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VG Düsseldorf: Nebengeschäftsverbot für Wettvermittlungsstellen in § 13 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW ist unionsrechtskonform

VG Düsseldorf
Urteil vom 01.09.2023
3 K 6352/21


Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass das Nebengeschäftsverbot für Wettvermittlungsstellen in § 13 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW unionsrechtskonform ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
dd. Das in § 13 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Nebengeschäftsverbot ist mit höherrangigem Recht vereinbar und daher uneingeschränkt anzuwenden,

vgl. so auch: VG Aachen, Urteil vom 20. Juni 2023 - 10 K 1789/21 -, juris Rn. 111 ff. m.w.N.

Das Nebengeschäftsverbot des § 13 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW begegnet keinen durchgreifenden verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken. Es verstößt nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 und Art. 56 AEUV, stellt in verfassungsrechtlicher Hinsicht einen zulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG dar und wird dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gerecht.

Zwar beschränkt das - aufgrund seiner Adressierung an In- und Ausländer nicht diskriminierende - Nebengeschäftsverbot grundsätzlich die unionsrechtlichen Grundfreiheiten des Art. 49 und Art. 56 AEUV, stellt einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG dar und ist mit Blick auf eine abweichende Regulierung in Bezug auf andere Glücksspielangebote am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Die mit dem Nebengeschäftsverbot einhergehende Einschränkung ist jedoch gerechtfertigt, weil es im Einklang mit dem sowohl im Verfassungsrecht als auch im Unionsrecht verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht. Danach ist zu prüfen, ob die Regelung geeignet ist, die Erreichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele zu gewährleisten, nicht über das hierfür Erforderliche hinausgeht, und angemessen ist, d.h. die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschreitet, wobei insbesondere sicherzustellen ist, dass sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, die mit ihr verfolgten Ziele in konsequenter, kohärenter und systematischer Weise zu erreichen,

vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-322/16 - Global Starnet, juris Rn. 51; EuGH, Urteil vom 10. März 2007 - C-169/07 - Hartlauer, juris Rn. 55; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. -, juris Rn. 130 ff., 141 ff., 148 ff. m.w.N.

Diesen Anforderungen wird das Nebengeschäftsverbot gerecht. Es verfolgt verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele und ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet, erforderlich und angemessen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Rheinland-Pfalz: Glücksspielrechtliches Mindestabstandsgebot für Wettvermittlungsstellen unionsrechtskonform

OVG Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 12.09.2023
6 B 10622/23.OVG


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass ein glücksspielrechtliches Mindestabstandsgebot für Wettvermittlungsstellen unionsrechtskonform ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Glücksspielrechtliches Mindestabstandsgebot für Wettvermittlungsstellen europarechtlich unbedenklich

Die Regelung im Landesglücksspielgesetz, wonach Wettvermittlungsstellen einen Mindestabstand von 250 Metern Luftlinie zu einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die überwiegend von Minderjährigen besucht wird, einhalten müssen, ist mit Unions­recht vereinbar. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilverfahren.

Die Antragstellerin möchte in Zweibrücken eine Wettvermittlungsstelle weiterbetreiben. Ihren Antrag auf Verlängerung der ihr befristet erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis lehnte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) mit der Begründung ab, dass der gesetzliche Mindestabstand zu einer Nachhilfeeinrichtung, die auch von Minder­jährigen besucht werde, nicht eingehalten sei. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und stellte beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße einen Eilantrag, den Betrieb der Wettvermittlungsstelle vorübergehend weiter zu dulden, ins­besondere keine Maßnahmen einzuleiten, die auf eine Schließung des Betriebs abzie­len. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab. Ihre hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht zurück.

Die für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle für Sportwetten erforderliche glücks­spielrechtliche Erlaubnis dürfe nach dem Landesglücksspielgesetz Rheinland-Pfalz (LGlüG) nur erteilt werden, wenn die Wettvermittlungsstelle unter anderem einen Mindestabstand von 250 Metern zu einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die überwiegend von Minderjährigen besucht werde, nicht unterschreite. Die Voraussetzun­gen dieser Mindestabstandsregelung lägen nicht vor. Die Regelung sei auch nicht – wie von der Antragstellerin geltend gemacht – aus unionsrechtlichen Gründen unanwend­bar. Insbesondere ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot sei nicht feststellbar. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könnten nämlich solche Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses wie den Schutz der Verbraucher, die Betrugsvorbeugung oder die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein. Die restriktive Maßnahme müsse allerdings geeignet sein, die Ver­wirklichung dieses Ziels dadurch zu gewährleisten, dass sie dazu beiträgt, die Tätig­keiten im Glücksspiel in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Der Senat teile die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Abstandsgebot dem Spieler- und Jugendschutz diene, da Sportwettangebote insbesondere auch für Kinder und Jugendliche ein hohes Gefährdungspotenzial hätten und damit eine örtliche Begren­zung des Angebots erreicht werden könne, um insbesondere Glücksspielsucht bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und zu bekämpfen. Das mit dem Abstands­gebot verfolgte Ziel der Spielsuchtbekämpfung und des Jugendschutzes werde durch Ausnahmen in anderen Bereichen des Glücksspielrechts, insbesondere für Lotto-Annahmestellen und Bestandsspielhallen nicht derart konterkariert, dass eine kohärente und systematische Verfolgung dieser Ziele nicht mehr vorliege. Im Unter­schied zu Wettvermittlungsstellen, in denen sich ausschließlich Kunden fänden, die Sportwetten abschließen möchten oder Wettergebnisse live über Bildschirme mitver­folgten, gingen in Lotto-Annahmestellen vor allem Kunden ein und aus, die mit gewöhn­lichen, ihren Alltagsbedarf deckenden Bedürfnissen befasst seien. Aus diesem Grund komme dem Glücksspielangebot in Lotto-Annahmestellen wegen der dort bestehenden sozialen Kontrolle eine andere Qualität zu. Für Spielhallen sehe das Landesglücksspiel­gesetz mit 500 Metern einen doppelt so hohen Mindestabstand unter anderem zu Kinder- und Jugendeinrichtungen vor. Zwar habe der Gesetzgeber für bei Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes im Jahr 2012 bestehende Spielhallen eine großzügige Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2028 gewährt. Die Übergangsfrist konterkariere die Mindestabstandsregelung aber nicht, weil sie ausweislich der Gesetzesmaterialien letztmalig verlängert worden sei und nur für Bestandsspielhallen gelte.

Beschluss vom 12. September 2023, Aktenzeichen: 6 B 10622/23.OVG


OVG Münster: Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach Glücksspielstaatsvertrag 2021 erfordert neues Antragsverfahren - Fortführung nach alter Rechtslage begonnener Verfahren nicht möglich

OVG Münster
Urteil vom 10.03.2022
4 A 1033/20


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag 2021 ein neues Antragsverfahren erfordert. Die Fortführung nach alter Rechtslage begonnener Verfahren ist nicht möglich.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen: Spielhallenerlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 setzt neues Antragsverfahren voraus

Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute den Beteiligten zugestelltem Urteil vom 10.3.2022 entschieden, dass für die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis seit dem 1.7.2021 ein neuer Antrag und ein eigenständiges Erlaubnisverfahren nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 erforderlich sind. Die Fortführung der nach alter Rechtslage begonnenen Verfahren ist ausgeschlossen. Diese Entscheidung ist für noch immer bei den Verwaltungsgerichten anhängige Verfahren relevant, die nach alter Rechtslage begonnen worden sind und noch nicht zum Abschluss gebracht werden konnten.

Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für eine von der Klägerin in Langenfeld betriebene Spielhalle, welche in Konkurrenz zu einer von der Beigeladenen in 65 m Entfernung betriebenen Spielhalle steht. Nach einer zugunsten der Beigeladenen erfolgten Auswahlentscheidung lehnte die Stadt Langenfeld die von der Klägerin beantragte glücksspielrechtliche Erlaubnis im Oktober 2017 ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Beklagte, den Antrag der Klägerin neu zu bescheiden. Während des Verfahrens zweiter Instanz trat am 1.7.2021 der Glücksspielstaatsvertrag 2021 in Kraft. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Oberverwaltungsgericht nun das Urteil des Verwaltungsgerichts und wies die Klage auf Neubescheidung ab.

Zur Begründung führte der 4. Senat aus: Die Klägerin hat jedenfalls keinen Anspruch darauf, dass die Stadt Langenfeld über ihren Antrag auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach den Bestimmungen des alten Glücksspielstaatsvertrages entscheidet. Nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages 2021 am 1.7.2021 kann an vor diesem Stichtag begonnene Erlaubnisverfahren auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages in seiner bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung nicht mehr angeknüpft werden. Der Betrieb einer Spielhalle bedarf nunmehr der Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis ist von eigenständigen Voraussetzungen abhängig, die sich aus der seit dem 1.7.2021 bestehenden Rechtslage ergeben und im Rahmen eines eigenständigen Erlaubnisverfahrens nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 zu prüfen sind. Die Fortführung der nach alter Rechtslage begonnenen Verfahren ist damit ausgeschlossen. Die Klägerin hat ihr Begehren auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für ihre Spielhalle danach in einem neuen Erlaubnisverfahren nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 geltend zu machen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 4 A 1033/20 (I. Instanz: VG Düsseldorf 3 K 18712/17)



LG Mönchengladbach: Ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis muss deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten

LG Mönchengladbach
Urteil vom 03.12.2021
2 O 54/21


Das LG Mönchengladbach hat entschieden, dass ein ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis einem deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landgericht Mönchengladbach ist zuständig.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach folgt aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 Brüssel la-VO/EuGVV0.

Der Kläger ist hier Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Denn Verbraucher ist eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Unzweifelhaft ist vorliegend keiner dieser Zwecke einschlägig, so dass der Kläger als Verbraucher zu behandeln ist. Dies hat die Beklagte auch letztlich nicht substantiiert in Abrede gestellt. Denn es ist unstreitig geblieben, dass der Kläger als städtischer Beamter zwar intensiv und – wie die Beklagte meint – professionell gespielt hat, dass dies aber eben kein Ausfluss seiner beruflichen Tätigkeit, sondern ein exzessiv betriebenes „Freizeitvergnügen“ war.

Vorliegend ist auch deutsches Recht anwendbar. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO, wonach bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorliegend – unstreitig – Deutschland. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. I lit. b) Rom I-VO liegen auch für die Beklagte vor. Denn die Beklagte hat hier im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen und dabei ihr Angebot u.a. auf das Land ausgerichtet, indem der Verbraucher, hier also der Kläger, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Denn sie hat ihr Internetangebot u.a. auf deutsch angeboten und im Übrigen auch keine technischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine Spielteilnahme von Deutschland aus zu verhindern oder über die fehlende Legalität zumindest hinreichend präzise zu belehren, obwohl sie selbstverständlich faktisch wusste, dass eine große Anzahl der Spieler ihr Angebot von Deutschland aus genutzt hat.

Soweit es hier um die Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages geht, unterfällt auch dies dem Vertragsstatut des Art. 6. An der Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts ändert es auch nichts, dass die Beklagte ausweislich Ziffer 24 der Allgemeinen Vertragsbedingungen den Vertrag dem Recht von Gibraltar unterwerfen möchte. Denn diese Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, selbst wenn sie – vorgelegt wird nur die für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht relevante AGBFassung vom 10.11.2020 – auch schon 2005/2006 in dieser Form Teil der AGB gewesen wäre. Die §§ 305 ff. BGB bleiben hier anwendbar; denn gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-l-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Nach ständiger

Rechtsprechung des BGH steIlt eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen

Unternehmer gegenüber deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigkeiten ausschließlich das ausländische Recht gelten lässt, eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten des Verbraucher dar (vgl. BGH, Urt. V. 19. 7. 2012, I ZR 40/11, MMR 2013, 501 (504)). Die Überschrift „Anwendbares Recht" vermittelt dem Verbraucher dabei einen falschen Eindruck und hält ihn potentiell davon ab, geeignete RechtsschutzmögIichkeiten zu ergreifen, weil aus der pauscha!en Verweisung auf ausländisches Recht auch nicht hinreichend konkret erkennbar wird, in welchem Umfang verwiesen wird und welche Regelungen letztendlich Anwendung finden.

II.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 99.045,-- € aus § 812 Abs. 1 1 Satz 1 1. Var. BGB, da er seine Spieleinsätze bei der Beklagte ohne rechtlichen Grund getätigt hat. Denn der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betriebenen Online-Glücksspiel war gernäß § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Beklagte hat vorliegend gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen, vorliegend dem Kläger, zugänglich gemacht hat.

Im Einzelnen:

2. a) Die Beklagte hat die Differenz aus Einzahlungen und Auszahlungen hier ohne rechtlichen Grund erlangt, weil der zugrundeliegende Glücksspielvertrag nichtig im Sinne des § 134 BGB war. Der Kläger hat hier schlüssig vorgetragen, in dem streitgegenständlichen Zeitraum Verluste von 99.045,-- € bei Online Spielen, vor allem bei Online-Casino- Spielen der Beklagten bzw. genauer der ……erlitten zu haben. Die Beklagten hat die Summe als solche auch unstreitig gestellt – bzw. den ursprünglich versehentlich überhöhten Klagebetrag auf 99.045,-- € korrigiert – sie hat nur pauschal eingewandt, der Kläger habe bei ihr im streitgegenständlichen Zeitraum auch an angeblich legalen Sportwetten teilgenommen. Richtig ist, dass die Länder gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV (2012) für die Durchführung oder Vermittlung von Sportwetten eine Erlaubnis erteilen können, es ist jedoch hier jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Beklagte im Jahr 2018 über eine derartige Erlaubnis verfügt hätte.

Letztlich mag dies dahinstehen, denn hier ist im Ergebnis als unstreitig zu behandeln, dass die in Rede stehenden Verluste des Klägers ausschließlich bei Online-Spielen bzw. Online-Casino-Spielen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgten. Das Gericht hat diese Frage im Termin mit den Erschienenen erörtert und den Kläger im

Einzelnen zu den verschiedenen, in Anlage K 1 der Klage aufgelisteten Spielen um Erläuterung gebeten. Der Kläger hat daraufhin nachvollziehbar und überzeugend klargestellt, dass es sich sämtlich um Online Spiele gehandelt habe und nicht um Sportwetten, mit denen er zwar ursprünglich im Jahre 2005/2006 begonnen habe, die im Zuge der Ausprägung seiner Spielsucht für ihn aber im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rolle mehr gespielt hätten, weil Sportwetten keinen sofortigen Erfolg mit sich brächten, sondern im Regelfall auf ein frühestens am Folgetag stattfindendes Ereignis abgeschlossen würden. Auf weitere Nachfrage des Gerichts zu den scheinbar nach Sportwetten klingenden Spielen in der Liste, - wie z.B. „Football“ hat der Kläger nachvollziehbar erläutert, dass es sich auch insoweit um Online-Casinospiele handele, und es insoweit bei der Bezeichnung nur um die Dekoration oder Werbung des Spieltisches gegangen sei, teils hätten auch die Dealer an den Tischen dann entsprechende Trikots getragen. Diesem dezidierten Vortrag des Klägerseite ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten, insbesondere hat sie ihre diesbezügliche offenbar ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, dass der Kläger im Jahr 2018 auch Sportwetten getätigt habe im Termin im Rahmen der ausführlichen Erörterung nicht substantiiert. Weder hat sie – obwohl die angebotenen Spiele von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin angeboten wurden und sie daher über umfassende Kenntnis verfügt – erläutert, wann der Kläger nun welche Sportwette abgeschlossen haben soll, noch hat sie bestritten, dass es sich bei den nach Sportwetten klingenden Bezeichnungen tatsächlich nur um die Webenamen von Online-Casinotischen handelt. Mangels substantiierten Bestreitens ist damit vorliegend als unstreitig zu behandeln, dass der Kläger mit der vorliegenden Klage nur die Rückzahlung von Verlusten erstrebt, die aus dem Online-Casino der Electra Works Limited resultieren.

Diese Online Casino-Spiele sind gesetzwidrig, § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) normiert ein klares Verbot für Online-Casinos. Die nach gibraltarischem Recht erteilte Erlaubnis hilft der Beklagten insoweit nicht weiter, in Deutschland war das Angebot illegal. Der Kläger hat auch erläutert, nahezu ausschließlich von zu Hause aus am Handy (gelegentlich am PC) gespielt zu haben und ansonsten auch auf Spaziergängen mit seinem Hund die schnelle Verfügbarkeit des Online-Casinos genutzt zu haben. Die Beklagte hat zwar mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger stets aus NordrheinWestfalen gespielt hat, das reicht hier aber für einen Erfolg dieses Vorbringens nicht aus. Denn es ist nicht ersichtlich und wird von Beklagtenseite auch nicht geltend gemacht, dass der Kläger sich im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt in einem Land aufgehalten hätte, indem das Online-Spielangebot der Beklagten legal ist, unabhängig davon, dass der Kläger auch schlüssig dargetan hat, wegen der sozialen Kontrolle weder auf der Arbeitsstelle noch im Urlaub gespielt zu haben.

Auch die von Beklagtenseite bemühte Erlaubnismöglichkeit im Rahmen des neuen GlüStV beseitigt die Nichtigkeit des Vertrages für das Jahr 2018 nicht, denn diese besteht – wenn überhaupt – ab dem 30.06.2021. Dabei ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gemäß § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 01.01.2018 bis 21.12.2018 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021, 1-12 W 13/21, Bl. 1182 ff. d. GA m.w.Nw.). Selbst im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642). Etwas anderes kommt – so auch das OLG Hamm in der vorzitierten Entscheidung – ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben werden wird (BGH WuM 2007, 440). Diese Voraussetzungen liegen indes im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor.

Soweit die Beklagte sich im Hinblick auf die sich in 2020 abzeichnende Gesetzesänderung auf eine aktive Duldung der Genehmigungsbehörden beruft, die die entsprechenden Anbieter zum 15.10.2020 aufgefordert hätten, das Internet-Glücksspielangebot einzustellen, um sodann perspektivisch ggf. eine Erlaubnis erhalten zu können, ändert dies ebenfalls nichts an der Gesetzwidrigkeit im Jahre 2018. Der von der Beklagten angestrengte Umkehrschluss einer aktiven Duldung auch für die Zeit vor dem 15.10.2020 erschließt sich dem Gericht insoweit bereits nicht, als das behördliche Übergangsregime erst im März 2020 vereinbart wurde und vorausschauend offenbar lediglich die Voraussetzungen für eine künftige

Erlaubniserteilung für die jeweiligen Anbieter regeln wollte. Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet - § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021 -, dass der Beklagten eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden wäre, trägt sie jedoch – unabhängig davon, dass dies die Illegalität der in 2018 angebotenen CasinoSpiele auch nicht rückwirkend beseitigen würde - selbst nicht vor.

Ebensowenig vermag das Gericht nachzuvollziehen, was die Beklagte aus den von ihr angeführten Formblättern des hessischen Innenministeriums ableiten möchte, schon der diesbezügliche Text als solcher gibt keine Hinweise auf die Erteilung der Konzession oder eine aktive Duldung.

Entgegen der von Beklagtenseite vertretenen Ansicht steht das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) auch im Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil vom 28.09.2011, MMR 2012, 191; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, NVwZ 2018, 895, BVerwGE 160, 193). Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Hierzu führ das Bundesverwaltungsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung vom 26.10.2017 (dort Rn. 30 ff.) folgendes aus: „Wie der Senat…, das Bundesverfassungsgericht ... und der Europäische Gerichtshof ... zum damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der … Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können ... Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten . .. Den spezifischen Sucht-, Betrugs-,Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2 GlüStV 2012). .. Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und unionsrechtskonform. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die … ihren Sitzgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen. Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen ... Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben .... Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind ... Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ... Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen .. . Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 1511570, S. 59). ...Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen."


Die Einzelrichterin schließt sich dieser überzeugend und umfassend begründeten Ansicht zur unionsrechtlichen Konformität der Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV an.

b) § 4 Abs. 4 GlüStV erfordert also solches auch keinen subjektiven Tatbestand, so dass hier dessen objektive Verwirklichung, d.h. das Betreiben von OnlineGlücksspiel ohne behördliche Erlaubnis, für die Annahme eines Verbotsgesetzes im Sinne des § 134 BGB genügt, unabhängig davon, dass die Beklagte auch nicht ernsthaft geltend machen könnte, angesichts der von ihr selbst angeführten umfänglichen und professionellen anwaltlichen Beratung nicht zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt zu haben.

c) § 762 BGB steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, weil diese Norm auf gesetzwidrige, d.h. nichtige Spielverträge ohne behördliche Erlaubnis keine Anwendung findet (vgl. Palandt, BGB, 79 Auflage 2020, § 762 BGB Rn. 9 m.w.Nw.)

d) Die Beklagte kann sich hier auch nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Ausschluss des § 814 BGB berufen. Denn ihr ist es – sie trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes (vgl. BeckOK BGB, Stand 01.11.2021 § 814 BGB Rn. 15) – bereits nicht gelungen, konkrete Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld, d.h. hier von der Gesetzeswidrigkeit hinreichend substantiiert vorzutragen. Unabhängig davon ist sie diesbezüglich auch beweisfällig geblieben.

Im Einzelnen: Der Kläger hat insoweit angegeben, nichts von der Illegalität der OnlineCasino-Spiele gewusst zu haben. Diesbezüglich hat er nachvollziehbar geschildert, dass er ausgehend von gelegentlichen, legalen Sportwetten schrittweise zum Online Casino gekommen sei, das er neben den sogenannten Slider Games intensiv ab 2015 gespielt habe. Dabei sei es ihm vor allem um den schnellen Erfolg gegangen. Er habe seine zunehmende Sucht stets vor allen – sogar vor seiner Familie versteckt – und nie mit jemandem zusammen gespielt oder sich über das OnlineSpielen ausgetauscht. Schließlich habe er mit dem Rücken zu Wand gestanden und sei auch nicht mehr kreditwürdig gewesen. Er sei sodann am 21.12.2021 in einer ausweglosen Situation und akut suizidgefährdet gewesen, habe aber – glücklicher Weise an den Feiertagen sozial kontrolliert durch sein familiäres Umfeld – letztlich den anderen Weg gewählt und sich Hilfe gesucht. Erst dabei habe er von der Möglichkeit des charge back erfahren.

Der Kläger hat die Abläufe und seine damaligen Verhaltensweise im Termin nachvollziehbar, in sich stimmig und sehr überzeugend geschildert. Gerade ein in ein bürgerliches Umfeld eingebundener Familienvater wird nachvollziehbarer Weise kein Interesse daran haben, dass in seinem privaten oder beruflichen Umfeld bekannt wird, dass er – wie er deutlich formulierte – heimlich Haus und Hof verspielt. Die Beklagte hat demgegenüber nur pauschal eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld behauptet und insoweit konkret lediglich auf ihre AGB Bezug genommen. Aus 2.1 der AGB der Beklagten lässt sich jedoch – selbst wenn der Kläger ihn gründlich gelesen hätte – nicht klar erkennen, dass das Nutzen eines Online-Casinos von NordrheinWestfalen aus illegal war und der Kläger insoweit für ihn erkennbar auf eine Nichtschuld leistete. Ausdrücklich erwähnt werden nur die USA, Polen und andere Länder, verbunden mit der Aufforderung an den Kunden, nur in den Ländern zu spielen, in denen dieses erlaubt ist. Diese AGB klärt den Kunden angesichts der komplexen und komplizierten Rechtslage in den verschiedenen Ländern bereits nicht hinreichend klar und deutlich über das Problem der Illegalität auf und lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass er ein illegales Angebot nutzt. Stattdessen versucht die Beklagte hier nur mit vagen, insoweit bereits AGB-widrigen- Formulierungen das rechtliche Prüfungsrisiko auf den Kunden zu überbürden. Darüber hinaus hat der Kläger – ebenfalls unwidersprochen vorgetragen – seit 2005 unter derselben Kontonummer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angemeldet gewesen zu sein. Die Beklagte trägt hier nicht vor, wann sie 2.1 ihrer AGB erstmals in der vorliegenden Fassung ihren Verträgen zugrunde gelegt haben will, aber sollten diese bereits 2005/2006 bestanden haben, hätte der Kläger, der ehrlich angab, im Zweifel AGB akzeptiert zu haben, sicher aber nicht mehr erinnern zu können, diese AGB mehr als 1 Jahrzehnt vor seiner Online-Spielleidenschaft „abgehakt“. Insoweit lässt sich angesichts der komplexen Rechtslage hieraus nicht ernsthaft eine Kenntnis des Klägers erkennen. Dies gilt auch für den von der Beklagten vorgelegten Medienspiegel (vgl. Anlage B 23, Bl. 808 ff. d. GA) der sich teilweise auf Berichte nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bezieht, nur vereinzelt Berichte vor Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes aufführt, bei denen jedoch nicht erkennbar ist, warum diese dem Kläger bekannt geworden sein sollen und der sich im Übrigen auf auf Gerichtsentscheidungen beschränkt, die einem Laien erst Recht nicht bekannt sein müssen.

Auch im Übrigen vermag die Argumentation der Beklagten nicht zu überzeugen. So macht sie selbst im vorliegenden Verfahren unter Berufung auf ihr großes Team aus Juristen und juristischen Professoren unter Rückgriff auf angebliche aktive Duldungen, deren Rückwirkung und den Verstoß deutschen Rechts gegen die

Dienstleistungsfreiheit nachdrücklich geltend, ihr Angebot sei mitnichten illegal. Wenn das das Prüfungsergebnis eines großen in dieser Materie erfahrenen Teams an Juristen ist, wie soll dann der Verbraucher – selbst wenn er nicht spielsüchtig wäre – die rechtlichen Konsequenzen dieser komplexen Materie überblicken. Nach alledem hat die Beklagte weder schlüssig dargetan noch bewiesen, dass der Kläger in Kenntnis von der Nichtschuld auf diese geleistet hat.

d) Ebenso wenig kann die Beklagte sich hier mit Erfolg auf den Kondiktionsausschluss des § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB berufen. Nach dieser Norm ist eine Rückforderung zwar ausgeschlossen, wenn dem Leistenden – hier also der Kläger - gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt, weder vermag das Gericht jedoch zu erkennen, dass die Beklagte einen Gesetzesverstoß des Klägers substantiiert vorgetragen oder unter Beweis gestellt hätte, noch geht die Unterzeichnerin davon aus, dass § 817 BGB auf Fälle wie den vorliegenden überhaupt Anwendung fände, weil § 817 BGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist.

Im Einzelnen:

Die bereicherte Beklagte trägt als Diejenige, die auf die rechtshindernde Einwendung der der Kondiktionssperre beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch soweit man hier auf § 284 StGB abstellt, das vorsätzliche Handeln auf Seiten des Leistenden. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar vorgetragen, dass ihm die Illegalität seines Handelns nicht bewusst gewesen sei. Ihm ist insoweit auch zuzugestehen, dass die Rechtslage ausgesprochen komplex war und die deutschsprachige AGB eines großen, aus der Werbung bekannten Unternehmens sowie öffentliche und aggressive, direkt an den

Spieler gerichtete Werbemaßnahmen bis hin zu Anrufen, die die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, dem Kunden den Eindruck der Professionalität und Legalität vermitteln. Wie bereits ausgeführt hat die Beklagte – der Verweis auf Ziffer 24 der AGB führt wie ausgeführt nicht weiter - nichts dargetan, was auch nur einen bedingten Vorsatz des Klägers erkennen ließe.

Im Übrigen wäre der Kläger strafrechtlich für seine Handlungen auch nicht verantwortlich, es fehlt bereits an der Zurechenbarkeit und der subjektiven Tatseite (vgl. dazu OLG Hamm aaO). Denn der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum ohne jeden Zweifel spielsüchtig. Zwar hat die Beklagte dies zulässig mit Nichtwissen bestritte, unstreitig ist jedoch geblieben, welch enorme Summe der Kläger in den Jahren 2015 bis Ende 2018 zum Spielen aufgewandt hat , wie sich seine finanzielle Situation dadurch entwickelte und wie sehr das Spielen seinen Alltag dominierte. Der

Kläger hat plastisch und im Termin unwidersprochen das Ausmaß seiner

Spielleidenschaft dargelegt, bei der es sich – selbst für den Laien erkennbar – um eine krankhafte Spielsucht handelte. Allein die verspielte Summe von ca. einer halben Million und die Bereitschaft einer ruhigen, vernunftbegabten Person, Haus und Hof einzusetzen dokumentieren diesen seelisch krankhaften Zustand ebenso eindrucksvoll wie die – unstreitig gebliebene – Schilderung morgens bereits im Bad und auf dem Hundespaziergang gespielt, sich private Darlehen mit falschen Angaben erschlichen zu haben und sich letztendlich in einer scheinbar aussichtslosen Situation manövriert zu haben.

Unabhängig davon findet nach der hier vertretenen Ansicht § 817 BGB vorliegend ohnehin keine Anwendung, weil sein Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren ist. Der BGH hat eine teleologische Reduktion der Kondiktionssperre bereits für die die nach einem Schneeballsystem organisierten „Schenkkreise" angenommen und hält insoweit eine „schutzzweckorientierte Einschränkung für geboten, und zwar auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat. Diesbezüglich hat der BGH ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der „Spiele", die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften (BGH NJW 2006, 45, Rn. 12). Auch innerhalb der Leistungskondiktion sei der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm maßgebend, der nicht konterkariert werden dürfe (BGH NJW 2008, 1942, Rn. 10). Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das den Schenkkreisen zugrundeliegende Schneeballsystem nicht ohne weiteres mit den zufälligen Gewinnen oder Verlusten eines Online-Casinos vergleichbar ist, dennoch sind die vom BGH aufgeführten Rechtsgedanken aus der vorzitierten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn auch hier geht es um eine schutzzweckorientierte Einschränkung der Norm, damit die Initiatoren der Spiele nicht die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürfen. Soweit dem entgegengehalten wird, dies ermögliche für den Spieler ein risikoloses Spielen (vgl. LG München BeckRS 2021,11488) verkennt diese Argumentation, dass dies in die Risikosphäre desjenigen fällt, der derartige Spiele illegal veranstaltet ohne eine ausschließlich legale Nutzung technisch sicher zu stellen oder zumindest durch hinreichend klare Hinweise klarzustellen, dass eine Nutzung in dem jeweiligen Land illegal sind.

Auch die Entscheidung des BGH vom 30.07.1968 (BeckRS 1968, 31177398) spricht nicht gegen eine grundsätzliche Einschränkung der Kondiktionssperre für den Bereich der Online-Glücksspiele, da es bei der dortigen Entscheidung auf den Schutzzweck des hier maßgeblichen § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nicht ankam.

Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.

Es trifft zwar zu, dass ein widersprüchliches Verhalten rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB sein kann. Dies gilt insbesondere für die Fälle des „venire contra factum proprium", wenn also für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (BGH NJW 1985, 2589, 2590; 1986, 2104, 2107) oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind (BGH NJW 2016, 3518, 3520). Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagte kann indes schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Interessen der Beklagte nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB (vgl. OLG Hamm, aaO). Dies gilt erst Recht als bei dem Kläger – die Beklagte hat seinen dezidierten Vortrag zu seinem Spielverhalten und dessen Auswirkungen nicht in Abrede gestellt – erkennbar spielsüchtig war als er an den hier in Rede stehenden Spiele teilnahm.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Keine Irreführung durch Werbung für Hustensaft bei Erlaubnis des BfArM auch wenn Medizinprodukt als Arzneimittel präsentiert wird

OLG Frankfurt
Urteil vom 08.07.2021
6 U 126/20

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn für Hustensaft mit Erlaubnis des BfArM geworben wird, auch wenn ein Medizinprodukt als Arzneimittel präsentiert wird

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Trotz Präsentation als Arzneimittel ist Vertrieb eines Hustensafts als Medizinprodukt bei entsprechender Erlaubnis des BfArM keine Irreführung

Hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) festgestellt, dass ein Produkt (hier: Hustensaft) trotz seiner Präsentation nach einer Gesamtabwägung kein zulassungspflichtiges Arzneimittel ist, sind die Zivilgerichte daran grundsätzlich gebunden. Ein von einer Verwaltungsbehörde erlaubtes Verhalten stellt selbst dann keine Irreführung nach § 5 UWG dar, wenn tatsächlich die Voraussetzungen für die Erlaubnis nicht vorliegen. Die auf Unterlassen des Vertriebs gerichtete Berufung des Klägers hatte deshalb gemäß heute veröffentlichter Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) keinen Erfolg.

Die Parteien streiten um die Einordnung des von der Beklagten vertriebenen Produkts „Mucosolvan PHYTO Complete“ als (Präsentations-)Arzneimittel oder Medizinprodukt. Ein Präsentationsarzneimittel liegt vor, wenn die Präsentation des Produkts den Eindruck erweckt, dass es heilende Wirkung im Sinne eines Arzneimittels hat. Dies sei hier der Fall, meint die Klägerin. Mangels Arzneimittelzulassung habe die Beklagte den Vertrieb zu unterlassen. Das Produkt enthalte die zwei anerkannten und monographierten Arzneipflanzen Spitzwegerich und Thymian, die seit jeher bei der Behandlung von Husten eingesetzt würden und deren pharmakologische Wirkung unbestritten sei. Unter der Dachmarke „Mucosolvan“ vertreibe die Beklagte zudem zahlreiche als Arzneimittel zugelassen Hustensäfte.

Im vorausgegangenen Eilverfahren (Presseinformationen vom 22.05.2020, Nr. 40/2020) hatte der Senat der Beklagten den weiteren Vertrieb untersagt, da die Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass der Vertrieb des Hustensaftes als Medizinprodukt von einer behördlichen Erlaubnis gedeckt sei. Vorgelegt worden sei allein ein hinsichtlich der maßgeblichen Passagen geschwärzter Bescheid des BfArM. Im nunmehrigen Hauptsacheverfahren hat die Beklagte den vollständigen ungeschwärzten Bescheid des BfArM vorgelegt. Demnach handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Präparat nicht um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel.

Das OLG hat deshalb die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Der Bescheid des BfArM entfalte Tatbestandswirkung. Der Senat sei an die dortige Feststellung gebunden, dass das Produkt kein zulassungspflichtiges Arzneimittel sei. Soweit der Kläger meine, die Bescheidsbegründung sei inhaltlich fehlerhaft, könne er damit nicht gehört werden. Es sei gerade Sinn der Tatbestandswirkung, dass die fachlich kompetente Verwaltungsbehörde eine abschließende Entscheidung treffe, die von den Zivilgerichten - unabhängig von der Rechtmäßigkeit - nicht nachprüfbar sei.

Der weitere klägerische Einwand, dass das BfArM nicht die streitgegenständliche Werbung, sondern nur die Produktverpackung der Beurteilung zugrundegelegt habe, greife ebenfalls nicht. Gegenstand der Prüfung sei das Produkt nebst der Produktverpackung und dem Informationsblatt gewesen. Bei der Prüfung sei jedoch auch berücksichtigt worden, dass das Produkt den äußeren Anschein eines Arzneimittels erwecke. Dies habe jedoch nicht für eine Einstufung als (Präsentations-) Arzneimittel ausgereicht.

Soweit die Tatbestandswirkung ihre Grenze in der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes finde, sei diese Grenze hier nicht erreicht. Das BfArM habe vertretbar ausgeführt, dass das Produkt zwar die objektiven Kriterien eines Präsentationsarzneimittels erfülle, im Rahmen einer Gesamtwürdigung aber aufgrund der physikalisch wirkenden bestimmungsgemäßen Hauptwirkung dennoch als Medizinprodukt einzuordnen sei.

Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Irreführung nach § 5 UWG berufen. Ein von einer Verwaltungsbehörde durch Verwaltungsakt erlaubtes Verhalten stelle selbst dann keine Irreführung dar, wenn die Voraussetzung für die Erlaubnis tatsächlich nicht vorliegen würden. Im Rahmen einer Interessenabwägung könne ein Unterlassungsanspruch nicht wegen eines Verhaltens begründet werden, dass einer gesetzlichen Erlaubnis entspreche.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 08.07.2021, Az. 6 U 126/20

(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 01.07.2020, Az. 3-08 O 118/19)




OLG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.5.2021
6 U 18/20


Das OLG Frankfurt hat bestätigt, dass die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig ist. Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf.

Untersagung der Fahrdienstvermittlung für Mietwagen durch Uber-App bestätigt

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat gestern die Berufung des Fahrdienstvermittlers Uber gegen die Untersagung, Beförderungsaufträge an Mietwagenunternehmen mittels einer Applikation zu übermitteln, zurückgewiesen.

Der klagende Zusammenschluss von Taxizentralen aus verschiedenen Städten Deutschlands wendet sich gegen eine von dem Fahrdienstvermittler Uber genutzte Applikation. Über sie können Fahrten mit Mietwagenfahrern gebucht und abgerechnet werden. Der Fahrgast fragt mit der App eine Fahrt zu einem angegebenen Ziel an. Vor Bestätigung der Anfrage erhält er u.a. Angaben zum Preis und zur Dauer der Bereitstellung des Mietwagens. Die App ermittelt dann automatisiert einen geeigneten Fahrer eines Mietwagenunternehmens. Dieser erhält eine Push-Mitteilung nebst einer Dienstanweisung. Kommt es zur Auftragsannahme, rechnet die Beklagte nach Fahrtende die Fahrt über die App ab.

Die Kläger halten dieses Vorgehen unter Hinweis auf die Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) in mehrfacher Hinsicht für wettbewerbswidrig.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen untersagt. Zur Begründung hatte das Landgericht u.a. darauf hingewiesen, dass Uber die hier für die Übermittlung von Fahrten an Mietwagenfahrer erforderliche Mietwagenkonzession fehle. Aus der maßgeblichen Sicht des Fahrgastes erbringe Uber selbst die Dienstleistung und sei damit Unternehmerin. Uber trete als Anbieter der Beförderungsleistung nach außen auf, bestimme die Konditionen und rechne ab. Folglich sei Uber selbst konzessionspflichtig.

Nach der gestrigen Berufungsverhandlung hat das OLG die Berufung von Uber gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.5.2021, Az. 6 U 18/20

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 19.12.2019, Az. 3-08 O 44/19)

Die Entscheidung ist demnächst im Volltext unter www.rv.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Erläuterungen:
§ 2 PBefG Genehmigungspflicht
(1) 1Wer im Sinne des § PBEFG § 1 Abs. PBEFG § 1 Absatz 1

1. ...
4.mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr (§ PBEFG § 46)
Personen befördert, muß im Besitz einer Genehmigung sein. ...

§ 49 PBefG Verkehr mit Mietomnibussen und mit Mietwagen
(1) Verkehr mit Mietomnibussen ist die Beförderung von Personen mit Kraftomnibussen, die nur im ganzen zur Beförderung angemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt. Die Teilnehmer müssen ein zusammengehöriger Personenkreis und über Ziel und Ablauf der Fahrt einig sein.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 sind nicht gegeben, wenn Fahrten unter Angabe des Fahrtziels vermittelt werden. Mietomnibusse dürfen nicht durch Bereitstellen auf öffentlichen Straßen oder Plätzen angeboten werden.

(3) Die Vorschriften der §§ 21 und 22 sind nicht anzuwenden.

(4) Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen nach § 47 sind. Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrages erhalten. Der Eingang des Beförderungsauftrages am Betriebssitz oder in der Wohnung hat der Mietwagenunternehmer buchmäßig zu erfassen und die Aufzeichnung ein Jahr aufzubewahren. Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. Den Taxen vorbehaltene Zeichen und Merkmale dürfen für Mietwagen nicht verwendet werden. Die §§ 21 und 22 sind nicht anzuwenden.



OLG München: Unzulässige und wettbewerbswidrige Beratung über die Möglichkeit des Widerrufs von Lebensversicherungsverträgen durch Legal-Tech-Anbieter auf Grundlage einer Inkassoerlaubnis

OLG München
Urteil vom 03.12.2020
29 U 7047/19


Das OLG München hat entschieden, dass es unzulässig und damit wettbewerbswidrig ist, wenn ein Legal-Tech-Anbieter auf Grundlage einer Inkassoerlaubnis ihre Kunden über die Möglichkeit des Widerrufs von Lebensversicherungen berät. Insofern handelt es sich um Versicherungsberatung, die eine entsprechende Erlaubnis nach der Gewerbeordnung erfordert.

Die dazugehörige Meldung der Wettbewerbszentrale finden Sie hier:

Volltext liegt vor LG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf

LG Frankfurt
Urteil vom 19.12.2019
3-06 O 44/19


Wir hatten bereits in dem Beitrag "LG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf" über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung zu.

Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Beide Parteien stehen als Anbieter von Vermittlungsdienstleistungen betreffend individueller Personenbeförderung im Wettbewerb. Die Tatsache, dass die Klägerin diese Leistungen für Taxibeförderungen und die Beklagte für Mietwagenbeförderungen anbietet, steht der Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses nicht entgegen, da die Leistungen für den angesprochenen Verkehr austauschbar sind.

Entgegen der Ansicht der Beklagten müssen sich die Parteien als Wettbewerber nicht bundesweit in den gleichen Städten gegenüberstehen. Vielmehr ist der wettbewerbliche Unterlassungsanspruch in seinem räumlichen Umfang durch ein räumlich beschränktes Tätigkeitsfeld des Gläubigers oder des Schuldners nicht eingeschränkt (BGH GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken; Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 37. Aufl. § 8 Rn. 1.85). Die Klägerin kann als Wettbewerber der Beklagten daher ihren Verbotsantrag auf das gesamte Bundesgebiet beziehen, unabhängig von der örtlichen Verbreitung ihrer Vermittlungsleistungen.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte der Unterlassungsanspruch gemäß Ziffer 1. des Tenors aus §§ 3 Abs. 1, 3a, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG, § 2 Abs. 1 PBefG zu.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG, wonach die Erbringung von Personenbeförderungsleistungen mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr einer Genehmigung bedarf, stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar (Köhler / Bornkamm /Feddersen, a.a.O., § 3a Rn. 1.148). Die Norm sieht für die Betätigung auf einem bestimmten Markt eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis vor und will damit im Interesse der Marktteilnehmer eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der Dienstleistung sicherstellen (OLG Frankfurt GRUR-RR 2018, 199, Rn. 13 – Ersatz-Taxi).

Bei der Beklagten handelt es sich um einen Unternehmer im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 PBefG. Als solcher benötigt sie für die Personenbeförderung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG eine Mietwagenkonzession, die sie unstreitig nicht hat.

Für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft entscheidend ist, wer aus Sicht der Fahrgäste der Erbringer der Dienstleistung ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 09.06.2016, Az. 6 U 73/15, Rn. 48 ff. – zit. nach juris). Nach der Vertragsgestaltung und der Durchführung der Dienstleistung der Beklagten wird diese als Dienstleistungserbringerin der Beförderungsleistung wahrgenommen. Aus der Sicht der Fahrgäste ist es die Beklagte selbst und nicht die einzelnen Mietwagenunternehmen, die die Personenbeförderungsleistung erbringt.

Dies ergibt sich aus der Gesamtschau derjenigen Elemente, die die Dienstleistung der Beklagten maßgebend prägen.

Dass die Beklagte Erbringer der Dienstleistung ist, ergibt sich für die Fahrgäste zunächst aus dem Außenauftritt der Beklagten. Dieser wird durch deren Werbung wie aus der Anlage K 6 ersichtlich maßgeblich bestimmt. Bei der Wahrnehmung der Werbetafeln erkennt der Kunde, dass ……………….eine Personenbeförderungsleistung anbietet und nunmehr professionelle Fahrer – im Gegensatz zu dem vorher praktizierten Modell der Privatfahrer – tätig sind. Die sehr klein gedruckten Zusatzinformationen, wonach …………………….. die Aufträge an Mietwagenunternehmer vermittelt und selbst keine Beförderungsdienstleistungen anbietet, werden von dem flüchtigen Beobachter nicht wahrgenommen. Gleiches gilt für die von der Beklagten vorgelegte Werbeanzeige Anlage B 18.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Nutzer, die Vermittlungsplattformen in verschiedenen Lebensbereichen gewöhnt sind, sich bei dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell der Beklagten ohne Weiteres im Klaren darüber sind, dass es sich um eine Vermittlung von einzelnen Mietwagenfirmen durch die Beklagte handele. Der Außenauftritt der Beklagten legt dies gerade nicht nahe, sondern wird so wahrgenommen, dass …………………………der Dienstleistungserbringer ist. Im Bereich der Personenbeförderung ist auch anders als im Bereich von Vermittlungsplattformen, auf dem Verkauf von Produkten dienen, nach Auffassung der Kammer kein allgemeines Verkehrsverständnis dahingehend gegeben, dass das dem Verbraucher in der Außendarstellung gegenübertretende Unternehmen eine reine Vermittlungsfunktion erfüllt.

Der Nutzer, der die App lädt, wird sich nach Auffassung der Kammer auch nach der Lebenserfahrung nicht mit den Einzelheiten der Allgemeinen Nutzungsbedingungen der Beklagten beschäftigen, in denen auf eine Vermittlungstätigkeit der Beklagten hingewiesen wird.

Dass Mietwagenunternehmer, die dem System der Beklagten angeschlossen sind, eigenständig am Markt aufträten wie von der Beklagten unter Hinweis auf die Anlagen B 1, 2 behauptet, hindert die Annahme einer Unternehmerschaft der Beklagten nicht. Die Mietwagenunternehmer können nach dem Geschäftsmodell der Beklagten sowohl selbständig und außerhalb des Systems der Beklagten, aber auch als Teil des Geschäftssystems der Beklagten tätig sein (vgl. BGH a.a.O. Rn. 48).

Weiter ist es Sache der Beklagten, denjenigen Fahrer auszuwählen, der die Fahrt ausführen soll. Dass sie dabei nach objektiven Kriterien vorgeht – nämlich der Nähe zum potentiellen Fahrgast – ändert nichts an der Tatsache, dass sie es ist, die die Auswahl trifft.

Ein weiteres zu berücksichtigendes Merkmal stellt die Preisgestaltung dar. Die Beklagte bestimmt den Beförderungspreis, insbesondere die einzelnen Bestandteile wie den Grundpreis, die km-Kosten, die Zeitkosten und den Mindestfahrpreis. Dass ein freies Verhandeln des Fahrpreises zwischen Fahrgast und Fahrer möglich ist, ergibt sich aus dem beispielhaften Buchungsprozess Anlage B 6 nicht. Daher liegt die Entscheidung über die Preiszusammensetzung aber auch die über den tatsächlichen Fahrpreis bei der Beklagten. Es handelt sich also entgegen deren Ansicht nicht um eine für das Mietwagenunternehmen unterstützende Serviceleistung durch die Beklagte, sondern um eine Festlegung. Das zeigt sich auch darin, dass der Fahrer die Fahrt zu dem von der Beklagten angegebenen Preis annehmen kann oder die Fahrt ausschlagen kann, nicht aber den Preis ändern.

Entgegen der Auffassung der Beklagten spielt der Preis einer Beförderung für den Fahrgast durchaus eine wichtige Rolle. Hierauf fußt das Geschäftsmodell der Beklagten, mit dessen Hilfe die Beförderungsleistungen deutlich günstiger sind als z. B. die Beförderung durch ein Taxi."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Airbnb ist ein Dienst der Informationsgesellschaft gem Richtlinie 2000/31

EuGH
Urteil vom 19.12.2019
C-390/18
Airbnb Ireland


Der EuGH hat entschieden, dass das Angebot von Airbnbals Dienst der Informationsgesellschaft gem Richtlinie 2000/31 einzuordnen ist.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), der auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft verweist, ist dahin auszulegen, dass ein Vermittlungsdienst, der darin besteht, über eine elektronische Plattform gegen Entgelt eine Geschäftsbeziehung zwischen potenziellen Mietern und gewerblichen oder nicht gewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, anzubahnen, und gleichzeitig auch einige Zusatzdienstleistungen zu diesem Vermittlungsdienst zur Verfügung zu stellen, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist, der unter die Richtlinie 2000/31 fällt.

2. Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass sich ein Einzelner dagegen wehren kann, dass ein Mitgliedstaat gegen ihn im Rahmen eines Strafverfahrens mit Bestellung als Zivilpartei Maßnahmen anwendet, mit denen der freie Verkehr eines Dienstes der Informationsgesellschaft, den er von einem anderen Mitgliedstaat aus anbietet, beschränkt wird, wenn die Maßnahmen nicht entsprechend dieser Bestimmung mitgeteilt wurden.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Frankreich darf von Airbnb nicht verlangen, dass sie über einen Gewerbeausweis für Immobilienmakler verfügt, da diese Anforderung der Kommission nicht gemäß der Richtlinie über den elektronischen Rechtsverkehr mitgeteilt wurde

Mit Urteil von heute der Gerichtshof zum einen entschieden, dass ein Vermittlungsdienst, der darin besteht, über eine elektronische Plattform gegen Entgelt eine Geschäftsbeziehung zwischen potenziellen Mietern und gewerblichen oder nicht gewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, anzubahnen, und gleichzeitig auch einige Zusatzleistungen zu diesem Vermittlungsdienst zur Verfügung zu stellen, als „Dienst der Informationsgesellschaft“
einzustufen ist, der unter die Richtlinie 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr fällt.

Zum anderen ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass sich ein Einzelner dagegen wehren kann, dass ein Mitgliedstaat gegen ihn im Rahmen eines Strafverfahrens mit Bestellung als Zivilpartei Maßnahmen anwendet, mit denen der freie Verkehr eines solchen Dienstes, den er von einem anderen Mitgliedstaat anbietet, beschränkt wird, wenn diese Maßnahmen nicht
entsprechend Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie mitgeteilt wurden.

Der Ausgangsrechtsstreit fügt sich in ein Strafverfahren ein, dass in Frankreich infolge einer Anzeige mit Bestellung als Zivilpartei eingeleitet wurde, die die Association pour un hébergement et un tourisme professionnels (AHTOP, Vereinigung für eine professionelle Beherbergung und einen professionellen Tourismus) gegen Airbnb Ireland erstattet hatte. Airbnb Ireland ist ein irisches Unternehmen, das eine elektronische Plattform verwaltet, die es gegen Entrichtung einer Gebühr u. a. in Frankreich ermöglicht, eine Geschäftsbeziehung zwischen gewerblichen und nichtgewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, und Personen anzubahnen, die solche Unterkünfte suchen. Airbnb Ireland bietet den Vermietern ferner Zusatzleistungen an, wie eine Vorlage zur Festlegung des Inhalts ihres Angebots, eine Haftpflichtversicherung, ein Tool zur Schätzung des Mietpreises oder auch auf diese Leistungen bezogene Zahlungsdienstleistungen.

AHTOP, die gegen Airbnb Ireland Anzeige erstattet hatte, berief sich darauf, dass sich dieses Unternehmen nicht damit begnüge, über die namensgebende Plattform eine Geschäftsbeziehung zwischen zwei Parteien anzubahnen, sondern vielmehr die Tätigkeit eines Immobilienmaklers ausübe, ohne im Besitz eines Gewerbeausweises zu sein, und damit gegen die sogenannte Loi Hoguet verstoße, ein Gesetz, das in Frankreich für berufliche Tätigkeiten im Immobilienbereich gilt.

Airbnb Ireland macht ihrerseits geltend, dass die Richtlinie 2000/31 in jedem Fall dieser Regelung entgegenstehe.

Der Gerichtshof, der zur Einstufung des von Airbnb Ireland angebotenen Vermittlungsdienstes befragt wurde, hat unter Bezugnahme auf das Urteil Asociación Profesional Elite Taxi darauf hingewiesen, dass ein Vermittlungsdienst grundsätzlich einen von der nachfolgenden Dienstleistung, auf die er sich bezieht, unabhängigen „Dienst der Informationsgesellschaft“ darstellt, wenn er den in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 3 – auf den Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 verweist – genannten Voraussetzungen entspricht. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Vermittlungsdienst offensichtlich ein integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung ist, deren Hauptbestandteil rechtlich anders einzustufen ist.

Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass ein Vermittlungsdienst wie der von Airbnb Ireland angebotene diese Voraussetzungen erfüllt und die zwischen diesem Vermittlungsdienst und der Beherbergungsleistung bestehenden Verbindungen nicht die Annahme rechtfertigen, dass er nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist und damit nicht unter die Richtlinie 2000/31 fällt.

Um die Unabhängigkeit eines solchen Vermittlungsdiensts im Verhältnis zu den Beherbergungsleistungen, auf die er sich bezieht, zu unterstreichen, hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass dieser Dienst nicht nur auf die unmittelbare Realisierung solcher Dienstleistungen gerichtet ist, sondern vielmehr im Wesentlichen darin besteht, ein Instrument für
die Präsentation von und die Suche nach zu vermietenden Unterkünften anzubieten, das den Abschluss von künftigen Mietverträgen erleichtert. Daher kann diese Art der Dienstleistung nicht als eine bloße Ergänzung einer Gesamtdienstleistung der Beherbergung angesehen werden. Der Gerichtshof hat sodann hervorgehoben, dass ein Vermittlungsdienst wie der von Airbnb Ireland angebotene für die Erbringung von Beherbergungsleistungen nicht unverzichtbar ist, da Mieter und Vermieter hierzu zahlreiche andere, bisweilen seit Langem verfügbare Kontaktwege offenstehen.

Schließlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich der Akte nichts dafür entnehmen lässt, dass Airbnb den Betrag der von den Vermietern, die ihre Plattform nutzen, verlangten Mieten festlegen oder deckeln würde.

Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass die weiteren, von Airbnb Ireland angebotenen Dienstleistungen diese Feststellung nicht in Frage stellen können, da es sich bei den verschiedenen Dienstleistungen um bloße Ergänzungen zu dem von diesem Unternehmen angebotenen Vermittlungsdienst handelt. Darüber hinaus hat er darauf verwiesen, dass – im Gegensatz zu den in den Urteilen Asociación Profesional Elite Taxi und Uber France in Rede stehenden Vermittlungsdiensten – weder der fragliche Vermittlungsdienst noch die von Airbnb Ireland angebotenen Zusatzdienstleistungen die Feststellung zulassen, dass das Unternehmen einen entscheidenden Einfluss auf die Beherbergungsleistungen ausübt, auf die sich seine Tätigkeit bezieht, und zwar sowohl bezogen auf die Festsetzung des verlangten Mietpreises als auch bezogen auf die Auswahl der Vermieter oder der Unterkünfte, die auf seiner Plattform angeboten werden.

Der Gerichtshof hat zudem geprüft, ob sich Airbnb Ireland im Ausgangsrechtsstreit mit der Begründung, dass die Loi Hoguet von Frankreich nicht gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 mitgeteilt wurde, gegen die Anwendung eines Gesetzes wie der Loi Hoguet wenden kann, mit dem der freie Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft, die von einem Anbieter von einem anderen Mitgliedstaat aus erbracht werden, eingeschränkt wird.

Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der Umstand, dass dieses Gesetz vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2000/31 erlassen wurde, Frankreich nicht von seiner Pflicht zur Unterrichtung befreien kann. Danach hat er in Anlehnung an den im Urteil CIA Security International verfolgten Ansatz festgestellt, dass dieser Pflicht, die eine wesentliche Verfahrensvorschrift darstellt, unmittelbare Wirkung zuzuerkennen ist. Missachtet ein Mitgliedstaat seine Pflicht zur Unterrichtung über eine solche Maßnahme, kann dies daher von einem Einzelnen nicht nur im Rahmen eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens geltend gemacht werden, sondern auch gegenüber dem Schadensersatzbegehren einer anderen Person, die sich als Zivilpartei bestellt hat.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf

LG Frankfurt
Urteil vom 19.12.2019
3-08 O 44/19


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig ist. Es fehlt bereits an der notwendigen Mietwagenkonzession, da Uber als Mietwagenunternehmen auftrete.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht Frankfurt am Main untersagt Fahrdienstvermittlung für Mietwagen durch Uber-App

In einem heute verkündeten Urteil hat das Landgericht Frankfurt am Main dem Fahrdienstvermittler Uber untersagt, Beförderungsaufträge an Mietwagenunternehmen mit seiner aktuellen Applikation zu übermitteln. Geklagt hatte ein Zusammenschluss von Taxizentralen aus verschiedenen Städten in Deutschland.

Die Vermittlung von Fahrten an Mietwagenunternehmen durch die Applikation Uber sei wettbewerbswidrig, so die Kammer des Landgerichts. In dem Geschäftsmodell von Uber erkannte das Gericht verschiedene Wettbewerbsverstöße.

Zum einen fehle Uber eine eigene Mietwagenkonzession. Diese sei für die Übermittlung von Fahrten an Mietwagenfahrer im vorliegenden Fall aber notwendig. „Aus der Sicht des Fahrgastes erbringt Uber selbst die Dienstleistung und ist daher Unternehmer im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes“, erklärte die Vorsitzende Richterin. Uber trete nämlich durch seine Werbung gegenüber den Kunden als Anbieter der Beförderungsleistung auf. Außerdem wähle Uber den konkreten Fahrer eigens aus und bestimme den Preis.

„Uber hat auch gegen die Verpflichtung verstoßen, wonach Mietwagen nur Beförderungsaufträge ausführen dürfen, die vorher am Betriebssitz des Mietwagenunternehmens eingegangen sind“, erläuterte das Gericht. Die klagende Taxivereinigung hatte durch zwei Testfahrten nachgewiesen, dass Fahrer von Mietwagen über die Uber-App Aufträge angenommen hatten, ohne zuvor die Beförderungsanfrage auf dem Unternehmer-Smartphone zu beantworten. Zwar fordert Uber die Mietwagenunternehmen auf, die gesetzlichen Regeln einzuhalten. Uber habe die Mietwagenfirmen aber nicht ausreichend kontrolliert, befand die Kammer.

Schließlich werde gegen die sog. Rückkehrpflicht verstoßen. Sie besagt, dass ein Mietwagenfahrer nach der vermittelten Fahrt unverzüglich zum Betriebssitz zurückkehren muss, es sei denn, er hat zwischenzeitlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. Die Taxivereinigung hatte belegt, dass ein Fahrer vor dem Beförderungsauftrag mittels Uber-App eine längere Zeit in der Nähe des Frankfurter Flughafens gewartet hatte.

Wirkung des Urteils
Die mit dem heutigen Urteil ausgesprochene Untersagung der Fahrvermittlung durch Uber gilt ab sofort. Eine Umstellungsfrist hat das Landgericht Frankfurt am Main nicht gewährt. Uber habe wegen einer vorangegangenen Abmahnung und anderer gerichtlicher Verfahren mit einer Untersagung rechnen müssen.

Das Urteil vom 19.12.2019 (Az.: 3-08 O 44/19) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.

Zum Hintergrund:
Das Landgericht Frankfurt am Main hatte Uber bereits im Jahr 2015 untersagt, über die Applikation „Uber Pop“ Fahrten an Privatfahrer zu vermitteln. Gegenstand des heute entschiedenen Verfahrens ist eine mittlerweile in mehreren deutschen Städten verfügbare neue Applikation von Uber. Über sie können Fahrten mit Mietwagenfahrern gebucht werden.

§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Personenbeförderungsgesetz:

Wer (…) mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr (…) Personen befördert, muss im Besitz einer Genehmigung sein. Er ist Unternehmer im Sinne dieses Gesetzes.

§ 49 Absatz 4 Satz 2 und 3 Personenbeförderungsgesetz:

Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten.




EuGH: Weiterverkauf gebrauchter E-Books über eine Website ist eine öffentliche Wiedergabe und nur mit Zustimmung des Urhebers bzw Rechteinhabers zulässig

EuGH
Urteil vom 19.12.2019
C-263/18
Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers / Tom Kabinet Internet BV u. a.


Der EuGH hat entschieden, dass der Weiterverkauf gebrauchter E-Books über eine Website eine öffentliche Wiedergabe und nur mit Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers zulässig ist.

Tenor der Entscheidung:

Die Überlassung eines E‑Books zur dauerhaften Nutzung an die Öffentlichkeit durch Herunterladen fällt unter den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ und insbesondere unter den Begriff der „Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind“, im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Verkauf „gebrauchter“ E-Books über eine Website stellt eine öffentliche Wiedergabe dar, die der Erlaubnis des Urhebers bedarf

Mit Urteil von heute hat der Gerichtshof entschieden, dass die Überlassung eines E-Books zur dauerhaften Nutzung an die Öffentlichkeit durch Herunterladen unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie 2001/291 fällt.

Nederlands Uitgeversverbond (NUV) und Groep Algemene Uitgevers (GAU), zwei Verbände, deren Ziel die Vertretung der Interessen der niederländischen Verleger ist, erhoben bei der Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag, Niederlande) Klage und beantragten unter anderem, dem Unternehmen Tom Kabinet zu untersagen, Mitgliedern des von ihm gegründeten „Leseklubs“
auf seiner Website E-Books zugänglich zu machen oder diese Bücher zu vervielfältigen. NUV und GAU machen geltend, dass diese Tätigkeiten Urheberrechte ihrer Mitglieder an diesen E-Books verletzten. Dadurch, dass im Rahmen dieses Leseklubs „gebrauchte“ E-Books zum Verkauf angeboten würden, nehme Tom Kabinet eine unbefugte öffentliche Wiedergabe dieser Bücher vor.

Tom Kabinet macht hingegen geltend, dass auf diese Tätigkeiten das Verbreitungsrecht anwendbar sei, das in der genannten Richtlinie einer Erschöpfungsregel unterliege, wenn der betreffende Gegenstand – im vorliegenden Fall die E-Books – vom Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung in der Union verkauft worden seien. Diese Regel würde bedeuten, dass NUV und
GAU nach dem Verkauf der in Rede stehenden E-Books nicht mehr das ausschließliche Recht hätten, ihre Verbreitung an die Öffentlichkeit zu erlauben oder zu verbieten.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Überlassung eines E-Books zur dauerhaften Nutzung durch Herunterladen nicht unter das Recht der „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, sondern vielmehr unter das in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene Recht der „öffentlichen Wiedergabe“ fällt, für das die Erschöpfung gemäß Art. 3 Abs.
3 ausgeschlossen ist.

Der Gerichtshof hat diese Feststellung insbesondere darauf gestützt, dass er aus dem Urheberrechtsvertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), der dieser Richtlinie zugrunde lag, und den Vorarbeiten zu dieser Richtlinie abgeleitet hat, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigte, die Erschöpfungsregel der Verbreitung von körperlichen Gegenständen, wie Büchern auf einem materiellen Träger, vorzubehalten. Die Anwendung der Erschöpfungsregel auf
E-Books könnte die Interessen der Rechtsinhaber, für ihre Werke eine angemessene Vergütung zu erhalten, hingegen weitaus stärker beeinträchtigen als im Fall von Büchern auf einem materiellen Träger, da sich die nicht körperlichen digitalen Kopien von E-Books durch den Gebrauch nicht verschlechtern, und somit auf einem möglichen Second-Hand-Markt einen
perfekten Ersatz für neue Kopien darstellen.

Zum Begriff „öffentliche Wiedergabe“ hat der Gerichtshof genauer ausgeführt, dass dieser in weitem Sinne verstanden werden muss, nämlich dahin gehend, dass er jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, und somit jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks umfasst. Dieser Begriff vereint zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe eines Werkes und seine öffentliche Wiedergabe.

Was das erste Merkmal anbelangt, geht aus der Begründung des Vorschlags für die Richtlinie 2001/29 hervor, dass „die kritische Handlung die Zugänglichmachung des Werkes für die Öffentlichkeit [ist], also das Angebot eines Werkes an einem öffentlich zugänglichen Ort, das dem Stadium seiner eigentlichen ‚Übertragung auf Abruf‘ vorangeht“, und dass es „unerheblich [ist], ob eine Person es tatsächlich abgerufen hat oder nicht“. Daher ist nach der Ansicht des Gerichtshofs die Zugänglichmachung der betreffenden Werke für jede Person, die sich auf der Website des Leseklubs registriert, als „Wiedergabe“ eines Werks anzusehen, ohne dass es hierfür erforderlich wäre, dass die betreffende Person diese Möglichkeit wahrnimmt, indem sie das E-Book tatsächlich von dieser Website abruft.

Was das zweite Merkmal anbelangt, ist nicht nur zu berücksichtigen, wie viele Personen gleichzeitig Zugang zu demselben Werk haben können, sondern auch, wie viele von ihnen nacheinander Zugang zu diesem Werk haben können. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des Gerichtshofs die Anzahl der Personen, die über die Plattform des Leseklubs parallel oder nacheinander Zugang zu demselben Werk haben können, erheblich. Somit ist vorbehaltlich einer Nachprüfung durch das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände das in Rede stehende Werk als öffentlich wiedergegeben anzusehen.

Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass es für eine Einstufung als öffentliche Wiedergabe erforderlich ist, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von den bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht
bereits gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten. Da im vorliegenden Fall die Zugänglichmachung eines E-Books im Allgemeinen mit einer Nutzungslizenz einhergeht, die nur das Lesen des E-Books durch den Benutzer, der das betreffende E-Book mit seinem eigenen Gerät heruntergeladen hat, gestattet, ist davon auszugehen, dass eine Wiedergabe, wie sie von dem Unternehmen Tom Kabinet vorgenommen wird, für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht bereits gedacht hatten, mithin für ein neues Publikum, vorgenommen wird.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Frankfurt: Airbnb - Geldbuße von 6000 EURO wegen Vermietung von Wohnung über Internetplattform als Ferienwohnung ohne Genehmigung

OLG Frankfurt
Beschluss vom 02.08.2019
2 Ss-OWi 438/19

Das OLG Frankfurt hat eine Geldbuße von 6000 EURO wegen Vermietung einer Wohnung über die Internetplattform Airbnb als Ferienwohnung ohne Genehmigung bestätigt. Es liegt ein Verstoß gegen das Hessische Wohnungsaufsichtsgesetz vor.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Geldbußen wegen unerlaubter Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnung rechtskräftig

Die Vermietung einer Wohnung ohne Genehmigung zur Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung - über die Plattform „Airbnb“ - verstößt gegen das Hessische Wohnungsaufsichtsgesetz. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte wegen Verstoßes hiergegen verhängte Geldbußen von i.H.v. € 6.000,00.

Die Betroffene hatte in vier Fällen ihre in Frankfurt am Main gelegene Wohnung über die Plattform „Airbnb“ jeweils über mehrere Tage an Feriengäste zu einem Preis von 125,00 bis 150,00 € pro Nacht vermietet. Sie war nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Genehmigungen. Ihre zuvor mehrfach gestellten Anträge auf Erteilung einer Genehmigung über die Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnung hatte die Stadt Frankfurt am Main zurückgewiesen.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hatte die Betroffene mit Urteil vom 30.11.2018 zur Zahlung von Geldbußen in Höhe von insgesamt € 6.000,00 verurteilt. Durch die Vermietung der Wohnung habe die Betroffene gegen die auf Grundlage des Hessischen Wohnungsaufsichtsgesetzes von der Stadt Frankfurt am Main erlassene Ferienwohnungssatzung verstoßen.

Gemäß dieser Satzung können Bußgelder bis zu € 25.000,00 verhängt werde. Bei der Bemessung der Höhe der Geldbußen ist u.a. zu berücksichtigen, dass die Bußgelder die durch die unrechtmäßige Vermietung erlangten Mieteinnahmen übersteigen.

Das OLG hat die gegen das amtsgerichtliche Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen. Die angefochtene Entscheidung weise keine Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf.
Das amtsgerichtliche Urteil ist damit rechtskräftig.

Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2.8.2019, Az. 2 Ss-OWi 438/19
(vorausgehend Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30.11.2018, Az. 946 OWi 752 Js 52335/18)

Erläuterungen:
§ 12a Hessiches Wohnungsaufsichtsgesetz Ferienwohnungen
(1) 1 Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten können durch Satzung, deren Geltungsdauer fünf Jahre nicht überschreiten darf, bestimmen, dass im Gemeindegebiet oder in Teilen davon Wohnraum nur mit Genehmigung zur
1. wiederholten, nach Tagen oder Wochen bemessenen entgeltlichen Überlassung als Ferienwohnung oder
2. Fremdenbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zimmervermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen, genutzt werden darf.

2 Die Satzung muss Vorgaben enthalten, unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung erteilt wird.

3 Die Satzung kann Ausnahmen von der Genehmigungspflicht zulassen, insbesondere für die kurzzeitige Zwischennutzung der Wohnung bei Abwesenheit der Bewohnerin oder des Bewohners, die kurzzeitige Zwischennutzung eines geringen Teils der selbstgenutzten Wohnung und den Bestandsschutz bereits genehmigter Ferienwohnungen.

(2) Angespannte Wohnungsmärkte liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.

13 [1] Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer
1....
5. Wohnraum ohne eine aufgrund einer Satzung nach § 12a erforderliche Genehmigung zu den dort genannten Zwecken überlässt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden. ...




VGH München: Bilder und Äußerungen auf Facebook-Profil können zum Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis führen

VGH München
Beschluss vom 14.12.2018
21 ZB 16.1678


Der VGH München hat entschieden, dass Bilder und Äußerungen auf Facebook-Profil zum Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis führen.


Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger wendet sich auch dagegen, dass im Urteil sein Profilbild als Abbildung „in kämpferischer Pose beim Abfeuern einer Pistole" beschrieben wird. Er weist darauf hin, dass die Aufnahme auf dem Schießstand während des sportlichen Schießens erstellt worden sei und die fragliche Schießdisziplin vom Bundesverwaltungsamt anerkannt sei. Das lässt unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht das Profilbild im Zusammenhang mit den aggressiven Äußerungen des Klägers bewertet hat. Es hat wesentliche Teile der rechtlichen Gründe des Senatsbeschlusses vom 8. Januar 2016 in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils teilweise wiedergegeben und so seine Auffassung unterstrichen, dass sich zugunsten des Klägers nichts aus dem Hinweis ergebe, mit dem er sein Facebook-Profil eingeleitet habe und dem zufolge seine Beiträge auf Facebook und anderswo als Satire zu verstehen seien. Eine derartige „salvatorische Klausel", so das Verwaltungsgericht im Wege der Bezugnahme, sei schon deshalb nicht geeignet, den konkreten Erklärungsinhalt der Aufrufe zur Bewaffnung herabzuspielen, weil diese keinen erkennbar satirischen Charakter hätten. Das gelte umso mehr, als das Profilbild des Facebook-Auftritts den Kläger in kämpferischer Pose beim Abfeuern einer Pistole zeige (u.a. beidhändiger Anschlag, Mündungsfeuer). Abs. 26
Des Weiteren wird gerügt, das Verwaltungsgericht lege jegliche Äußerung des Klägers in einer nicht mehr vertretbaren Weise zu dessen Lasten aus. Das zeige sich an der Feststellung im angefochtenen Urteil, dass der Kläger mit seinem Vergleich zur Aufrüstung der Bundeswehr gleichsam das staatliche Gewaltmonopol in Frage stelle und sich Befugnisse zur eigenmächtigen Durchsetzung von Rechten anmaße. Abs. 27
Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht den im Klageverfahren gezogenen Vergleich des Klägers mit Politikern, die unter Hinweis auf eine geänderte Einsatz- und Bedrohungslage eine Aufrüstung der Bundeswehr fordern, zutreffend interpretiert hat. Jedenfalls führt der (verharmlosende) Vergleich des Klägers schon deshalb nicht weiter, weil die Äußerungen, die er auf seinem Facebook-Profil öffentlich gemacht hat, nach ihrem Inhalt und Gegenstand keinerlei Zusammenhang mit dem Verteidigungsauftrag der Bundeswehr und einer darauf bezogenen Aufrüstungsdebatte aufweisen. Abs. 28
Der Hinweis des Klägers auf diverse Anzeigen, mit denen für Pfefferspray zur Selbstverteidigung geworben wurde, ist ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zu begründen. Die verfahrensgegenständlichen Äußerungen des Klägers haben ersichtlich einen anderen Charakter als die von ihm im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Werbeanzeigen. Abs. 29
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich schließlich nicht aus dem im Zusammenhang mit der Divergenzrüge formulierte Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht im Ergebnis die Auffassung vertreten, dass das Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung nicht berührt sei. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob die angegriffene behördliche Maßnahme in den Schutzbereich eingreift und zutreffend ausgeführt, die hier anzuwendenden Vorschriften des § 45 WaffG beschränkten in rechtmäßiger Weise das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 2 GG). Sie dienten der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und richteten sich damit weder gegen die Meinungsfreiheit als solche noch gegen eine bestimmte Meinung. Der Behörde sei es deshalb nicht verwehrt, aus Äußerungen des Klägers Rückschlüsse auf seine Zuverlässigkeit im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG zu ziehen.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Mietwagen-App UBER Black und Vermittlung von Mietwagen über die App rechtswidrig - Verstoß gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG

BGH
Urteil vom 13.12.2018
I ZR 3/16
Uber Black II


Der BGH hat entschieden, dass die Mietwagen-App UBER Black und Vermittlung von Mietwagen über die App rechtswidrig ist. Es liegt ein Verstoß gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG vor, der zugleich auch wettbewerbswidrig ist. UBER haftet als Teilnehmerin für die Wettbewerbsverstöße der beteiligten Mietwagenunternehmen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Mietwagen-App "UBER Black" unzulässig

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Vermittlung von Mietwagen über die App "UBER Black" unzulässig ist.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Taxiunternehmer in Berlin. Die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, bot die Applikation "UBER Black" für Smartphones an, über die Mietwagen mit Fahrer bestellt werden konnten. Dabei erhielt der Fahrer, dessen freies Mietfahrzeug sich zum Zeitpunkt des Auftrags am Nächsten zum Fahrgast befand, den Fahrauftrag unmittelbar vom Server der Beklagten. Zeitgleich benachrichtigte die Beklagte das Mietwagenunternehmen per EMail.

Die Beklagte bezeichnete die Fahrzeuge der mit ihr kooperierenden Mietwagenunternehmer als "UBER". Die Preisgestaltung, Abwicklung der Zahlungen und die Werbung erfolgte durch die Beklagte, für die Fahraufträge galten die von ihr gestellten Bedingungen.

Der Kläger hält das Angebot der Beklagten wegen Verstoßes gegen das Rückkehrgebot für Mietwagen (§ 49 Abs. 4 PBefG) für wettbewerbswidrig.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Der Bundesgerichtshof hat zunächst den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung zu der Frage gebeten, ob der Dienst der Beklagten eine nicht unter die unionsrechtlichen Bestimmungen zur Dienstleistungsfreiheit fallende Verkehrsdienstleistung darstellt (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 - I ZR 3/16 - Uber Black I). Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Dezember 2017 zu dem Dienst "UBER Pop" (C-434/15) hat der Bundesgerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen zurückgenommen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Verwendung der beanstandeten Version der App "UBER Black" verstößt gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG. Nach dieser Bestimmung dürfen mit Mietwagen nur Fahraufträge ausgeführt werden, die zuvor am Betriebssitz des Unternehmens eingegangen sind. Dagegen können Fahrgäste den Fahrern von Taxen unmittelbar Fahraufträge erteilen. Die Bedingung, dass Fahraufträge für Mietwagen zunächst am Betriebssitz des Unternehmers eingehen müssen, ist nicht erfüllt, wenn der Fahrer den Fahrauftrag unmittelbar erhält, auch wenn das Unternehmen, das den Mietwagen betreibt, zugleich unterrichtet wird.

In dieser Auslegung ist § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG gegenüber den Mietwagenunternehmen und der Beklagten eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung. Sie ist zum Schutz des Taxiverkehrs gerechtfertigt, für den - anders als für Mietwagenunternehmen - feste Beförderungstarife gelten und ein Kontrahierungszwang besteht.

Unionsrechtliche Bestimmungen stehen einem Verbot von "UBER Black" nicht entgegen. Bedenken gegen ein Verbot könnten sich insoweit allein aus den Regeln der Union zur Dienstleistungsfreiheit ergeben. Diese Bestimmungen finden aber auf Verkehrsdienstleistungen keine Anwendung. Wie in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union am 20. Dezember 2017 entschiedenen Fall "UBER Pop" ist der mittels einer Smartphone-Applikation erbrachte Vermittlungsdienst der Beklagten integraler Bestandteil einer hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung. Die Bedeutung der Leistungen der Beklagten für die Beförderungsleistung hängt nicht davon ab, ob es sich um einen privaten (UBER Pop) oder berufsmäßigen (UBER Black) Fahrer handelt oder ob das für die Fahrt benutzte Fahrzeug Eigentum einer Privatperson (UBER Pop) oder eines Unternehmens (UBER Black) ist.

Für die Wettbewerbsverstöße der mit ihr kooperierenden Mietwagenunternehmer und Fahrer haftet die Beklagte als Teilnehmerin.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 9. Februar 2015 - 101 O 125/14, GRUR-RR 2015, 350

KG - Urteil vom 11. Dezember 2015 - 5 U 31/15, GRUR-RR 2016, 84

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 49 Abs. 4 PBefG lautet:

1Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen […] sind. 2Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. 3Nach Ausführung des Beförderungsauftrages hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. […] 5Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. […]




Volltext BGH-Vorlagebeschluss an EuGH zur Zulässigkeit und Einordnung der Mietwagen-App UBER Black liegt vor

BGH
Beschluss vom 18.05.2017
I ZR 3/16
Uber Black
AEUV Art. 58 Abs. 1; Richtlinie 2006/123/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. d, Art. 16 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH Frage vor ob UBER Mietwagen-App UBER Black eine Verkehrsdienstleistung ist und so gegen das PBerfG verstößt über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 58 Abs. 1 AEUV und der Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erbringt ein Unternehmen, das in Kooperation mit zur Personenbeförderung zugelassenen Mietwagenunternehmen eine Smartphone-Applikation bereitstellt, über die Nutzer Mietwagen mit Fahrern bestellen können, selbst eine Verkehrsdienstleistung im Sinne von Art. 58 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123/EG, wenn die Organisationsleistungen dieses Unternehmens eng mit der Beförderungsleistung verbunden sind, insbesondere wenn es

- die Preisgestaltung, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Beförderungsbedingungen für die Fahraufträge bestimmt

und

- für die von ihm vermittelten Fahrzeuge unter seiner Unternehmensbezeichnung sowie mit
einheitlichen Rabattaktionen wirbt?

Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage 1 verneinen sollte:

2. Kann es aufgrund des Ziels, die Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs zu erhalten, unter dem Aspekt des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG bei den gegenwärtigen Verkehrsverhältnissen gerechtfertigt sein, eine Dienstleistung der im Streitfall in Rede stehenden Art zu untersagen?

BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 - I ZR 3/16 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: