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BGH: Auch bei fehlender Eintragung nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG hat Abmahnverein Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren

BGH
Beschluss vom 21.12.2023
I ZB 42/23


Der BGH hat entschieden, dass auch bei fehlender Eintragung nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG ein Abmahnverein über die notwendige Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren verfügt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht der Antragsbefugnis des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren nicht entgegen, dass er - anders als noch im Erkenntnisverfahren auf Grundlage des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (aF) angenommen - gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 geänderten und seit dem 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (BGBl. | S. 2568, 2574; UWG nF) nicht mehr klagebefugt wäre, weil er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF eingetragen ist.

a) Die Zwangsvollstreckung ist ein vom Erkenntnisverfahren selbständiges und unabhängiges Verfahren (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., 85 Rn. 10). Die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgt aus § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO und nicht aus § 8 Abs. 3 UWG nF.

[…]

cc) Für die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF erfüllt sind.

(1) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF standen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF bedürfen Wirtschaftsverbände nunmehr der Eintragung in eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF, um Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend machen zu können. Damit soll ein Missbrauch der Anspruchsverfolgung verhindert werden (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, BT-Drucks. 19/12084, S. 26 f.; Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., 88 Rn. 3.31; BeckOK.UWG/Haertel, 22. Edition [Stand 1. Oktober 2023], 8 8 Rn. 171). Nach § 15a Abs. 1 UWG nF ist diese Neuregelung nicht auf Verfahren anzuwenden, die am 1. September 2021 bereits rechtshängig sind.

(2) Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG arF/nF regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis (zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - | ZR 111/22, GRUR 2023, 585 [juris Rn. 13] = WRP 2023, 576 - Mitgliederstruktur) für die Geltendmachung von Beseitigungs- und (bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr) Unterlassungsansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG im Erkenntnisverfahren. Ein Wegfall dieser Prozessführungsbefugnis durch die Neuregelung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF kann einer Festsetzung von Ordnungsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO, für das es gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf die Parteistellung im Titel (oder der Klausel) ankommt (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard aaO 8 10 Rn. 60 und 8 23 Rn. 30), nicht entgegengehalten werden (vgl. KG, NJW 1995, 1036 [juris Rn. 9]; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. September 1997 - 2 W 30/97, juris Rn. 31; aA Engler, NJW 1995, 2185, 2188; Koch/Artz, WM 2001, 1016, 1021).

(3) Dem steht die Intention des Gesetzgebers, mit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung entgegenzuwirken, nicht entgegen. Ein Missbrauch kann in erster Linie auf der Ebene der prozessualen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Einschränkung der Prozessführungsbefugnis wirksam verhindert werden. Für eine Übertragung dieser Einschränkung in das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren, das sich an der Parteistellung im zu vollstreckenden Titel orientiert (vgl. BGH, NJW 2018, 399 [juris Rn. 13]) besteht kein Bedürfnis.

dd) Für die Zulässigkeit eines Ordnungsmittelantrags des Gläubigers sind die Änderung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 sowie die Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF danach ohne Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob § 15a Abs. 1 UWG nF auch auf das Ordnungsmittelverfahren Anwendung findet (vgl. BeckOK.UWG/Scholz aaO 8 12 Rn. 349a) und ob für den Stichtag des 1. September 2021 auf das dem Titel zugrundeliegende Erkenntnisverfahren abzustellen ist oder ob der Stichtag auch für das nachfolgende Ordnungsmittelverfahren maßgeblich ist.

b) Die Neuregelung der sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF und der daraus folgende Wegfall der Sachbefugnis des Gläubigers, wenn dieser nicht in die Liste gemäß § 8b UWG nF eingetragen ist, greift in das streitgegenständliche Zwangsvollstreckungsverfahren ebenfalls nicht ein.

aa) Es gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, dass die Vollstreckbarkeit eines Titels von dem Schicksal des sachlich-rechtlichen Anspruchs unabhängig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - V ZB 15/01, BGHZ 148, 392 [juris Rn. 12]; Beschluss vom 27. Februar 2004 - IXa ZB 135/03, BGHZ 158, 159 [juris Rn. 11]; GaulV/Schilken/ Becker-Eberhard aaO 8 40. Rn. 2).

bb) Ob und inwieweit die aufgrund der Gesetzesänderung (jedenfalls derzeit) entfallene Sachbefugnis des Gläubigers der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF die Möglichkeit eröffnet, sich wegen dieser materiellen Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel zu wenden, bedarf im Streitfall mithin keiner Entscheidung (zur Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen einen Uhnterlassungstitel nach Wegfall der Sachbefugnis des Vollstreckungsgläubigers aufgrund des UWG-Änderungsgesetzes vom 25. Juli 1995 [BGBi. | S. 1738], das keine dem § 15a Abs. 1 UWG nF vergleichbare Übergangsvorschrift enthielt, vgl. BGHZ 133, 316 [juris Rn. 31 bis 33] - Altunterwerfung I, mwN; BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - | ZR 4/97, GRUR 1999, 762 [juris Rn. 17] =WRP 1999, 845 - Herabgesetzte Schlußverkaufspreise; Engler, NJW 1995, 2185, 2186).

cc) Ebenfalls offenbleiben kann deshalb, ob gegen Unterlassungstitel, die - wie hier - im Verfahren der einstweiligen Verfügung erlassen worden sind, die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO statthaft ist oder ob die Schuldnerin dagegen allein mit einem Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 Abs. 1 ZPO vorgehen kann (vgl. zum Streitstand Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 52 f. mwN) und wie sich die Abgabe einer Abschlusserklärung auswirkt, in der die Schuldnerin - wie hier - auf ihre Rechte aus § 927 ZPO verzichtet hat (vgl. Scholz in Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavani, Wettbewerbsprozessrecht, 2. Aufl., Rn. 1173; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., $ 927 Rn. 9a; zur erforderlichen einschränkenden Auslegung eines solchen Verzichts vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2009 - | ZR 146/07, BGHZ 181, 373 [juris Rn. 26] - Mescher weis; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl, 812 Rn. 156; Teplitzky/Bacher aaO Kap. 43 Rn. 8).



BGH: Verbund mittelständischer Brauereien darf Mitglieder ohne Gewinnerzielungsabsicht rechtlich beraten - Abtretungsvereinbarung zur Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzforderung

BGH
Urteil vom 26.09.2023
KZR 73/21
Die Freien Brauer
RDG § 7 Abs. 1 Nr. 1; GWB § 3


Der BGH hat entschieden, dass ein Verbund mittelständischer Brauereien Mitglieder ohne Gewinnerzielungsabsicht rechtlich beraten darf.

Leitsatz des BGH:
Eine Kommanditgesellschaft (hier: Verbund mittelständischer Brauereien) darf Rechtsdienstleistungen für ihre Mitglieder (hier: Abtretungsvereinbarungen zur Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzforderungen) erbringen, sofern sie zur Wahrung gemeinsamer Interessen gegründet worden ist, ohne Gewinnerzielungsabsicht lediglich eine Kostenpauschale für die bei der Verfolgung der Schadensersatzansprüche entstehenden Allgemeinkosten erhebt und die Rechtsdienstleistung im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs (hier: gemeinsamer Einkauf von Zucker) erfolgt.

BGH, Urteil vom 26. September 2023 - KZR 73/21 - OLG Karlsruhe - LG Mannheim

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Fehlende Eintragung in Liste nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG führt dazu dass Abmahnverein Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren fehlt

OLG Hamm
Beschluss vom 15.05.2023
4 W 32/22


Das OLG Hamm hat entschieden, dass die fehlende Eintragung in die Liste der zur Abmahnung befugten Verbände nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG dazu führt, dass einem Abmahnverein die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren fehlt.

Der BGH hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 21.12.2023 - I ZB 42/23 aufgehoben.

Aus den Entscheidungsgründen des Beschlusses des OLG Hamm:
Der Gläubiger ist ein Verband in der Rechtsform des eingetragenen Vereins, zu dessen Aufgaben nach seiner Satzung die Förderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler und die Mitwirkung an der Herstellung eines fairen Wettbewerbs gehören. Der Gläubiger ist bis zum heutigen Tage weder in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen worden.

Auf Antrag des Gläubigers hatte die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen am 12.07.2018 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung (Urschrift Blatt 137-172 der erstinstanzlichen Gerichtsakte) gegen die jetzige Schuldnerin erlassen, mit der das Landgericht der Schuldnerin, materiell-rechtlich gestützt auf § 8 Abs. 1 UWG, unter Androhung von Ordnungsmitteln u.a. untersagt hatte, mit einer „Garantie“ zu werben, ohne gleichzeitig nähere Angaben zum Inhalt und zur Ausgestaltung dieser Garantie zu machen. Die Schuldnerin hatte zu dieser einstweiligen Verfügung unter dem 11.09.2018 eine Abschlusserklärung (Blatt 251 der erstinstanzlichen Gerichtsakte) abgegeben.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.11.2021, beim Landgericht am gleichen Tage eingegangen, beantragte der Gläubiger die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Schuldnerin. Die Schuldnerin habe am 09.11.2021 in Produktangeboten auf der Internethandelsplattform „B.“ dem vorbezeichneten Unterlassungsgebot zuwidergehandelt. Der Gläubiger legte als Beleg für diese Zuwiderhandlungen die Anlagen G4 und G5 (Blatt 193-250 der erstinstanzlichen Gerichtsakte) vor.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.04.2022, den Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers zugestellt am 14.04.2022, wies die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen den Ordnungsmittelantrag zurück. Dem Gläubiger fehle die für die Durchführung des Ordnungsmittelverfahrens erforderliche Prozessführungsbefugnis.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Gläubiger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der er seinen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Schuldnerin weiterverfolgt.

B. Die – nach § 793 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige – sofortige Beschwerde des Gläubigers ist unbegründet. Das Landgericht hat den Ordnungsmittelantrag des Gläubigers zu Recht zurückgewiesen.

Der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist unzulässig. Dem Gläubiger fehlt die erforderliche Antragsbefugnis.

I. Die Regelungen in § 8 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 UWG über die Befugnis von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen haben nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der auch der erkennende Senat folgt, eine „Doppelnatur“: Sie regeln nicht nur die materiell-rechtliche Anspruchsberechtigung (Sachbefugnis oder Aktivlegitimation), sondern in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch die Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. [2023], § 8 Rdnr. 3.9 m.w.N.).

II. Diese Prozessführungsbefugnis muss, soweit es – wie im vorliegenden Falle – um einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG geht, nicht nur im Erkenntnisverfahren vorliegen, sondern auch noch bei der anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruches im Wege der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben sein (im Ergebnis ebenso: Büscher/Ahrens, UWG, 2. Aufl. [2021], § 15a Rdnr. 11). Da § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO von einem „Antrag“ spricht, erscheint es sinnvoll, im Ordnungsmittelverfahren nicht den Begriff „Prozessführungsbefugnis“, sondern den Begriff „Antragsbefugnis“ zu verwenden.

Die Antragsbefugnis für einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO fehlt dem Gläubiger hier spätestens seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG aufgrund des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 am 01.12.2021, weil der Gläubiger bis zum heutigen Tage weder in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen worden ist. Gerade die Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs belegt die Richtigkeit der Auffassung, dass die Prozessführungsbefugnis (Antragsbefugnis) von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen auch noch im Ordnungsmittelverfahren fortbestehen muss: Die gegenteilige, im vorliegenden Verfahren vom Gläubiger vertretene Auffassung würde dazu führen, dass bei einer vom Gesetzgeber angeordneten Einschränkung der Prozessführungsbefugnis von Verbänden und Einrichtungen, wie sie das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vorgenommen hat, von dieser Gesetzesänderung betroffene, nicht mehr abmahn-, anspruchs- und klageberechtigte Verbände und Einrichtungen noch ein kaum sinnvolles „Rest- und Schattendasein“ als „Verwalter“ alter Vollstreckungstitel führen könnten. Dies entspricht fraglos nicht der Intention des Gesetzgebers und schon gar nicht dem Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020. Auch der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahre 1996 in der Entscheidung „Altunterwerfung I“ (BGH, Urteil vom 26.09.1996 – I ZR 265/95 – [Altunterwerfung I], juris, Rdnr. 31 ff.) – im Hinblick auf den materiell-rechtlichen Gehalt der Bestimmungen über die Befugnis von Verbänden zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen – ausgeführt, dass es der Gesetzeszweck eines vom Gesetzgeber angeordneten Wegfalls der Sachbefugnis von Verbänden erfordert, dass diese Änderung der materiellen Rechtslage vom Titelschuldner im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden kann. Da die Bestimmungen über die Befugnis von Verbänden zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen eine Doppelnatur als sowohl materiell-rechtliche als auch prozessrechtliche Vorschriften haben, ist der Titelschuldner nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer Klage nach § 767 ZPO beschränkt, sondern kann – wie hier die Schuldnerin – im konkreten Ordnungsmittelverfahren die fortgefallene Antragsbefugnis des Gläubigers geltend machen.

III. Auf die Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG kann sich der Gläubiger im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg berufen.

Unmittelbar gilt diese Vorschrift nur für das Erkenntnisverfahren und nicht für Verfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Auch eine etwaige entsprechende Anwendung der Regelung vermag dem Begehren des Gläubigers nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil der Ordnungsmittelantrag erst am 11.11.2021 und damit erst nach dem in § 15a Abs. 1 UWG genannten Stichtag gestellt worden ist. Dass es nicht auf die Verhältnisse am Tag der Einleitung des vorangegangenen Erkenntnisverfahrens ankommen kann, ergibt sich aus den Ausführungen des Senats oben unter II.

Es besteht auch kein inhaltlicher Widerspruch zwischen der für das Erkenntnisverfahren geschaffenen Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG und der hier vertretenen Auffassung, dass der Titelgläubiger bei der sich an das Erkenntnisverfahren anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruches im Wege der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften prozessführungsbefugt (antragsbefugt) sein muss. Denn die Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG dient bei sinnvoller und den Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs berücksichtigender Auslegung ersichtlich dazu, Verbänden im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG die Gelegenheit zu geben, während der Dauer des Erkenntnisverfahrens alles Erforderliche zu veranlassen, um den neuen gesetzlichen Anforderungen für ihr weiteres Tätigwerden – namentlich der nunmehr erforderlichen Listeneintragung – gerecht zu werden.

IV. Die von der Schuldnerin abgegebene Abschlusserklärung steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Ihrem Wortlaut ist lediglich zu entnehmen, dass sie dazu führen sollte, die erlassene einstweilige Verfügung einem rechtskräftigen Hauptsachetitel gleichzustellen. Dass die Schuldnerin darüber hinaus auch auf Einwendungen verzichten wollte, die sie auch einem rechtskräftigen Hauptsachetitel hätte entgegenhalten können, ist nicht ersichtlich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Stuttgart: Wettbewerbswidrige Irreführung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG wenn Sachverständiger mit tatsächlich nicht bestehender Mitgliedschaft in Verband wirbt

LG Stuttgart
Urteil vom 13.12.2021
37 O 52/21 KfH


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG vorliegt, wenn ein Sachverständiger mit einer tatsächlich nicht bestehenden Mitgliedschaft in einem Verband wirbt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

OLG Frankfurt: Die Bestimmung des Streitwerts in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten richtet sich nach § 51 Abs. 2 und 3 GKG

OLG Frankfurt
Beschluss vom 21.07.2021
6 W 53/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass sich die Bestimmung des Streitwerts in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten nach § 51 Abs. 2 und 3 GKG richtet.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat in der Sache Erfolg. Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts wird den gesetzlichen Vorgaben der § 51 Abs. 2 und 3 GKG nicht gerecht.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht an der nötigen Beschwer (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG). Die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die die Beschwerde ausdrücklich in eigenem Namen eingelegt haben, sind durch eine zu niedrige Streitwertfestsetzung beschwert und haben daher nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG ein eigenes Beschwerderecht.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Interesse des Klägers an der Durchsetzung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsbegehren erscheint mit dem von den Beschwerdeführern begehrten Streitwert von 3.000 € richtig bemessen. Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts auf einen Wert von 1.000 € ist mit § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG nicht vereinbar.

Die Festsetzung des Streitwertes in Verfahren des unlauteren Wettbewerbs folgt der Systematik des § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG.

a) Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwerts ist („soweit nichts anderes bestimmt ist“) gem. § 51 Abs. 2 GKG die Bedeutung der Sache für den Kläger, wie sie sich aus seinem Antrag ergibt. Wie stets, ist damit grundsätzlich das sog. „Angreiferinteresse“ maßgeblich. „Bedeutung der Sache“ ist dabei das wirtschaftliche Interesse des Klägers, das nach objektiven Maßstäben zu bewerten ist (vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 17/13057, S. 30). Ein wichtiges Indiz kann dabei die Streitwertangabe in der Klageschrift sein, also die Angabe durch den Kläger zu einem Zeitpunkt, an dem der Ausgang des Verfahrens noch ungewiss ist (Senat, WRP 2017, 719 Rn 2). Es ist die Gefährlichkeit und Schädlichkeit der Handlung entscheidend, die verboten werden soll. Bei der pauschalierenden Schätzung sind u.a. folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Unternehmensverhältnisse wie Art, Größe, Umsatz und Marktbedeutung des Verletzten und des Verletzers, Art, Intensität, Zielrichtung und Dauer der Verletzungshandlung, insbesondere die Gefährlichkeit für den Wettbewerber oder Verbraucher unter Berücksichtigung der drohenden Schäden, Grad des Verschuldens unter Bewertung auch des nachträglichen Verhaltens. Das Interesse eines Verbandes nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers (BGH GRUR 1998, 958 - Verbandsinteresse; OLG Celle WRP 2016, 738; OLG München WRP 2008, 972 (976)).

Der so festgestellte Wert kann nach § 51 Abs. 3 S. 1 GKG gemindert werden, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten ist als der nach § 51 Abs. 2 GKG ermittelte Streitwert. Erst wenn sich aus dem Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Wertbemessung entnehmen lassen, ist der Wert nach § 52 Abs. 3 S. 2 GKG mit 1.000 € zu bemessen (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer/Tolkmitt, 4. Aufl. 2016 Rn 825, UWG § 12 Rn 825).

b) Diesen Anforderungen ist die Streitwertfestsetzung des Landgerichts auf 1.000 € nicht gerecht geworden. Das Landgericht hat - trotz einer Fülle von Angaben in der Antragsschrift - das Interesse des Klägers nach § 51 Abs. 2 GKG nicht bestimmt, sondern hat bei der Streitwertfestsetzung nur § 51 Abs. 3 GKG berücksichtigt.

(1) Der Kläger hat - um bei einer zu hohen Angabe dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nach § 8c UWG zu entgehen - keine konkrete Streitwertangabe gemacht. Er hat indes auf zahlreiche Entscheidungen und Literatur zur Höhe des Streitwertes verwiesen und zum Interesse des Klägers nach § 51 Abs. 2 GKG ausgeführt, dass Gegenstand der Klage das Vorenthalten für den Verbraucher aufgrund europarechtlicher Vorgaben wesentlicher Informationen ist. Der Verbreitungsgrad im Internet sei groß. Die fehlende Grundpreisangabe habe erheblicher Auswirkungen für den Verbraucher, da er ohne Angabe des Grundpreises nicht vergleichen könne und damit nicht ermitteln könne, ob die angebotenen Produkte nicht gegebenenfalls in anderer Verpackungsgröße bei einem Mitwerber günstiger zu erwerben sei. Im Übrigen gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises kein geringfügiger Verstoß sei, indem er diesen Wettbewerbsverstoß gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 PAngV sogar ausnahmsweise als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet habe.

