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BGH: Schuldner einer Beschlussverfügung muss binnen 2 Wochen über Entschluss zum Widerspruch informieren - andernfalls sind Kosten eines Abschlussschreibens erstattungsfähig

BGH
Urteil vom 09.02.2023
I ZR 61/22
Kosten für Abschlussschreiben III
BGB § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, §§ 677, 683 Satz 1; UWG § 13 Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass der Schuldner einer Beschlussverfügung den Gläubiger im Regelfall binnen 2 Wochen über seinen Entschluss zum Widerspruch informieren muss. Andernfalls sind die Kosten eines Abschlussschreibens erstattungsfähig.

Leitsatz des BGH:
Den Schuldner einer einstweiligen (Beschluss-)Verfügung trifft gegenüber dem Gläubiger mit Ablauf der Wartefrist von im Regelfall zwei Wochen, die der Gläubiger vor der Versendung eines Abschlussschreibens einzuhalten hat, eine Aufklärungspflicht über den Entschluss zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die einstweilige (Beschluss-)Verfügung. Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis des Schuldners adäquat kausal für die Kosten eines - objektiv nicht mehr erforderlichen - Abschlussschreibens des Gläubigers, kann das einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen.

BGH, Versäumnisurteil vom 9. Februar 2023 - I ZR 61/22 - OLG Düsseldorf - LG Wuppertal

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Köln: Unterlassungsanspruch gegen Deutsche Telekom wegen Datenweitergabe an Google durch Nutzung von Google Analytics ohne ausreichende Einwilligung

LG Köln
Urteil vom 23.03.2023
33 O 376/22


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch gegen die Deutsche Telekom wegen der Datenweitergabe an Google durch Nutzung von Google Analytics ohne ausreichende Einwilligung besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der bezeichneten Datenübermittlung in die USA nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG iVm §§ 8, 3 Abs. 1, 3a UWG iVm Art. 44 ff. DSGVO.

Die klägerseits vorgetragene Übermittlung von IP-Adressen sowie Browser- und Geräteinformationen an Google LLC als Betreiberin von Google Analyse- und Marketingdiensten mit Sitz in den USA ist als unstreitig zu behandeln und ist nicht von den Rechtfertigungstatbeständen der DSGVO gedeckt.

a. Die Übermittlung von IP-Adressen an die Google LLC in den USA gilt nach § 138 Abs. 2, 3 ZPO als zugestanden. Der Kläger hat substantiiert zu der Übermittlung vorgetragen. Das darauffolgende Bestreiten der Beklagten im Schriftsatz vom 02.02.2023 ist hingegen nicht hinreichend substantiiert. Vielmehr erschöpft es sich trotz des Aufgreifens einzelner Punkte im Ergebnis in einem pauschalen Bestreiten bzw. Anzweifeln.

Die Substantiierungslast des Bestreitenden hängt davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Je detaillierter das Vorbringen des Darlegungsbelasteten ist, desto höher sind die Substantiierungsanforderungen gem. § 138 Abs. 2 ZPO. Substantiiertes Vorbringen kann danach grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden. Vorausgesetzt ist dabei, dass der bestreitenden Partei substantiierter Gegenvortrag möglich und zumutbar ist, wovon in der Regel auszugehen ist, wenn die behaupteten Tatsachen in ihrem Wahrnehmungsbereich gelegen haben (BeckOK ZPO/von Selle ZPO § 138 Rn. 18; BGH NJW-RR 2019, 1332 Rn. 23 mwN).

So liegt der Fall hier. Die Übertragung und Verarbeitung von Daten liegt im Wahrnehmungs- und Organisationsbereich der Beklagten. Der Beklagten wäre es daher möglich gewesen, substantiiert dazu vorzutragen, unter welchen Voraussetzungen welche Daten an die Google LLC übertragen werden und wo diese verarbeitet werden. Daher genügt es insbesondere nicht, lediglich in Zweifel zu ziehen, ob der Standort der IP-Adresse „142.250.185.228“ in den USA befindlich ist oder ob der Sitz des Unternehmens unabhängig von dem Standort des Servers der IP-Adresse ist. Ebenso wenig genügt es, den Aussagegehalt der Registrierung der IP-Adresse und der Anlagen K11 und K12 in Frage zu stellen.

b. Die übermittelten IP-Adressen stellen sowohl für die Beklagte als auch Google LLC als Verantwortliche der Datenübermittlung personenbezogene Daten dar.

Dynamische IP-Adressen stellen dann personenbezogene Daten dar, wenn dem Verantwortlichen rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, die er vernünftigerweise einsetzen könnte, um mit Hilfe Dritter (zB der zuständigen Behörde und des Internetanbieters) die betroffene Person anhand der gespeicherten IP-Adresse bestimmen zu lassen (BGH ZD 2017, 424 = MMR 2017, 605).

Dies ist sowohl hinsichtlich der Beklagten als auch hinsichtlich Google LLC der Fall. Beiden stehen die rechtlichen Mittel zur Verfügung, über Zusatzinformationen von der IP-Adresse einen Rückschluss auf die natürliche Person zu ziehen.

Als Telekommunikationsanbieterin und Websitebetreiberin kann die Beklagte, soweit es sich bei den Besuchern um ihre Kunden handelt, ohne großen Aufwand InternetNutzer identifizieren, denen sie eine IP-Adresse zugewiesen hat, da sie in der Regel in Dateien systematisch Datum, Zeitpunkt, Dauer und die dem Internet-Nutzer zugeteilte dynamische IP-Adresse zusammenführen kann. In Kombination können die eingehenden Informationen dazu benutzt werden, um Profile der natürlichen Personen zu erstellen und sie (sogar ohne Heranziehung Dritter) zu identifizieren (vgl. BeckOK DatenschutzR/Schild DS-GVO Art. 4 Rn. 20).

Gleiches gilt für Google LLC, die als Anbieterin von Online-Mediendiensten ebenso über die Mittel verfügt Personenprofile zu erstellen und diese auszuwerten. Dabei kann gerade die IP-Adresse als personenspezifisches Merkmal dienen (vgl. LG München I, Urteil vom 20.1.2022 – 3 O 17493/20) und etwa in der Kombination mit der Nutzung anderer Onlinedienste zur Identifizierung herangezogen werden (Feldmann, in: Forgó/Helfrich/Schneider, Betrieblicher Datenschutz, 3. Auflage 2019, Kapitel 4. Datenschutzkonformer Einsatz von Suchmaschinen im Unternehmen, Rn. 12).

Ob an die Dienste Heap und Xandr ebenfalls Daten in das Ausland übermittelt worden sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

c. In den USA ist kein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet (vgl. EuGH Urt. v. 16.7.2020 – C-311/18 – Facebook Ireland u. Schrems, im Folgenden: Schrems II).

Der EuGH hat ausgesprochen, dass der EU-US Angemessenheitsbeschluss („Privacy Shield“) – ohne Aufrechterhaltung seiner Wirkung – ungültig ist. Die gegenständliche Datenübermittlung findet daher keine Deckung in Art. 45 DSGVO.

d. Auch etwaige Standarddatenschutzklauseln vermögen die Datenübermittlung in die USA nicht zu rechtfertigen, da sie nicht geeignet sind ein der DSGVO entsprechendes Datenschutzniveau zu gewährleisten, insbesondere da solche Verträge nicht vor einem behördlichen Zugriff in den USA schützen.

Die Beklagte trägt vor, dass sie Standarddatenschutzklauseln in der bis zum 27.12.2022 gültigen Version mit ihren Dienstleistern und diese wiederum mit ihren Sub-Dienstleistern abgeschlossen hatte. Obschon der Kläger dies bestreitet, würde der Vortrag der Beklagten selbst bei Wahrunterstellung nicht genügen, um eine Rechtfertigung der Datenübermittlung zu begründen.

In Schrems II hat der EuGH zwar ausgeführt, dass Standarddatenschutzklauseln als Instrument für den Internationalen Datenverkehr dem Grunde nach nicht zu beanstanden sind, allerdings hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass Standarddatenschutzklauseln ihrer Natur nach ein Vertrag sind und demnach Behörden aus einem Drittstaat nicht binden können:

„Demnach gibt es zwar Situationen, in denen der Empfänger einer solchen Übermittlung in Anbetracht der Rechtslage und der Praxis im betreffenden Drittland den erforderlichen Datenschutz allein auf der Grundlage der Standarddatenschutzklauseln garantieren kann, aber auch Situationen, in denen die in diesen Klauseln enthaltenen Regelungen möglicherweise kein ausreichendes Mittel darstellen, um in der Praxis den effektiven Schutz der in das betreffende Drittland übermittelten personenbezogenen Daten zu gewährleisten. So verhält es sich etwa, wenn das Recht dieses Drittlands dessen Behörden Eingriffe in die Rechte der betroffenen Personen bezüglich dieser Daten erlaubt.“ (Schrems II, Rn. 126).

Der EuGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der EU-US Angemessenheitsbeschluss aufgrund des einschlägigen Rechts der USA und der Durchführung von behördlichen Überwachungsprogrammen kein angemessenes Schutzniveau für natürliche Personen gewährleistet (Schrems II, Rn. 180 ff).

Wenn sogar der EU-US Angemessenheitsbeschluss aufgrund der Rechtslage in den USA für ungültig erklärt wurde, so kann erst recht nicht davon ausgegangen werden, dass vertragliche Bindungen zwischen privaten Rechtssubjekten ein angemessenes Schutzniveau nach Art. 44 DSGVO für die gegenständliche Datenübermittlung in die USA gewährleisten können. Denn diese können schon ihrer Natur nach ausländische Behörden nicht in ihrer Handlungsmacht beschränken.

Dies entspricht auch der Wertung des EuGH:

„Da diese Standarddatenschutzklauseln ihrer Natur nach keine Garantien bieten können, die über die vertragliche Verpflichtung, für die Einhaltung des unionsrechtlich verlangten Schutzniveaus zu sorgen, hinausgehen, kann es je nach der in einem bestimmten Drittland gegebenen Lage erforderlich sein, dass der Verantwortliche zusätzliche Maßnahmen ergreift, um die Einhaltung dieses Schutzniveaus zu gewährleisten.“ (Schrems II, Rn. 133).

Zu solchen – nach den „Empfehlungen 01/2020 zu Maßnahmen zur Ergänzung von Übermittlungstools zur Gewährleistung des unionsrechtlichen Schutzniveaus für personenbezogene Daten“ der EDSA wohl vertraglichen, technischen oder organisatorischen Maßnahmen – hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Solche Maßnahmen müssten geeignet sein, die im Rahmen des Schrems II Urteils des EuGH aufgezeigten Rechtsschutzlücken – also die Zugriffs- und Überwachungsmöglichkeiten von US-Nachrichtendiensten – zu schließen. Dies ist hier nicht gegeben.

e. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Einwilligung iSd Art. 49 Abs. 1 lit. a) DSGVO berufen.

Eine „ausdrückliche Einwilligung“ iSd Art. 49 Abs. 1 lit. a) DSGVO auf hinreichender Informationserteilung u.a. über den Empfänger der Informationen wurde schon nicht dargelegt.

Nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO ist eine Einwilligung eine unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in der Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung. Für die nach Art. 49 Abs. 1 lit. a) DSGVO erforderliche Einwilligung ist es schon dem Wortlaut nach darüber hinaus erforderlich, dass die Erklärung „ausdrücklich“ abgegeben wird. Angesichts dieser unterschiedlichen Wortwahl sind an die Einwilligung zu Übermittlungen in Drittländer höhere Anforderungen als an sonstige Einwilligungen zu stellen. Insbesondere setzt Art. 49 Abs. 1 lit. a DSGVO schon dem Wortlaut nach eine besondere Informiertheit voraus.

Der Einwilligende muss u.a. darüber informiert worden sein, an welche Drittländer und an welche Empfänger seine Daten übermittelt werden (BeckOK DatenschutzR/Lange/Filip DS-GVO Art. 49 Rn. 7; Klein/Pieper in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, Artikel 49 Ausnahmen für bestimmte Fälle Rn. 6).

Hier sind die Website-Besucher aber keineswegs über eine Datenübermittlung an Google LLC unterrichtet worden. In den ehemaligen Datenschutzhinweisen wurde lediglich über eine Übermittlung von Daten an Xandr und Heap informiert worden, was ersichtlich nicht den Empfänger Google LLC erfasst.

Dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Datenübertragung an Google LLC am 03.01.2023 geänderte Datenschutzhinweise verwendet hat, die den o.g. Anforderungen genügen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es ist aber gemäß Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 DSGVO an der Beklagten die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung darzulegen und zu beweisen (vgl. BeckOK DatenschutzR/Stemmer DS-GVO Art. 7 Rn. 89-91.1; Diekmann, in: Koreng/Lachenmann, Formularhandbuch Datenschutzrecht, 3. Auflage 2021, 4. Einwilligung der betroffenen Personen, Anm. 1.-12.). Dies ist für den relevanten Zeitpunkt am 03.01.2023 nicht erfolgt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Kein Unterlassungsanspruch des Betroffenen aus §§ 1004, 823 BGB bei DSGVO-Verstoß - Regelungen der DSGVO abschließend

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.03.2023
16 U 22/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei einem DSGVO-Verstoß kein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 BGB besteht. Die Regelungen der DSGVO sind nach Ansicht des Gerichts abschließend.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist mit den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen zwar zulässig, jedoch nicht begründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf die von ihm geltend gemachten Unterlassungsansprüche zusteht.

1. Zulässigkeit der Klage

a) Das Landgericht hat den erstinstanzlichen Klageantrag, wonach die Beklagte es unterlassen soll, die Dienste auf ihrem Online-Shop in der Weise „auszuliefern“ (gemeint sein dürfte: zur Inanspruchnahme bereitstellen), dass beim Seitenaufruf „personenbezogene oder -beziehbare Daten des Klägers“ an die benannten Dienste übermittelt werden, zu Recht als nicht hinreichend bestimmt i.S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesehen. Es fehlt an einem bestimmten Antrag. Bei der Bezeichnung „personenbezogene oder -beziehbare Daten des Klägers“ handelt es sich trotz der Definition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO um Rechtsbegriffe, deren Anwendung eine Subsumtion erfordert. Dies kann nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden. Dies gilt umso mehr, als die ihrerseits wortreiche Definition in der Verordnung schwer zu erfassen ist.

Die Unbestimmtheit wird nicht dadurch beseitigt, dass in dem Antrag die IP-Adresse als ein „Regelbeispiel“ benannt ist. Abgesehen davon, dass - wie der Rechtsstreit zeigt - schon streitig und begründungsbedürftig sein kann, ob es sich bei der IP-Adresse um ein personenbezogenes Datum handelt, wäre auch hier eine rechtliche Prüfung vonnöten, nämlich, ob das jeweilige Datum in relevanter Hinsicht mit der IP-Adresse vergleichbar ist.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er selbst nicht technisch in der Lage sei, festzustellen, welche Daten an die Drittdienste übertragen werden, und deshalb die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast treffe. Die Figur der sekundären Darlegungslast erleichtert einem Kläger lediglich den Vortrag von anspruchsbegründenden Tatsachen im Rahmen der Begründetheit einer Klage, sie enthebt nicht von der Notwendigkeit, einen bestimmten Antrag zu stellen.

b) Die Klage ist jedoch mit dem vom Kläger nunmehr gestellten Hauptantrag zulässig.

Soweit der Kläger mit dem geänderten Antrag zu a) nämlich die Unterlassung verlangt, „dass beim Seitenaufruf jegliche Daten des Klägers“ an die Betreiber der Dienste übermittelt werden, ist dies hinreichend bestimmt. Denn der Beklagten würde damit untersagt, sämtliche mit dem Aufruf ihrer Webseite an sie gelangende Daten an die bezeichneten Dienste zu übermitteln. Der Begriff „Daten“ hat mit seiner Bedeutung „Information über eine Person oder eine Sache“, die ihm sowohl in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO als auch im Alltagssprachgebrauch zukommt, einen hinreichen klaren Bedeutungskern, so dass seine Anwendung dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden kann.

Die Angabe einer bestimmten IP-Adresse im Klageantrag ist für die Bestimmtheit des Klageantrages nicht erforderlich. Die Angabe der IP-Adresse, von der aus der Kläger die Webseite der Beklagten aufgerufen und dort (angeblich) Bestellungen vorgenommen hat, hat allein im Rahmen der Begründetheit Bedeutung, nämlich bei der Frage der Wiederholungsgefahr, ob es aufgrund rechtswidriger Weitergabe der IP-Adresse und weiterer Daten des Klägers zu einer Erstbegehung gekommen ist.

Die mit der Stellung des neuen Klageantrages verbundene Klageänderung ist nach § 533 ZPO zulässig. Es handelt sich nämlich nicht um eine echte Klageänderung, sondern um eine (quantitative) Klageerweiterung i.S. § 264 Nr. 2 ZPO. Auf Klageänderungen i.S. des § 264 ZPO findet die Beschränkung des § 533 ZPO nach der Rechtsprechung des BGH keine Anwendung. Bereits nach dem bisherigen Antrag sollte der Beklagten die Übermittlung der IP-Adresse und einer unbestimmten Zahl an weiteren personenbezogenen und -beziehbaren Daten untersagt werden. Der Kreis der zu untersagenden Übermittlungen wird - aus demselben Klagegrund - nunmehr nur erweitert. Ein aliud ist nicht deshalb gegeben, weil es nun statt „personenbezogener und -beziehbarer Daten“ Gegenstand „Daten des Klägers“ sind. Bei sachgerechter Auslegung sind in beiden Fällen personenbezogene Daten des Klägers gemeint.

c) Die gestellten Hilfsanträge sind aufgrund der Zulässigkeit des Hauptantrages nicht zu prüfen. Die Antragstellung des Klägers ist dahin auszulegen, dass diese Hilfsanträge nur für den Fall gestellt sind, dass das Gericht den Hauptantrag mangels Bestimmtheit als unzulässig ansieht. Ein Verständnis, der Hilfsantrag sei für den Fall der Unbegründetheit gestellt, erscheint auch nicht aus dem wohlverstandenen Interesse des Klägers geboten, weil auf den sehr weitreichend formulierten Hauptantrag umfassend die Rechtmäßigkeit etwaiger Datenübermittlungen zu prüfen ist und, wenn diese nur teilweise rechtswidrig sein sollten, der Klage teilweise stattgegeben werden kann.

2. Begründetheit der Klage

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf die von ihm begehrte Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Übermittlung seiner IP-Adresse und weiterer Daten von ihm an die bezeichneten Drittdienste bei Aufruf der Webseite des Online-Shops der Beklagten zusteht. Zwar können sich aus der DS-GVO unter Umständen auch Ansprüche auf Unterlassung von Handlungen oder automatisierten Vorgängen ergeben, nicht jedoch hinsichtlich der vom Kläger als zu unterlassend geltend gemachten Handlungen (dazu a) ). Auf Unterlassungsansprüche außerhalb der DS-GVO, insbesondere Anspruchsgrundlagen des deutschen nationalen Rechts, kann nicht zurückgegriffen werden (dazu b) ).

a) In der DS-GVO ist kein Individualanspruch auf Unterlassung der Übermittlung von Daten an Dritte normiert. Die DS-GVO kennt ihrem Wortlaut nach als möglicherweise einschlägige Ansprüche zugunsten der von Datenverarbeitung betroffenen Personen lediglich einen Anspruch auf Löschung von personenbezogenen Daten (Art. 17 DS-GVO), insbesondere, wenn sie unrechtmäßig verarbeitet wurden, und auf Schadensersatz aus Art. 82 für einen Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen die DS-GVO.

aa) Der Anspruch auf die begehrte Unterlassung ergibt sich nicht aus Art. 17 DS-GVO.

Danach hat die betroffene Person unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Verantwortlichen einer Datenverarbeitung einen Anspruch, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden. Eine Löschung von Daten verlangt der Kläger hier nicht.

Allerdings kann sich aus Art. 17 DS-GVO über den Wortlaut hinaus auch ein Anspruch auf Unterlassung ergeben. Zwar wird in Art. 17 DSGVO nur ein Löschungsrecht normiert; aus diesem in Verbindung mit Art. 79 DSGVO, der wirksame gerichtliche Rechtsbehelfe bei einer Verletzung der Datenschutzgrundverordnung garantiert, kann jedoch zugleich ein Unterlassungsanspruch hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 489/19 -, juris, Rz. 10; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 - B 1 KR 31/17 R -, BSGE 127, 181-188, Rz. 13). Denn aus der Verpflichtung zur Löschung von Daten ergibt sich implizit zugleich die Verpflichtung, diese künftig nicht (wieder) zu speichern. So sieht der Bundesgerichtshof in der erstgenannten Entscheidung vom 12.10.2021 im Löschungsanspruch des Art. 17 DS-GVO zugleich einen Unterlassungsanspruch (BGH a.a.O. Rz. 10 und 23).

Dieser aus der inneren Logik des Anspruchs auf Löschung hergeleitete Unterlassungsanspruch richtet sich jedoch nur auf die Unterlassung der Speicherung von Daten. Das Gegenstück der Löschung von Daten ist die Speicherung von Daten. Denn unter Löschen versteht man die Unkenntlichmachung gespeicherter Informationen, so dass es niemand mehr ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, die Information wahrzunehmen (vgl. etwa Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rz. 37). Der Kläger verlangt hier nicht die Unterlassung der Speicherung von Daten über ihn durch die Beklagte, sondern die Unterlassung der Übermittlung von Daten durch die Beklagte an Dritte. Wie insbesondere die Definition der Datenverarbeitung in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO und die Überschriften der Artt. 44 - 46 DS-GVO zeigen, unterscheidet die DS-GVO klar zwischen der Speicherung von Daten und der Übermittlung von Daten (an Dritte).

bb) Der vom Kläger geltend gemacht Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 82 DS-GVO.

Zwar kann sich unter Umständen - jedenfalls nach deutschem Verständnis der Schadensrestitution im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB - aus einem Schadensersatzanspruch auch ein Unterlassungsanspruch ergeben. Allerdings sind die Voraussetzungen dafür hier nicht gegeben. Der Kläger hat schon einen konkreten Schaden, der ihm durch die Weiterleitung der Daten als Folge der von ihm vorgetragenen dreimaligen Aufrufe der Webseite der Beklagten entstanden sein soll, nicht dargelegt. Ein Anspruch setzt aber die Entstehung eines - unter Umständen auch immateriellen - Schadens voraus. Der Generalanwalt führt in seinen Schlussanträgen vom 6.10.2022 zu dem beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren C-300/21 Tz. 117 dementsprechend aus: „Für die Anerkennung eines Anspruchs auf Ersatz des Schadens, den eine Person infolge eines Verstoßes gegen die genannte Verordnung erlitten hat, reicht die bloße Verletzung der Norm als solche nicht aus, wenn mit ihr keine entsprechenden materiellen oder immateriellen Schäden einhergehen. Der in der Verordnung 2016/679 geregelte Ersatz immaterieller Schäden erstreckt sich nicht auf bloßen Ärger, zu dem die Verletzung ihrer Vorschriften bei der betroffenen Person geführt haben mag.“

Zum anderen, und das ist entscheidend, kann sich aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nur dann ein Unterlassungsanspruch ergeben, wenn die erfolgte Verletzungshandlung noch andauert oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand fortdauert (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 280 Rz. 31). Der Kläger verlangt hier jedoch nicht die Beseitigung von Datenweitergaben, welche anlässlich der drei behaupteten Nutzungen der Website erfolgt sind, oder die Beseitigung von deren Folgen, sondern die Unterlassung von Datenübermittlungen bei einer künftigen Nutzung der Online-Shop-Seite der Beklagten. Es handelt es insofern um einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch.

b) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung auch nicht aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit den nach Auffassung des Klägers durch die Datenübermittlung an die Drittdienste verletzten Art. 5, 6 DS-GVO oder Art. 44 DS-GVO oder Art. 32 DS-GVO zu.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche des nationalen Rechts, soweit dies auf Verstöße gegen Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten und anderer Regelungen der DS-GVO gestützt sind, keine Anwendung finden, weil Vorschriften des DS-GVO eine abschließende, weil voll harmonisierende europäische Regelung bilden (BeckOK Datenschutzrecht/Wolf/Brink, Einleitung DS-GVO Rz. 19). Wegen dieses Anwendungsvorrangs des unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts kann ein Anspruch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts gestützt werden (BVerfG NJW 2020, 314 Rz. 34 + 41; BGH NJW 2020, 3436 Rz. 64 m.w.N.). Auf nationales Recht kann nur zurückgegriffen werden, wenn sich aus der DS-GVO eine entsprechende Öffnungsklausel ergibt.

Eine solche Öffnung ergibt sich entgegen der Meinung des Klägers nach Wortlaut und Regelungszweck nicht aus Art. 79 Abs. 1 DS-GVO. Danach hat jede betroffene Person unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden.

Zu Unrecht hat das Landgericht allerdings gemeint, dass bereits die Passage, wonach das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf „unbeschadet“ verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, außergerichtlichem Rechtsschutzes und des Rechts auf Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO gewährt werden müsse, einem Unterlassungsanspruch nach nationalem Recht entgegenstehe. Mit dem Wort „unbeschadet“ wird allein ausgedrückt, dass jene Rechtsbehelfe, die zuvor in der DS-GVO erwähnt sind, unberührt bleiben. Dies bedeutet noch nicht, dass andere Rechtsbehelfe als die unbeschadet bleibenden nicht in Betracht kommen.

Der Grund dafür, dass die Regelung des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO keine Öffnung für die Anwendbarkeit nationaler Anspruchsnormen bewirkt, hat seinen Grund vielmehr darin, dass der Begriff „gerichtlicher Rechtsbehelf“ in Art. 79 Abs. 1 DS-GVO nur verfahrensmäßige Rechtsbehelfe i.S. von Klagen und Anträgen und nicht materielle Ansprüche meint (vgl. BeckOK-Datenschutzrecht/Mundil, 42. Ed., Art. 79 DS-GVO Rz. 10, vgl. ferner VG Regensburg ZD 2020, 601). Hinzu kommt, dass der Rechtsbehelf der betroffenen Person die Durchsetzung der ihr „aufgrund dieser Verordnung“ zustehenden Rechte ermöglichen soll. Da die Regelung mithin nur die Durchsetzung und den Rechtsschutz für die „aufgrund dieser Verordnung“ der betreffenden Person „zustehenden Rechte“ sichert, kann die Bestimmung nicht Grundlage für die Einräumung materieller Ansprüche sein, die die DS-GVO selbst nicht einräumt bzw. kennt. Verfassungsrechtlicher Hintergrund der Regelung ist die Rechtsschutzgarantie des Art. 47 GRC.

Insoweit ergibt sich entgegen der Meinung des Klägers auch nichts Abweichendes aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12.1.2023 (C-132/21), weil mit diesem allein festgestellt wird, dass die in Art. 77 Abs. 1 und Art. 78 Abs. 1 einerseits und in Art. 79 Abs. 1 andererseits vorgesehenen Rechtsbehelfe nebeneinander und unabhängig voneinander ausgeübt werden können.

Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, auf der Basis von Art. 79 DS-GVO könnten auch Unterlassungsansprüche gegen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter geltend gemacht werden, betrifft dies meist die (erweiternde) Auslegung von Ansprüchen nach der DS-GVO (so wohl: Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO, 3. Aufl. Art. 79 Rz. 1 und 13;), die oben unter a) erörtert wurden. Soweit daraus abgeleitet wird, es könne auf Unterlassungsansprüche des nationalen Rechts zurückgegriffen werden, vermag der Senat dem aus den vorstehenden Gründen nicht zu folgen (so auch: Leibold/Laoutounai, ZD Aktuell 2021, 05583). Entgegen der Meinung des Klägers wird auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht die Auffassung vertreten, wegen Verstößen gegen die DS-GVO könne aufgrund nationalen Rechts - aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 oder 2 BGB - auf Unterlassung geklagt werden (näher unten III.). Soweit der Kläger sich für seine Rechtsauffassung auf Urteile des Bundesgerichtshofs und von Oberlandesgerichten beruft, betreffen diese Veröffentlichungen in der Presse, bei denen nach Art. 85 Abs. 1 und 2 DS-GVO ergänzende und abweichende nationale Regelungen zur DS-GVO getroffen werden können (so insbesondere die angeführte Entscheidung BGH, Urteil vom 21.1.2021 - I ZR 207/19 Rz. 36 - 44: Bildnisveröffentlichung).

Durch die Beschränkung auf die von der DS-GVO in den Art. 15, 17 und 82 DS-GVO eingeräumten Individualansprüche stehen die von einem Verstoß gegen die Datenverarbeitungsregeln der DS-GVO Betroffenen nicht rechtlos da. Die Aufgabe der Durchsetzung und Überwachung der DS-GVO ist - neben den Individualansprüchen - nach Art. 51 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 1 a) DS-GVO grundsätzlich umfassend den Aufsichtsbehörden im Sinne eines „Public Enforcement“ zugewiesen. Die DS-GVO sieht dafür in den Art. 77 und 78 DS-GVO vor, dass der Betroffene sich wegen angenommener Verstöße gegen die DS-GVO mit einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde wenden kann. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung steht ihm nach Art. 78 DS-GVO der Klageweg gegen die Aufsichtsbehörde offen (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, a.a.O. Art. 78 Rz. 9 ff.). Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, auf welche sich der Kläger mit seiner Klage zentral beruft, nämlich das Urteil vom 16.7.2020 (C-311/18, NJW 2020, 559 „Schrems II“), welches die Voraussetzungen für eine Übermittlung von Daten in Drittländer nach den Artt. 45, 46 DS-GVO betrifft, beruht dementsprechend auf einem Ausgangsverfahren, bei dem der Kläger von der Aufsichtsbehörde bestimmte Maßnahmen gegen Facebook verlangt hat. Diese wurden abgelehnt und danach (zunächst) Klage gegen die Aufsichtsbehörde erhoben.

Ein sachlicher Grund für diese Rechtslage, dass Individualansprüche der Betroffenen gegen die Verantwortlichen gerade bezüglich der Einhaltung der Regelungen der Artt. 44 ff. DS-GVO nicht vorgesehen wurden, besteht darin, dass über die generelle Frage der Zulässigkeit der Übermittlung ins Ausland auf dem Beschwerdeweg über Datenschutzbehörden einheitlich entschieden werden kann (vgl. Art. 51 Abs. 2 DS-GVO: Mitarbeit der Datenschutzbehörden bei der einheitlichen Anwendung der DS-GVO). Insofern überzeugt der Hinweis, dass die Möglichkeit, sich an Aufsichtsbehörden zu wenden, sachgerechter ist, weil dies abgestimmtes Verhalten ermöglicht und deren Anordnungen - anders als zivilgerichtliche Urteile - nicht nur inter partes wirken (Nink ZD 2022, 238). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Betroffenen, dem durch eine rechtswidrige Übermittlung seiner Daten ins Ausland ein Schaden entsteht, ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO zusteht.

III. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO

Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Insbesondere erscheint eine Zulassung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ein Rückgriff auf Anspruchsgrundlagen des nationalen Rechts bei der Geltendmachung von Verstößen gegen Vorschriften der DS-GVO bislang nicht anerkannt. Die vom Kläger für seine Meinung angeführten Entscheidungen betreffend andere Fallgestaltungen. Beispielhaft seien hier aufgeführt: Die Entscheidungen OLG Dresden (MMR 2020, 180) und des Senats (16 U 193/17) betreffen Auslistungsansprüche nach Art. 17 DS-GVO. Das OLG Dresden (ZD 2022, 235) hat über Löschungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche entschieden, nicht über einen Unterlassungsanspruch. Das Urteil des OLG Frankfurt vom 14.4.2022 (3 U 21/20) hatte die Sonderkonstellation der (versehentlichen) Versendung eines Kontoauszuges an eine andere Person als zu Kontoinhaber zum Gegenstand. Das angegebene Urteil des OLG Stuttgart (ZD 2022, 105) betrifft die Zulässigkeit einer Videoüberwachung nach dem BDSG. Nur einzelne Entscheidungen von Amts- und Landgerichten haben auf §§ 1004, 823 BGB zurückgegriffen. Diese betreffen - soweit ersichtlich - aber jedenfalls nicht Verstöße gegen die Art. 44 ff. DS-GVO. Einzige Ausnahme ist eine Entscheidung des Landgerichts München (K&R 2022, 865), die die Problematik des vollharmonisierten europäischen Rechts schon nicht erkennt, eindeutig auf unrichtiger Rechtsanwendung beruht und deshalb keine Zulassung der Revision rechtfertigt. Im Übrigen betreffen viele Urteile, auf die der Kläger sich für seine Rechtsauffassung beruft, Veröffentlichungen in der Presse, bei denen nach Art. 85 DS-GVO nationale Regelungen durch die DS-GVO nicht ausgeschlossenen werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Ist Unterlassungsschuldner ein Kaufmann kann dieser eine Unterlassungserklärung auch wirksam als PDF-Datei per E-Mail abgegeben - Kein Original per Post erforderlich

BGH
Urteil vom 12.01.2023
I ZR 49/22
Unterwerfung durch PDF
BGB § 126 Abs. 1, § 150 Abs. 2; HGB § 343 Abs. 1, § 350; ZPO § 93


Der BGH hat entschieden, dass ein Kaufmann eine Unterlassungserklärung auch wirksam als PDF-Datei per E-Mail abgegeben kann. Es ist in einem solchen fall nicht erforderlich, ein Original per Post zu schicken.

Leitsätze des BGH:
a) Eine von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung unterliegt der Formfreiheit (§ 343 Abs. 1, § 350 HGB).

b) Es fehlt im Regelfall nicht an der Ernstlichkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung, wenn der Unterlassungsschuldner dem Verlangen des Unterlassungsgläubigers nicht nachkommt, innerhalb der gesetzten Frist eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original zu übersenden, sondern er stattdessen fristgemäß eine unterschriebene Erklärung als PDF-Datei per E-Mail übersendet.

BGH, Urteil vom 12. Januar 2023 - I ZR 49/22 - LG Stuttgart - AG Kirchheim unter Teck

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Karlsruhe: Kein Verstoß gegen Unterlassungserklärung und keine Vertragsstrafe wenn wettbewerbswidrige Inhalte noch im Internetarchiv Wayback Machine aufrufbar sind

LG Karlsruhe
16.02.2023
13 O 2/23 KfH


Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass kein Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung vorliegt und somit kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe besteht, wenn die streitgegenständlichen wettbewerbswidrigen Inhalte noch im Internetarchiv Wayback Machine aufrufbar sind

Aus den Entscheidungsgründen:
"Es stellt keinen Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung dar, es nicht zu verhindern, dass alte Webseiten-Versionen mit der zu unterlassenden Werbung, die aus der Zeit vor Zustandekommen des Unterlassungsvertrags stammen, in einem von Dritten selbständig betriebenen Web-Archiv weiterhin auffindbar sind, welches von üblichen Internet-Suchmaschinen nicht durchsucht werden kann.
[...]
(3) Hiergegen kann die Klägerin nicht einwenden, dass – was im Ansatz zutreffend ist – die Erfül-- lung der hier eingegangenen Unterlassungsverpflichtung davon abhängig ist, dass zunächst die Quelle fortdauernder Störungen beseitigt werden muss, sodass die Beseitigung quasi notwendige Voraussetzung der Unterlassung ist und als deren Teilaspekt erscheint. Der Schuldner muss alle ihm im Einzelfall zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um künftige Zuwiderhandlungen zu verhindern (BGH, GRUR 2018, 1183 Rn. 9 – Wirbel um Bauschutt; MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 8 Rn. 136 m.w.N.; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 12 Rn. 5.4a). Insbesondere ist auf Suchmaschinenbetreiber hinzuwirken, da deren Cache häufig Beiträge im Internet noch verfügbar hält, die auf der Originalseite bereits seit länge rem gelöscht worden sind (OLG Köln, GRUR-RR 2020, 276 Rn. 43 m.w.N.). Denn bei einer Dau erhandlung – hier: auf der Homepage vorgehaltene Inhalte – ist die Nichtbeseitigung des Verlet--zungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung (BGH, GRUR 2015, 258 Rn. 64 – CT-Paradies). Dementsprechend musste die Beklagte sowohl ihre Home page anpassen als auch auf Suchmaschinenbetreiber einwirken. Beides ist indes unstreitig und mit Erfolg geschehen. Die fragliche Werbung findet sich nicht mehr auf der Homepage und wird auch bei einer Google-Suche oder mittels sonstiger Suchma schinen nicht gefunden. Mit dem Anbieter der Wayback Machine musste die Beklagte schon des wegen nicht in Kontakt treten, weil die bloße Auffindbarkeit einer dortigen Archivierung, wie darge--legt, schon nicht den Charakter einer geschäftlichen Handlung der Unterlassungsschuldnerin trägt. Die bloße Auffindbarkeit früherer Werbung hätte also schon ursprünglich nicht verboten werden können, so dass sich etwaige Beseitigungspflichten der Beklagten auch nicht auf diese Internetquelle erstreckten.

(4) Es kommt hinzu, dass der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs grundsätzlich nicht für das selbstständige Handeln Dritter einzustehen hat (BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 26 – Vertragsstrafenklausel; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 30 – Rückruf von RESCUE-Produkten; BGH, GRUR 2017, 823 Rn. 29 – Luftentfeuchter). Das entbindet ihn zwar im Rahmen seiner durch Auslegung ermittelten positiven Handlungspflicht nicht davon, auf Dritte einzuwirken. Dies gilt jedoch nur für Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt und bei denen er mit (weiteren) Verstößen ernstlich rechnen muss (BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 26 – Vertragsstrafenklausel; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 30 – Rückruf von RESCUE-Produkten; BGH, GRUR 2017, 823 Rn. 29 – Luftentfeuchter; BGH, GRUR 2018, 1183 Rn. 11, 19 – Wirbel um Bauschutt). Im Streitfall kommt die Archivierung und Vorhaltung veralteter Homepage-Versionen der Beklagten wirtschaftlich nicht zugute. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, wie dies der Fall sein sollte. Außer ihrem Prozessbevollmächtigten, der gezielt auf der Suche nach einer (vermeintlichen) Verletzung des Unterlassungsgebots unter Nutzung seiner Fachkenntnisse die Wayback Machine im Netz aufgesucht und einen Stand der Homepage der Beklagten zeitlich vor der Unterlassungserklärung angesteuert hat, kommt, wie ausgeführt, kein Marktteilnehmer auf die Idee, im Internet an dieser Stelle nachzuforschen und das Aufgefundene noch dazu als aktuelle Werbung der Beklagten zu interpretieren."



OLG Schleswig-Holstein: Nach Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen eines nicht klickbaren Links auf OS-Plattform genügt Kontrolle der Funktionsfähigkeit des Links einmal pro Monat

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 09.03.2023
6 U 36/22


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass es genügt, wenn der Unterlassungsschuldner nach Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen eines nicht klickbaren Links auf die OS-Plattform die Funktionsfähigkeit des Links einmal pro Monat kontrolliert.

Aus den Entscheidungsgründen:
cc) Aus der Aussage der Zeugin K1 hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte alles Erforderliche unternommen hat, um ihrer Verpflichtung aus der Unterlassungsvereinbarung nachzukommen.

aaa) Die Beklagte ist zunächst nach der Abmahnung im erforderlichen Umfang tätig geworden. Wie die Zeugin bekundet hat, hat sie für die Beklagte am 19.08.2021 einen klickbaren Link auf der über E-Bay aufrufbaren Website der Beklagten eingerichtet und auf seine Funktionsfähigkeit überprüft. Sie habe, so hat sie ausgesagt, diese Prüfung danach noch einmal von einem Mobilgerät aus über ihr privates E-Bay-Konto vorgenommen.

Der Senat glaubt der Zeugin. Die Zeugin hat nachvollziehbar erklärt, weshalb sie nach über 1 1/2 Jahren noch mit Sicherheit bekunden konnte, dass und wann genau sie entsprechend tätig geworden ist. Sie hat erläutert, dass sie dergleichen gewohnheitsmäßig notiere. Nachvollziehbar war auch ihre Erklärung, dass die Beklagte zur Vermeidung von Vertragsstrafenzahlungen die Unterlassungserklärung erst abgegeben habe, nachdem die Beanstandungen abgearbeitet worden seien.

Die Beklagte hat es nicht bei der Einrichtung des Links bewenden lassen, sondern seine Funktionstüchtigkeit auch später noch einmal von der Zeugin überprüfen lassen. Auch dies hat die Zeugin bekundet. Ihrer Aussage zufolge werden die Angaben auf der Website etwa alle zwei bis sechs Wochen überprüft. Sie könne definitiv sagen, dass sie auch die Funktionsfähigkeit des Links in der Zeit zwischen 19.08.2021 und dem 23.09.2021 noch einmal überprüft habe. Wann dies gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Sie sei sicher, dass sie dies auch hier jedenfalls vor Antritt ihres Urlaubs am 22.09.2021 getan habe.

Der Senat glaubt der Zeugin auch insoweit. Es spricht für ihre Glaubwürdigkeit, dass sie eingeräumt hat, das Datum der Überprüfung nicht mehr zu erinnern. Zugleich ist ihre Begründung dafür, weshalb sie gleichwohl mit Sicherheit eine Überprüfung bestätigen könne, nachvollziehbar und glaubhaft. Sie konnte hierfür nicht nur allgemein auf die routinemäßigen Kontrollabstände verwiesen. Sie konnte vielmehr eine Kontrolle vor dem 23.09.2021 auch damit plausibel machen, dass sie vor ihrem Urlaub noch habe sicherstellen wollen, dass währenddessen alles reibungslos funktioniere und sie nicht zwischendurch tätig werden müsse oder die Shops offline geschaltet werden müssten. Dass die Zeugin berechtigt diese Sorge haben konnte, zeigt der weitere Verlauf. Nach der neuerlichen Beanstandung erhielt sie tatsächlich im Urlaub einen Anruf des Geschäftsführers der Beklagten. Auch wurde die Website offline genommen.

bbb) Mehr als das Einrichten eines klickbaren Links, dessen anschließende Überprüfung und eine weitere Überprüfung im Rahmen routinemäßiger Kontrollen konnte von der Beklagten nicht verlangt werden. Auch die Kontrolldichte war ausreichend. Da die Zeugin nur von einer einmaligen Kontrolle im Zeitraum zwischen dem 19.08. und dem 23.09.2021 berichtet hat, ist allerdings nur ein einmonatiger Kontrollrhythmus erwiesen. Dies war hinsichtlich der betreffenden Angabe aber auch ausreichend.

Der Senat legt dieser Bewertung im Ausgangspunkt zugrunde, dass die Beklagte ernsthaft dafür Sorge tragen musste, einen klickbaren Link einzurichten und dessen Funktionstüchtigkeit zu überwachen. Dies folgt schlicht daraus, dass sie sich vertraglich dazu verpflichtet hatte, auf ihrer Website einen klickbaren Link zur Verfügung zu stellen. In welchem Umfang die Beklagte Maßnahmen zur Umsetzung und Kontrolle der Verpflichtung tätig zu treffen hatte, muss sich maßgeblich danach bemessen, welche Bedeutung die Verpflichtung für den lauteren Geschäftsverkehr, dessen Durchsetzung die Unterlassungsvereinbarung dient, und für den Schutz der Verbraucher hat, ferner welche Gefahr von einer pflichtwidrigen Unterlassung ausginge und nicht zuletzt, wie hoch die Gefahr eines nachträglichen Funktionsverlusts des Links einzuschätzen war.

Im Hinblick auf die Bedeutung der Linksetzung ist einerseits zu berücksichtigen, dass das Fehlen des klickbaren Links im Rahmen einer wettbewerblichen Unterlassungsklage als spürbarer Wettbewerbsverstoß i. S. d. § 3a UWG hätte gelten müssen, weil die Verpflichtung unionsrechtlich geregelt ist. Andererseits teilt die Beklagte anlässlich der Information zur Online-Streitbeilegung ausdrücklich mit, dass sie zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren nicht verpflichtet und nicht bereit sei (Anl. K 2 Bl. 3). Diese Mitteilung ist zulässig und wurde von dem Kläger dementsprechend auch nicht angegriffen. Die Bereitstellung des Link ist zwar verpflichtend (Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 524/2013), die Teilnahme an der Online-Streitbeilegung aber nicht (vgl. Erwägungsgrund 26 ebd.). Angesichts der unmissverständlichen Positionierung der Beklagten erscheint es schon fraglich, dass Verbraucher in nennenswerter Zahl den Link überhaupt anklicken. Es käme jedenfalls auch dann aller Voraussicht nach nicht zu dem gewünschten Ziel der außergerichtlichen Streitbelegung. Insofern sind im vorliegenden Fall die Bedeutung des funktionstüchtigen Links nicht zu hoch. Entsprechend gering ist der Nachteil zu gewichten, der dem Verbraucher durch die Funktionsuntüchtigkeit des Links entsteht.

Entscheidend fällt vor Allem aber ins Gewicht, dass die Beklagte nicht mit Änderungen an den von ihr gemachten Angaben rechnen musste. Auch der Kläger trägt keine Anhaltspunkte dafür vor, weshalb sie mit einem nachträglichen Wegfall der Funktionalität hätte rechnen müssen. Die Zeugin K1 hat anschaulich beschrieben, dass sie die bei Einrichtung eines Online-Shops auf E-Bay notwendigen Händlerangaben gemacht habe, nachdem sie sich auf der Plattform für die Beklagte angemeldet habe. Es ist nicht erkennbar, wer außer der Beklagten Zugriff auf diese Angaben nehmen und sie verändern könnte. Dies unterscheidet den Fall grundlegend von demjenigen, den das Landgericht Berlin in dem von dem Kläger in Bezug genommenen Urteil zu entscheiden hatte (Schriftsatz vom 12.01.2022 S. 2 f mit Anl. K 11). Das Landgericht Berlin vertrat die Auffassung, dass bei E-Bay gemachte Angaben mehrmals täglich überprüft werden müssten. Streitgegenständlich dort war aber die Überprüfung der eingestellten Angebote im Hinblick auf inhaltliche Änderungen an Angaben, die von Dritten vorgenommen werden konnten. Konkret ging es um die Gestaltung von Grundpreisangaben. Insoweit hatte die dortige Beklagte eine Überprüfungspflicht nicht einmal bestritten und sich auf tägliche Kontrollen berufen. Hier aber steht nicht die inhaltliche Gestaltung der Angebote in Rede, sondern die Funktionstüchtigkeit eines nach Anmeldung namens der Beklagten gesetzten Links. Auch bei einer solchen Angabe besteht zwar eine Kontrollpflicht. Es kann nie ausgeschlossen werden, dass der Link durch nicht vorhersehbare nicht vorhersehbare äußere Einflüsse seine Funktionstüchtigkeit verliert. Da aber keine konkrete Gefährdungssituation bestand und zudem die Bedeutung der Angabe aus den dargestellten Gründen eher gering zu veranschlagen ist, erscheint eine routinemäßige monatliche Kontrolle als noch ausreichend.


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AG Ludwigsburg: Rechtsmissbrauch durch Google Fonts-Abmahnungen - Kein Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten

AG Ludwigsburg
Urteil vom 28.02.2023
8 C 1361/22

Das AG Ludwigsburg hat zutreffend entschieden, dass die Google Fonts-Abmahnungen eine Serienabmahners rechtsmissbräuchlich waren. Daher besteht auch kein Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Widerkläger hat gegen die Widerbeklagte keinen Anspruch auf Unterlassung gem. § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog und auf Schadensersatz gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO wegen der dynamischen Einbindung von X. Fonts auf der Webseite der Widerbeklagten.

1. Das Landgericht München I (Urteil vom 20.01.2022 -3017493/20 -, juris) hat entschieden, dass die unerlaubte Weitergabe der IP-Adresse eines Webseitenbesuchers wegen der dynamischen Einbindung von X. Fonts auf der Webseite eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Webseitenbesuchers darstellt und ein Unterlassungsanspruch gem. § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog sowie ein Schadensersatzanspruch gern. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO bestehen, wenn keine Rechtfertigungsgründe in Betracht kommen.

14
Unbestritten hat der Widerkläger am 17.09.2022 die Webseite der Widerbeklagten unter Einsatzes eines Webcrawlers aufgesucht. Ob der Besuch mit der IP-Adresse des Widerklägers (…) erfolgte, ob die Widerbeklagte einen Link zugunsten von X. in den USA zur Weiterleitung der IP-Adresse des Besuchers der Webseite eingerichtet hatte und die IP-Adresse des Widerklägers an einen Server von X. in den USA gesandt wurde, kann dahinstehen. Ebenso kann dahinstehen, ob ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO beim Aufsuchen der Webseite mittels eines Webcrawlers überhaupt in Betracht kommt.

2. Den vom Widerkläger geltend gemachten Ansprüchen steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegen.

Die Rechtsausübung ist rechtsmissbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (Grüneberg, BGB, 81. Aufl., §242 Rn. 50). Das Interesse ist jedenfalls dann nicht schutzwürdig, wenn mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als beherrschendes Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen, wobei eine Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 28.05.2020 -1 ZR 129/19 -, juris).

In § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG ist geregelt, dass eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen ist, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen dem § 8 Abs. 4 Abs. 1 UWG, der allerdings die Vertragsstrafe nicht erwähnte. Der Gesichtspunkt des rechtsmissbräuchlichen Einnahmeerzielungs- und Kostenbelastungsinteresse ist in der Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht seit langem anerkannt (Köhler-Bornkamm-Feddersen, UWG, 41. AufI. § 8c Rn. 14).

Auch wenn diese Vorschrift mangels eines Wettbewersbverhältnisses der Parteien und einer gewerblichen Tätigkeit des Widerklägers keine direkte Anwendung findet, ändert dies nichts daran, dass der Rechtsgedanke des § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG auch im Rahmen des § 242 BGB zu berücksichtigen ist (LG Dresden, Urteil vom 11.01.2019 -1a O 1582/18 -, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erscheint die Rechtsausübung des Widerklägers rechtsmissbräuchlich, da nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände beim Widerkläger nicht das Unterlassungsinteresse, sondern das Interesse an einer Einnahmeerzielung im Vordergrund steht.

a. Der Widerkläger hat innerhalb des Zeitraums vom 14.09.2022 bis 20.10.2022 unter Berücksichtigung der nach fortlaufenden Nummern vergebenen Aktenzeichen 217.540 Anschreiben verschickt, welche dem an die Widerbeklagte unter dem Datum vom 20.10.2022 verschickten Anschreiben entsprechen. Dass die Aktenzeichen nach fortlaufenden Nummern vergeben wurden, hat der Widerkläger, der dies vorgerichtlich noch in Abrede gestellt hatte, nicht bestritten.

Bei den verschickten Anschreiben handelt es sich nicht um klassische Abmahnungen, da nicht die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassung verlangt wird. Vielmehr wird zur umfassenden Abgeltung der datenschutzrechtlichen Ansprüche eine Zahlung von 170,00 Euro als Vergleich angeboten. Hätten alle im oben genannten Zeitraum Angeschriebenen den Betrag von 170,00 Euro bezahlt, hätte der Widerkläger einen Betrag in Höhe von 36.981.800,00 Euro eingenommen.

Der Widerkläger selbst hat angegeben, dass es ihm vorrangig darum ging, Aufmerksamkeit für das Thema X. Fonts zu erzeugen, um hierüber eine Änderung des Nutzerverhaltens zu er reichen. Dass dies nur dadurch zu erreichen war, dass eine so große Anzahl von Anschreiben verschickt wird verbunden mit der Aufforderung 170,00 Euro an den Widerkläger zu bezahlen, um die Sache auf sich beruhen zu lassen, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Soweit der Widerkläger vorträgt, dass es sich bei diesem Betrag um eine Schmerzensgeldforderung handle, wird darauf hingewiesen, dass dies dem Anschreiben nicht zu entnehmen ist. In dem Anschreiben wird der Betrag in Höhe von 170,00 Euro vielmehr als Ausgleichszahlung zur Abgeltung der vorgenannten Ansprüche gefordert. Im Abmahnschreiben vom 12.12.2022 hat der Widerkläger dann erstmals einen Betrag in Höhe von 170,00 Euro als Schmerzensgeld gefordert.

b. Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Unterlassungsinteresse des Widerklägers durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 170,00 Euro besänftigt hätte werden können.

Mit Abgabe der Unterlassungserklärung soll zukünftigen Rechtsverletzungen vorgebeugt werden. Bereits dadurch, dass der Widerkläger im Anschreiben vom 20.10.2022 angeboten hat, bei Zahlung eines Betrages in Höhe von 170,00 Euro die Sache auf sich beruhen zu lassen, kommt zum Ausdruck, dass es dem Widerkläger nicht vorrangig darum ging, dass weitere datenschutzrechtliche Verstöße unterbleiben, sondern um die Erzielung von Einnahmen. Der Widerkläger selbst hat ausgeführt, dass die Abgabe einer Unterlassungserklärung zwar zielführender gewesen wäre, diese aber im Zweifel nicht notwendig sei. Dies begründet der Widerkläger damit, dass wer auf seiner Webseite X. Fonts einmal zulässig eingestellt hat, dies kaum wieder rückgängig machen wird. Dies mag zwar so sein, ändert jedoch nichts daran, dass jedenfalls eine Wiederholungsgefahr besteht, welche der Widerkläger in Kauf nimmt, wenn er dafür 170,00 Euro erhält.

Darüber hinaus hat der Widerklägervertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der Widerkläger davon ausgegangen wäre, dass mit der Bezahlung des Betrages von 170,00 Euro durch den Angeschriebenen die Webseite datenschutzkonform ausgerichtet wurde. Dem Vorbringen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass eine Überprüfung stattgefunden hätte, ob tatsächlich eine datenschutzkonforme Ausrichtung erfolgt ist. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass es dem Widerkläger in erster Linie darum ging, von den Angeschriebenen die 170,00 Euro zu erhalten.

Dass es rechtsmissbräuchlich ist, wenn sich der Abmahnende seinen Unterlassungsanspruch vom Abgemahnten abkaufen lässt, ist auch im Wettbewerbsrecht anerkannt (OLG München, Urteil vom 22.12.2011 - 29 U 3463/11-, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 07.07.2010 - 5 U 16/10-, juris).

c. Für ein im Vordergrund stehendes Einnahmeerzielungsinteresse spricht auch, dass der Widerkläger bislang nur dann weitere Maßnahmen ergriffen hat, wenn von den Angeschriebenen negative Feststellungsklage erhoben wurde, obwohl nur insgesamt 2.418 Angeschriebene die geforderten 170,00 Euro bezahlt haben. Soweit der Widerklägervertreter ausführt, dass auch im Hinblick auf den hohen Verwaltungsaufwand die Ansprüche bislang nicht weiter verfolgt worden seien, überzeugt dies nicht. Zum einen gab der Widerklägervertreter an, dass dies „auch“ am hohen Verwaltungsaufwand liege, ohne noch einen weiteren Grund zu nennen. Zum anderen ist nicht nachvollziehbar, warum nicht jedenfalls gegen eine gewisse Anzahl der Angeschriebenen, welche nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist die Vergleichssumme nicht bezahlt hat und auch keine negative Feststellungsklage erhoben hat, weiter vorgegangen wurde, zumal dem Anschreiben eindeutig zu entnehmen ist, dass nur bei Bezahlung der Vergleichssumme der Widerkläger die Sache auf sich beruhen lässt. Tatsächlich war es aber so, dass - anstatt die Ansprüche der bereits Angeschriebenen weiterzuverfolgen -immer noch weitere Anschreiben verschickt wurden.

d. Für eine rechtsmissbräuchliche Ausübung spricht auch, dass unter Berücksichtigung des Umfangs der Aktion und des Kostenrisikos sowohl auf Seiten des Widerklägers als auch auf Seiten des Widerklägervertreters anzunehmen ist, dass der Widerkläger mit seinem Bevollmächtigten in kollusiver Weise eine Teilung des erwirtschafteten Gewinns vereinbart hat.

Es oblag dem Widerkläger im Rahmen der sekundären Darlegungslast nachvollziehbar darzulegen, wie das Mandat abgerechnet wird bzw. was er an seinen Bevollmächtigten bezahlt hat. Der Widerkläger hat trotz des Bestreitens der Widerbeklagten, dass überhaupt eine Beauftragung erfolgt ist und, wenn doch, dass der Widerkläger seinen Bevollmächtigten bezahlt hat, dies weder nachvollziehbar dargelegt noch unter Beweis gestellt. Der Widerkläger hat lediglich ausgeführt, dass er den von ihm beauftragten Anwalt für seine Tätigkeit, und zwar für jedes Mandat, gemäß Gesetzeslage bezahlt. Hinsichtlich der Gesetzeslage hat er auf die Novembermann Entscheidung des BGH (BGH, Urteil vom 06.06.2019 -I ZR 150/18-, juris) hingewiesen und dargelegt, dass ein kumulierter Streitwert aller inhaltsgleicher Verfahren zugrunde zu legen sei. Dies führe unter Berücksichtigung von 217.540 Anschreiben zu einem je Angeschriebenen zu zahlenden Betrag in Höhe von brutto 1,89 Euro (Streitwert 36.981.180,00 Euro, 1,3 Geschäftsgebühr 161.185,70 Euro zzgl. Postkosten 184.909,00 Euro zzgl. 19 % MwSt. ergibt 411.852.69 Euro). Dem Rechenmodell liegt eine ex-post-Betrachtung für den Zeitraum 14.09. - 20.10.2022 zugrunde. Insoweit wurden vom Widerkläger die Angaben der Widerbeklagten hinsichtlich der Anzahl der in diesem Zeitraum verschickten Anschreiben übernommen. Unbestritten verschickte der Widerkläger aber entsprechende Anschreiben über mehrere Monate, also über einen längeren Zeitraum als vom 14.09 - 20.10.2022. Unter Berücksichtigung, dass der Widerkläger den Widerklägervertreter in Bezug auf jedes Mandat vergütet haben will, ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht, auf welchen Betrag sich die Vergütung für das Tätigwerden des Widerklägervertreters beläuft. Des Weiteren mag die aufgrund der vorgenommenen Berechnung pro Anschreiben berechnete Vergütung gering sein, in Anbetracht der großen Anzahl von Anschreiben ist die Vergütung aber hoch und es ist nicht plausibel, dass der Widerkläger dieses Kostenrisiko selbst trägt. Es widerspricht aber auch der Lebenserfahrung, dass der Widerklägervertreter tätig wird, obwohl ihm unter Berücksichtigung der von ihm vorgenommenen Berechnung seiner Vergütung für den Zeitraum 14.09 -20.10.2022 bereits unter Berücksichtigung der Portokosten für die Anschreiben keine kostendeckende Vergütung mehr zustehen dürfte.

3. Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren für das Abmahnschreiben vom 12.12.2022 teilt das Schicksal der Hauptforderung.


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BGH: Abmahnverein IDO war nach UWG aF § 8 Abs. 3 Nr. 2 zur Abmahnung befugt und handelte nicht rechtsmissbräuchlich

BGH
Urteil vom 26.01.2023
I ZR 111/22
Mitgliederstruktur
UWG aF § 8 Abs. 3 Nr. 2


Der BGH hat entschieden, dass der Abmahnverein IDO nach UWG aF § 8 Abs. 3 Nr. 2 zur Abmahnung befugt war und nicht rechtsmissbräuchlich handelte.

Leitsatz des BGH:
Für die Klagebefugnis eines Verbands kommt es grundsätzlich nicht darauf an, über welche mitgliedschaftlichen Rechte dessen - mittelbare oder unmittelbare - Mitglieder verfügen. Wie bei mittelbaren Mitgliedern kommt es auch bei unmittelbaren Mitgliedern auf deren Stimmberechtigung nur an, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihre Mitgliedschaft allein bezweckt, dem Verband die Klagebefugnis zu verschaffen (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 218/03, GRUR 2007, 610 [juris
Rn. 21] = WRP 2007, 778 - Sammelmitgliedschaft V).

BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22 - OLG Düsseldorf - LG Krefeld

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BMJ: Schlussbericht der Evaluierung der Regelungen zur Verhinderung des Abmahnmissbrauchs

Das BMJ hat den Schlussbericht der Evaluierung der Regelungen zur Verhinderung des Abmahnmissbrauchs vorgelegt.


LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "German Quality" und Farben der Deutschlandfahne wenn Produkt im Ausland hergestellt wird

LG Hamburg
Urteil vom 02.06.2022
327 O 307/21


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "German Quality" und Farben der Deutschlandfahne vorliegt, wenn das Produkt im Ausland hergestellt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG i. V. m. den §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG.

Die streitgegenständlichen Verpackungsaufmachungen sind irreführungsgeeignet i. S. v. § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG. Die angesprochenen Durchschnittsverbraucher der hier in Rede stehenden Waren werden der Abbildung der Farben der Deutschlandfahne schwarz/rot/gold in drei Balken nebeneinander mit dem Zusatz „German Quality“ nicht nur die Beschreibung einer bestimmten - deutschen, „German“ - Qualität, unabhängig vom Ort der Herstellung, entnehmen, sondern diese Bestandteile der Verpackungsaufmachungen als Hinweise auf den Ort der Herstellung der Kondome auffassen, auch wenn - anders als in dem vom OLG Frankfurt a. M. (Beschluss v. 17.08.2020, Az. 6 W 84/20, GRUR-RS 2020, 21585) entschiedenen Fall - auf der Verpackung kein Bezug auf den Herstellungsprozess als solchen genommen wird. Das Argument der Beklagten, unter deutscher Qualität verstehe der Verbraucher unabhängig vom Herstellungsort die Einhaltung der für Deutschland einschlägigen Industrienormen und Parameter sowie überobligatorische Tests und die stichprobenartige Qualitätsprüfung durch die Beklagte als deutsches Unternehmen, überzeugt insoweit nicht. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher hat nämlich keine Kenntnis von etwaig hier einschlägigen konkreten Industrienormen und sonstigen Herstellungsparametern im Einzelnen oder davon, ob und welche besonderen technischen Qualitätsnormen in Deutschland im Vergleich zum Ausland gelten. Eine derartige Vorstellung des angesprochenen Verkehrs anzunehmen, überspannte vielmehr dessen Kenntnisstand und die daraus resultierenden Vorstellungen von einer - wie auch immer gestalteten - „deutschen Qualität“. Gerade bei einem - wie vorliegend - einteiligen Produkt, das aus einem Rohstoff in einem Herstellungsschritt erzeugt wird, wird der Verbraucher der Abbildung einer Deutschlandfahne mit den Worten „German Quality“ entnehmen, dass dieses in Deutschland hergestellt wird, sich die Qualität mithin aus den Fertigungsstandards sowie der Ausbildung und Kenntnisse der Mitarbeiter am Produktionsstandort Deutschland ergibt, nicht hingegen lediglich daraus, dass einem Lohnhersteller im Ausland bestimmte qualitative Vorgaben gemacht werden, deren Einhaltung im Inland lediglich stichprobenartig überprüft wird.

II. Der von der Klägerin geltend gemachte Abmahnkostenersatzanspruch nebst Rechtshängigkeitszinsen folgt aus § 13 Abs. 3 UWG i. V. m. den §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB. Dem Grunde nach wird wegen der Irreführungseignung der abgemahnten Produktaufmachung auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Auch die übrigen abgemahnten Werbeaussagen waren irreführend i. S. v. § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG, da auch sie dem angesprochenen Verkehr suggeriert haben, die so beworbenen Produkte würden - wie unstreitig nicht - in Deutschland hergestellt. Der Höhe nach ist der von der Klägerin für die Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert von 125.000,00 €, von dem ein Teilgegenstandswert von 75.000,00 € auf die Abmahnung der Produktaufmachungen und der Gegenstandswert im Übrigen auf die Abmahnung der drei o. g. Werbeaussagen im Internet entfällt, nicht übersetzt. Der höhere Gegenstandswert der Abmahnung der Produktaufmachungen bildet vielmehr das höhere wirtschaftliche Interesse der Klägerin an deren Verbot, insbesondere aufgrund deren hohen Angriffsfaktors, nachvollziehbar ab.


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OLG Braunschweig: Keine Markenrechtsverletzung durch Nutzung einer fremden Marke beim Keyword-Advertising bzw. bei Google Ads

OLG Braunschweig
Urteil vom 09.02.2023
2 U 1/22


Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass keine Markenrechtsverletzung durch Nutzung einer fremden Marke beim Keyword-Advertising bzw. bei Google Ads vorliegt, sofern die Leistungen des Markeninhabers nicht nachgeahmt oder verunglimpft werden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Zulässige Nutzung einer fremden Marke beim Keyword-Advertising

Bei dem „Keyword-Advertising“ buchen Werbende sogenannte Keywords bei einem Suchmaschinenbetreiber, bei deren Eingabe die von ihnen erworbenen Werbeanzeigen in der Ergebnisliste angezeigt werden. Nutzt der Werbende für seine Anzeige dabei eine Marke oder eine kennzeichenrechtlich geschützte Bezeichnung Dritter als Keyword, stellt sich oftmals die Frage, ob darin eine Verletzung der Marke oder des Unternehmenskennzeichens liegt.

Mit dieser Frage hat sich der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig in seinem Urteil vom 9. Februar 2023 (Az. 2 U 1/22) befasst, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Die Beklagte, eine Betreiberin eines Vergleichsportals für Kreditvermittlungsangebote im Internet, nutzte den Begriff „smava“ als Keyword u. a. bei der Suchmaschine Google. Ihre Werbeanzeige erschien daraufhin in der Liste der Suchergebnisse an zweiter Stelle nach einer Anzeige der Klägerin, die Inhaberin der Wortmarke „smava“ ist und unter ihrer geschäftlichen Bezeichnung „smava GmbH“ ebenfalls ein Online-Vergleichsportal für Ratenkredite betreibt. Die Klägerin sah darin eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie eine unlautere Werbung. Ihrer Klage auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gab das Landgericht Braunschweig weitestgehend statt.

Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat nunmehr Erfolg. Das Oberlandesgericht Braunschweig wies die Klage mit Urteil vom 9. Februar 2023 (Az. 2 U 1/22) ab.

Es liege keine Verletzung der Marke oder Unternehmenskennzeichnung vor. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könne der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens nur dann widersprechen, wenn damit eine der Funktionen der Marke beeinträchtigte würde. Eine der Hauptfunktionen einer Marke sei es, den Verbraucher auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen hinzuweisen, um es ihm zu ermöglichen, Produkte unterschiedlicher Unternehmen voneinander zu unterscheiden.

Eine solche Beeinträchtigung sei vorliegend gerade nicht gegeben. Der verständige Internetnutzer könne anhand der Werbeanzeige erkennen, dass die von der Beklagten angebotene Dienstleistung – nämlich die Vermittlung von Kreditangeboten – nicht von der Markeninhaberin stamme. Zunächst ergebe sich aus der Kennzeichnung als „Anzeige“ über dem Text, dass es sich um eine bezahlte Werbeanzeige handele. Es werde darin auch weder die Marke „smava“ genannt noch gebe es in dem Text einen Hinweis auf die Klägerin. Auch weise der Domainname der Beklagten auf eine andere betriebliche Herkunft der angebotenen Dienstleistung hin. Da die Dienstleistung der Klägerin nicht verunglimpft oder nachgeahmt werde, liege auch keine unzulässige Nutzung der Marke vor.

Schließlich lasse sich auch kein unlauterer Wettbewerb in der Form feststellen, dass unangemessen auf Kunden eingewirkt werde, um sie für sich zu gewinnen.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.

BGH: Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV umfasst auch Folge- und Nebenansprüche

BGH
Urteil vom 26.01.2023 - I ZR 56/19
HEITEC III
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 8 Abs. 2 und 4, Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2, Art. 111 Abs. 2; Richtlinie 2008/95/EG Art. 9 Abs. 1 und 2; MarkenG § 21 Abs. 1 und 2, § 125b Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV auch die Folge- und Nebenansprüche umfasst.

Leitsätze des BGH:
a) Zur Abwendung der Verwirkung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2, Art. 111 Abs. 2 GMV sind Handlungen des Inhabers des älteren Zeichens erforderlich, die ernsthaft und eindeutig seinen Willen zum Ausdruck bringen, sich der Benutzung des jüngeren Zeichens zu widersetzen und der behaupteten Verletzung seiner Rechte abzuhelfen (Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. Mai 2022 - C-466/20, GRUR 2022, 985 = WRP 2022, 840 - HEITEC).

b) Eine vorgerichtliche Abmahnung, der der Inhaber des jüngeren Zeichens nicht Folge leistet, ist geeignet, die Duldungsfrist gemäß § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV zu unterbrechen, sofern der Inhaber des älteren Zeichens nach der Abmahnung seine Rechte innerhalb einer angemessenen Zeit im Wege der Klage geltend macht.

c) Die Einreichung der Klage durch den Inhaber des älteren Zeichens unterbricht den Lauf der Duldungsfrist nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV nicht, wenn die Klageschrift erst nach Ablauf eines fünfjährigen Duldungszeitraums mit den formalen Anforderungen in Einklang gebracht wird, die das deutsche Zivilprozessrecht für die Zustellung an den Anspruchsgegner vorsieht, und die verspätete Mängelbehebung hauptsächlich mangelnder Sorgfalt des klagenden Rechtsinhabers zuzuschreiben ist.

d) Ein von der abgemahnten Partei unterbreitetes Verhandlungsangebot kann die Frist für den Eintritt der Verwirkung durch Duldung nur unterbrechen, wenn der Inhaber des älteren Zeichens innerhalb eines Zeitraums, in dem die abgemahnte Partei den Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, zumindest die Bereitschaft zur Aufnahme von Verhandlungen anzeigt.

e) Die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV erstreckt sich auf Ansprüche wegen sämtlicher gleichartiger Benutzungsformen, die der Inhaber des jüngeren Zeichens fünf Jahre lang vorgenommen hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 17/11, GRUR 2012, 928 [juris Rn. 22] = WRP 2012, 1104 - Honda-Grauimport; Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 188/11, BGHZ 198, 159 [juris Rn. 21] - Hard Rock Cafe; Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 [juris Rn. 50] = WRP 2016, 869 - ConText).

f) Die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV schließt auch auf die Zeichenverletzung gestützte Folge- und Nebenansprüche ein (Anschluss an EuGH, GRUR 2022, 985 - HEITEC).

BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 56/19 - OLG Nürnberg - LG Nürnberg-Fürth

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Volltext BGH: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln

BGH
Beschluss vom 12.01.2023
I ZR 223/10
Arzneimittelbestelldaten
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 9 Abs. 1; Richtlinie 95/46/EG Art. 8 Abs. 1; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH vor: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO, ABl. L 119/1 vom 4. Mai 2016, S. 1) und der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie, DSRL, ABl. 281 vom 23. November
1995, S. 31) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen die Regelungen in Kapitel VIII der Datenschutz-Grundverordnung nationalen Regelungen entgegen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen?

2. Sind die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendige Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 DSRL?

BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023 - I ZR 223/19 - OLG Naumburg - LG Dessau-Roßlau

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH legt EuGH vor: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln

BGH
Beschlüsse vom 12.01.2023
I ZR 222/19 und I ZR 223/19


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen zustehen und diese abgemahnt und gerichtlich geltend gemacht werden können. Ferner geht es um Fragen hinsichtlich der Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum Vertrieb von Arzneimitteln über eine Internet-Verkaufsplattform vor

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob ein Apotheker, der auf einer Internet-Verkaufsplattform Arzneimittel vertreibt, gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, und ob ein solcher Verstoß von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 222/19

Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der Kläger rügt, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform verstoße einerseits gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Berufsordnung für Apotheker sowie andererseits gegen datenschutzrechtliche Regelungen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Verstöße gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes, der Apothekenbetriebsordnung und der Berufsordnung für Apotheker lägen nicht vor. Im Hinblick auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung - DSGVO) sei der Kläger nicht klagebefugt. Die Datenschutzgrundverordnung enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das den Wettbewerber nicht einschließe.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren vom Kläger angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts eingelegt.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 223/19

Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der Kläger rügt, dass der Beklagte für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogenen Daten im Rahmen des Bestellprozesses keine Einwilligung eingeholt hat. Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht klagebefugt. Es liege auch keine Verarbeitung von Gesundheitsdaten vor. Zudem sei die Datenverarbeitung rechtmäßig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Der Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

Bisheriger Prozessverlauf in beiden Verfahren

Der Senat hat beide Verfahren mit Beschluss vom 8. September 2020 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über sein Vorabentscheidungsersuchen vom 28. Mai 2020 (I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 159/2022) ausgesetzt. Mit diesem Ersuchen hatte der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Kapitel VIII und insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 28. April 2020 (C-319/20 - Meta Platforms Ireland) unter Hinweis darauf, dass das Ausgangsverfahren nicht die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers aufwerfe, nur den Teil der ihm vom Bundesgerichtshof vorgelegten Frage beantwortet, der sich auf die Klagebefugnis der nach dem nationalen Recht berechtigten Verbände, Einrichtungen und Kammern im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO bezieht.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren I ZR 223/19 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelungen in Kapitel VIII der Datenschutz-Grundverordnung nationalen Regelungen entgegenstehen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen. Außerdem hat der Bundesgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Union gefragt, ob die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Richtlinie, DSRL) sind.

Das Verfahren I ZR 222/19 hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung über sein Vorabentscheidungsersuchen in der Sache I ZR 223/19 ausgesetzt.

Vorinstanzen im Verfahren I ZR 222/19:

LG Magdeburg, Urteil vom 18. Januar 2019 - 36 O 48/18

OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 6/19

Vorinstanzen im Verfahren I ZR 223/19:

LG Dessau-Roßlau - Urteil vom 27. März 2018 - 3 O 29/17

OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 39/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, […]

Art. 9 DSGVO

(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

(2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:

a) Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, […]

Art. 8 DSRL

(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben.

(2) Absatz 1 findet in folgenden Fällen keine Anwendung:

a) Die betroffene Person hat ausdrücklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt, […]



OLG Karlsruhe: Abgemahnter hat Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Zahlung der Abmahnkosten solange keine Rechnungsstellung nach § 14 UStG erfolgt ist

OLG Karlsruhe
Urteil vom 14.12.2022
6 U 255/21


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Abgemahnter ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Zahlung der Abmahnkosten hat, solange keine Rechnungsstellung nach § 14 UStG erfolgt ist.

Aus den Entscheiodungsgründen:
Allerdings geht der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 21. Januar 2021 - I ZR 87/20, HFR 2021, 943 Rn. 10) von einer nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFHE 201, 339; 257, 154; 263, 560; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 27. Dezember 2019 - 1 BvR 1327/19) aus, wonach Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruch geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren seien. Diese Rechtsprechung, die sich konkret nur auf das Wettbewerbs- und das Urheberrecht bezieht, wendet der Bundesgerichtshof auch im Kennzeichenrecht an und soll nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auf den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes auszudehnen sein (so BGH, HFR 2021, 943 Rn. 10 mwN; für die Abmahnung einer Patentverletzung auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2020 - 2 U 13/19, juris Rn. 97). Der Bundesgerichtshof (HFR 2021, 943 Rn. 12 mwN) geht insoweit von folgender Situation und Rechtslage aus: Der Anwalt, der den Rechtsverletzer im Auftrag des Rechtsinhabers abgemahnt habe, rechne in eigenem Namen gegenüber dem Rechtsinhaber ab; dieser rechne sodann über seine eigene Leistung („Vermeidung eines Gerichtsverfahrens“) gegenüber dem Abgemahnten ab; die Rechnung weise dabei regelmäßig den Nettobetrag der anwaltlichen Rechnung zuzüglich Umsatzsteuer aus; die in der Rechnung an den Abgemahnten ausgewiesene Umsatzsteuer müsse der Rechtsinhaber an das Finanzamt abführen (mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs).

(2) Im Streitfall besteht aber kein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung, weil die vorliegende Abmahnung im Ergebnis zumindest faktisch keiner Umsatzsteuer unterworfen wird.

Es kann dahinstehen, ob (insbesondere) zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung im Sinn der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (noch) ernstlich zweifelhaft war, ob – ausgehend vom gesetzlichen Rahmen – die Abmahnung wegen Patent- und Wettbewerbsrechtsverletzung der Umsatzsteuer unterlag. Zwar hat das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 1. Oktober 2021 (III C 2 - S 7100/19/10001:006, DOK 2021/0998752, MwStR 2021, 912) die – auch vom Bundesgerichtshof – der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entnommenen Grundsätze betreffend Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen und bei unlauteren Wettbewerbshandlungen nachvollzogen, indem es den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend geändert und ausgeführt hat, dass diese Grundsätze in allen offenen Fällen anzuwenden seien. Zugleich hat es indes bestimmt, dass es jedoch nicht beanstandet wird, wenn die Beteiligten bei der Zahlung für vor dem 1. November 2021 durchgeführte Abmahnleistungen übereinstimmend, d.h. auch hinsichtlich eines Vorsteuerabzugs beim Abgemahnten, von einem nicht steuerpflichtigen Entgelt ausgehen. Insbesondere Letzteres muss nach dem Zweck der Nichtbeanstandungsklausel entsprechend für Sachverhalte auf dem Gebiet sonstiger Rechte des geistigen Eigentums gelten, soweit dort ansonsten dieselben umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze greifen würden (siehe auch Streit, GRUR-Prax 2021, 697, 700). Zumindest dies führt im Streitfall dazu, dass ein Anspruch auf Rechnungsstellung nach § 14 UStG ausscheidet.

Nach Auffassung des Senats besteht nämlich zumindest in einem Fall, in dem nach dem ministerialen Erlass die Behandlung der Abmahnung als nicht umsatzsteuerbare Leistung nicht beanstandet wird, auch kein Anspruch auf eine Rechnung nach § 14 UStG und kein Zurückbehaltungsrecht. Dann gilt erst Recht, was insoweit für den Fall gilt, wenn Zweifel an der Besteuerung bestehen. Es steht nämlich in unter die Nichtbeanstandungsklausel fallenden Fall sogar fest, dass eine – selbst nach dem Gesetz an sich vorgesehene – Erhebung der Umsatzsteuer auf die Leistung der Abmahnung nicht erfolgen wird. Dies schließt einen Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus. Dessen Zweck liegt nämlich in dem Bedürfnis des Leistungsempfängers, die Rechnung als Ausübungsvoraussetzung für seinen Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) zu erhalten (vgl. Leipold in Sölch/Ringleb, UStG, Stand Juni 2022, § 14 Rn. 72; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2020 - 2 U 13/19, juris Rn. 97). Behandelt der Abmahnende die Abmahnung nicht als steuerbare Leistung an den Abgemahnten, indem er vom Abgemahnten lediglich die Erstattung des Nettobetrags der verauslagten Anwaltsgebühren verlangt und Umsatzsteuer auf diesen vom Abgemahnten verlangten Betrag weder vom Abgemahnten fordert noch an das Finanzamt abführt und auch nicht auf eine etwaige Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweist, und behandelt auch der Abgemahnte den Vorgang nicht anders, indem er weder über den geforderten Betrag hinaus Umsatzsteuer an den Abmahnenden oder das Finanzamt leistet noch solche gegenüber dem Finanzamt im Weg des Vorsteuerabzugs geltend macht, so ist nach dem ministerialen Erlass keine Erhebung von Umsatzsteuer zu erwarten und wird sich folglich auch keine Möglichkeit für einen Vorsteuerabzug durch den Abgemahnten ergeben, dem die Belastung mit dem Umsatzsteuerbetrag gerade erspart geblieben ist. Der Abgemahnte hätte wirtschaftlich keinen Vorteil dadurch und somit kein schützenswertes Interesse daran, sich die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug dadurch zu „erkaufen“, dass er den Abmahnenden dazu veranlasst, die Abmahnung als umsatzsteuerbare Leistung zu behandeln und dem Abgemahnten den sodann vorsteuerabzugsfähigen Umsatzsteuerbetrag unter entsprechender Rechnungstellung überhaupt erst (zusätzlich zum bisher wegen der Behandlung als nichtsteuerbarer Vorgang verlangten Nettobetrag) abzuverlangen (im Wesentlichen ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2020 - 2 U 13/19, juris Rn. 97). Entsprechendes gilt, wenn der Abgemahnte sich nicht dazu entschließt, aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft, von der auch der Abmahnende nicht erkennbar ausgeht, nach § 13b Abs. 2 UStG Umsatzsteuer abzuführen.


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