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OLG Stuttgart: SWR darf NEWSZONE-App jedenfalls vorerst weiter verbreiten - Prozesshindernis durch Schlichtungszwang in Schlichtungsvereinbarung

OLG Stuttgart
Urteil vom 28.06.2023
4 U 31/23


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass der SWR seine NEWSZONE-App jedenfalls vorerst weiter verbreiten darf, da ein Prozesshindernis durch einen Schlichtungszwang in der zwischen den Parteien geschlossenen Schlichtungsvereinbarung besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
OLG Stuttgart hebt einstweilige Verfügung zum Verbreitungsverbot der NEWSZONE-App auf

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit seinem heutigen Urteil in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, mit der die Verbreitung des Telemedien-App-Angebots „NEWSZONE“ untersagt worden war.

In dem Verfahren wenden sich mehrere Verlagsunternehmen für Presseerzeugnisse und ein Online-Portal gegen das Angebot der App NEWSZONE, mit der auf Smartphones und anderen onlinefähigen Mobilgeräten abgestimmte Nachrichteninhalte aus einem von der Beklagten – einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt – betriebenen Internetauftritt abgerufen werden konnten. Die Klägerinnen rügen, dass die App NEWSZONE ein eigenständiges und nicht nach § 32 MStV genehmigtes Telemedienangebot der Beklagten darstelle; darüber hinaus sei die App hinsichtlich ihrer nichtsendungsbezogenen Inhalte presseähnlich und greife daher in wettbewerbswidriger Weise in den ihnen als Presseorgane vorbehaltenen Bereich ein.

Das Landgericht Stuttgart hatte mit Urteil vom 21.10.2022 dem Verfügungsantrag der Klägerinnen zur Unterlassung der beanstandeten Verbreitung des Telemedien-App-Angebots NEWSZONE stattgegeben. Hiergegen wehrt sich die Beklagte mit ihrer Berufung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Sie stellt die Genehmigungsbedürftigkeit und die Presseähnlichkeit ihres Angebots in Abrede. In erster Linie stützt sie sich jedoch darauf, dass vor Durchführung eines Gerichtsverfahrens ein Schlichtungsverfahren gemäß § 30 Abs. 7 S. 6 MStV hätte durchgeführt werden müssen, nachdem von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eine Schlichtungsstelle eingerichtet und zwischen dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der ARD eine entsprechende Schlichtungsvereinbarung geschlossen worden ist.

Der 4. Zivilsenat schloss sich dieser Auffassung der Beklagten nun an, hob die vom Landgericht Stuttgart erlassene einstweilige Verfügung wieder auf und wies das Begehren der Klägerinnen als derzeit unzulässig zurück.

Anders als zuvor das Landgericht erkennt der Senat im Fehlen eines vorab durchgeführten Schlichtungsverfahrens ein Prozesshindernis, das der Zulässigkeit des Verfügungsantrags zur Unterlassung der beanstandeten Verbreitung des Telemedien-App-Angebots NEWSZONE entgegensteht. Jedenfalls nach der – hier unstreitig erfolgten – Einrichtung einer Schlichtungsstelle und dem Abschluss einer entsprechenden Schlichtungsvereinbarung bestehe ein Schlichtungszwang. Neben dem sachlichen sei auch der persönliche Anwendungsbereich der Schlichtungsvereinbarung eröffnet. Alle Klägerinnen seien entweder über eine gestufte Mitgliedschaft im BDZV oder wegen gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen an die Schlichtungsvereinbarung gebunden, die Beklagte als eine der ARD zugehörige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Die Anrufung der staatlichen Gerichte sei so lange ausgeschlossen, bis die vertraglich bestimmte Schlichtungsstelle den Versuch unternommen habe, zwischen den Parteien eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen.

Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig.

Aktenzeichen:
LG Stuttgart - 53 O 177/22 - Urteil vom 21.10.2022
OLG Stuttgart - 4 U 31/23 - Urteil vom 28.06.2023



BKartA: Deutsche Bahn AG missbraucht Marktmacht gegenüber Mobilitätsplattformen von Drittanbietern

Das Bundeskartellamt ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Deutsche Bahn AG ihre Marktmacht gegenüber Mobilitätsplattformen von Drittanbietern missbraucht:

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Offene Märkte für digitale Mobilitätsdienstleistungen – Deutsche Bahn muss Wettbewerbsbeschränkungen abstellen

Nach einer Entscheidung des Bundeskartellamtes vom 26. Juni 2023 verstößt die Deutsche Bahn AG gegen das Kartellrecht, da der Konzern seine Marktmacht gegenüber Mobilitätsplattformen missbraucht. Das Bundeskartellamt hat der Deutschen Bahn (DB) aufgegeben, bestimmte Verhaltensweisen und Vertragsklauseln zu ändern.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Der vom Netzbetrieb bis zum Fahrkartenvertrieb vertikal integrierte Staatskonzern Deutsche Bahn ist das in Deutschland mit weitem Abstand marktbeherrschende Verkehrsunternehmen im Schienenpersonenverkehr. Die Dienstleistungen von Mobilitätsplattformen, Reisenden eine integrierte Routenplanung zu ermöglichen, sind ohne die Einbindung der Angebote und der Verkehrsdaten der Deutschen Bahn nicht denkbar. Daher unterfällt die Deutsche Bahn der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und hat besondere Pflichten gegenüber anderen Unternehmen. Konkret geht es um die Weitergabe von Daten, Werbeverbote, vertikale Preisvorgaben, weitreichende Rabattverbote und das Vorenthalten verschiedener Provisionen für die Drittplattformen. Ohne eine wirksame kartellrechtliche Durchsetzung können die Geschäftsmodelle von Mobilitätsplattformen nicht im Wettbewerb zur Deutschen Bahn funktionieren.“

Mobilitätsplattformen bieten ihren Kunden vergleichende Informationen für Reiserouten mit verschiedenen Verkehrsmitteln und verkehrsträgerübergreifend sowie die Buchung entsprechender Tickets und Fahrkarten an. Hierfür spielen die Eisenbahn und die Verkehrsleistungen der DB eine wichtige Rolle. So vermitteln die Plattformen etwa die Kombination von Bahntickets mit Flügen, Carsharing, Fernbus oder Mietfahrrädern.

Die DB ist einerseits das marktbeherrschende Schienenverkehrsunternehmen und andererseits selbst eine marktstarke Mobilitätsplattform mit ihrem Portal „bahn.de“ und mit ihrer App „DB Navigator“. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes nutzt die DB ihre Schlüsselstellung auf den Verkehrs- und Infrastrukturmärkten, um den von dritten Mobilitätsplattformen ausgehenden Wettbewerb einzuschränken. Wettbewerbswidrige Vertragsklauseln der DB sind aus Sicht des Amtes Werbeverbote, vertikale Preisvorgaben, weitreichende Rabattverbote sowie die Vorenthaltung einer Inkassoprovision. Nach der zwischenzeitlichen Ankündigung der DB, Mobilitätsplattformen auch keine Provision für die Vermittlung von DB-Fahrkarten mehr zahlen zu wollen, stand im Verfahren zudem die Pflicht zur Zahlung einer solchen Provision nach kartellrechtlichen Entgeltmaßstäben in Rede.

Zum anderen verweigert die DB den Mobilitätsplattformen den fortlaufenden und diskriminierungsfreien Zugang zu allen von der DB kontrollierten Verkehrsdaten in Echtzeit, die für die Organisation und Buchung von Reisen mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln unerlässlich sind (sog. Prognosedaten). Dies betrifft Verspätungsdaten des Schienenpersonenverkehrs ebenso wie Zugausfälle oder ausgefallene bzw. zusätzliche Halte, die Gründe für Verspätungen oder Ausfälle, zusätzliche Fahrten oder Ersatzverkehre, aktuelle Gleisangaben oder Gleiswechsel und Daten zu Großstörungsereignissen.

Zwar ist die DB durch die seit dem 7. Juni 2023 geltende neue EU-Fahrgastrechteverordnung verpflichtet, Prognosedaten für die Information der Reisenden zu teilen. Nach der Auffassung des Bundeskartellamtes reicht das für die Abstellung des kartellrechtlichen Verstoßes aber nicht aus. Die EU-Fahrgastrechteverordnung erfasst nicht alle erforderlichen Prognosedaten und lässt wichtige Aspekte der kommerziellen und technischen Umsetzung regelungsbedürftig.

Andreas Mundt: „Eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung ist nach langen Verhandlungen vor allem an einzelnen kommerziellen Bedingungen gescheitert. Deshalb bedarf es einer behördlichen Anordnung, um mögliche Praktiken der Bevorzugung der eigenen Angebote oder nachteilige Konditionen für den Zugang zu Prognosedaten durch die marktbeherrschende Deutsche Bahn für die Zukunft zu verhindern. Außerdem hat die Deutsche Bahn eine Reihe von Vertragsklauseln zu ändern, mit denen die Mobilitätsplattformen als Online-Partner behindert werden können. Wir wollen verhindern, dass die Deutsche Bahn mit ihren eigenen unternehmerischen Interessen ihre Dominanz im Schienenpersonenverkehr auch auf zukunftsweisende Mobilitätsmärkte ausweitet und innovative Mobilitätsanbieter ausgebremst werden.“

Das Bundeskartellamt hat der DB unter anderem folgende Maßnahmen auferlegt:

- Die Mobilitätsplattformen können zukünftig ohne vertragliche Beschränkungen seitens der DB auch unter Verwendung DB-spezifischer Begriffe von den Möglichkeiten der Online- und App-Store- Werbung Gebrauch machen.

- Online-Partner der DB können zukünftig beim Verkauf von Bahn-Tickets eigene Rabattaktionen, Bonuspunkt- oder Cashback-Programme einsetzen. Hierdurch wird eine Ungleichbehandlung mit der DB selbst, die ihrerseits ihre eigenen Angebote mit diesen Mitteln bewirbt, beendet. Einzelne gezielte Rabattaktionen, die der DB zusätzliche Risiken im Hinblick auf die Steuerung der Auslastung ihrer Züge auferlegen, sind davon ausgenommen.

- Die DB hat Mobilitätsdienstleistern, die für sie beim Fahrkartenvertrieb die Buchungs- und Zahlungsabwicklung übernehmen, zukünftig ein an kartellrechtlichen Mindeststandards orientiertes Leistungsentgelt zu zahlen. Das Gleiche gilt für die Vermittlungsprovision selbst. Die genaue Höhe der Provisionen bleibt den Verhandlungen zwischen der DB und ihren Vertragspartnern vorbehalten; sie war nicht Gegenstand des Verfahrens.

- Die Regelungen in der neuen EU-Fahrgastrechteverordnung zur Bereitstellung von Prognosedaten werden ergänzt, die Umsetzung insbesondere der kommerziellen und technischen Konditionen durch Vorgaben näher geregelt und ein Zugang auch für Drittdaten eröffnet. Der Datenzugang Dritter muss diskriminierungsfrei und mit dem Datenzugang der DB selbst vergleichbar sein.

Die Abstellungsverfügung hat insgesamt einen in die Zukunft gerichteten Regelungscharakter, um einen Wettbewerb um smarte Mobilitätsdienstleistungen noch stärker als bisher in Gang zu setzen. Die Vereinbarung der vertraglichen Einzelheiten und die konkrete Vertragsausgestaltung überlässt das Bundeskartellamt mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsrechte von Unternehmen den Vertragspartnern selbst. Für die Verhandlungen sind Fristen vorgesehen.

Die Auswirkungen der jetzt abzustellenden Wettbewerbsbeschränkungen berühren auch die Interessen anderer Verkehrsunternehmen, die ebenfalls auf den Mobilitätsplattformen der Online-Partner der DB zu finden sind. Gerade für die in Deutschland deutlich kleineren und weniger bekannten Eisenbahnunternehmen können Mobilitätsplattformen ein wichtiger Kanal sein, um ihre Reichweite zu erhöhen und Nachfrager für ihre Verkehrsdienstleistungen zu gewinnen.

Die Entscheidung des Bundeskartellamtes ist noch nicht bestandskräftig. Die DB hat die Möglichkeit innerhalb eines Monats Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen, über die dann das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden würde.

Zur Entscheidung im Bahn-Verfahren hat das Bundeskartellamt ausführliche FAQ veröffentlicht.


BGH legt EuGH vor: Wann liegt das Tatbestandsmerkmal "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO vor

BGH
Beschluss vom 10.11.2022 - I ZR 186/17
App-Zentrum II
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 80 Abs. 2; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3; UKlaG §§ 1, 2 Abs. 2 Satz 1
Nr. 11, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, wann das Tatbestandsmerkmal "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO vorliegt.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Wird eine Rechtsverletzung "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien ?

BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - I ZR 186/17 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



AG München: Kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO gegen Anbieter von Treuepunktesystem für Punkteverlust mangels Substantiierung der Kausalität

AG München
Urteil vom 03.08.2022
211 C 578/22

Das AG München hat in diesem Fall einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO gegen den Anbieter eines Treuepunktesystems für Punkteverlust mangels Substantiierung der Kausalität einer behaupteten unzureichenden Zugangssicherung abgelehnt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von immateriellem Schadensersatz in Höhe von 4.500,00 € aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 DSGVO.

Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter.

Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Beklagte gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen hat. Der Kläger trägt nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungsund Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen (mwN Paulus in: BeckOK, Datenschutzrecht, 37. Ed., Art. 82 DSGVO, Rn. 51; LG München I, Urt. v. 9.12.2021 – 31 O 16606/20; zu weitgehend LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.02.2021 - 17 Sa 37/20, Rz. 99, die dort angeführte Rechenschaftspflicht bezieht sich auf eine Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde). Aus Art. 82 Abs. 3 DSGVO ergibt sich lediglich hinsichtlich des Verschuldens eine Beweislastumkehr. Damit trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines Verstoßes der Beklagten gegen die Datenschutzgrundverordnung und eines daraus kausal entstandenen Schadens.

b) Der Kläger behauptet, dass die Beklagte die gemäß § 32 Abs. 1 DSGVO erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich des Zugangs des Klägers zu dem Kundenkonto nicht getroffen habe.

Der Kläger macht geltend, dass eine Zwei-Faktor-Authentifizierung Stand der Technik gewesen sei. Er bezieht sich in der Klageschrift zunächst darauf, dass es sich bei dem Kundenkonto um E-Geld handeln würde. Das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten (Anlage K13 zum Schriftsatz vom 08.06.2022) stellt hinsichtlich der Zwei-Faktor-Authentifizierung ebenfalls auf das Vorliegen eines E-Geld-Kontos ab. Die Beklagte ist jedoch kein Zahlungsdienstleister. Der Kläger hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Zwei-Faktor-Authentifizierung auch bei bloßen Kundenbindungsprogrammen Stand der Technik ist und die vorliegende Authentifizierung beim Programm der Beklagten diesen nicht erfüllt. Danach sind zwar die einzelnen zum Kunden-Login erforderlichen Informationen teilweise nicht geheim, sondern gegenüber einzelnen Vertragspartnern anzugeben oder im näheren Umfeld des Kunden bekannt. Für die Kombination der verschiedenen Merkmale beim Login wurde dies aber nicht vorgetragen. Auch hat die Beklagte ein dokumentiertes Informationssicherheits- Managementsystem im Unternehmen umgesetzt und unterliegt einer regelmäßigen Auditierung durch unabhängige Dritte. Dies erfolgt am ISO-Standard 27001 und den Sicherheitslinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Zudem hat die Beklagte ein sogenanntes Security Information and Event Management zur Überwachung implementiert. Ein Verstoß hiergegen wurde seitens des Klägers nicht vorgetragen. Darüber hinaus ist der Stand der Technik nur ein Gesichtspunkt in der von § 32 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO vorgeschrieben Abwägung. Danach sind unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Umstände für die Gesamtabwägung aller genannten Faktoren, die danach gegen ein angemessenes Schutzniveau sprechen, werden von dem Kläger nicht vorgetragen. Ein Verstoß gegen Art. 32 DSGVO liegt danach nicht vor. Aus Art. 32 DSGVO folgt kein Anspruch auf eine Zwei-Faktor-Authentifizierung im vorliegenden Fall.

c) Der Kläger macht insbesondere geltend, dass die von der Beklagten vorgegebenen Regelungen zum Passwort unzureichend seien und nicht dem Stand der Technik entsprechen würden. Die Einlog-Modalitäten sehen vor, dass Kunden sich mit der Eingabe der Kartennummer in Verbindung mit der Angabe des Geburtsdatums und der Postleitzahl in das Kundenkonto einloggen können oder mit der Eingabe der Kartennummer und einer vierstelligen PIN, die aus einer vierstelligen Zahlenkombination besteht. Der Kläger führt aus, dass als Stand der Technik eine Mindestlänge von 10 Zeichen anzusehen sei und eine Einschränkung der verwendbaren Zeichen nicht zum Stand der Technik gehöre. Insoweit übersieht die Argumentation, dass darüber hinaus auch die Kartennummer als zusätzliche Anforderung erforderlich ist.

Ein etwaiger Verstoß der Beklagten gegen Art. 32 DSGVO – wie hier nicht – wäre jedenfalls auch nicht kausal für den behaupteten Punkteklau. Nach Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung (S. 9 f.) ist es technisch zwingend notwendig für die Einlösung der [...] Punkte in einen Warengutschein für [...] die [...] App zu nutzen und diese mit dem [...] Konto zu verbinden. Eine Möglichkeit [...] Gutscheine im Prämienshop der Beklagten mit Punkten zu erwerben besteht nicht (Anlage B6 zum Schriftsatz vom 23.06.2022). Auf diese [...] App hat die Beklagte keinen Einfluss. Inwieweit durch die Verknüpfung des Programms der Beklagten mit der App ein Verstoß gegen Art. 32 DSGVO vorliegen soll, hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Es liegt damit kein Verstoß der Beklagten gegen Art. 32 DSGVO vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: 3.100 Euro Lizenzschadensersatz aus §§ 97 Abs. 2, 69a UrhG UrhG für Verwendung von verschiedenen Rechnern zur Umrechnung von Einheiten auf Website

OLG Köln
Urteil vom 29.04.2022
6 U 243/18


Das OLG Köln hat entschieden, dass dem Urheber, 3.100 Euro Lizenzschadensersatz aus §§ 97 Abs. 2, 69a UrhG UrhG für die Verwendung von verschiedenen Rechnern zur Umrechnung von Einheiten auf einer Website zusteht. Diese sind als Computerprogramme nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 69a UrhG urheberrechtlich geschützt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3.100,00 € Lizenzschadensersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG. Danach kann derjenige, der das Urheberrecht widerrechtlich und schuldhaft verletzt, von dem Verletzten auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

a. Bei den 120 E-Rechnern handelt es sich um Computerprogramme, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 69a UrhG Urheberrechtsschutz genießen können. Die Rechner bestehen jeweils aus einem in der Programmiersprache E geschriebenen Text, der eine Folge von Steuerbefehlen beinhaltet, und einer über HTML erstellten Benutzeroberfläche. Jedenfalls die E-Texte sind Computerprogramme i.S.d. § 69a Abs. 1 UrhG. Bei allen Rechnern erfolgt über die Skripte die Eingabe von Daten, deren Bearbeitung und die entsprechende Ausgabe von Daten. Sie erfüllen damit die Voraussetzungen an ein Computerprogramm (in Abgrenzung zur sonstigen Software, vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhR, 5. Aufl., § 69a Rn. 3). Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die über HTML erstellten Benutzeroberflächen als solche ebenfalls Computerprogramme i.S.d. §§ 69a ff. UrhG sind, kann dahinstehen. Sie ist nicht entscheidungserheblich.

b. Die Ausführungen des Landgerichts zur Aktivlegitimation sind berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der jetzige Kläger, Rechtsnachfolger der ursprünglichen Klägerin, der zwischenzeitlich erloschenen Internetservice A & B GbR, hat ausgehend auch vom Vortrag des Beklagten bereits im Juni 2004 zahlreiche der streitbefangenen Rechner programmiert und zur Lizensierung angeboten. Die Rechner sind nach den Ausführungen in der Stellungnahme F / G, die der Beklagte sich als Sachvortrag zu Eigen gemacht hat, nach immer demselben allgemeingültigen Baukastenprinzip aufgebaut (wobei der Senat abweichend vom Landgericht nicht davon ausgeht, dass der Kläger – was er auch selbst nicht behauptet – für die 120 verschiedenen Rechner ein mit minimalen Änderungen anpassbares „Urskript“ geschaffen hat) und weisen mithin erkennbar eine eigene Handschrift auf. Insoweit spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Kläger alle streitbefangenen Rechner programmiert hat. Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Dass vor Juni 2004 identische Computerprogramme Verwendung gefunden haben, hat der Beklagte nicht schlüssig dargetan. Er hat auch nichts Nachvollziehbares dazu vorgetragen, dass nach Juni 2004 identische Rechner verwendet worden sind, bei denen es sich nicht um Kopien der Rechner des Klägers handelt. Der Kläger bzw. die frühere Klägerin sind nach ihrem unbestrittenen Vortrag gegen die ihr im vorliegenden Verfahren zur Kenntnis gebrachten Rechner-Nutzungen erfolgreich vorgegangen. Der Beklagte hat keine Webseite eines Dritten angeführt, auf der einer der streitgegenständlichen Rechner noch zu finden sein soll. Eines konkreten Vortrags des Klägers dazu, wann er welchen Rechner programmiert hat, bedarf es nicht.

Dass der Kläger die Nutzungs- und Verwertungsrechte ursprünglich auf die GbR übertragen hatte, ergibt sich aus seiner Beteiligung im vorliegenden Verfahren von Anfang an.

c. Für 31 der insgesamt 120 streitbefangenen Rechnern kann auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens festgestellt werden, dass eine nach dem Urheberrecht schutzfähige Programmierleistung vorliegt, weil eine Verfahrensweise verwendet wird, die über eine routinemäßige Lösung der jeweiligen Aufgabe hinausgehen. Für die übrigen Rechner hätte es zur Feststellung der Schutzfähigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurft. Der Kläger ist insoweit beweisfällig geblieben.

Gemäß § 69a Abs. 3 UrhG werden Computerprogramme geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden. § 69a UrhG gewährt damit Schutz nach den Grundsätzen der sog. kleinen Münze; eine besondere Schöpfungs- bzw. Gestaltungshöhe ist - wie sich aus dem Verbot qualitativer Kriterien ergibt - gerade nicht erforderlich (abweichend von der früheren Rechtsprechung des BGH [z.B. GRUR 1985, 1041 - Inkasso-Programm]).

Darlegungs- und beweisbelastet für die erforderliche Schöpfungshöhe ist der Kläger, auch wenn an die Werkqualität nur geringe Anforderung zu stellen sind und der Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen die Regel ist. Eine gesetzliche Vermutung greift dennoch nicht, s. BT-Dr. 12/4022, Seite 9, zu § 69a Abs. 3 UrhG:

„Absatz 3 Satz 1 und 2 entspricht Artikel 1 Abs. 3 der Richtlinie i. V. m. dem 8. Erwägungsgrund.

Artikel 1 Abs. 3 der Richtlinie beinhaltet eine EG-weite Harmonisierung der Anforderungen an die Schöpfungshöhe von Computerprogrammen auf einem einheitlichen Niveau. Es soll verhindert werden, daß ein Programm in einem Mitgliedstaat urheberrechtlichen Schutz genießt, in einem anderen hingegen wegen höherer Anforderungen an die Schöpfungshöhe nicht. Die Bestimmungen der EG-Richtlinie führen dazu, daß Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen die Regel und fehlende Schöpfungshöhe die Ausnahme ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der „Inkassoprogramm"- und der „Betriebssystem" -Entscheidung steht nicht in Einklang mit der Richtlinie. Diese erfordert auch den Schutz der einfachen persönlichen Schöpfung, der sog. „kleinen Münze".

Dieser Entwurf sieht keine gesetzliche Vermutung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Computerprogrammen vor. Entsprechende Forderungen zur Verminderung der Darlegungs- und Beweislast der eine Urheberrechtsverletzung geltend machenden Prozeßpartei sind zwar im Zuge der Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens erhoben worden.

Eine solche Vermutung wäre aber der Systematik des Schutzes des geistigen Eigentums fremd. Das Urheberrecht entsteht mit der Schöpfung des Werkes. Es ist nicht an die Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten oder an behördliche Akte gebunden, wie z. B. die Patenterteilung (§ 1 PatG), Anmeldung und Eintragung von Warenzeichen (§§ 1 ff. WZG) und Geschmacksmustern (§§ 7 ff. Geschmacksmustergesetz). An solche behördlichen Akte können Vermutungswirkungen für den Rechtsverkehr geknüpft werden. Diese Systematik würde verlassen, wenn schon an den internen Akt der Schöpfung des Werkes gesetzliche Vermutungswirkungen angeknüpft würden.

Die unbestrittene Notwendigkeit, Computerprogrammen effektiven Rechtsschutz zu gewähren, erfordert nicht, diese grundsätzlichen systematischen Bedenken zurückzustellen. Der bisher gewährte Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen hat sich wegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Schöpfungshöhe als ineffektiv erwiesen. Für diese Rechtsprechung ist, wie ausgeführt, unter der Geltung des § 69a Abs. 3 kein Raum mehr. Es ist zu erwarten, daß sich die unterschiedlichen nationalen Anforderungen an die Schöpfungshöhe vereinheitlichen werden und so das spezifisch deutsche Problem der Darlegung und des Nachweises von Werkqualität gelöst wird.

Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, in praxisgerechter Weise dem Umstand, daß Urheberrechtsschutz für Computerprogramme nunmehr die Regel ist, bei der Beurteilung der Frage Rechnung zu tragen, welche Anforderungen an die Darlegungslast zur Schöpfungshöhe zu stellen sind. Der Kläger wird darzulegen haben, daß sein Programm nicht lediglich das Werk eines anderen nachahmt, daß es eine eigene geistige Schöpfung ist. Nur wenn ernsthafte Anhaltspunkte bestehen, daß ein Programm sehr einfach strukturiert ist, sollte eine nähere Darlegung des Inhaltes des Programms verlangt werden. Nötig sind Erleichterungen der Darlegungslast, die eine globale, pauschale Beschreibung des Umstandes ermöglichen, daß ein Programm nicht völlig banal und zumindest als „kleine Münze" geschützt ist. Die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung oder die Grenzbeschlagnahme (§ 111 a UrhG) darf nicht durch zu hohe Anforderungen an die Darlegung der Werkqualität eines Computerprogramms erschwert werden, mit der Folge, daß diese Verfahrensweisen praktisch kaum handhabbar wären.“

Die Ausführungen des Klägers zu den einzelnen - ersichtlich einfachen - Rechnern genügen der relativen geringen Darlegungslast. Der Kläger hat hinreichende Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Werkqualität dargetan. Für jeden Rechner hätte bezüglich der vorgetragenen Besonderheiten die Individualität der dahinterstehenden Programmierleitung geprüft werden können. Einfluss auf die Beweislast hat das Vorbringen des Klägers nicht. Darauf, dass bei Programmen von nicht unerheblichem Umfang der Beweis des ersten Anscheins für die Schutzfähigkeit sprechen mag (s. Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69a Rn. 29), kann sich der Kläger nicht berufen. Die Voraussetzungen für eine solche tatsächliche Vermutung liegen hier nicht vor. Dass die Rechner tatsächlich auf umfangreichen Programmen beruhen, ist weder vom Kläger nachvollziehbar dargetan noch sonst ersichtlich. Nach der Aktenlage handelt es sich vielmehr um kurze Codes.

Ob die jeweiligen Programme nicht nur völlig banal, sondern zumindest als „kleine Münze" geschützt sind, richtet sich nach der jeweiligen technischen Umsetzung der durch die jeweilige Idee vorgegebenen Aufgabe. Durch das Urheberrecht nicht geschützt ist, was sich aus der Natur der Aufgabe und aus rein funktionalen Erwägungen ergibt (Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69a Rn. 27; Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhR, 5. Aufl., § 69a Rn. 35 ff.).

Ohne fachkundige Hilfe kann eine eigene geistige Schöpfung des Klägers bzw. eine individuelle Programmierungsleistung nur bezüglich der Programmierung eines „funktionslosen“ Eingabeknopfs festgestellt werden. Darüber hinaus bleibt für den Senat unklar, ob die Konzeption der Computerprogramme Eigentümlichkeiten aufweisen, die nicht nur trivial oder völlig banal und von der Sachlogik her vorgegeben sind. Dies gilt auch für die vom Kläger angeführte „Fehlererkennung nicht gerundeter Daten“. Bei einem Taschenrechner, der lediglich das Ergebnis in besonderer Weise ausgibt, oder bei Rechnern, die schlichte Umrechnungen vornehmen, sprechen die äußeren Umstände dafür, dass bei der Programmierung auf banale, allgemein bekannte Routinen zurückgegriffen worden ist. Die Idee der Ausgabe des Rechenergebnisses z.B. als Zahlwort ist ebenso wenig urheberrechtsschutzfähig, wie z.B. die Wahl und Zusammensetzung der verschiedenen Variablen/Werte für die Umrechnungs-Rechner oder die Auswahlentscheidung betreffend den Inhalt der Rechner auf dem Gebiet der Wirtschaftsmathematik.

Als individuelle Programmierleistung kann dagegen die Berechnen-Knopf-Attrappe bewertet werden, die nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers in insgesamt 31 Rechnern (Nrn. 14, 16-30, 32-39, 41-44, 126, 130, 133) vorkommt. Der Knopf ist ohne Funktion. Er hat den Sinn, dass durch Klick auf ihn das Feld, in dem vorher die Eingabe erfolgte, verlassen und das assoziierte onchange-Ereignis ausgelöst wird. Das onchange wird je nach geändertem Feld unterschiedlich ausgelöst und merkt sich, welcher Wert als Berechnungsgrundlage heranzuziehen ist, wohingegen die Knopf-Attrappe dem Benutzer ermöglicht, den Rechner intuitiv zu verwenden. Die Berechnung würde auch durch einen Klick auf eine beliebige Stelle außerhalb des entsprechenden Eingabefeldes ausgelöst. Die Programmierung einer für die Lösung der jeweiligen Berechnungs-Aufgabe nicht erforderlichen Ergänzung, allein zur Verbesserung der intuitiven Bedienung der Rechner, geht über die rein sachbedingten Vorgaben hinaus. Dass der Eingabeknopf tatsächlich funktionslos ist, war in erster Instanz unstreitig. Hiervon ist auch im Berufungsverfahren weiter auszugehen. Der Beklagte hat den Vortrag des Klägers zwar nunmehr mit Nichtwissen bestritten, da er die Rechner des Klägers jedoch kopiert und selbst verwendet hat, ist sein Bestreiten unzulässig. Er hätte sich zur Funktion des Eingabeknopfes konkret erklären können.

d. Die Passivlegitimation folgt bereits daraus, dass nach den bindenden Feststellungen im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung der Beklagte die streitgegenständlichen Rechner von der Webseite der Internetservice A & B GbR kopiert und insoweit in das Vervielfältigungsrecht, § 69c Nr. 1 UrhG, eingegriffen hat (zum Erstellen von Kopien als Verletzungshandlung s. Dreier in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69a Rn. 7). Eine weitere Verletzungshandlung liegt darin, dass er die Rechner - wenn auch in veränderter Form - auf seine Webseite eingestellt und damit öffentlich zugänglich gemacht hat, § 69a Nr. 4 UrhG. Dass es sich bei den Rechnern um freie Bearbeitungen (s. § 24 UrhG a.F., § 23 UrhG) handelt, ist weder vom Beklagten schlüssig dargetan noch sonst ersichtlich. Gegen die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts wendet sich der Beklagte mit der Berufung nicht.

e. Die Verwendung der Rechner erfolgte ohne Zustimmung der Klägerin und mithin rechtswidrig. Der Beklagte hat auch schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig gehandelt.

f. Die Höhe des Lizenzschadens kann gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG auf der Grundlage des Betrages errechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Fehlt es - wie hier - an einer konkreten Bezugsgröße, ist eine Schätzung nach § 287 ZPO zulässig. Die Klägerseite vermarktet die Rechner nicht durch Lizensierung, sondern durch die Anbindung von Werbung. Das Vorbringen ist auch bezüglich der Entstehung eines Lizenzschadens nicht in sich widersprüchlich.

Der vom Landgericht in Ansatz gebrachte Lizenzbetrag von 100,00 € pro Rechner ist nicht zu beanstanden. Es steht zu vermuten, dass die Parteien einen entsprechenden Betrag vereinbart hätten. Der Beklagte hat die Rechner rd. drei Jahre lang verwendet. Er hat sie als eigene Programmierung ausgegeben (©-Vermerk) und durch Weitergabe an Dritte vermarktet oder jedenfalls zu vermarkten versucht. So hat es die Rechner nach dem unwidersprochenen Tatsachenvortrag der Klägerseite auf seiner Webseite mit der Aussage „Besteht Interesse an einem oder mehreren E Rechnern oder Spiele für ihre Webseite?“ angeboten und beworben. Dies belegt, dass die Rechner auch aus Sicht des Beklagten einen nicht ganz unerheblichen wirtschaftlichen Wert hatten. In jedem Fall vermindert sich der Werbewert der Rechner der Klägerseite durch ein identisches Zweitangebot.

Der Betrag von 100,00 € pro Rechner für eine mehrjährige online-Nutzung steht wertungsmäßig auch in Einklang mit dem Lizenzangebot des Klägers aus dem Jahr 2004 (500,00 € für 29 Rechner in einer auf eine Firma begrenzten Offline-Version).

Für die 31 urheberrechtsschutzfähigen Rechner errechnet sich mithin ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 3.100,00 €.

Ein „Mengenrabatt“ kommt aufgrund der moderaten Summe von 100,00 € pro Rechner nicht in Betracht, unabhängig davon, ob die Programmierung einzelne Rechner im Hinblick auf die mögliche Verwendung bereits vorhandener Skripte einen geringeren Zeitaufwand erfordert hat.

3. Der Anspruch auf Freistellung von Abmahnkosten folgt aus § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG. Er ist in Höhe eines Betrages von 791,84 € begründet.

In der Abmahnung vom 28.04.2016 hat der Kläger Unterlassungsansprüche für 123 Rechner im Wert von insgesamt 245.000 € (123 Rechner x 2.000,00 € / Rechner) geltend gemacht sowie einen Lizenzschaden von 91.600,00 €. Ausgehend von einem Gesamtstreitwert von 337.600,00 € sowie einer 1,3 Geschäftsgebühr hat der Kläger Kosten in Höhe von 3.396,90 € errechnet und zuzüglich der 20,00 € Kostenpauschale sowie 19 % Umsatzsteuer einen Rechnungsbetrag von 4.066,11 € in Ansatz gebracht. Dass ein Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch von 2.000 € je Rechner angemessen ist, wird mit der Berufung nicht in Abrede gestellt.

Berechtigt war die Abmahnung für Unterlassungsansprüche im Wert von (31 x 2.000,00 €) 62.000,00 € und einen Lizenzschadensersatz von 3.100,00 €, insgesamt mithin 65.100,00 €, d.h. 19 % bezogen auf den Gesamtstreitwert der Abmahnung von 337.600,00 €. Der Beklagte hat folglich 19 % der vom Kläger geltend gemachten Kosten von 3.396,90 € zu tragen, d.h. 645,41 €, so dass sich zuzüglich der Pauschale von 20,00 € und 19 % Umsatzsteuer ein Betrag von 791,84 € errechnet, von dem der Beklagte den Kläger freistellen muss.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 9 HWG durch Werbung für digitalen Arztbesuch per App wenn nach fachlichen Standards persönlicher Kontakt erforderlich

BGH
Urteil vom 09.12.2021
I ZR 146/20
Werbung für Fernbehandlung
UWG §§ 3a, 8 Abs. 1 Satz 1; HWG § 9; BGB § 630a Abs. 2; MBO-Ä § 7 Abs. 4


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 9 HWG durch Werbung für digitalen Arztbesuch per App bei Schweizer Ärzten wenn persönlicher Kontakt nach fachlichen Standards erforderlich ist über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Der für die Zulässigkeit der Werbung für eine ärztliche Fernbehandlung maßgebliche Begriff der "allgemein anerkannten fachlichen Standards" im Sinne von § 9 Satz 2 HWG ist unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB
und die dazu mit Blick auf die vom Arzt zu erfüllenden Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze auszulegen.

b) Die für einen geltend gemachten Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr erstreckt sich im Ausgangspunkt auf mit der konkreten Verletzungshandlung identische Verletzungshandlungen. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes besteht eine Wiederholungsgefahr darüber hinausgehend für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. In dem Umfang, in dem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch über eine zulässige Verallgemeinerung hinausgeht, fehlt es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Der Unterlassungsanspruch ist in diesem Umfang unbegründet und der Klageantrag insoweit abzuweisen, sofern auch greifbare Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr fehlen.

BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - I ZR 146/20 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 9 HWG durch Werbung für digitalen Arztbesuch per App bei Schweizer Ärzten wenn persönlicher Kontakt nach fachlichen Standards erforderlich ist

BGH
Urteil vom 09.12.2021
I ZR 146/20
Werbung für Fernbehandlung


Der BGH hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Marktverhaltensregel § 9 HWG durch Werbung für digitale Arztbesuche per App bei Schweizer Ärzten vorliegt, wenn ein persönlicher Kontakt nach fachlichen Standards erforderlich ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zur Werbung für ärztliche Fernbehandlungen

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen für ärztliche Fernbehandlungen geworben werden darf.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte warb auf ihrer Internetseite mit der Aussage "Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App." für die von einer privaten Krankenversicherung angebotene Leistung eines "digitalen Arztbesuchs" mittels einer App bei in der Schweiz ansässigen Ärzten. Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist § 9 HWG mit Wirkung zum 19. Dezember 2019 durch einen Satz 2 ergänzt worden. Danach gilt das nun in Satz 1 geregelte Werbeverbot für Fernbehandlungen nicht, wenn für die Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die beanstandete Werbung gegen § 9 HWG in seiner alten und in seiner neuen Fassung verstößt. Da es sich bei dieser Vorschrift um eine - dem Gesundheitsschutz dienende - Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt, ist die Beklagte nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zur Unterlassung der Werbung verpflichtet.

Die Beklagte hat unter Verstoß gegen § 9 HWG in seiner alten Fassung für die Erkennung und Behandlung von Krankheiten geworben, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht. Eine eigene Wahrnehmung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt den Patienten nicht nur sehen und hören, sondern auch - etwa durch Abtasten, Abklopfen oder Abhören oder mit medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Ultraschall - untersuchen kann. Das erfordert die gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und ist im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich.

Nach § 9 Satz 2 HWG in seiner neuen Fassung ist das in Satz 1 geregelte Verbot zwar nicht auf die Werbung für Fernbehandlungen anzuwenden, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen. Zu diesen Kommunikationsmedien gehören auch Apps. Das gilt aber nur, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Mit den allgemein anerkannten fachlichen Standards sind - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht die Regelungen des für den behandelnden Arzt geltenden Berufsrechts gemeint. Es kommt daher nicht darauf an, ob die beworbene Fernbehandlung den Ärzten in der Schweiz schon seit Jahren erlaubt ist. Der Begriff der allgemein anerkannten fachlichen Standards ist vielmehr unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB, der die Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag regelt, und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach können sich solche Standards auch erst im Laufe der Zeit entwickeln und etwa aus den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften oder den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß §§ 92, 136 SGB V ergeben. Die Beklagte hat für eine umfassende, nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung (Diagnose, Therapieempfehlung, Krankschreibung) im Wege der Fernbehandlung geworben. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass eine solche umfassende Fernbehandlung den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen fachlichen Standards entspricht. Da die Beklagte dies auch nicht behauptet hatte und insoweit kein weiterer Sachvortrag zu erwarten war, konnte der Bundesgerichtshof abschließend entscheiden, dass die beanstandete Werbung unzulässig ist.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 16. Juli 2019 - 33 O 4026/18

OLG München - Urteil vom 9. Juli 2020 - 6 U 5180/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 9 HWG in der bis zum 18. Dezember 2019 geltenden Fassung

Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).

§ 9 HWG seit dem 19. Dezember 2019 geltenden Fassung

Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

§ 630a BGB

(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.

(2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.



OLG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.5.2021
6 U 18/20


Das OLG Frankfurt hat bestätigt, dass die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig ist. Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf.

Untersagung der Fahrdienstvermittlung für Mietwagen durch Uber-App bestätigt

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat gestern die Berufung des Fahrdienstvermittlers Uber gegen die Untersagung, Beförderungsaufträge an Mietwagenunternehmen mittels einer Applikation zu übermitteln, zurückgewiesen.

Der klagende Zusammenschluss von Taxizentralen aus verschiedenen Städten Deutschlands wendet sich gegen eine von dem Fahrdienstvermittler Uber genutzte Applikation. Über sie können Fahrten mit Mietwagenfahrern gebucht und abgerechnet werden. Der Fahrgast fragt mit der App eine Fahrt zu einem angegebenen Ziel an. Vor Bestätigung der Anfrage erhält er u.a. Angaben zum Preis und zur Dauer der Bereitstellung des Mietwagens. Die App ermittelt dann automatisiert einen geeigneten Fahrer eines Mietwagenunternehmens. Dieser erhält eine Push-Mitteilung nebst einer Dienstanweisung. Kommt es zur Auftragsannahme, rechnet die Beklagte nach Fahrtende die Fahrt über die App ab.

Die Kläger halten dieses Vorgehen unter Hinweis auf die Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) in mehrfacher Hinsicht für wettbewerbswidrig.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen untersagt. Zur Begründung hatte das Landgericht u.a. darauf hingewiesen, dass Uber die hier für die Übermittlung von Fahrten an Mietwagenfahrer erforderliche Mietwagenkonzession fehle. Aus der maßgeblichen Sicht des Fahrgastes erbringe Uber selbst die Dienstleistung und sei damit Unternehmerin. Uber trete als Anbieter der Beförderungsleistung nach außen auf, bestimme die Konditionen und rechne ab. Folglich sei Uber selbst konzessionspflichtig.

Nach der gestrigen Berufungsverhandlung hat das OLG die Berufung von Uber gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.5.2021, Az. 6 U 18/20

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 19.12.2019, Az. 3-08 O 44/19)

Die Entscheidung ist demnächst im Volltext unter www.rv.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Erläuterungen:
§ 2 PBefG Genehmigungspflicht
(1) 1Wer im Sinne des § PBEFG § 1 Abs. PBEFG § 1 Absatz 1

1. ...
4.mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr (§ PBEFG § 46)
Personen befördert, muß im Besitz einer Genehmigung sein. ...

§ 49 PBefG Verkehr mit Mietomnibussen und mit Mietwagen
(1) Verkehr mit Mietomnibussen ist die Beförderung von Personen mit Kraftomnibussen, die nur im ganzen zur Beförderung angemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt. Die Teilnehmer müssen ein zusammengehöriger Personenkreis und über Ziel und Ablauf der Fahrt einig sein.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 sind nicht gegeben, wenn Fahrten unter Angabe des Fahrtziels vermittelt werden. Mietomnibusse dürfen nicht durch Bereitstellen auf öffentlichen Straßen oder Plätzen angeboten werden.

(3) Die Vorschriften der §§ 21 und 22 sind nicht anzuwenden.

(4) Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen nach § 47 sind. Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrages erhalten. Der Eingang des Beförderungsauftrages am Betriebssitz oder in der Wohnung hat der Mietwagenunternehmer buchmäßig zu erfassen und die Aufzeichnung ein Jahr aufzubewahren. Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. Den Taxen vorbehaltene Zeichen und Merkmale dürfen für Mietwagen nicht verwendet werden. Die §§ 21 und 22 sind nicht anzuwenden.



EuGH: App die Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt ist Dienst der Informationsgesellschaft sofern nicht integraler Bestandteil einer Verkehrsdiensteistung

EuGH
Urteil vom 03.12.2020
C-62/19
Star Taxi App SRL / Unitatea Administrativ Teritorială Municipiul Bucureşti prin Primar General und Consiliul General al Municipiului Bucureşti


Der EuGH hat entschieden, dass eine App, die Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist, sofern sie nicht integraler Teil einer wesentlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Eine Dienstleistung, die Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt bringt, stellt einen Dienst der Informationsgesellschaft dar, sofern sie nicht integraler Bestandteil einer hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung ist

Die Star Taxi App SRL, eine Gesellschaft mit Sitz in Bukarest (Rumänien), betreibt eine Smartphone-Applikation, die eine direkte Verbindung zwischen Taxikunden und Taxifahrern herstellt. Diese Applikation ermöglicht eine Suche, die dazu führt, dass eine Liste der für eine Fahrt zur Verfügung stehenden Taxifahrer angezeigt wird. Dem Kunden steht es dann frei, einen der aufgelisteten Fahrer zu wählen. Star Taxi App übermittelt weder die Aufträge an die Taxifahrer, noch legt sie den Fahrpreis fest, der am Ende der Fahrt direkt an den Fahrer entrichtet wird.

Am 19. Dezember 2017 erließ der Consiliul General al Municipiului București (Rat der Stadt Bukarest) den Beschluss Nr. 626/2017, mit dem die Pflicht, für die sogenannte DispatchingTätigkeit eine Zulassung einzuholen, auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App ausgeweitet wurde. Wegen Verstoßes gegen diese Regelung wurde gegen Star Taxi App eine
Geldbuße in Höhe von 4 500 rumänischen Lei (ca. 929 Euro) verhängt.

Da Star Taxi App der Ansicht war, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle, für den der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr1 vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit gelte, erhob sie beim Tribunalul București (Landgericht Bukarest) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017.

In diesem Zusammenhang fragt das Tribunalul București den Gerichtshof, ob eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt. Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, möchte es vom Gerichtshof wissen, ob eine Regelung wie der Beschluss Nr. 626/2017 mit dem Unionsrecht2 vereinbar ist.

Mit seinem heute verkündeten Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Definition in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr darstellt, da diese Dienstleistung gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht wird. Der Umstand, dass ein solcher Dienst an die Person, die eine innerstädtische Fahrt unternimmt oder unternehmen möchte, unentgeltlich erbracht wird, ist insoweit unbeachtlich, sofern der Dienst – wie hier – Anlass dafür ist, dass sein Anbieter mit jedem zugelassenen Taxifahrer einen Dienstleistungsvertrag schließt, in dessen Rahmen der Fahrer einen festen monatlichen Betrag zahlt.

Allerdings fällt eine Dienstleistung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs3 unter Umständen nicht unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“, obwohl sie die in der Definition enthaltenen Merkmale aufweist. Dies gilt insbesondere, wenn ein Vermittlungsdienst offensichtlich integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung ist, die hauptsächlich aus einer rechtlich anders einzustufenden Dienstleistung besteht.

Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung auf einem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst aufbaut. Zudem wählt der Dienstleister die Taxifahrer nicht aus und legt den Fahrpreis weder fest, noch erhebt er ihn; er kontrolliert auch weder die Qualität der Fahrzeuge und ihrer Fahrer noch das Verhalten der Fahrer.
Folglich kann diese Dienstleistung nicht als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung angesehen werden, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestünde.

Sodann prüft der Gerichtshof, ob eine Regelung wie der Beschluss Nr. 626/2017 mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Zunächst untersucht er, ob ein solcher Beschluss eine technische Vorschrift darstellt. Die Informationsverfahrensrichtlinie 2015/15354 sieht nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission jeden Entwurf einer „technischen Vorschrift“ unverzüglich übermitteln. Eine nationale Regelung, die einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ berührt, wird als „technische Vorschrift“ eingestuft, wenn sie speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielt und u. a. für die Erbringung des betreffenden Dienstes oder seine Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist.

Da aber die rumänische Regelung in keiner Weise auf Dienste der Informationsgesellschaft Bezug nimmt und ohne Differenzierung Dispatching-Dienste aller Art erfasst, gleich ob sie telefonisch oder mit einer IT-Anwendung erbracht werden, befindet der Gerichtshof, dass sie keine „technische Vorschrift“ darstellt. Daraus folgt, dass die Pflicht, Entwürfe „technischer Vorschriften“ vorab der Kommission zu übermitteln, für eine solche Regelung nicht gilt.

Anschließend weist der Gerichtshof darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verboten ist, die Aufnahme und die Ausübung einer in der Erbringung von „Diensten der Informationsgesellschaft“ bestehenden Tätigkeit einer Zulassungspflicht oder einer sonstigen Anforderung gleicher Wirkung zu unterwerfen. Allerdings gilt dieses Verbot nicht für Zulassungspflichten, die – wie der Beschluss Nr. 626/2017 – nicht speziell und ausschließlich „Dienste der Informationsgesellschaft“ betreffen.

Die Dienstleistungsrichtlinie 2006/1235 erlaubt es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen, die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit einer Zulassungsregelung zu unterwerfen. Diese Voraussetzungen sind folgende: Die Regelung darf nicht diskriminierend sein, sie muss durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, und das angestrebte Ziel darf nicht mit milderen Mitteln erreicht werden können.

Insoweit befindet der Gerichtshof, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob die Zulassungsregelung für Taxi-Dispatchingdienste durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Eine Zulassungsregelung beruht jedoch nicht auf Kriterien, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn die Erteilung der Zulassung von Anforderungen abhängt, die in technologischer Hinsicht nicht zu der betreffenden Dienstleistung passen.

Der Gerichtshof kommt zu folgendem Ergebnis:

Erstens stellt eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ dar, wenn sie nicht untrennbar mit dem Taxiverkehrsdienst verbunden und daher kein integraler Bestandteil von ihm ist.

Zweitens stellt eine Regelung einer örtlichen Behörde, mit der die Erbringung eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ einer Zulassungspflicht unterworfen wird, der andere Anbieter von Taxibestelldiensten bereits unterliegen, keine „technische Vorschrift“ im Sinne der Informationsverfahrensrichtlinie 2015/1535 dar.

Drittens steht die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dem nicht entgegen, dass auf Anbieter eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ eine Zulassungspflicht angewandt wird, die bereits für Anbieter von wirtschaftlich äquivalenten, keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellenden Dienstleistungen gilt.

Viertens und letztens steht die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123 der Anwendung einer entsprechenden Zulassungsregelung entgegen, es sei denn, diese entspricht den in dieser Richtlinie genannten Kriterien, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: Dienstleistung die per App Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt ist ein Dienst der Informationsgesellschaft

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 10.09.2020
C-62/19
Star Taxi App SRL / Unitatea Administrativ Teritorială Municipiul Bucureştiprin Primar General und Consiliul General al Municipiului Bucureşti


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass eine Dienstleistung, die per App Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Ansicht von Generalanwalt Szpunar ist eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein Dienst der Informationsgesellschaft

Diese Dienstleistung muss nicht untrennbar mit der Dienstleistung der Beförderung mit Taxis verbunden sein, so dass sie keinen integralen Bestandteil derselben darstellt S.C. Star Taxi App SRL, eine Gesellschaft mit Sitz in Bukarest (Rumänien), betreibt eine Smartphone-Anwendung, die eine direkte Verbindung zwischen Taxikunden und Taxifahrern herstellt. Diese Anwendung ermöglicht eine Suche, die dazu führt, dass eine Liste der für eine Fahrt verfügbaren Taxifahrer angezeigt wird. Dem Kunden steht es dann frei, einen bestimmten Fahrer auszuwählen. Star Taxi App übermittelt weder die Anfragen an die Taxifahrer noch legt sie den Fahrpreis fest, der am Ende der Fahrt direkt an den Fahrer bezahlt wird.

Am 19. Dezember 2017 erließ der Rat der Stadt Bukarest den Beschluss Nr. 626/2017, der die Verpflichtung, für die sogenannte „Dispatching“-Tätigkeit eine Zulassung zu beantragen, auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App erweiterte. Wegen Verstoßes gegen diese Regelung wurde gegen Star Taxi App eine Geldbuße von 4 500 rumänischen Lei (RON) (ca. 929 Euro) verhängt.

Weil Star Taxi App der Ansicht war, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle, für den der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit gelte, erhob sie beim Tribunalul București (Landgericht Bukarest, Rumänien) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017.

Vor diesem Hintergrund fragt das Tribunalul București den Gerichtshof, ob eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein „Dienst der Informationsgesellschaft“ ist. Sollte dies bejaht werden, ersucht es den Gerichtshof, eine Beurteilung der Gültigkeit des Beschlusses Nr. 626/2017 im Licht einiger Bestimmungen des Unionsrechts durchzuführen.

In seinen heutigen Schlussanträgen führt Generalanwalt Maciej Szpunar zunächst aus, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgenommenen Definition des Dienstes der Informationsgesellschaft entspricht, da diese Dienstleistung gegen Entgelt, im Fernabsatz, elektronisch und auf individuellen Abruf eines Empfängers der Dienstleistung erbracht wird.

Er weist aber darauf hin, dass eine Dienstleistung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs möglicherweise nicht als unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ fallend anzusehen ist, selbst wenn sie die in der Definition aufgeführten Merkmale aufweist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die elektronisch erbrachte Dienstleistung untrennbar mit einer anderen Dienstleistung verbunden ist, die die Hauptdienstleistung darstellt und nicht elektronisch erbracht wird, wie z. B. eine Verkehrsdienstleistung. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist diese untrennbare Verbindung dadurch gekennzeichnet, dass der Anbieter der elektronisch erbrachten Dienstleistung die wesentlichen Aspekte der anderen Dienstleistung kontrolliert, einschließlich der Auswahl der
Anbieter dieser anderen Dienstleistung.

Nach Ansicht des Generalanwalts ist die Situation von Star Taxi App anders. Er erläutert, dass Star Taxi App keine Taxifahrer einzustellen braucht und weder eine Kontrolle über noch einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen ausübt, unter denen die Beförderungsdienstleistungen von den Taxifahrern erbracht werden. Im Unterschied zu anderen ähnlichen Dienstleistungen, wie Uber, baut die von Star Taxi App erbrachte Dienstleistung auf einem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst auf. Die Rolle von Star Taxi App beschränkt sich auf die eines externen Anbieters einer Nebendienstleistung, die für die Effizienz der Hauptdienstleistung, nämlich der Beförderung, nützlich, aber nicht wesentlich ist.

Dann prüft der Generalanwalt den Beschluss Nr. 626/2017 im Licht des Unionsrechts. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verbietet den Mitgliedstaaten, die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft einer Zulassungspflicht oder einer sonstigen Anforderung gleicher Wirkung zu unterwerfen. Dieses Verbot gilt jedoch nicht für Zulassungsverfahren, die wie im vorliegenden Fall nicht speziell und ausschließlich Dienste der Informationsgesellschaft betreffen.

Diese Feststellung ist allerdings von der Voraussetzung abhängig, dass die von der bestehenden Zulassungsregelung erfassten Dienstleistungen, die nicht elektronisch erbracht werden, und die Dienste der Informationsgesellschaft, auf die diese Regelung ausgedehnt wird, tatsächlich wirtschaftlich gleichwertig sind.

Die Dienstleistungsrichtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von einer solchen Regelung abhängig zu machen. Diese Voraussetzungen sind: nicht diskriminierender Charakter der Regelung, ihre Rechtfertigung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses und das Fehlen weniger einschneidender Maßnahmen, mit denen dasselbe Ziel erreicht werden könnte. Es wird daher Sache des nationalen Gerichts sein, zu prüfen, ob es zwingende Gründe des Allgemeininteresses gibt, die die Zulassungspflicht von Taxi-Dispatchingdiensten rechtfertigen.

Der Generalanwalt stellt aber klar, dass eine Genehmigungsregelung nicht auf Kriterien beruht, die durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn die Erteilung der Genehmigung von Anforderungen abhängig ist, die für den vom Antragsteller beabsichtigten Dienst technologisch ungeeignet sind.
Er kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist, wenn sie nicht untrennbar mit der Dienstleistung der Beförderung durch Taxis verbunden ist, so dass sie keinen integralen Bestandteil derselben darstellt.

Dann stellt er fest, dass es die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr nicht verbietet, auf einen Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft eine Zulassungsregelung anzuwenden, die für Anbieter wirtschaftlich gleichwertiger Dienstleistungen gilt, die keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellen.
Schließlich weist er darauf hin, dass die Dienstleistungsrichtlinie der Anwendung einer solchen Zulassungsregelung entgegensteht, es sei denn, diese entspricht den in dieser Richtlinie festgelegten Kriterien, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

OLG München: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 9 HWG durch App die Diagnosen Therapieempfehlungen und Krankschreibungen anbietet - Werbeverbot für Fernbehandlungen

OLG München
Urteil vom 09.07.2020
6 U 5180/19


Das OLG München hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 9 HWG ( Werbeverbot für Fernbehandlungen) durch eine App vorliegt, die Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen anbietet.

Leitsätze des Gerichts:

1. § 9 S. 1 HWG ist nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass das Werbeverbot für Fernbehandlungen akzessorisch die Unzulässigkeit der beworbenen Behandlung voraussetzen würde. Vielmehr kommt § 9 HWG ein eigener Regelungsgehalt zu, indem er nicht die Fernbehandlung an sich verbietet, sondern die Werbung hierfür.

2. Der Gesetzgeber hat auch mit der neuen Regelung des § 9 HWG (gültig ab 19.12.2019) an der grundsätzlichen Wertung festgehalten, dass eine Werbung für Fernbehandlungen im Interesse der Vermeidung der mit einer solchen Werbung verbundenen Gefahren für die allgemeine Gesundheit im Allgemeinen untersagt ist (vgl. § 9 Satz 1 HWG). Lediglich unter den in § 9 S. 2 HWG genannten Voraussetzungen ist die Werbung mit Fernbehandlungen nunmehr gesetzlich erlaubt.

3. Eine Werbung für ärztliche Fernbehandlungen in Form eines digitalen Arztbesuchs, wobei mittels einer App in Deutschland lebenden Patienten angeboten wird, über ihr Smartphone von Ärzten, die im Ausland sitzen, für nicht näher konkretisierte Behandlungsfälle und -situationen Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu erlangen, wird von dem Ausnahmetatbestand des § 9 Satz 2 HWG, wonach vorausgesetzt wird, dass ein ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nach allgemein anerkannten Standards in den beworbenen Fällen nicht erforderlich ist, nicht gedeckt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Frankfurt: Vermittlung ortsfremder Taxifahrer über die App "mytaxi" wegen eines Verstoßes gegen Markteverhaltensregel § 47 Abs. 2 PBefG wettbewerbswidrig

OLG Frankfurt
Urteil vom 25.06.2020
6 U 64/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Vermittlung ortsfremder Taxifahrer über die App „mytaxi“ wegen eines Verstoßes gegen die Markteverhaltensregel § 47 Abs. 2 PBefG unzulässig und wettbewerbswidrig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Keine Vermittlung ortsfremder Taxifahrer über die App „mytaxi“

Das Betreiben einer Software - hier der App „mytaxi“ -, die eine direkte Verbindung zwischen einem nahegelegenen Taxifahrer und einem Fahrgast herstellt und so die Beförderung von Kunden in Taxis ermöglicht, ist unlauter, wenn nicht verhindert wird, dass entgegen § 47 Abs. 2 PBefG auch ortsfremde, nicht konzessionierte Taxifahrer vermittelt werden. Der App-Betreiber ist Teilnehmer eines von einem nicht konzessionierten Taxiunternehmen begangenen Verstoßes und zum Unterlassen verpflichtet, begründete das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) seine heute veröffentlichte Entscheidung.

Die Beklagte vermittelt über die App „mytaxi“ die Beförderung von Kunden in Taxis. Sie wird in einer Version für Taxifahrer und in einer Version für Kunden bereitgestellt und stellt eine direkte Verbindung zwischen einem Taxifahrer und einem Fahrgast her. Der Nutzer der Fahrgast-App kann sich auf einer Karte anzeigen lassen, wo sich in der Umgebung angeschlossene Taxis befinden. Nach Bestätigung des Bestellbuttons sucht das System die am nächsten gelegenen und freigeschalteten Taxis und bietet den Fahrern dieser Gruppe - automatisiert - die angefragte Taxifahrt an. Die Fahrer können über ihre Fahrer-App die angefragte Tour annehmen. Der Fahrer, der die Fahrt zuerst annimmt, erhält den Zuschlag. Für den Fahrgast ist die Benutzung der App kostenlos. Das Taxiunternehmen zahlt eine Vermittlungsgebühr in Gestalt eines festen Prozentsatzes vom Fahrpreis.

Im März 2018 stellte sich ein Taxi mit Betriebssitz in Wiesbaden in Frankfurt am Main in der Breitenbachstraße auf und schaltete den Modus seiner „mytaxi-App“ auf „frei“. Nachfolgend nahm er die Bestellung einer Fahrt von dort in die Weserstraße an. Dieses Verhalten verstieß gegen das PBefG. Gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 PBefG dürfen Taxis nur in der Gemeinde bereitgehalten werden, in der der Unternehmer seinen Betriebssitz hat.

Der Kläger ist Taxiunternehmer in Frankfurt am Main. Er meint, die Beklagte sei als Täterin oder jedenfalls Gehilfen für den Verstoß des Fahrers des Wiesbadener Taxis verantwortlich. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch, Taxi-Suchanfragen an Taxifahrer zu übermitteln, die nicht für die Stadt Frankfurt am Main konzessioniert sind.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Zwischen den Parteien bestünde ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, begründete das OLG die Entscheidung. Sie seien auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen mit der Personenbeförderung in Taxis befasst. Das Bereitstellen der App in der beschriebenen Form sei unlauter, da Beförderungsaufträge auch an ortsfremde, nicht konzessionierte Taxis vermittelt würden, die sich unter Verstoß gegen § 47 Abs. 2 S. 1 PBefG bereithielten. Die Beklagte sei für den von dem Taxiunternehmen begangenen Verstoß als Teilnehmerin verantwortlich. Sie habe dem Taxifahrer durch die Übermittlung der Suchanfrage und die Zuteilung des Auftrags Beihilfe geleistet. Die Beklagte habe dabei gewusst, dass Beförderungsaufträge unmittelbar den angeschlossenen Taxiunternehmen in einem bestimmten Umkreis zugeleitet würden und, dass derjenige den Auftrag erhalte, der in zuerst annehme. Dies geschehe unabhängig von dem Betriebssitz, der der Beklagten aufgrund der Anmeldung des Taxifahrers bekannt sei. Damit habe die Beklagte „zumindest bedingt vorsätzlich entsprechende Wettbewerbsverstöße durch Taxifahrer“ gefördert. Durch vorausgegangene andere Abmahnungen sei ihr auch bekannt gewesen, dass es in anderen Städten bereits zu Verstößen angeschlossener Taxiunternehmen gegen die Vorgaben des PBefG gekommen sei. Die Beklagte „hat sich also mit möglichen Verstößen abgefunden und sie billigend in Kauf genommen“, urteilt das OLG.

Das OLG ergänzte zudem, dass es für die hier angenommene Teilnehmerhaftung unerheblich sei, mit welchen Kosten das Umprogrammieren verbunden sei, um Zuweisungen von Fahraufträgen an nicht konzessionierte Unternehmen zu vermeiden (sog. „Zoning“). Die Beklagte habe jedenfalls nicht in Abrede gestellt, dass eine solche Programmierung durch die Funktionalität der Standorterfassung (GPS) möglich sei.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.06.2020, Az. 6 U 64/19
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.02.2019, Az. 3/8 O 117/18)

Die Entscheidung ist in Kürze im Volltext unter www.rv.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Erläuterungen:
§ 3 a UWG Rechtsbruch
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 47 PBefG Verkehr mit Taxen
(1) Verkehr mit Taxen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt. Der Unternehmer kann Beförderungsaufträge auch während einer Fahrt oder am Betriebssitz entgegennehmen.
(2) Taxen dürfen nur in der Gemeinde bereitgehalten werden, in der der Unternehmer seinen Betriebssitz hat. Fahrten auf vorherige Bestellung dürfen auch von anderen Gemeinden aus durchgeführt werden. Die Genehmigungsbehörde kann im Einvernehmen mit anderen Genehmigungsbehörden das Bereithalten an behördlich zugelassenen Stellen außerhalb der Betriebssitzgemeinde gestatten und einen größeren Bezirk festsetzen.


Volltext BGH liegt vor: DWD WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes darf nur für Wetterwarnungen kostenlos und werbefrei angeboten werden

BGH
Urteil vom 12.03.2020
I ZR 126/18
Warnwetter-App
ZPO § 301, § 563 Abs. 1; GVG § 17 Abs. 2 Satz 1; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3a; DWDG § 4 Abs. 1 und 6, § 6 Abs. 2 und 2a


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: DWD WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes darf nur für Wetterwarnungen kostenlos und werbefrei angeboten werden" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Wird ein einheitlicher Streitgegenstand geltend gemacht, darf das Gericht nicht durch Teilurteil über einzelne von mehreren konkurrierenden Anspruchsgrundlagen entscheiden. Dabei ist unerheblich, ob die Anspruchsgrundlagen verschiedenen Rechtsgebieten entstammen, über die grundsätzlich in unterschiedlichen Rechtswegen zu entscheiden ist. Das zuständige Gericht hat auch über solche Normen zu befinden, die für sich allein die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit begründen würden.

b) Hat das Berufungsgericht bei einem einheitlichen Streitgegenstand eine materiellrechtliche Anspruchsgrundlage ungeprüft gelassen und durch Teilurteil entschieden, kann von einer Zurückverweisung der Sache abgesehen werden, wenn die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen eine abschließende Entscheidung zulassen.

c) Nimmt die öffentliche Hand öffentliche Aufgaben wahr und bewegt sie sich dabei außerhalb des ihr durch eine Ermächtigungsgrundlage zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereichs, ist ihr Handeln als geschäftliche Handlung anzusehen mit der Folge, dass sie sich an den Regeln des Wettbewerbsrechts messen lassen muss und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden kann.

d) Bei den Bestimmungen der § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a Nr. 2 DWDG handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG.

e) Der Deutsche Wetterdienst darf gegenüber der Allgemeinheit unentgeltlich amtliche Warnungen über Wettererscheinungen herausgeben, die zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können oder die in Bezug zu drohenden Wetter- und Witterungsereignissen mit hohem Schadenspotenzial stehen. Er ist jedoch nicht berechtigt, unabhängig von Warnlagen die Allgemeinheit unentgeltlich laufend allgemein über das Wetter zu informieren.

BGH, Urteil vom 12. März 2020 - I ZR 126/18 - OLG Köln - LG Bonn

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: DWD WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes darf nur für Wetterwarnungen kostenlos und werbefrei angeboten werden

BGH
Urteil vom 12.03.2020
I ZR 126/18
Warnwetter-App


Der BGH hat entschieden, dass die DWD WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes nur für Wetterwarnungen kostenlos und werbefrei angeboten werden darf.

Die Pressemitteilung des BGH:

Die "DWD WarnWetter-App" darf nur für Wetterwarnungen kostenlos und werbefrei angeboten werden


Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine App mit zahlreichen über Wetterwarnungen hinausgehenden Informationen zum Wetter nicht kostenlos und werbefrei anbieten darf.

Die Klägerin bietet meteorologische Dienstleistungen wie Wetterberichte über das Internet und über eine App für mobile Endgeräte an. Die App der Klägerin ist in der Standard-Version kostenlos und werbefinanziert und in einer werbefreien Version gegen Entgelt erhältlich.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist der nationale meteorologische Dienst der beklagten Bundesrepublik Deutschland. Seine Aufgaben sind in § 4 Abs. 1 DWDG geregelt. Dazu gehören etwa die Erbringung meteorologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 DWDG) und die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 DWDG). Für seine Dienstleistungen verlangt der DWD grundsätzlich eine Vergütung (§ 6 Abs. 2 Satz 1 DWDG). Die Herausgabe von amtlichen Warnungen über Wettererscheinungen an die Allgemeinheit ist allerdings entgeltfrei (§ 6 Abs. 2a DWDG). Solche unentgeltlichen Leistungen darf der DWD nach § 4 Abs. 6 DWDG selbst öffentlich verbreiten.

Seit Juni 2015 bietet der DWD eine "DWD WarnWetter-App" für mobile Endgeräte an. Mit dieser App können nicht nur Wetterwarnungen, sondern auch zahlreiche allgemeine Informationen zum Wetter einschließlich detaillierter Wetterberichte abgerufen werden. Diese App war - in der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Version - für alle Inhalte unentgeltlich und werbefrei.

Die Klägerin hält das unentgeltliche Anbieten und Verbreiten der Inhalte der DWD WarnWetter-App für wettbewerbswidrig, da der DWD allenfalls amtliche Wetterwarnungen unentgeltlich verbreiten dürfe. Die DWD WarnWetter-App benachteilige wegen ihrer Finanzierung durch den Staat nichtstaatliche Anbieter von Wetter-Anwendungen. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Den Unterlassungsanspruch hat sie in erster Linie auf wettbewerbsrechtliche Vorschriften, hilfsweise auf das öffentliche Recht gestützt.

Das Landgericht hat die Regelungen in § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a DWD, die bestimmen, welche Leistungen der DWD nur gegen Vergütung und welche er entgeltfrei erbringen darf, als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG angesehen. In dem unentgeltlichen Anbieten der Warnwetter-App hat das Landgericht einen Verstoß gegen diese Vorschriften gesehen und die Beklagte deshalb zur Unterlassung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die auf das Wettbewerbsrecht gestützte Klage durch Teilurteil abgewiesen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geschäftlich gehandelt. Sie sei vielmehr zur Erfüllung der ihr durch § 4 DWDG zugewiesenen öffentlichen Aufgaben tätig geworden. Soweit sie durch das Nichterheben einer Gegenleistung möglicherweise ihren Kompetenzbereich überschritten habe und dies gegen das Gesetz über den Deutschen Wetterdienst verstoße, begründe dies kein Handeln im geschäftlichen Verkehr. Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs hat das Berufungsgericht den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und das der Klage stattgebende landgerichtliche Urteil im Wesentlichen wiederhergestellt.

Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:

Das Berufungsurteil musste schon deshalb aufgehoben werden, weil das Berufungsgericht nicht durch Teilurteil über die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche entscheiden und den Rechtsstreit wegen der öffentlich-rechtlichen Ansprüche an das Verwaltungsgericht verweisen durfte. Das Berufungsgericht hätte vielmehr alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen selbst prüfen müssen. Der Bundesgerichtshof musste den Rechtsstreit gleichwohl nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen, weil er die Sache auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen selbst abschließend entscheiden konnte.

Danach hatte die Klage Erfolg. Der DWD hat mit seinem für die Nutzer kostenlosen und nicht durch Werbung finanzierten Angebot einer WarnWetter-App zwar nicht erwerbswirtschaftlich, sondern allein zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben gehandelt. Er hat dabei aber die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 6 DWDG überschritten, weil sich die Inhalte der unentgeltlichen WarnWetter-App nicht auf Wetterwarnungen beschränkten, sondern darüber hinaus zahlreiche allgemeine Wetterinformationen enthielten. Deshalb ist das Angebot der WarnWetter-App als geschäftliche Handlung anzusehen und an den Regeln des Wettbewerbsrechts zu messen.

Bei den Bestimmungen in § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a DWD, welche Leistungen der DWD nur gegen Vergütung und welche er entgeltfrei erbringen darf, handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG, deren Verletzung wettbewerbswidrig ist. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass der DWD seine Dienstleistungen im Grundsatz nur unter Marktbedingungen erbringen darf und wie jeder andere Anbieter einer Anwendungssoftware für meteorologische Dienstleistungen hierfür entweder unmittelbar eine Vergütung verlangen muss oder - wenn die Anwendungssoftware kostenlos abgegeben wird - diese Leistungen mittelbar etwa durch Werbeeinnahmen finanzieren muss. Diese Regelungen haben den Zweck, die Betätigung des DWD auf dem Markt der meteorologischen Dienstleistungen zum Schutz privatwirtschaftlicher Mitbewerber zu begrenzen.

Vorinstanzen:

LG Bonn - Urteil vom 15. November 2017 - 16 O 21/16

OLG Köln - Urteil vom 13. Juli 2018 - 6 U 180/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 und Abs. 6 DWDG:

(1) Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes sind

1. die Erbringung meteorologischer und klimatologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer, insbesondere auf den Gebieten des Verkehrs, der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, des Bauwesens, des Gesundheitswesens, der Wasserwirtschaft einschließlich des vorbeugenden Hochwasserschutzes, des Umwelt- und Naturschutzes und der Wissenschaft, […]

3. die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen,

a) die zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können oder

b) die in Bezug zu drohenden Wetter- und Witterungsereignissen mit hohem Schadenspotenzial stehen, […]

(6) Der Deutsche Wetterdienst darf Leistungen, die im Sinne des § 6 Absatz 2a unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, selbst öffentlich verbreiten, soweit dies zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört.

§ 6 Abs. 2 und 2a Nr. 2 DWDG:

(2) Der Deutsche Wetterdienst verlangt für die Erbringung seiner Dienstleistungen eine Vergütung. Die Höhe der Vergütung wird vom Vorstand auf Basis betriebswirtschaftlicher Kalkulationsverfahren, gegebenenfalls erhöht auf Grund des wirtschaftlichen Wertes oder ermäßigt auf Grund eines besonderen öffentlichen Interesses, oder auf Grund internationaler Vereinbarungen in einer Preisliste festgesetzt. Sie enthält die Preise für Daten, Produkte und Spezialdienstleistungen.

(2a)Sofern nicht auf Grund anderer gesetzlicher Regelungen eine Pflicht zur Entrichtung von Gebühren besteht, sind folgende Dienstleistungen des Deutschen Wetterdienstes entgeltfrei: […]

2. jene an die Allgemeinheit nach § 4 Absatz 1 Nummer 3 und 7 zur öffentlichen Verbreitung, […].

§ 3a UWG:

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 2 Abs.1 Nr. 1 UWG:

(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

1. "geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen, […]



LG München: Verbot von "UBER Black", "UBER X" und "UBER Van" in München wegen Verstoßes gegen Personenbeförderungsgesetz

LG München
Urteil vom 10.02.2020
4 HK O 14935/16


Das LG München hat entschieden, dass UBER gegen das Personenbeförderungsgesetz verstößt und hat die die Apps "UBER Black", "UBER X" und "UBER Van" in München verboten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht München I verbietet UBER Apps in München

Die unter anderem auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb spezialisierte 4. Handelskammer des Landgerichts München I hat heute die Apps „UBER Black“, „UBER X“ und „UBER Van“ wegen Verstoßes gegen das Personenbeförderungsgesetz in München verboten (Az. 4 HK O 14935/16). Bereits im Jahr 2018 hatte der BGH die App „Uber Black“ in der damaligen Version untersagt (Az. I ZR 3/16). Eine Taxiunternehmerin aus München hat im hier vorliegenden Fall ebenfalls gegen UBER vor dem Landgericht München I geklagt und nun überwiegend Recht bekommen.Nach Auffassung des Landgerichts verstoßen die drei Apps der Beklagten auch zum Zeitpunkt des 02.12.2019 in ihrer dem Verfahren zugrundliegenden Version weiter gegen das Personenbeförderungsgesetz (PBefG).Gemäß & 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG dürfen Mietwagen nur Beförderungsaufträge ausführen, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Den Eingang des Beförderungsauftrags hat der Mietwagenunternehmer buchmäßig zu erfassen; die Aufzeichnung ist ein Jahr aufzubewahren. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten (& 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG).Diverse Zeugen hatten zur Überzeugung der Kammer in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I bestätigt, dass sich die Beklagte faktisch weiterhin nicht an diese Vorgaben hält. Die Beklagte nehme vielmehr mit ihrem jetzigen Modell der Apps zumindest billigend in Kauf, dass ihre Fahrer die Entscheidungshoheit über den jeweiligen Auftrag behielten und gerade nicht der Mietwagenunternehmer, so das Landgericht. Dass die Fahrer der Beklagten potentielle Fahrgäste mittels der App bereits sehen könnten, bevor sich der Mietwagenunternehmer eingeschaltet habe, führe zudem dazu, dass die Fahrer sich - ohne die gesetzlich vorgeschriebene Rückkehrpflicht zu beachten - unmittelbar zu den Fahrgästen begeben würden. Beides stelle einen Verstoß dar.Die Beklagte hatte zur ihrer Verteidigung unter anderem vorgebracht, dass sie ihr Vorgehen mit den zuständigen Ordnungsbehörden abgesprochen habe. Dies reichte dem Landgericht München I jedoch als Rechtfertigung nicht aus, denn eine ausdrückliche Erlaubnis der zuständigen Behörden konnte die Beklagte nicht vorlegen. Lediglich wegen Unbestimmtheit wurde ein Teil der Klageanträge, der behauptete Verwechselungen mit Taxenverkehr betraf und sich gegen die drei UBER-Versionen richtete, abgewiesen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Es ist für die Klägerin jedoch ggf. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 Euro sofort vollstreckbar. Ob diese Sicherheit geleistet wird, entscheidet die Klageseite.

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