(2) Diese Angaben, die offensichtlich rechtlich und tatsächlich zutreffend sind, rechtfertigen ohne Weiteres die vom Kläger mit der Beschwerde begehrte Festsetzung auf 3.000 €. Das Landgericht übersieht, dass das Unterlassungsbegehren ein bereits fälliger, wenn auch in die Zukunft gerichteter Anspruch ist. Es sollen weitere drohende Verletzungen oder die Aufnahme von Verhaltensweisen verhindert werden. Bei der Wertermittlung ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt bei Einreichung der Klage abzustellen (§ 40 GKG; § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO). Daraus folgt aber nicht, dass bei der Bewertung des Interesses allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse auf Seiten des Klägers und der Beklagten unter Berücksichtigung einer bereits begangenen Verletzungshandlung abgestellt werden kann. Ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an der Verhinderung der mit weiteren Verstößen verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, für die bereits begangene Verletzungshandlungen nur indizielle Bedeutung haben können. (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer/Tolkmitt UWG, 4. Aufl. 2016, § 12 Rn 826).

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch umfasst daher eine mutmaßliche Vielzahl des Verkaufs von Getränken in der Zukunft, nicht nur den konkreten Verkauf. Dem wird eine Festsetzung eines Unterlassungsstreitwerts in Höhe von 1.000 € ersichtlich nicht gerecht. Auch der Wert der angebotenen Gegenstände, die angegriffen werden, kann kein Anknüpfpunkt für eine derartige niedrige Festsetzung sein, da der Unterlassungsanspruch mit dem beantragten Antrag sich nicht auf den Wert der konkreten Produkte beschränkt, sondern auch andere, teurere Spirituosen betreffen könnte. Zwar beschränkt sich der Antrag auf die konkrete Verletzungsform. Vom Kernbereich der Unterlassungsverpflichtungen wären indes auch höherpreisige Spirituosen umfasst. Im Übrigen übersieht das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht, indem es auf den Wert von „teilweise deutlich unter 50 €“ abstellt, dass nach dem zugrunde zu legenden Klägervortrag die Beklagte bei Amazon, einer Internetplattform mit Millionen-Reichweite, zum Verletzungszeitpunkt 820 unterschiedliche Produkte anbot. Weiterhin verfügt sie unter www.(...).de über einen eigenen Internetshop mit bundesweitem Versand. Entgegen dem durch das Landgericht erweckten Eindruck handelt es sich daher nicht um einen Kleinhändler, der zufällig in die Fänge eines Wettbewerbsverbandes geraten ist, sondern um einen normalen Marktteilnehmer.

(3) Der von dem Beschwerdeführer begehrte Streitwert von 3.000 € bewegt sich auch im Rahmen dessen, was für Verstöße vergleichbarer Art nicht nur vom Senat, sondern von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung üblicherweise festgesetzt wird. Der Kläger hat hierzu in seiner Beschwerdeschrift umfangreiche Nachweise vorgelegt, auf die verwiesen wird. Der Senat hat in dem Beschluss vom 18.6.2018 (6 U 93/17, BeckRS 2018) den Streitwert für zwei Verstöße gegen die PAngV auf 15.000 € festgesetzt. In dem Verfahren 6 W 56/20 - das auch eine Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt betraf - hat der Senat für einen vergleichbaren Verstoß die PAngV einen Streitwert von 10.000 € als nicht übersetzt angesehen.

(4) Es kann dahinstehen, ob die allgemeinen Ausführungen des Landgerichts zur missbräuchlichen Abmahnpraxis geeignet wären, eine andere Entscheidung zu begründen. Das Landgericht hat diese Behauptungen nicht belegt. Jedenfalls fehlt es an jeglichem Sachbezug zum konkreten Fall, in dem gerade keine „überhöhte Streitwertangabe“ erfolgte und auch im Beschwerdeverfahren ein moderater Wert von 3.000 € verlangt wurde. Auch hiermit setzt das Landgericht sich nicht auseinander.

(5) Soweit § 51 Abs. 3 S. 1 GKG es - in Ausnahme zu dem für die Streitwertfestsetzung geltenden Angreiferinteresseprinzip - zulässt, dass auch der Standpunkt des Beklagten in die Streitwertfestsetzung einzubeziehen ist, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten ist, als der nach Abs. 2 ermittelte Streitwert (z.B. OLG Zweibrücken NJW-RR 2014, 1535 - Kleinunternehmer mit geringem Umsatz), sind hierfür keinerlei Indizien vorhanden. Bei dem Angebot der Beklagten handelt es sich um einen professionell gestalteten Internetshop einer juristischen Person auf Amazon, einer Internet-Plattform mit enormer Reichweite. Geschäfte dieser Größenordnung hatte der Gesetzgeber nicht vor Augen, als er § 51 Abs. 3 S. 1 GKG als Härtefallregelung zum Schutz wirtschaftlich schwächerer Parteien schuf (OLG Dresden BeckRS 2015, 02675; Köhler/Bornkamm UWG, § 12 Rn 5.17).

(6) Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, es habe bei Preisangaben über Amazon teilweise technische Probleme gegeben und Anpassungen hätten für jedes Produkt händisch vorgenommen werden müssen, ist nicht erkennbar, wie dies den Streitwert beeinflussen soll. So ist schon unklar, inwieweit diese eher an Verschuldensaspekte erinnernden Ausführen begründen sollen, warum die Bedeutung der Sache für die Beklagten im Sinne von § 53 Abs. 3 GKG erheblich geringer sein sollte. Jedenfalls aber muss die Beklagte, die von der Größe und Marktdurchdringung der Amazon-Plattform ganz erheblich profitiert, sich auch die Nachteile der Nutzung dieser Plattform zurechnen lassen.

(7) Eine Streitwertreduzierung nach § 12 Abs. 3 UWG kommt nicht in Betracht. Die hierfür erforderliche erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage einer Partei ist dem Schreiben der Beklagten vom 28.05.2021 nicht zu entnehmen, so dass dahinstehen kann, ob es sich überhaupt um einen - zulässigerweise zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärten (§ 12 IV UWG) - Antrag nach § 12 Abs. 3 UWG handelt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




LG Mainz: Kommerzielles Unternehmen darf nicht als" Verband" firmieren - wettbewerbswidrige Irreführung

LG Mainz
Urteil vom 01.04.2021
12 HK O 11/20


Das LG Mainz hat entschieden, dass ein kommerzielles Unternehmen nicht als" Verband" firmieren darf. Es liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor, da der Begriff "Verband" für eine Vereinigung steht, die eine gemeinsame Interessenvertretung entfaltet und auf eigenen Gewinn verzichtet. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.



OLG Frankfurt: 3.000 EURO Streitwert für wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag wegen Verstoßes gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung

OLG Frankfurt
Beschluss vom 07.01.2021
6 W 131/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Streitwert von 3.000 EURO für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag wegen eines Verstoßes gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung ausreichend sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Der Streitwert wird auf 3.000,- € festgesetzt.

[...]

1. Nach § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert entsprechend der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, das maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen bestimmt wird (BGH GRUR 2017, 212 - Finanzsanierung).

2. Gegenstand des Unterlassungsantrags ist ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 lit. h, 14 Abs. 1 lit. a LMIV. Danach sind im Fernabsatz verpflichtende Informationen über Name bzw. Firma und Anschrift des Lebensmittelunternehmers vorzusehen. Nach dem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte im Internet einen Brotaufstrich angeboten, der diesen Anforderungen nicht genügte. Das Landgericht hat den Streitwert entsprechend der Anregung des Klägers auf 10.000,- € festgesetzt. Dies erscheint übersetzt.

a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass bei Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, § 4 UKlaG für die Streitwertfestsetzung auf das satzungsgemäß wahrgenommene Interesse der Verbraucher abzustellen ist. Dieses Interesse kann erheblich höher liegen als das eines einzelnen Mitbewerbers (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.1.2020 - 6 W 119/19 = WRP 2020, 632 m.w.N.). Für ein nicht unerhebliches Verbraucherinteresse spricht im Streitfall, dass die verletzte Informationspflicht die Lebensmittelsicherheit betrifft. Verbraucher sollen wissen, an wen sie sich wenden können, um zum Beispiel Inhaltsstoffe und Lebensmittelunverträglichkeiten abzuklären. Nach Ansicht des Senats wiegt der Verstoß jedoch deshalb nicht schwer, weil aus dem Internetauftritt zumindest das Unternehmensschlagwort des Lebensmittelunternehmers hervorging. Auf der in dem beanstandeten Angebot fotografisch abgebildeten Produktverpackung ist der Name „A“ deutlich erkennbar. Interessierte Verbraucher konnten anhand dieser Angabe den Lebensmittelunternehmer nebst Adresse mit geringem Aufwand selbst ermitteln. Auch handelt es sich nur um einen einzelnen Verstoß. Ein systematisches Missachten der Informationspflichten der LMIV wird der Beklagten nicht vorgeworfen. Die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung war daher gering.

b) Eine weitergehende Reduzierung auf 1.000,- € kam unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände nicht in Betracht. Die Bestimmung des § 13 a Abs. 3 UWG n.F. kommt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Anwendung. Die Abmahnung wurde noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs ausgesprochen. Außerdem betrifft die genannte Bestimmung nicht den Streitwert, sondern die Höhe der Vertragsstrafe.


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BGH: 2.500 EURO Regelstreitwert pro AGB-Klausel bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4a UKlaG auch wenn Kläger Wirtschaftsverband ist

BGH
Beschluss vom 17.11.2020
X ZR 3/19
UKlaG-Streitwert
UKlaG § 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 4a; ZPO § 3


Der BGH hat entschieden, dass ein Regelstreitwert von 2.500 EURO pro AGB-Klausel bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4a UKlaG auch dann anzusetzen ist, wenn der Kläger ein Wirtschaftsverband ist

Leitsatz des BGH:

Bei einer auf § 1 oder § 4a UKlaG gestützten Klage sind Gebührenstreitwert und Beschwer grundsätzlich auch dann allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der angegriffenen Klauseln zu bemessen, wenn der Kläger ein Wirtschaftsverband im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG ist.

BGH, Beschluss vom 17. November 2020 - X ZR 3/19 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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OLG Frankfurt: Taxifachverband kann nach § 8 Abs. 3 UWG auch die kollektiven Interessen der Mitbewerber nach § 4 Nr. 4 UWG geltend machen

OLG Frankfurt
Urteil vom 22.10.2020
6 U 131/19

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Taxifachverband nach § 8 Abs. 3 UWG auch die kollektiven Interessen der Mitbewerber nach § 4 Nr. 4 UWG geltend machen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 4 UWG auf Unterlassung zusteht, sich mit einem Taxi auf von dem Kläger gemieteten Plätzen bereitzuhalten, wenn er nicht über eine sog. TTC-Karte verfügt (Tenor Ziffer 1.). Diesem Anspruch stehen die mit der Berufung geltend gemachten Einwände nicht entgegen.

a) Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 UWG klagebefugt. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsansicht des Beklagtenvertreters folgt nichts anders aus den Besonderheiten des Unlauterkeitstatbestands des §§ 3, 4 Nr. 4 UWG.

aa) Dem Wortlaut nach besteht die Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG bei allen unzulässigen geschäftlichen Handlungen nach § 3 oder § 7 UWG. Etwas anderes kann unter Berücksichtigung des Schutzzwecks bestimmter Unlauterkeitstatbestände ausnahmsweise nur dann gelten, wenn die Zuwiderhandlung ausschließlich Interessen eines bestimmten Mitbewerbers berührt, z.B. im Fall einer unlauteren Produktnachahmung oder der gezielten Behinderung eines bestimmten Mitbewerbers. Dann soll nur der "unmittelbar Verletzte" anspruchsberechtigt sein. Das Einschreiten anderer Mitbewerber und der in § 8 Abs. 3 Nr. 2-4 UWG genannten Einrichtungen ist in solchen Fällen nur gerechtfertigt, wenn die Zuwiderhandlung zugleich Interessen anderer Marktteilnehmer oder das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb berührt (vgl. BGH WRP 2009, 432 Rn 22 - Küchentiefstpreis-Garantie; BGH GRUR 2011, 543 Rn 8 - Änderung der Voreinstellung III). Eine solcher Ausnahmefall liegt im Streitfall nicht vor. Dem Beklagten wird nicht die Behinderung eines konkreten Mitbewerbers vorgeworfen, sondern sämtlicher Mitbewerber, die mittels TTC-Karte berechtigt sind, sich an den Halteplätzen am Flughafen aufzustellen. Deren Interessen vertritt der Kläger. Werden wie hier kollektive Mitbewerberinteressen beeinträchtigt, kann ein Fachverband im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 S. 2 UWG) gegen den Verstoß vorgehen (Feddersen/Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 8 Rn. 3.51).

bb) Damit kann offenbleiben, ob der Kläger auch in seinen eigenen Interessen als Mitbewerber betroffen ist (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Dafür spricht aber, dass der Kläger Mieter der fraglichen Halteplätze ist und Taxiunternehmern Zugang gegen eine Gebühr gewährt [vgl. unten b) bb)]. Er verfügt über das Nutzungsrecht für die Einrichtung, deren unzulässige Benutzung dem Beklagten vorgeworfen wird. In diesem Sinn ist er als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 6 UWG anzusehen. Geht man hiervon aus, steht der Beklagte als Taxiunternehmer in einem mittelbaren Wettbewerbsverhältnis zum Kläger. Dafür ist nicht erforderlich, dass der Mitbewerber auf der gleichen Wirtschaftsstufe tätig ist (Feddersen/Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 4 Rn 4.5; OLG Köln GRUR-RR 2011, 98). Es genügt, dass zwischen den Vorteilen, die der Beklagte durch die unbefugte Nutzung zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die der Kläger dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb des Beklagten gefördert und der fremde Wettbewerb des Klägers beeinträchtigt werden kann (BGH GRUR 2014, 1114 Rn 22 - 24 - nickelfrei). Die Absatzchancen des Klägers mit den von ihm ausgegebenen TTC-Karten werden beeinträchtigt, wenn Mitbewerber die Einrichtung auch ohne Erwerb einer entsprechenden Karte nutzen können.

b) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 4 UWG gehandelt hat.

aa) Eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Abfangens von Kunden liegt vor, wenn ein Unternehmer von oder für Mitbewerber geschaffene Einrichtungen für eigene Zwecke ausnutzt, ohne das dafür vorgesehene Entgelt zu entrichten (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2017, 195 Rn 27 m.w.N.; BGH GRUR 2014, 393 Rn 33 - wetteronline.de).

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BGH: Streitwert und Beschwer bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlaG - Regelbeschwerdewert 2500 EURO pro AGB-Klausel

BGH
Beschluss vom 13.10.2020
ZPO § 3; UKlaG § 1


Der BGH hat sich zu Streitwert und Beschwer bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlaG geäußert. Der Regelbeschwerdewert / Regelstreitwert liegt bei 2500 EURO pro Klausel in AGB.

Leitsätze des BGH:

a) Da sich bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlaG der Streitwert und die Beschwer der Parteien regelmäßig nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der beanstandeten AGB-Bestimmung richtet, kommt weder der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselwerks oder der betroffenen Klauseln ein maßgebliches Gewicht zu noch dem Zugang zum Revisionsgericht (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20; vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18, NJW-RR 2020,
1055 Rn. 5).

b) Eine von dem Regelbeschwerdewert (2.500 € pro beanstandeter Klausel) abweichende Bemessung der Beschwer folgt daher nicht schon daraus, dass ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird, der - wäre die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig - zu der Zulassung der Revision führen könnte.

BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2020 - VIII ZR 25/19 - KG Berlin - LG Berlin

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BGH: Streitwert von 2.500 EURO je zu kontrollierender Klausel in AGB bei Klage durch Verband in Verbandsprozessen regelmäßig angemessen

BGH
Beschluss vom 10.09.2019
XI ZR 474/18


Der BGH hat entschieden, dass ein Streitwert von 2.500 EURO je zu kontrollierender Klausel in AGB bei einer Klage durch einen Verband in Verbandsprozessen regelmäßig angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Gegenstandswert ist in dem Senatsbeschluss zutreffend festgesetzt worden. Das für die Wertfestsetzung der Revision der Beklagten maßgebliche Interesse der Prozesspartei in Verbandsprozessen bemisst sich gemäß §§ 1, 4 UKlaG in Verbraucherschutzangelegenheiten ausschließlich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der beanstandeten AGBBestimmung. Insbesondere kommt der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselwerks bzw. der betroffenen Klauseln ebenso wenig ein maßgebliches Gewicht zu wie dem Zugang zum Revisionsgericht oder etwaigen Gebühreninteressen beteiligter Prozessvertreter und des Justizfiskus. Dadurch ist sichergestellt, dass Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis zur Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Kostenrisiken möglichst geschützt sind (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 3 und vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20 mwN). Bei der Bewertung dieses allein maßgeblichen Allgemeininteresses hat sich in der Praxis - von der Rechtsprechung und Literatur einhellig gebilligt - ein Regelstreitwert von 2.500 € pro zu kontrollierender Klausel als angemessen herausgebildet, wovon unter Berücksichtigung einer gewissen Einschätzungsprärogative eines klagenden Verbraucherschutzverbands je nach den Besonderheiten des Einzelfalls nach oben oder nach unten abgewichen werden kann (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 28. September 2006 aaO und vom 26. September 2012 aaO Rn. 21, jew. mwN; Senatsbeschlüsse vom 8. November 2016 - XI ZR 552/15 und vom 20. März 2018 - XI ZR 309/16). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind auch im Hinblick auf die ergänzende Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. August 2019 weder ausreichend dargetan noch sonst ersichtlich. Soweit sie auf vereinzelte Entscheidungen des Bundesgerichtshofs hinweist, in denen ein höherer Gegenstandswert festgesetzt worden ist, beruhte dies jeweils auf den besonderen Umständen der betreffenden Fallgestaltung.

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OLG Frankfurt: Abmahnverein hat keinen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten für anwaltliches Erläuterungsschreiben zu einer vom Verband verschickten Abmahnung - Zweitabmahnung

OLG Frankfurt
09.04.2019
6 U 13/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Abmahnverein keinen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten für ein anwaltliches Erläuterungsschreiben zu einer vom Verband verschickten Abmahnung hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 II ZPO erfüllt sind. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 27.3.2019 Bezug genommen (§ 522 II 3 ZPO), dessen Gründe nachfolgend wiedergegeben werden:

„Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten für die anwaltliche Zweitabmahnung vom 8.5.2018 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Nach der Entscheidung „Kräutertee“ (GRUR 2010, 354) des Bundesgerichtshofs sind nach einer vom Unterlassungsgläubiger selbst ausgesprochenen Erstabmahnung, die dem Verletzter den Weg gewiesen hat, den Gläubiger ohne gerichtliches Verfahren klaglos zu stellen, die Kosten für eine weitere anwaltliche Abmahnung grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Allerdings ist fraglich, ob dies auch dann gilt, wenn – wie hier – der Zweitabmahnung eine Antwort des Verletzters auf die Erstabmahnung vorausging, in der ausdrücklich um eine Erläuterung des Unterlassungsverlangens gebeten wurde, und wenn die die anwaltliche Zweitabmahnung nicht nur den Inhalt der Erstabmahnung wiederholt, sondern vertiefte tatsächliche oder rechtliche Ausführungen enthält (zum letzten Gesichtspunkt vgl. Senat WRP 2018, 116 - Zweitabmahnung – unter Hinweis auf OLG Frankfurt a. M. – 11. Zivilsenat - MMR 2012, 249; Rn. 36). Die Frage bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn selbst wenn man unter diesen Voraussetzungen die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die weitere anwaltliche Abmahnung grundsätzlich für möglich hält, wäre weiter erforderlich, dass der Kläger zu der erbetenen Erläuterung seines Unterlassungsverlangens ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht in der Lage war. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Der Kläger als Wettbewerbsverband, der sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zum satzungsgemäßen Ziel gesetzt hat, muss personell und sachlich so ausgestattet sein, dass er durchschnittlich schwierige Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe mit eigenen Kräften bearbeiten kann (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., Rdz. 1.124 zu § 12 UWG m.w.N.). Dann muss gleiches für nachträgliche Erläuterungen zu einer bereits ausgesprochenen Eigenabmahnung gelten. Danach war die Einschaltung eines Anwalts zur Beantwortung des Schreibens der Beklagten vom 2.5.2018 nicht geboten.

Der Kläger hat zwar in der Erstabmahnung vom 24.4.2018 nicht im Einzelnen ausgeführt, aus welchen Gründen die Beklagte in der beanstandeten Anzeige gemäß § 5a III Nr. 2 UWG zur Angabe von Identität und Anschrift des Unternehmers verpflichtet sei. Gleichwohl kann es keinem Zweifel unterliegen, dass dem Kläger die Voraussetzungen für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs geläufig waren. Dies folgt bereits daraus, dass der vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt im weiteren Schreiben vom 8.5.2018 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der Kläger „hinsichtlich vergleichbarer Sachverhaltsgestaltung bereits mit mehreren anderweitigen Unternehmen Vereinbarungen getroffen“ habe, in denen die abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung mit einem Zusatz versehen wurde, wie der Unterlassungsschuldner künftig auf die Erlangung der Informationen zu seinen Vertriebspartnern hinweisen könne. Auch der Anwalt der Beklagten hatte in seinem Schreiben vom 2.5.2018 die Berechtigung der Abmahnung vom 24.4.2018 gerade unter Hinweis darauf in Frage gestellt, dass die Beklagte in der beanstandeten Anzeige nicht auf eine Kaufmöglichkeit bei ihr selbst, sondern bei anderen Unternehmen hingewiesen habe. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, warum der Kläger sein Unterlassungsverlangen in diesem Punkt nicht auf der Grundlage seiner aus anderen Abmahnfällen gewonnenen Erfahrung selbst in gleicher Weise erläutern konnte, wie es der von ihm beauftragte Anwalt sodann in seinem Schreiben vom 8.5.2018 getan hat.“

Das Vorbringen im Schriftsatz des Klägervertreters vom 3.4.2019 rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Insbesondere beruft sich der Kläger ohne Erfolg darauf, dass die im Senatsbeschluss angesprochenen Vereinbarungen mit anderen Unternehmen ebenfalls vom jeweiligen Prozessbevollmächtigten des Klägers getroffen worden seien.

Auch wenn die in Rede stehenden Vereinbarungen im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen mit anwaltlicher Hilfe getroffen worden sind, muss von einem Wettbewerbsverband erwartet werden, dass er die sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen für die künftige Verfolgung ähnlicher Wettbewerbsverstöße aus eigener Sachkenntnis beurteilen kann. Es ist auch davon auszugehen, dass – worauf der Senat in seinem Beschluss bereits hingewiesen hat - der Kläger sich bei seiner Eigenabmahnung dieser Konsequenzen bereits bewusst war und diese berücksichtigt hat. Unter diesen Umständen war es dem Kläger auch möglich, die von der Beklagten erbetene Erläuterung seines Unterlassungsbegehrens selbst vorzunehmen. Der Klägervertreter hat jedenfalls auch im Schriftsatz vom 2.4.2019 nicht dargetan, dass gerade die vorliegende Verletzung etwa von Besonderheiten gegenüber den bereits abgeschlossenen Auseinandersetzungen geprägt war, zu deren Beurteilung der Kläger anwaltlichen Beistands bedurfte.




OLG Frankfurt: Rechtmäßigkeitsprüfung einer Dopingsperre auf CAS beschränkbar wenn sich Berufssportler hierzu verpflichtet - Verknüpfung von Lizenzerteilung und Verpflichtungserklärung zulässig

OLG Frankfurt
Urteil vom 21.12.2017
11 U 26/17 (Kart)


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Beschränkung der Rechtmäßigkeitsprüfung einer Dopingsperre auf die CAS durch Verpflichtungserklärung des jeweiligen Berufssportler zulässig ist. Die Verknüpfung von Lizenzerteilung und Verpflichtungserklärung ist - so das Gericht - zulässig und kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung des jeweiligen Verbandes.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main: Rechtmäßigkeitsprüfung einer Dopingsperre auf CAS beschränkbar

Ein Berufssportler kann sich nicht auf die Rechtswidrigkeit einer Dopingsperre berufen, wenn er sich verpflichtet hat, den internationalen Sportschiedsgerichtshof (CAS) als einzige Berufungsinstanz anzuerkennen und eine Überprüfung durch den CAS unterlassen hat, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil. Die Verknüpfung zwischen Lizenzerteilung und Verpflichtungserklärung beinhalte auch keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, betonte das OLG.

Der Kläger ist Berufsradrennfahrer. Er begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen einer gegen ihn vom Bundessport- und Schiedsgericht (BSSG) verhängten Dopingsperre. Bei dem Beklagten handelt es sich um den Dachverband des deutschen olympisch organisierten Radsports. Der Beklagte ist Mitglied des Weltradsportverbandes „Union Cycliste Internationale“ (UCI) und erteilt Sportlern die erforderliche Lizenz zur Teilnahme am Radsport. Das BSSG ist ein Organ des beklagten Verbandes.

Der Kläger erhielt in der Vergangenheit Lizenzen und verpflichtete sich mit Antragstellung, die Reglements des UCI anzuerkennen. Insbesondere erklärte er, sich den Strafen zu unterziehen, die ihm gegenüber ausgesprochen werden und Berufungen den im Reglement vorgesehenen Instanzen vorzutragen. Ausdrücklich unterzeichnete er folgende Verpflichtung: „Ich akzeptiere das TAS/CAS als einzig kompetente Berufungsinstanz (…). Ich akzeptiere, dass das TAS/CAS als letzte Instanz entscheidet und dass seine Beschlüsse endgültig und ohne Anspruch auf Berufung sind.“

Der Kläger gehörte dem Testpool der am häufigsten kontrollierten Sportler an und unterlag u.a. strengen Meldeauflagen. Die Nationale Anti-Doping-Agentur Deutschland informierte den Beklagten über drei Meldepflicht- und Kontrollversäumnisse des Klägers. Das BSSG verhängte daraufhin gegen den Kläger eine 12-monatige Sperre. Diesen Beschluss ließ der Kläger nicht vom CAS überprüfen.

Er begehrt nunmehr vom Beklagten Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns und meint, die Sperre sei rechtswidrig ausgesprochen worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger könne sich nicht auf die behauptete Unrichtigkeit des Beschlusses des BSSG berufen, meint das OLG. Er habe sich hinsichtlich der Frage etwaiger Dopingverstöße der Verbandsgerichtsbarkeit des Beklagten und der Anerkennung des CAS als einziger Berufungsinstanz unterworfen. Trotz der ihm erteilten Rechtsbehelfsbelehrung habe er keine Berufung zum CAS eingelegt.

Das Verlangen der Unterwerfungserklärung stelle bei Abwägung der beiderseitigen Interessen auch keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch den Beklagten dar. Der Beklagte habe zwar auf dem Markt der Zulassung von Sportlern zur Teilnahme an Radsportveran-staltungen eine Monopolstellung. Bei der Erteilung von Lizenzen handele es sich auch um eine gewerbliche Leistung im geschäftlichen Verkehr.

Die verlangte Unterwerfung unter die Verbandsgerichtsbarkeit und Anerkennung des CAS als einziger Berufungsinstanz beinhalte jedoch keinen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung. Es entspreche „dem wohlverstandenen Interesse nicht nur des Beklagten als Fachverband des Deutschen Radsports …, sondern auch der den Radsport ausübenden Athleten“, dass zunächst über das Vorliegen von Dopingverstößen das BSSG entscheide. So könnten „Entscheidungen über Dopingverstöße deutschlandweit einheitlich durch ein fachlich kompetentes Gremium zeitnah getroffen werden“, begründet das OLG. Soweit das BSSG kein unabhängiges Schiedsgericht, sondern ein Organ des Beklagten sei, führe auch dies nicht zur Unwirksamkeit der Unterwerfung. Dem Kläger habe eine Berufung zum CAS offen gestanden. Der CAS stelle nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 07.06.2016, KZR 6/15 - Pechstein) eine „unabhängige und neutrale Instanz“ dar.

Die Beschränkung der Überprüfung einer Sperre auf den CAS unter Ausschluss ordentlicher Gerichte stelle sich auch nicht aus sonstigen Gründen als rechtsmissbräuchlich dar. Den Grund-rechten des Klägers auf Justizgewährung sowie auf freie Berufsausübung stehe die gleichfalls verfassungsrechtlich gewährleistete Verbandsautonomie des Beklagten gegenüber. „Der Bedeu-tung einheitlicher und effektiver Anti-Doping-Richtlinien sowohl im internationalen wie im nationalen Kontext (…) wird am besten ein einheitliches Schiedsgericht gerecht“, betont das OLG. Schließlich können „Sportschiedsgerichte (…) am ehesten die Chancengleichheit der Sportlerinnen und Sportler bei der Teilnahme am organisierten Sport (…) durchsetzen (…) und verfügen durch die ständige Befassung mit sportspezifische Streitigkeiten über das notwendige Spezialwissen“.

Soweit der Kläger geltend mache, dass die Anrufung des CAS aus finanziellen Gründen unzumutbar sei, seien diese Ausführungen nicht hinreichend substantiiert.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2017, Az. 11 U 26/17 (Kart)
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 23.04.2015, Az. 2/13 O 4/14)

Das Urteil kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof angegriffen werden. Es ist in Kürze im Volltext unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Erläuterung:
„CAS“ steht für „court of arbitration für sport“; gleichbedeutend ist „TAS“, d.h. „Tribunal Arbitral du Sport“






BGH: Fachverband kann Rechtsanwaltskosten für Abmahnung auch dann nicht verlangen wenn Verband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt

BGH
Urteil vom 06.04.2017
I ZR 33/16
Anwaltsabmahnung II
UWG § 3a, § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 12 Abs. 1 Satz 2; PBefG § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört, auch dann keine Erstattung der Rechtsanwaltskosten für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung verlangen kann, wenn Verband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt.

Leitsätze des BGH:

a) Bei dem in § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 PBefG geregelten Verbot, Taxen außerhalb behördlich zugelassener Stellen für Beförderungsaufträge bereitzuhalten, handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung, die der Wahrung der Chancengleichheit der Taxiunternehmer beim Wettbewerb um Fahraufträge dient. Die Regelung ist deshalb gemäß § 3a UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

b) Ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung der in seinem Gebiet auftretenden Wettbewerbsverstöße gehört, muss in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt. Die Kosten für eine anwaltliche Abmahnung, mit der typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße geltend
gemacht werden, sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn ein Fachverband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt (Festhaltung BGH, Urteil vom 12. April 1984 - I ZR 45/82, GRUR 1984, 691 - Anwaltsabmahnung).

BGH, Urteil vom 6. April 2017 - I ZR 33/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

BGH: Fachverband kann Rechtsanwaltskosten für Abmahnung auch dann nicht verlangen wenn Verband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt

BGH
Urteil vom 06.04.2017
I ZR 33/16
Anwaltsabmahnung II
UWG § 3a, § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 12 Abs. 1 Satz 2; PBefG § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört, auch dann keine Erstattung der Rechtsanwaltskosten für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung verlangen kann, wenn Verband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt.

Leitsätze des BGH:

a) Bei dem in § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 PBefG geregelten Verbot, Taxen außerhalb behördlich zugelassener Stellen für Beförderungsaufträge bereitzuhalten, handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung, die der Wahrung der Chancengleichheit der Taxiunternehmer beim Wettbewerb um Fahraufträge dient. Die Regelung ist deshalb gemäß § 3a UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

b) Ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung der in seinem Gebiet auftretenden Wettbewerbsverstöße gehört, muss in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt. Die Kosten für eine anwaltliche Abmahnung, mit der typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße geltend
gemacht werden, sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn ein Fachverband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt (Festhaltung BGH, Urteil vom 12. April 1984 - I ZR 45/82, GRUR 1984, 691 - Anwaltsabmahnung).

BGH, Urteil vom 6. April 2017 - I ZR 33/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: