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EuGH: App die Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt ist Dienst der Informationsgesellschaft sofern nicht integraler Bestandteil einer Verkehrsdiensteistung

EuGH
Urteil vom 03.12.2020
C-62/19
Star Taxi App SRL / Unitatea Administrativ Teritorială Municipiul Bucureşti prin Primar General und Consiliul General al Municipiului Bucureşti


Der EuGH hat entschieden, dass eine App, die Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist, sofern sie nicht integraler Teil einer wesentlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Eine Dienstleistung, die Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt bringt, stellt einen Dienst der Informationsgesellschaft dar, sofern sie nicht integraler Bestandteil einer hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung ist

Die Star Taxi App SRL, eine Gesellschaft mit Sitz in Bukarest (Rumänien), betreibt eine Smartphone-Applikation, die eine direkte Verbindung zwischen Taxikunden und Taxifahrern herstellt. Diese Applikation ermöglicht eine Suche, die dazu führt, dass eine Liste der für eine Fahrt zur Verfügung stehenden Taxifahrer angezeigt wird. Dem Kunden steht es dann frei, einen der aufgelisteten Fahrer zu wählen. Star Taxi App übermittelt weder die Aufträge an die Taxifahrer, noch legt sie den Fahrpreis fest, der am Ende der Fahrt direkt an den Fahrer entrichtet wird.

Am 19. Dezember 2017 erließ der Consiliul General al Municipiului București (Rat der Stadt Bukarest) den Beschluss Nr. 626/2017, mit dem die Pflicht, für die sogenannte DispatchingTätigkeit eine Zulassung einzuholen, auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App ausgeweitet wurde. Wegen Verstoßes gegen diese Regelung wurde gegen Star Taxi App eine
Geldbuße in Höhe von 4 500 rumänischen Lei (ca. 929 Euro) verhängt.

Da Star Taxi App der Ansicht war, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle, für den der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr1 vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit gelte, erhob sie beim Tribunalul București (Landgericht Bukarest) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017.

In diesem Zusammenhang fragt das Tribunalul București den Gerichtshof, ob eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt. Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, möchte es vom Gerichtshof wissen, ob eine Regelung wie der Beschluss Nr. 626/2017 mit dem Unionsrecht2 vereinbar ist.

Mit seinem heute verkündeten Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Definition in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr darstellt, da diese Dienstleistung gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht wird. Der Umstand, dass ein solcher Dienst an die Person, die eine innerstädtische Fahrt unternimmt oder unternehmen möchte, unentgeltlich erbracht wird, ist insoweit unbeachtlich, sofern der Dienst – wie hier – Anlass dafür ist, dass sein Anbieter mit jedem zugelassenen Taxifahrer einen Dienstleistungsvertrag schließt, in dessen Rahmen der Fahrer einen festen monatlichen Betrag zahlt.

Allerdings fällt eine Dienstleistung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs3 unter Umständen nicht unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“, obwohl sie die in der Definition enthaltenen Merkmale aufweist. Dies gilt insbesondere, wenn ein Vermittlungsdienst offensichtlich integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung ist, die hauptsächlich aus einer rechtlich anders einzustufenden Dienstleistung besteht.

Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung auf einem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst aufbaut. Zudem wählt der Dienstleister die Taxifahrer nicht aus und legt den Fahrpreis weder fest, noch erhebt er ihn; er kontrolliert auch weder die Qualität der Fahrzeuge und ihrer Fahrer noch das Verhalten der Fahrer.
Folglich kann diese Dienstleistung nicht als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung angesehen werden, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestünde.

Sodann prüft der Gerichtshof, ob eine Regelung wie der Beschluss Nr. 626/2017 mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Zunächst untersucht er, ob ein solcher Beschluss eine technische Vorschrift darstellt. Die Informationsverfahrensrichtlinie 2015/15354 sieht nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission jeden Entwurf einer „technischen Vorschrift“ unverzüglich übermitteln. Eine nationale Regelung, die einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ berührt, wird als „technische Vorschrift“ eingestuft, wenn sie speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielt und u. a. für die Erbringung des betreffenden Dienstes oder seine Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist.

Da aber die rumänische Regelung in keiner Weise auf Dienste der Informationsgesellschaft Bezug nimmt und ohne Differenzierung Dispatching-Dienste aller Art erfasst, gleich ob sie telefonisch oder mit einer IT-Anwendung erbracht werden, befindet der Gerichtshof, dass sie keine „technische Vorschrift“ darstellt. Daraus folgt, dass die Pflicht, Entwürfe „technischer Vorschriften“ vorab der Kommission zu übermitteln, für eine solche Regelung nicht gilt.

Anschließend weist der Gerichtshof darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verboten ist, die Aufnahme und die Ausübung einer in der Erbringung von „Diensten der Informationsgesellschaft“ bestehenden Tätigkeit einer Zulassungspflicht oder einer sonstigen Anforderung gleicher Wirkung zu unterwerfen. Allerdings gilt dieses Verbot nicht für Zulassungspflichten, die – wie der Beschluss Nr. 626/2017 – nicht speziell und ausschließlich „Dienste der Informationsgesellschaft“ betreffen.

Die Dienstleistungsrichtlinie 2006/1235 erlaubt es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen, die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit einer Zulassungsregelung zu unterwerfen. Diese Voraussetzungen sind folgende: Die Regelung darf nicht diskriminierend sein, sie muss durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, und das angestrebte Ziel darf nicht mit milderen Mitteln erreicht werden können.

Insoweit befindet der Gerichtshof, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob die Zulassungsregelung für Taxi-Dispatchingdienste durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Eine Zulassungsregelung beruht jedoch nicht auf Kriterien, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn die Erteilung der Zulassung von Anforderungen abhängt, die in technologischer Hinsicht nicht zu der betreffenden Dienstleistung passen.

Der Gerichtshof kommt zu folgendem Ergebnis:

Erstens stellt eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ dar, wenn sie nicht untrennbar mit dem Taxiverkehrsdienst verbunden und daher kein integraler Bestandteil von ihm ist.

Zweitens stellt eine Regelung einer örtlichen Behörde, mit der die Erbringung eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ einer Zulassungspflicht unterworfen wird, der andere Anbieter von Taxibestelldiensten bereits unterliegen, keine „technische Vorschrift“ im Sinne der Informationsverfahrensrichtlinie 2015/1535 dar.

Drittens steht die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dem nicht entgegen, dass auf Anbieter eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ eine Zulassungspflicht angewandt wird, die bereits für Anbieter von wirtschaftlich äquivalenten, keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellenden Dienstleistungen gilt.

Viertens und letztens steht die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123 der Anwendung einer entsprechenden Zulassungsregelung entgegen, es sei denn, diese entspricht den in dieser Richtlinie genannten Kriterien, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: Dienstleistung die per App Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt ist ein Dienst der Informationsgesellschaft

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 10.09.2020
C-62/19
Star Taxi App SRL / Unitatea Administrativ Teritorială Municipiul Bucureştiprin Primar General und Consiliul General al Municipiului Bucureşti


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass eine Dienstleistung, die per App Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Ansicht von Generalanwalt Szpunar ist eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein Dienst der Informationsgesellschaft

Diese Dienstleistung muss nicht untrennbar mit der Dienstleistung der Beförderung mit Taxis verbunden sein, so dass sie keinen integralen Bestandteil derselben darstellt S.C. Star Taxi App SRL, eine Gesellschaft mit Sitz in Bukarest (Rumänien), betreibt eine Smartphone-Anwendung, die eine direkte Verbindung zwischen Taxikunden und Taxifahrern herstellt. Diese Anwendung ermöglicht eine Suche, die dazu führt, dass eine Liste der für eine Fahrt verfügbaren Taxifahrer angezeigt wird. Dem Kunden steht es dann frei, einen bestimmten Fahrer auszuwählen. Star Taxi App übermittelt weder die Anfragen an die Taxifahrer noch legt sie den Fahrpreis fest, der am Ende der Fahrt direkt an den Fahrer bezahlt wird.

Am 19. Dezember 2017 erließ der Rat der Stadt Bukarest den Beschluss Nr. 626/2017, der die Verpflichtung, für die sogenannte „Dispatching“-Tätigkeit eine Zulassung zu beantragen, auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App erweiterte. Wegen Verstoßes gegen diese Regelung wurde gegen Star Taxi App eine Geldbuße von 4 500 rumänischen Lei (RON) (ca. 929 Euro) verhängt.

Weil Star Taxi App der Ansicht war, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle, für den der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit gelte, erhob sie beim Tribunalul București (Landgericht Bukarest, Rumänien) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017.

Vor diesem Hintergrund fragt das Tribunalul București den Gerichtshof, ob eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein „Dienst der Informationsgesellschaft“ ist. Sollte dies bejaht werden, ersucht es den Gerichtshof, eine Beurteilung der Gültigkeit des Beschlusses Nr. 626/2017 im Licht einiger Bestimmungen des Unionsrechts durchzuführen.

In seinen heutigen Schlussanträgen führt Generalanwalt Maciej Szpunar zunächst aus, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgenommenen Definition des Dienstes der Informationsgesellschaft entspricht, da diese Dienstleistung gegen Entgelt, im Fernabsatz, elektronisch und auf individuellen Abruf eines Empfängers der Dienstleistung erbracht wird.

Er weist aber darauf hin, dass eine Dienstleistung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs möglicherweise nicht als unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ fallend anzusehen ist, selbst wenn sie die in der Definition aufgeführten Merkmale aufweist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die elektronisch erbrachte Dienstleistung untrennbar mit einer anderen Dienstleistung verbunden ist, die die Hauptdienstleistung darstellt und nicht elektronisch erbracht wird, wie z. B. eine Verkehrsdienstleistung. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist diese untrennbare Verbindung dadurch gekennzeichnet, dass der Anbieter der elektronisch erbrachten Dienstleistung die wesentlichen Aspekte der anderen Dienstleistung kontrolliert, einschließlich der Auswahl der
Anbieter dieser anderen Dienstleistung.

Nach Ansicht des Generalanwalts ist die Situation von Star Taxi App anders. Er erläutert, dass Star Taxi App keine Taxifahrer einzustellen braucht und weder eine Kontrolle über noch einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen ausübt, unter denen die Beförderungsdienstleistungen von den Taxifahrern erbracht werden. Im Unterschied zu anderen ähnlichen Dienstleistungen, wie Uber, baut die von Star Taxi App erbrachte Dienstleistung auf einem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst auf. Die Rolle von Star Taxi App beschränkt sich auf die eines externen Anbieters einer Nebendienstleistung, die für die Effizienz der Hauptdienstleistung, nämlich der Beförderung, nützlich, aber nicht wesentlich ist.

Dann prüft der Generalanwalt den Beschluss Nr. 626/2017 im Licht des Unionsrechts. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verbietet den Mitgliedstaaten, die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft einer Zulassungspflicht oder einer sonstigen Anforderung gleicher Wirkung zu unterwerfen. Dieses Verbot gilt jedoch nicht für Zulassungsverfahren, die wie im vorliegenden Fall nicht speziell und ausschließlich Dienste der Informationsgesellschaft betreffen.

Diese Feststellung ist allerdings von der Voraussetzung abhängig, dass die von der bestehenden Zulassungsregelung erfassten Dienstleistungen, die nicht elektronisch erbracht werden, und die Dienste der Informationsgesellschaft, auf die diese Regelung ausgedehnt wird, tatsächlich wirtschaftlich gleichwertig sind.

Die Dienstleistungsrichtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von einer solchen Regelung abhängig zu machen. Diese Voraussetzungen sind: nicht diskriminierender Charakter der Regelung, ihre Rechtfertigung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses und das Fehlen weniger einschneidender Maßnahmen, mit denen dasselbe Ziel erreicht werden könnte. Es wird daher Sache des nationalen Gerichts sein, zu prüfen, ob es zwingende Gründe des Allgemeininteresses gibt, die die Zulassungspflicht von Taxi-Dispatchingdiensten rechtfertigen.

Der Generalanwalt stellt aber klar, dass eine Genehmigungsregelung nicht auf Kriterien beruht, die durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn die Erteilung der Genehmigung von Anforderungen abhängig ist, die für den vom Antragsteller beabsichtigten Dienst technologisch ungeeignet sind.
Er kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist, wenn sie nicht untrennbar mit der Dienstleistung der Beförderung durch Taxis verbunden ist, so dass sie keinen integralen Bestandteil derselben darstellt.

Dann stellt er fest, dass es die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr nicht verbietet, auf einen Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft eine Zulassungsregelung anzuwenden, die für Anbieter wirtschaftlich gleichwertiger Dienstleistungen gilt, die keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellen.
Schließlich weist er darauf hin, dass die Dienstleistungsrichtlinie der Anwendung einer solchen Zulassungsregelung entgegensteht, es sei denn, diese entspricht den in dieser Richtlinie festgelegten Kriterien, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

EuGH: Airbnb ist ein Dienst der Informationsgesellschaft gem Richtlinie 2000/31

EuGH
Urteil vom 19.12.2019
C-390/18
Airbnb Ireland


Der EuGH hat entschieden, dass das Angebot von Airbnbals Dienst der Informationsgesellschaft gem Richtlinie 2000/31 einzuordnen ist.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), der auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft verweist, ist dahin auszulegen, dass ein Vermittlungsdienst, der darin besteht, über eine elektronische Plattform gegen Entgelt eine Geschäftsbeziehung zwischen potenziellen Mietern und gewerblichen oder nicht gewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, anzubahnen, und gleichzeitig auch einige Zusatzdienstleistungen zu diesem Vermittlungsdienst zur Verfügung zu stellen, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist, der unter die Richtlinie 2000/31 fällt.

2. Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass sich ein Einzelner dagegen wehren kann, dass ein Mitgliedstaat gegen ihn im Rahmen eines Strafverfahrens mit Bestellung als Zivilpartei Maßnahmen anwendet, mit denen der freie Verkehr eines Dienstes der Informationsgesellschaft, den er von einem anderen Mitgliedstaat aus anbietet, beschränkt wird, wenn die Maßnahmen nicht entsprechend dieser Bestimmung mitgeteilt wurden.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Frankreich darf von Airbnb nicht verlangen, dass sie über einen Gewerbeausweis für Immobilienmakler verfügt, da diese Anforderung der Kommission nicht gemäß der Richtlinie über den elektronischen Rechtsverkehr mitgeteilt wurde

Mit Urteil von heute der Gerichtshof zum einen entschieden, dass ein Vermittlungsdienst, der darin besteht, über eine elektronische Plattform gegen Entgelt eine Geschäftsbeziehung zwischen potenziellen Mietern und gewerblichen oder nicht gewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, anzubahnen, und gleichzeitig auch einige Zusatzleistungen zu diesem Vermittlungsdienst zur Verfügung zu stellen, als „Dienst der Informationsgesellschaft“
einzustufen ist, der unter die Richtlinie 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr fällt.

Zum anderen ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass sich ein Einzelner dagegen wehren kann, dass ein Mitgliedstaat gegen ihn im Rahmen eines Strafverfahrens mit Bestellung als Zivilpartei Maßnahmen anwendet, mit denen der freie Verkehr eines solchen Dienstes, den er von einem anderen Mitgliedstaat anbietet, beschränkt wird, wenn diese Maßnahmen nicht
entsprechend Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie mitgeteilt wurden.

Der Ausgangsrechtsstreit fügt sich in ein Strafverfahren ein, dass in Frankreich infolge einer Anzeige mit Bestellung als Zivilpartei eingeleitet wurde, die die Association pour un hébergement et un tourisme professionnels (AHTOP, Vereinigung für eine professionelle Beherbergung und einen professionellen Tourismus) gegen Airbnb Ireland erstattet hatte. Airbnb Ireland ist ein irisches Unternehmen, das eine elektronische Plattform verwaltet, die es gegen Entrichtung einer Gebühr u. a. in Frankreich ermöglicht, eine Geschäftsbeziehung zwischen gewerblichen und nichtgewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, und Personen anzubahnen, die solche Unterkünfte suchen. Airbnb Ireland bietet den Vermietern ferner Zusatzleistungen an, wie eine Vorlage zur Festlegung des Inhalts ihres Angebots, eine Haftpflichtversicherung, ein Tool zur Schätzung des Mietpreises oder auch auf diese Leistungen bezogene Zahlungsdienstleistungen.

AHTOP, die gegen Airbnb Ireland Anzeige erstattet hatte, berief sich darauf, dass sich dieses Unternehmen nicht damit begnüge, über die namensgebende Plattform eine Geschäftsbeziehung zwischen zwei Parteien anzubahnen, sondern vielmehr die Tätigkeit eines Immobilienmaklers ausübe, ohne im Besitz eines Gewerbeausweises zu sein, und damit gegen die sogenannte Loi Hoguet verstoße, ein Gesetz, das in Frankreich für berufliche Tätigkeiten im Immobilienbereich gilt.

Airbnb Ireland macht ihrerseits geltend, dass die Richtlinie 2000/31 in jedem Fall dieser Regelung entgegenstehe.

Der Gerichtshof, der zur Einstufung des von Airbnb Ireland angebotenen Vermittlungsdienstes befragt wurde, hat unter Bezugnahme auf das Urteil Asociación Profesional Elite Taxi darauf hingewiesen, dass ein Vermittlungsdienst grundsätzlich einen von der nachfolgenden Dienstleistung, auf die er sich bezieht, unabhängigen „Dienst der Informationsgesellschaft“ darstellt, wenn er den in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 3 – auf den Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 verweist – genannten Voraussetzungen entspricht. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Vermittlungsdienst offensichtlich ein integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung ist, deren Hauptbestandteil rechtlich anders einzustufen ist.

Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass ein Vermittlungsdienst wie der von Airbnb Ireland angebotene diese Voraussetzungen erfüllt und die zwischen diesem Vermittlungsdienst und der Beherbergungsleistung bestehenden Verbindungen nicht die Annahme rechtfertigen, dass er nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist und damit nicht unter die Richtlinie 2000/31 fällt.

Um die Unabhängigkeit eines solchen Vermittlungsdiensts im Verhältnis zu den Beherbergungsleistungen, auf die er sich bezieht, zu unterstreichen, hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass dieser Dienst nicht nur auf die unmittelbare Realisierung solcher Dienstleistungen gerichtet ist, sondern vielmehr im Wesentlichen darin besteht, ein Instrument für
die Präsentation von und die Suche nach zu vermietenden Unterkünften anzubieten, das den Abschluss von künftigen Mietverträgen erleichtert. Daher kann diese Art der Dienstleistung nicht als eine bloße Ergänzung einer Gesamtdienstleistung der Beherbergung angesehen werden. Der Gerichtshof hat sodann hervorgehoben, dass ein Vermittlungsdienst wie der von Airbnb Ireland angebotene für die Erbringung von Beherbergungsleistungen nicht unverzichtbar ist, da Mieter und Vermieter hierzu zahlreiche andere, bisweilen seit Langem verfügbare Kontaktwege offenstehen.

Schließlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich der Akte nichts dafür entnehmen lässt, dass Airbnb den Betrag der von den Vermietern, die ihre Plattform nutzen, verlangten Mieten festlegen oder deckeln würde.

Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass die weiteren, von Airbnb Ireland angebotenen Dienstleistungen diese Feststellung nicht in Frage stellen können, da es sich bei den verschiedenen Dienstleistungen um bloße Ergänzungen zu dem von diesem Unternehmen angebotenen Vermittlungsdienst handelt. Darüber hinaus hat er darauf verwiesen, dass – im Gegensatz zu den in den Urteilen Asociación Profesional Elite Taxi und Uber France in Rede stehenden Vermittlungsdiensten – weder der fragliche Vermittlungsdienst noch die von Airbnb Ireland angebotenen Zusatzdienstleistungen die Feststellung zulassen, dass das Unternehmen einen entscheidenden Einfluss auf die Beherbergungsleistungen ausübt, auf die sich seine Tätigkeit bezieht, und zwar sowohl bezogen auf die Festsetzung des verlangten Mietpreises als auch bezogen auf die Auswahl der Vermieter oder der Unterkünfte, die auf seiner Plattform angeboten werden.

Der Gerichtshof hat zudem geprüft, ob sich Airbnb Ireland im Ausgangsrechtsstreit mit der Begründung, dass die Loi Hoguet von Frankreich nicht gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 mitgeteilt wurde, gegen die Anwendung eines Gesetzes wie der Loi Hoguet wenden kann, mit dem der freie Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft, die von einem Anbieter von einem anderen Mitgliedstaat aus erbracht werden, eingeschränkt wird.

Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der Umstand, dass dieses Gesetz vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2000/31 erlassen wurde, Frankreich nicht von seiner Pflicht zur Unterrichtung befreien kann. Danach hat er in Anlehnung an den im Urteil CIA Security International verfolgten Ansatz festgestellt, dass dieser Pflicht, die eine wesentliche Verfahrensvorschrift darstellt, unmittelbare Wirkung zuzuerkennen ist. Missachtet ein Mitgliedstaat seine Pflicht zur Unterrichtung über eine solche Maßnahme, kann dies daher von einem Einzelnen nicht nur im Rahmen eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens geltend gemacht werden, sondern auch gegenüber dem Schadensersatzbegehren einer anderen Person, die sich als Zivilpartei bestellt hat.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: AIRBNB ist ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der E-Commerce-Richtlinie

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 30.04.2019
C-390/18
Eoin Michael Hession und AIRBNB Ireland UC/Hôtelière Turenne SAS und Association pour un hébergement et un tourisme professionnel (AHTOP) und Valhotel


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass AIRBNB ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der E-Commerce-Richtlinie ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Ansicht von Generalanwalt Szpunar stellt ein Dienst, wie er von der Plattform AIRBNB geleistet wird, einen Dienst der Informationsgesellschaft dar

AIRBNB Ireland, eine Gesellschaft irischen Rechts mit Sitz in Dublin (Irland), verwaltet für alle Nutzer außerhalb der Vereinigten Staaten eine Online-Plattform, die dazu dient, einen Kontakt zwischen Gastgebern (Unternehmern und Privatpersonen), die über zu vermietende Unterkünfte verfügen, und Personen, die solche Unterkünfte suchen, herzustellen.

Infolge einer Beschwerde, die u. a. von der Association pour un hébergement et un tourisme professionnel als Zivilpartei gegen X eingelegt worden war, erhob die Staatsanwaltschaft Paris (Frankreich) am 16. März 2017 Anklage wegen Verstößen gegen das Gesetz zur Regelung der Voraussetzungen für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten im Zusammenhang mit Grundstücken und Geschäften (sogenannte Loi Hoguet) insbesondere hinsichtlich Maklertätigkeiten. AIRBNB Ireland bestreitet, als Grundstücksmaklerin tätig zu sein, und macht geltend, die Loi Hoguet sei nicht anwendbar, da sie mit der Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft unvereinbar sei.
.
Der Juge d’instruction du tribunal de grande instance de Paris (Untersuchungsrichter des Regionalgerichts Paris, Frankreich) hat beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, um zu klären, ob die Leistungen, die AIRBNB Ireland in Frankreich mittels einer von Irland aus betriebenen elektronischen Plattform erbringt, unter die in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Freiheit des Dienstleistungsverkehrs fallen und ob die restriktiven Vorschriften für die Ausübung des Berufs eines Grundstücksmaklers in Frankreich, die in der Loi Hoguet enthalten sind, AIRBNB Ireland entgegengehalten werden können.

Im Hinblick auf die Beantwortung der ersten Vorlagefrage prüft Generalanwalt Maciej Szpunar in den Schlussanträgen vom heutigen Tag, ob in der von AIRBNB Ireland erbrachten Dienstleistung ein Dienst der Informationsgesellschaft gesehen werden kann. Nach einem Hinweis auf die Definition in der Richtlinie über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft stellt der Generalanwalt fest, dass nach der Art des von AIRBNB Ireland geleisteten Dienstes zu fragen sei, nämlich, ob es sich um eine im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien handele und ob sie vollständig mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung erbracht werde und nichts mit Diensten zu tun habe, die zwar mit elektronischen Geräten, aber in materieller Form erbracht würden.

Der Gerichtshof habe in seiner Rechtsprechung bereits bestimmte Kriterien für gemischte Dienste aufgestellt, d. h. solche mit einer elektronisch erbrachten Komponente und einer anderen nicht auf diese Weise erbrachten Komponente. Nachdem der Generalanwalt den Dienst von AIRBNB Ireland anhand dieser Kriterien geprüft hat, schlägt er dem Gerichtshof vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass eine Dienstleistung, die darin bestehe, mittels einer elektronischen Plattform einen Kontakt zwischen potenziellen Mietern und Vermietern herzustellen, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anböten, wobei der Anbieter dieser Dienstleistung keine Kontrolle über die wesentlichen Modalitäten der Beherbergungsleistungen ausübe, einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle. Der Umstand, dass dieser Anbieter auch andere in materieller Form erbrachte Dienstleistungen anbiete, stehe der Einstufung dieser elektronisch erbrachten Dienstleistung als Dienst der Informationsgesellschaft nicht entgegen, vorausgesetzt, die letztere Dienstleistung sei mit den anderen Dienstleistungen nicht untrennbar verbunden. Zu der Möglichkeit, AIRBNB Ireland die Loi Hoguet entgegenzuhalten, führt der Generalanwalt aus, dass dieses Gesetz in dem Fall, der dem Gerichtshof vorliegt, auf den ersten Blick in den Anwendungsbereich der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr falle, da es sich um die Regelung eines anderen Mitgliedstaats als des Herkunftsmitgliedstaats handele, die geeignet sei, die Dienste der Informationsgesellschaft einzuschränken. Eine Anforderung, die ein anderer Mitgliedstaat als derjenige aufstellt, in dem der Anbieter der Dienste der Informationsgesellschaft niedergelassen ist, kann diesem Anbieter nur entgegengehalten werden und nur dann eine Beschränkung des freien Verkehrs dieser Dienste bewirken, wenn sie eine Maßnahme darstellt, die die materiell-rechtlichen und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen gemäß der Richtlinie erfüllt.

Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen gemäß der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass ein anderer als der Herkunftsmitgliedstaat Ausnahmen vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft nur durch „auf den konkreten Einzelfall“ bezogene Maßnahmen vorsehen dürfe. Jedenfalls habe das vorlegende Gericht festzustellen, ob die fraglichen Maßnahmen unter Berücksichtigung aller ihm zur Kenntnis gebrachten Umstände erforderlich seien, um den Verbraucherschutz sicherzustellen, und ob sie nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderliche Maß hinausgingen.

Zu den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen führt der Generalanwalt aus, dass ein Mitgliedstaat, der beabsichtige, Maßnahmen zur Beschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat zu erlassen, zuvor die Kommission über seine Absicht unterrichten und den Herkunftsmitgliedstaat auffordern müsse, Maßnahmen in Bezug auf Dienste der Informationsgesellschaft zu ergreifen. Es deute nichts darauf hin, dass Frankreich Irland aufgefordert hätte, Maßnahmen im Hinblick auf Dienste der Informationsgesellschaft zu ergreifen und auch die Voraussetzung in Bezug auf die Unterrichtung der Kommission scheine nicht erfüllt worden zu sein, und zwar weder während der Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nach Ablauf dieser Frist. Die unterlassene Unterrichtung über eine Maßnahme werde dadurch sanktioniert, dass diese Maßnahme dem Anbieter der betreffenden Dienste nicht entgegengehalten werden könne.

Zu der Frage, ob ein anderer als der Herkunftsmitgliedstaat den Anbietern einer bestimmten Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft Anforderungen in Bezug auf die Ausübung des Berufs eines Grundstücksmaklers wie die in der Loi Hoguet vorgesehenen eigenmächtig und ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen auferlegen darf, vertritt der Generalanwalt die Ansicht, dass die Richtlinie einem Mitgliedstaat verbiete, unter derartigen Umständen und auf eine solche Weise den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mietgliedstaat zu beschränken.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: Angebot von Uber gehört zum Verkehrssektor und ist kein Dienst der Informationsgesellschaft - Lizenzen und Genehmigungen können verlangt werden

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 11.05.2017
C-434/15
Asociación Profesional Elite Taxi / Uber Systems Spain, SL


Der EuGH-Generalanwalt hat ausgeführt, dass das Angebot von Uber zum Verkehrssektor gehört und kein Dienst der Informationsgesellschaft ist. Daher ist es den Mitgliedsstaaten erlaubt, die für den Verkehrssektor erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen zu verlangen.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Ansicht von Generalanwalt Szpunar gehört die elektronische Plattform Uber, bei der es sich um ein innovatives Konzept handelt, zum Verkehrssektor, so dass Uber auferlegt werden kann, die nach nationalem Recht erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen zu erwerben

Für Uber gilt nämlich nicht der durch das Unionsrecht für Dienste der Informationsgesellschaft gewährleistete Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs

Uber ist eine elektronische Plattform, über die durch den Einsatz eines mit der Uber-Applikation (im Folgenden: App) versehenen Smartphones in den Städten, in denen Uber präsent ist, eine Dienstleistung des Personennahverkehrs bestellt werden kann. Die App erkennt den Standort des Nutzers und findet ortsnah verfügbare Fahrer. Nimmt ein Fahrer die Fahrt an, teilt die App dies dem Nutzer mit, wobei das Profil des Fahrers und der geschätzte Preis für die Fahrt zu dem vom Nutzer genannten Ziel angegeben werden. Am Ende der Fahrt wird der Fahrpreis automatisch von der Kreditkarte abgebucht, deren Daten der Nutzer bei seiner Anmeldung zur App angeben muss. Die App enthält auch eine Bewertungsfunktion: Die Fahrer können von den Fahrgästen bewertet werden und umgekehrt. Durchschnittsnoten unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts können zum Ausschluss von der Plattform führen. Im Rahmen des Dienstes namens UberPop befördern Privatleute, die keine Berufskraftfahrer sind, in ihren eigenen Autos die Fahrgäste.

Im Jahr 2014 erhob die Asociación Profesional Elite Taxi (im Folgenden: Elite Taxi), eine berufsständische Vereinigung von Taxifahrern der Stadt Barcelona (Spanien), vor dem Juzgado Mercantil n° 3 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 3 von Barcelona) Klage gegen die spanische Gesellschaft Uber Systems Spain, SL (im Folgenden: Uber Spain), die zu dem Konzern gehört, der
die in Rede stehende Plattform betreibt, wegen unlauteren Wettbewerbs gegenüber den Fahrern von Elite Taxi. Elite Taxi macht insbesondere geltend, Uber Spain sei nicht befugt, in der Stadt Barcelona die Dienstleistung UberPop zu erbringen, weil weder Uber Spain noch die Halter der fraglichen Kraftfahrzeuge oder deren Fahrer über die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona
vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen verfügten.

Da der Juzgado Mercantil n° 3 de Barcelona der Ansicht ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung mehrerer Vorschriften des Unionsrechts erfordere, hat er dem Gerichtshof mehrere Fragen nach der Beurteilung der Tätigkeit von Uber anhand des Unionsrechts sowie nach den aus dieser Beurteilung zu ziehenden Konsequenzen gestellt.

In seinen heutigen Schlussanträgen führt Generalanwalt Maciej Szpunar zunächst aus, dass im Wesentlichen zu klären sei, ob für die von der Plattform Uber angebotenen Leistungen als „Dienste der Informationsgesellschaft“ der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs gelte oder ob sie zu dem im Recht der Mitglidstaaten geregelten Verkehrssektor gehörten. Im erstgenannten Fall könnten die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona für den Betrieb von Uber vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs unvereinbar sein, während es den Mitgliedstaaten im letztgenannten Fall grundsätzlich freistünde, die Tätigkeit von Uber zu reglementieren.

Der Generalanwalt ist der Ansicht, es sei zwar Sache des nationalen Gerichts, den Sachverhalt zu ermitteln und zu bewerten, doch sei der fragliche Dienst ein gemischter Dienst, von dem ein Teil auf elektronischem Weg erbracht werde und der andere Teil definitionsgemäß nicht.

Ein gemischter Dienst könne unter den Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ fallen, wenn (1) die nicht elektronisch erbrachte Leistung von dem elektronisch erbrachten Dienst wirtschaftlich unabhängig sei (wie es u. a. bei Plattformen für den Kauf von Flugtickets oder die Buchung von Hotelzimmern der Fall sei) oder (2) der Anbieter den gesamten Dienst erbringe (d. h. sowohl den auf elektronischem Weg erbrachten Teil als auch den nicht auf elektronischem Weg erbrachten Teil) oder entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen ausübe, unter denen Letzterer erbracht werde, so dass beide Dienste eine untrennbare Einheit bildeten, vorausgesetzt, das zentrale Element (oder alle wesentlichen Bestandteile des Geschäfts) werde auf elektronischem Weg vollzogen (wie es z. B. beim Online-Verkauf von Waren der Fall sei).

Der von Uber angebotene Dienst erfülle keine dieser beiden Voraussetzungen. Die Fahrer, die im Rahmen der Uber-Plattform Beförderungen durchführten, übten keine eigenständige Tätigkeit aus, die unabhängig von der Plattform Bestand hätte. Diese Tätigkeit gebe es vielmehr nur dank der Plattform, ohne die sie bedeutungslos wäre. Uber kontrolliere auch die wirtschaftlich relevanten Faktoren der im Rahmen der Plattform angebotenen Beförderungsdienstleistung. Denn Uber i) lege die Bedingungen für den Zugang der Fahrer zu der Tätigkeit und für deren Ausübung fest, ii) belohne Fahrer, die eine große Zahl von Fahrten durchführten, finanziell und informiere sie über Orte und Tageszeiten, die ihnen voraussichtlich zahlreiche Fahrten und/oder vorteilhafte Tarife verschafften (was Uber in die Lage versetze, ihr Angebot an die Nachfrageschwankungen anzupassen, ohne auf die Fahrer formell Druck auszuüben), iii) kontrolliere, wenn auch indirekt, die Qualität der von den Fahrern verrichteten Arbeit, was sogar zum Ausschluss der Fahrer von der Plattform führen könne, und iv) lege de facto den Preis für den erbrachten Dienst fest. Alle diese Merkmale schlössen es aus, in Uber einen bloßen Vermittler zwischen Fahrern und Fahrgästen zu sehen. Außerdem stelle im Rahmen des von der Plattform Uber angebotenen gemischten Dienstes die Beförderungsleistung (also der nicht auf elektronischem Weg erbrachte Dienst) ohne jeden Zweifel die Hauptleistung dar, die dem Dienst seinen wirtschaftlichen Sinn verleihe.

Die auf elektronischem Weg erbrachte, in der Herstellung des Kontakts zwischen Fahrgast und Fahrer bestehende Leistung habe daher im Verhältnis zur Beförderungsleistung weder eigenständigen noch zentralen Charakter. Aus diesem Grund könne der von Uber angebotene Dienst nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft” eingestuft werden. Es handele sich
vielmehr um die Organisation und den Betrieb eines umfassenden Systems des Personennahverkehrs auf Abruf.

Uber biete auch keinen Mitfahrdienst an, denn der Zielort werde von den Fahrgästen bestimmt, und die Fahrer erhielten eine Bezahlung, die die bloße Erstattung der entstandenen Kosten bei Weitem übersteige.

In Anbetracht dessen, dass die Beförderungsleistung in wirtschaftlicher Hinsicht das zentrale Element darstellt, während der in der Herstellung des Kontakts zwischen Fahrgästen und Fahrern mittels Smartphone-App bestehende Dienst nebensächlich ist, schlägt der Generalanwalt dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass der von der Plattform Uber angebotene Dienst als
„Verkehrsdienstleistung” zu qualifizieren ist.

Aus dieser Auslegung folgt, dass für die Tätigkeit von Uber der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Rahmen der „Dienste der Informationsgesellschaft“ nicht gilt und dass sie somit den Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats unterliegt, in dem sie nicht ansässig sind (konkret dem Erfordernis, die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen zu
erwerben).


Den Schlussantrag finden Sie hier: