LG Traunstein
Versäumnisurteil vom 24.04.2023 9 O 2541/22
Das LG Traunstein hat entschieden, dass ein Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen Anbieter in Deutschland verbotener Online-Glücksspiele besteht.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Das angerufene Landgericht Traunstein ist nach Art. 7 Ziff. 1, 2 EuGVVO international und örtlich zuständig. Soweit Ansprüche aus Leistungskondiktion geltend gemacht werden, sind diese als vertragliche Ansprüche unter dem Vertragsgerichtsstand nach Art. 7 Ziff. 1 EuGVVO einklagbar. Der Erfüllungsort liegt am Wohnsitz des Spielers in 8... R.. Soweit Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung geltend gemacht werden, folgt der Gerichtsstand aus Art. 7 Ziff. 2 EuGVVO, da der Schaden in Deutschland, nämlich am Wohnsitz des Spielers in Kastl eingetreten ist.
2. Nach Art. 6 der Rom I Verordnung ist deutsches Recht anwendbar. Der Nutzung der Internetdomain durch den Spieler liegt ein Verbrauchervertrag im Sinne dieser Vorschrift zugrunde. Der Spieler handelte nicht in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Die Beklagte ist eine Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift. Da sie das Glücksspiel auf ihrer deutschen Homepage anbot, übte sie ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus. Daher unterliegt der Vertrag dem Recht Deutschlands, da hier der Spieler als Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Ansprüche folgt die Anwendbarkeit deutschen Rechts somit aus Art. 12 Abs. 1 lit. e), 10 Abs. 1, 6 Abs. 1 Rom I VO.
Auf die deliktischen Schadensersatzansprüche findet gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II VO ebenfalls deutsches Recht Anwendung, da in Deutschland die Schadensfolge eingetreten ist.
3. Die Beklagte hat nach § 823 Abs. 2 BGB dem Kläger Schadensersatz zu leisten und hierzu gemäß § 249 Abs. 1 BGB die erhaltenen Zahlungen unter Abzug der erhaltenen Gewinne zurückzubezahlen. Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 4 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlÜStV) verstoßen, wonach das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist. Bei dem Staatsvertrag handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Grüneberg, § 823, Rn. 75).
4. Der Kläger kann seinen Anspruch daneben auch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen, da die Zahlungen des Spielers an die Beklagte rechtsgrundlos erfolgten. Der Vertrag über die Ausübung des Glücksspiels auf der Internetdomain der Beklagten ist nach § 134 BGB nichtig, da die Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels im Internet nach § 4 Abs. 4 GlÜStV bis zum 30.06.2021 verboten war. Der Rückforderungsausschluss gemäß § 817 Satz 2 BGB ist vorliegend nicht anwendbar, da ein Kondiktionsausschluss einerseits einen starken Anreiz für die Fortsetzung des gesetzeswidrigen Angebots durch Anbieter verbotener Online-Glücksspiele setzen würde und andererseits dem Schutzzweck der Verbotsnorm, nämlich dem Schutz der Spieler vor den Gefahren des Glücksspieles, zuwiderlaufen würde. Da es sich um ein verbotenes Glücksspiel handelt, ist auch § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB, nach dem das aufgrund eines (wirksamen) Spiel- oder Wettvertrages Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, nicht anwendbar (vgl. Grüneberg, 82. Auflage, § 762, Rz. 3).
Das AG Köln hat entschieden, dass die Vorgaben der Buttonlösung gemäß § 312j BGB analog auch für Vertragsbeendigungen durch Schaltflächen in standardisierten E-Mails gelten.
Aus den Entscheidungsgründen: I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 4.112,65 EUR aus §§ 631, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte vollumfänglich zu.
1. Der Kläger als Partei des mit der Beklagten bestehenden Luftbeförderungsvertrags ist hinsichtlich des in Rede stehenden Schadensersatzanspruchs aktivlegitimiert.
2. Die Beklagte hat ihre aus dem Vertrag resultierende Pflicht zur Beförderung des Klägers und der Mitreisenden verletzt, da sie trotz des Anklickens des Buttons „Ich möchte eine Erstattung anfordern“ durch den Kläger weiterhin zur Leistung verpflichtet war. Denn der Luftbeförderungsvertrag ist durch das Anklicken nicht beendet worden, da die Beklagte ihren analog § 312j Abs. 3 BGB bestehenden Pflichten nicht genügt hat.
a) Gemäß § 312j Abs. 3 BGB hat der Unternehmer die Bestellsituation bei einem Vertrag nach § 312j Abs. 2 BGB so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus § 312j Abs. 3 S. 1 BGB nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Gemäß § 312j Abs. 4 BGB kommt ein Vertrag nach Absatz 2 nur zustande, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus § 312j Abs. 3 BGB erfüllt.
Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem – dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden – Regelungsplan ergeben (stdg. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 – IV ZR 143/21 – BeckRS 2022, 36827 Rn. 13 m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. § 312j Abs. 3 BGB ist auf standardisierte E-Mails, in denen der Unternehmer dem Verbraucher die Vertragsbeendigung per Auswahl-Button ermöglicht, analog anwendbar.
(1) Eine Regelungslücke ist gegeben. Denn das deutsche Recht kennt keine Regelung, die Vorgaben zur Beschriftung von Schaltflächen bei der Vertragsbeendigung im elektronischen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern zum Zwecke der Warnung vor der etwaigen Nicht-Erstattung erfolgter Zahlungen enthält.
(a) Während der Gesetzgeber durch die Einführung des § 312j BGB (ursprünglich § 312g BGB) bestimmte Voraussetzungen für das Zustandekommen (Hervorhebung durch das Gericht) von Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr – vornehmlich die Pflicht des Unternehmers, die Schaltfläche für die Bestellung mit dem eindeutigen Hinweis für den Verbraucher auf die Zahlungspflicht zu versehen, sog. Buttonlösung (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 6 f.), – kodifiziert hat, fehlt es an solchen eindeutigen Bestimmungen für die Vertragsbeendigung.
(b) Entsprechende Voraussetzungen folgen insbesondere nicht aus § 312d Abs. 1 S. BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 14, Abs. 2 EGBGB. Diese sind ungeeignet, den Verbraucher vor der Andienung der Vertragsbeendigung durch den Unternehmer zu schützen, weil sie nicht unmittelbar vor Vertragsbeendigung mitgeteilt werden müssen (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt BeckOK BGB/Martens, 64. Edition, Stand 01.11.2022, § 312d BGB Rn. 3).
(c) Eine Regelungslücke ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil auf die Willenserklärungen bei der Vertragsbeendigung die allgemeinen Regeln über die Anfechtung im Irrtumsfall nach § 119 BGB bzw. § 123 BGB Anwendung finden. Denn die Regelungen der Anfechtung gewähren dem Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr kein mit § 312j Abs. 3 BGB vergleichbares Schutzniveau. Der Gesetzgeber hat sich bei der Einführung des BGB dazu entschlossen, irrtumsbelastete Willenserklärungen nicht aus sich heraus als nichtig anzusehen, sondern die nachträgliche Anfechtung mit der Folge des § 142 Abs. 1 BGB zuzulassen (vgl. MüKo BGB/Armbrüster, 9. Auflage 2021, § 119 BGB Rn. 1). Es handelt sich also bei der Irrtumsfreiheit nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Willenserklärung. Damit geht einher, dass derjenige, der eine Willenserklärung anfechten möchte, die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Tatsachen, die den Irrtum begründen, trägt (vgl. MüKo BGB/Armbrüster, a.a.O., § 119 BGB Rn. 153). Die analoge Anwendung des § 312j Abs. 3 BGB auf den Fall der Vertragsbeendigung führt hingegen dazu, dass die ordnungsgemäße Information des Verbrauchers über etwaige nicht erstattungsfähige Zahlungen eine Wirksamkeitsvoraussetzung der vertragsbeendenden Willenserklärung darstellt. Denn in direkter Anwendung stellt § 312j Abs. 3 BGB eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertragsschlusses dar, vergleichbar mit der Wirkung einer Formvorschrift (vgl. BT Drs. 17/7745, S. 12; BeckOGK/Busch, Stand: 01.06.2021, § 312j BGB Rn. 47.1 m.w.N.). Dies muss dann spiegelbildlich auch für die Vertragsbeendigung gelten. Für die Erfüllung der Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB trägt hingegen der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 12). Darüber hinaus sehen die Anfechtungsregeln auch keine bestimmten Informationspflichten vor, die geeignet sind, den typischen Gefahren des elektronischen Geschäftsverkehrs zu begegnen. Informationspflichten im Rahmen des § 123 BGB können sich stets nur aus den Umständen des Einzelfalles ergeben (vgl. MüKo BGB/Armbrüster, a.a.O., § 123 BGB Rn. 32 ff.).
(d) Ferner wird die Regelungslücke auch nicht durch die Einführung des § 312k BGB geschlossen. § 312k BGB statuiert bestimmte Pflichten für den Unternehmer bei der Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr. Unter anderem ist es gemäß § 312k Abs. 2 S. 2 BGB erforderlich, dass auf einer Webseite eine Kündigungsschaltfläche gut lesbar mit den Worten „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechend eindeutigen Erklärung beschriftet ist. Das Klicken auf die Schaltfläche muss den Verbraucher sodann gemäß § 312k Abs. 2 S. 3 BGB auf eine Bestätigungsseite führen, auf welcher er bestimmte Angaben zur Bezeichnung des Vertrags, zur Art der Kündigung etc. machen kann. Diese Pflichten verfolgen aber nicht denselben Zweck wie § 312j Abs. 3 BGB (in analoger Anwendung). Denn § 312k BGB zielt darauf ab, dem Verbraucher die Vertragsbeendigung besonders leicht zu machen, was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass der Verbraucher als Rechtsfolge der Missachtung der aufgeführten Pflichten gemäß § 312k Abs. 6 S. 1 BGB eine weitere Kündigungsmöglichkeit erhält. Abgesehen davon ist die Regelung gemäß § 312k Abs. 1 S. 1 BGB lediglich auf Dauerschuldverhältnisse anwendbar.
(2) Die aufgezeigte Regelungslücke ist auch planwidrig. Denn der Gesetzgeber hat unbewusst die Informationspflichten bezüglich etwaiger nicht erstattungsfähiger Zahlungen bei der Vertragsbeendigung im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern nicht geregelt.
Dem steht nicht entgegen, dass ausweislich der Gesetzesbegründung § 312j Abs. 2 BGB auf einseitige Willenserklärungen des Verbrauchers keine Anwendung finden soll. Denn hierbei hat der Gesetzgeber andere Konstellationen vor Augen gehabt, bspw. Weisungen im Rahmen laufender Vertragsbeziehungen wie die Erteilung von Aufträgen im Online-Banking (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 10). Hintergrund dieser Ausnahme war ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien, dass solche Erklärungen keine Zahlungsverpflichtungen auslösen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 17/8805, S. 6). Diese Überlegung lässt sich auf den in Rede stehenden Fall nicht erstattungsfähiger Zahlungen – im vorliegenden Fall Ticketpreise – nach Vertragsbeendigung aber nicht übertragen. Zwar begründet die Vertragsbeendigung keine Zahlungspflicht, de facto belastet aber eine nicht erstattungsfähige Vorleistung den Verbraucher im gleichen Maße. Denn durch die Beendigung wird dem Verbraucher der Anspruch auf die Gegenleistung genommen, ohne dass er über einen entsprechenden Anspruch auf Rückgewähr der von ihm erbrachten (Vor-)Leistung verfügt.
Die Intention des § 312j BGB sowie die Zielsetzung des § 312k BGB sprechen dafür, dass der Gesetzgeber übersehen hat, eine Regelung zu Informationspflichten bezüglich nicht erstattungsfähiger Vorleistungen bei der Vertragsbeendigung zu schaffen. Denn der Gesetzgeber hat ersichtlich die Gefahren des Vertragsschlusses im elektronischen Geschäftsverkehr gesehen, die darin liegen, dass der Verbraucher vorschnell Kostenverpflichtungen eingeht. Mit § 312j Abs. 3 BGB verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den Verbraucher vor Irreführung und Übereilung aufgrund der besonderen Situation im Internet bzw. bei der Nutzung sonstiger elektronischer Medien beim Vertragsschluss zu schützen (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7). Indes befürchtet der Gesetzgeber bei der Vertragsbeendigung, dass diese seitens des Unternehmers über Gebühr erschwert wird. § 312k BGB, der als Gegenstück des Bestellbuttons nach § 312j Abs. 3 BGB verstanden wird (vgl. MüKo BGB/Wendehorst, 9. Auflage 2022, § 312k BGB Rn. 1), basiert auf dem Befund, dass die Kündigung eines im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Vertrages direkt über eine Website für den Verbraucher oftmals nicht möglich oder durch die Website-Gestaltung erschwert wird. Entsprechend sollen Kündigungen im elektronischen Geschäftsverkehr für Verbraucher erleichtert werden (vgl. BT-Drs. 19/30840, S. 15). Zwar hat der Gesetzgeber offenbar gesehen, dass die Kündigung anderer Schuldverhältnisse als Dauerschuldverhältnisse in bestimmten Fällen für den Verbraucher mit unerwarteten Rechtsfolgen verbunden sein kann, bspw. mit der – im Ausgangspunkt – fortbestehenden Vergütungspflicht des Bestellers im Fall des werkvertraglichen Kündigungsrechts nach § 648 BGB (vgl. BT-Drs. 19/30840, S. 16). Aber zum einen spricht schon die dort gewählte Formulierung dafür, dass der Gesetzgeber ein – positives – Bedürfnis zum Schutz der Verbraucher vor Kostenfallen durch Dauerschuldverhältnisse hatte, nicht aber gleichzeitig ein – negatives – Bedürfnis zur Nicht-Regelung von Kostenfallen bei Nicht-Dauerschuldverhältnissen. Zum anderen handelt es sich in dem in BT-Drs. 19/30840, S. 16 genannten Beispiel um eine etwaig unerwartete Rechtsfolge, die sich aus dem Gesetz ergibt, nicht aber um eine unerwartete Rechtsfolge, die sich aus intransparenter Gestaltung durch den Unternehmer ergibt.
Schließlich ist eine analoge Anwendung von § 312j Abs. 3 BGB auch nicht wegen § 312 Abs. 5 S. 1 BGB ausgeschlossen. Hiernach sind die Absätze 2 bis 4 nicht anzuwenden, wenn der Vertrag ausschließlich durch individuelle Kommunikation geschlossen wird. Zwar führt die Gesetzesbegründung aus, dies beziehe sich insbesondere auf E-Mails (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7, S. 12). Kommunikation mittels – wie im vorliegenden Fall – standardisierter E-Mails ist hiervon jedoch nicht betroffen (vgl. zur überholten Vorstellung des Richtliniengebers der E-Commerce-Richtlinie im Jahr 2000 bzgl. des Gegenstands von E-Mails BeckOGK/Busch, a.a.O., § 312i BGB Rn. 50.1). E-Mail-Verkehr setzt gerade nicht notwendig eine individuelle Kommunikation im Sinne eines auf die konkrete Person des Verbrauchers abgestimmten Inhalts voraus, sondern ermöglicht auch die Versendung von standardisierten Inhalten. Der Gesetzgeber hatte hinsichtlich des § 312j Abs. 3 BGB gerade die Gefahr durch flexible Gestaltungsmöglichkeiten auf Online-Plattformen und die dadurch unklare Bestellsituation gesehen (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7). Entscheidend für das Erfordernis einer Regelung der jeweiligen Kommunikationsform ist aber, ob die typische Gefährdungslage besteht, ob also der Kunde ähnlich frei ist wie bei der Beantwortung eines Angebots durch einen Brief (zu § 312i BGB BeckOGK/Busch, a.a.O., § 312i BGB Rn. 51). Mit Blick auf die Gesetzgebungsmaterialien kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber bewusst gewesen ist, dass diese Gefährdungslage auch bei standardisierten E-Mails gegeben sein kann. Bei solchen E-Mails – wie im vorliegenden Fall – bestehen für den Verbraucher jedoch identische Gefahren wie bei der Nutzung einer Bestell-Website, denn der Unternehmer kann sich der gleichen Gestaltungsmöglichkeiten, etwa hinsichtlich in der E-Mail platzierter Schaltflächen, bedienen.
(3) Die analoge Anwendung des § 312j Abs. 3 BGB auf den Fall, in dem die Möglichkeit der Vertragsbeendigung durch standardisierte E-Mails an den Verbraucher herangetragen wird, ist auch geboten, da eine vergleichbare Interessenlage besteht. Hätte der Gesetzgeber das bestehende Schutzbedürfnis erkannt, hätte er die Regelung des § 312j Abs. 3 BGB auf die Vertragsbeendigung ausgeweitet.
Schon systematisch liegt eine Gleichbehandlung des Vertragsschlusses und der Vertragsbeendigung nahe. Denn die Vertragsbeendigung steht dem Vertragsabschluss vom rechtlichen Gewicht her gleich, stellt doch die Kündigung den einseitigen actus contrarius zur konsensualen Begründung der Vertragsbeziehung dar.
Die Gefahren des Vertragsabschlusses über eine Online-Schaltfläche sind ferner vergleichbar mit denen, die für den Verbraucher bei der Vertragsbeendigung über eine in einer standardisierten E-Mail enthaltenen Schaltfläche bestehen. Sowohl für den Vertragsabschluss als auch für die Vertragsbeendigung ist es zum Schutz des Verbrauchers unerlässlich, bestimmte Informationspflichten sowie einfach verständliche, auf finanzielle Folgen hinweisende Schaltflächen vorzugeben. Denn der Gedanke des § 312j Abs. 3 BGB, die Kostentransparenz im Internet zu verbessern und es zu erschweren, Kunden durch die Verschleierung der Entgeltpflichtigkeit eines Angebots sowie durch unklare Preisangaben in Kostenfallen zu locken (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7), lässt sich auf die Konstellation der Vertragsbeendigung, die mit nicht erstattungsfähigen Vorleistungen des Verbrauchers verbunden ist, übertragen. Denn in beiden Fällen kann es das Ziel des Unternehmers sein, durch intransparente Gestaltung bestimmte Kosten auf den Verbraucher abzuwälzen.
Findet diese Intention des Unternehmers ihren Niederschlag in einer unübersichtlichen elektronischen Darstellung der Vertragsbeendigungsmöglichkeit, ist der Verbraucher, um seine Entscheidung freiverantwortlich treffen zu können, darauf angewiesen, dass die Konsequenzen des Anklickens bestimmter Schaltflächen, insbesondere die mit dem Klick verbundenen finanziellen Konsequenzen, aufgeführt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verbraucher – wie im vorliegenden Fall – durch das Setzen von Fristen einseitig unter zeitlichen Druck gesetzt wird. Erfolgt dies nicht, besteht ein Täuschungs- und Überrumpelungsrisiko, dem § 312j Abs. 3 BGB gerade entgegenwirken möchte (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 7).
Zudem spricht auch die Zielsetzung des Unionsrechts für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 312j Abs. 3 BGB. Hierfür spricht schon der Umstand, dass der dritte Erwägungsgrund der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/83/EU vom 25.10.2011), welche seinerzeit während des nationalen Gesetzgebungsverfahrens noch im Entstehen befindlich war, aber bereits in Bezug genommen wurde (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 9), auf das Ziel der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutz-Niveaus hinweist. Speziell im Hinblick auf – vorliegend streitgegenständliche – Luftbeförderungsverträge gilt zudem, dass das nach Erwägungsgrund 1 der VO (EG) Nr. 261/2004 angestrebte hohe Schutzniveau sowie das Ziel, den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung zu tragen, nur dann gewährleistet sind, wenn eine Stornierung nur infolge einer wirksamen, nicht von Willensmängel behafteten Erklärung erfolgt (so auch AG Erding, Urt. v. 27.10.2022 – 104 C 682/22, S. 6).
Die Vergleichbarkeit ist auch nicht aus dem Grund ausgeschlossen, dass der Verbraucher, der einen Vertrag beendet – anders als jener, der einen Vertrag abzuschließen beabsichtigt –, bei Vertragsabschluss unter Umständen bereits Vertragsinformationen erhalten hat, die ihm eine Prüfung ermöglichen, ob er kostenfrei stornieren kann oder nicht. Vielmehr kann dem Verbraucher erst recht dann, wenn sein Vertragspartner ihm einseitig eine Änderung des bereits geschlossenen Vertrags aufdrängt, und ihn hierbei ggf. noch unter zeitlichen Druck setzt, nicht zugemutet werden, selbst eine unter Umständen aufwändige Prüfung vorzunehmen, welche finanziellen Folgen potenziell auf ihn zukommen. Dem Unternehmer, der einseitig den bereits geschlossenen Vertrag ändern will, ist hingegen jedenfalls die Gewährleistung eines Mindestmaßes an Transparenz zuzumuten. Dies zeigt der vorliegende Fall, in dem in der streitgegenständlichen E-Mail von einem „Recht auf eine Erstattung des Ticketpreises“ die Rede ist und erst durch eine Prüfung der Reiseunterlagen auffallen konnte, dass hiermit keine vollständige, sondern lediglich eine sehr geringe Erstattung gemeint gewesen ist, in besonders eindrücklicher Weise. Selbst wenn der Verbraucher aber seine Reiseunterlagen prüft, kann gleichwohl durch den Text der E-Mail der – unter Umständen fatale – Eindruck entstehen, dieser modifiziere die Vertragsbedingungen zu Gunsten des Verbrauchers.
Schließlich ist auch der bereits genannte Schutzgedanke des § 312j Abs. 3 BGB, der Schutz des Verbrauchers vor Übereilung durch die Möglichkeit, sich die finanziellen Konsequenzen des Anklickens bewusst zu machen (vgl. BT Drs. 17/7745, S. 7), übertragbar. Denn der Verbraucher, der durch eine E-Mail seines Vertragspartners zu einer Reaktion innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert wird, befindet sich unter einem größeren zeitlichen Druck als derjenige, der im Internet freiwillig eine Webseite besucht und sich in Ruhe überlegen kann, ob er dort etwas bestellt oder nicht.
c) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 312j Abs. 3 BGB sind gegeben.
Der erforderliche Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB (vgl. BeckOGK/Busch, a.a.O., § 312j BGB Rn. 15) zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher liegt vor. Denn der Kläger nahm die Buchung als Verbraucher nach § 13 BGB vor, es handelte sich unstreitig um eine Familienreise. Die beklagte Aktiengesellschaft ist Unternehmerin nach § 14 BGB, sie bietet gewerblich Flugreisen an. Auch handelt es sich bei dem Beförderungsvertrag um einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312i Abs. 1, 1 Hs. BGB, wonach sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient. Hierunter fällt auch der Werkvertrag (BeckOK BGB/Maume, a.a.O., § 312i BGB Rn. 9). Der E-Mail-Verkehr fällt unter die insoweit maßgebliche Bestimmung (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 10) des § 1 TMG (vgl. zur Altfassung BT-Drs. 16/3078, S. 13).
Die in der E-Mail enthaltene Schaltfläche, die der Kläger ausgewählt hat, entsprach nicht den Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB. § 312j Abs. 3 S. 2 BGB verlangt für die Wirksamkeit des Vertragsschlusses, dass der Unternehmer die Schaltfläche, über die eine Bestellung abgegeben werden kann, mit den gut lesbaren Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer ähnlichen Formulierung versieht. Übertragen auf die Vertragsbeendigung hätte die Schaltfläche jedenfalls eine deutliche Information darüber enthalten müssen, dass mit dem Klick die Erstattung des Flugpreises – abgesehen von Steuern und Gebühren – entfällt bzw. dass ausschließlich Steuern und Gebühren erstattet werden. Insbesondere ist spiegelbildlich zur Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“ zu verlangen, dass der Verbraucher die Rechtsverbindlichkeit des Anklickens erkennen kann. Diesen Anforderungen entsprach der Button in der streitgegenständlichen E-Mail nicht im Ansatz. Vielmehr stellt sich die Formulierung „Ich möchte eine Erstattung anfordern“, auch in Kombination mit dem Begleittext, in dem von einem „Recht auf eine Erstattung des Ticketpreises“ die Rede ist, als geradezu irreführend dar. Denn dem Verbraucher wird suggeriert, er erhalte den vollständigen Ticketpreis zurück. Dass er lediglich Steuern und Gebühren erhält – im vorliegenden Fall nur etwa 10 Prozent des Gesamtpreises –, kann den gegebenen Informationen nicht im Ansatz entnommen werden. Hinzu kommt, dass die zugrundeliegende Vertragsänderung – nämlich die Änderung der Flugzeiten – aus der Sphäre der Beklagten und gerade nicht aus derjenigen des Klägers stammt. Ferner lässt der auf dem Button enthaltene Text keinen Schluss darauf zu, dass durch den Klick unmittelbar der Vertrag beendet wird. Vielmehr suggeriert die Formulierung, wonach der Verbraucher eine Erstattung anfordern (Hervorhebung durch das Gericht) möchte, dass zunächst weitere Informationen abgefragt werden. Jedenfalls aber konnte damit gerechnet werden, dass noch eine Sicherheitsabfrage erfolgt, ob tatsächlich eine Stornierung erfolgen soll oder nicht. Dass der Klick hingegen zur Abgabe einer rechtsverbindlichen Entscheidung führt, lässt sich der streitgegenständlichen E-Mail gerade nicht entnehmen, erst recht nicht ohne eine damit verbundene vollständige Erstattung des Flugpreises. Vielmehr spricht der enthaltene Begriff „möchte“ für ein Begehr, einen Prozess in Ganz zu setzen, der letztendlich zu einer Flugpreis-Erstattung führen kann, nicht aber für die unmittelbare Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung.
Hierbei kann offen bleiben, ob Mängel in der Beschriftung des Buttons durch eine ordnungsgemäße Information an anderer Stelle ausgeglichen werden können. Denn Informationen, die spiegelbildlich den Pflichten des § 312j Abs. 2 BGB entsprechen, sind gerade nicht erteilt worden. Vielmehr stellt sich der Begleittext, in dem vom „Recht auf eine Erstattung des Ticketpreises“ die Rede ist, wie dargestellt als irreführend dar. Denn eine Information darüber, dass ein Anteil des Ticketpreises nicht erstattet wird und wie groß dieser Anteil ist, fehlt vollständig.
Die Pflicht aus dem Beförderungsvertrag ist ungeachtet dessen verletzt, dass die Beförderungsleistung noch nicht fällig war. Denn dieser bedarf es nicht, wenn der Schuldner die Leistung vor Fälligkeit ernsthaft und endgültig verweigert (vgl. Schulze BGB/Schulze, 11. Auflage 2021, § 281 Rn. 5; AG Köln, Urt. v. 15.03.2022 – 120 C 71/21 – juris, Rn. 15). Die Löschung der Buchung stellt eine antizipierte Beförderungsverweigerung dar (vgl. AG Frankfurt, Urt. v. 05.10.2022 – 30 C 635/22, S. 4). Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte die stornierte Buchung zudem gerade nicht wiederhergestellt.
3. Die Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten, was bereits daraus folgt, dass sie keine die gesetzliche Regelvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB widerlegenden Umstände vorgetragen hat. Auch das Fristsetzungserfordernis nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB ist erfüllt. Denn der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2022 eine Frist zur Wiederherstellung der Buchung bis zum 25.03.2022 gesetzt, auf die die Beklagte nicht reagiert hat. Der sodann erklärte Rücktritt steht dem Anspruch gemäß § 325 BGB nicht entgegen.
4. Infolge der Pflichtverletzung ist dem Kläger ein ersatzfähiger Schaden in tenorierter Höhe entstanden. Die bereits entrichtete Vergütung in Höhe von 4006,70 EUR abzüglich der erstatteten Steuern und Gebühren in Höhe von 432,00 EUR, d.h. 3.574,70 EUR, sind dem Kläger nach § 251 Abs. 1 BGB als Mindestschaden zu ersetzen (vgl. MüKo BGB/Emmerich, 9. Auflage 2022, vor § 281 BGB Rn. 22; AG Erding, Urt. v. 27. Oktober 2022 – 104 C 682/22, S. 11). Die zwischen den Parteien geltende Vereinbarung, wonach der vom Kläger gebuchte Tarif keine Erstattung vorsieht, greift nicht ein, da eine wirksame Stornierung durch den Fluggast nicht vorliegt (vgl. dazu AG Köln, Urt. v. 15. März 2022 – 120 C 71/21 – juris, Rn. 16). Die verbleibenden Mehrkosten für die Neubuchung in Höhe von 537,95 EUR sind ebenfalls nach § 251 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Denn es handelt sich um die Differenz zwischen dem vertraglichen Preis und dem Preis, den der Kläger auf dem Markt nach der Nichtleistung für einen Deckungskauf zahlen musste, (MüKo BGB/Emmerich, a.a.O., vor § 281 BGB Rn. 45).
LG Mönchengladbach
Urteil vom 03.12.2021 2 O 54/21
Das LG Mönchengladbach hat entschieden, dass ein ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis einem deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten muss.
Aus den Entscheidungsgründen: Das Landgericht Mönchengladbach ist zuständig.
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach folgt aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 Brüssel la-VO/EuGVV0.
Der Kläger ist hier Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Denn Verbraucher ist eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Unzweifelhaft ist vorliegend keiner dieser Zwecke einschlägig, so dass der Kläger als Verbraucher zu behandeln ist. Dies hat die Beklagte auch letztlich nicht substantiiert in Abrede gestellt. Denn es ist unstreitig geblieben, dass der Kläger als städtischer Beamter zwar intensiv und – wie die Beklagte meint – professionell gespielt hat, dass dies aber eben kein Ausfluss seiner beruflichen Tätigkeit, sondern ein exzessiv betriebenes „Freizeitvergnügen“ war.
Vorliegend ist auch deutsches Recht anwendbar. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO, wonach bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorliegend – unstreitig – Deutschland. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. I lit. b) Rom I-VO liegen auch für die Beklagte vor. Denn die Beklagte hat hier im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen und dabei ihr Angebot u.a. auf das Land ausgerichtet, indem der Verbraucher, hier also der Kläger, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Denn sie hat ihr Internetangebot u.a. auf deutsch angeboten und im Übrigen auch keine technischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine Spielteilnahme von Deutschland aus zu verhindern oder über die fehlende Legalität zumindest hinreichend präzise zu belehren, obwohl sie selbstverständlich faktisch wusste, dass eine große Anzahl der Spieler ihr Angebot von Deutschland aus genutzt hat.
Soweit es hier um die Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages geht, unterfällt auch dies dem Vertragsstatut des Art. 6. An der Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts ändert es auch nichts, dass die Beklagte ausweislich Ziffer 24 der Allgemeinen Vertragsbedingungen den Vertrag dem Recht von Gibraltar unterwerfen möchte. Denn diese Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, selbst wenn sie – vorgelegt wird nur die für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht relevante AGBFassung vom 10.11.2020 – auch schon 2005/2006 in dieser Form Teil der AGB gewesen wäre. Die §§ 305 ff. BGB bleiben hier anwendbar; denn gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-l-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Nach ständiger
Rechtsprechung des BGH steIlt eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen
Unternehmer gegenüber deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigkeiten ausschließlich das ausländische Recht gelten lässt, eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten des Verbraucher dar (vgl. BGH, Urt. V. 19. 7. 2012, I ZR 40/11, MMR 2013, 501 (504)). Die Überschrift „Anwendbares Recht" vermittelt dem Verbraucher dabei einen falschen Eindruck und hält ihn potentiell davon ab, geeignete RechtsschutzmögIichkeiten zu ergreifen, weil aus der pauscha!en Verweisung auf ausländisches Recht auch nicht hinreichend konkret erkennbar wird, in welchem Umfang verwiesen wird und welche Regelungen letztendlich Anwendung finden.
II.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 99.045,-- € aus § 812 Abs. 1 1 Satz 1 1. Var. BGB, da er seine Spieleinsätze bei der Beklagte ohne rechtlichen Grund getätigt hat. Denn der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betriebenen Online-Glücksspiel war gernäß § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Beklagte hat vorliegend gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen, vorliegend dem Kläger, zugänglich gemacht hat.
Im Einzelnen:
2. a) Die Beklagte hat die Differenz aus Einzahlungen und Auszahlungen hier ohne rechtlichen Grund erlangt, weil der zugrundeliegende Glücksspielvertrag nichtig im Sinne des § 134 BGB war. Der Kläger hat hier schlüssig vorgetragen, in dem streitgegenständlichen Zeitraum Verluste von 99.045,-- € bei Online Spielen, vor allem bei Online-Casino- Spielen der Beklagten bzw. genauer der ……erlitten zu haben. Die Beklagten hat die Summe als solche auch unstreitig gestellt – bzw. den ursprünglich versehentlich überhöhten Klagebetrag auf 99.045,-- € korrigiert – sie hat nur pauschal eingewandt, der Kläger habe bei ihr im streitgegenständlichen Zeitraum auch an angeblich legalen Sportwetten teilgenommen. Richtig ist, dass die Länder gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV (2012) für die Durchführung oder Vermittlung von Sportwetten eine Erlaubnis erteilen können, es ist jedoch hier jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Beklagte im Jahr 2018 über eine derartige Erlaubnis verfügt hätte.
Letztlich mag dies dahinstehen, denn hier ist im Ergebnis als unstreitig zu behandeln, dass die in Rede stehenden Verluste des Klägers ausschließlich bei Online-Spielen bzw. Online-Casino-Spielen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgten. Das Gericht hat diese Frage im Termin mit den Erschienenen erörtert und den Kläger im
Einzelnen zu den verschiedenen, in Anlage K 1 der Klage aufgelisteten Spielen um Erläuterung gebeten. Der Kläger hat daraufhin nachvollziehbar und überzeugend klargestellt, dass es sich sämtlich um Online Spiele gehandelt habe und nicht um Sportwetten, mit denen er zwar ursprünglich im Jahre 2005/2006 begonnen habe, die im Zuge der Ausprägung seiner Spielsucht für ihn aber im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rolle mehr gespielt hätten, weil Sportwetten keinen sofortigen Erfolg mit sich brächten, sondern im Regelfall auf ein frühestens am Folgetag stattfindendes Ereignis abgeschlossen würden. Auf weitere Nachfrage des Gerichts zu den scheinbar nach Sportwetten klingenden Spielen in der Liste, - wie z.B. „Football“ hat der Kläger nachvollziehbar erläutert, dass es sich auch insoweit um Online-Casinospiele handele, und es insoweit bei der Bezeichnung nur um die Dekoration oder Werbung des Spieltisches gegangen sei, teils hätten auch die Dealer an den Tischen dann entsprechende Trikots getragen. Diesem dezidierten Vortrag des Klägerseite ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten, insbesondere hat sie ihre diesbezügliche offenbar ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, dass der Kläger im Jahr 2018 auch Sportwetten getätigt habe im Termin im Rahmen der ausführlichen Erörterung nicht substantiiert. Weder hat sie – obwohl die angebotenen Spiele von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin angeboten wurden und sie daher über umfassende Kenntnis verfügt – erläutert, wann der Kläger nun welche Sportwette abgeschlossen haben soll, noch hat sie bestritten, dass es sich bei den nach Sportwetten klingenden Bezeichnungen tatsächlich nur um die Webenamen von Online-Casinotischen handelt. Mangels substantiierten Bestreitens ist damit vorliegend als unstreitig zu behandeln, dass der Kläger mit der vorliegenden Klage nur die Rückzahlung von Verlusten erstrebt, die aus dem Online-Casino der Electra Works Limited resultieren.
Diese Online Casino-Spiele sind gesetzwidrig, § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) normiert ein klares Verbot für Online-Casinos. Die nach gibraltarischem Recht erteilte Erlaubnis hilft der Beklagten insoweit nicht weiter, in Deutschland war das Angebot illegal. Der Kläger hat auch erläutert, nahezu ausschließlich von zu Hause aus am Handy (gelegentlich am PC) gespielt zu haben und ansonsten auch auf Spaziergängen mit seinem Hund die schnelle Verfügbarkeit des Online-Casinos genutzt zu haben. Die Beklagte hat zwar mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger stets aus NordrheinWestfalen gespielt hat, das reicht hier aber für einen Erfolg dieses Vorbringens nicht aus. Denn es ist nicht ersichtlich und wird von Beklagtenseite auch nicht geltend gemacht, dass der Kläger sich im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt in einem Land aufgehalten hätte, indem das Online-Spielangebot der Beklagten legal ist, unabhängig davon, dass der Kläger auch schlüssig dargetan hat, wegen der sozialen Kontrolle weder auf der Arbeitsstelle noch im Urlaub gespielt zu haben.
Auch die von Beklagtenseite bemühte Erlaubnismöglichkeit im Rahmen des neuen GlüStV beseitigt die Nichtigkeit des Vertrages für das Jahr 2018 nicht, denn diese besteht – wenn überhaupt – ab dem 30.06.2021. Dabei ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gemäß § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 01.01.2018 bis 21.12.2018 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021, 1-12 W 13/21, Bl. 1182 ff. d. GA m.w.Nw.). Selbst im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642). Etwas anderes kommt – so auch das OLG Hamm in der vorzitierten Entscheidung – ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben werden wird (BGH WuM 2007, 440). Diese Voraussetzungen liegen indes im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor.
Soweit die Beklagte sich im Hinblick auf die sich in 2020 abzeichnende Gesetzesänderung auf eine aktive Duldung der Genehmigungsbehörden beruft, die die entsprechenden Anbieter zum 15.10.2020 aufgefordert hätten, das Internet-Glücksspielangebot einzustellen, um sodann perspektivisch ggf. eine Erlaubnis erhalten zu können, ändert dies ebenfalls nichts an der Gesetzwidrigkeit im Jahre 2018. Der von der Beklagten angestrengte Umkehrschluss einer aktiven Duldung auch für die Zeit vor dem 15.10.2020 erschließt sich dem Gericht insoweit bereits nicht, als das behördliche Übergangsregime erst im März 2020 vereinbart wurde und vorausschauend offenbar lediglich die Voraussetzungen für eine künftige
Erlaubniserteilung für die jeweiligen Anbieter regeln wollte. Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet - § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021 -, dass der Beklagten eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden wäre, trägt sie jedoch – unabhängig davon, dass dies die Illegalität der in 2018 angebotenen CasinoSpiele auch nicht rückwirkend beseitigen würde - selbst nicht vor.
Ebensowenig vermag das Gericht nachzuvollziehen, was die Beklagte aus den von ihr angeführten Formblättern des hessischen Innenministeriums ableiten möchte, schon der diesbezügliche Text als solcher gibt keine Hinweise auf die Erteilung der Konzession oder eine aktive Duldung.
Entgegen der von Beklagtenseite vertretenen Ansicht steht das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) auch im Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil vom 28.09.2011, MMR 2012, 191; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, NVwZ 2018, 895, BVerwGE 160, 193). Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Hierzu führ das Bundesverwaltungsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung vom 26.10.2017 (dort Rn. 30 ff.) folgendes aus: „Wie der Senat…, das Bundesverfassungsgericht ... und der Europäische Gerichtshof ... zum damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der … Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können ... Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten . .. Den spezifischen Sucht-, Betrugs-,Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2 GlüStV 2012). .. Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und unionsrechtskonform. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die … ihren Sitzgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen. Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen ... Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben .... Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind ... Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ... Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen .. . Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 1511570, S. 59). ...Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen."
Die Einzelrichterin schließt sich dieser überzeugend und umfassend begründeten Ansicht zur unionsrechtlichen Konformität der Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV an.
b) § 4 Abs. 4 GlüStV erfordert also solches auch keinen subjektiven Tatbestand, so dass hier dessen objektive Verwirklichung, d.h. das Betreiben von OnlineGlücksspiel ohne behördliche Erlaubnis, für die Annahme eines Verbotsgesetzes im Sinne des § 134 BGB genügt, unabhängig davon, dass die Beklagte auch nicht ernsthaft geltend machen könnte, angesichts der von ihr selbst angeführten umfänglichen und professionellen anwaltlichen Beratung nicht zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt zu haben.
c) § 762 BGB steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, weil diese Norm auf gesetzwidrige, d.h. nichtige Spielverträge ohne behördliche Erlaubnis keine Anwendung findet (vgl. Palandt, BGB, 79 Auflage 2020, § 762 BGB Rn. 9 m.w.Nw.)
d) Die Beklagte kann sich hier auch nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Ausschluss des § 814 BGB berufen. Denn ihr ist es – sie trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes (vgl. BeckOK BGB, Stand 01.11.2021 § 814 BGB Rn. 15) – bereits nicht gelungen, konkrete Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld, d.h. hier von der Gesetzeswidrigkeit hinreichend substantiiert vorzutragen. Unabhängig davon ist sie diesbezüglich auch beweisfällig geblieben.
Im Einzelnen: Der Kläger hat insoweit angegeben, nichts von der Illegalität der OnlineCasino-Spiele gewusst zu haben. Diesbezüglich hat er nachvollziehbar geschildert, dass er ausgehend von gelegentlichen, legalen Sportwetten schrittweise zum Online Casino gekommen sei, das er neben den sogenannten Slider Games intensiv ab 2015 gespielt habe. Dabei sei es ihm vor allem um den schnellen Erfolg gegangen. Er habe seine zunehmende Sucht stets vor allen – sogar vor seiner Familie versteckt – und nie mit jemandem zusammen gespielt oder sich über das OnlineSpielen ausgetauscht. Schließlich habe er mit dem Rücken zu Wand gestanden und sei auch nicht mehr kreditwürdig gewesen. Er sei sodann am 21.12.2021 in einer ausweglosen Situation und akut suizidgefährdet gewesen, habe aber – glücklicher Weise an den Feiertagen sozial kontrolliert durch sein familiäres Umfeld – letztlich den anderen Weg gewählt und sich Hilfe gesucht. Erst dabei habe er von der Möglichkeit des charge back erfahren.
Der Kläger hat die Abläufe und seine damaligen Verhaltensweise im Termin nachvollziehbar, in sich stimmig und sehr überzeugend geschildert. Gerade ein in ein bürgerliches Umfeld eingebundener Familienvater wird nachvollziehbarer Weise kein Interesse daran haben, dass in seinem privaten oder beruflichen Umfeld bekannt wird, dass er – wie er deutlich formulierte – heimlich Haus und Hof verspielt. Die Beklagte hat demgegenüber nur pauschal eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld behauptet und insoweit konkret lediglich auf ihre AGB Bezug genommen. Aus 2.1 der AGB der Beklagten lässt sich jedoch – selbst wenn der Kläger ihn gründlich gelesen hätte – nicht klar erkennen, dass das Nutzen eines Online-Casinos von NordrheinWestfalen aus illegal war und der Kläger insoweit für ihn erkennbar auf eine Nichtschuld leistete. Ausdrücklich erwähnt werden nur die USA, Polen und andere Länder, verbunden mit der Aufforderung an den Kunden, nur in den Ländern zu spielen, in denen dieses erlaubt ist. Diese AGB klärt den Kunden angesichts der komplexen und komplizierten Rechtslage in den verschiedenen Ländern bereits nicht hinreichend klar und deutlich über das Problem der Illegalität auf und lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass er ein illegales Angebot nutzt. Stattdessen versucht die Beklagte hier nur mit vagen, insoweit bereits AGB-widrigen- Formulierungen das rechtliche Prüfungsrisiko auf den Kunden zu überbürden. Darüber hinaus hat der Kläger – ebenfalls unwidersprochen vorgetragen – seit 2005 unter derselben Kontonummer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angemeldet gewesen zu sein. Die Beklagte trägt hier nicht vor, wann sie 2.1 ihrer AGB erstmals in der vorliegenden Fassung ihren Verträgen zugrunde gelegt haben will, aber sollten diese bereits 2005/2006 bestanden haben, hätte der Kläger, der ehrlich angab, im Zweifel AGB akzeptiert zu haben, sicher aber nicht mehr erinnern zu können, diese AGB mehr als 1 Jahrzehnt vor seiner Online-Spielleidenschaft „abgehakt“. Insoweit lässt sich angesichts der komplexen Rechtslage hieraus nicht ernsthaft eine Kenntnis des Klägers erkennen. Dies gilt auch für den von der Beklagten vorgelegten Medienspiegel (vgl. Anlage B 23, Bl. 808 ff. d. GA) der sich teilweise auf Berichte nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bezieht, nur vereinzelt Berichte vor Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes aufführt, bei denen jedoch nicht erkennbar ist, warum diese dem Kläger bekannt geworden sein sollen und der sich im Übrigen auf auf Gerichtsentscheidungen beschränkt, die einem Laien erst Recht nicht bekannt sein müssen.
Auch im Übrigen vermag die Argumentation der Beklagten nicht zu überzeugen. So macht sie selbst im vorliegenden Verfahren unter Berufung auf ihr großes Team aus Juristen und juristischen Professoren unter Rückgriff auf angebliche aktive Duldungen, deren Rückwirkung und den Verstoß deutschen Rechts gegen die
Dienstleistungsfreiheit nachdrücklich geltend, ihr Angebot sei mitnichten illegal. Wenn das das Prüfungsergebnis eines großen in dieser Materie erfahrenen Teams an Juristen ist, wie soll dann der Verbraucher – selbst wenn er nicht spielsüchtig wäre – die rechtlichen Konsequenzen dieser komplexen Materie überblicken. Nach alledem hat die Beklagte weder schlüssig dargetan noch bewiesen, dass der Kläger in Kenntnis von der Nichtschuld auf diese geleistet hat.
d) Ebenso wenig kann die Beklagte sich hier mit Erfolg auf den Kondiktionsausschluss des § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB berufen. Nach dieser Norm ist eine Rückforderung zwar ausgeschlossen, wenn dem Leistenden – hier also der Kläger - gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt, weder vermag das Gericht jedoch zu erkennen, dass die Beklagte einen Gesetzesverstoß des Klägers substantiiert vorgetragen oder unter Beweis gestellt hätte, noch geht die Unterzeichnerin davon aus, dass § 817 BGB auf Fälle wie den vorliegenden überhaupt Anwendung fände, weil § 817 BGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist.
Im Einzelnen:
Die bereicherte Beklagte trägt als Diejenige, die auf die rechtshindernde Einwendung der der Kondiktionssperre beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch soweit man hier auf § 284 StGB abstellt, das vorsätzliche Handeln auf Seiten des Leistenden. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar vorgetragen, dass ihm die Illegalität seines Handelns nicht bewusst gewesen sei. Ihm ist insoweit auch zuzugestehen, dass die Rechtslage ausgesprochen komplex war und die deutschsprachige AGB eines großen, aus der Werbung bekannten Unternehmens sowie öffentliche und aggressive, direkt an den
Spieler gerichtete Werbemaßnahmen bis hin zu Anrufen, die die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, dem Kunden den Eindruck der Professionalität und Legalität vermitteln. Wie bereits ausgeführt hat die Beklagte – der Verweis auf Ziffer 24 der AGB führt wie ausgeführt nicht weiter - nichts dargetan, was auch nur einen bedingten Vorsatz des Klägers erkennen ließe.
Im Übrigen wäre der Kläger strafrechtlich für seine Handlungen auch nicht verantwortlich, es fehlt bereits an der Zurechenbarkeit und der subjektiven Tatseite (vgl. dazu OLG Hamm aaO). Denn der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum ohne jeden Zweifel spielsüchtig. Zwar hat die Beklagte dies zulässig mit Nichtwissen bestritte, unstreitig ist jedoch geblieben, welch enorme Summe der Kläger in den Jahren 2015 bis Ende 2018 zum Spielen aufgewandt hat , wie sich seine finanzielle Situation dadurch entwickelte und wie sehr das Spielen seinen Alltag dominierte. Der
Kläger hat plastisch und im Termin unwidersprochen das Ausmaß seiner
Spielleidenschaft dargelegt, bei der es sich – selbst für den Laien erkennbar – um eine krankhafte Spielsucht handelte. Allein die verspielte Summe von ca. einer halben Million und die Bereitschaft einer ruhigen, vernunftbegabten Person, Haus und Hof einzusetzen dokumentieren diesen seelisch krankhaften Zustand ebenso eindrucksvoll wie die – unstreitig gebliebene – Schilderung morgens bereits im Bad und auf dem Hundespaziergang gespielt, sich private Darlehen mit falschen Angaben erschlichen zu haben und sich letztendlich in einer scheinbar aussichtslosen Situation manövriert zu haben.
Unabhängig davon findet nach der hier vertretenen Ansicht § 817 BGB vorliegend ohnehin keine Anwendung, weil sein Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren ist. Der BGH hat eine teleologische Reduktion der Kondiktionssperre bereits für die die nach einem Schneeballsystem organisierten „Schenkkreise" angenommen und hält insoweit eine „schutzzweckorientierte Einschränkung für geboten, und zwar auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat. Diesbezüglich hat der BGH ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der „Spiele", die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften (BGH NJW 2006, 45, Rn. 12). Auch innerhalb der Leistungskondiktion sei der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm maßgebend, der nicht konterkariert werden dürfe (BGH NJW 2008, 1942, Rn. 10). Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das den Schenkkreisen zugrundeliegende Schneeballsystem nicht ohne weiteres mit den zufälligen Gewinnen oder Verlusten eines Online-Casinos vergleichbar ist, dennoch sind die vom BGH aufgeführten Rechtsgedanken aus der vorzitierten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn auch hier geht es um eine schutzzweckorientierte Einschränkung der Norm, damit die Initiatoren der Spiele nicht die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürfen. Soweit dem entgegengehalten wird, dies ermögliche für den Spieler ein risikoloses Spielen (vgl. LG München BeckRS 2021,11488) verkennt diese Argumentation, dass dies in die Risikosphäre desjenigen fällt, der derartige Spiele illegal veranstaltet ohne eine ausschließlich legale Nutzung technisch sicher zu stellen oder zumindest durch hinreichend klare Hinweise klarzustellen, dass eine Nutzung in dem jeweiligen Land illegal sind.
Auch die Entscheidung des BGH vom 30.07.1968 (BeckRS 1968, 31177398) spricht nicht gegen eine grundsätzliche Einschränkung der Kondiktionssperre für den Bereich der Online-Glücksspiele, da es bei der dortigen Entscheidung auf den Schutzzweck des hier maßgeblichen § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nicht ankam.
Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.
Es trifft zwar zu, dass ein widersprüchliches Verhalten rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB sein kann. Dies gilt insbesondere für die Fälle des „venire contra factum proprium", wenn also für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (BGH NJW 1985, 2589, 2590; 1986, 2104, 2107) oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind (BGH NJW 2016, 3518, 3520). Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagte kann indes schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Interessen der Beklagte nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB (vgl. OLG Hamm, aaO). Dies gilt erst Recht als bei dem Kläger – die Beklagte hat seinen dezidierten Vortrag zu seinem Spielverhalten und dessen Auswirkungen nicht in Abrede gestellt – erkennbar spielsüchtig war als er an den hier in Rede stehenden Spiele teilnahm.
EuG
Urteil vom 19.01.2022
in der Rechtssache T-610/19
Deutsche Telekom / Kommission
Das EuG hat entschieden, dass die Deutsche Telekom von der EU-Kommission 1,8 EURO Mio. Entschädigung wegen der Nichtzahlung von Verzugszinsen auf eine zu erstattende Geldbuße erhält.
Die Pressemitteilung des EuG:
Das Gericht spricht der Deutschen Telekom eine Entschädigung in Höhe von ca. 1,8 Mio. Euro zu, um den Schaden auszugleichen, der ihr durch die Weigerung der Europäischen Kommission entstanden ist, ihr Verzugszinsen auf den Betrag der Geldbuße zu zahlen, den sie im Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln rechtsgrundlos gezahlt hatte
Mit Beschluss vom 15. Oktober 20141 verhängte die Europäische Kommission gegen die Deutsche Telekom AG eine Geldbuße in Höhe von 31 070 000 Euro wegen eines gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens verstoßenden Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem slowakischen Markt für Breitbandtelekommunikationsdienste.
Die Deutsche Telekom erhob eine Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss, zahlte aber am 16. Januar 2015 die Geldbuße. Mit Urteil vom 13. Dezember 2018 2 gab das Gericht der Klage der Deutschen Telekom teilweise statt und setzte die Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung um 12 039 019 Euro herab. Am 19. Februar 2019 erstattete die Kommission der Deutschen Telekom diesen Betrag.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2019 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) lehnte es die Kommission hingegen ab, der Deutschen Telekom für den Zeitraum von der Zahlung der Geldbuße bis zur Rückzahlung des für rechtsgrundlos befundenen Teils der Geldbuße (im Folgenden: fraglicher Zeitraum) Verzugszinsen zu zahlen. Daher erhob die Deutsche Telekom beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses sowie auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung einer Entschädigung für den entgangenen Gewinn infolge der Vorenthaltung der Nutzung des Hauptbetrags des rechtsgrundlos gezahlten Teils der Geldbuße im fraglichen Zeitraum oder, hilfsweise, auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Weigerung der Kommission, Verzugszinsen auf diesen Betrag zu zahlen,
entstanden sei.
Mit ihrem Urteil gibt die Siebte erweiterte Kammer des Gerichts der Nichtigkeits- und Schadensersatzklage der Deutschen Telekom teilweise statt. Hierbei äußert sie sich zu der Frage, inwieweit die Kommission verpflichtet ist, Verzugszinsen auf den Teil der Geldbuße zahlen, der dem betroffenen Unternehmen im Anschluss an ein unionsgerichtliches Urteil zu erstatten ist. Würdigung durch das Gericht Als Erstes weist das Gericht den Antrag der Deutschen Telekom zurück, sie im Rahmen der außervertraglichen Haftung der Union für den entgangenen Gewinn zu entschädigen, der ihr durch die Vorenthaltung der Nutzung des rechtsgrundlos gezahlten Teils der Geldbuße im fraglichen Zeitraum entstanden sei und der jährlichen Rendite ihres eingesetzten Kapitals oder ihren gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten entspreche Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass die außervertragliche Haftung der Union davon abhängt, dass mehrere kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht (1), das tatsächliche Bestehen des Schadens (2) sowie ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden (3), wofür der Kläger beweispflichtig ist.
Im vorliegenden Fall hat die Deutsche Telekom aber keine schlüssigen Beweise dafür vorgelegt, dass der geltend gemachte Schaden tatsächlich und sicher eingetreten ist. Insbesondere hat sie weder nachgewiesen, dass sie den rechtsgrundlos gezahlten Betrag der Geldbuße zwangsläufig in ihre Tätigkeiten investiert hätte, noch, dass die Vorenthaltung der Nutzung dieses Betrags sie dazu veranlasst hat, auf bestimmte konkrete Projekte zu verzichten. In diesem Zusammenhang hat die Deutsche Telekom auch nicht dargetan, dass sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügte, um eine Investitionsmöglichkeit zu nutzen.
Als Zweites befasst sich das Gericht mit dem von der Deutschen Telekom hilfsweise gestellten Schadensersatzantrag wegen Verstoßes gegen Art. 266 AEUV, dessen Abs. 1 vorsieht, dass die Organe, deren Handeln durch ein unionsgerichtliches Urteil für nichtig erklärt wird, alle sich aus diesem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen haben.
Das Gericht stellt zum einen fest, dass Art. 266 Abs. 1 AEUV dadurch, dass er den Organen die Verpflichtung auferlegt, alle sich aus unionsgerichtlichen Urteilen ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, dem vor dem Unionsgericht erfolgreichen Einzelnen Rechte verleiht. Zum anderen weist das Gericht darauf hin, dass Verzugszinsen einen unerlässlichen Bestandteil der den Organen nach dieser Bestimmung obliegenden Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorherigen Standes darstellen. Im Fall der Nichtigerklärung und Herabsetzung einer gegen ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbuße ergibt sich folglich aus dieser Bestimmung eine Verpflichtung der Kommission, den rechtsgrundlos gezahlten Betrag der Geldbuße zuzüglich Verzugszinsen zu erstatten.
Da zum einen das anwendbare Haushaltsrecht3 eine Erstattungsforderung zugunsten des Unternehmens vorsieht, das eine später aufgehobene und herabgesetzte Geldbuße vorläufig gezahlt hat, und zum anderen die Aufhebung und Herabsetzung der Geldbuße durch den Unionsrichter rückwirkend gilt, bestand die Forderung der Deutschen Telekom und war hinsichtlich ihres Höchstbetrags bestimmt, als die Geldbuße vorläufig gezahlt wurde. Die Kommission war daher nach Art. 266 Abs. 1 AEUV verpflichtet, Verzugszinsen auf den vom Gericht für rechtsgrundlos befundenen Teil der Geldbuße zu zahlen, und zwar für den gesamten fraglichen Zeitraum. Sinn dieser Verpflichtung ist, die mit einer objektiven Verspätung zusammenhängende Vorenthaltung eines zu zahlenden Geldbetrags pauschal auszugleichen und die Kommission dazu zu veranlassen, beim Erlass eines Beschlusses, der zur Zahlung einer Geldbuße verpflichtet, besondere Vorsicht walten zu lassen.
Entgegen dem Vorbringen der Kommission steht die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen nicht im Widerspruch zur Abschreckungsfunktion von Geldbußen in Wettbewerbssachen, da der Unionsrichter diese Abschreckungsfunktion notwendigerweise berücksichtigt, wenn er von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch macht, um die Höhe einer Geldbuße rückwirkend herabzusetzen. Im Übrigen muss die Abschreckungsfunktion von Geldbußen mit dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in Einklang gebracht werden, dessen Beachtung durch die Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV gewährleistet wird, ergänzt um die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Höhe der Geldbuße.
Das Gericht weist auch die weiteren Argumente der Kommission zurück Zum einen war die Kommission, auch wenn der Betrag der von der Klägerin gezahlten Geldbuße keine Zinsen eingebracht hatte, während er im Besitz der Kommission war, im Anschluss an das Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2018 verpflichtet, der Klägerin den für rechtsgrundlos befundenen Teil der Geldbuße zuzüglich Verzugszinsen zurückzuzahlen, ohne dass Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012, der die Einziehung von Geldbußen betrifft, dem entgegenstünde. Überdies ergibt sich die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen unmittelbar aus Art. 266 Abs. 1 AEUV, und die Kommission ist nicht befugt, mit einer Einzelfallentscheidung die Voraussetzungen festzulegen, unter denen sie im Fall der Nichtigerklärung des Beschlusses, mit dem eine Geldbuße verhängt wurde, und im Fall der Herabsetzung der Geldbuße Verzugszinsen zahlen wird.
Zum anderen handelt es sich bei den im vorliegenden Fall geschuldeten Zinsen um Verzugszinsen und nicht um Ausgleichszinsen. Die Hauptforderung der Deutschen Telekom war nämlich eine Rückzahlungsforderung, die damit zusammenhing, dass die Zahlung einer Geldbuße vorläufig vorgenommen worden war. Diese Forderung bestand und war hinsichtlich ihres Höchstbetrags bestimmt oder zumindest anhand feststehender objektiver Faktoren bestimmbar, als die fragliche Zahlung erfolgte.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Kommission der Deutschen Telekom den rechtsgrundlos gezahlten Teil der Geldbuße zuzüglich Verzugszinsen erstatten musste und insoweit über keinerlei Ermessen verfügte, gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Weigerung, diese Zinsen an die Deutsche Telekom zu zahlen, einen qualifizierten Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV darstellt, der die außervertragliche Haftung der Union auslöst. Angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem festgestellten Verstoß und dem Schaden, der im Verlust von Verzugszinsen auf den rechtsgrundlos gezahlten Teil der Geldbuße im fraglichen Zeitraum besteht, spricht das Gericht der Deutschen Telekom eine Entschädigung in Höhe von 1 750 522,38 Euro zu, berechnet durch entsprechende Anwendung des in Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 vorgesehenen Zinssatzes, nämlich des von der Europäischen Zentralbank im Januar 2015 für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegten Zinssatzes von 0,05 % zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten.
AG Frankfurt
Urteil vom 31.08.2021 32 C 6169/20 (88)
Das AG Frankfurt hat entschieden, dass eine telefonische Kartensperre 30 Minuten nach Bemerken des Verlusts zu spät sein kann und dann kein Anspruch gegen die Bank auf Erstattung von unbefugten Verfügungen besteht.
Aus den Entscheidungsgründen:
[...]Um 10:42 Uhr jenes Tages teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch den Verlust ihrer Debitkarte mit und ließ die Karte sperren. In ihrer gegenüber der Beklagten am 19.11.2019 erklärten schriftlichen Verlustmeldung gab die Klägerin an, dass sie den Verlust um ca. 10:10 Uhr bemerkt hatte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die mit Anlage B3 vorgelegte Verlustmeldung (Bl. 119 f. der Akte) Bezug genommen.[...].
Die Klägerin kann weder aus § 675u S. 2 BGB, noch aus § 280 Abs. 1 BGB, jeweils in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Zahlungsdiensterahmenvertrag, Erstattung oder Wiedergutschrift der streitgegenständlichen Barauszahlungen von der Beklagten verlangen.
Es gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, dass die streitgegenständlichen Abhebungen mittels der der Klägerin ausgehändigten Originalkarte erfolgt sind. Die in den als solchen inhaltlich unwidersprochenen Transaktionsprotokollen (Anlage B2) aufgeführte Kartennummer stimmt überein mit der von der Klägerin selbst mit der Klageschrift vorgetragenen Kartennummer. Die prozessualen Voraussetzungen eines zulässigen Bestreitens der Verwendung der Originalkarte mit Nichtwissen seitens der Klägerin gemäß § 138 Abs. 4 ZPO liegen daher nicht vor.
Wie die Beklagte zutreffend geltend macht, spricht auf dieser Tatsachengrundlage ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin pflichtwidrig entgegen Ziffer 6.3 der zwischen den Parteien vereinbarten AGB und § 675l Abs. 1 S. 1 BGB die PIN auf der Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2011, Az. XI ZR 73/10 = MDR 2012, 239). Tragfähige Anhaltspunkte für einen ernsthaft in Betracht kommenden atypischen Geschehensablauf trägt die Klägerin nicht vor.
Nach der zugrundezulegenden Verwendung der Originalkarte bestehen auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass das Sicherheitssystem der Beklagten unzureichend konfiguriert war. Sowohl die (geringe) räumliche Entfernung des Geldautomaten von etwa 50 km vom Wohnort der Klägerin, als auch die im Zuge der streitgegenständlichen Abhebung einmalig erfolgte Falschangabe der PIN stellen weder für sich genommen, noch zusammen hinreichend auffällige Merkmale dar, wie dies etwa bei betragsmäßig, zeitlich und örtlich vom bisherigen Kontonutzungsverhalten ungewöhnlich abweichenden Auslandsverfügungen oder mehrfacher Falscheingabe der PIN der Fall wäre.
Darüber hinaus ist das Gericht auch davon überzeugt, dass der Klägerin ein weiterer Sorgfaltspflichtverstoß dadurch zur Last fällt, dass sie den Verlust der Karte der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hat. Ein erst zeitlich nach den Abhebungen erfolgtes Bemerken des Verlustes hat die Klägerin in Ansehung ihrer eigenen Angaben in der vorgerichtlichen Verlustanzeige (Anlage B3) bereits nicht nachvollziehbar vorgetragen, so dass ein Bemerken des Verlustes 5 Minuten vor der 1. Abhebung wie in der Verlustanzeige angegeben zu Grunde zu legen ist. Ausweislich der polizeilichen Bestätigung über die Erstattung einer Strafanzeige (Anlage B4, Bl. 121 der Akte) verfügt die Klägerin über ein Mobiltelefon. Tragfähige Gründe, warum es ihr nicht möglich war, dieses unmittelbar für eine Verlustmeldung zu nutzen, trägt die Klägerin nicht vor.
Insbesondere kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass sie lediglich zu Hause ihre IBAN zur Hand gehabt habe, welche die Beklagte im Rahmen des letztlich erst von dort aus geführten Telefonates verlangt habe. In Ziffer 6.4 Abs. 1 S. 3 der AGB ist insoweit die Angabe der IBAN nur für eine über den Zentralen Sperrannahmedienst erstattete Verlustmeldung als Erfordernis formuliert. Nach S. 1 der Klausel soll die Sperranzeige jedoch möglichst gegenüber der kontoführenden Stelle erfolgen, wofür die Angabe der IBAN nicht in der Klausel vorausgesetzt wird. Hätte sich auch die kontoführende Stelle der Beklagten auf eine sofortige telefonische Verlustmeldung hin nicht in der Lage gesehen, die IBAN aus ihren Systemen zu recherchieren oder auch ohne diese eine Sperrung der Karte zu veranlassen, hätte die Klägerin jedenfalls ihren vertraglichen Sorgfaltspflichten genügt und wäre in einem solch hypothetischen Fall gegebenenfalls dann eine mangelnde eigene Sorgfalt der Beklagten im Rahmen der Reaktion auf eine dann als unverzüglich feststehende Verlustanzeige festzustellen gewesen; als hypothetische Reserveursache vermag eine solche jedoch nicht die Klägerin von den gemäß Ziffer 6.4 Abs. 1 der AGB und § 675l Abs. 1 S. 2 BGB primär ihr obliegenden Sorgfaltspflichten zur unverzüglichen Verlustanzeige zu entbinden.
Nach alledem liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Abhebungen kein Verschulden der Beklagten, jedoch ein zweifacher grober Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin vor mit der Folge, dass die in Ziffer 14.1 Abs. 1 der AGB vereinbarte Haftungsbegrenzung der Klägerin auf 50 € gemäß Abs. 4 der Klausel sowie § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht greift und die Klägerin den ihr durch die Abhebungen entstandenen Schaden in vollem Umfang selbst zu tragen hat.
Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass der Teilnehmer an einem unzulässigen Online-Glücksspiel hat keinen Anspruch auf Erstattung seiner Verluste aus Einsätzen gegen Kreditkartenunternehmen, über welches dieser seine Einsätze bezahlt hat.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung seiner Verluste aus Einsätzen bei Online-Glücksspielen.
I. Der Kläger kann seine Ansprüche nicht aus § 280 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Kreditkartenvertrag herleiten.
1. Wenn das Vertragsunternehmen ordnungsgemäße Belastungsbelege einreicht, darf das Kreditkartenunternehmen die Zahlung an das Vertragsunternehmen grundsätzlich für erforderlich halten, ohne zu prüfen, ob dem Vertragsunternehmen eine wirksame Forderung gegen den Karteninhaber zusteht (BGH, Urteil vom 24. September 2002 – XI ZR 420/01 –, juris Rn. 18).
Soweit der Bundesgerichtshof in einem Fall Kontrollpflichten des Kreditkartenunternehmens angenommen hat, betraf dies zum einen das Verhältnis zwischen Aquirer und Vertragsunternehmen, zum anderen lag der Entscheidung ein besonderer Fall zugrunde, in dem ein Besteller unter Ausnutzung des besonders für Missbrauch anfälligen Mailorderverfahrens mit mehreren Kreditkarten zahlte (BGH, Urteil vom 13.01.2004 – XI ZR 479/02). Diese Konstellation lässt sich nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof nachfolgend nochmals bekräftigt, dass nur in Ausnahmefällen Warn- und Hinweispflichten der Kreditinstitute zum Schutz ihrer Kunden vor drohenden Schäden bestehen können (BGH, Urteil vom 06. Mai 2008 – XI ZR 56/07 –, juris Rn. 14). Danach hat ein Kreditinstitut, das aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegt, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen will, diesem gegenüber eine Warnpflicht (BGH, Urteil vom 06. Mai 2008 – XI ZR 56/07 – juris, Rn. 15).
2. Derartige massive oder offensichtliche Anhaltspunkte lagen hier nicht vor.
Das Landgericht München hat dazu in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, das Kreditkartenunternehmen sei nicht verpflichtet gewesen, die genutzten Glücksspielangebote mit der „WHITE-LIST“ der deutschen Bundesländer abzugleichen, um eine evtl. Illegalität zu erkennen. Ein solcher Prüfaufwand gehe über die normale Bearbeitung der Zahlungsvorgänge hinaus und oblag dem Kreditkartenunternehmen gerade nicht. Dieses habe vielmehr von einem rechtstreuen Verhalten des Beklagten ausgehen können und habe nicht mit einem evtl. Verstoß gegen § 285 StGB rechnen müssen. Überdies erscheine eine Überprüfung auch kaum möglich, da zunächst nicht erkennbar ist, von wo aus der Kreditkarteninhaber die Glücksspielangebote angenommen hat und welche Spiele er tatsächlich gespielt hat. Im Ausland ist nämlich eine Vielzahl von Glücksspielangeboten legal. Ebenso wenig sei erkennbar, ob jedes einzelne vom Beklagten wahrgenommene Spiel tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellt (LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 30 - 32, juris; bestätigt durch OLG München Verfügung vom 06. Februar 2019 – 19 U 793/18.
Die Kammer schließt sich dieser Argumentation an. Insbesondere wird die White List (Anlage B 7) ständig aktualisiert und ist zudem unstreitig nicht immer vollständig. Ferner ergaben sich für die Beklagte auch nicht aus dem für die Transaktion verwandten Merchant Category Code (MCC) zwingende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um illegales Glücksspiel handelte (so aber AG Leverkusen, Urteil vom 19.02.2019, 26 C 46/18, Anlage L 9). Der MCC-Code mit der Nr. 7995 erfasst nämlich auch legale Glücksspielangebote wie Sportwetten und staatliche Lotterien (vgl. Liste der MCC Anlage B 5). Diese Problematik ergibt sich im Übrigen auch aus dem vom Kläger auszugsweise vorgelegten Ergebnisprotokoll zur Konferenz der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 21.02.2019 (Protokoll S. 6, Anlage L 8), wo hervorgehoben wird, dass gerade die Vermischung von legalen und illegalen Angeboten unter derselben Dachmarke die Trennbarkeit in der Praxis erschwert. Anders mag der Fall zu beurteilen sein, wenn ein Zahlungsdienstleister ein Online-Bezahlsystem speziell für Glücksspiel- und Wettanbieter zur Verfügung stellt und auf seiner Internetseite zudem noch auf solche Anbieter verlinkt (so AG Wiesbaden, Urteil vom 16.06.2017, 92 C 4323/16, Anlage L 10).
II. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keine Kondiktionsansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.
1. Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, die Beklagte habe sein Konto nicht mit den für illegales Online-Glücksspiel aufgewandten Kartenumsätzen belasten dürfen, da ihr insoweit wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme des Klägers kein Aufwendungsersatzanspruch zugestanden habe.
Der zwischen den Parteien geschlossene Kreditkartenvertrag ist als Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675 f I BGB zu qualifizieren (BGH Urteil vom 23.10.2014, IX ZR 290/13). Dadurch wird der Kreditunternehmer verpflichtet, die Verbindlichkeiten des Karteninhabers bei Vertragsunternehmen zu tilgen. Kommt er dieser Verpflichtung nach, so steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Karteninhaber nach §§ 675 c Abs. 1, 670 BGB zu (BGH, Urteil vom 24. September 2002 – IX ZR 420/01 –, juris Rn. 10).
Damit ist zunächst einmal unerheblich, dass die Transaktionen dem illegalen Glücksspiel dienten. Dies hat für die Wirksamkeit des Kreditkartenvertrags und des damit einhergehenden Anspruchs der Klägerin keine Auswirkungen. Etwaige Einwendungen aus dem Valutaverhältnis kann der
Die Zahlung des Kreditkartenunternehmens an das Vertragsunternehmen ist allerdings ausnahmsweise dann keine Aufwendung, die das Kreditkartenunternehmen für erforderlich halten darf, wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunternehmen rechtsmissbräuchlich in Anspruch nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2002 - XI ZR 375/00). Dann ist das Kreditkartenunternehmen zur Zahlungsverweigerung nicht nur berechtigt, sondern aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Karteninhaber auch verpflichtet. Da das Vertragsunternehmen mit der Unterzeichnung des Belastungsbelegs durch den Karteninhaber einen abstrakten Zahlungsanspruch aus § 780 BGB gegen das Kreditkartenunternehmen erwirbt mit der Folge, daß diesem Anspruch - ähnlich wie beim Akkreditiv - Einwendungen aus dem Valutaverhältnis, vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen, nicht entgegengehalten werden können, liegt eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Kreditkartenunternehmens nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt. Das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht (BGH, Urteil vom 24. September 2002 – XI ZR 420/01 –, BGHZ 152, 75-83, juris Rn. 19).
Ein solcher evidenter Mangel im Valutaverhältnis war für die Beklagte hier gerade nicht erkennbar. Die vorstehenden Ausführungen zu etwaigen Kontrollpflichten für Kreditkartenunternehmen gelten insoweit entsprechend.
2. Ein Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten scheitert auch nicht an der Nichtigkeit der Zahlungsautorisierung durch den Kläger. Die Autorisierungen sind nicht nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 GlüStV.
Das Oberlandesgericht München (Verfügung vom 06. Februar 2019 – 19 U 793/18 –, Rn. 6, juris) hat dazu folgendes ausgeführt: „Zwar stellt die Erweiterung in § 4 Abs. 1 S. 2 des Glücksspielstaatsvertrages klar, dass auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten ist. Allerdings ist nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 zu sehen und erweitert die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wurden (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 7. Dezember 2011, S. 17). Die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 dient - so die Motive - der Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 Satz 2. Danach können die am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute einschließlich E-Geld-Institute (Nr. 4) im Wege einer dynamischen Rechtsverweisung als verantwortliche Störer herangezogen werden, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde. Dies setzt voraus, dass der Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspielangebotes zuvor vergeblich - insbesondere wegen eines Auslandsbezuges - in Anspruch genommen wurde (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 7. Dezember 2011, S. 32).“
Dem schließt sich die Kammer vorbehaltlos an. Aus den Erläuterungen zu § 4 Abs. 1 GlüStV (Anlage B 12, dort S. 17) folgt, dass die Regelungen in § 4 und § 9 im Zusammenhang zu sehen sind (ebenso LG Berlin, Urteil vom 16.04.2019, 37 O 367/18, Anlage B 16; Bolay/Pfütze in Streinz/Liesching/Hambach, Kommentar zum Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, § 4 Rn. 50, Anlage B 6). Wie in dem vom Oberlandesgericht München entschiedenen Fall ist auch hier nicht ersichtlich, dass das Kreditkartenunternehmen vor Begleichung der entstandenen Forderungen einen derartigen Hinweis durch die Glücksspielaufsicht erhalten hätte oder, dass die Beklagte positiv wusste, dass diese Forderungen auf Einsätzen beim Glücksspiel beruhen.
Ergänzend nimmt die Kammer dabei auch auf die dem Urteil des Oberlandesgericht München zugrunde liegende Entscheidung des Landgerichts München I Bezug, in der es ausführt: „Überdies ist der Schutzzweck gem. § 1 des GlüStV, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und sicher zu stellen, dass u.a. die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt wird. Dieses Ziel werde geradezu torpediert, wenn davon auszugehen wäre, dass eine Nichtigkeit der Autorisierung von Zahlungsvorgängen vorläge. Dann würde das in der Regel gutgläubige Kreditinstitut auf den Aufwendungen sitzenbleiben und dem Spieler sozusagen einen Freibrief erteilt, weil der verspielte Einsatz sogleich von der Bank erstattet würde und der Spieler keine finanziellen Einbußen oder Risiken eingehen würde. Der Spieler könnte unter diesen Umständen Glücksspiel ohne jegliches finanzielle Risiko ausführen. Es könnte vielmehr ein bösgläubiger Teilnehmer am Glücksspiel, der sich letztendlich nach § 285 StGB strafbar macht, gutgläubige Zahlungsinstitute für rechtswidrige Aktivitäten einspannen“ (LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 27, juris).
III.
Schließlich steht dem Beklagten auch kein Schadensersatzanspuch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV zu.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird dazu vollumfänglich auf vorstehende Ausführungen Bezug genommen.
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Patentanwaltskosten in Wettbewerbssachen im Rahmen der Kostenfestsetzung erstattungsfähig sind, wenn Recherchen zum vorbekannten Formenschatz streitrelevant sind.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Klägerin beanstandet mit der Beschwerde die Festsetzung der Kosten für die Mitwirkung des Patentanwalts auf Beklagtenseite. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Kosten für die Mitwirkung des Patentanwalts erstattungsfähig sind. Zwar handelt es sich unstreitig weder um eine Markenstreitsache noch um eine Designstreitsache. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Juristisches Büro 1997, 599; Beschluss vom 20.09.2006 - 6 W 185/06, Beschluss vom 04.11.2008 - 6 W 68/08, Beschluss vom 12.10.2010 - 6 W 132/10) kann in Wettbewerbssachen - insbesondere bei der Geltendmachung ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes - die Einschaltung eines Patentanwalts ausnahmsweise notwendig erscheinen, wenn Tätigkeiten erforderlich wurden, die in das typische Arbeitsfeld eines Patentanwalts gehören. Hierzu zählt grundsätzlich auch die Durchführung von Recherchen zum Formenschatz (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, I ZR 196/10, Rdz. 24 bei juris). Solche Recherchen hat der Patentanwalt vorgenommen, wie sich auf Seite 6 ff. der Klageerwiderung ergibt. Die Patentanwaltskosten in Höhe von 3.220,80 € (Verfahrensgebühr) waren daher zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig und mithin erstattungsfähig."
Europäisches Parlament hat zwei Richtlinien zur Verbesserung des Verbraucherschutzes beim Warenkauf und Erwerb digitaler Inhalte verabschiedet. Die Richtlinien müssen noch in nationales Recht umgesetzt werden.
Die Presemitteilung des Europäischen Parlaments:
Parlament verbessert Verbraucherrechte online und offline - Klarere Rechte bzgl. digitaler Inhalte und grenzübergreifenden Handels - Harmonisierung von Rechtsbehelfen für die Verbraucher - Berücksichtigung sogenannter „intelligenter“ Waren (z.B. vernetzte Kühlschränke oder Uhren)
Das Parlament hat neue Regeln für einen besseren Verbraucherschutz gebilligt, sowohl für den Warenkauf über das Internet oder im Laden als auch für das Herunterladen von Musik und Spielen.
Mit den neuen, am Dienstag verabschiedeten EU-Gesetzen – über digitale Inhalte und über den Warenhandel – werden die wichtigsten vertraglichen Rechte harmonisiert, wie etwa die den Verbrauchern zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe und deren Anwendung. Sie sind Teil der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt, die darauf abzielt, Verbrauchern und Unternehmen einen besseren Zugang zu Online-Gütern und-Dienstleistungen in ganz Europa zu gewährleisten.
Besserer Schutz beim Herunterladen von Musik, Videos, Apps…
Nach den ersten EU-weiten Vorschriften für „digitale Inhalte" werden Verbraucher, die Musik, Apps, Spiele kaufen oder herunterladen oder Cloud-Dienste nutzen, besser geschützt, wenn ein Verkäufer die Inhalte oder Dienste nicht oder nur unzureichend bereitstellt. Diese Verbraucherschutzrechte gelten gleichermaßen für Verbraucher, die ihre Daten im Austausch für solche Inhalte oder Dienste bereitstellen, und für „zahlende" Verbraucher.
Der Text legt fest, dass wenn es nicht möglich sein sollte, fehlerhafte Inhalte oder Dienste innerhalb einer angemessenen Frist zu korrigieren, der Verbraucher Anspruch auf eine Preisminderung oder eine vollständige Vergütung innerhalb von 14 Tagen hat. Sollten Mängel innerhalb eines Jahres nach Lieferdatum auftreten, so wird vermutet, dass sie bereits vorhanden waren, ohne dass der Verbraucher dies beweisen muss (Beweislastumkehr). Für kontinuierliche Lieferungen während der Vertragsdauer obliegt die Beweislast dem Verkäufer.
Die Mindestgewährleistungsfrist für einmalige Lieferungen kann zwei Jahre nicht unterschreiten. Für kontinuierliche Lieferungen gilt diese für den Lauf der Vertragsdauer.
Weitere Informationen finden Sie in dieser Pressemitteilung (auf Englisch) und im verabschiedeten Text (angenommen mit 598 Stimmen, bei 34 Gegenstimmen und 26 Enthaltungen).
... und beim On- oder Offline-Warenkauf
Die Richtlinie über den Warenhandel gilt sowohl für den Online- als auch für den klassischen Einzelhandel, also für den Kauf beispielsweise eines Haushaltsgeräts, Spielzeugs oder Computers, entweder über das Internet oder im Laden um die Ecke.
Der Verkäufer ist haftbar, wenn der Mangel innerhalb von zwei Jahren ab Erhalt der Ware auftritt (Mitgliedsstaaten können jedoch längere Mindestgewährleistungsfristen im innerstaatlichen Recht einführen oder aufrechterhalten, um bereits bestehende Verbraucherschutzgesetze gewisser Staaten beizubehalten). Die Beweislastumkehr würde ein Jahr zugunsten des Verbrauchers betragen. Mitgliedsstaaten können diesen Zeitraum auf zwei Jahre ausweiten.
Waren mit digitalen Elementen (z.B. „intelligente“ Kühlschränke, Smartphones, TV-Geräte sowie vernetzte Uhren fallen ebenfalls unter diese Richtlinie). Verbraucher, die diese Waren kaufen, haben ein Recht auf den Erhalt notwendiger Updates innerhalb eines Zeitraums, der „vom Verbraucher als angemessen erwartet werden kann“, in Abhängigkeit der Warenart und des Zwecks von Waren und digitalen Elementen.
Weitere Informationen finden Sie in dieser Pressemitteilung und im verabschiedeten Text (angenommen mit 629 Stimmen, bei 29 Gegenstimmen und 6 Enthaltungen).
Die nächsten Schritte
Die beiden Richtlinien werden nun den EU-Ministern zur formalen Genehmigung vorgelegt. Sie werden innerhalb von 20 Tagen ab Veröffentlichung im offiziellen Amtsblatt der EU in Kraft treten und müssen von den Mitgliedsstaaten innerhalb von maximal zweieinhalb Jahren umgesetzt werden.
BGH
Urteil vom 05.12.2017 VI ZR 24/17
BGB § 249 Abs. 2 Satz 1
Der BGH hat entschieden, dass sich der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach dem Gegenstandswert aus der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordene Schadenshöhe ergibt.
Leitsätze des BGH:
a) Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (Senatsurteil vom 18. Juli 2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rn. 7). Abzustellen ist dabei auf die letztlich festgestellte oder unstreitig gewordene Schadenshöhe (Senatsurteile vom 11. Juli 2017 - VI ZR 90/17, VersR 2017, 1155 Rn. 19; vom 18. Januar 2005
- VI ZR 73/04VersR 2005, 558, 559 f.).
b) Auf den für den Ersatzanspruch maßgeblichen Gegenstandswert hat es keinen werterhöhenden Einfluss, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts noch davon ausgegangen ist, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet.
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 - VI ZR 24/17 - LG Frankfurt am Main - AG Frankfurt am Main
BGH
Urteil vom 06.04.2017 I ZR 33/16
Anwaltsabmahnung II
UWG § 3a, § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 12 Abs. 1 Satz 2; PBefG § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1
Der BGH hat entschieden, dass ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört, auch dann keine Erstattung der Rechtsanwaltskosten für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung verlangen kann, wenn Verband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt.
Leitsätze des BGH:
a) Bei dem in § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 PBefG geregelten Verbot, Taxen außerhalb behördlich zugelassener Stellen für Beförderungsaufträge bereitzuhalten, handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung, die der Wahrung der Chancengleichheit der Taxiunternehmer beim Wettbewerb um Fahraufträge dient. Die Regelung ist deshalb gemäß § 3a UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
b) Ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung der in seinem Gebiet auftretenden Wettbewerbsverstöße gehört, muss in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt. Die Kosten für eine anwaltliche Abmahnung, mit der typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße geltend
gemacht werden, sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn ein Fachverband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt (Festhaltung BGH, Urteil vom 12. April 1984 - I ZR 45/82, GRUR 1984, 691 - Anwaltsabmahnung).
BGH, Urteil vom 6. April 2017 - I ZR 33/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main
BGH
Urteil vom 06.04.2017 I ZR 33/16
Anwaltsabmahnung II
UWG § 3a, § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 12 Abs. 1 Satz 2; PBefG § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1
Der BGH hat entschieden, dass ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört, auch dann keine Erstattung der Rechtsanwaltskosten für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung verlangen kann, wenn Verband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt.
Leitsätze des BGH:
a) Bei dem in § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 PBefG geregelten Verbot, Taxen außerhalb behördlich zugelassener Stellen für Beförderungsaufträge bereitzuhalten, handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung, die der Wahrung der Chancengleichheit der Taxiunternehmer beim Wettbewerb um Fahraufträge dient. Die Regelung ist deshalb gemäß § 3a UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
b) Ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung der in seinem Gebiet auftretenden Wettbewerbsverstöße gehört, muss in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt. Die Kosten für eine anwaltliche Abmahnung, mit der typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße geltend
gemacht werden, sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn ein Fachverband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt (Festhaltung BGH, Urteil vom 12. April 1984 - I ZR 45/82, GRUR 1984, 691 - Anwaltsabmahnung).
BGH, Urteil vom 6. April 2017 - I ZR 33/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main
Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn blickfangmäßig für Mobilfunkverträge mit "0 Euro Zuzahlung" gewoben wird, tatsächlich aber zunächst eine Zuzahlung erforderlich ist und diese lediglich später erstattet wird.
Das LG Freiburg hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht, wenn die Abmahnung zu allgemein gehalten und der gerügte Wettbewerbsverstoß nicht klar erkennbar ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Dagegen steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen nicht zu. Eine berechtigte Abmahnung im Sinne dieser Vorschriften setzt voraus, dass der Abgemahnte den vermeintlichen Verstoß erkennen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – I ZR 36/11 –, juris - Monsterbacke II Rdnr. 44; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren Kap. 41 Rdnr. 14) . Nur dann erfüllt die Abmahnung ihren Zweck, eine gerichtliche Auseinandersetzung gegebenenfalls entbehrlich zu machen. Vorliegend ist der Beklagte pauschal und ohne konkretes Eingehen auf das ihm vorgehaltene Verhalten abgemahnt worden. Eine solche Abmahnung verfehlt ihren Sinn."
Das LG Kiel hat völlig zu Recht entschieden, dass Mobilfunkanbieter Prepaid-Kunden nach Kündigung ihr unverbrauchtes Guthaben ohne bürokratische Hürden erstatten müssen.
Mobilcom-Debitel verlangte von ihren Kunden neben der Rückgabe der Original-SIM-Karte eine Kopie Personalausweises. Darüber hinaus mussten die Kunden ein Formular mit Daten ausfüllen, die dem Kunden gar nicht wohl aber dem Mobilfunkbetreiber bekannt waren.
"Zur Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel
einer Kaufsache
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten befasst, die zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel einer Kaufsache aufgewandt worden sind.
Die Kläger kauften bei der Beklagten, die unter anderem mit Bodenbelägen handelt, Massivholzfertigparkett, das sie anschließend von einem Schreiner in ihrem Wohnhaus verlegen ließen. Der Schreiner ging nach einer von der Beklagten mitgelieferten Verlegeanleitung vor, die von der Streithelferin der Beklagten als der Herstellerin des Parketts stammte. Nach der Verlegung traten am Parkett Mängel (u.a. Verwölbungen) auf. Die Beklagte sah die Ursache nach Rücksprache mit der Streithelferin in einer zu geringen Raumfeuchtigkeit und wies die Mängelrüge der Kläger zurück. Die Kläger holten daraufhin ein Privatgutachten ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Veränderungen des Parketts auf eine in diesem Fall ungeeignete, in der Verlegeanleitung aber als zulässig und möglich empfohlenen Art der Verlegung zurückzuführen seien. Hierauf gestützt begehrten die Kläger eine Minderung des Kaufpreises um 30 Prozent sowie Erstattung der Privatgutachterkosten.
Das Amtsgericht hat die Mängelrüge für berechtigt erachtet, der Klage aber nur hinsichtlich der geltend gemachten Minderung stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht ihnen auch den Ersatz der Sachverständigenkosten zugesprochen.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Streithelferin der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass den Klägern der vom Berufungsgericht bejahte verschuldensunabhängige Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB* auf Erstattung der Kosten des Privatgutachtens zusteht. Denn schon für § 476a BGB a.F., der dem § 439 Abs. 2 BGB als Vorbild gedient hat, hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit mehrfach eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel bejaht. Auf dieses Normverständnis hat der Gesetzgeber für § 439 Abs. 2 BGB zurückgegriffen, so dass für die heutige Rechtslage nichts anderes gelten kann. Da die Aufwendungen ursprünglich "zum Zwecke der Nacherfüllung" getätigt worden sind, ist es im Übrigen auch unschädlich ist, dass die Kläger nach Erstattung des Gutachtens schließlich erfolgreich zur Minderung übergangen sind. Denn ob derartige Aufwendungen anschließend tatsächlich zu einer (erfolgreichen) Nacherfüllung führen, ist für den zuvor bereits wirksam entstandenen Ersatzanspruch ohne Bedeutung, wenn der Mangel und die dafür bestehende Verantwortlichkeit des Verkäufers feststehen.
(…) (2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. (…)