.000 € würden sich Gebühren in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr und einer Pauschale von 20 € selbst zuzüglich Umsatzsteuer lediglich auf 973,66 € belaufen. Es ist der Abmahnung nicht zu entnehmen, welche anderen (höheren) Ansätze eines Streitwerts und/oder Gebührensatzes mit oder ohne Umsatzsteuer zu dem von der Abmahnung genannten Betrag geführt haben könnten.

cc) Ob der Kläger seine – nun abweichend bezifferte – Klageforderung mit der darauf gerichteten Klageerweiterung vom 17. August 2022 (AS I 18) hinreichend erläutert hat, kann dahinstehen. § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG verlangt ausreichenden Angaben gerade in der Abmahnung. Eine nachvollziehbare Kostenberechnung in einer späteren Klagebegründung genügt zumindest nach den Umständen des Streitfalls nicht, um einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung (nachträglich) zu begründen.

Es kann offenbleiben, ob eine Heilung formaler Verstöße gegen § 13 Abs. 2 UWG ausnahmsweise möglich ist und dann auch zur Wahrung des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 3 UWG führt, solange dem Abgemahnten noch keine Aufwendungen für die Rechtsberatung oder -verteidigung entstanden sind (so Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 59 unter Hinweis auf BT-Drucks. 19/12084 S. 33; siehe auch Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 93a). Eine Heilung dadurch, dass die in § 13 Abs. 2 UWG aufgezählten Informationen vom Abmahnenden nachgereicht werden, wurde in der Begründung des Gesetzesentwurfs ohnehin nur im Hinblick auf die Grundlage für einen Gegenanspruch des Abgemahnten in Betracht gezogen und dort jedenfalls nicht für möglich gehalten, wenn die Informationen erst in einem Gerichtsverfahren nachgereicht werden (BT-Drucks. 19/12084 S. 33).

Im Übrigen hat der Kläger auch mit der Klageerweiterung keine Informationen dazu gegeben, die den im Abmahnschreiben geforderten Betrag nachvollziehen ließen, und zudem nicht angegeben, ob er die (außergerichtliche) Forderung in der im Abmahnschreiben angegebenen Höhe aufrechterhält. Letzteres scheint insbesondere deshalb unklar, weil der Kläger sich bei der Klageerweiterung ausdrücklich insbesondere die Geltendmachung weitergehender Schadensersatzansprüche vorbehalten hat. Daher lässt sich eine Heilung auch nicht damit rechtfertigen, dass die Beklagte außergerichtlich und bis zur (erst nach der Klageerweiterung) erfolgten Verteidigungsanzeige möglicherweise noch keinen Rechtsanwalt beauftragt haben mag und eine Kostenfolge womöglich durch sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO hätte vermeiden können. Im Übrigen wären ihr auch für ein Anerkenntnis im vorliegenden Anwaltsprozess vor dem Landgericht Rechtsverteidigungskosten entstanden und hätten darauf beruht, dass der Kläger seine Forderung erst im Prozess nachvollziehbar dargelegt hat. Die Beklagte hätte allenfalls einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger gehabt und somit dessen Insolvenzrisiko getragen. Schon deshalb ist die Annahme einer allenfalls in engen Grenzen möglichen Heilung des Verstoßes der Abmahnung gegen § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht gerechtfertigt. Denn der Grund dafür, dass nach § 13 Abs. 3 UWG schon bloße formale Verstöße gegen § 13 Abs. 2 UWG zum Nachteil des Abgemahnten führen sollen, liegt darin, den Abmahnenden dazu anzuhalten, die Abmahnung formal sorgfältig zu gestalten, um nicht durch fehlende Angaben (vermeidbare) Kosten bei dem Abgemahnten zu verursachen (vgl. BT-Drucks. 19/12084, S. 33). Eine unzureichende Angabe des Kostenerstattungsanspruchs ist geeignet, den Abgemahnten von der außergerichtlichen Erfüllung abzuhalten und dazu zu veranlassen, das damit einhergehende Risiko einer mit Kostenaufwand verbundenen gerichtlichen Inanspruchnahme einzugehen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: Verbandsklagebefugnis für Verbraucherschutzverbände bei DSGVO-Verstoß - Verletzung der Informationspflicht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. c, e DSGVO

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 25.01.2024
C‑757/22
Meta Platforms Ireland Limited
gegen
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass die Verbandsklagebefugnis für Verbraucherschutzverbände bei DSGVO-Verstößen u.a. dann anzunehmen ist, wenn es um die Verletzung der Informationspflicht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO und Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO geht.

Ergebnis des EuGH-Generalanwalts:
Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass

die Bedingung, wonach eine ermächtigte Einrichtung, um eine Verbandsklage nach dieser Bestimmung erheben zu können, geltend machen muss, dass ihres Erachtens die Rechte einer betroffenen Person aus der DSGVO infolge einer Verarbeitung verletzt worden sind, voraussetzt, dass diese Einrichtung eine Verarbeitung personenbezogener Daten sowie einen Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und der Verarbeitung behauptet. Die Bedingung ist erfüllt, wenn die Klage im Zusammenhang mit einer Verarbeitung personenbezogener Daten darauf gestützt wird, dass der Verantwortliche die Informationspflicht gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO verletzt hat, da eine solche Verletzung die Verarbeitung rechtswidrig machen kann.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


OLG Köln: Bei Verstoß gegen Informationspflichten aus § 312d BGB ist nicht mehr das Spürbarkeitskriterium nach § 3a UWG zu prüfen - durch UGP-Richtlinie harmonisierte Maßstäbe entscheidend

OLG Köln
Urteil vom 08.12.2023
6 U 43/23


Das OLG Köln hat entschieden, dass bei einem Verstoß gegen die Informationspflichten aus § 312d BGB nicht mehr das Spürbarkeitskriterium nach § 3a UWG zu prüfen ist, sondern die durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Maßstäbe entscheidend sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der Unterlassungsanspruch ist ausreichend bestimmt und nicht zu weit gefasst. Da die Beklagte eine Reservierungsmöglichkeitanbietet, darf auch der Unterlassungsanspruch auf ein solches Angebot bezogen werden.

3. Die Berufung ist begründet. Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG i.V.m. den unionsrechtlich angebundenen bürgerlich-rechtlichen Informationspflichten aus § 312d BGB.

a) Eine Haftung aus §§ 3 Abs. 1; 3a UWG i.V.m. mit den genannten Informationspflichten kommt nach neuerer Judikatur, der sich der Senat anschließt, nicht in Betracht. Die frühere Rechtsprechung, wonach die Verletzung unionsrechtlicher Informationspflichten sowohl die Verletzung einer Marktverhaltensnorm im Sinne von § 3a UWG als auch die Verletzung des § 5a Abs. 4 UWG früherer Fassung (jetzt § 5b Abs. 4 UWG 2022) begründen können, hat der BGH in der Entscheidung Knusper-Müsli II zugunsten der letztgenannten Vorschrift aufgegeben (BGH, Urt. v. 7.4.2022 – I ZR 143/19, – Knusper-Müsli II, Rn. 23). Daher sind die Informationspflichten des Fernabsatzes nach den durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Maßstäben und nicht mehr nach den nationalen Grundsätzen des § 3a UWG zu prüfen. Daraus folgt, dass es im Falle eines Verstoßes gegen die Informationspflicht nicht mehr auf das Spürbarkeitskriterium in § 3a UWG ankommt. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, dass ein etwaiger Verstoß nicht spürbar ist, geht daher ins Leere.

b) Die vorvertraglichen Informationspflichten des § 312d BGB i.V.m. Art. 246, 246a Abs. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB werden durch den streitgegenständlichen Internetauftritt der Beklagten verletzt.

aa) Die Informationspflichten finden vorliegend allerdings nicht schon deswegen Anwendung, weil es um einen Verbrauchervertrag geht, bei dem sich der Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet. Der Webauftritt der Beklagten stellt in ausreichender Form klar, dass eventuelle Vertragspflichten des Kunden gegenüber dem Mietwagenunternehmer erst entstehen, wenn ein Mietwagen abgeholt wird. Die Frage, ob Stornogebühren („no show“) oder auch eine Provision zugunsten des Vermittelnden anfallen, stellt sich insoweit nicht. Stornogebühren unabhängig von einem Vertragsschluss mit dem Mietwagenunternehmer sind nicht ersichtlich, auch nicht genügend vorgetragen. Provisionen, die den Mietpreis indirekt verteuern können, würden den Verbraucher erst treffen, wenn dieser das Mietwagenangebot gegenüber dem Mietwagenunternehmer annimmt. Das geschieht bei Reservierung ausweislich der gewählten Vertragskonstruktion noch nicht.

bb) Allerdings sind auch ohne konkrete Preisverpflichtung die Informationspflichten aus Kapitel 1 und Kapitel 2 der §§ 312 BGB anwendbar, also auch § 312d BGB i.V.m. Art. 246, 246a EGBGB, wenn der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt (§ 312 Abs. 1a BGB). Das ist hier der Fall. Stellt eine Fluggesellschaft auf ihrer Website eine Möglichkeit zur Reservierung von Mietfahrzeugen zur Verfügung, aufgrund derer Verbraucher personenbezogene Daten zu Zwecken der Reservierung bereitstellen müssen, so sind die Informationspflichten nach Art. 246a EGBGB gem. § 312 Abs. 1a BGB daher auch dann zu erfüllen, wenn über das Reservierungsformular noch kein Vertrag mit dem Mietwagenunternehmer zustande kommt.

Unstreitig muss der Verbraucher bei der hier gewählten Konstruktion personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO (Verordnung [EU] 2016/679) bereitstellen, wenn er ein Fahrzeug reserviert. Das zeigt der in Anl. K 1 bis K 3 dargestellte Buchungsvorgang, der klarstellt, dass Name, E-Mail, ggf. auch Miles & More-Nummern und Telefonnummer, also Informationen, die auf eine individuelle Person hinweisen und diese identifizieren können, angegeben werden müssen oder können. Diese Daten werden vom Verbraucher selbst bereitgestellt, wenn er sie in die Maske eingibt, was nach § 312 Abs. 1a BGB genügt. Der Umstand, dass manche Daten nur optional eingegeben werden müssen, ändert nichts daran, dass der Verbraucher sie möglicherweise allein deswegen eingibt, weil hierfür ein Feld vorgesehen ist. Auch dann werden diese personenbezogenen Daten bereitgestellt. An einer relevanten Bereitstellung fehlt es nicht deswegen, weil der Verbraucher seine Daten auch für die Flugbuchung in einer Weise bereitstellt, die es dem Beklagten ermöglichen, die Hauptleistung, die Buchung eines Fluges, durchzuführen. Das ist zwar grundsätzlich im Rahmen der Buchung der Fall und auch zu erwarten, allerdings zeigt die Buchungsmaske für den Mietwagen, dass der Verbraucher für die Reservierung des Fahrzeugs die personenbezogenen Daten nochmals bereitstellen muss, und zwar dieses Mal für eine Leistung, die nicht unmittelbar zur Flugbuchung gehört, für die sie auch nicht erforderlich ist, die also eine sekundäre Nutzung dieser Daten ermöglicht, die für die Hauptleistung nicht erforderlich ist und auch nicht benötigt wird. Nur eine für die Hauptleistung erforderliche und auf sie begrenzte Datenerhebung ist nach § 312 Abs. 1 a BGB „privilegiert“ (vgl. zur engen Fassung dieser Zweckbindung MK-BGB-Wendehorst, § 312 Rn. 54). Dies würde sich auch nicht ändern, wenn die Reservierungsmaske anhand der vom Fluginteressierten bereits eingegebenen (identischen) personenbezogenen Daten aufgefüllt wird, der Fluggast also nicht aktiv bereitstellt, sondern die Daten aus bereits vorliegenden Informationen vom Beklagten genutzt werden (vgl. MK-BGB-Wendehorst, § 312 Rn. 52 mit Hinweis auf Begr. RegE, BT-Drucks. 19/27653, S. 39; Europäische Datenschutzbeauftragte, Stellungnahme 4/2017, S. 12). In beiden Fällen geht es um eine sekundäre Verwendung personenbezogener Daten, die einem neuen Zweck dient.

c) Die Informationspflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB haben eine unionsrechtliche Grundlage in den Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2011/73/EU (sog. Verbraucherrechte-Richtlinie). Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Informationspflichten auf die Zurverfügungstellung personenbezogener Daten hat ihre Grundlage in Art. 4 Nr. 2b) der Richtlinie (EU) 2019/2161 v. 27.11.2019 (EU-Abl. L 328/7). Die Informationspflichten sind daher gem. § 5b Abs. 4 UWG wesentliche Informationen, die bei verbraucherbezogenen Angeboten bereitzustellen sind.

d) Das Fehlen von Informationen über die Rolle der Fluggesellschaft beim Reservierungsvortrag betrifft eine wesentliche Information über eine Dienstleistung gem. §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er die Reservierung vornehmen möchte, weil er Klarheit darüber erwartet, ob und inwieweit er den Dienstleister in Bezug auf die Dienstleistung in Anspruch nehmen kann. Die Informationen werden vom Verbraucher daher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung im Sinne des § 5a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG zu treffen. Sie sind überdies für diese Entscheidung relevant (§ 5a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UWG). Auch wenn das Mietverhältnis über ein konkretes Fahrzeug nicht schon durch die Ausfüllung der Reservierung entsteht, insbesondere die Beklagte nicht selbst in die Vermieterstellung rückt, so nimmt die Beklagte dennoch auf den Inhalt dieses Mietverhältnisses Einfluss. Sie ist nicht derart passiv, dass sie nur ein Buchungsfenster zugänglich macht. Sie baut diese Buchungsmöglichkeit in ihren Webauftritt ein, zudem signalisiert sie durch weitere Angaben, dass bestimmte Vertragsbedingungen (z.B. Freikilometer oder auch ein besonderer Buchungspreis für Flugkunden) in der Reservierung gesichert werden können. Sie nimmt damit einerseits auf die Reservierungsbereitschaft Einfluss, andererseits erweckt sie den Eindruck, dass Z.-Kunden besondere Konditionen erhalten. Dies führt sie in die Position eines Dienstleistungserbringers. Wichtig wird das, wenn es Streit darüber gibt, ob die Reservierungsbedingungen auch tatsächlich halten. Das betrifft das Risiko von Flugverspätungen wie das Preisrisiko und die Frage, ob die reservierte Leistung tatsächlich so wie reserviert auch bereitgestellt wird, und wer für diese Bedingungen einsteht, wenn dies nicht so ist. Wäre dies nur der Mietwagenunternehmer, so bestünde für den Verbraucher das Risiko, dass erhoffte Konditionen von dessen Entscheidung und Bereitschaft abhängen. Ob und wie die Beklagte für diese Konditionen auch selbst einsteht, sei es durch vertragliche Bedingungen, die sie mit dem Mietwagenunternehmer vereinbart hat, sei es durch eigene Zusatzleistungen (Gewährleistungen), bleibt offen. Bleibt all dies dem Mietwagenunternehmer überlassen, liegt genau hierin eine mögliche Benachteiligung des Verbrauchers, der über das Z.-Portal bucht, aus der konsequenterweise das Informationsbedürfnis des Verbrauchers folgt. Daher besteht aus Verbrauchersicht ein berechtigtes Anliegen, darüber aufgeklärt zu werden, in welcher Rolle die Beklagte vermittelnd oder nur zugangsöffnend oder aber auch mit einer Leistungsbereitschaft tätig wird. Die Beklagte kann nicht darauf verweisen, dass dies dem Verbraucher gleichgültig sei oder der Verbraucher schon selbst verstehen werde, dass er sich nur an das Mietwagenunternehmen halten könne. Schon die Bereitschaft, bestimmte Konditionen im Mietwagenvertrag bereits in der Reservierung sichern zu können und dies über die Vermittlung der Beklagten zu tun, zeigt, dass ein Informationsbedarf besteht, den die Beklagte nicht erfüllt.

e) Für den Verbraucher ist entscheidungsrelevant, ob und in welcher Weise er auch die Beklagte für den Inhalt des Reservierungsvorgangs in Anspruch nehmen kann.

f) Auf die Spürbarkeit der Wettbewerbspraktik kommt es bei §§ 5a, 5b UWG nicht an. Selbst wenn es auf sie ankäme, besteht aber auch kein Zweifel daran, dass die Praktik, die sich an eine Mehrzahl von flugbuchenden Verbrauchern richtet, von erheblicher Bedeutung für die Mietwagenentscheidung dieser Personen ist.

g) Da der Unterlassungsanspruch besteht, war auch die vorgerichtliche Abmahnung berechtigt. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist daher ebenfalls begründet.


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LAG Thüringen: Kein Anspruch auf Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Art. 17 DSGVO wenn die Abmahnung Gegenstand einer Schadensersatzklage ist

LAG Thüringen
Urteil vom 24.10.2023
5 Sa 424/22, 1 Ca 212/22


Das LAG Thüringen hat entschieden, dass kein Anspruch auf Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Art. 17 DSGVO besteht, wenn die Abmahnung Gegenstand einer Schadensersatzklage ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung aus der Personalakte, selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 51). Der Kläger hat vorliegend keine entsprechenden Gründe dargelegt.

Vielmehr verfolgt der Kläger mit demselben Verfahren Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Dabei spielt die streitgegenständliche Abmahnung die zentrale Rolle. Hieraus ergibt sich ein Dokumentationserfordernis der Beklagten, hier die Aufbewahrung der Abmahnung, zumindest bis zur endgültigen Klärung der Schadensersatzklage (vgl. auch Sächsisches LAG 31.03.2023 - 4 Sa 117/21 - Rn. 45).

Auch der Hinweis des Klägers auf die Vorschrift des § 17 DSGVO führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach Art. 17 Abs. 1 a DSGVO besteht ein Anspruch auf Löschung der betreffenden personenbezogenen Daten, sofern die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Da die vorliegende streitige Abmahnung Gegenstand der Schadensersatzklage ist, besteht zumindest bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens nach Art. 17 Abs. 3 a DSGVO kein Löschungsanspruch, da dieser zur Ausübung und Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist.

2. Mit dem Berufungsvorbringen vermochte der Kläger auch das Bestehen eines Anspruchs auf Widerruf mittels öffentlichen Aushangs nicht begründen. Ein Widerrufsanspruch als quasinegatorischer Beseitigungsanspruch mittels öffentlichen Aushangs setzt voraus, dass der zu widerrufende Vorwurf auf gleiche Weise bekannt gegeben wurde. Nur in einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer den Widerruf etwa durch öffentlichen Aushang verlangen (vgl. BAG 21. Februar 1979 - 5 AZR 568/77 - Leitsatz 1 und Rn. 16 – 20). Eine Bekanntgabe oder Veröffentlichung der gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe ist nicht vorgetragen worden. Vielmehr ist unstreitig, dass die Beklagte dem Kläger die Abmahnung im verschlossenen Umschlag übergeben hat. Die erste Instanz hat insoweit zu Recht sogar darauf hingewiesen, dass die Abmahnung weder betriebsintern bekannt geworden noch der Arbeitgeber ein etwaiges betriebsinternes Bekanntwerden zu verantworten habe.

3. Auch das Bestehen eines Schmerzensgeldanspruchs konnte der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen nicht dartun. Zwar verweist er auf die maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach bei schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein Schmerzensgeldanspruch in Betracht kommt. Der Vorwurf des Verbreitens von Unwahrheiten stellt jedoch ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine Straftat dar. Wie bereits unter Ziffer 1 erläutert, ist der eigentliche Vorwurf in der Abmahnung, der Kläger habe nicht vor Dienstbeginn am 18.10.2021 seine Arbeitsverhinderung unverzüglich mitgeteilt, unbestritten. Mit dem Erstgericht ist die Kammer auch der Auffassung, dass eine fortwirkende Herabsetzung des Rufs des Klägers ohne die Beeinträchtigung in seinem beruflichen Fortkommen nicht erkennbar ist.


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AG München: Unterlassungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Wildüberwachungskamera auf Nachbargrundstück wenn Kamera auch Grundstück des Betroffenen filmt

AG München
Urteil vom 01.02.2023
171 C 11188/22


Das AG München hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung besteht, wenn eine Wildüberwachungskamera auf dem Nachbargrundstück auch das Grundstück des Betroffenen filmt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Streit um Kamera auf Nachbargrundstück
In einem Nachbarschaftsstreit sah das Amtsgericht München in dem Aufstellen einer Kamera auf dem Nachbargrundstück eine Persönlichkeitsrechtsverletzung und bestätigte mit Urteil vom 01.02.2023 eine einstweilige Verfügung, wonach der Antragsgegnerin dies untersagt wurde.

Die Parteien sind unmittelbare Nachbarn in München und stritten über eine im April 2022 auf der Terrasse der Antragsgegnerin aufgestellte Wildüberwachungskamera, die von der Terrasse der Antragstellerin aus sichtbar war. Die Antragstellerin wehrte sich hiergegen unter Verweis auf ihre Persönlichkeitsrechte und forderte die Antragsgegnerin im Juli 2022 u.a. auf, die Videoüberwachung zu beenden und künftig zu unterlassen. Die Antragsgegnerin verweigerte dies mit der Begründung, dass es sich nicht um eine Videoüberwachung, sondern um eine sogenannte Wild-Kamera handeln würde. Es ginge ausschließlich um die Kontrolle des eigenen Gartens.

Am 12.08.2022 erließ das Amtsgericht München im einstweiligen Rechtsschutz auf Antrag der Antragstellerin eine einstweilige Verfügung. Danach wurde es der Antragsgegnerin untersagt, auf ihrem Grundstück eine Überwachungskamera aufzustellen, die die Terrasse oder den Garten der Antragstellerin erfasst oder erfassen kann oder den Eindruck hiervon erweckt. Anschließend entfernte die Antragsgegnerin die Kamera.

Auf Antrag der Antragstellerin bestätigte das Amtsgericht München mit Urteil vom 01.02.2023 die einstweilige Verfügung und begründete dies wie folgt:

„Die vormals aufgestellte Kamera hat die Antragstellerin in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Kamera tatsächlich ausschließlich den Bereich der Antragsgegnerin erfasst hat oder nicht. Die Antragstellerseite verweist insoweit mit Erfolg auf die Entscheidung des BGH vom 16.03.2010 (VI ZR 176/09). Das Gericht darf eine Passage aus dieser Entscheidung zitieren:

„Nach Ansicht des erkennenden Senats kommt es insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie auf Grund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln, NJW 2009, 1827 = NZM 2009, 600) oder auf Grund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon auf Grund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtigt hingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, nicht. […].“

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs hatte die Antragstellerin einen Anspruch auf Beseitigung der Kamera und entsprechende Unterlassung der etwaigen weiteren Installation einer vergleichbaren Kamera. Nach Ansicht der Lichtbilder ist das Gericht der Überzeugung, dass die Antragstellerin zu der Ansicht gelangen konnte, dass ihr Grundstück von der Kamera erfasst werde. Es handelte sich nicht mehr um die rein hypothetische Möglichkeit der Überwachung.

Weiterhin fehlte es auch nicht an einem Verfügungsgrund. Das Gericht schließt sich insoweit der überzeugenden Argumentation der Antragstellerseite an. Die Antragstellerin hatte sich von Anfang an gegen die Kamera zur Wehr gesetzt und die Antragsgegnerin war über diesen Umstand informiert.

Der Sachverhalt hat sich zwar mittlerweile maßgeblich verändert, da die Kamera entfernt worden ist. Weiterhin hat die Antragsgegnerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie nicht die Absicht habe, eine weitere Kamera aufzustellen. Dieser Umstand alleine kann aber nicht ausreichen, die indizierte Wiederholungsgefahr aufzuheben.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 01.02.2023
Aktenzeichen des AG München: 171 C 11188/22
Das Urteil ist rechtskräftig.