Der BGH hat entschieden, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse durch kostenlose Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf dem Online-Portal eines Landkreises vorliegt.
Die Pressemitteilung des BGH: Kostenlose Veröffentlichung von Stellenanzeigen im Online-Portal des Landkreises verstößt gegen
Gebot der Staatsferne der Presse
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Angebot kostenloser Stellenanzeigen im Online-Portal eines Landkreises eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand darstellt und im Streitfall gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt.
Sachverhalt:
Die Klägerin verlegt eine Tageszeitung in gedruckter und digitaler Form sowie ein Anzeigenblatt und unterhält zwei Online-Portale. In diesen Medien werden Stellenanzeigen gegen Entgelt veröffentlicht. Der beklagte Landkreis betreibt unter anderem ein Online-Portal, das für den Landkreis als Arbeits- und Lebensstandort werben soll und auf dem unentgeltlich Stellenanzeigen privater Unternehmen und öffentlich-rechtlicher Institutionen veröffentlicht werden.
Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, das Angebot kostenloser Stellenanzeigen verstoße gegen das Gebot der Staatsferne der Presse.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.
Mit seiner vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Das beanstandete Angebot kostenloser Stellenanzeigen auf dem Online-Portal des beklagten Landkreises verstößt gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse und ist nach § 3a UWG wettbewerbswidrig.
Die Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf dem Online-Portal des Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Die Unentgeltlichkeit des Angebots ist dabei nicht von maßgeblicher Bedeutung. Bei der Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand vorliegt, ist im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand im Gegensatz zu privaten Unternehmen nicht auf die Erzielung von Gewinnen angewiesen ist und Verluste durch Steuern, Abgaben oder Beiträge decken kann. Geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand weisen aus diesem Grund nicht zwingend einen Unternehmensbezug im Sinne einer auf den entgeltlichen Absatz von Waren oder Dienstleistungen gerichteten Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr auf. Die öffentliche Hand kann sich einer lauterkeitsrechtlichen Überprüfung ihres Verhaltens nicht dadurch entziehen, dass sie die ihr - im Gegensatz zu privaten Unternehmen - eröffnete Möglichkeit nutzt, Waren oder Dienstleistungen unentgeltlich anzubieten.
Der Bundesgerichtshof hat auch die Beurteilung des Berufungsgerichts gebilligt, wonach das Angebot kostenloser Stellenanzeigen gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt. Das Berufungsgericht hat dabei zutreffend allein auf das beanstandete Angebot kostenfreier Stellenanzeigen abgestellt, weil im Streitfall - anders als in Fällen, in denen der redaktionelle Teil einer Publikation der Gemeinde als die Presse substituierend beanstandet wurde - nur dieser wirtschaftliche Aspekt in Rede steht, der aber ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst wird, die sich auf den Anzeigenteil erstreckt. Keinen Rechtsfehler weist auch die Würdigung des Berufungsgerichts auf, der Betrieb der Jobbörse sei geeignet, der Klägerin und anderen Verlegern von Zeitungen oder sonstigen Medien im Landkreis in erheblichem Umfang Kunden für Stellenanzeigen und damit auch die wirtschaftliche Grundlage für die Herausgabe von Presseerzeugnissen zu entziehen.
Vorinstanzen:
LG Osnabrück - Urteil vom 5. September 2022 - 11 O 667/22
OLG Oldenburg - Urteil vom 22. September 2023 - 6 U 124/22
2. "geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen; […]
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Das LG Bonn hat entschieden, dass das Gesundheitsportal des Bundes gesund.bund.de gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt.
Aus den Entscheidungsgründen: Denn der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. dem aus Art. 5 Abs. 1 S.2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse zu.
Gemäß § 8 Abs. 1 UWG kann, wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Unzulässig sind unlautere geschäftliche Handlungen (§ 3 Abs. 1 UWG). Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln und wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG).
a. Die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG stehen der Klägerin als Mitbewerberin der Beklagten zu.
Die Eigenschaft als Mitbewerberin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Ein solches ist anzunehmen, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten der einen die andere beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann. Auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2018 - I ZR 112/17, GRUR 2019, 317 - Crailsheimer Stadtblatt II, Urteil vom 26.012017 - I ZR 217/15, GRUR 2017, 918 - Wettbewerbsbezug, mwN). Für die Mitbewerber-Eigenschaft der Beklagten im Fall „WarnWetter-App“ hat der BGH es ausreichen lassen, dass „beide Parteien Wetter-Apps anbieten“. Sie seien
„daher Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, die in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen“ (BGH, Urteil vom 12.03.2020 – I ZR 126/18 – WarnWetter-App, Rn. 43). Genauso liegt es hier, denn sowohl die Klägerin als auch die Beklagte bieten digitale Gesundheitsportale mit ähnlichen Inhalten in ähnlicher Aufmachung an.
b. Das Betreiben des ausdrücklich werbe- und anzeigenfreien NGP stellt auch eine „geschäftliche Handlung“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Der BGH hat zu der Frage, wann eine „geschäftliche Handlung“ des Staates anzunehmen ist, in der Entscheidung WarnWetter-App (BGH, Urteil vom 12.03.2020 – I ZR 126/18, Rn. 48 ff.) die bis dahin gängigen Abgrenzungsformeln zwischen erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit einerseits und hoheitlicher Tätigkeit andererseits präzisiert und ausgeführt:
„Für die Frage, ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung vornimmt, muss zunächst zwischen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten einerseits und hoheitlichen Tätigkeiten andererseits unterschieden werden (BGH, Urteil vom 27.07.2017 – I ZR 162/15, GRUR 2018, 196 Rn. 23 = WRP 2018, 186 – Eigenbetrieb Friedhöfe; Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 Rn. 55 = WRP 2019, 317 – Crailsheimer Stadtblatt II = GewArch 2019, 108), wobei eine hoheitliche Tätigkeit in diesem Sinne vorliegt, wenn die öffentliche Hand zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe tätig wird (vgl. BGH, GRUR 2019, 741 Rn. 14 – Durchleitungssystem). Eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden. Bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist weiter danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung tätig wird. Ist dies der Fall, ist ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen, solange sich das Handeln innerhalb der Ermächtigungsgrundlage bewegt, die insoweit den Handlungsspielraum vorgibt (BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 – Eigenbetrieb Friedhöfe; GRUR 2019, 189 Rn. 55 – Crailsheimer Stadtblatt II, mwN = GewArch 2019, 108). Nimmt die öffentliche Hand öffentliche Aufgaben wahr, bewegt sie sich dabei jedoch außerhalb des ihr durch eine Ermächtigungsgrundlage zugewiesenen öffentlichrechtlichen Aufgabenbereichs, ist ihr Handeln als geschäftliche Handlung anzusehen mit der Folge, dass sie sich an den Regeln des Wettbewerbsrechts messen lassen muss (vgl. BGH, GRUR 2019,189 Rn. 56 – Crailsheimer Stadtblatt II = GewArch 2019, 108) und – wenn die weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 UWG vorliegen – zur Unterlassung verpflichtet ist. Handelt die öffentliche Hand zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und wird sie dabei ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig, ist eine geschäftliche Handlung nicht ausgeschlossen. Sie ist allerdings auch nicht ohne weiteres zu vermuten, sondern anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls besonders festzustellen (BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 – Eigenbetrieb Friedhöfe, mwN).“
Diese Abgrenzungskriterien hat der BGH in nachfolgenden Entscheidungen, insbesondere der Entscheidung dortmund.de weder aufgegeben noch geändert. Vielmehr hat er in der Entscheidung dortmund.de keine Ausführungen dazu gemacht, ob er in Ansehung des Betriebes des Stadtportals von einer geschäftlichen Handlung im Sinne des UWG ausgeht. Denn er hat die Klage bereits mangels Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG abgewiesen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 97/21 –, dortmund.de, Rn. 20 ff. juris) und die Frage, ob zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht und eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorliegt, ausdrücklich offengelassen (BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 97/21 –, Rn. 66, juris, dortmund.de).
(1) Gemessen an den so entwickelten Abgrenzungskriterien liegt mit dem Betrieb des NGP in der Gestaltung von Februar 2021 eine geschäftliche Handlung i.S.d. UWG vor, da das NGP die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage überschreitet. Diese hat der Gesetzgeber erst nach Erstellung des NGP durch das DVPMG mit § 395 SGB V geschaffen. Zwar bewegt sich das NGP rein formal innerhalb der Vorgaben des § 395 SGB V. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vorschrift ihrem Wortlaut nach überhaupt keine inhaltlichen oder sonst einschränkenden Vorgaben mit Bezug auf die Ausgestaltung des NGP macht. Er ermächtigt das BMG lediglich zur Errichtung und zum Betrieb eines lediglich seiner allgemeinen Art nach beschriebenen „elektronischen, über allgemein zugängliche Netze (...) aufrufbaren Informationsportals, das gesundheits- und pflegebezogene Informationen barrierefrei in allgemein verständlicher Sprache zur Verfügung stellt” und bezeichnet dieses als „Nationales Gesundheitsportal“.
(2) Die Vorschrift ist jedoch – wie jede andere einfachgesetzliche Norm – im Einklang mit der Verfassung auszulegen. Hieraus folgt, dass § 395 SGB V nur den Betrieb eines
solchen Portals zulässt und hierzu ermächtigt, welches sich in den Grenzen von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hält und dessen verfassungsrechtliche Garantien nicht verletzt. Diese – durch verfassungskonforme Auslegung zu ermittelnden – Grenzen von § 395 SGB V hält das NGP in seiner hier maßgeblichen Gestaltung vom Februar 2021 jedoch nicht ein. Denn es verletzt in dieser Ausgestaltung die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Darin liegt zugleich eine unzulässige geschäftliche Handlung i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, da es sich bei dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse nach ständiger Rechtsprechung des BGH um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt (vgl. stellvertretend für viele BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 97/21 –, Rn. 20 f., juris, dortmund.de).
(3) Das für den Staat bestehende, aus der objektiv-rechtlichen Komponente der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (auch "Institut der freien Presse", vgl. Grabenwarter in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 82. Ergänzungslieferung Januar 2018, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 353; Bonner Kommentar/Degenhart, 185. Lieferung Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Rn. 40) abgeleitete Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, regelt die Frage, wie sich Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen im Falle ihrer Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten haben. Dieses Gebot ist im Sinne des § 3a UWG zumindest auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Das Gebot der Staatsferne der Presse setzt der am Markt tätigen öffentlichen Hand zugunsten der anderen Marktteilnehmer – insbesondere der institutionell geschützten Presse, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung – enge Grenzen. Es soll nicht bestimmte Anbieter von bestimmten Märkten fernhalten, sondern lässt zu, dass private und staatliche Stellen sich in einem überschneidenden Bereich auf dem Markt begegnen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II - juris, Rn. 19 und BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn.21).
Unerheblich ist insoweit, dass sich das hier in Frage stehende staatliche Handeln, zu dem § 395 SGB V ermächtigt, nicht auf ein Druckerzeugnis bezieht, sondern auf ein digitales sog. „Telemedien-Angebot“. Denn das verfassungsrechtliche Gebot der Staatsferne der Presse bezieht sich „auf ein ausuferndes Informationshandeln des Staates, gleich in welcher Form, das die Kommunikationsprozesse der freien Presse als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten
Vertretung und damit die Meinungsbildung von unten nach oben gefährdet“ (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 37 m.w.N.). Unerheblich ist auch, dass die Beklagte mit dem NGP nur eine bestimmte Sparte der Informationsbranche bedient, nämlich die Gesundheitspresse.
Ob staatliches Informationshandeln durch Betreiben von Portalen oder anderen Diensten in bzw. über das Internet (oder allgemein: „Telemedien“) das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt, hatten in den vergangenen Jahren die OLG Hamm und München sowie der BGH zu entscheiden. Streitgegenständlich waren in den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm und München sowie in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.07.2022 die im Internet zugänglichen „Stadtportale“ der Städte München und Dortmund. Darüber hinaus hatte der BGH im Jahr 2020 über die sog. WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes zu entscheiden (Urteil vom 12.03.202 – I ZR 126/18 – WarnWetter-App). Der Bundesgerichtshof hat in den genannten Urteilen die bereits in der Entscheidung Crailsheimer Stadtblatt II“ entwickelten Grundsätze für staatliches Informationshandeln fortgeführt und näher ausgestaltet. Danach sind für die konkrete Beurteilung staatlicher Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse „Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 35 bis 39] - Crailsheimer Stadtblatt II). Dabei begründen einzelne, die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet“ (BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 40 f.] - Crailsheimer Stadtblatt II; BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 40 m.w.N.). Im Rahmen dieser wertenden Gesamtbetrachtung legen bestimmte Indizien eine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse nahe. So ist „bei der erforderlichen wertenden Betrachtung der Publikation insgesamt (…) neben den inhaltlichen Kriterien insbesondere zu berücksichtigen, wie die Informationen den angesprochenen Gemeindemitgliedern präsentiert werden. Je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und bei den angesprochenen Verkehrskreisen als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt, desto eher sind die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und die daraus abgeleitete Marktverhaltensregelung des Gebots der Staatsferne der Presse verletzt. Keinesfalls darf die kommunale Publikation den Lesern eine Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung – jedenfalls subjektiv – entbehrlich macht. Je deutlicher - in Quantität und Qualität – eine kommunale Publikation Themen besetzt, derentwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher ist der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten“ (vgl. BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 40] - Crailsheimer Stadtblatt II, mwN; BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 52).
Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters der Publikation sind auch ihre optische Gestaltung, redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews, und die Frequenz des Vertriebs zu berücksichtigen. Allein die Verwendung pressemäßiger Darstellungselemente und eine regelmäßige Erscheinungsweise führen zwar nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Grenze wird aber überschritten, wenn das Druckwerk nicht mehr als staatliche Publikation erkennbar ist. Erfolgt die Verteilung kostenlos, erhöht sich die Gefahr einer Substitution privater Presse (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 53, juris m.w.N.).
Bei Online-Informationsangeboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druckerzeugnisse bestehenden Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Daher kann für die Gesamtbetrachtung bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne der Presse verletzenden Beiträge besonderes Gewicht haben und das Gesamtangebot prägen. Dafür können Verlinkungen auf diese Beiträge sprechen – zum Beispiel von der Startseite des Informationsangebots – oder der Umstand, dass sie zu den meistgelesenen Beiträgen zählen.
Es ist dabei Aufgabe des jeweiligen Klägers, alle anspruchsbegründenden Tatsachen für einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse darzulegen und zu beweisen. Hierzu gehören neben substantiiertem Vortrag zu einzelnen unzulässigen redaktionellen Beiträgen auch substantiierter Vortrag dazu, dass die wertende Gesamtbetrachtung der Publikation zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse führt (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 58, juris). Nicht ausreichend ist pauschaler Vortrag, das Informationshandeln verstoße gegen Art. 5 GG. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, das bemängelte Portal ohne weiteren konkreten Vortrag in allen Einzelheiten auf mögliche Verstöße hin zu untersuchen (BGH a.a.O. Rn. 57).
In der an diesen Grundsätzen orientierten Gesamtschau verstößt das NGP gegen Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. § 3a UWG.
(aa) Zwar sind die Inhalte des Portals schon aufgrund des Domainnamens „gesund.bund.de“ und des am Ende der jeweiligen Seiten aufgebrachten Bundesadlers als staatliche Publikation erkennbar. Die Erkennbarkeit als staatliche Publikation führt allerdings für sich genommen noch nicht dazu, dass das Portal in der streitgegenständlichen Form in jedem Fall zulässig wäre (vgl. auch OLG München, Urteil vom 30. September 2021 – 6 U 6754/20 –, Rn. 120, juris). Die Grenzen der Zulässigkeit sind dann überschritten, wenn eine Publikation nicht mehr als staatliche erkennbar ist. Ein Umkehrschluss ist aber nicht zulässig: Die Erkennbarkeit als staatliche Publikation führt nicht zur automatischen Zulässigkeit des Informationshandelns (vgl. hierzu OLG München, Urteil vom 30. September 2021 – 6 U 6754/20 –, Rn. 121 f., juris).
(bb) Auch der Umstand, dass das NGP sich in der Verwendung der Gestaltungsmittel an anderen Internet-Publikationen orientiert bzw. diesen gleicht – etwa durch die Verbindung von Text, Bild und graphischen Darstellungen – genügt für sich allein genommen nicht zur Annahme einer unzulässigen Publikation. Vielmehr ist die Aufmachung als „internettypisch“ einzustufen.
(cc) Allerdings überschreitet die große Mehrheit der in den Rubriken „Krankheiten A-Z“ und „Gesund leben“ eingestellten Artikel die Grenzen zulässigen staatlichen Informationshandelns. Für beide Rubriken besteht schon keine Kompetenz der Beklagten, sich in derart weitgehendem Maße und Umfang ohne jeglichen konkreten Anlass informierend zu betätigen.
Zwar ist dem Staat und seinen Einheiten die Teilhabe an öffentlicher Kommunikation durch Öffentlichkeitsarbeit und Informationstätigkeit nicht grundsätzlich verboten. Legitim und im Einzelfall sogar geboten ist Öffentlichkeitsarbeit im Sinne einer Selbstdarstellung des Staates. In der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes ist es legitim und notwendig, dass Regierungen und gesetzgebende Körperschaften ihre Politik in der Öffentlichkeit darstellen sowie künftig zu lösende Fragen darlegen und erläutern. Es ist ihr Recht und auch ihre Aufgabe, Politik verständlich zu machen, die Bevölkerung über Politik und Recht im jeweiligen Aufgabenkreis zu informieren und staatliche Tätigkeit transparent zu gestalten. Derartiges Informationshandeln ist auch in presseähnlicher Form und auch im Internet zulässig (BGH GRUR 2019, 189 Rn. 37 – Crailsheimer Stadtblatt II). Darüber hinaus ist auch eine situationsbedingte Informationstätigkeit in besonderen Gefahrenlagen und in aktuellen Krisen zulässig und im Einzelfall sogar geboten (BGH GRUR 2019, 139 Rn. 39 – Crailsheimer Stadtblatt II). Es ist ggf. Aufgabe des Staates, zum Ausgleich aktueller Informationsdefizite in akuten Angelegenheiten, insbesondere zur Abwehr von Gefahren informierend tätig zu werden (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252-279).
Die weit überwiegende Mehrzahl der Artikel in den Rubriken „Krankheiten A-Z“ und
„Gesund leben“ lässt sich aber keiner dieser Kategorien zulässigen staatlichen Informationshandelns zuordnen. Es geht (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen) weder um gefahrenbezogene Information der Bürger zur Abwehr konkreter akuter Gefahrensituationen, noch um die Erklärung und Darstellung von Regierungspolitik. Vielmehr handelt es sich bei der Rubrik „Krankheiten A-Z“ um eine Art „Gesundheitslexikon“, in welchem die Beklagte Informationen allgemeinster Natur internettypisch aufbereitet und zur Verfügung stellt. Ähnlich verhält es sich bei der Rubrik „Gesund leben“, in welcher die Beklagte in den unterschiedlichsten Lebensbereichen Tipps und Ratschläge für „gesundes Leben“ gibt.
Es genügt auch nicht, dass mit Blick auf die behandelten Themen ein Bezug zu dem Aufgabenspektrum des Gesundheitsministeriums besteht. Ein allgemein thematischer Aufgabenbezug kann für sich allein genommen das Informationshandeln staatlicher Stellen bereits deshalb nicht rechtfertigen, weil die einzelnen Fachressorts auf Bundes- und Landesebene nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche abdecken. Ließe man den bloßen thematischen Bezug zu den Aufgabenbereichen der Fachressorts ausreichen, würde dies die verfassungsrechtlichen Schranken für staatliche Öffentlichkeitsarbeit weitgehend aufheben. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.07.2022 dortmund.de herleiten. Denn der Bundesgerichtshof hat die breit angelegte Informationskompetenz der Kommune dort ausdrücklich aus dem Recht zur kommunalen Selbstverwaltung hergeleitet, welchem Verfassungsrang zukommt. Auf eine ähnlich verfassungsrechtlich geschützte Position kann die Beklagte sich aber schon nicht berufen. Sie ist weder Grundrechtsträgerin noch kann sie ähnlich einer Kommune für sich das Recht in Anspruch nehmen, aus Gründen des (Stadt-)Marketings eine Fülle von Informationen
der unterschiedlichsten Sparten (Rubriken) in aktualisierter Version dauerhaft vorhalten zu müssen. Bei den Rubriken „Krankheiten A-Z“ und „Gesund leben“ geht es nicht um eine werbende informative Darstellung des Ministeriums, seiner Aufgabenbereiche und angestoßener politischer Projekte. Ebenso wenig genügt es, dass die Beklagte von einem Informationsdefizit der Bevölkerung in Sachen
„Gesundheit“ bzw. von einer mangelnden „Gesundheitskompetenz“ ausgeht. Insoweit hat der Bundesgerichtshof betont, dass die Grenzen (kommunaler) Öffentlichkeitsarbeit es verbieten, auch bei einer vermeintlich unzureichenden Versorgung mit Informationen über das örtliche Geschehen durch die private Presse, eine solche angeblich vorhandene Informationslücke durch eine eigene, von amtlichen Bezügen losgelöste Informationstätigkeit zu schließen (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 39 m.w.N.). Diese Wertung ist auf die Öffentlichkeitsarbeit einer obersten Bundesbehörde wie der Beklagten ohne weiteres zu übertragen.
Die Inhalte des NGP führen zudem in den angesprochenen Rubriken „Krankheiten A- Z“ und „Gesund leben“ zu einem Substitutionseffekt zu Lasten der privaten Anbieter ähnlicher Formate wie beispielsweise der Klägerin. Die Artikel des NGP sind in diesen Bereichen derart ähnlich aufbereitet – sie sind nahezu identisch strukturiert und weisen auch im Hinblick auf ihre grafische Gestaltung und Illustrationen eine frappierende Ähnlichkeit auf – und verfolgen dieselbe Zielsetzung, dass der private Leser sie als funktionales Äquivalent zu den Angeboten privater Akteure begreift. Anschaulich hat die Klägerin dies etwa für die Artikel „Generalisierte Angststörung“,
„Aphten“ und „Brustkrebs“ aus der Rubrik „Krankheiten A-Z“ sowie „Wie funktioniert gesunde Ernährung?“ aus der Rubrik „Gesund leben“ dargestellt. Insoweit wird auf die Ausführungen der Klägerin in der Anlage K70, Bl 2283 ff. d.A. Bezug genommen. Hierin begründet liegt die Gefahr eines Leserverlustes bei den privaten Anbietern ähnlicher Portale wie etwa der Klägerin. Denn die Beklagte bietet eine Fülle von Informationen, wegen derer Leser im Netz gerade die Seiten der Klägerin oder ihrer privaten Konkurrenten aufrufen. Damit macht sie das Angebot der privaten Anbieter jedenfalls aus subjektiver Hinsicht eines Lesers entbehrlich. Auf einen solchen
„Substitutionseffekt“ scheint das Angebot der Beklagten auch angelegt zu sein, denn die Beklagte nimmt für sich in Anspruch, den Nutzern eine neutrale und besonders zuverlässige Information anzubieten und hat ihr Portal in der Öffentlichkeit damit auch beworben. Außerdem solle – nach den Worten des damaligen Gesundheitsministers Spahn – „wer Gesundheit googelt, (…) künftig auf dem Nationalen Gesundheitsportal landen“. Diese Aussage kann nur dahingehend
verstanden werden, dass die Beklagte ihr Angebot an die Stelle der für unzureichend empfundenen Angebote konkurrierender privater Akteure setzen möchte.
(dd) In der Rubrik „Pflege“ informiert die Beklagte über Leistungen des Staates bzw. der Pflegeversicherung als eines Systems der sozialen Sicherung. Sie kann für sich betrachtet dem Bereich staatlicher Öffentlichkeitsarbeit als Information über staatliche Einrichtungen und Leistungen angesehen werden.
(ee) In der Rubrik „Gesundheit Digital“ verletzt die Beklagte die Pflicht des Staates zu neutralem und sachlichen Informationshandeln. Die Beiträge zum e-Rezept und zum elektronischen Impfpass lassen eine differenzierte Darstellung vermissen. Kritisch zu beurteilende Aspekte werden nicht dargestellt, sondern ausschließlich die Vorteile und Chancen der digitalen Errungenschaften.
(ff) In der Gesamtschau überwiegen qualitativ die Rubriken und Artikel, mit denen die Beklagte die Grenzen des staatlichen Informationshandelns überschreitet und das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt. Denn der inhaltliche Schwerpunkt des NGP liegt auf den Rubriken „Krankheiten A-Z” und „Gesund leben“. Dahinter treten die anderen Rubriken zurück. Mit dem Gros der Artikel in den Hauptkategorien überschreitet die Beklagte – wie dargestellt – ihre Kompetenz zu staatlichem Informationshandeln. Dies führt im Wege der wertenden Gesamtbetrachtung zur Unzulässigkeit des Portals insgesamt. Auch belegt nicht zuletzt der Vergleich des Inhalts des NGP bei Klageerhebung (Anl. K1) und im Dezember 2022 (Anl. K71), dass mit dem NGP die Möglichkeit zu einem immer weiter ausufernden Informationshandeln geschaffen wurde, von der kontinuierlich Gebrauch gemacht wird. Dabei werden gerade die Rubriken ihrem Inhalt und Umfang nach stark ausgeweitet, die vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unzulässig sind.
Die Beklagte geht fehl in der Annahme, ein Unterlassungsanspruch sei schon deshalb nicht begründet, da die Klägerin eine konkrete Gefährdung bzw. Beeinträchtigung ihrer eigenen Geschäftstätigkeit etwa durch einen Leserverlust nicht dargelegt habe. Darauf kommt es nicht an. Weder im Rahmen von § 3a UWG noch auf Ebene des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist erforderlich, dass eine konkrete Gefährdung der Presse dargetan wird (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – I ZR 97/21 – dortmund.de, Rn. 59, juris). Vielmehr genügt eine abstrakte Gefährdung der Presse. Diese liegt im vorliegenden Fall insbesondere in der funktionellen Austauschbarkeit des Angebots der Beklagten im Vergleich zum Angebot der Klägerin und anderer privater Akteure begründet.
Auch eine Abwägung mit den Belangen der Beklagten führt nicht dazu, im Ergebnis von einem zulässigen staatlichen Informationshandeln auszugehen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 14.07.2022 (dortmund.de) hervorgehoben, dass es bei der Frage der Zulässigkeit einer kommunalen Publikation um einen Konflikt zwischen staatlicher Kompetenz einerseits und grundrechtlicher Freiheit andererseits geht und die beiden genannten Verfassungsnormen mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen sind (vgl. Winkler, JZ 2019, 367, 368 mwN; Schröder, WRP 2020, 1278 Rn. 7 bis 10). Im Ergebnis müsse dabei jedoch die Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG größtmögliche Wirksamkeit erhalten, während die Gemeinde lediglich in der Lage sein muss, ihre Aufgaben zu erfüllen (BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 97/21 –, Rn. 38, juris). Im vorliegenden Fall kann die Beklagte in einem solchen Abwägungsprozess bereits keine der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ähnlichen Belange einstellen. Sie bedarf – anders als etwa eine Kommune mit Blick auf ein Stadtportal – nicht des NGP in seiner Gestaltung vom Februar 2021, um ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.
c. Eine Wiederholungsgefahr i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG liegt vor. Diese wird einerseits durch den bereits erfolgten Wettbewerbsverstoß vermutet (vgl. OLG München, Urteil vom 30. September 2021 – 6 U 6754/20 –, Rn. 246, juris), liegt aber auch in dem fortgesetzten Betrieb des NGP durch die Beklagte begründet.
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Zulässigkeit des offiziellen Stadtportals der Stadt München muenchen.de unter dem Gesichtspunkt der Staatsferne der Presse befasst. Die Sache wurde an das OLG München zurückverwiesen.
Leitsätze des BGH:
a) Zu der mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse zulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Kommune gehören grundsätzlich auch das Stadtmarketing und die Tourismusförderung.
b) Eine Anzeigenwerbung ist in einer kommunalen Publikation nur als fiskalisch motivierte Randnutzung zulässig. Für die Bestimmung einer zulässigen Randnutzung ist auf den Umfang der Anzeigenschaltung abzustellen. Die Randnutzung muss als Annextätigkeit eine untergeordnete, quantitativ nachgeordnete Tätigkeit in innerem Zusammenhang mit der Hauptnutzung bleiben (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 41] - Crailsheimer Stadtblatt II).
c) Nach allgemeinen Regeln unzulässige geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand sind bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse nicht in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Wettbewerbsverstöße dieser Art sind nach den allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Regelungen, wie zum Beispiel § 4 Nr. 4, §§ 4a, 5 Abs. 1 oder § 5a Abs. 4 Satz 1 UWG, zu beurteilen; sie können zudem nur zu einem Verbot des jeweils konkret angegriffenen Beitrags, nicht aber der kommunalen Publikation in der konkreten Verletzungsform insgesamt führen.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 - I ZR 152/21 - OLG München - LG München I
Leitsätze des BGH:
a) Die Bezugnahme im Klageantrag auf ein zu den Akten gereichtes digitales Speichermedium, auf dem ein Telemedienangebot als konkrete Verletzungsform dokumentiert ist, kann zur Konkretisierung eines Unterlassungsantrags gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichen.
b) Die Marktverhaltensregelung des aus der Institutsgarantie der Presse gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Gebots der Staatsferne der Presse schützt auch vor Substitutionseffekten kommunaler Online-Informationsangebote, die dazu führen, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann.
c) Bei Online-Informationsangeboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druckerzeugnisse bestehenden Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen für die erforderliche wertende Gesamtbetrachtung der Publikation regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Für die Gesamtbetrachtung kann deshalb bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne verletzenden Beiträge das Gesamtangebot prägen (Weiterführung von BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 - Crailsheimer Stadtblatt II).
BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - I ZR 97/21 - OLG Hamm - LG Dortmund
Der BGH hat entschieden, dass ein Stadtportal einer Kommune im Internet mit Informationen über das Geschehen in der Stadt zulässig ist, wenn nach dem Gesamteindruck die Institutsgarantie der freien Presse nicht gefährdet wird.
Die Pressemitteilung des BGH: Zu den wettbewerbsrechtlichen Grenzen des Betriebs eines kommunalen Internetportals
Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Internetangebot einer Kommune in Form eines Stadtportals, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch Informationen über das Geschehen in der Stadt abrufbar sind, das Gebot der "Staatsferne der Presse" nicht verletzt, wenn der Gesamtcharakter des Internetangebots nicht geeignet ist, die Institutsgarantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Verlag, der neben Tageszeitungen in Form von Printmedien auch digitale Medien anbietet, darunter ein Nachrichtenportal. Die beklagte Stadt betreibt ein Internetportal, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch redaktionelle Inhalte veröffentlicht werden. Nach der über das Internetportal abrufbaren Eigenwerbung soll es umfassend und aktuell über das Geschehen in der Stadt informieren.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, das Internetportal überschreite die Grenzen der zulässigen kommunalen Öffentlichkeitsarbeit und sei deshalb nach § 3a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse wettbewerbswidrig.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Nach einer Gesamtschau der Beiträge in dem Internetportal überschritten die vorgehaltenen Inhalte die Grenzen einer zulässigen kommunalen Berichterstattung. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil sich bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht feststellen lasse, dass der Gesamtcharakter des Portals geeignet sei, die Institutsgarantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Das Internetportal der beklagten Stadt verstößt in der von der Klägerin beanstandeten Fassung nicht gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse.
Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse sind bei gemeindlichen Publikationen unter Berücksichtigung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und der daraus folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits sowie der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits zu bestimmen.
Äußerungs- und Informationsrechte der Gemeinden finden ihre Legitimation in der staatlichen Kompetenzordnung, insbesondere in der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Die darin liegende Ermächtigung zur Information der Bürgerinnen und Bürger erlaubt den Kommunen allerdings nicht jegliche pressemäßige Äußerung mit Bezug zur örtlichen Gemeinschaft. Kommunale Pressearbeit findet ihre Grenze in der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, welche die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt garantiert. Diese ist unabhängig davon einschlägig, dass die Klägerin nicht ein Druckerzeugnis der Beklagten, sondern deren Internetauftritt und damit ein Telemedienangebot beanstandet. Das Gebot der Staatsferne der Presse schützt auch vor Substitutionseffekten kommunaler Online-Informationsangebote, die dazu führen, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann.
Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen sind deren Art und Inhalt sowie eine wertende Gesamtbetrachtung maßgeblich. Dabei ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Bei Online-Informationsangeboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druckerzeugnisse bestehenden Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Für die Gesamtbetrachtung kann deshalb bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne verletzenden Beiträge das Gesamtangebot prägen.
Die vom Berufungsgericht nach diesen Maßstäben vorgenommene Beurteilung des Internetportals der beklagten Stadt hat der Bundesgerichtshof nicht beanstandet.
Vorinstanzen:
LG Dortmund - Urteil vom 8. November 2019 - 3 O 262/17
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.
Das OLG München hat entschieden, dass das offizielle Stadtportal der Stadt München muenchen.de gegen den Grundsatz der Staatsferne der Presse verstößt. Das OLG München kommt zu dem Ergebnis, dass das Portal eine zu kommerzielle Gestaltung aufweist. Rubriken wie "Shopping" oder "Restaurants" sowie das Veranstaltungs- und Kinoprogramm seien unzulässig und begründen einen zu kommerziellen Charakter. Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen.
Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Website der Stadt Dortmund mit presseähnliche Informationen im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Oberlandesgericht Hamm: Ergebnis der Verhandlung über das Internetportal einer Stadt
Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat mit seinem am Ende der heutigen mündlichen Verhandlung verkündeten Urteil auf die Berufung der beklagten Stadt die Klage eines Verlags aus Dortmund, der von der beklagten Stadt verlangt hat, ihr Telemedienangebot im Rahmen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit auf die redaktionelle Darstellung der eigenen Aktivitäten zu beschränken, abgewiesen. Der klagende Verlag trägt die Kosten des Rechtsstreits, die Revision zum Bundesgerichtshof ist zugelassen.
Die zur Entscheidung anstehenden Sach- und Rechtsfragen hat der Senat in der heutigen mündlichen Verhandlung mit den anwesenden Parteien und ihren Anwälten ausführlich erörtert. Dabei hat der Senat zu erkennen gegeben, dass bei Vornahme einer wertenden Gesamtbetrachtung eine Verletzung des aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz folgenden Gebots der Staatsferne der Presse nicht feststellbar sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass das Internetportal der Stadt in unzulässiger Weise die private Presse substituiere. Im Hinblick auf den Umfang des Internetportals einschließlich der großen Anzahl an Haupt- und Unterseiten könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass durch den Betrieb des Stadtportals in der streitgegenständlichen Form ein Leseverlust bei der privaten Presse und eine damit dem Institut der freien Presse zuwider laufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten eintrete. Zwar würden einzelne Artikel gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoßen. Diese würden aber aufgrund der abrufbaren Fülle an Informationen „untergehen“.
Einzelheiten der Begründung der Senatsentscheidung ergeben sich aus dem noch abzusetzenden Urteil, das nach der Zustellung an die Parteien auch zur Veröffentlichung vorgesehen ist. [...]
Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10.06.2021 (Az. 4 U 1/20, OLG Hamm), nicht rechtskräftig
Das LG München hat entschieden, dass das offizielle Stadtportal der Stadt München muenchen.de gegen den Grundsatz der Staatsferne der Presse. Es enthält zu viele redaktionelle Inhalte.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Online-Stadtportal verstößt gegen das Gebot der Staatsferne der Presse
Heute hat die unter anderem auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I der Klage einiger Münchner Zeitungsverlage gegen das Stadtportal der Landeshauptstadt München, www.muenchen.de, stattgegeben (33 O 16274/19).
Der Internetauftritt www.muenchen.de ist das im Jahr 2004 in der heute abrufbaren Form aufgeschaltete offizielle Stadtportal für die Landeshauptstadt München. Er ist mit bis zu rund 2,9 Millionen Besuchen und 12 Millionen Seitenaufrufen im Monat nach der Selbstpräsentation das mit Abstand meistbesuchte Münchner Serviceportal und gleichzeitig eines der erfolgreichsten deutschen Stadtportale. Das Portal umfasst mehr als 173.000 Seiten.
Zur Überzeugung der Kammer ist das Angebot von muenchen.de in der konkret beanstandeten Form mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der „Staatsferne der Presse“ gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes unvereinbar und deshalb wettbewerbswidrig.
In ihrem Urteil nahm die 33. Zivilkammer eine umfassende Interessenabwägung zwischen der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, und der Garantie des Instituts der freien Presse, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, andererseits vor. Für ihre Entscheidung zog die Kammer hierbei vor allem jene Beurteilungsmaßstäbe heran, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung Crailsheimer Stadtblatt II (Urteil vom 20.12.2018, I ZR 112/17) aufgestellt hat. Diese Entscheidung ist zwar zu einem zeitungsmäßig aufgemachten Druckwerk ergangen. Die Kammer hielt sie aber für übertragbar auf das in Streit stehende Internetportal.
Da im Internet aber andere Nutzergewohnheiten gelten als bei einem Printmedium, sieht das Gericht die Grenzen des Zulässigen im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung etwas weiter, als dies bei einem klassischen Presseprodukt geboten wäre.
Den zulässigen Bereich der Berichterstattung überschreitet das Portal www.muenchen.de jedoch in einer Gesamtschau aus folgenden Gründen deutlich:
Der Internetauftritt des Portals biete in der zur Entscheidung gestellten Ausgestaltung den Lesern eine Fülle von Informationen, die den Erwerb einer Zeitung oder Zeitschrift – jedenfalls subjektiv – entbehrlich mache. Es werden in Quantität und Qualität deutlich Themen besetzt, deretwegen Zeitungen und Zeitschriften gekauft werden. Die Beklagte beschränke sich hier nicht auf Sachinformationen. In zahlreichen Beiträgen werde über das gesellschaftliche Leben in München berichtet, sie beträfen sämtlich keine gemeindlichen Aufgaben oder zumindest Aktivitäten und bewegten sich nicht mehr innerhalb der zulässigen Themenbereiche, so das Gericht. Auch im Layout bediene sich www.muenchen.de einer derart (boulevard-) pressemäßigen Illustration mit Überschriften, Zwischenüberschriften, Bildern, Zitaten und unterhaltsamem Text, dass die verfassungsmäßigen Zulässigkeitsgrenzen überschritten seien.
Es sei vielmehr insgesamt nicht mehr erkennbar, dass das Stadtportal eine staatliche Publikation darstelle, so die Kammer.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Klarstellender Hinweis:
Das Landgericht München I hatte über www.muenchen.de in der ihm zur Entscheidung gestellten konkreten Ausgestaltung zu urteilen, nicht über das Stadtportal per se.
BVerwG - Az. 6 A 1.19 - Urteil vom 29.01.2020
BVerwG - Az. 6 A 2.19 - Urteil vom 29.01.2020
BVerwG - Az. 6 A 3.19 - Urteil vom 29.01.2020
BVerwG - Az. 6 A 4.19 - Urteil vom 29.01.2020
BVerwG - Az. 6 A 5.19 - Urteil vom 29.01 2020
Das BVerwG hat diverse Klagen gegen das Verbot der Vereinigung linksunten.indymedia, der Betreiberin des Internetportals "linksunten.indymedia.org", abgewiesen.
Die Pressemitteilung des BVerwG:
Klagen gegen Verbot der Vereinigung „linksunten.indymedia“ bleiben erfolglos
Zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung ist regelmäßig nur die verbotene Vereinigung selbst befugt, nicht dagegen Vereinsmitglieder oder Dritte. Auf die Klagen einzelner Personen hin, die dem verbotenen Personenzusammenschluss angehören, kann lediglich geprüft werden, ob die verbotene Vereinigung dem Vereinsgesetz unterfällt und die im Vereinsgesetz genannten Strukturmerkmale aufweist. Eine weitergehende Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots, insbesondere des Vorliegens der materiellen Verbotsgründe, kommt nur auf die Klage der verbotenen Vereinigung selbst in Betracht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.
Mit Bescheid vom 14. August 2017 hat das Bundesministerium des Innern den Verein „linksunten.indymedia“ verboten. Er soll das Internetportal „linksunten.indymedia.org“ betrieben haben, bei dem es sich nach der Darstellung im Verbotsbescheid um die wichtigste Plattform gewaltorientierter Linksextremisten in Deutschland handele. Die verbotene Vereinigung verfolge den Strafgesetzen zuwiderlaufende Zwecke und richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Nach Einschätzung der Verbotsbehörde waren die Kläger Mitglieder bei „linksunten.indymedia“. Mit ihrer Klage begehren sie die Aufhebung des Verbotsbescheids. Sie machen u.a. geltend, das Vereinsgesetz dürfe nicht zum Verbot eines Nachrichtenportals instrumentalisiert werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Einzelne Personen können sich gegen ein Vereinsverbot nur insoweit wenden, als sie eine Verletzung ihrer durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Möglichkeit geltend machen, sich weiter in der bisherigen Art und Weise gemeinsam zu betätigen. Dies rechtfertigt allein die gerichtliche Prüfung, ob das Vereinsgesetz anwendbar ist und ein Verein im Sinne dieses Gesetzes vorliegt. Eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots kann nur der Verein selbst erreichen. Denn die Verbotsverfügung zielt lediglich auf die kollektive Gewährleistung der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG). Dahinter treten die individuellen Grundrechtsgewährleistungen zurück, weil die Mitglieder nur im Rahmen der kollektiven Willensbildung in der Vereinigung tätig werden können.
Das Vereinsrecht ist hier anwendbar, weil es auch Organisationen erfasst, deren Zweck Pressetätigkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist. Der besondere Schutzanspruch der Medien ist im Rahmen der Prüfung der Verbotsgründe, insbesondere der Verhältnismäßigkeit des Verbots, zu berücksichtigen. Das Vereinsverbot darf nicht auf Meinungsäußerungen gestützt werden, die den Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genießen.
Die verbotene Vereinigung erfüllt nach dem Inhalt der Selbstdarstellungen die gesetzlichen Voraussetzungen des Vereinsbegriffs. Bei „linksunten.indymedia“ handelt es sich um eine Vereinigung, zu der sich beim Gründungstreffen im Jahr 2008 mehrere Personen zu dem gemeinsamen Zweck, durch den Betrieb der Internetplattform eine „linke Gegenöffentlichkeit“ herzustellen und soziale Bewegungen auch auf lokaler Ebene stärker zu vernetzen, freiwillig zusammengeschlossen haben. Die Vereinigung hat ihre Tätigkeit arbeitsteilig organisiert und die Mitglieder haben die Ergebnisse der autonom organisierten Willensbildung als für sich verbindlich akzeptiert. Die Vereinigung bestand auch im Zeitpunkt der Verbotsverfügung noch fort.
Die geforderte Überprüfung des Vorliegens der materiellen Verbotsgründe war auch im Hinblick auf andere von den Klägern geltend gemachte Gesichtspunkte nicht möglich.
Das LG Dormund hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn auf der Website der Stadt Dortmund presseähnliche Informationen veröffentlicht werden. Vorliegend ging es u.a. um einen Bericht über die Meisterfeier von Borussia Dortmund.
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit von Mecklenburg-Vorpommern hat u.a. wegen Verstößen gegen die Vorgaben der DSGVO das Lehrer-Meldeportal "Neutrale Schule" des AfD-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommerns verboten.
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat heute das Meldeportal „Neutrale Schule“ des AfD-Landesverbands verboten. Die dort veröffentlichten Textpassagen, in denen Schüler zur Meldung angeblicher Verstöße gegen das Neutralitätsgebot aufgefordert werden, sind bis zum 20. September 2019 zu entfernen, ansonsten droht die Verhängung eines Zwangsgeldes.
„Es darf nicht sein, dass Lehrer durch so ein Portal in ihrer Unterrichtstätigkeit eingeschüchtert werden“, erklärt Behördenchef Heinz Müller. „Genau das ist die Aussage der hier zur Anwendung kommenden datenschutzrechtlichen Vorschriften. Selbstverständlich ist es die Aufgabe der Lehrer, für die Demokratie, das Grundgesetz und die darin gewährleistete Menschenwürde einzutreten. Dabei sollen sie keine Angst haben, von selbsternannten AfD-Aufpassern behelligt zu werden.“
Der Landesverband der AfD erhebt in seinem Portal, anders als in seiner Pressemitteilung vom 2. September 2019 angegeben, nicht nur die personenbezogenen Daten der Schüler, die eine Meldung verfassen, sondern sammelt ganz gezielt auch die politischen Meinungen der gemeldeten Lehrer. Als besondere Kategorie personenbezogener Daten steht die politische Meinung jedoch unter besonderem rechtlichen Schutz.
In seiner Stellungnahme stützt der AfD-Landesverband die Datenverarbeitung auf sein berechtigtes Interesse nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DS-GVO. „Hierbei wird verkannt“, so Müller, „dass die Verarbeitung von Daten, aus denen die politische Meinung hervorgeht, nach Artikel 9 Absatz 1 DS-GVO grundsätzlich untersagt ist.“ Eine solche Verarbeitung sei nur ausnahmsweise, unter den Voraussetzungen des Artikels 9 Absatz 2 DS-GVO, erlaubt. Doch die seien hier nicht gegeben.
Zwar hole der Landesverband der AfD die ausdrückliche Einwilligung der Verfasser einer Meldung in die „Nutzung ihrer Daten zu Zwecken der Arbeit der AfD Mecklenburg-Vorpommern“ ein. Doch sei diese Einwilligungserklärung viel zu unbestimmt und daher unwirksam. Mit Blick auf die gemeldeten Lehrer scheide eine Verarbeitung auf der Grundlage einer Einwilligung von vornherein aus. „Dem AfD-Landesverband ist es nicht gelungen, die Rechtmäßigkeit der von ihm zu verantwortenden Datenverarbeitung nachzuweisen“, sagt Müller. „Ein Verbot war daher angebracht.“
Mit Blick auf die Rechte der Betroffenen fügt Müller hinzu: „Übrigens kann jeder vom AfD-Landesverband nach Artikel 15 DS-GVO Auskunft darüber verlangen, ob ihn betreffende Daten verarbeitet werden. Ein formloses Schreiben genügt!“
Das LG Neuruppin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Werbung mit "provisionsfrei" durch ein Internetportal für Vermietungen vorliegt, wenn der Auftrag durch Vermieter erfolgt ist und diese Provision zahlen. Die Bewerbung für Mietinteressenten als provisionsfrei ist - so das Gericht - eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten.
Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung, wenn ein Online-Vergleichsportal wenn mit objektiven Preisvergleichen wirbt aber bei der Suche bzw. beim Preisvergleich nur Vertragspartner des Betreibers des Preisvergleichsportals aufgeführt werden, die dem Betreiber Provisionen zahlen. Insofern erwartet der Nutzer zumindest eine repräsentative Auswahl der Anbieter.
Aus den Entscheidungsgründen.
"b. Die angegriffene Werbeangabe der Antragsgegnerin, ihre Vergleichsrechner ermöglichten „objektive Preisvergleiche“, stellt in Bezug auf den Sterbegeldversicherungsvergleichsrechner eine irreführende geschäftliche Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG a.F. bzw. § 5 Abs. 1 UWG n.F. dar.
(1) Eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG a.F. ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Beschaffenheit enthält.
Ob eine Irreführung gegeben ist, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BGH aus Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. BGH, GRUR 2000, 619 (621) – Orient-Teppichmuster). Nach § 5 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. sind bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, insbesondere deren Bedeutung für die Entscheidung zum Vertragsschluss nach der Verkehrsauffassung zu berücksichtigen. Für einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. genügt es, dass eine Angabe geeignet ist, die Umworbenen irrezuführen und sie zu falschen Entscheidungen zu beeinflussen (Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG 33. Auflage, § 5 Rn. 2.65). Dabei ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, entscheidend (Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG 33. Auflage, § 5 Rn. 2.67, 2.75 m.w.N.).
Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das Verhalten der Antragsgegnerin allerdings sowohl nach dem zur Zeit der beanstandeten Werbung geltenden Recht als auch nach dem zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltenden Recht wettbewerbswidrig sein (vgl. BGH, GRUR 2016, 399 Rn. 10 - MeinPaket.de; BGH, GRUR 2016, 403 Rn. 9 – Fressnapf). Die Bestimmung des § 5 UWG ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 neu gefasst worden. Mit der Neufassung der Vorschrift ist in Abs. 1 der Zusatz „die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“ eingefügt worden, der im Wesentlichen mit der Regelung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken übereinstimmt. Diese Neufassung hat jedoch zu keiner für den Streitfall erheblichen Änderung der Rechtslage geführt, sondern kodifiziert nur das zuvor in § 3 Abs. 2 UWG Vorhandene im Bereich der Irreführung.
(2) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs stellt sich die Werbung der Antragsgegnerin. als irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. sowie § 5 Abs. 1 UWG n.F dar, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt die Antragsgegnerin nur Angebote von sog. Partnerunternehmen in den Vergleich einbezogen hat."
Die Vermischung von Werbung und redaktionellen Beiträgen ist im Printbereich wie auch im Interet immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Werbung muss dabei deutlich als solche gekennzeichnet werden. Nun hat das LG München entschieden, dass die Kennzeichnung von Links als "Sponsored" nicht ausreichend ist, wenn auf einem Internetportal aus einem redaktionellen Zusammenhang auf Werbung verlinkt wird. Gegenstand des Verfahrens war das Internetportals einer Verlagsgruppe zu Gesundheitsthemen.
LG Osnabrück
Urteil vom 04.07.2011 2 O 952/11
Kritische Berichterstattung und Meinungsfreiheit
Das LG Osnabrück hat zu Recht entschieden, dass die Meinungsfreiheit kritische Beiträge über eine Zeitung auf einem Internetportal deckt. Dabei dürfen keine falschen Tatsachen behauptet und die Grenzen zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschritten werden.
Aus der Pressemitteilung:
"Die Antragsgegner dürfen weiterhin in ihrem Internetportal die Berichterstattung der NOZ über die GiroLive-Ballers als äußerst zurückhaltend und milde kritisieren. Zur Überzeugung der Kammer hat die NOZ nämlich nicht sofort nach Kenntniserlangung von den finanziellen Schwierigkeiten der Ballers berichtet.
Da das Gericht zudem eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen der NOZ und den Ballers aufgrund wechselseitiger Werbeleistungen als erwiesen ansieht, darf das Internetportal auch die Frage aufwerfen, ob die NOZ als werbender Medien-Partner und Sponsor der Ballers aus wirtschaftlichem Eigeninteresse Informationen über Zahlungsrückstände verschwiegen hat. Dies ist von der Meinungsfreiheit gedeckt."
Die vollständige Pressemitteilung des LG Osnabrück finden Sie hier: