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OLG Hamm: Online-Händler haftet für von Google verursachte Wettbewerbsverstöße in Google-Shopping auf Grundlage der Beauftragtenhaftung gemäß § 8 Abs. 2 UWG

OLG Hamm
Beschluss vom 25.11.2024
4 U 87/24


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Online-Händler für von Google verursachte Wettbewerbsverstöße in Google-Shopping auf Grundlage der Beauftragtenhaftung gemäß § 8 Abs. 2 UWG verschuldenunabhängig haftet.

Dem betroffenen Händler bleiben in einem solchen Fall nur Regressansprüche gegen Google.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Weder beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Vielmehr hat das Landgericht die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung wie geschehen zur Unterlassung verurteilt.

1. Der – verschuldensunabhängige – Anspruch des insoweit unstreitig aktivlegitimierten Klägers folgt (jedenfalls) aus § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Hs. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 2 UWG.

Danach kann derjenige unlauter handelnde Marktteilnehmer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der durch einen Mitarbeiter oder Beauftragten eine unzulässige – weil irreführende – geschäftliche Handlung vornimmt, was wiederum dann der Fall ist, wenn die geschäftliche Handlung unwahre Angaben enthält und geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

So liegt der Fall hier.
a. Unstreitig bewarb die Beklagte (vgl. hierzu im Einzelnen die nachfolgenden Ausführungen) die Herrenarmbanduhr „Q.“ am 00.10.2023 über die von Google unterhaltene Shoppingseite zu einem Preis von 398,00 €, obwohl die Uhr zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr lieferbar und auch schon zuvor zu keinem Zeitpunkt für diesen Preis zu erwerben war.

Soweit die Beklagte die Echtheit der vom Kläger zum Nachweis des Wettbewerbsverstoßes vorgelegten Screenshots u. a. vom 00.10.2023 in erster Instanz noch in Zweifel gezogen hat, hält sie nach ihrem Berufungsvorbringen, wonach das Landgericht sie zu Unrecht für die „unstreitig fehlerhafte Anzeige“ verantwortlich gemacht habe, hieran jedenfalls im Berufungsrechtszug nicht weiter fest.

Damit enthielt die vom Beklagten zu verantwortende (s.u.) Werbung eine objektiv unwahre Angabe in Bezug auf das von ihr beworbene Produkt, so dass es nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht weiter darauf ankommt, ob diese Angabe darüber hinaus auch zur Täuschung geeignet gewesen ist (vgl. BeckOK UWG/Rehart/Ruhl/Isele, 26. Ed. 1.10.2024, UWG § 5 Rn. 64, beck-online).

b. Die beanstandete geschäftliche Handlung besitzt auch die von § 5 Abs. 1 UWG geforderte geschäftliche Relevanz, da sie geeignet (gewesen) ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, was von der Berufung jedoch auch nicht in Abrede gestellt wird.

Die geschäftliche Entscheidung, zu deren Veranlassung die Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 UWG geeignet sein muss, ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ dabei weit auszulegen. Er erfasst ist nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet. Daher sind auch solche Irreführungen von Relevanz, die lediglich einen sog. Anlockeffekt bewirken, selbst wenn es nicht zur endgültigen Marktentscheidung – etwa dem Kauf der Ware – kommt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 5 Rn. 1.195, beck-online u. a. unter Verweis auf EuGH GRUR 2014, 196 Rn. 36 – Trento Sviluppo; BGH GRUR 2017, 1269 Rn. 19 – MeinPaket.de II).

Bei der Verfügbarkeit und dem Preis einer beworbenen Ware handelt es sich um Produktmerkmale von so zentraler Bedeutung, dass aus der Feststellung der Irreführung hierüber auf die wettbewerbliche Relevanz geschlossen werden kann, weil derartige Eigenschaften stets geeignet sind, den vorbeschriebenen Anlockeffekt zu bewirken oder gar die Kaufentscheidung zu beeinflussen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 5 Rn. 1.182, beck-online mwN).

c. Gemäß § 8 Abs. 2 UWG hat die Beklagte auch für die unzutreffende Werbeanzeige einzustehen, weil Google vorliegend als Beauftragter der Beklagten handelte.

Nach § 8 Abs. 2 UWG sind der aus § 8 Abs. 1 UWG folgende Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet, wenn die Zuwiderhandlungen in dem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen werden.

aa. Die verfassungskonforme Vorschrift regelt den Unterlassungsanspruch gegen den Unternehmensinhaber bei Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter und Beauftragten im Sinne einer Erfolgshaftung ohne Entlastungsmöglichkeit und schließt Schutzlücken, die bestünden, wenn die allgemeine deliktsrechtliche Haftung des Unternehmers für seine Mitarbeiter wegen Exkulpation entfiele oder bei vertraglicher Übertragung von Verkehrspflichten die Haftung des Überträgers nach § 823 BGB aufgrund der Verengung seiner Pflichten auf Auswahl-, Instruktions- oder Überwachungspflichten ausgeschlossen wäre. Der Inhaber des Unternehmens, dem die geschäftlichen Handlungen zugutekommen sollen, soll sich nicht hinter von ihm abhängigen Dritten verstecken können. Seine Haftung rechtfertigt sich daraus, dass er durch den Einsatz von Mitarbeitern und Beauftragten seinen Geschäftskreis erweitert und damit zugleich das Risiko von Zuwiderhandlungen innerhalb seines Unternehmens schafft. Da er die Vorteile der arbeitsteiligen Organisation in Anspruch nimmt, soll er auch die damit verbundenen und in gewisser Weise auch beherrschbaren Risiken tragen. Darauf, ob diese Risiken im Einzelfall für ihn tatsächlich beherrschbar sind, ob etwa die Zuwiderhandlung ohne sein Wissen oder gar gegen seinen Willen erfolgt, kommt es hingegen nicht an (vgl. statt vieler: Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 8 Rn. 2.33, beck-online mwN).

In Anbetracht dessen ist eine weite Auslegung der Tatbestandsmerkmale „in einem Unternehmen“ und „Mitarbeiter“ und „Beauftragte“ geboten (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 8 Rn. 2.34, beck-online unter Verweis auf BGH GRUR 1995, 605 (607) – Franchise-Nehmer; GRUR 2009, 1167 Rn. 21 – Partnerprogramm; OLG Köln GRUR-RR 2006, 205 (206); OLG Stuttgart GRUR-RR 2009, 343 (346)).

bb. Beauftragter ist danach jeder, der, ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen eines anderen auf Grund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist und dabei in die betriebliche Organisation dergestalt eingliedert ist, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugutekommt und andererseits dem Unternehmensinhaber ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist. Ob der Unternehmensinhaber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ist jedoch unerheblich. Ausreichend ist es vielmehr, dass sich der Unternehmensinhaber einen solchen Einfluss sichern konnte und musste. Unterlässt er dies, handelt er auf eigenes Risiko. Beauftragter eines Unternehmens ist dagegen nicht, wer von diesem lediglich eine Leistung bezieht, die er im eigenen Namen an Endkunden anbietet, sofern er in der Gestaltung seines Vertriebskonzepts sowie seiner Verkaufskonditionen grds. frei ist, weil es in diesem Fall es an der Möglichkeit eines bestimmenden und durchsetzbaren Einflusses des Unternehmens auf den Vertragspartner fehlt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 8 Rn. 2.41, beck-online mwN).

(1) Ausgehend hiervon ist Google im vorliegenden Fall als Beauftragter der Beklagten tätig geworden. Unstreitig besteht zwischen der Beklagten und Google ein Vertrag, aufgrund dessen sich Google dazu verpflichtet hat, die von der Beklagten im Internet angebotenen Produkte im Rahmen und nach den Konditionen seines sog. Adwords-Programms zu bewerben. Damit wird Google im Rahmen der bestehenden vertraglichen Abreden zugunsten der Beklagten tätig, indem es diese beim Warenabsatz unterstützt. Dabei ist Google auch im erforderlichem Umfang in das Unternehmen der Beklagten eingebunden. Zum einen kommt der Erfolg der Handlungen von Google auch der Beklagten zugute, was sich bereits unmittelbar daraus ergibt, dass eine Vergrößerung der Reichweite der Shoppingseiten von Google automatisch eine Reichweitenvergrößerung für die Beklagte nach sich zieht, deren Werbung damit einen (potentiell) größeren Kundenstamm erreicht. Zum anderen steht der Beklagten – entgegen ihrer Sichtweise – auch ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss auf die Werbetätigkeit von Google zu. Anders als die Beklagte meint, spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sie keinen Einblick in und keinen Einfluss auf die von Google zur Generierung der konkreten Suchergebnisse verwendeten Algorithmen hat. Entscheidend ist insoweit allein, dass die Beklagte – durch die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Daten an Google – bestimmt, zu welchen Zeitpunkten Google für welche Produkte und zu welchen Konditionen konkret in ihrem Namen werben darf. Dass dies so ist, folgt unmittelbar aus dem Sachvortrag der Beklagten, wonach Folgendes gilt (vgl. Seite 3 f. der Berufungsbegründung vom 12.11.2024):

„Die Beklagte hat die gesamte Produktpalette zu ihrem Warenbestand elektronisch erfasst und kann diesen Datenbestand im Rahmen des Vertrages mit der Google-Shoppingplattform so zur Verfügung stellen, dass Google bei Erfüllung der Suchfunktionen auf den Datenbestand aus dem Haus der Beklagten zurückgreifen kann.

Das geschieht über eine Schnittstelle, die es Google ermöglicht, bei Eingabe von Suchwörtern auch den Datenbestand der Beklagten mit einzubeziehen.

Bis zur Schnittstelle hat die Beklagte Einflussmöglichkeiten auf den Inhalt der zur Verfügung stehenden Dateien. Danach entscheidet Google automatisiert, in welchem Zusammenhang bei Eingabe von Suchwörtern, seien das Produkt- oder Herstellernamen oder Anbieternamen, diese auf den Googleplattformen wiedergegeben werden.“

Damit steht fest, dass die Beklagte durch die Veränderung des Datenbestandes, den sie Google zur Verfügung stellt, unmittelbar beeinflussen kann, ob und ggf. zu welchen Konditionen die von ihr angebotenen Waren – eine vertragsgemäße Umsetzung durch Google vorausgesetzt – auf den Shoppingseiten von Google erscheinen. Letztlich hat sie hiervon auch in Bezug auf die streitgegenständliche Werbeanzeige Gebrauch gemacht, indem sie „durch einen einfachen Klick auf der eigenen Plattform“ (Seite 5 der der Berufungsbegründung vom 12.11.2024) und das Leeren des Cachs dafür gesorgt hat, dass das unzutreffend beworbene Produkt nicht mehr auf den Google-Shoppingseiten erscheint.

(2) Dass Google von der Beklagten für den bereitgestellten Service auf der Grundlage der durch die Werbung erreichten Klickzahlen gesondert vergütet wird, ändert nichts daran, dass Google als Beauftragter der Beklagte tätig geworden ist.

Insbesondere macht es aus Google keinen sog. Affiliate, der in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse ein Produkt – etwa eine redaktionelle Internetseite – gestaltet, im Rahmen dessen auf die Internetseite des begünstigten Unternehmens verwiesen wird, um im Falle eines dort erfolgten Vertragsabschlusses eine Provision zu erhalten (BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 – I ZR 27/22 – Haftung für Affiliates, GRUR 2023, 343). Denn weder besteht zwischen der Beklagten und Google eine Provisionsabrede (vielmehr erfolgt die Vergütung von Google – wie dargelegt – anhand der generierten Klickzahlen), noch gestaltet Google ein eigenes Produkt in vorbeschriebenen Sinn. Insbesondere fehlt es an einer – wie auch immer gearteten – redaktionellen oder anderweitigen schöpferischen Leistung von Google, die es rechtfertigen würde, von der eigenverantwortlichen Vermarktung eines anderen Produkts auszugehen.

(3) Schließlich verfängt auch der Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. nicht, da der in Bezug genommenen Entscheidung (OLG Frankfurt, Urteil vom 22 August 2019 – 6 U 83/19 –, juris) ein in wesentlichen Punkten anderes gelagerter Sachverhalt zugrunde lag. Dort bestand nämlich – anders als im vorliegenden Fall – kein Vertrag zwischen dem in Anspruch genommenen Verletzer und Google, aufgrund dessen Google im Auftrag des Verletzers Online-Marketingmaßnahmen – insbesondere auf den von Google unterhaltenen Shoppingseiten – entfalten sollte. Vielmehr hat sich das OLG Frankfurt lediglich damit auseinandergesetzt, ob und in welchem Maß ein Unternehmer dafür verantwortlich ist, dass von ihm zu verantwortende Webseiteninhalte, die gegen lauterkeitsrechtliche Bestimmungen verstoßen, von Suchmaschinenbetreibern auch nach einer Abänderung der Inhalte in der ursprünglichen, zu beanstandenden Form unter den Ergebnissen einer „normalen“ Websuche als sog. Snippet wiedergegeben werden.

d. Nach alledem ist es für die Begründetheit des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 UWG unerheblich, dass die unzutreffende Werbeanzeige nach dem Sachvortrag der Beklagten auf einen von Google zu vertretenden Fehler zurückzuführen sein soll. Ob und in welchem Umfang die Beklagte bei Google ggf. Regress nehmen kann, hat der Senat vorliegend nicht zu entscheiden.

2. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist die vom Kläger ausgesprochene Abmahnung berechtigerweise erfolgt, so dass er gemäß § 13 Abs. 3 UWG von der Beklagten auch Ersatz der hierfür erforderlichen – und von der Berufung nicht in Abrede gestellten – Aufwendungen verlangen kann.

II. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Keine Mitbewerbereigenschaft wenn Unternehmen aufgrund eines laufenden Prüfverfahrens für Arzneimittel auf den Markteintritt wartet

OLG Frankfurt
Urteil vom 14.11.2024
6 U 188/24


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine Mitbewerbereigenschaft vorliegt, wenn ein Unternehmen aufgrund eines laufenden Prüfverfahrens für ein Arzneimittel noch auf den Markteintritt wartet.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Neues Arzneimittel - Kein Wettbewerbsverhältnis bei noch laufendem Prüfverfahren
Oberlandesgericht Frankfurt am Main verneint Wettbewerbsverhältnis bei noch laufendem Prüfverfahren für zukünftige potentielle Arzneimittel.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Urteil entschieden, dass ein Unternehmen, dessen potentielle Arzneimittel gegen eine bestimmte Tumorerkrankung sich gegenwärtig noch in der Prüfphase befinden, nicht den Vertrieb von Arzneimitteln ohne behördliche Zulassung eines Dritten unterbinden kann. Es fehle am gegenwärtig bestehenden konkreten Wettbewerbsverhältnis. Allein die Reduktion des für die Prüfphase erforderlichen Probandenpools durch die Verabreichung des Arzneimittels des Dritten genüge nicht.

Die Parteien streiten im Eilverfahren über die Zulässigkeit der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln zur Behandlung von insbesondere bei Kindern auftretenden Tumorerkrankungen. Die Beklagte vertreibt in Deutschland Arzneimittel zur Behandlung dieser Tumorerkrankung ohne behördliche Zulassung. Die Klägerin befindet sich mit ihren Arzneimitteln zur Behandlung dieser Erkrankungen gegenwärtig in der Prüfphase.

Das Landgericht hatte die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, Arzneimittel mit konkret benannten Wirkstoffen zur Behandlung von Tumoren, zum Beispiel Gliomen mit einer bestimmten Mutation, in Deutschland ohne behördliche Zulassung in den Verkehr zu bringen.

Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Mangels Mitbewerberstellung könne die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch geltend machen, führte der zuständige 6. Zivilsenat aus. Auf die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit komme es damit nicht an.

Mitbewerber sei jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen im konkreten Wettbewerbsverhältnis stehe. Dabei müsse der Mitbewerber seine entsprechende unternehmerische Tätigkeit im Zeitpunkt der beanstandeten Verletzungshandlung bereits aufgenommen – und nicht wieder aufgegeben – haben. Allein ein potentielles Wettbewerbsverhältnis genüge nicht; es berge vielmehr die Gefahr uferloser Ausweitung. Wieweit konkrete Vorbereitungshandlungen genügten, werde unterschiedlich bewertet.

Hier handele es sich bei der Klägerin allein um eine potentielle Mitbewerberin. Ihre Stellung genüge nicht für die Begründung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses. Die Klägerin befinde sich mit ihren Arzneimitteln noch in der Prüfphase (Phase I bzw. III). Zulassungen existierten weder in Europa noch in den USA. Der beabsichtigte Markteintritt hänge gegenwärtig noch von einer Vielzahl von Faktoren ab, die nur teilweise von der Klägerin beeinflusst werden könnten. Allein das Durchlaufen kostenintensiver Prüfungen könne noch nicht als Vorbereitungshandlung mit hinreichender Nähe zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs – vergleichbar etwa mit der Anmietung von Räumlichkeiten – angesehen werden.

Soweit zwar auch in der Prüfphase Patienten bereits mit dem ggf. gegen Krebserkrankungen wirksamen Medikament der Klägerin behandelt würden, so wie sie das der Beklagten erhielten, sei dies ohne wettbewerbliche Relevanz. Wettbewerbsinteressen habe die Antragstellerin nicht im Hinblick auf dem aktuellen, sondern nur auf den zukünftigen Markt. Gegenwärtig gehe es der Klägerin allein um die Sicherung des Prüf- und des Zulassungsverfahrens angesichts einer begrenzten Patienten- und Probandenpopulation. Es sei für sie zwar elementar, auf eine ausreichende Zielgruppe zurückgreifen zu können, die noch nicht mit „den Nachbauten“ der Beklagten behandelt würden. Diese mittelbaren Interessen am künftigen potentiellen Markteintritt reichten jedoch nicht, um ein konkrete Wettbewerbsverhältnis zu begründen.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.11.2024, Az.: 6 U 188/24
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.5.2024, Az.: 2-06 O 42/24)



LG Koblenz: Grundsätzlich kein Wettbewerbsverstoß durch Abwerben von Mitarbeitern durch einen Mitbewerber sofern keine zusätzlichen unlauteren Umstände vorliegen

LG Koblenz
Beschlus vom 17.09.2024
11 O 12/24


Das LG Koblenz hat entschieden, dass grundsätzlich kein Wettbewerbsverstoß durch Abwerben von Mitarbeitern durch einen Mitbewerber vorliegt, sofern keine zusätzlichen unlauteren Umstände hinzutreten.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Antrag ist unbegründet, da weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund vorliegen. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 4, 4a UWG gegen die Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin hat keine nach §§ 4, 4a UWG unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen. Zwar liegt zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vor. Jedoch hat die Antragsgegnerin mangels gezielter Behinderung der Antragstellerin nicht unlauter gemäß § 4 Nr. 4 UWG gehandelt.

Die Freiheit des Wettbewerbs erstreckt sich auch auf die Nachfrage nach Arbeitnehmern. Unternehmer haben keinen Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter. Die für ein Unternehmen Tätigen sind zudem in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei (Art. 12 GG). Das Abwerben von Mitarbeitern eines Unternehmers, gleichgültig, ob er auf dem Absatzmarkt Mitbewerber ist oder nicht, ist daher lauterkeitsrechtlich grundsätzlich erlaubt (BGH GRUR 1961, 482 – Spritzgussmaschine; BGH GRUR 1966, 263 – Bau-Chemie; BGH GRUR 1984, 129 (130) – shop-in-the-shop I; BGH GRUR 2006, 426 Rn. 18 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; OLG Karlsruhe GRUR 2002, 459; OLG Hamm GRUR-RR 2004, 27 (29); OLG Frankfurt WRP 2018, 983 Rn. 6). Dies gilt auch dann, wenn die Abwerbung bewusst und planmäßig erfolgt (BGH GRUR 1966, 263 – Bau-Chemie), insbesondere von einem Mitbewerber im Absatz oder einem von ihm beauftragten berufsmäßigen Abwerber (Headhunter, Personalberater) ausgeht. Grundsätzlich spielt es auch keine Rolle, welche (Schlüsselkräfte) oder wie viele Mitarbeiter abgeworben werden. Der Abwerbende braucht auch sein Vorhaben dem bisherigen Arbeitgeber nicht mitzuteilen, um ihm ein Bleibeangebot zu ermöglichen.

Da Mitarbeiterabwerbung grundsätzlich zulässig ist, müssen zur Begründung der Unlauterkeit besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände sind gegeben, wenn der konkurrierende Unternehmer mit der Abwerbung einen verwerflichen Zweck verfolgt oder bei der Abwerbung selbst verwerfliche Mittel oder Methoden anwendet (BGH GRUR 1966, 263 (265) – Bau-Chemie; GRUR 2006, 482 – Direktansprache am Arbeitsplatz II). Bei der Bewertung, ob die besonderen Umstände wettbewerbswidrig sind, ist stets eine Gesamtabwägung der Interessen des ab- und des anwerbenden Unternehmens, des Mitarbeiters und der Allgemeinheit anzustellen. Für den Fall, dass ein Unternehmen einen abgeworbenen Mitarbeiter rückabwerben will, gelten dieselben Maßstäbe. Allerdings kann dies nur gelten, wenn die Abwerbung an sich schon wettbewerbskonform war. Bei einer wettbewerbswidrigen Abwerbung, sind bei der Rückabwerbung mildere Maßstäbe anzulegen (BGH GRUR 1967, 428 (429) – Anwaltsberatung).

Meist wird mit der Abwerbung eines Mitarbeiters versucht die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern oder zu verbessern. Dies allein ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein verwerflicher Zweck wird aber verfolgt, wenn der Abwerber nicht sein eigenes unternehmerisches Fortkommen bezweckt, sondern primär die wirtschaftliche Entfaltung des Konkurrenten behindert werden soll (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG § 4 Rn. 328). Eine solche Behinderungsabsicht ist anzunehmen, sobald der Arbeitnehmer vom Abwerbenden nicht benötigt wird oder nur gezielt, von einem ganz bestimmten Unternehmen abgeworben wird, ohne die anderen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu sondieren (KBF/Köhler UWG § 4 Rn. 4.105).

Es ist unlauter, einen Mitarbeiter abzuwerben, indem man ihn zum Vertragsbruch verleitet (BGH GRUR 1961, 482 (483) – Spritzgussmaschinen; GRUR 2007, 800 Rn. 14 – Außendienstmitarbeiter; Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Hierzu zählen Fälle der Verletzung einer wesentlichen Pflicht aus einem gültigen Vertragsverhältnis (Harte- Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG § 4 Rn. 336). Dies ist beispielsweise zu bejahen im Fall der sofortigen Einstellung der Arbeit, bei einer provozierten Kündigung oder in der Verletzung von Ausschließlichkeitsvereinbarungen oder Wettbewerbsverboten (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Wer als Abwerber bewusst und gezielt auf den Vertragsbruch eines Mitarbeiters eines Mitbewerbers hinwirkt, verleitet diesen. Das setzt voraus, dass der Abwerbende zumindest Kenntnis von dem geschlossenen Vertrag hat oder sich dieser bewusst verschlossen hat (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Dagegen reicht fahrlässige Unkenntnis grundsätzlich nicht aus (BGH GRUR 1975, 555 (557) – Speiseeis).

Ferner zulässig ist es dem Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen Kündigung helfend zur Seite zu stehen (Kündigungshilfe) (zur Kündigungshilfe beim Kunden BGH GRUR 2005, 603 (604) – Kündigungshilfe). Ebenso darf das Kündigungsschreiben vom neuen Arbeitgeber übermittelt werden oder für eine rechtmäßige Kündigung eine Prämie ausgelobt werden (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/30).

Gemessen an den dargelegten Grundsätzen ist für die Kammer kein unlauteres Verhalten der Antragsgegnerin zu erkennen. Besondere Umstände, die bei der grundsätzlich zulässigen Mitarbeiterabwerbung Unlauterkeit begründen würden, liegen nicht vor.

Eine Behinderungsabsicht der Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich. Die wechselwilligen Mitarbeiter waren zuvor bei ihr tätig, sodass sie ein erhebliches Eigeninteresse an der Weiterbeschäftigung dieser Mitarbeiter hat und diese benötigt.

Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, dass die Antragsgegnerin die wechselwilligen Mitarbeiter zur Verletzung zum Vertragsbruch verleite, ist dies von der Antragstellerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Die Kammer stellt vorab klar, dass die Kündigungen nach eigenem Vortrag der Antragstellerin nicht jeweils kurz vor Arbeitsbeginn erfolgt sind. Lediglich zwei der sechs erklärten Kündigungen erfolgten am 28.08.2024 bzw. am 30.08.2024 und damit kurz vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn am 01.09.2024. Alle anderen Kündigungen wurden jeweils mindestens einen Monat vor dem anvisierten Eintrittsdatum erklärt. Allein aus dem Umstand, dass die Kündigungen in Wortlaut, Aufbau und Form identisch sind, folgt nicht, dass diese von der Antragsgegnerin herrühren. Ein dahingehendes konzertiertes und koordiniertes Vorgehen durch die Antragsgegnerin ist weder dargelegt noch bewiesen. Aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Frau M. S. (Anlage AS-28) sowie des Herrn Y. E. (Anlage AS-29) folgt weder, dass die Antragsgegnerin für die Kündigungen oder den Nichtantritt der Arbeitsstelle bei der Antragstellerin verantwortlich ist, noch, dass die wechselwilligen Mitarbeiter E., K., W., We., D., U. und Ko. nun wieder bei der Antragsgegnerin beschäftigt sind. Die Zeugin M. S. (Anlage AS-28) versicherte lediglich, dass bei einer Betriebsversammlung am 16.05.2024 angekündigt worden sei, dass jeder, der bis Ende des Jahres bei der Antragsgegnerin arbeite, eine Prämie von bis zu 1.000 € erhalte. Diese sei ihr gegenüber nach Ausscheiden nochmals in Höhe von 3.000 € angeboten worden. Auch der Zeuge E. versicherte lediglich, dass ihm eine Prämienzahlung von 2.000 € für den Wiedereintritt in das Arbeitsverhältnis mit der Antragsgegnerin versprochen worden sei. Die Ankündigung der Prämienzahlung im Rahmen der Betriebsversammlung sollte allen Mitarbeitern und nicht nur den wechselwilligen Mitarbeitern zu Gute kommen. Dass den anderen wechselwilligen Mitarbeitern eine erhöhte Prämienzahlung außerhalb der Betriebsversammlung angeboten worden ist, ist hingegen nicht ersichtlich. Auch soweit sich die Antragstellerin auf die vermeintliche telefonische Einwirkung des Herrn F. auf den wechselwilligen Mitarbeiter Herrn U. beruft, ist dieser Vortrag nicht belegt. Soweit die Zeugin S. und der Zeuge E. versichern, dass den wechselwilligen Mitarbeitern rechtliche Unterstützung, um trotz unterschriebenen Vertrag bei der Antragsgegnerin bleiben zu können, von der Antragsgegnerin zugesichert worden sei, stellt dies nicht schon - wie von der Antragstellerin angenommen - eine kostenfreie Rechtsberatung dar. Dass eine solche tatsächlich durchgeführt wurde, ist hingegen nicht dargetan.

Auch sofern die Lösung des Vertrags durch die wechselwilligen Mitarbeiter einen Vertragsbruch darstellen würde, ist dies allein die Entscheidung des Beschäftigten. Im Falle der Vertragsverletzung kann der Arbeitgeber gegen ihn vorgehen. Eine unlautere Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der wechselwilligen Mitarbeiter durch eine - als wahr unterstellte - Hilfe bei der Fertigung der Kündigung oder die - vermeintliche - Auszahlung einer Prämie ist nicht gegeben. Unlauterkeit soll nur bei Druck, unangemessenem Einfluss oder Irreführung des Arbeitnehmers vorliegen (vgl. §§ 4a, 4 Nr. 1 und §§ 2, 5, 5a). Ebenso ist von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin als Abwerbende Kenntnis von den konkret geschlossenen Verträgen der wechselwilligen Mitarbeiter mit der Antragstellerin hatte. Zwar gibt die Zeugin S. in ihrer eidesstattlichen Versicherung an, dass einige Verträge von der Antragsgegnerin gesehen worden seien und diese daraufhin erklärt habe, dass die Verträge einer Rückkehr zur Antragsgegnerin nicht im Weg stünden. Welche Verträge der Antragsgegnerin konkret vorgelegen haben sollen, wird jedoch nicht klar. Angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltungen der der Kammer vorliegenden Verträge, kann anhand der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung nicht beurteilt werden, von welchen Arbeitsverträgen die Antragsgegnerin Kenntnis gehabt haben soll.

Auch ein Verfügungsgrund liegt nicht vor. Die Vermutung der Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG ist widerlegt. Die Antragstellerin hat durch ihr eigenes Verhalten, insbesondere das Zuwarten mit der Antragstellung bis zum 16.09.2024 die erforderliche Dringlichkeit selbst widerlegt (MüKoZPO/Drescher Rn. 19). Eine späte Antragstellung ist dann schädlich, wenn dem Gläubiger die Gefährdung seiner Rechtstellung bekannt war oder aus grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb. Wie lange der Antragsteller nach dem so ermittelten Zeitpunkt noch zuwarten darf, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (OLG Koblenz NJW-RR 2011, 624). Regelmäßig werden ihm aber nicht mehr als ein bis zwei Monate zugebilligt (OLG Koblenz NJW-RR 2011, 624). Die ersten Kündigungen der wechselwilligen Mitarbeiter We., K. und W. erfolgten bereits am 13.06.2024 bzw. am 17.06.2024, mithin drei Monate vor Antragstellung. Die Kündigung des wechselwilligen Mitarbeiters E. erfolgte am 30.07.2024. Dass diese Mitarbeiter nach bereits erklärter Kündigung voraussichtlich nicht zur Arbeitsaufnahme am 01.09.2024 erscheinen würden, war für die Antragstellerin bereits in diesem Zeitpunkt voraussehbar. Spätestens am 01.09.2024, als endgültig klar wurde, dass diese Mitarbeiter ihre Arbeit nicht antreten, hatte die Antragstellerin vollumfänglich Kenntnis von der Gefährdung ihrer Rechtsstellung. Mit dem weiteren Zuwarten mit der Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bis zum 16.09.2024 hat die Antragsgegnerin die Dringlichkeit selbst widerlegt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse durch kostenlose Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf Online-Portal eines Landkreises

BGH
Urteil vom 26.09.2024
I ZR 142/23


Der BGH hat entschieden, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse durch kostenlose Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf dem Online-Portal eines Landkreises vorliegt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Kostenlose Veröffentlichung von Stellenanzeigen im Online-Portal des Landkreises verstößt gegen
Gebot der Staatsferne der Presse

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Angebot kostenloser Stellenanzeigen im Online-Portal eines Landkreises eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand darstellt und im Streitfall gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt.

Sachverhalt:

Die Klägerin verlegt eine Tageszeitung in gedruckter und digitaler Form sowie ein Anzeigenblatt und unterhält zwei Online-Portale. In diesen Medien werden Stellenanzeigen gegen Entgelt veröffentlicht. Der beklagte Landkreis betreibt unter anderem ein Online-Portal, das für den Landkreis als Arbeits- und Lebensstandort werben soll und auf dem unentgeltlich Stellenanzeigen privater Unternehmen und öffentlich-rechtlicher Institutionen veröffentlicht werden.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, das Angebot kostenloser Stellenanzeigen verstoße gegen das Gebot der Staatsferne der Presse.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.

Mit seiner vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.

Das beanstandete Angebot kostenloser Stellenanzeigen auf dem Online-Portal des beklagten Landkreises verstößt gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse und ist nach § 3a UWG wettbewerbswidrig.

Die Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf dem Online-Portal des Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Die Unentgeltlichkeit des Angebots ist dabei nicht von maßgeblicher Bedeutung. Bei der Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand vorliegt, ist im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand im Gegensatz zu privaten Unternehmen nicht auf die Erzielung von Gewinnen angewiesen ist und Verluste durch Steuern, Abgaben oder Beiträge decken kann. Geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand weisen aus diesem Grund nicht zwingend einen Unternehmensbezug im Sinne einer auf den entgeltlichen Absatz von Waren oder Dienstleistungen gerichteten Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr auf. Die öffentliche Hand kann sich einer lauterkeitsrechtlichen Überprüfung ihres Verhaltens nicht dadurch entziehen, dass sie die ihr - im Gegensatz zu privaten Unternehmen - eröffnete Möglichkeit nutzt, Waren oder Dienstleistungen unentgeltlich anzubieten.

Der Bundesgerichtshof hat auch die Beurteilung des Berufungsgerichts gebilligt, wonach das Angebot kostenloser Stellenanzeigen gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt. Das Berufungsgericht hat dabei zutreffend allein auf das beanstandete Angebot kostenfreier Stellenanzeigen abgestellt, weil im Streitfall - anders als in Fällen, in denen der redaktionelle Teil einer Publikation der Gemeinde als die Presse substituierend beanstandet wurde - nur dieser wirtschaftliche Aspekt in Rede steht, der aber ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst wird, die sich auf den Anzeigenteil erstreckt. Keinen Rechtsfehler weist auch die Würdigung des Berufungsgerichts auf, der Betrieb der Jobbörse sei geeignet, der Klägerin und anderen Verlegern von Zeitungen oder sonstigen Medien im Landkreis in erheblichem Umfang Kunden für Stellenanzeigen und damit auch die wirtschaftliche Grundlage für die Herausgabe von Presseerzeugnissen zu entziehen.

Vorinstanzen:

LG Osnabrück - Urteil vom 5. September 2022 - 11 O 667/22

OLG Oldenburg - Urteil vom 22. September 2023 - 6 U 124/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist […]

2. "geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen; […]

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG

[…] Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. […]



VG Köln: Erste Entscheidung der Bundesnetzagentur über Entgelte die ein Unternehmen von einem Mitbewerber für den Zugang zum Glasfasernetz erheben darf rechtswidrig

VG Köln
Beschluss vom 15.03.2024
1 L 2288/23


Das VG Köln hat entschieden, dass die erste Entscheidung der Bundesnetzagentur über Entgelte, die ein Unternehmen von einem Mitbewerber für den Zugang zum Glasfasernetz erheben darf, rechtswidrig ist.

Die Pressemitteilung des VG Köln:
VG Köln: Erste Entscheidung der BNetzA über Entgelte für den Zugang zu einem öffentlich geförderten Glasfasernetz rechtswidrig

Die erste Entscheidung der Bundesnetzagentur über Entgelte, die ein Unternehmen von einem Mitbewerber für den Zugang zu seinem öffentlich geförderten Glasfasernetz erheben darf, ist rechtswidrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit einem nunmehr den Beteiligten zugestellten Beschluss vom 15.03.2024 entschieden und damit einem Eilantrag der Vodafone GmbH stattgegeben.

Betreiber öffentlich geförderter Glasfasernetze müssen anderen Telekommunikationsunternehmen Zugang zu diesem Netz gewähren. Durch diese Verpflichtung soll der Wettbewerb auf dem Endkundenmarkt gefördert werden. Einigen sich beide Unternehmen nicht über die vertraglichen Bedingungen des Zugangs, legt die Bundesnetzagentur diese auf Antrag in einem Streitbeilegungsverfahren fest. Einer solchen Entscheidung wird Bedeutung auch für künftige vergleichbare Verfahren beigemessen.

Mit Beschluss vom 31.10.2023 legte die BNetzA in einem Streitbeilegungsverfahren (BK11-23-003) zwischen der Vodafone GmbH und der M-net Telekommunikations GmbH monatliche Entgelte je Endkundenanschluss für den Zugang zu einem von der Vodafone GmbH betriebenen öffentlich geförderten Glasfasernetz im Main-Kinzig-Kreis fest. Dazu hatte sie Durchschnittspreise aus derzeit in nicht geförderten Gebieten Deutschlands zwischen Unternehmen vereinbarten monatlichen Entgelten für die Mitnutzung von Glasfasernetzen errechnet. Gegen den Beschluss der BNetzA erhob die Vodafone GmbH einen Eilantrag. Diesem gab das Gericht nunmehr statt.

Zur Begründung führt das Gericht im Wesentlichen aus: Der Beschluss ist bereits formell rechtswidrig, da die BNetzA den Beteiligten nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hat. Nach der Auswertung einer Marktabfrage durch die BNetzA hatten die Beteiligten keine Möglichkeit, zu der Frage Stellung zu nehmen, wie auf der Grundlage dieser Daten Entgelte für den Netzzugang zu errechnen sind. Inhaltlich hätte sich die BNetzA nicht auf die Festlegung von monatlichen Überlassungsentgelten beschränken dürfen. Nach dem Gesetz ist sie verpflichtet, faire und diskriminierungsfreie Bedingungen einschließlich der Entgelte festzulegen. Da weitere Vertragsbedingungen wie etwa die Frage, ob eine Mindestabnahmemenge besteht oder ob es zusätzlich zum monatlichen Betrag Einmalentgelte gibt, Einfluss auf die Kalkulation haben, hätten diese nicht ungeregelt bleiben dürfen. Des Weiteren ist die Durchschnittspreisbildung fehlerhaft, da u.a. Preise aus unterschiedlichen Geschäftsmodellen mit variierender Risikoverteilung miteinander vermengt worden sind. Darüber hinaus ging die BNetzA fehlerhaft davon aus, dass im Zeitpunkt ihrer Entscheidung veröffentlichte Preise im Sinne der zu beachtenden europäischen Beihilferegelungen vorlagen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 1 L 2288/23



BGH: Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG bei wettbewerbswidriger Anschwärzung nach § 4 Nr. 2 UWG nur wenn eine Vielzahl von Mitbewerbern und mindestens ein Mitglied betroffen ist

BGH
Urteil vom 23.01.2024
I ZR 147/22
UWG § 4 Nr. 2, § 8 Abs. 3 Nr. 2

Der BGH hat entschieden, dass die Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG bei wettbewerbswidriger Anschwärzung nach § 4 Nr. 2 UWG nur dann bestehen wenn eine Vielzahl von Mitbewerbern und mindestens ein Mitgliedsunternehmen betroffen ist.

Leitsatz des BGH:
Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass stets allein die in ihrem individuellen Schutzinteresse betroffenen Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen einer (möglichen) Anschwärzung gemäß § 4 Nr. 2 UWG befugt sind. Eine kollektive Anspruchsdurchsetzung durch Wirtschaftsverbände im Sinn des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist vielmehr dann zulässig, wenn sich die Anschwärzung nicht lediglich gegen einen individualisierten Mitbewerber, sondern gegen eine Mehrheit von Mitbewerbern richtet, und zumindest einer der betroffenen Mitbewerber Mitglied des klagenden Verbands ist.

BGH, Urteil vom 23. Januar 2024 - I ZR 147/22 - OLG Düsseldorf - LG Mönchengladbach

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Verliert der Löschungsantragsteller im Markenlöschungsverfahren seine Beteiligtenfähigkeit ist der Löschungsantrag als unzulässig zu verwerfen

BGH
Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZB 114/17
Kaffeekapsel II
MarkenG § 82 Abs. 1, § 89 Abs. 4; ZPO § 50


Der BGH hat entschieden, dass ein Löschungsantrag im Markenlöschungsverfahren als unzulässig zu verwerfen ist, wenn der Löschungsantragsteller seine Beteiligtenfähigkeit verliert.

Leitsätze des BGH:
a) Verliert der Löschungsantragsteller oder derjenige, der im Hinblick auf eine IR-Marke einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine Beteiligtenfähigkeit, ist der Löschungsantrag beziehungsweise der Schutzentziehungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

b) Ist der angefochtene Beschluss des Bundespatentgerichts aufzuheben, weil der Antragsteller des Verfahrens seine Beteiligtenfähigkeit verloren hat, und ist aus diesem Grund eine Sachentscheidung durch das Bundespatentgericht nicht mehr erforderlich, kann der Bundesgerichtshof von einer Zurückverweisung an das Bundespatentgericht absehen und abschließend selbst entscheiden.

BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZB 114/17 - Bundespatentgericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamburg: Keine wettbewerbsrechtliche Haftung eines Unternehmens nach § 8 Abs. 2 UWG für rein private Äußerungen eines Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk

OLG Hamburg
Urteil vom 31.08.2023
5 U 27/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Unternehmen nicht gemäß § 8 Abs. 2 UWG nach den Grundsätzen der Beauftragtenhaftung für rein private Äußerungen eines Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk haftet.

Aus den Entscheidungsgründen:
a. Die Klägerin zu 1) ist als Mitbewerberin der Beklagten grundsätzlich aktivlegitimiert, ihr steht aber kein Anspruch nach §§ 4 Nr. 1 und/oder Nr. 2, 8 Abs. 2 UWG zu. Die streitgegenständliche Äußerung des Mitarbeiters der Beklagten führt nicht dazu, dass der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte ein solcher Anspruch zusteht.

Randnummer42
aa. Es fehlt bereits an einer wettbewerbswidrigen Handlung des Herrn J., die der Beklagten gem. § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet werden könnte. Werden Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind gem. § 8 Abs. 2 UWG der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Voraussetzung einer Haftung des Unternehmens ist hiernach, dass der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst eine Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften begangen hat (arg. „auch“). § 8 Abs. 2 UWG greift also nicht ein, wenn der Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten (z.B. wegen Fehlens einer geschäftlichen Handlung oder wegen zulässiger Abwehr) nicht entstanden ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2014, 270, 271; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. § 8 Rn. 2.38). Darauf, ob der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG n.F./§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG a.F. ist, kommt es aber für § 8 Abs. 2 UWG nicht an(vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 2 Rn. 8.9).

Die angegriffene Äußerung „Die B. Brüder haben wegen diesen und einigen anderen Methoden bereits einige Strafverfahren bekommen“ stellt eine unwahre Tatsachenbehauptung über Mitglieder der Unternehmensleitung der Klägerin zu 1) dar. Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und damit dem Beweis zugänglich sind (Eisele/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 186 Rn. 3 m.w.N.). Entgegen der seitens der Beklagten geäußerten Ansicht hat Herr J. nicht lediglich den Tenor der kritischen Berichterstattung über die Tätigkeit der „B.-Brüder“ wertend wiedergegeben. Ob Strafverfahren eingeleitet wurden, stellt vielmehr einen dem Beweis zugänglichen Vorgang dar. Auch in der Laiensphäre und Alltagssprache ist mit dem Begriff des Strafverfahrens ein Verfahren der Strafverfolgungsbehörden und/oder Strafgerichte gemeint. Die Äußerung, die „B.-Brüder“ hätten Strafverfahren „bekommen“, bringt die Einleitung solcher Verfahren zum Ausdruck. Ob die weiteren Voraussetzungen der § 4 Nr. 1 und/oder Nr. 2 UWG erfüllt sind, kann offenbleiben.

Vorliegend ist eine geschäftliche Handlung des Herrn J. nicht festzustellen. Sowohl § 4 Nr. 1 UWG als auch § 4 Nr. 2 UWG setzen eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F./§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. voraus (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 4 Rn. 1.10 und 2.11). Hiernach ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Das Merkmal des objektiven Zusammenhangs ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 17 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; BGH GRUR 2015, 694 Rn. 21 – Bezugsquellen für Bachblüten; BGH GRUR 2019, 1202 Rn. 13 – Identitätsdiebstahl; BGH GRUR 2020, 886 Rn. 32 – Preisänderungsregelung; BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 30 – Influencer I). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zu Verbrauchern, sondern auch zu Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 19 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.55). Es besteht keine Vermutung, dass die Handlung eines Unternehmers, die in den Bereich seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit fällt, mit der Förderung des Absatzes des eigenen Unternehmens oder gar der Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens objektiv zusammenhängt. Die Frage, ob eine Handlung vorrangig der Förderung des eigenen oder fremden Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder aber anderen Zielen dient, ist vielmehr aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32, 68 – Influencer I). Die objektive Eignung zur Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ist für die Annahme einer geschäftlichen Handlung relevant (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 20 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (364)), aber nicht in jedem Fall ausreichend (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2023, 139 Rn. 37; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.48). Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn die Handlung bei der gebotenen objektiven Betrachtung vorrangig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. BGH GRUR 2015, 694 Rn. 22 – Bezugsquellen für Bachblüten; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (364)). Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen, unterfallen demnach nicht dem UWG (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 31 – Influencer I; BGH GRUR 2016, 710 Rn. 12 – Im Immobiliensumpf; BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 27.7.2021 – 6 W 64/21, GRUR-RS 2021, 21101 Rn. 7 ff.). Das Verfolgen solcher, etwa weltanschaulicher, Ziele schließt allerdings nicht aus, dass die Handlung gleichzeitig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs dient. Ist auf Grund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls bei objektiver Betrachtung vorrangig ein solches Ziel anzunehmen, so liegt eine geschäftliche Handlung vor (BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten). Das Handeln Privater stellt jedenfalls dann keine geschäftliche Handlung dar, wenn es bei objektiver Betrachtung nicht vorrangig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.65; Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 38). Insoweit ist zwar die aus den äußeren Umständen zu erschließende Zielrichtung des Handelnden von Bedeutung (vgl. Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 47). Auf die (tatsächlichen) Vorstellungen der Beteiligten kommt es aber nicht an (vgl. Alexander in BeckOK UWG, 20. Ed., § 2 Rn. 141). Es ist danach zu fragen, ob sich die handelnde Person aus der Sicht eines objektiven Betrachters als Privatperson zu einem Geschehen äußert oder zugleich geschäftliche Zwecke verfolgt (vgl. Alexander in BeckOK UWG, 20. Ed., § 2 Rn. 143).Bei Mitarbeitern eines Unternehmens ist ein Handeln zugunsten eines fremden Unternehmens jedenfalls – aber nicht nur – anzunehmen, wenn sie im Namen oder Auftrag des anderen Unternehmers tätig werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (365)). Hierfür ist es nicht erforderlich, dass ihnen eine für das Unternehmen bedeutsame Funktion zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen wurde und sie das Unternehmen gewissermaßen „repräsentieren“. Es reicht vielmehr aus, dass sie nach außen als Vertreter oder Beauftragte in Erscheinung treten (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58).

Bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände war die Äußerung des Herrn J. nicht darauf gerichtet, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Aus Sicht eines objektiven Betrachters handelte es sich um eine rein private Äußerung des Herrn J., die allein privaten Zwecken diente. Die streitgegenständliche Äußerung erfolgte als Kommentar zu einer Nachricht von Herrn B. R., die wiederum einen Kommentar zu einer Äußerung des Herrn A. K. darstellte. Unabhängig davon, ob diese Facebook-Kommunikation öffentlich zugänglich war, war die Kommunikation privater Natur. Im nach § 314 ZPO zugrunde zu legenden Tatbestand des angegriffenen Urteils des Landgerichts heißt es, dass es sich bei Herrn K. um einen privaten Facebook-Kontakt von Herrn J. handelte. Der von der Klägerseite als Anlage K 7 (erste Seite) eingereichte Screenshot weist den dort dargestellten Facebook-Account des Herrn J. als einen jedenfalls vorrangig privat genutzten Account aus. Anders als primär beruflich genutzte Netzwerke (wie etwa „Xing“, vgl. Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 4 UWG Rn. 5) kann Facebook sowohl für private als auch für geschäftliche Zwecke genutzt werden. Dass der aus dem Screenshot ersichtliche Facebook-Account jedenfalls vorrangig für private Zwecke genutzt wurde, wird durch das Hochzeitsbild auf der Seite deutlich, das zugleich das Profilbild des Herrn J. darstellte. Auch die weiteren Fotos (Personenfoto und zwei Fotos von Schuhen) weisen keinen erkennbaren Zusammenhang zum Beruf des Herrn J. auf, sondern sprechen für eine jedenfalls vorrangige private Nutzung. Allein daraus, dass im „Steckbrief“ die Stationen des beruflichen Werdegangs dargestellt werden (und dort u.a. aufgeführt ist, dass Herr J. derzeit Sales manager bei Intomarkets ist) und die Seite die Information enthält, dass Herr J. aufgehört hat, bei „Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven“ zu arbeiten, folgt nicht, dass es sich um einen geschäftlich genutzten Account handelt. Gleiches gilt für den klägerseitig vorgetragenen Umstand, dass das Profil von Herrn J. nicht auf „privat“ geschaltet, sondern für jedermann zugänglich gewesen sei. Herr J. trat bei seiner Äußerung auch nicht als Vertreter oder Beauftragter der Beklagten in Erscheinung. Die Beklagte wird in dem streitgegenständlichen Kommentar nicht erwähnt. Auch wenn – was die Beklagte bestreitet – der klägerseitig als Anlage K 7 (erste Seite) eingereichte Screenshot das zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Äußerung abrufbare Facebook-Profil des Herrn J. zeigen sollte und der Betrachter, der den Kommentar im Profil des Herrn K. sah, mit einem Klick auf dieses Profil des Herrn J. hätte gelangen können, folgt daraus, dass im jedenfalls überwiegend privat genutzten Facebook-Profil des Herrn J. seine berufliche Tätigkeit für Intomarkets genannt wird, bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände nicht der Eindruck, dass Herr J. bei seiner Äußerung im Facebook-Profil des Herrn K. in Vertretung oder im Auftrag der Beklagten oder auch nur ohne Auftrag zugunsten der Beklagten handelte. Die Äußerung über Konkurrenzunternehmen in Kommentaren im Facebook-Profil eines Dritten gehört auch nicht zum typischen Aufgabenkreis eines Sales Managers, so dass offenbleiben kann, ob ein Handeln zur Förderung eines fremden Unternehmens zu vermuten ist, wenn die fragliche Handlung in den Aufgabenkreis der handelnden Person fällt (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58).Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. darauf gerichtet war zu verhindern, dass die Klägerin zu 1) der Konkurrenz Kunden streitig macht (im Unterschied zu OLG Hamm MMR 2008, 757 zum Blog-Eintrag eines Mitarbeiters (auf der Basis der alten Rechtslage)).Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. im Auftrag oder zumindest mit Einverständnis der Beklagten erfolgte. Daraus, dass Herr J. selbst keine unmittelbaren Vorteile aus der Kundgabe der streitgegenständlichen Äußerung ziehen kann, die Beklagte hingegen schon, kann dies entgegen dem klägerischen Vortrag nicht hergeleitet werden. Die Feststellung des Landgerichts, dass die Kläger keine ausdrückliche Anweisung vorgetragen haben, greift die Klägerseite mit ihrer Berufung nicht an.

Eine geschäftliche Handlung des Herrn J. folgt auch nicht aus dessen wirtschaftlichen Interessen. Zwar stellt es ein maßgebliches Indiz für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung dar, dass ein wirtschaftliches Interesse des Handelnden an einer Beeinflussung der Verbraucherentscheidung besteht. Lässt sich dies nicht nachweisen, kommt es auf den Inhalt der Äußerung und der Begleitumstände an (BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.54). Ein Indiz für eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens kann auch darin liegen, dass zu diesem eine geschäftliche Beziehung besteht (vgl. BGH GRUR 2021, 497 Rn. 25 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen). Vorliegend hat Herr J. als Mitarbeiter der Beklagten zwar ein mittelbares wirtschaftliches Interesse an einer Beeinflussung von Abnehmerentscheidungen im Bereich der Unternehmensberatung. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32 – Influencer I) reicht dies aber nicht aus, um von einer geschäftlichen Handlung des Herrn J. auszugehen. Zu berücksichtigen ist auch insoweit, dass die Äußerung des Herrn J. in Reaktion auf die Äußerung eines privaten Facebook-Kontakts erfolgte. Anlass war die Verärgerung des Herrn K. über das „Vollspammen“ mit Standard-Nachrichten, das er, Herr K., „echt wieder anstrengend“ finde, und die Verärgerung von Herrn K. über denjenigen, der so etwas „Leuten beibringt“. Hierbei handelt es sich um eine private Äußerung über bestimmte Geschäftspraktiken, die offenkundig durch den zunehmenden Erhalt von als „Spam“ beurteilten Nachrichten veranlasst war. Ein anderer Diskussionsteilnehmer hat dann den Namen der „B…“ ins Gespräch eingebracht, woraufhin die streitgegenständliche Äußerung von Herrn J. erfolgte. Herr J. hat sich damit, wie ausgeführt, als Privatperson an einer Diskussion über bestimmte Geschäfts- und Werbepraktiken beteiligt und die anderen Beteiligten dabei in ihrer Eigenschaft als Teilnehmer dieser Diskussion und nicht als Abnehmer von Unternehmensberatungs-/Coaching-Leistungen angesprochen, zumal die Klägerin zu 1), wie von der Klägerseite vorgetragen, ausschließlich Verträge mit Unternehmern und Unternehmen schließt. Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. darauf gerichtet war, die geschäftliche Entscheidung Dritter, die diese Diskussion auf Facebook lesen konnten, zu beeinflussen. Auch wenn das Profil von Herrn K. öffentlich zugänglich gewesen sein sollte, würde in der Gesamtbetrachtung aus dem Umstand, dass der privat veranlasste Kommentar des Herrn J. in einem öffentlich zugänglichen Profil eines Dritten erfolgt ist, eine solche Zweckrichtung nicht folgen.

Angesichts der genannten Umstände der Äußerung ist aus der Sicht eines objektiven Betrachters auch daraus, dass Herr J. in seiner Äußerung gegenüber den „B.-Brüdern“ und ihren Geschäftspraktiken schwerwiegende und objektiv unzutreffende Vorwürfe erhebt, nicht auf das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung zu schließen. Auch dass Herr J. mit der Klägerin zu 1) und ihren Geschäftsführern nicht in Kontakt gestanden hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn Herr J. die Klägerin zu 1) nur als Konkurrentin seines Arbeitgebers kannte, erfolgte die Äußerung vorliegend aus Sicht eines objektiven Betrachters aus privatem Anlass und mit rein privater Zielrichtung, nämlich als private Teilnahme an einer Diskussion über bestimmte Geschäftspraktiken.

Auf die subjektive Sicht des Herrn J. kommt es nicht an, eine Förderungsabsicht (vgl. OLG Hamm MMR 2008, 757 zu einem Blog-Eintrag eines Mitarbeiters) ist nach der maßgeblichen Fassung des § 2 UWG nicht (mehr) entscheidend (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32 – Influencer I). Dem erstmals in der Berufungsinstanz von der Klägerseite angebotenen Zeugenbeweis – Vernehmung des Herrn J. – ist daher nicht nachzugehen. Zudem hat die Klägerseite in der Berufungsbegründung nicht dargelegt, warum sie den Zeugen erst in der Berufungsinstanz benannt hat, sodass der Berücksichtigung § 531 Abs. 2 ZPO entgegensteht.Wird ein neues Beweismittel in der Berufungsinstanz eingeführt, muss in der Berufungsbegründung dargelegt werden, weshalb das neue Beweismittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist (BGH Beschl. v. 13.12.2006 – IV ZR 180/04, BeckRS 2007, 402 Rn. 6).

bb. Eine Zurechnung der streitgegenständlichen Äußerung zur Beklagten erfolgt auch deshalb nicht, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 UWG nicht erfüllt sind. Die Haftung des Unternehmers nach dieser Vorschrift rechtfertigt sich daraus, dass er durch den Einsatz von Mitarbeitern und Beauftragten seinen Geschäftskreis erweitert und damit zugleich das Risiko von Zuwiderhandlungen innerhalb seines Unternehmens schafft. Da er die Vorteile der arbeitsteiligen Organisation in Anspruch nimmt, soll er auch die damit verbundenen und in gewisser Weise auch beherrschbaren Risiken tragen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.33 m.w.N.). Die Bestimmung in § 8 Abs. 2 UWG regelt den Unterlassungsanspruch gegen den Unternehmensinhaber bei Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter und Beauftragten im Sinne einer Erfolgshaftung ohne jegliche Entlastungsmöglichkeit (vgl. BGH NJOZ 2013, 863 Rn. 9).

Vorliegend wurde eine – aus den genannten Gründen bereits nicht vorliegende – Zuwiderhandlung nicht „in einem Unternehmen“ begangen. Es ist eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „in einem Unternehmen“ vorzunehmen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.34). Dass die Zuwiderhandlung „in einem Unternehmen“ begangen sein muss, ist nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen. Es muss ein innerer Zusammenhang mit dem Unternehmen bestehen (BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion; vgl. auch OLG Stuttgart Urt. v. 17.3.2022 – 2 U 272/21, GRUR-RS 2022, 5315 Rn. 6 ff.; OLG Hamm MMR 2008, 757, 758; Fritzsche in MüKoUWG, 3. Aufl., § 8 Rn. 376). Daher ist es weder erforderlich noch ausreichend, dass die Handlung in den Räumlichkeiten des Unternehmens vorgenommen wurde (BGH GRUR 1963, 438 (439) – Fotorabatt). Unerheblich ist auch, dass der Mitarbeiter ohne Wissen oder sogar gegen eine Weisung des Unternehmers handelte oder seinen Auftrag überschritt (vgl. BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion; zu § 14 Abs. 7 MarkenG: BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 21 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2018, 924 Rn. 62 – ORTLIEB) oder sich über vertragliche Einschränkungen seiner Befugnisse hinwegsetzte (vgl. BGH NJOZ 2013, 863 Rn. 8; Senat Beschl. v. 19.07.2021 – 5 U 56/20, GRUR-RS 2021, 31135 Rn. 15). Maßgebend ist allein, dass der Zuwiderhandelnde nicht für einen Dritten oder zu privaten Zwecken, sondern in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmers tätig wurde, die Handlung also in den Geschäftskreis oder die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers fiel und diesem zugutekommen sollte. Keine Zurechnung findet folglich statt, wenn Mitarbeiter oder Beauftragte die geschäftlichen Einrichtungen ausschließlich für private Zwecke missbrauchen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.). Wird der Beauftragte auch für Dritte oder für sein eigenes Unternehmen tätig, haftet der Auftraggeber nur für solche Handlungen, die dem Geschäftsbereich des Auftragsverhältnisses zuzurechnen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich des Beauftragten beschränkt ist und der Auftraggeber nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte auch anderweitig für ihn tätig wird. Denn nur in diesem Umfang ist das Risiko für ihn beherrschbar (vgl. zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; vgl. auch Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.).

Für rein private Handlungen seiner Mitarbeiter haftet der Unternehmensinhaber wettbewerbsrechtlich nicht (vgl. BGH GRUR 2007, 994 Rn. 19 – Gefälligkeit; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, Zweiter Teil Wettbewerbsrecht des Internets (S 12) Rn. 306b; vgl. auch zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2009, 597 Rn. 15 – Halzband). Rein private Äußerungen eines Mitarbeiters fallen nicht unter § 8 Abs. 2 UWG (vgl. Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn. 727).

Wie ausgeführt, ist bei einer objektiven Betrachtung von einer rein privaten Äußerung des Herrn J. auszugehen. Dem erstmals in der Berufungsinstanz von der Klägerseite angebotenen Zeugenbeweis ist, wie ausgeführt, nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht nachzugehen. Ein Arbeitgeber muss nicht damit rechnen, dass sich ein Mitarbeiter in einer privaten Kommunikation in sozialen Medien wie geschehen äußert. Ein solches Geschehen ist für den Arbeitgeber auch nicht beherrschbar.

cc) Darauf, ob der angegriffenen Äußerung neben der Behauptung, es seien Strafverfahren gegen die Kläger zu 2) und 3) geführt worden, auch die Behauptung des Herrn J. zu entnehmen ist, die Kläger zu 2) und 3) würden unerwünschte Werbung verschicken (klägerischer Antrag zu 1. b)), kommt es aus den genannten Gründen nicht mehr an.

b. Hinsichtlich der Kläger zu 2) und 3) fehlt es bereits an der erforderlichen Aktivlegitimation. Anspruchsberechtigt für den Unterlassungsanspruch ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ein Mitbewerber. Die Mitbewerbereigenschaft ist Voraussetzung der Begründetheit der Klage (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 3.8a m.w.N.). Mitbewerber ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG n.F./ § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG a.F. jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Gem. § 2 Nr. 8 UWG n.F./ § 2 Nr. 6 UWG a.F. ist „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt. Darunter sind in richtlinienkonformer Auslegung nur Personen zu verstehen, die selbst Unternehmer sind (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58). Wird das Unternehmen von einer Gesellschaft betrieben, ist als Unternehmer grundsätzlich nur die Gesellschaft als Inhaber des Unternehmens anzusehen und nicht der oder die einzelnen Gesellschafter (OLG Hamm Urt. v. 14.11.2013 – 4 U 88/13, GRUR-RS 2014, 02435; OLG Köln NZG 2011, 1320; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 3.27b). Vorliegend wird auch nicht der Aufbau eines Unternehmens durch die dahinterstehenden Personen berührt (vgl. hierzu OLG Köln NZG 2011, 1320). Die Klägerin zu 1) wurde vielmehr ausweislich der Klagschrift bereits im Jahr 2015 gegründet. Dass die Kläger zu 2) und 3) persönlich, wie in der Klagschrift ausgeführt, Unternehmensberater sind und an Branchenevents teilnehmen sowie als Vortragsredner gebucht werden, macht sie nicht zu Unternehmern i.S.d. § 2 Nr. 8 UWG n.F./ § 2 Nr. 6 UWG a.F., da sich aus dem klägerischen Vortrag nicht ergibt, dass sie diese Tätigkeiten unternehmerisch eigenständig und nicht als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) ausüben. Vielmehr heißt es im erstinstanzlichen Vortrag der Klägerseite, die Kläger zu 2) und 3) seien „in die Klägerin zu 1) eingebettete Personenmarken“ und das „Aushängeschild“ der Klägerin zu 1). Jedenfalls besteht ein auf Wettbewerbsrecht gestützter Anspruch der Kläger zu 2) und 3) gegen die Beklagte aus den hinsichtlich der Klägerin zu 1) ausgeführten Gründen nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH: Lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center hängt von Durchführungsverordnung ab

BGH
Urteil vom 27.07.2023
I ZR 144/22
Zweibrücken Fashion Outlet
GG Art. 80 Abs. 1, Art. 140; WRV Art. 139; UWG § 3a; LV RP Art. 47, Art. 57 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 110 Abs. 1 Satz 2; LadöffnG RP § 3 Satz 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 und 2; Landesverordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 2 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 13. März 2007 (GVBl. Rheinland-Pfalz 2007 S. 65) § 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center hängt von Wirksamkeit der gestattenden Durchführungsverordnung ab über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Eine wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtige Rechtsverordnung entfaltet - anders als ein zwar rechtswidriger, aber nicht nichtiger Verwaltungsakt - keine Legitimationswirkung für eine nach dem Lauterkeitsrecht zu beurteilende
geschäftliche Handlung.

b) Die Nichtigkeit einer im Ermessen des Normgebers stehenden, ursprünglich rechtmäßigen Rechtsverordnung kann eintreten, wenn der Normgeber die Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden wegen einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung der maßgeblichen Umstände auf Null reduziert ist.

BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - OLG Zweibrücken - LG Zweibrücken

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center hängt von Wirksamkeit der gestattenden Durchführungsverordnung ab

BGH
Urteil vom 27. Juli 2023
I ZR 144/22


Der BGH hat entschieden, dass die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center von der Wirksamkeit der gestattenden Durchführungsverordnung nach Herabstufung des Flugplatzes abhängt. Der BGH hat die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet zur Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Zulässigkeit der Sonntagsöffnung eines Geschäfts im Zweibrücken Fashion Outlet Center davon abhängt, ob die eine solche Öffnung gestattende Durchführungsverordnung auch nach der Herabstufung des Flugplatzes Zweibrücken zum Sonderlandeplatz noch wirksam ist.

Sachverhalt:

Der Kläger betreibt unter anderem in der Pfalz Ladengeschäfte, in denen er auch Damenmodeartikel verkauft. Die Beklagte ist ein Damenoberbekleidungsunternehmen, das eine Filiale im Zweibrücken Fashion Outlet betreibt, das in der Nähe des Flugplatzes Zweibrücken liegt. Gemäß der aufgrund von § 7 Abs. 2 Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz (nachfolgend: LadöffnG) erlassenen Durchführungsverordnung vom 13. März 2007 (nachfolgend: Durchführungsver-ordnung) ist die Sonntagsöffnung im zeitlichen Zusammenhang mit den jährlichen Oster-, Sommer- und Herbstferien in Rheinland-Pfalz erlaubt. Im Jahr 2014 wurde der kommerzielle Linienflugverkehr des Flugplatzes Zweibrücken eingestellt. Seit 2018 liegt eine Genehmigung als Sonderlandeplatz vor, die Fracht- und Geschäftsreiseverkehr sowie Flüge zu privaten sowie Ausbildungs- und Schulungszwecken gestattet. Der Kläger meint, die Ladenöffnungen der Beklagten an Feriensonntagen verstießen gegen § 3 LadöffnG und seien nach §§ 3, 3a UWG wettbewerbswidrig. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Beklagten sei keine unlautere geschäftliche Handlung gemäß §§ 3, 3a UWG vorzuwerfen, weil die Durchführungsverordnung ihr Verhalten legitimiere.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision des Klägers das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Durchführungsverordnung legitimiert die in der Sonntagsöffnung der Beklagten liegende geschäftliche Handlung nur, sofern sie wirksam ist. Eine infolge Rechtswidrigkeit nichtige Rechtsverordnung entfaltet keine Legitimationswirkung. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Durchführungsverordnung können auch nach ihrem Erlass eingetretene Umstände (hier: die Herabstufung des Flugplatzes Zweibrücken zum Sonderlandeplatz) von Bedeutung sein. Die Nichtigkeit einer (wie die Durchführungsverordnung) im Ermessen des Normgebers stehenden, ursprünglich rechtmäßigen Rechtsverordnung kann eintreten, wenn der Normgeber die Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden wegen einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung der maßgeblichen Umstände auf Null reduziert ist.

Der Bundesgerichtshof hat dem Oberlandesgericht aufgegeben zu prüfen, ob hinreichende Sachgründe bestehen, die mit Blick auf den hohen verfassungsrechtlichen Rang des in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV sowie Art. 47, 57 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verfassung für Rheinland-Pfalz vorgesehenen Sonn- und Feiertagsschutzes die von der Durchführungsverordnung vorgesehene Sonntagsöffnung im Zweibrücken Fashion Outlet Center rechtfertigen. Hierfür kommt ein erhöhter, am Flugplatz Zweibrücken nicht gedeckter Bedarf an Ladenöffnung in Betracht. Weiter ist zu prüfen, ob die Durchführungsverordnung auch dem Ziel regionaler Wirtschaftsförderung dient und dieses Ziel die Einschränkung der Sonn- und Feiertagsruhe rechtfertigt.

Vorinstanzen:

LG Zweibrücken - Urteil vom 15. Oktober 2021 - HK O 46/20

OLG Zweibrücken - Urteil vom 4. August 2022 - 4 U 202/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Artikel 140 GG

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Artikel 139 WRV

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Artikel 47 Verfassung für Rheinland-Pfalz

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage sind als Tage der religiösen Erbauung, seelischen Erhebung und Arbeitsruhe gesetzlich geschützt.

Artikel 57 Abs. 1 Verfassung für Rheinland-Pfalz

Der 8-Stunden-Tag ist die gesetzliche Regel. Sonntage und gesetzliche Feiertage sind arbeitsfrei. Ausnahmen sind zuzulassen, wenn es das Gemeinwohl erfordert.

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […]

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, […]

§ 3 Abs. 1 Satz 1 LadöffnG

Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein:

1. an Sonn- und Feiertagen, […]

soweit in den nachfolgenden Bestimmungen keine abweichenden Regelungen getroffen werden. […]

§ 7 Abs. 2 LadöffnG

Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung für Verkaufsstellen, die im näheren Einzugsgebiet […] der in Absatz 1 Satz 1 genannten Flugplätze liegen, bestimmen, dass diese auch während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3) […] geöffnet sein dürfen; […]

§ 1 Satz 1 LadöffnG-DVO

Verkaufsstellen dürfen in den in der Anlage bestimmten Bereichen im näheren Einzugsgebiet des Flugplatzes Zweibrücken während der im Ferienplan für Rheinland -Pfalz festgelegten Oster-, Sommer- und Herbstferien abweichend von § 3 Satz 1 Nr. 1 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 21. November 2006 (GVBl. S. 351, BS 8050-3) an Sonntagen in der Zeit von 11 Uhr bis 20 Uhr geöffnet sein.


LG Bonn: Gesundheitsportal des Bundes gesund.bund.de verstößt gegen das Gebot der Staatsferne der Presse

LG Bonn
Urteil vom 28.06.2023
1 O 79/21


Das LG Bonn hat entschieden, dass das Gesundheitsportal des Bundes gesund.bund.de gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Denn der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. dem aus Art. 5 Abs. 1 S.2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse zu.

Gemäß § 8 Abs. 1 UWG kann, wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Unzulässig sind unlautere geschäftliche Handlungen (§ 3 Abs. 1 UWG). Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln und wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG).

a. Die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG stehen der Klägerin als Mitbewerberin der Beklagten zu.

Die Eigenschaft als Mitbewerberin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Ein solches ist anzunehmen, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten der einen die andere beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann. Auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2018 - I ZR 112/17, GRUR 2019, 317 - Crailsheimer Stadtblatt II, Urteil vom 26.012017 - I ZR 217/15, GRUR 2017, 918 - Wettbewerbsbezug, mwN). Für die Mitbewerber-Eigenschaft der Beklagten im Fall „WarnWetter-App“ hat der BGH es ausreichen lassen, dass „beide Parteien Wetter-Apps anbieten“. Sie seien

„daher Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, die in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen“ (BGH, Urteil vom 12.03.2020 – I ZR 126/18 – WarnWetter-App, Rn. 43). Genauso liegt es hier, denn sowohl die Klägerin als auch die Beklagte bieten digitale Gesundheitsportale mit ähnlichen Inhalten in ähnlicher Aufmachung an.

b. Das Betreiben des ausdrücklich werbe- und anzeigenfreien NGP stellt auch eine „geschäftliche Handlung“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Der BGH hat zu der Frage, wann eine „geschäftliche Handlung“ des Staates anzunehmen ist, in der Entscheidung WarnWetter-App (BGH, Urteil vom 12.03.2020 – I ZR 126/18, Rn. 48 ff.) die bis dahin gängigen Abgrenzungsformeln zwischen erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit einerseits und hoheitlicher Tätigkeit andererseits präzisiert und ausgeführt:

„Für die Frage, ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung vornimmt, muss zunächst zwischen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten einerseits und hoheitlichen Tätigkeiten andererseits unterschieden werden (BGH, Urteil vom 27.07.2017 – I ZR 162/15, GRUR 2018, 196 Rn. 23 = WRP 2018, 186 – Eigenbetrieb Friedhöfe; Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 Rn. 55 = WRP 2019, 317 – Crailsheimer Stadtblatt II = GewArch 2019, 108), wobei eine hoheitliche Tätigkeit in diesem Sinne vorliegt, wenn die öffentliche Hand zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe tätig wird (vgl. BGH, GRUR 2019, 741 Rn. 14 – Durchleitungssystem). Eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden. Bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist weiter danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung tätig wird. Ist dies der Fall, ist ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen, solange sich das Handeln innerhalb der Ermächtigungsgrundlage bewegt, die insoweit den Handlungsspielraum vorgibt (BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 – Eigenbetrieb Friedhöfe; GRUR 2019, 189 Rn. 55 – Crailsheimer Stadtblatt II, mwN = GewArch 2019, 108). Nimmt die öffentliche Hand öffentliche Aufgaben wahr, bewegt sie sich dabei jedoch außerhalb des ihr durch eine Ermächtigungsgrundlage zugewiesenen öffentlichrechtlichen Aufgabenbereichs, ist ihr Handeln als geschäftliche Handlung anzusehen mit der Folge, dass sie sich an den Regeln des Wettbewerbsrechts messen lassen muss (vgl. BGH, GRUR 2019,189 Rn. 56 – Crailsheimer Stadtblatt II = GewArch 2019, 108) und – wenn die weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 UWG vorliegen – zur Unterlassung verpflichtet ist. Handelt die öffentliche Hand zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und wird sie dabei ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig, ist eine geschäftliche Handlung nicht ausgeschlossen. Sie ist allerdings auch nicht ohne weiteres zu vermuten, sondern anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls besonders festzustellen (BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 – Eigenbetrieb Friedhöfe, mwN).“

Diese Abgrenzungskriterien hat der BGH in nachfolgenden Entscheidungen, insbesondere der Entscheidung dortmund.de weder aufgegeben noch geändert. Vielmehr hat er in der Entscheidung dortmund.de keine Ausführungen dazu gemacht, ob er in Ansehung des Betriebes des Stadtportals von einer geschäftlichen Handlung im Sinne des UWG ausgeht. Denn er hat die Klage bereits mangels Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG abgewiesen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 97/21 –, dortmund.de, Rn. 20 ff. juris) und die Frage, ob zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht und eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorliegt, ausdrücklich offengelassen (BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 97/21 –, Rn. 66, juris, dortmund.de).

(1) Gemessen an den so entwickelten Abgrenzungskriterien liegt mit dem Betrieb des NGP in der Gestaltung von Februar 2021 eine geschäftliche Handlung i.S.d. UWG vor, da das NGP die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage überschreitet. Diese hat der Gesetzgeber erst nach Erstellung des NGP durch das DVPMG mit § 395 SGB V geschaffen. Zwar bewegt sich das NGP rein formal innerhalb der Vorgaben des § 395 SGB V. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vorschrift ihrem Wortlaut nach überhaupt keine inhaltlichen oder sonst einschränkenden Vorgaben mit Bezug auf die Ausgestaltung des NGP macht. Er ermächtigt das BMG lediglich zur Errichtung und zum Betrieb eines lediglich seiner allgemeinen Art nach beschriebenen „elektronischen, über allgemein zugängliche Netze (...) aufrufbaren Informationsportals, das gesundheits- und pflegebezogene Informationen barrierefrei in allgemein verständlicher Sprache zur Verfügung stellt” und bezeichnet dieses als „Nationales Gesundheitsportal“.
(2) Die Vorschrift ist jedoch – wie jede andere einfachgesetzliche Norm – im Einklang mit der Verfassung auszulegen. Hieraus folgt, dass § 395 SGB V nur den Betrieb eines
solchen Portals zulässt und hierzu ermächtigt, welches sich in den Grenzen von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hält und dessen verfassungsrechtliche Garantien nicht verletzt. Diese – durch verfassungskonforme Auslegung zu ermittelnden – Grenzen von § 395 SGB V hält das NGP in seiner hier maßgeblichen Gestaltung vom Februar 2021 jedoch nicht ein. Denn es verletzt in dieser Ausgestaltung die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Darin liegt zugleich eine unzulässige geschäftliche Handlung i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, da es sich bei dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse nach ständiger Rechtsprechung des BGH um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt (vgl. stellvertretend für viele BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 97/21 –, Rn. 20 f., juris, dortmund.de).

(3) Das für den Staat bestehende, aus der objektiv-rechtlichen Komponente der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (auch "Institut der freien Presse", vgl. Grabenwarter in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 82. Ergänzungslieferung Januar 2018, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 353; Bonner Kommentar/Degenhart, 185. Lieferung Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Rn. 40) abgeleitete Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, regelt die Frage, wie sich Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen im Falle ihrer Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten haben. Dieses Gebot ist im Sinne des § 3a UWG zumindest auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Das Gebot der Staatsferne der Presse setzt der am Markt tätigen öffentlichen Hand zugunsten der anderen Marktteilnehmer – insbesondere der institutionell geschützten Presse, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung – enge Grenzen. Es soll nicht bestimmte Anbieter von bestimmten Märkten fernhalten, sondern lässt zu, dass private und staatliche Stellen sich in einem überschneidenden Bereich auf dem Markt begegnen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II - juris, Rn. 19 und BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn.21).

Unerheblich ist insoweit, dass sich das hier in Frage stehende staatliche Handeln, zu dem § 395 SGB V ermächtigt, nicht auf ein Druckerzeugnis bezieht, sondern auf ein digitales sog. „Telemedien-Angebot“. Denn das verfassungsrechtliche Gebot der Staatsferne der Presse bezieht sich „auf ein ausuferndes Informationshandeln des Staates, gleich in welcher Form, das die Kommunikationsprozesse der freien Presse als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten

Vertretung und damit die Meinungsbildung von unten nach oben gefährdet“ (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 37 m.w.N.). Unerheblich ist auch, dass die Beklagte mit dem NGP nur eine bestimmte Sparte der Informationsbranche bedient, nämlich die Gesundheitspresse.

Ob staatliches Informationshandeln durch Betreiben von Portalen oder anderen Diensten in bzw. über das Internet (oder allgemein: „Telemedien“) das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt, hatten in den vergangenen Jahren die OLG Hamm und München sowie der BGH zu entscheiden. Streitgegenständlich waren in den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm und München sowie in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.07.2022 die im Internet zugänglichen „Stadtportale“ der Städte München und Dortmund. Darüber hinaus hatte der BGH im Jahr 2020 über die sog. WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes zu entscheiden (Urteil vom 12.03.202 – I ZR 126/18 – WarnWetter-App). Der Bundesgerichtshof hat in den genannten Urteilen die bereits in der Entscheidung Crailsheimer Stadtblatt II“ entwickelten Grundsätze für staatliches Informationshandeln fortgeführt und näher ausgestaltet. Danach sind für die konkrete Beurteilung staatlicher Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse „Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 35 bis 39] - Crailsheimer Stadtblatt II). Dabei begründen einzelne, die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet“ (BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 40 f.] - Crailsheimer Stadtblatt II; BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 40 m.w.N.). Im Rahmen dieser wertenden Gesamtbetrachtung legen bestimmte Indizien eine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse nahe. So ist „bei der erforderlichen wertenden Betrachtung der Publikation insgesamt (…) neben den inhaltlichen Kriterien insbesondere zu berücksichtigen, wie die Informationen den angesprochenen Gemeindemitgliedern präsentiert werden. Je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und bei den angesprochenen Verkehrskreisen als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt, desto eher sind die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und die daraus abgeleitete Marktverhaltensregelung des Gebots der Staatsferne der Presse verletzt. Keinesfalls darf die kommunale Publikation den Lesern eine Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung – jedenfalls subjektiv – entbehrlich macht. Je deutlicher - in Quantität und Qualität – eine kommunale Publikation Themen besetzt, derentwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher ist der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten“ (vgl. BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 40] - Crailsheimer Stadtblatt II, mwN; BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 52).

Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters der Publikation sind auch ihre optische Gestaltung, redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews, und die Frequenz des Vertriebs zu berücksichtigen. Allein die Verwendung pressemäßiger Darstellungselemente und eine regelmäßige Erscheinungsweise führen zwar nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Grenze wird aber überschritten, wenn das Druckwerk nicht mehr als staatliche Publikation erkennbar ist. Erfolgt die Verteilung kostenlos, erhöht sich die Gefahr einer Substitution privater Presse (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 53, juris m.w.N.).

Bei Online-Informationsangeboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druckerzeugnisse bestehenden Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Daher kann für die Gesamtbetrachtung bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne der Presse verletzenden Beiträge besonderes Gewicht haben und das Gesamtangebot prägen. Dafür können Verlinkungen auf diese Beiträge sprechen – zum Beispiel von der Startseite des Informationsangebots – oder der Umstand, dass sie zu den meistgelesenen Beiträgen zählen.

Es ist dabei Aufgabe des jeweiligen Klägers, alle anspruchsbegründenden Tatsachen für einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse darzulegen und zu beweisen. Hierzu gehören neben substantiiertem Vortrag zu einzelnen unzulässigen redaktionellen Beiträgen auch substantiierter Vortrag dazu, dass die wertende Gesamtbetrachtung der Publikation zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse führt (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 58, juris). Nicht ausreichend ist pauschaler Vortrag, das Informationshandeln verstoße gegen Art. 5 GG. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, das bemängelte Portal ohne weiteren konkreten Vortrag in allen Einzelheiten auf mögliche Verstöße hin zu untersuchen (BGH a.a.O. Rn. 57).

In der an diesen Grundsätzen orientierten Gesamtschau verstößt das NGP gegen Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. § 3a UWG.

(aa) Zwar sind die Inhalte des Portals schon aufgrund des Domainnamens „gesund.bund.de“ und des am Ende der jeweiligen Seiten aufgebrachten Bundesadlers als staatliche Publikation erkennbar. Die Erkennbarkeit als staatliche Publikation führt allerdings für sich genommen noch nicht dazu, dass das Portal in der streitgegenständlichen Form in jedem Fall zulässig wäre (vgl. auch OLG München, Urteil vom 30. September 2021 – 6 U 6754/20 –, Rn. 120, juris). Die Grenzen der Zulässigkeit sind dann überschritten, wenn eine Publikation nicht mehr als staatliche erkennbar ist. Ein Umkehrschluss ist aber nicht zulässig: Die Erkennbarkeit als staatliche Publikation führt nicht zur automatischen Zulässigkeit des Informationshandelns (vgl. hierzu OLG München, Urteil vom 30. September 2021 – 6 U 6754/20 –, Rn. 121 f., juris).

(bb) Auch der Umstand, dass das NGP sich in der Verwendung der Gestaltungsmittel an anderen Internet-Publikationen orientiert bzw. diesen gleicht – etwa durch die Verbindung von Text, Bild und graphischen Darstellungen – genügt für sich allein genommen nicht zur Annahme einer unzulässigen Publikation. Vielmehr ist die Aufmachung als „internettypisch“ einzustufen.

(cc) Allerdings überschreitet die große Mehrheit der in den Rubriken „Krankheiten A-Z“ und „Gesund leben“ eingestellten Artikel die Grenzen zulässigen staatlichen Informationshandelns. Für beide Rubriken besteht schon keine Kompetenz der Beklagten, sich in derart weitgehendem Maße und Umfang ohne jeglichen konkreten Anlass informierend zu betätigen.

Zwar ist dem Staat und seinen Einheiten die Teilhabe an öffentlicher Kommunikation durch Öffentlichkeitsarbeit und Informationstätigkeit nicht grundsätzlich verboten. Legitim und im Einzelfall sogar geboten ist Öffentlichkeitsarbeit im Sinne einer Selbstdarstellung des Staates. In der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes ist es legitim und notwendig, dass Regierungen und gesetzgebende Körperschaften ihre Politik in der Öffentlichkeit darstellen sowie künftig zu lösende Fragen darlegen und erläutern. Es ist ihr Recht und auch ihre Aufgabe, Politik verständlich zu machen, die Bevölkerung über Politik und Recht im jeweiligen Aufgabenkreis zu informieren und staatliche Tätigkeit transparent zu gestalten. Derartiges Informationshandeln ist auch in presseähnlicher Form und auch im Internet zulässig (BGH GRUR 2019, 189 Rn. 37 – Crailsheimer Stadtblatt II). Darüber hinaus ist auch eine situationsbedingte Informationstätigkeit in besonderen Gefahrenlagen und in aktuellen Krisen zulässig und im Einzelfall sogar geboten (BGH GRUR 2019, 139 Rn. 39 – Crailsheimer Stadtblatt II). Es ist ggf. Aufgabe des Staates, zum Ausgleich aktueller Informationsdefizite in akuten Angelegenheiten, insbesondere zur Abwehr von Gefahren informierend tätig zu werden (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252-279).

Die weit überwiegende Mehrzahl der Artikel in den Rubriken „Krankheiten A-Z“ und

„Gesund leben“ lässt sich aber keiner dieser Kategorien zulässigen staatlichen Informationshandelns zuordnen. Es geht (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen) weder um gefahrenbezogene Information der Bürger zur Abwehr konkreter akuter Gefahrensituationen, noch um die Erklärung und Darstellung von Regierungspolitik. Vielmehr handelt es sich bei der Rubrik „Krankheiten A-Z“ um eine Art „Gesundheitslexikon“, in welchem die Beklagte Informationen allgemeinster Natur internettypisch aufbereitet und zur Verfügung stellt. Ähnlich verhält es sich bei der Rubrik „Gesund leben“, in welcher die Beklagte in den unterschiedlichsten Lebensbereichen Tipps und Ratschläge für „gesundes Leben“ gibt.

Es genügt auch nicht, dass mit Blick auf die behandelten Themen ein Bezug zu dem Aufgabenspektrum des Gesundheitsministeriums besteht. Ein allgemein thematischer Aufgabenbezug kann für sich allein genommen das Informationshandeln staatlicher Stellen bereits deshalb nicht rechtfertigen, weil die einzelnen Fachressorts auf Bundes- und Landesebene nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche abdecken. Ließe man den bloßen thematischen Bezug zu den Aufgabenbereichen der Fachressorts ausreichen, würde dies die verfassungsrechtlichen Schranken für staatliche Öffentlichkeitsarbeit weitgehend aufheben. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.07.2022 dortmund.de herleiten. Denn der Bundesgerichtshof hat die breit angelegte Informationskompetenz der Kommune dort ausdrücklich aus dem Recht zur kommunalen Selbstverwaltung hergeleitet, welchem Verfassungsrang zukommt. Auf eine ähnlich verfassungsrechtlich geschützte Position kann die Beklagte sich aber schon nicht berufen. Sie ist weder Grundrechtsträgerin noch kann sie ähnlich einer Kommune für sich das Recht in Anspruch nehmen, aus Gründen des (Stadt-)Marketings eine Fülle von Informationen

der unterschiedlichsten Sparten (Rubriken) in aktualisierter Version dauerhaft vorhalten zu müssen. Bei den Rubriken „Krankheiten A-Z“ und „Gesund leben“ geht es nicht um eine werbende informative Darstellung des Ministeriums, seiner Aufgabenbereiche und angestoßener politischer Projekte. Ebenso wenig genügt es, dass die Beklagte von einem Informationsdefizit der Bevölkerung in Sachen

„Gesundheit“ bzw. von einer mangelnden „Gesundheitskompetenz“ ausgeht. Insoweit hat der Bundesgerichtshof betont, dass die Grenzen (kommunaler) Öffentlichkeitsarbeit es verbieten, auch bei einer vermeintlich unzureichenden Versorgung mit Informationen über das örtliche Geschehen durch die private Presse, eine solche angeblich vorhandene Informationslücke durch eine eigene, von amtlichen Bezügen losgelöste Informationstätigkeit zu schließen (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 39 m.w.N.). Diese Wertung ist auf die Öffentlichkeitsarbeit einer obersten Bundesbehörde wie der Beklagten ohne weiteres zu übertragen.

Die Inhalte des NGP führen zudem in den angesprochenen Rubriken „Krankheiten A- Z“ und „Gesund leben“ zu einem Substitutionseffekt zu Lasten der privaten Anbieter ähnlicher Formate wie beispielsweise der Klägerin. Die Artikel des NGP sind in diesen Bereichen derart ähnlich aufbereitet – sie sind nahezu identisch strukturiert und weisen auch im Hinblick auf ihre grafische Gestaltung und Illustrationen eine frappierende Ähnlichkeit auf – und verfolgen dieselbe Zielsetzung, dass der private Leser sie als funktionales Äquivalent zu den Angeboten privater Akteure begreift. Anschaulich hat die Klägerin dies etwa für die Artikel „Generalisierte Angststörung“,

„Aphten“ und „Brustkrebs“ aus der Rubrik „Krankheiten A-Z“ sowie „Wie funktioniert gesunde Ernährung?“ aus der Rubrik „Gesund leben“ dargestellt. Insoweit wird auf die Ausführungen der Klägerin in der Anlage K70, Bl 2283 ff. d.A. Bezug genommen. Hierin begründet liegt die Gefahr eines Leserverlustes bei den privaten Anbietern ähnlicher Portale wie etwa der Klägerin. Denn die Beklagte bietet eine Fülle von Informationen, wegen derer Leser im Netz gerade die Seiten der Klägerin oder ihrer privaten Konkurrenten aufrufen. Damit macht sie das Angebot der privaten Anbieter jedenfalls aus subjektiver Hinsicht eines Lesers entbehrlich. Auf einen solchen

„Substitutionseffekt“ scheint das Angebot der Beklagten auch angelegt zu sein, denn die Beklagte nimmt für sich in Anspruch, den Nutzern eine neutrale und besonders zuverlässige Information anzubieten und hat ihr Portal in der Öffentlichkeit damit auch beworben. Außerdem solle – nach den Worten des damaligen Gesundheitsministers Spahn – „wer Gesundheit googelt, (…) künftig auf dem Nationalen Gesundheitsportal landen“. Diese Aussage kann nur dahingehend

verstanden werden, dass die Beklagte ihr Angebot an die Stelle der für unzureichend empfundenen Angebote konkurrierender privater Akteure setzen möchte.

(dd) In der Rubrik „Pflege“ informiert die Beklagte über Leistungen des Staates bzw. der Pflegeversicherung als eines Systems der sozialen Sicherung. Sie kann für sich betrachtet dem Bereich staatlicher Öffentlichkeitsarbeit als Information über staatliche Einrichtungen und Leistungen angesehen werden.

(ee) In der Rubrik „Gesundheit Digital“ verletzt die Beklagte die Pflicht des Staates zu neutralem und sachlichen Informationshandeln. Die Beiträge zum e-Rezept und zum elektronischen Impfpass lassen eine differenzierte Darstellung vermissen. Kritisch zu beurteilende Aspekte werden nicht dargestellt, sondern ausschließlich die Vorteile und Chancen der digitalen Errungenschaften.

(ff) In der Gesamtschau überwiegen qualitativ die Rubriken und Artikel, mit denen die Beklagte die Grenzen des staatlichen Informationshandelns überschreitet und das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt. Denn der inhaltliche Schwerpunkt des NGP liegt auf den Rubriken „Krankheiten A-Z” und „Gesund leben“. Dahinter treten die anderen Rubriken zurück. Mit dem Gros der Artikel in den Hauptkategorien überschreitet die Beklagte – wie dargestellt – ihre Kompetenz zu staatlichem Informationshandeln. Dies führt im Wege der wertenden Gesamtbetrachtung zur Unzulässigkeit des Portals insgesamt. Auch belegt nicht zuletzt der Vergleich des Inhalts des NGP bei Klageerhebung (Anl. K1) und im Dezember 2022 (Anl. K71), dass mit dem NGP die Möglichkeit zu einem immer weiter ausufernden Informationshandeln geschaffen wurde, von der kontinuierlich Gebrauch gemacht wird. Dabei werden gerade die Rubriken ihrem Inhalt und Umfang nach stark ausgeweitet, die vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unzulässig sind.

Die Beklagte geht fehl in der Annahme, ein Unterlassungsanspruch sei schon deshalb nicht begründet, da die Klägerin eine konkrete Gefährdung bzw. Beeinträchtigung ihrer eigenen Geschäftstätigkeit etwa durch einen Leserverlust nicht dargelegt habe. Darauf kommt es nicht an. Weder im Rahmen von § 3a UWG noch auf Ebene des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist erforderlich, dass eine konkrete Gefährdung der Presse dargetan wird (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 59, juris). Vielmehr genügt eine abstrakte Gefährdung der Presse. Diese liegt im vorliegenden Fall insbesondere in der funktionellen Austauschbarkeit des Angebots der Beklagten im Vergleich zum Angebot der Klägerin und anderer privater Akteure begründet.

Auch eine Abwägung mit den Belangen der Beklagten führt nicht dazu, im Ergebnis von einem zulässigen staatlichen Informationshandeln auszugehen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 14.07.2022 (dortmund.de) hervorgehoben, dass es bei der Frage der Zulässigkeit einer kommunalen Publikation um einen Konflikt zwischen staatlicher Kompetenz einerseits und grundrechtlicher Freiheit andererseits geht und die beiden genannten Verfassungsnormen mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen sind (vgl. Winkler, JZ 2019, 367, 368 mwN; Schröder, WRP 2020, 1278 Rn. 7 bis 10). Im Ergebnis müsse dabei jedoch die Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG größtmögliche Wirksamkeit erhalten, während die Gemeinde lediglich in der Lage sein muss, ihre Aufgaben zu erfüllen (BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 97/21 –, Rn. 38, juris). Im vorliegenden Fall kann die Beklagte in einem solchen Abwägungsprozess bereits keine der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ähnlichen Belange einstellen. Sie bedarf – anders als etwa eine Kommune mit Blick auf ein Stadtportal – nicht des NGP in seiner Gestaltung vom Februar 2021, um ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.

c. Eine Wiederholungsgefahr i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG liegt vor. Diese wird einerseits durch den bereits erfolgten Wettbewerbsverstoß vermutet (vgl. OLG München, Urteil vom 30. September 2021 – 6 U 6754/20 –, Rn. 246, juris), liegt aber auch in dem fortgesetzten Betrieb des NGP durch die Beklagte begründet.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Zur Zulässigkeit des offiziellen Stadtportals der Stadt München muenchen.de unter dem Gesichtspunkt der Staatsferne der Presse

BGH
Urteil vom 13.07.2023
I ZR 152/21
muenchen.de
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 28 Abs. 2 Satz 1; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Zulässigkeit des offiziellen Stadtportals der Stadt München muenchen.de unter dem Gesichtspunkt der Staatsferne der Presse befasst. Die Sache wurde an das OLG München zurückverwiesen.

Leitsätze des BGH:
a) Zu der mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse zulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Kommune gehören grundsätzlich auch das Stadtmarketing und die Tourismusförderung.

b) Eine Anzeigenwerbung ist in einer kommunalen Publikation nur als fiskalisch motivierte Randnutzung zulässig. Für die Bestimmung einer zulässigen Randnutzung ist auf den Umfang der Anzeigenschaltung abzustellen. Die Randnutzung muss als Annextätigkeit eine untergeordnete, quantitativ nachgeordnete Tätigkeit in innerem Zusammenhang mit der Hauptnutzung bleiben (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 41] - Crailsheimer Stadtblatt II).

c) Nach allgemeinen Regeln unzulässige geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand sind bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse nicht in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Wettbewerbsverstöße dieser Art sind nach den allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Regelungen, wie zum Beispiel § 4 Nr. 4, §§ 4a, 5 Abs. 1 oder § 5a Abs. 4 Satz 1 UWG, zu beurteilen; sie können zudem nur zu einem Verbot des jeweils konkret angegriffenen Beitrags, nicht aber der kommunalen Publikation in der konkreten Verletzungsform insgesamt führen.

BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 - I ZR 152/21 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Eierlikörhersteller Verpoorten hat weder markenrechtliche noch wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen Mitbewerber wegen Verwendung des Slogans "Ei, Ei, Ei, Ei, Ei"

OLG Düsseldorf
Urteil vom 27.04.2023
20 U 41/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass der Eierlikörhersteller Verpoorten weder markenrechtliche noch wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen einen Mitbewerber wegen Verwendung des Slogans "Ei, Ei, Ei, Ei, Ei" hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Gestalt von Abmahnkosten besteht nicht.

1. Mit Recht hat das Landgericht entschieden, dass § 14 Abs. 6 MarkenG in Verbindung mit §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht kommt.

1.1. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass im Kennzeichen- und Wettbewerbsrecht Abmahnkosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag unter der Voraussetzung erstattungsfähig sind, dass die Abmahnung begründet war (vgl. BGH GRUR 2012, 304 Rn. 21 - Basler Haar-Kosmetik; GRUR 2011, 617 Rn. 15 - Sed;Ingerl/Rohnke, MarkenG, 4. Auflage, Vor §§ 14 - 19d Rn. 296 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

1.2. Dies war hier nicht der Fall, denn der Klägerin stand der mit den ausgesprochenen Abmahnungen wegen der streitgegenständlichen Zeichenverwendung geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aufgrund einer Verwechselungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) noch aufgrund eines Bekanntheitsschutzes (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) zu. Die Beklagte hat die Klagemarke „Eieiei“ nicht verletzt.

a. Eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens ist gegeben, wenn es durch Dritte markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (vgl. BGH GRUR 2019, 1053 Rn. 27 – ORTLIEB II). Damit die Marke nämlich ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs erfüllen kann, muss sie die Gewähr bieten, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55 Rn. 48 – Arsenal FC). Maßgeblich ist, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb versteht. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 25 - Damen Hose MO). Abzustellen ist auf die Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 16 - pjur/pure). Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden (vgl. BGH GRUR 2019, 522 Rn. 41 - SAM).

b. Davon ist auch das Landgericht ausgegangen und ist rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher - wie die Mitglieder des Senats als Teil der angesprochenen Verkehrskreise selbst feststellen können - in der streitgegenständlichen Zeichenverwendung keinen Hinweis auf die Herkunft einer Ware sieht. Die Klägerin beanstandet die fünffache Aufzählung des Begriffs „Ei“ jeweils im Rahmen einer Internet-Werbung für ein Produkt-Paket, das fünf verschiedene Sorten Eierlikör enthält. Angesichts dessen ist es für den Senat - ebenso wie für das Landgericht - unter Berücksichtigung der nachfolgend dargestellten maßgeblichen Umstände des Einzelfalls fernliegend, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dem angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ einen Herkunftshinweis erblicken. Die Ausführungen der Berufung führen zu keiner abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

aa. Ein in diesem Zusammenhang zu berücksichtigender Umstand ist die Tatsache, dass der angegriffene Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ im Hinblick auf die Beschaffenheit des beworbenen Produkts - nämlich als Kernzutat von Eierlikör - glatt beschreibend ist.

(1) Bei dem Gebrauch einer beschreibenden Angabe kann eine markenmäßige Benutzung grundsätzlich nicht angenommen werden (vgl. BGH GRUR 2009, 502 Rn. 29 - pcb). Denn bestimmte Arten der Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken können keine Funktionen der geschützten Marke beeinträchtigen (vgl. EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 61 - L’Oréal/Bellure). Hat ein Wort beschreibenden Charakter, wird es vom Verkehr eher als Sachhinweis und nicht als Kennzeichen aufgefasst (so BGH GRUR 2017, 502 Rn. 26 - MICRO COTTON). Dabei ergibt sich der beschreibende Charakter in erster Linie aus dem Sinngehalt der betreffenden Bezeichnung. Maßgeblich für die Frage, ob der Verkehr das Zeichen nur beschreibend versteht, ist jedoch auch der Kontext, in der die gerügte Benutzungshandlung erfolgte.

(2) Mit dieser Maßgabe ordnen die angesprochenen Verkehrskreise dem angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ ohne besonderen gedanklichen Aufwand lediglich einen beschreibenden Begriffsinhalt zu und fassen ihn nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen auf. Die Wortfolge besteht aus der fünffachen Wiederholung des Wortes „Ei“, jeweils getrennt durch ein Komma und Leerzeichen.

(a) Das Substantiv „Ei“ bezeichnet unter anderem eine „befruchtete oder nicht befruchtete weibliche tierische oder menschliche Keimzelle, ein „(von bestimmten Tieren, besonders Vögeln, gelegtes) von einer Schale umschlossenes, die Eizelle und meist Dotter und Eiweiß enthaltendes kugeliges, oft länglich ovales Gebilde“ oder ein „Hühnerei (als Nahrungsmittel)“ (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Ei). Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter „Ei“ das Hühnerei verstanden, das vom Menschen als Nahrungsmittel benutzt wird. Dies spiegelt sich auch in Lebensmittelverordnungen wieder, die das Ei als Lebensmittel bei fehlender Angabe der Tierart als Hühnerei definieren (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ei). Darüber hinaus hat das Ei für den Menschen auch eine kulturelle Bedeutung als Osterei (BPatG, Beschluss vom 21. September 2022, Az.: 29 W (pat) 508/21, zitiert nach juris). Das Nomen „Ei“ ist ferner Bestandteil zahlreicher Redensarten, so wie „jemanden mit [faulen] Eiern bewerfen (als Ausdruck starken Missfallens)“, „jemanden, etwas wie ein rohes Ei (sehr vorsichtig) behandeln“ oder „ach, du dickes Ei! (umgangssprachlich: Ausruf der Überraschung)“ (https://www.duden.de/ rechtschreibung/Ei) (BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris).

(b) In Alleinstellung ist das Wort „Ei“ für eine große Anzahl der in Warenklasse 33 beanspruchten Waren („Spirituosen“) ein schlagwortartiges Beschaffenheitsmerkmal und stellt als Zutatenangabe einen engen beschreibenden Bezug zu diesen Waren her. Eier oder Eierprodukte können nämlich Bestandteile alkoholischer Getränke sein, was den angesprochenen Verkehrskreisen auch bekannt ist. Dies rechtfertigt die Annahme, dass der Verkehr den glatt beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in dem angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ eine bloße Sachangabe erblickt, wobei dieses Verkehrsverständnis durch die Großschreibung des Wortes „Ei“ maßgeblich verstärkt wird.

bb. Im Hinblick auf die Frage der Geeignetheit zur Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ist weiter festzustellen, dass das fünffache Aneinanderreihen des Wortes „Ei“ - durch Kommata und Leerzeichen getrennt - keine semantische oder syntaktische Besonderheit darstellt, die von einer Sachangabe wegführt und den angesprochenen Verkehrskreisen die Bedeutung eines betrieblichen Herkunftshinweises vermittelt.

(1) Die Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe ist ein werbeübliches rhetorisches Stilmittel, das der Rede Nachdruck verleihen soll. Es wird seit langem in der modernen Werbepsychologie verwendet, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen und den werbemäßig auffordernden Charakter zu unterstreichen, ohne dass der Verkehr dies als herkunftshinweisend wahrnimmt (vgl. BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris mit Hinweis auf BPatG, 30 W (pat) 566/20 – My-My/MY-MY; 29 W (pat) 36/20 – Vino WEINLOFT; 27 W (pat) 65/09 – AUTOAUTO!; 29 W (pat) 148/95 – Leute LEUTE; 29 W (pat) 198/92 – FalzFalz). Hervorzuheben ist, dass sowohl die Verdoppelung als auch die Verdreifachung des Wortes „Ei“ insbesondere in dem hier einschlägigen Produktbereich festzustellen ist (dazu ausführlich BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris). Ist dem Verkehr sowohl die Verdoppelung als auch die Verdreifachung des Wortes „Ei“ bzw. „ei“ bekannt, führt die hier in Rede stehenden fünfte Wiederholung nicht zu einer entscheidenden Änderung des Verkehrsverständnisses, sondern wird nur als eine weitere Verstärkung des Aufmerksamkeitseffekts wahrgenommen.

(2) Daneben wird die Interjektion „ei“ oft in der Kindersprache als Ausdruck der Verwunderung oder Überraschung verwendet, wie beispielsweise „ei, wo kommst du denn her?“ bzw. „Ei, der Daus“ oder als „Ausdruck der Zärtlichkeit“, wie zum Beispiel „ei [ei] machen (streicheln, liebkosen)“ (vgl. BPatG, BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris mit Hinweis auf https://www.duden.de/rechtschreibung/ei; https://de.wiktionary.org/wiki/ei).

(3) Dies zugrunde gelegt, entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise dem angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ - soweit ihnen dieser in Alleinstellung entgegentritt - in Bezug auf die Waren der Warenklasse 33 entweder eine fünffach wiederholte und auf diese Weise besonders einprägsame schlagwortartige Zutatenangabe und/oder einen durch die Verfünffachung besonders eindringlich wirkenden Ausdruck des Erstaunens, der nur der werbemäßigen Anpreisung der vorgenannten Waren dient. Sie fassen den angegriffenen Text daher wahlweise als Beschaffenheitsangabe oder als werbliche Anpreisung, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Unternehmen auf (vgl. BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2021, Az.: 26 W (pat) 514/21, zitiert nach juris). Die gegenteiligen Ausführungen der Berufung verfangen nicht.

cc. Ein weiterer im Rahmen der Gesamtwürdigung zu beachtender Umstand ist das durch die Art und Weise der Zeichenverwendung hervorgerufene Gesamterscheinungsbild der streitbefangenen Online-Werbung.

(1) Die Verkehrsauffassung wird auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (BGH, Urteil vom 09. Februar 2012, Az.: I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 - pjur/pure). Maßgeblich für die Frage der markenmäßigen Benutzung ist, wie der Verkehr die beanstandete Verwendung des Zeichens auf der Internetseite versteht (OLG Köln, Urteil vom 24. Oktober 2014, Az.: 6 U 211/13, GRUR 2015, 596, Rn. 35 - Kinderstube). Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine kennzeichenmäßige Benutzungshandlung vorliegt, ist somit die Einbettung des Zeichens in sein Umfeld. Dabei ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden.

(2) Vorliegend bestärkt das Präsentationsumfeld die angesprochenen Verkehrskreise in der Annahme, dass es sich bei der beanstandeten Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ um einen rein beschreibenden Hinweis dergestalt handelt, dass die in den beworbenen Eierlikör-Päckchen enthaltenen fünf Liköre allesamt die Zutat „Ei“ enthalten.

(a) Dies gilt in besonderer Weise für diejenige Präsentation, bei der der angegriffene Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ mit einem Osternest bebildert ist. Vor dem Hintergrund, dass Eier die Hauptzutat von Eierlikör sind und angesichts der kulturellen Bedeutung von Ostereiern, die - woran der Verkehr gewöhnt ist - eingebettet in Osternester dargestellt werden, erfasst der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als Zutatenhinweis ohne weiteres und auf den ersten Blick. Die Annahme, der Verkehr erblicke in den angegriffenen Zeichen ein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft ist fernliegend.

(b) Nichts anderes gilt für die Weihnachtswerbung. Hervorzuheben ist, dass die beanstandete Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ nicht in Alleinstellung - gewissermaßen zusammenhanglos - verwendet wird, sondern in der konkreten Aufmachung jedem „Ei“ jeweils bildlich eine Eierlikörflasche zugeordnet ist. Die fünffache Wiederholung des Wortes „Ei“ als rhetorisches Stilmittel findet gemäß der graphischen Anordnung ihre Entsprechung in den fünf beworbenen Eierlikörflaschen in fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen. Zu betonen ist weiter, dass die fünf Eierlikörflaschen unterschiedlicher Geschmacksrichtungen jeweils ei-förmig umrahmt und damit eine auch nur bei flüchtigem Blick erkennbare optische Betonung erfahren haben. Hierzu hat das Landgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sowohl die Farbgebung als auch die Positionierung der Flasche innerhalb der Eiform jeweils den Eindruck eines dottergelben Eigelbs erwecken und dadurch den rein beschreibenden Charakter des Begriffs „Ei“ nochmals verstärken. Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an. Hiergegen bringt auch die Klägerin nichts Substantielles vor. Entgegen der Berufung wird die rein beschreibende Verwendung der beanstandeten Wortfolge auch nicht dadurch zum Herkunftshinweis, dass damit zwei unterschiedliche Eierlikör-Päckchen - eins für Ostern, eins für Weihnachten - beworben wurden.

(3) Schließlich ist zu würdigen, dass oberhalb der beanstandeten Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ - wenn diese nicht in Alleinstellung auf der Produktverpackung angebracht ist - das eigene Unternehmenskennzeichen der Beklagten („Firma D.“) in einer den Gesamteindruck prägenden Art und Weise abgebildet ist. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, das Unternehmenskennzeichen der Beklagten sei kaum wahrnehmbar. Dies trifft nicht zu. Der Schriftzug „Firma D.“ wird durch seine goldglänzende Farbe optisch betont und hebt sich zusätzlich dadurch vom Hintergrund ab, dass er in eine Art „Strahlen“ eingebettet ist. Auch diese hervorgehobene Platzierung des Unternehmenskennzeichens spricht gegen eine markenmäßige Verwendung der beanstandeten Wortfolge. Ohne Erfolg macht die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz geltend, aufgrund ihrer Bekanntheit und der jahrzehntelangen Kooperation mit unterschiedlichen Unternehmen sei es der Verkehr gewöhnt, auf Produktverpackungen neben der Klagemarke oder dem Unternehmenskennzeichen weitere Marken vorzufinden. Damit dringt sie nicht durch.

(a) Die Klägerin ist mit diesem neuen Vortrag, der von der Beklagten zulässigerweise bestritten worden ist, präkludiert. Neuer, streitiger Vortrag ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähig. Diese liegen hier nicht vor. Die Klägerin hat schon nicht dargetan, aus welchem Grund ihr entsprechendes Vorbringen nicht im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens möglich war. Angesichts dessen, dass die Parteien von Anfang an um die Frage der markenmäßigen Verwendung der beanstandeten Wortfolge gestritten haben, hätte für sie hinreichend Anlass bestanden, zu den Kennzeichnungsgewohnheiten der Lebensmittel- und Getränke- sowie insbesondere der Spirituosen-Branche vorzutragen. Dies war offenbar aus Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht geschehen.

(b) Im Übrigen sind die von der Klägerin in Bezug genommenen Beispiele (siehe Seiten 11 bis 17 der Berufungsbegründung vom 08. April 2022) auch in der Sache nicht geeignet, ein herkunftshinweisendes Verständnis des Wortes „Ei“ oder der Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ zu belegen. Im Gegenteil: Der Umstand, dass bei sämtlichen abgebildeten Beispielen explizit und graphisch hervorgehoben auf das Unternehmenskennzeichen „B.“ verwiesen wird, zeigt vielmehr, dass der Verkehr die von der Klägerin verwendete Wortfolge „Ei, Ei, Ei“ - in Alleinstellung - gerade nicht als Herkunftshinweis versteht. Nichts anderes gilt für die beanstandete Wortfolge „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“. Auf Grundlage des von der Klägerin gehaltenen Sachvortrages erschließt sich auch nicht, weshalb die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen sollten, dass die Parteien über eine Kooperationsvereinbarung oder ähnliches miteinander verbunden sein sollen. Dafür spricht angesichts der Tatsache, dass sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Eierlikör herstellen nichts, denn eine Kooperation wird der Verkehr nur bei Unternehmen vermuten, die unterschiedliche Produkte herstellen. Die Annahme, die Beklagte würde Eierlikör der Klägerin vertreiben, liegt danach aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers fern. Der Umstand, dass der beanstandeten Wortfolge drei Punkte nachgestellt sind („Ei, Ei, Ei, Ei, Ei…“), führt zu keiner anderen Beurteilung. Weil aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nichts dafür spricht, dass die Parteien über eine Kooperationsvereinbarung oder ähnliches miteinander verbunden sein könnten, werden sie auch die drei Punkte nicht als - versteckten - Hinweis auf die Klägerin begreifen. Eine solchermaßen interpretierende und mehrere gedankliche Zwischenschritte voraussetzende Betrachtungsweise nehmen sie nicht vor.

c. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, das Landgericht habe verkannt, dass es sich bei der Klagemarke um eine bekannte Marke handele mit der Folge, dass für eine markenmäßige Verwendung eine gedankliche Verknüpfung ausreichend sei. Dem folgt der Senat nicht.

aa. Es kann schon im Ausgangspunkt nicht angenommen werden, dass es sich bei der Klagemarke „Eieiei“ um eine bekannte Marke handelt. Die Behauptung der Klägerin, auf jeder Eierlikörflasche befinde sich mindestens eine in das Glas eingearbeitete Prägung, die die Klagemarke „Eieiei“ wiedergebe, wird durch die von ihr vorgelegten Lichtbilder nicht gestützt. Im Gegenteil: Die Darstellung auf Seite 44 der Berufungsbegründung vom 08. April 2022 zeigt, dass die Wortfolge „Ei, ei, ei…“ - mit Kommata und Leerzeichen - in das Glas geprägt ist. Dass die Klagemarke bekannt ist, folgt nicht allein daraus, dass auf den Kartons, die bei Abgabe mehrerer Eierlikörflaschen verwendet werden, sowie in Flyern und Broschüren stets der Domainname „eieiei.B.“ abgedruckt ist (siehe dazu Verpackungsbeispiele auf Seite 47 der Berufungsbegründung vom 08. April 2022 sowie Anlage K 17). In der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise liegt darin eine für das Internet typische und übliche Verkürzung unter Weglassung von Leerzeichen und Kommata.

bb. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen belegen allenfalls eine umfangreiche Verwendung des Werbeslogans „Ei, Ei, Ei B.“, was jedoch gerade keine besondere Bekanntheit der Klagemarke „Eieiei“ begründet.

(1) Zu betonen ist, dass in den von der Klägerin umfangreich verwendeten Werbeslogan („Ei, Ei, Ei B.“) die Klagemarke („Eieiei“) keinen Eingang gefunden hat. In der Klagemarke findet - anders als im Werbeslogan - gerade keine Trennung zwischen den „Ei“-Elementen statt. Damit nimmt die Klagemarke Bezug auf die Interjektion „ei“, die von den angesprochenen Verkehrskreisen - wie bereits dargetan - als Ausdruck der Verwunderung und Überraschung verstanden wird. Genau diese Bezugnahme fehlt dem Zeichen „Ei, Ei, Ei“, das als glatt beschreibende Aufzählung einer Zutatenangabe verstanden wird.

(2) Überdies hat die Klägerin das Zeichen „Ei, Ei, Ei“, der sich - wie zuvor ausgeführt - wesentlich von der Klagemarke „Eieiei“ unterscheidet, in dem Werbeslogan mit dem Unternehmenskennzeichen „B.“, also einem Wortelement mit eigenständiger Kennzeichnungskraft, verbunden, womit eine Veränderung des kennzeichnenden Charakters bewirkt wird. Dies gilt hier umso mehr, als dass es sich bei dem Element„B.“ um den einzigen kennzeichnungskräftigen Bestandteil in dieser Wortkombination handeln dürfte (siehe dazu BPatG, Beschluss vom 21. September 2022, Az.: 29 W (pat) 508/21, zitiert nach juris).

(3) Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich der Werbeslogan („Ei, Ei, Ei B.“) unstreitig an den in den 1960er Jahren populären Schlager „Ay, Ay, Ay, Maria aus Bahia“ anlehnt. Durch die Kombination der Wortfolge „Ei, Ei, Ei“ mit dem Zeichen„B.“ und die dadurch entstehende Bezugnahme auf diesen Schlagertitel erhält der Werbeslogan einen eigenständigen kennzeichnenden Charakter. Aus der maßgeblichen Verkehrssicht sind die verbundenen Teile zu einer Einheit verschmolzen mit der Folge, dass der Verkehr darin ein einheitliches Zeichen erkennt. Das gilt auch für die Mitglieder der angesprochenen Verkehrskreise, denen der Schlager „Ay, Ay, Ay, Maria aus Bahia“ unbekannt ist. Auch von ihnen wird der Werbeslogan („Ei, Ei, Ei“ und „B.“) als Werbeaussage verstanden, mit der - unter Verwendung werbeüblicher Stilmittel - im Sinne eines Beschaffenheitsmerkmals darauf hingewiesen wird, dass Eier wesentlicher Bestandteil der von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Produkte sind. Die Wortfolge „Ei, Ei, Ei“ verbindet sich mit dem Zeichen „B.“ zu einem Gesamtbegriff, der als Einheit wahrgenommen wird.

2. Davon ausgehend, dass eine kennzeichenmäßige Benutzung des angegriffenen Zeichen „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ zu verneinen ist, bedarf es keiner Ausführungen des Senats zur markenrechtlichen Verwechselungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Gleiches gilt, soweit die Parteien über den markenrechtlichen Bekanntheitsschutz im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG streiten und zwar unabhängig davon, dass in Bezug auf die Klagemarke „Eieiei“ - wie dargetan - nicht feststellbar ist, dass es sich um eine bekannte Marke handelt.

3. Auch aus dem Schutz von Unternehmenskennzeichen ergibt sich kein Unterlassungsanspruch der Klägerin. Sie kann nicht mit Erfolg geltend machen, die in Rede stehende Bezeichnung „Eieiei“ bzw. „Ei, Ei, Ei“ sei als Geschäftsabzeichen im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG geschützt. Nach Maßgabe der bereits angestellten Erwägungen kann nicht von einem kennzeichenmäßigen Gebrauch der in Rede stehenden Zeichen (ohne den Zusatz „B.“) ausgegangen werden, denn es handelt sich - wie dargetan - um eine schlichte Zutatenangabe, der aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers keine betriebliche Herkunftshinweisfunktion zukommt. Der Senat verkennt nicht, dass bei bekannten Unternehmenskennzeichen die Einbeziehung von Benutzungshandlungen geboten sein kann, die eine gedankliche Verknüpfung mit dem bekannten Unternehmenskennzeichen hervorrufen, auch wenn darin noch keine klassische kennzeichenmäßige Benutzung zu sehen ist. Hieraus ergibt sich jedoch keine für die Klägerin günstige Rechtsfolge, da dem Verbraucher die in Rede stehende Bezeichnung „Eieiei“ bzw. „Ei, Ei, Ei“ stets und nur in Kombination mit dem Zusatz „B.“ geläufig ist. Der bekannte Werbeslogan lautet nun einmal „Ei, Ei, Ei B.“ (und eben nicht „Eieiei“ bzw. „Ei, Ei, Ei“).

4..Auf Grundlage der vorstehenden Ausführungen ergibt sich schließlich auch kein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten aus § 4 Nr. 3 UWG. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz für nicht gegeben erachtet hat. Das Landgericht ist aufgrund der zur markenmäßigen Verwendung des angegriffenen Zeichens angestellten Erwägungen folgerichtig zu dem Ergebnis gelangt, dass der Wortfolge „Ei, Ei, Ei“ schon keine wettbewerbliche Eigenart zukommt. Dies hält der Nachprüfung durch den Senat stand. Das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz gibt keinen Anlass zu ergänzenden Ausführungen. Die Berufung irrt, wenn sie meint, der Werbeslogan „Ei, Ei, Ei“ (wohlgemerkt ohne den Zusatz „B.“) habe sich aufgrund der intensiven und langjährigen Benutzung als Herkunftshinweis auf das Unternehmen der Klägerin etabliert. Diese Ansicht teilt der Senat - ebenso wie das Landgericht - aus den bereits dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nicht.

5. Es bedarf keiner Entscheidung des Senats, ob als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch die von der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 18. Februar 2020 abgegebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung in Betracht kommt. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsbegehren im Rahmen dieses Rechtsstreits auf eine Markenverletzung gestützt und sich hilfsweise auf die Verletzung wettbewerbsrechtlichen Vorschriften aus dem UWG berufen, sich mithin eines gesetzlichen Unterlassungsanspruches berühmt. Will die Klägerin den Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte auch aus einem Unterlassungsvertrag ableiten, so liegt ein eigener Streitgegenstand vor (siehe dazu Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 641 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), der jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln

BGH
Beschluss vom 12.01.2023
I ZR 223/10
Arzneimittelbestelldaten
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 9 Abs. 1; Richtlinie 95/46/EG Art. 8 Abs. 1; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH vor: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO, ABl. L 119/1 vom 4. Mai 2016, S. 1) und der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie, DSRL, ABl. 281 vom 23. November
1995, S. 31) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen die Regelungen in Kapitel VIII der Datenschutz-Grundverordnung nationalen Regelungen entgegen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen?

2. Sind die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendige Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 DSRL?

BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023 - I ZR 223/19 - OLG Naumburg - LG Dessau-Roßlau

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH legt EuGH vor: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln

BGH
Beschlüsse vom 12.01.2023
I ZR 222/19 und I ZR 223/19


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen zustehen und diese abgemahnt und gerichtlich geltend gemacht werden können. Ferner geht es um Fragen hinsichtlich der Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum Vertrieb von Arzneimitteln über eine Internet-Verkaufsplattform vor

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob ein Apotheker, der auf einer Internet-Verkaufsplattform Arzneimittel vertreibt, gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, und ob ein solcher Verstoß von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 222/19

Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der Kläger rügt, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform verstoße einerseits gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Berufsordnung für Apotheker sowie andererseits gegen datenschutzrechtliche Regelungen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Verstöße gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes, der Apothekenbetriebsordnung und der Berufsordnung für Apotheker lägen nicht vor. Im Hinblick auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung - DSGVO) sei der Kläger nicht klagebefugt. Die Datenschutzgrundverordnung enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das den Wettbewerber nicht einschließe.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren vom Kläger angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts eingelegt.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 223/19

Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der Kläger rügt, dass der Beklagte für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogenen Daten im Rahmen des Bestellprozesses keine Einwilligung eingeholt hat. Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht klagebefugt. Es liege auch keine Verarbeitung von Gesundheitsdaten vor. Zudem sei die Datenverarbeitung rechtmäßig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Der Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

Bisheriger Prozessverlauf in beiden Verfahren

Der Senat hat beide Verfahren mit Beschluss vom 8. September 2020 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über sein Vorabentscheidungsersuchen vom 28. Mai 2020 (I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 159/2022) ausgesetzt. Mit diesem Ersuchen hatte der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Kapitel VIII und insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 28. April 2020 (C-319/20 - Meta Platforms Ireland) unter Hinweis darauf, dass das Ausgangsverfahren nicht die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers aufwerfe, nur den Teil der ihm vom Bundesgerichtshof vorgelegten Frage beantwortet, der sich auf die Klagebefugnis der nach dem nationalen Recht berechtigten Verbände, Einrichtungen und Kammern im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO bezieht.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren I ZR 223/19 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelungen in Kapitel VIII der Datenschutz-Grundverordnung nationalen Regelungen entgegenstehen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen. Außerdem hat der Bundesgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Union gefragt, ob die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Richtlinie, DSRL) sind.

Das Verfahren I ZR 222/19 hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung über sein Vorabentscheidungsersuchen in der Sache I ZR 223/19 ausgesetzt.

Vorinstanzen im Verfahren I ZR 222/19:

LG Magdeburg, Urteil vom 18. Januar 2019 - 36 O 48/18

OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 6/19

Vorinstanzen im Verfahren I ZR 223/19:

LG Dessau-Roßlau - Urteil vom 27. März 2018 - 3 O 29/17

OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 39/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, […]

Art. 9 DSGVO

(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

(2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:

a) Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, […]

Art. 8 DSRL

(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben.

(2) Absatz 1 findet in folgenden Fällen keine Anwendung:

a) Die betroffene Person hat ausdrücklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt, […]