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OLG Hamburg: Werbung mit "bekannt aus" nur bei redaktioneller Berichterstattung und nicht bei bezahlter Werbung - Fundstellenangabe bzw. Verlinkung bei bekannten Medien erforderlich

OLG Hamburg
Urteil vom 21.09.2023
15 U 108/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, das die Werbung mit "bekannt aus" nur bei redaktioneller Berichterstattung und nicht bei bezahlter Werbung zulässig ist. Zudem ist eine Fundstellenangabe bzw. Verlinkung bei bekannten Medien erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger macht ausschließlich Ansprüche aus § 5a UWG geltend und nicht auch solche aus § 5 UWG. Diesem zu Protokoll gegebenen Verständnis des Senats ist er nicht entgegengetreten. Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte durch Nennung der Leitmedien eine Marktstärke suggeriert, die sie nicht innehat, und ob in den von ihr genannten Medien keine redaktionellen Berichte über sie, sondern nur geschaltete Werbeanzeigen von ihr enthalten waren. Abgesehen davon hat der Kläger dazu auch nicht schlüssig vorgetragen.

3. Dem Kläger steht der mit dem Antrag zu 1.b) geltend gemachte Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 a.F. UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 1 UWG zu.

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG kann bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige, weil unlautere geschäftliche Handlung vornimmt.

a. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Anspruch steht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Nach § 15a Abs. 1 UWG ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F., nach dem für die Klagebefugnis eine Eintragung des Verbands erforderlich ist, nicht anzuwenden auf Verfahren, welche am 01.09.2021 bereits rechtshängig sind. Der Kläger ist unstreitig ein qualifizierter Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. Die Rechtshängigkeit des hiesigen Verfahrens trat am 12.07.2021 ein (s. Bl. 24 d.A.), so dass § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. nicht anzuwenden ist und der nach altem Recht klagebefugte Kläger unabhängig von einer Eintragung bis zur Beendigung des Rechtsstreits klagebefugt bleibt (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 15a Rn. 2).

b. Die Beklagte ist passivlegitimiert. Die Internetseiten, auf denen sich die streitgegenständlichen Angaben befinden (s. Anlagen K3, K4 und K5), werden unstreitig von der Beklagten betrieben. Da die Beklagte mittels der angegriffenen Angaben ihre Dienstleistung bewirbt, handelt es sich dabei um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

c. Die Beklagte hat gegen § 5a Abs. 1 UWG verstoßen und damit eine unlautere Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG begangen, indem sie mit ihrer Bekanntheit aus konkret benannten Medien geworben hat, ohne dazu jeweils eine Fundstelle anzugeben oder zu verlinken, aus der sich eine Berichterstattung ergibt.

Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. § 5a Abs. 1 UWG ist durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht mit Wirkung ab dem 28.05.2022 neu gefasst worden. § 5a Abs. 1 n.F. UWG (hier stets: § 5a Abs. 1 UWG) entspricht im Wesentlichen § 5a Abs. 2 a.F. UWG, so dass dieselben Beurteilungsmaßstäbe für die Zeitpunkte des vorgeworfenen Verstoßes einerseits und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat andererseits gelten.Die ab dem 28.5.2022 geltende Neufassung des § 5a Abs. 1 UWG enthält zwar nicht mehr die Präzisierung „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände“. Diese Präzisierung ist aber im Wege der richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu berücksichtigen und ergibt sich mittelbar aus der Einschränkung in Nr. 1 „nach den jeweiligen Umständen“. Daher sind die zu § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 a.F. UWG entwickelten Beurteilungsmaßstäbe auch unter Geltung des § 5a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UWG anzuwenden (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a Rn. 2.47).

aa. Bei den von der Beklagten nicht angegebenen Fundstellen zu den genannten Medien handelt es sich um wesentliche Informationen im Sinne der Vorschrift. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsprechung zur Werbung mit Testergebnissen, Prüfsiegeln oder Gütezeichen auf den hier vorliegenden Fall übertragbar ist, obwohl hier nicht mit einem Qualitätsurteil eines Dritten geworben wird. Die Wesentlichkeit ergibt sich aus Folgendem:

Eine Information ist nicht allein schon deshalb wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 31, 46 – LGA tested). Den Unternehmer trifft nach § 5a Abs. 1 UWG keine allgemeine Aufklärungspflicht über Tatsachen, die für die geschäftliche Entscheidung des angesprochenen Verkehrs möglicherweise von Bedeutung sind. Er ist nicht generell verpflichtet, auch auf weniger vorteilhafte oder gar negative Eigenschaften des eigenen Angebots hinzuweisen (BGH GRUR 2022, 241 Rn. 27 – Kopplungsangebot III), sofern dies nicht zum Schutze der (z.B. Gesundheits- oder Sicherheits-) Interessen des Verbrauchers unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerlässlich ist (OLG Düsseldorf WRP 2015, 365 Rn. 39; OLG Köln GRUR-RR 2020, 438 Rn. 56 – Autositzbezüge). Die Informationspflicht reicht über das hinaus, was notwendig ist, um Fehlvorstellungen des Verbrauchers zu vermeiden (vgl. BGH GRUR 2012, 1275 Rn. 36 – Zweigstellenbriefbogen). Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderem Gewicht ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 37 – LGA tested).

Der Senat kann die Erwartung und das Verständnis des angesprochenen Verkehrskreises sowie die Wesentlichkeit der in Rede stehenden Informationen aus eigener Sachkunde feststellen, denn die Mitglieder des Senats gehören zu dem von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreis der allgemeinen Verbraucher.

(1) Der Kläger trägt vor, aus der Angabe „Bekannt aus:“ schließe der Verbraucher, dass eine redaktionelle Berichterstattung erfolgt und dass diese für die Beklagte positiv gewesen sei. Dieses Verständnis teilt der Senat, ebenso wie das Landgericht, nur zum Teil. Zwar erwartet der Verbraucher durch die Angabe „Bekannt aus:“, dass die Beklagte in den genannten Medien redaktionelle Erwähnung gefunden und nicht etwa nur bezahlte Werbeanzeigen geschaltet hat (zu letzterem noch sogleich). Die redaktionelle Erwähnung kann aber, wie das Landgericht zutreffend ausführt, auch neutraler Art sein. Denn schon der neutrale Bericht eines anerkannten Mediums wie etwa der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und damit der Umstand, dass dieses Medium auf die Dienstleistung der Beklagten aufmerksam geworden ist und sie für erwähnenswert hält, spricht für eine gewisse Bedeutung der Dienstleistung. Auch eine neutrale Berichterstattung kann deswegen für potenzielle Kunden von Bedeutung und daher – aus ihrer Sicht – Motivation der Beklagten sein, das berichtende Medium zu nennen. Der Angabe „Bekannt aus:“ ist auch ihrem Wortsinn nach nicht zwingend zu entnehmen, dass das jeweilige Medium positiv über die Beklagte berichtet hat. Zudem wäre dann ein Ausdruck wie „Empfohlen von:“ auch naheliegender, weil die Beklagte damit eine größere Werbewirkung erzielen könnte.

Soweit der Kläger für ein allein auf positive redaktionelle Berichterstattung gerichtetes Verbraucherverständnis erstmals in der Berufung die Einholung eines demoskopischen Gutachtens anbietet, ist dies zum einen nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, zum anderen ist die Beweiserhebung nicht nötig, weil der Senat – wie dargelegt – das Verkehrsverständnis selbst beurteilen und feststellen kann.

Demgegenüber versteht der angesprochene Verkehr die Angabe nicht dahingehend, dass sie sich auf eine für die Beklagte negative redaktionelle Berichterstattung bezieht. Auch daraus kann zwar eine Bekanntheit resultieren, so dass diese Variante vom reinen Wortlaut erfasst wäre. Allerdings würde die Beklagte dann im eigenen Interesse nicht damit werben, was dem angesprochenen Verkehr bewusst ist, so dass diese Verständnisvariante ausscheidet. Der Kläger hat ein solches Verkehrsverständnis auch nicht vorgetragen.

Ebenso wenig versteht der angesprochene Verkehr die Angabe (auch) dahingehend, dass die Beklagte aufgrund von in den jeweiligen Medien von ihr geschalteter Werbeanzeigen bekannt ist. Der Kläger hat vorgetragen, die Angabe werde dahingehend verstanden, dass über die Beklagte in den genannten Medien redaktionell berichtet worden sei, wohingegen die Aussage, dass in den genannten Medien Werbung geschaltet wurde, nicht erwähnenswert sei (Schriftsatz vom 21.12.2021 Seiten 16 f., s. Bl. 23 f. eA). Diesem Verständnis tritt der Senat bei. Zwar mag eine Bekanntheit auch aus der bloßen Schaltung von Werbeanzeigen resultieren und dieses Verständnis daher vom reinen Wortlaut der Angabe erfasst sein. Allerdings würde damit das Verbraucherverständnis letztlich ein unredliches, wenn nicht gar im Sinne von § 5 Abs.1 UWG irreführendes und damit unlauteres Verhalten der Beklagten zugrunde legen. Denn damit würde unterstellt, dass die Beklagte ihre Werbung bewusst auf eine Bedeutungsvariante stützt, die gegenüber der naheliegenden Bedeutungsvariante der Bekanntheit aus redaktioneller Berichterstattung nicht nur deutlich ferner liegt, sondern die auch qualitativ einen ganz erheblichen Unterschied macht, ohne dies kenntlich zu machen. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der angesprochene Verkehr der Angabe der Beklagten derart skeptisch oder gar misstrauisch gegenübertritt. Im Gegenteil hat der Kläger ein solches Verständnis selbst ausgeschlossen.

(2) Auf der Grundlage des dargelegten Verkehrsverständnisses besteht die Erwartung des angesprochenen Verkehrs, dass ihm zu den genannten Medien, auf die die Beklagte ihre Bekanntheit stützt, auch jeweils mindestens eine Fundstelle zu einer entsprechenden redaktionellen Berichterstattung angegeben wird. Denn der angesprochene Verbraucher hat ein Interesse daran, nachvollziehen zu können, aus welchem Anlass, in welcher Weise und auch wann das entsprechende Medium über die Beklagte berichtet hat. Ohne diese Informationen kann der Verbraucher die Werbeaussage der Beklagten überhaupt nicht einordnen. Während der Verbraucher etwa bei einer Werbung mit einem Testsieg bei der Stiftung Warentest auch ohne Fundstellenangabe schon eine gewissermaßen konkrete Vorstellung dahingehend hat, dass es sich um den Sieger in einem vergleichenden Test mehrerer Produkte durch eine anerkannte und neutrale Institution handelt, bleibt die hier in Rede stehende Angabe letztlich absolut vage. Ohne Fundstellenangabe lässt nicht nachvollziehen, ob über die Beklagte positiv oder neutral berichtet wurde, ob sich der Bericht allein ihr widmete oder ob sie nur am Rande eines anderen Themas Erwähnung findet, ob dem Bericht eine persönliche Erfahrung mit der Beklagten zugrunde liegt oder nicht und wie lange die Berichterstattung her ist, also welche Relevanz sie rein zeitlich noch hat. Demnach bedarf es der Fundstellenangabe, damit die Werbeangabe überhaupt eine konkrete Aussagekraft für den Verbraucher entfalten kann. Angesichts dessen und in Anbetracht der erheblichen Werbewirkung der aus Leitmedien wie den hier in Rede stehenden für sich reklamierten Bekanntheit ist die Angabe der Fundstelle neben der hier in Rede stehenden Werbung von erheblichem Gewicht für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers.

(3) Die Angabe der Fundstellen kann auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen von der Beklagten erwartet werden. Der Verbraucher hat ein erhebliches Interesse an der Angabe, um die konkrete Bedeutung der werbenden Angabe mittels einer leicht zugänglichen Fundstelle nachvollziehen zu können. Bei der anzustellenden Interessenabwägung im Einzelfall ist auch das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Information nicht zu erteilen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.12). Daher müssen der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand des Unternehmers für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange berücksichtigt werden (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 33 – LGA tested; vgl. auch BGH GRUR 2017, 1265 Rn. 24 – Preisportal). Mit der vom Kläger begehrten zusätzlichen Angabe jeweils einer Fundstelle pro Medium ist ein gewisser zeitlicher und ggf. auch kostenmäßiger Mehraufwand der Beklagten verbunden. Dieser bleibt allerdings äußerst überschaubar. Der Beklagten müssen die entsprechenden redaktionellen Berichte bereits vorliegen, bevor sie redlicherweise mit einer Angabe wie der hier angegriffenen werben kann. Angesichts dessen besteht der Mehraufwand lediglich darin, die ihr bereits bekannten Fundstellen auf ihrer Internetseite anzugeben und / oder zu verlinken. Darüber hinaus ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen, dass bzw. welche konkreten weiteren Umstände dagegen sprechen könnten, jeweils eine Fundstelle anzugeben. Da es um positive oder allenfalls neutrale Berichterstattung geht, sind keine mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile für die Beklagte ersichtlich. Schon weil sich die Werbung offenbar auf veröffentlichte Presseberichte bezieht, sind auch keine Geheimhaltungsbelange berührt.

bb. Die Beklagte hat den Verbrauchern diese wesentliche Information vorenthalten. Eine wesentliche Information wird dem Verbraucher vorenthalten, wenn sie zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder dieser sie sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann und der Verbraucher sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.26 mit Verweis u.a. auf BGH GRUR 2021, 979 Rn. 19 – Testsiegel auf Produktabbildung). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Fundstellenangaben fehlten, und sie gehören zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich der Beklagten. Da sie mit der Bekanntheit aus den genannten Medien geworben hat, müssten ihr die entsprechenden redaktionellen Berichte bereits vorliegen. Jedenfalls kann sie sich diese bzw. die Fundstellen mit zumutbarem Aufwand beschaffen.

cc. Die Fundstellenangabe wird vom Verbraucher im Sinne von § 5a Abs. 1 Nr. 1 UWG benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das selbstständig zu prüfen ist (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung). Der Durchschnittsverbraucher benötigt eine wesentliche Information dann, wenn sie voraussichtlich oder wahrscheinlich bei der Abwägung des Für und Wider seiner geschäftlichen Entscheidung zumindest eine Rolle spielen könnte, wobei die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der konkrete Inhalt der wesentlichen Information, zu betrachten sind (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.41 und 2.42). Das ist hier mangels entgegenstehenden Vortrags der Beklagten anzunehmen. Will der Unternehmer geltend machen, dass der Verbraucher – abweichend vom Regelfall – eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötige, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung). Der Unternehmer muss also Umstände darlegen, die den Schluss zulassen, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene Information ausnahmsweise nicht für eine informierte Entscheidung benötigt (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.43). Entsprechenden Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten.

dd. Auch die ebenfalls selbstständig zu prüfende geschäftliche Relevanz (s. erneut BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung) ist gegeben. Das Vorenthalten der Fundstellen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es ist zu fragen, ob der durchschnittliche Verbraucher voraussichtlich eine andere geschäftliche Entscheidung getroffen hätte, wenn er über die betreffende Information – hier die Fundstellenangabe – verfügt hätte, was im Regelfall nach der Lebenserfahrung zu bejahen ist. Das gilt insbesondere, soweit es die wesentlichen Merkmale oder den Preis der Ware oder Dienstleistung betrifft, weil sie für den Verbraucher grundsätzlich ein bestimmender Faktor für seine Entscheidung sind (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a Rn. 2.46 m.w.N.). Es kann Ausnahmefälle geben, in denen die geschäftliche Relevanz zu verneinen ist. Jedoch trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass – abweichend vom Regelfall – der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung).

Zwar geht es hier weder um direkte Angaben zu den wesentlichen Merkmalen der von der Beklagten angebotenen Dienstleistung noch um deren Preis. Auf Grundlage des zugrunde gelegten Verbraucherverständnisses (s. dazu bereits unter aa.(1)) erscheint es aber zumindest möglich, wenn nicht sogar naheliegend, dass in der jeweiligen Berichterstattung eine (positive) Bewertung der Dienstleistung der Beklagten erfolgt. Im Übrigen kann es aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bereits als Auszeichnung gelten, dass die Beklagte bzw. ihre Dienstleistung überhaupt Gegenstand der Berichterstattung von (bekannten) Medien war. In diesem Sinne hat der Kläger auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Werbung der Beklagten mit ihrer Bekanntheit aus den genannten Leitmedien erzeuge beim Verbraucher den Eindruck einer besonderen Qualität ihrer Dienstleistung. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Unter diesem Eindruck einer besonderen Qualität könnte sich der Verbraucher für einen Vertragsschluss mit der Beklagten entscheiden, was er nicht getan hätte, wenn er mithilfe der Fundstellenangabe die Berichterstattung nachvollzogen und so ggf. in Erfahrung gebracht hätte, dass dort von einer besonderen Qualität der Dienstleistung keine Rede ist. Es ist weder ersichtlich noch von der Beklagten dargelegt, dass hier ein Ausnahmefall vorliegt, in dem es an der geschäftlichen Relevanz fehlt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


KG Berlin: Frist von wenigen Stunden zur Reaktion auf Abmahnung auch in Pressesachen wegen Veröffentlichungen im Internet unangemessen kurz

KG Berlin
Beschluss vom 18.07.2023
10 W 79/23


Das KG Berlin hat entschieden, dass eine Frist von wenigen Stunden zur Reaktion auf eine Abmahnung auch in Pressesachen wegen Veröffentlichungen im Internet unangemessen kurz ist. Im vorliegenden Fall wäre nach Ansicht des KG Berlin eine Frist von mindestens 29 Stunden angemessen gewesen.

OLG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Irreführung durch "Presseschau" wenn diese aus eigenen Pressemeldungen und nicht aus Berichten unabhängiger Presseorgane besteht

OLG Frankfurt
Beschluss vom 04.04.2022
6 W 8/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Verwendung des Begriffs "Presseschau" vorliegt, wenn diese aus eigenen Pressemeldungen des Unternehmens und nicht aus Berichten unabhängiger Presseorgane besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Gegenstand des Eilverfahrens ist die konkrete Verletzungsform, wie sie im Verfügungsantrag eingeblendet ist. Richtet sich die Klage bzw. der Antrag gegen die sog. konkrete Verletzungsform, also das konkret umschriebene (beanstandete) Verhalten, so ist darin der Lebenssachverhalt zu sehen, der den Streitgegenstand bestimmt (BGHZ 194, 314 Rn 24 - Biomineralwasser). Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt die Voraussetzungen nicht nur einer, sondern mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist unerheblich. Vielmehr umfasst der Streitgegenstand in diesem Fall alle Rechtsverletzungen, die durch die konkrete Verletzungsform verwirklicht wurden (BGH GRUR 2012, 184 Rn 15 - Branchenbuch Berg; BGHZ 194, 314 Rn 24 - Biomineralwasser; BGH GRUR 2018, 203 Rn 18 - Betriebspsychologe).

Das Gericht kann daher ein Verbot auch auf Anspruchsgrundlagen stützen, die der Kläger gar nicht vorgetragen hat (OLG Köln WRP 2013, 95). Das gilt auch für das Berufungsgericht, unabhängig davon, wie das Landgericht das Verbot begründet hat (OLG Frankfurt am Main WRP 2015, 755, 756). Im Hinblick auf die Dispositionsmaxime darf das Gericht aber ein Verbot nur auf solche Beanstandungen stützen, die der Kläger vorgetragen hat (BGH GRUR 2018, 431 Rn 16 - Tiegelgröße; OLG Frankfurt am Main WRP 2014, 1482).

Die Antragstellerin hat hier neben einer Irreführung in zweiter Instanz ihren Verfügungsantrag nunmehr (auch) darauf gestützt, es könne ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 oder § 4 Nr. 2 UWG vorliegen, was unter dem Aspekt des Streitgegenstandes zulässig ist.

2. Der Antragstellerin steht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 UWG ein Unterlassungsanspruch zu, da der Antragsgegner mit der streitgegenständlichen Internetseite den irreführenden Eindruck erweckt hat, es gebe eine von ihm unabhängige Veröffentlichung in der Presse, in der "schwere Vorwürfe" gegen die Antragstellerin erhoben worden seien.

Der Vorwurf der Antragstellerin geht dahin, der Antragsgegner habe den Eindruck erweckt, die "schweren Vorwürfe" gegen die Antragstellerin seien von einem vom Antragsgegner unabhängigen Pressemedium erhoben worden, während sie tatsächlich von dem Antragsgegner - einem Mitbewerber - stammten. Dies ergebe sich daraus, dass unter der Überschrift "Presseschau" der Verkehr Berichte von Presseorganen erwarte und nicht eine eigene Pressemitteilung des Antragsgegners.

Diese Verkehrsauffassung teilt der Senat. Der Verkehr erwartet in einer "Presseschau" eine Zusammenstellung von Berichten von Presseorganen, nicht hingegen solche des Antragsgegners selbst. Diese Unterscheidung ist für den Verkehr auch erheblich, bringt er doch Presseberichterstattungen auch aufgrund der der Presse obliegenden Sorgfaltspflicht ein größeres Vertrauen entgegen als der Äußerung eines Mitbewerbers, die mutmaßlich (auch) von eigenen geschäftlichen Interessen geprägt ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass hinter der Überschrift der Hinweis "(...)" enthalten ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist dem Verkehr, dem auch die Mitglieder des Senats angehören, nicht bekannt, dass auf der Internetseite "(...)" nur Pressemitteilungen veröffentlicht werden und keine unabhängige Berichterstattung. Durch die Einreihung in die Reihe anderer Quellen wie "C", "D-Zeitung" "E" etc. nimmt der Verkehr vielmehr an, auch der Beitrag "Schwere Vorwürfe gegen Cannabisärzte-Startup" stamme aus einer solchen Quelle und nicht vom Antragsgegner.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die vollständige Internetseite jenseits des von der Antragstellerin zum Antragsgegenstand gemachten Ausschnitts die Überschrift "Y-Mitteilungen vom 30. Oktober 2021" trug (Bl. 130 d.A.). Angesicht des mehrfachen Hinweises auf "Presseschau" hat der Verkehr keine Veranlassung zu der Annahme, es handele sich hier nicht um Fremd-, sondern Eigenberichte.

3. Es fehlt auch nicht an der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Dringlichkeit. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG ist als nicht widerlegt anzusehen.

Insbesondere hätte die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel nicht bereits auf Grundlage der Fassung der Internetseite am 29.10.2021 erreichen können. Der - wie oben dargestellt - durch die Überschrift erweckte Eindruck (Eigen-, statt Fremdbericht) ist nicht bereits zum damaligen Zeitpunkt erweckt worden, so dass die Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt keine einstweilige Verfügung hätte erwirken können. Unstreitig war zum damaligen Zeitpunkt - wie auch jetzt noch bei den anderen Artikeln - die Überschrift nicht in Alleinstellung vorhanden, sondern unter der Überschrift folgte jeweils der entsprechende Artikel. Aus dem Text zur streitgegenständlichen Überschrift wurde jedoch für den Verkehr unmittelbar erkennbar, dass es sich um eine Pressemitteilung und nicht um einen - unabhängigen - Presseartikel handelt. Der Text leitete ein mit der Formulierung "Der Vorstand der Y e.V. (Y) erhebt schwere Vorwürfe gegen die X [...]". Dies lässt daher gar nicht erst den Eindruck entstehen, es handele sich um eine unabhängige Medienberichterstattung. Auf Grundlage der damaligen Veröffentlichung hätte der Antragsteller daher eine einstweilige Verfügung mit dem hier begehrten Inhalt nicht erwirken können.

4. Der Senat hat von der ihm nach § 938 ZPO zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Tenor an die geltend gemachte Rechtsverletzung angepasst. Der von der Antragstellerin formulierte Antrag, es zu unterlassen, "auf der eigenen Webseite unter dem Schlagwort "Presseschau" der Wahrheit zuwider auf eine Presseveröffentlichung zu verweisen, in welcher angeblich schwere Vorwürfe gegen die konkret genannte Unterlassungsgläubigerin erhoben werden" trifft nicht die Handlung, die der Senat der einstweiligen Verfügung zugrunde legt. Diese besteht darin, den Eindruck zu erwecken, dass schwere Vorwürfe von einem Presseorgan gegen die Antragstellerin erhoben würden, während es sich tatsächlich um eine Pressemitteilung des Antragsgegners handelte.

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BGH: Anspruch auf Löschung einer vom Betroffenen selbst erwirkten Gegendarstellung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans

BGH
Urteil vom 28.09.2021
VI ZR 1228/20
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1

Der BGH hat entschieden, dass auch bei einer vom Betroffenen selbst erwirkten Gegendarstellung ein Anspruch auf Löschung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans bestehen kann.

Leitsatz des BGH:
Zum Anspruch auf Löschung einer selbst erwirkten Gegendarstellung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans, wenn auch die unzulässige Erstmitteilung dort nicht mehr zum Abruf vorgehalten wird.

BGH, Urteil vom 28. September 2021 - VI ZR 1228/20 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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EuGH: Keine verschuldensunabhängige Produkthaftung für falschen Gesundheitstipp in Zeitungsartikel - Artikel ist kein Produkt im Sinne des Unionsrechts

EuGH
Urteil vom 10.06.2021
C-65/20
KRONE-Verlag


Der EuGH hat entschieden, dass keine verschuldensunabhängige Produkthaftung für einen falschen Gesundheitstipp in einem Zeitungsartikel besteht. Ein Artikel in einer gedruckten Zeitung ist kein Produkt im Sinne des Unionsrechts.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Ein Artikel in einer gedruckten Zeitung, der einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, durch dessen Befolgung eine Leserin an der Gesundheit geschädigt wurde, ist kein fehlerhaftes Produkt im Sinne des Unionsrechts

Ein solcher Artikel kann daher nach der Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte keine verschuldensunabhängige Haftung des Verlegers oder der Druckerei der genannten Zeitung begründen Der KRONE-Verlag ist ein Presseunternehmen mit Sitz in Österreich. Er ist Medieninhaber und Verleger einer Regionalausgabe der „Kronen-Zeitung“. Am 31. Dezember 2016 veröffentlichte er darin einen Artikel über die Vorzüge einer Auflage aus geriebenem Kren, der unter dem Namen eines Ordensmitglieds veröffentlicht wurde, das als Experte auf dem Gebiet der kräuterkundlichen Heilkunst in einer von der Zeitung täglich veröffentlichten Kolumne unentgeltlich Ratschläge erteilt. Der Artikel hatte folgenden Text:

„Rheumaschmerzen lindern
Frisch gerissener Kren kann mithelfen, die im Zuge von Rheuma auftretenden Schmerzen zu verringern. Die betroffenen Zonen werden vorher mit einem fettigen pflanzlichen Öl oder mit Schweineschmalz eingerieben, bevor man den geriebenen Kren darauf legt und anpresst. Diese Auflage kann man durchaus zwei bis fünf Stunden oben lassen, bevor man sie wiederum entfernt. Diese Anwendung besitzt eine gute ableitende Wirkung.“

Die im Artikel angeführte Dauer für die Auflage von zwei bis fünf Stunden war jedoch unrichtig; anstelle von „Stunden“ hätte es „Minuten“ heißen müssen. Die Klägerin, eine österreichische Staatsangehörige, die auf die Richtigkeit der im Artikel angeführten Behandlungsdauer vertraute, brachte Kren an ihrem Fußgelenk auf, beließ ihn dort für etwa drei Stunden und entfernte ihn erst, als es bereits zu starken Schmerzen aufgrund einer toxischen Hautreaktion gekommen war.

Da die Klägerin der Ansicht war, einen Schaden erlitten zu haben, erhob sie gegen den KRONEVerlag Klage auf Ersatz des ihr durch die Körperverletzung entstandenen Schadens. Nachdem ihre Klage in erster Instanz und in der Berufungsinstanz abgewiesen worden war, erhob die Klägerin Revision an den Obersten Gerichtshof (Österreich).

Der Gerichtshof, der um Vorabentscheidung ersucht worden ist, ist der Ansicht, dass ein Exemplar einer gedruckten Zeitung, die im Zuge der Behandlung eines Themas aus dem Umfeld der Medizin einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, durch dessen Befolgung eine Leserin dieser Zeitung an der Gesundheit geschädigt wurde, kein „fehlerhaftes Produkt“ im Sinne der Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte ist.

Würdigung durch den Gerichtshof

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass ein Produkt fehlerhaft im Sinne der Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte ist, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man zu erwarten berechtigt ist. Die Fehlerhaftigkeit eines Produkts wird anhand bestimmter Faktoren ermittelt, die ihm selbst innewohnen und insbesondere mit seiner Darbietung, seinem Gebrauch und dem Zeitpunkt seines Inverkehrbringens zusammenhängen.

Sodann erinnert der Gerichtshof daran, dass der Wille des Unionsgesetzgebers darin zum Ausdruck kommt, dass in dieser Richtlinie keine Bestimmungen darüber enthalten sind, wonach für Schäden, die durch eine Dienstleistung verursacht wurden, in Bezug auf die das Produkt nur den körperlichen Träger bildet, die Haftung für fehlerhafte Produkte eingreifen könnte. Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass sich der unrichtige Ratschlag nicht auf die gedruckte Zeitung, die seinen Träger bildet, bezieht. Insbesondere betrifft die fragliche Dienstleistung weder Darbietung noch Gebrauch dieser gedruckten Zeitung, so dass diese Dienstleistung nicht zu den der gedruckten Zeitung innewohnenden Faktoren gehört, die als Einzige die Beurteilung ermöglichen, ob das Produkt fehlerhaft ist.

Schließlich hebt der Gerichtshof hervor, dass die Haftung von Dienstleistern und die Haftung der Hersteller von Endprodukten Gegenstand zweier unterschiedlicher Haftungsregelungen sind, da die Tätigkeit von Dienstleistern nicht derjenigen von Herstellern, Importeuren und Lieferanten gleichgesetzt wird. Er erinnert daran, dass das System der Haftung des Dienstleisters im Hinblick auf die Besonderheiten der Dienstleistungen Gegenstand einer gesonderten Regelung sein sollte.

Somit fällt nach Auffassung des Gerichtshofs ein unrichtiger Gesundheitstipp, der in einer gedruckten Zeitung veröffentlicht wird und der den Gebrauch einer anderen körperlichen Sache betrifft, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte und ist nicht geeignet, eine Fehlerhaftigkeit dieser Zeitung zu begründen und nach der genannten Richtlinie die verschuldensunabhängige Haftung des „Herstellers“ auszulösen, ungeachtet dessen, ob es sich bei diesem um den Verleger oder die Druckerei der Zeitung oder um den Autor des Artikels handelt.

Insoweit stellt der Gerichtshof klar, dass die in dieser Richtlinie vorgesehene verschuldensunabhängige Haftung für fehlerhafte Produkte zwar nicht auf die vorliegende Rechtssache anwendbar ist, dass aber andere Regelungen der vertraglichen oder
außervertraglichen Haftung anwendbar sein können, die wie die Haftung für verdeckte Mängel oder für Verschulden auf anderen Grundlagen beruhen.


Tenor der Entscheidung:

Art. 2 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 geänderten Fassung ist im Licht der Art. 1 und 6 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Exemplar einer gedruckten Zeitung, die im Zuge der Behandlung eines Themas aus dem Umfeld der Medizin einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, durch dessen Befolgung eine Leserin dieser Zeitung an der Gesundheit geschädigt wurde, kein „fehlerhaftes Produkt“ im Sinne dieser Bestimmungen ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Zur Zulässigkeit von Altmeldungen im Online-Archiv eines Presseorgans - Haftung des Inhalteanbieters nicht subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers

BGH
Urteil vom 22.09.2020
VI ZR 476/19
BGB § 823; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1


Der BGH hat sich erneut mit der Zulässigkeit von Altmeldungen im Online-Archiv eines Presseorgans befasst und dabei ausgeführt, dass die Haftung des Inhalteanbieters nicht subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers ist.

Leitsatz des BGH:

Zur Zulässigkeit des Vorhaltens von Altmeldungen im Online-Archiv eines Presseorgans (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17).

BGH, Urteil vom 22. September 2020 - VI ZR 476/19 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Aus den Entscheidungsgründen:

Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Artikel aus den Jahren 1982 und 1983 zum Abruf im Internet sei rechtswidrig, wird durch die getroffenen Feststellungen nicht getragen.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Bereithalten der Artikel einen Eingriff in den Schutzbereich des durch § 823 Abs. 1, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers darstellt (vgl. auch Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 9 mwN). Es hat zu Recht angenommen, dass dem Eingriff angesichts der durch das Internet ermöglichten allgemeinen Verfügbarkeit der Artikel, die bereits bei einer bloßen Eingabe des Namens des Klägers im Suchfeld einer Suchmaschine an erster Stelle der Ergebnisliste erscheinen, eine ganz erhebliche Intensität zukommt (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 146 ff.).

2. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann der Senat indes nicht beurteilen, in welchem Maße die Interessen der Beklagten hinter dem Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten haben.

a) Soweit nicht die ursprüngliche oder eine neuerliche Berichterstattung, sondern das öffentlich zugängliche Vorhalten eines Berichts, insbesondere in Onlinearchiven, in Rede steht, ist dessen Zulässigkeit im Ausgangspunkt anhand einer neuerlichen Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsverlangens bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen zu beurteilen (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 115 f., 127; NJW 2020, 1793 Rn. 10). Dabei ist die ursprüngliche Zulässigkeit eines Berichts allerdings ein wesentlicher Faktor, der ein gesteigertes berechtigtes Interesse von Presseorganen begründet, diese Berichterstattung ohne erneute Prüfung oder Änderung der Öffentlichkeit dauerhaft verfügbar zu halten (BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 10).

Steht - wie vorliegend - die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Berichterstattung nicht im Streit, ist insbesondere die Schwere der aus der trotz der verstrichenen Zeit andauernden Verfügbarkeit der Information drohenden Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 121, 131; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 16 mwN), die Einbindung zurückliegender Ereignisse in eine Folge weiterer hiermit einen Zusammenhang bildender Vorkommnisse sowie das zwischenzeitliche Verhalten des Betroffenen (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 107, 109, 122 f.; BVerfG, AfP 2020, 307 Rn. 20; Senatsurteil vom 12. Juni 2018 - VI ZR 284/17, NJW 2018, 3509 Rn. 14 mwN), die fortdauernde oder verblassende konkrete Breitenwirkung der beanstandeten Presseveröffentlichung (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 114, 124 f., 131; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 24 mwN), die Priorität, mit der die Information im Netz von Suchmaschinen kommuniziert wird (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 125) sowie das generelle Interesse der Allgemeinheit an einer dauerhaften Verfügbarkeit einmal zulässig veröffentlichter Informationen und das grundrechtlich geschützte Interesse von Inhalteanbietern an einer grundsätzlich unveränderten Archivierung und Zurverfügungstellung ihrer Inhalte (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 112 f., 121, 130; EGMR, NJW 2020, 295 Rn. 90; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 25 mwN) angemessen zu berücksichtigen (vgl. auch
BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 11).

Für den Interessenausgleich zwischen den Medien und dem Betroffenen sind zudem mögliche Abstufungen hinsichtlich der Art der Schutzgewähr in die Betrachtung einzubeziehen. Zu berücksichtigen ist, wieweit dem Betreiber eines Onlinearchivs Mittel zu Gebote stehen, zum Schutz des Betroffenen auf die Erschließung und Verbreitung der Berichte im Netz Einfluss zu nehmen (Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 21 ff.). Solche Schutzmaßnahmen sind den Medien nicht grundsätzlich unzumutbar; sie dürfen technische Anstrengungen und Kosten mit sich bringen. Anzustreben ist ein Ausgleich, der einen ungehinderten Zugriff auf den Originaltext möglichst weitgehend erhält, diesen auf besonderen (wie hier) Schutzbedarf hin - insbesondere gegenüber namensbezogenen Suchabfragen mittels Suchmaschinen - aber einzelfallbezogen doch hinreichend begrenzt (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 128 ff., 139, 153; vgl. auch BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 11).

b) Eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht möglich. Das Berufungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des weiteren Bereithaltens der Artikel zum Abruf aus der Schwere der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung abgeleitet. Diese entsteht für den Kläger dadurch, dass trotz der seit den Straftaten verstrichenen langen Zeit jeder, der den Namen des Klägers im Suchfeld einer Suchmaschine eingibt, davon erfährt, so dass ein In-Vergessenheit-Geraten nicht möglich ist. Offen geblieben ist aber, ob und auf welchem
Wege es der Beklagten möglich und zumutbar ist, lediglich die Auffindbarkeit der Artikel über Internet-Suchmaschinen zu unterbinden oder einzuschränken. Eine abschließende Gewichtung der widerstreitenden Rechtspositionen nach den obigen Grundsätzen ist nicht möglich, solange dies nicht geklärt ist. Die generelle Untersagung des weiteren Bereithaltens der Artikel zum Abruf im Onlinearchiv geht über das zur Wahrung der Rechte des Klägers Erforderliche hinaus, falls die Beklagte dessen Auffindbarkeit ausschließen oder (beispielsweise unter Berücksichtigung von Suchbegriffen) einschränken könnte. Das würde umso mehr gelten, wenn die Beklagte die Voraussetzungen der Zugänglichmachung der Artikel durch Internet-Suchmaschinen kontrollieren könnte (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 21 f. mwN).

c) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der geltend gemachte Anspruch nicht schon daran, dass der Kläger die Suchmaschinenbetreiber nicht auf Auslistung der bei einer namensbezogenen Suche angezeigten und auf die streitgegenständlichen Artikel hinführenden Ergebnislinks in Anspruch genommen hat. Die Haftung des Inhalteanbieters ist nicht subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers. Im Gegenteil kann in einer Konstellation wie der vorliegenden über den Antrag eines Betroffenen auf Unterlassung des Bereitstellens von Suchnachweisen gegenüber einem Suchmaschinenverantwortlichen nicht ohne Berücksichtigung der Frage entschieden werden, ob und wieweit der Inhalteanbieter gegenüber den Betroffenen zur Verbreitung der Information berechtigt ist (BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 109 mwN; Senatsurteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, juris Rn. 35). Da bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Berichts durch die Beklagte dessen Wirkung für den Kläger im Internet in der Abwägung mit zu berücksichtigen ist, muss die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verbreitung auch die Entscheidung gegenüber den Suchmaschinenverantwortlichen anleiten (Senatsurteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, juris Rn. 38).

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BGH: Abwägungsentscheidung ob alte identifizierende Berichterstattung über Strafverfahren aus Online-Archiv einer Zeitung zu löschen ist

BGH
Urteil vom 18.12.2018
VI ZR 439/17
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1


Der BGH hat nochmals bekräftigt, dass es eine Abwägungsentscheidung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und der Meinungs- und Medienfreiheit des Presseunternehmens andererseits ist, ob eine alte identifizierende Berichterstattung über ein Strafverfahren aus dem Online-Archiv einer Zeitung zu löschen ist. Dabei ist auch die Zumutbarkeit der Unterbindung der Auffindbarkeit durch Internet-Suchmaschinen ein Abwägungsgesichtspunkt.

Leitsätze des BGH:

a) Die Frage, ob in dem Online-Archiv einer Tageszeitung Altmeldungen zum Abruf bereitgehalten werden dürfen, in denen über die Hauptverhandlung eines Strafverfahrens berichtet und in denen der Angeklagte namentlich genannt wird, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten mit dem Recht der Presse auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden.

b) Dabei stellt die Frage, ob es dem Verlag möglich und zumutbar ist, die Auffindbarkeit der Altmeldung über Internet-Suchmaschinen zu unterbinden oder einzuschränken, aus Gründen der praktischen Konkordanz einen Abwägungsgesichtspunkt dar.

BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17 - KG Berlin - LG Berlin

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BVerfG: Rechtsbegriffe sind nur eingeschränkt im Rahmen eines presserechtlichen Gegendarstellungsanspruchs gegendarstellungsfähig

BVerfG
Beschluss vom 20.11.2018
1 BvR 2716/17

Das BVerfG hat entschieden, dass Rechtsbegriffe sind nur eingeschränkt im Rahmen eines presserechtlichen Gegendarstellungsanspruchs gegendarstellungsfähig sind.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Rechtsbegriffe sind nur eingeschränkt gegendarstellungsfähig

Für einen Gegendarstellungsanspruch muss der Aussagegehalt der zu beanstandenden Äußerung eindeutig bestimmbar sein. Enthält die zu beanstandende Äußerung einen Rechtsbegriff, darf das Fachgericht nicht das eigene Fachwissen zugrunde legen. Es hat vielmehr auf das Verständnis des durchschnittlichen Zeitungslesers abzustellen. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und der Verfassungsbeschwerde eines Verlags stattgegeben, die sich gegen die Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung wendete.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin verlegt eine überregionale Zeitung. Mit der Schlagzeile „B. EXKLUSIV Millionen-Gläubiger packt aus - B. verpfändete auch das Haus seiner Mutter!“ kündigte diese ein Interview mit einem ehemaligen Geschäftspartner von B. an. Das Interview war auf Seite 3 der Ausgabe abgedruckt. Aus dem Interview ging zutreffend hervor, dass B. unter anderem ein Hausgrundstück, auf dem seine Mutter wohnte, auf eine Sicherheitenliste hatte eintragen lassen. Diese Sicherheitenliste verschaffte seinem Darlehensgläubiger einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eintragung eines Grundpfandrechts an den gelisteten Grundstücken, begründet aber kein Pfandrecht im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Auf Antrag von B. erließ das Landgericht eine einstweilige Verfügung. Danach wurde die Beschwerdeführerin zum Abdruck folgender Gegendarstellung verpflichtet: “[…] Hierzu stelle ich fest: Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet. […]“.

Auf den Widerspruch der Beschwerdeführerin bestätigte das Landgericht die einstweilige Verfügung. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin verwarf das Kammergericht. Zur Begründung führt es aus, die beanstandete Äußerung stelle eine dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation dar und sei damit gegendarstellungsfähig. Für einen durchschnittlichen Bürger bedeute der Begriff „verpfänden“, dass der bisherige Eigentümer nicht mehr über die Sache verfügen könne und der Gläubiger diese Sache gegebenenfalls berechtigterweise verwerten dürfe. Auf der Grundlage dieses Verständnisses sei der Begriff „verpfänden“ nicht gleichbedeutend mit der Formulierung „als Sicherheit stellen“. Die tatsächlich erfolgte, rein schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines Grundpfandrechts werde aus Sicht des Lesers daher nicht zutreffend beschrieben.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass es sich bei der Schlagzeile um eine wertende Stellungnahme handle, gegen die keine Gegendarstellung zulässig sei. Bereits die alltagssprachliche Verwendung des Begriffs „verpfänden“ sei diffus. Die vorgenommene Würdigung des Inhalts der Schlagzeile risse diese aus ihrem Kontext. Die Gegendarstellung, die sie abdrucken müsse, sei zudem unzulässig mehrdeutig, da sie unterschlage, dass B. tatsächlich eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines Grundpfandrechts eingegangen sei.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.

Das Gericht hat bei der Titelschlagzeile zu Unrecht eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung angenommen. Eine Titelschlagzeile ist als solche isoliert gegendarstellungsfähig, wenn sie ohne Berücksichtigung des damit betitelten oder angekündigten Berichts in ihrem Kern eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung enthält. Lässt sich eine Titelschlagzeile unterschiedlich verstehen, muss zumindest die für die Gegendarstellung maßgebliche Tatsachenbehauptung eindeutig bestimmbar sein.

Ansonsten wird nicht klar, gegen welche Äußerung sich die betroffene Person mit ihrer Gegendarstellung zur Wehr setzen möchte. Vorliegend ist eine für juristische Laien eindeutig bestimmbare Tatsachenbehauptung nicht erkennbar. Es ist nicht auszuschließen, dass der in der Schlagzeile verwendete Begriff der „Verpfändung“ von einem durchschnittlichen Zeitungsleser auch als Beschreibung einer schuldrechtlichen Sicherungsbestellung verstanden werden kann. In einem solchen Fall dürfen die Fachgerichte nicht auf ihr eigenes juristisches Begriffsverständnis zurückgreifen, sondern müssen das Verständnis eines Laien zugrunde legen.

Auch der Inhalt der zugesprochenen Gegendarstellung ist zu beanstanden. Die als Gegendarstellung abgedruckte Erklärung “[…] Hierzu stelle ich fest: Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet. […]“ ist ihrerseits interpretationsbedürftig und stellt eine bloße Negation der Titelschlagzeile dar. Ein verfassungsrechtlich zulässiger Gegendarstellungsanspruch muss jedoch der tatsächlichen Gegendarstellung und nicht der bloßen Gegenbehauptung oder Richtigstellung unvertretbarer Rechtsbehauptungen dienen.


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OLG München: Bei Facebook hochgeladenes Foto darf nicht ohne Weiteres von Zeitung im Rahmen eines gänzlich anderen Kontextes wiedergegeben werden

OLG München
Urteil vom 17.03.2016
29 U 368/16


Das OLG München hat entschieden, dass ein beiF acebook hochgeladenes Foto nicht ohne Weiteres von einer Zeitung im Rahmen eines gänzlich anderen Kontextes wiedergegeben werden darf.

Die amtlichen Leitsätze des OLG München:

1. Zur Erkennbarkeit einer Person, deren Bildnis aus einem Facebook-Eintrag in einem Zeitungsportal wiedergegeben wird.

2. Das Hochladen eines Fotos in einem Social Network stellt keine Einwilligung in die Weiterverbreitung des Fotos durch Dritte außerhalb des Kreises der zugriffsberechtigten Mitglieder des Netzwerks im Rahmen eines gänzlich anderen Kontextes dar.

3. Zur Frage des berechtigten Interesses der Presse, eine Person im Rahmen der Wiedergabe ihrer Äußerung durch die Abbildung eines mit ihrem Namen versehenen Fotos in einem Zeitungsportal kenntlich zu machen.

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BVerfG: Ungerechtfertigte Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung ist ein rechtswidriger Eingriff in Pressefreiheit

BVerfG
Beschluss vom 07.02.2018
1 BvR 442/15


Das BVerfG hat entschieden, dass die ungerechtfertigte Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung durch eine gerichtliche Entscheidung einen rechtswidrigen Eingriff in die Pressefreiheit darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

a) Der Schutzbereich der Pressefreiheit ist betroffen. Im Zentrum des Schutzes des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG steht die Freiheit der Gründung und Gestaltung von Presseerzeugnissen. Die Gestaltungsfreiheit wird sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht gewährleistet und umfasst sowohl die Bestimmung, welche Themen behandelt und welche Beiträge in eine Ausgabe aufgenommen werden sollen, als auch die Entscheidung über die äußere Darbietung der Beiträge sowie ihre Platzierung innerhalb der Ausgabe. Der Schutz der Pressefreiheit erstreckt sich auch auf das Titelblatt einer Publikation (vgl. BVerfGE 97, 125 <144>).

b) Die Verpflichtung zum Abdruck von Gegendarstellungen auf dem Titelblatt der Zeitschrift der Beschwerdeführerin beeinträchtigt diese in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit. Angesichts der besonderen Bedeutung, die dem Titelblatt von Zeitschriften zukommt, ist eine solche Beeinträchtigung regelmäßig als schwerwiegend anzusehen (vgl. BVerfGE 97, 125 <145>). Das Titelblatt prägt die Identität eines Publikationsorgans unter der Vielzahl der Presseerzeugnisse und dient dem Leser als Erkennungsmerkmal. Überdies enthält es diejenigen Mitteilungen, die den für das Presseerzeugnis Verantwortlichen aus publizistischen oder werbestrategischen Gründen besonders wichtig erscheinen. Auf die drucktechnische und grafische Gestaltung des Titelblatts wird deswegen erhöhte Sorgfalt verwandt. Das gilt besonders für Zeitungen und Zeitschriften, die weniger im Abonnement als im freien Verkauf abgesetzt werden und deswegen mit jeder Ausgabe neu um das Interesse des Publikums werben müssen (BVerfGE 97, 125 <144>).


c) Die Beeinträchtigung der Pressefreiheit ist nicht gerechtfertigt. Indem das Oberlandesgericht die Grundrechtsschranke des § 11 LMG Rheinland-Pfalz in einer Weise ausgelegt hat, die dem Verfügungskläger einen Gegendarstellungsanspruch zuspricht, hat es den Anwendungsbereich der Vorschrift überdehnt. Damit hat es Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit nicht hinreichend beachtet.

aa) Gegendarstellungsfähig ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LMG Rheinland-Pfalz eine Tatsache, die die Presse zuvor behauptet hat. Im Blick auf die Abhängigkeit der Gegendarstellung von der Erstmitteilung verlangt die Pressefreiheit, dass die Erstmitteilung bei Auslegung der Vorschriftin einer den Anforderungen von Art. 5 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise gedeutet und eingeordnet wird. Die Pressefreiheit ist verletzt, wenn eine Gegendarstellung abgedruckt werden müsste, der keine entsprechende Tatsachenbehauptung vorangegangen ist; ebenso liegt ein Verstoß gegen die Pressefreiheit vor, wenn eine Gegendarstellung abgedruckt werden müsste, die von der gesetzlichen Grundlage nicht gedeckt ist, weil es sich bei der Erstmitteilung nicht um eine Tatsachenbehauptung handelt (vgl. BVerfGE 97, 125 <150 f.>).

bb) Der vom Oberlandesgericht ermittelte Sinngehalt der Titelseitenüberschrift

J. - Sterbedrama um seinen besten Freund - Hätte er ihn damals retten können?

konnte hiernach keinen Gegendarstellungsanspruch begründen. Der Frage fehlt ein hinreichender tatsächlicher Gehalt.

(1) Dem Gegendarstellungsanspruch liegt nach der Entscheidung des Gesetzgebers die Struktur zugrunde, dass derjenige, der von einer Tatsachenbehauptung der Presse betroffen ist, dem Bericht mit einer eigenen Darstellung des tatsächlichen Geschehens entgegentreten kann (vgl. BVerfGE 97, 125 <146>; 63, 131 <142>; BVerfGK 13, 97 <105>). Eine Ausdehnung der Gegendarstellung über diesen Rahmen hinaus - etwa auf die Äußerungen von Meinungen durch die Presse - wird von diesem Recht nicht erfasst (vgl. BVerfGE 97, 125 <147>). Das Gegendarstellungsrecht ist damit vom Gesetzgeber als ein spezifisch begrenztes Instrument ausgestaltet. Es soll Betroffenen die Möglichkeit geben, Tatsachenbehauptungen, die über sie verbreitet werden, unmittelbar inhaltlich entgegen zu treten und damit deren Wahrheitsgehalt in Frage zu ziehen. Dabei handelt es sich um ein Schutzinstrument, das bewusst unabhängig von der Wahrheit der Tatsachenbehauptungen und damit grundsätzlich unabhängig von der materiellen Rechtmäßigkeit der Äußerung gewährt wird. Es ist damit nicht als Sanktionsinstrument ausgestaltet, das materiell vor unberechtigten Äußerungen schützen soll, sondern hat die spezifische Funktion, einer Verfestigung von bestimmten inhaltlichen Tatsachenbehauptungen in der Öffentlichkeit dadurch entgegenzuwirken, dass den Betroffenen eine andere Darstellung dieser Tatsachen ermöglicht wird. Der Betroffene soll so die Möglichkeit bekommen, die Frage der Wahrheit vorläufig in die Schwebe zu bringen (vgl. BVerfGE 97, 125 <148>; BVerfGK 13, 97 <105 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2001 - 1 BvQ 35/01 -, NJW 2002, S. 356 <357>). Die Frage, welche Darstellung letztlich die Wahrheit auf ihrer Seite hat und wieweit ein Betroffener erzwingen kann, dass der Äußernde von seiner Äußerung inhaltlich abzurücken oder sie zukünftig zu unterlassen hat, ist dann erforderlichenfalls in anderen Verfahren, etwa im Rahmen einer Unterlassungs- oder Widerrufsklage, zu klären. Aus dieser spezifisch begrenzten Funktion erhält das Darstellungsrecht seine Konturen, von ihr aus ist auch prozessrechtlich dessen Durchsetzung bestimmt.

(2) Diese vom Gesetzgeber vorgegebene Struktur des Gegendarstellungsrechts wird verlassen, wenn das Oberlandesgericht in eine offene Aufmacherfrage die verdeckte Tatsachenbehauptung hineininterpretiert, dass für das Aufwerfen der Frage hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte bestünden. Indem damit die gesetzlichen Grenzen des Gegendarstellungsrechts gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 LMG Rheinland-Pfalz überzogen werden, fehlt es für die Auferlegung des Abdrucks einer Gegendarstellung in Blick auf die Pressefreiheit an einer rechtfertigenden Grundlage.

Allerdings ist von Verfassungs wegen unbedenklich, dass ein Gegendarstellungsverlangen in Anknüpfung an verdeckte Tatsachenbehauptungen gewährt werden kann. Hierzu muss sich die verdeckte Aussage dem verständigen Leser als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängen, die dann gegendarstellungsfähig ist (vgl. BVerfGK 13, 97 <102 ff.>). Ergibt eine den Maßgaben der Pressefreiheit genügende Sinnermittlung der Ausgangsmitteilung, dass sich dem verständigen Empfänger aus dem Gesamtzusammenhang einer Presseberichterstattung ein bestimmter Eindruck unabweisbar aufdrängt, so kann hiergegen auch eine Eindrucksgegendarstellung zulässig sein. Voraussetzung ist freilich, dass sich der Eindruck auf bestimmte Tatsachen bezieht (vgl. HansOLG, Urteil vom 26. September 2000 - 7 U 73/00 -, NJW-RR 2001, S. 186 <187>; OLG München, Beschluss vom 8. März 2017 - 18 W 370/17 -, AfP 2017, S. 322 <323>; OLG Dresden, Beschluss vom 12. Juli 2017 - 4 W 558/17 -, juris, Rn. 6 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. November 1992 - 1 BvR 708/92 -, NJW 1993, S. 1461 <1462> - zu Art. 103 Abs. 1 GG).

Auch Gegendarstellungen, die an Fragen anknüpfen, sind unter Umständen von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen. Allerdings stehen Fragen unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit in der Regel Werturteilen gleich. Sind sie auf die Ermittlung von Wahrheit oder Unwahrheit gerichtet und offen für verschiedene Antworten (vgl. BVerfGE 85, 23 <32>), sind sie nicht gegendarstellungsfähig, denn Tatsachen werden dann gerade nicht behauptet, sondern allenfalls gesucht. Anders kann dies allerdings dann liegen, wenn mit einer Frage bei verständiger Auslegung eigenständig auch bestimmte Tatsachenbehauptungen verbreitet werden. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 GG an die Sinnermittlung entsprechen insoweit denen der Eindrucksgegendarstellung.

Allein der Eindruck, dass für das Aufwerfen einer inhaltlich offenen Aufmacherfrage irgendein Anlass bestehen müsse, genügt danach zur Annahme einer gegendarstellungsfähigen Tatsachenbehauptung nicht. Jede Frage enthält, indem sie sich auf einen bestimmten Gegenstand bezieht, kraft ihres Gestelltwerdens ausgesprochen oder unausgesprochen Annahmen tatsächlicher oder wertender Art über ihren Gegenstand (vgl. BVerfGE 85, 23 <32>). Hierzu mag auch die - der Deutung des Oberlandesgerichts zugrunde liegende - Annahme zählen, dass eine Frage nicht sinnfrei gestellt ist. In dem diffusen Hervorrufen einer solchen Annahme liegt jedoch nicht die Verbreitung einer eigenständigen Information mit einem bestimmten Inhalt, dessen Wahrheitsgehalt im Sinne des Gegendarstellungsrechts vorläufig in die Schwebe gebracht werden könnte. Solche Aufmacherfragen können das Problem aufwerfen, ob oder wieweit die betroffenen Personen zum Gegenstand öffentlicher Erörterung gemacht werden dürfen, nicht aber geht es hierbei um die Frage der Wahrheit oder Unwahrheit bestimmter Aussagen.

Das spiegelt sich auch in der Schwierigkeit, einen als Gegendarstellung kongruenten Text für solche Fälle zu formulieren. Die Gegendarstellung, zu deren Abdruck die Beschwerdeführerin durch das der Kostenentscheidung zugrunde liegende Urteil verpflichtet wurde, verfehlt jedenfalls die diesbezüglichen Anforderungen. Die als Gegendarstellung formulierte Behauptung, dass der Kläger keine Möglichkeit gehabt habe, seinen Freund zu retten, trifft die Aufmacherüberschrift nicht. Denn dass der Kläger eine solche Möglichkeit gehabt habe, hatte die Beschwerdeführerin nie behauptet.

(3) Allerdings kann ein Schutzbedürfnis hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch gegenüber Aufmacherfragen bestehen. Sofern diese - wie hier - keine bestimmten Tatsachenbehauptungen enthalten, ist dem Schutzbedürfnis der Betroffenen durch andere presserechtliche Institute Rechnung zu tragen. Der unberechtigten Erörterung ehrverletzender Fragen oder privater Angelegenheiten, auch in der Einkleidung von Aufmacherfragen, kann insbesondere mit der Unterlassungsklage entgegengetreten werden. Soweit insoweit Äußerungen in Frage stehen, die allein zur Steigerung des Umsatzes bewusst falsch oder bewusst ohne jede Berechtigung auf Kosten Dritter getroffen werden, kommt insoweit auch die Anerkennung einer Entschädigung in Betracht, die auch der Höhe nach so bemessen werden kann, dass diese zu einem wirksamen Schutz führt (vgl. BGHZ 128, 1 <12>; 160, 298 <307>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. April 2017 - 1 BvR 2194/15 -, NJW-RR 2017, S. 879 <881>).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Nachvergütungsanspruch für Zeitungsfotografen nach § 32 UrhG - 10 EURO pro Bild sind keine angemessene Vergütung

OLG Hamm
Urteil vom 11.02.2016
4 U 40/15


Das OLG Hamm hat sich mit dem möglichen Nachvergütungsanspruch eines Zeitungsfotografen nach § 32 UrhG befasst und entschieden, dass 10 EURO pro Bild keine angemessene Vergütung darstellt.

Die Revision ist beim BGH unter dem Aktenzeichen I ZR 85/16 anhängig.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

OLG Hamm stärkt das Urheberrecht von Zeitungsfotografen

Einem freien hauptberuflichen Journalisten, der einem Verlag in Tageszeitungen veröffentlichte Fotobeiträge für 10 Euro netto pro Beitrag zur Verfügung stellt, kann ein Nachvergütungsanspruch nach § 32 Urheberrechtsgesetz (UrhG) zustehen. Dieser kann auch für die Jahre 2010 bis 2012 entsprechend den Gemeinsamen Vergütungsregeln zu Bildhonoraren für freie hauptberufliche Journalisten und Journalistinnen zu berechnen sein. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 11.02.2016 unter weitgehender Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts Bochum entschieden.

Der Kläger, ein Journalist aus Hagen, war seit 2000 für den beklagten Zeitungsverlag aus Essen als Fotograf tätig. Er lieferte auf Aufforderung der Beklagten im Wesentlichen Bildbeiträge aus dem Märkischen Kreis, die die Beklagte in verschiedenen Ausgaben von ihr verlegter Tageszeitungen veröffentlichte. Für diese erhielt er unabhängig von der Größe des veröffentlichten Bildes und der Auflagenstärke der jeweiligen Zeitung ein Netto-Honorar von 10 Euro. Im Jahre 2010 veröffentlichte die Beklagte 1.329 Bildbeiträge des Klägers, 2011 1.277 Bildbeiträge und 2012 891 Bildbeiträge. Im Rechtsstreit hat der Kläger von der Beklagten eine Nachvergütung für diese Bildbeiträge gemäß § 32 UrhG verlangt und diese nach den Gemeinsamen Vergütungsregeln zu Bildhonoraren für freie hauptberufliche Journalisten und Journalistinnen - abzüglich der gezahlten Beträge - berechnet. Die Gemeinsamen Vergütungsregeln bemessen die Bildhonorare nach der Größe des Bildes und der Auflagenstärke der Zeitung, wobei die Netto-Honorare für Erstdruckrechte zwischen 19,50 Euro (kleiner als einspaltige Fotos in einer Auflage bis 10.000) und 75,50 Euro (vierspaltige Fotos und größer in einer Auflage über 200.000) liegen.

Die Vergütungsklage war erfolgreich. Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Kläger gemäß § 32 UrhG eine Nachvergü-tung von insgesamt ca. 79.000 Euro zugesprochen. Der Kläger sei, so der Senat, Urheber der gelieferten Fotobeiträge, die Beklagte sein Vertragspartner.

Ein vorrangiger Tarifvertrag stehe dem Anspruch nicht entgegen. Bis 2012 sei der Kläger kein Mitglied des Deutschen Journalisten-Verbandes gewesen. Für die vom Kläger in den Jahren 2010 bis 2012 gelieferten Fotobeiträge habe die Beklagte mit netto 10 Euro pro Beitrag kein angemessenes Honorar gezahlt. Insoweit sei der Vertrag der Parteien anzupassen, wobei der Kläger unmittelbar auf Zahlung der angemessenen Vergütung klagen könne. Die Gemeinsamen Vergütungsregeln zu Bildhonoraren für freie hauptberufliche Journalisten und Journalistin-nen seien zwar erst im Jahre 2013 in Kraft getreten. Dennoch könnten sie als Vergleichsmaßstab einer angemessenen Vergütung herangezogen werden. Dabei seien im vorliegenden Fall die für das Einräumen eines Erstdruckrechts vorgesehenen Tarife maßgeblich. Denn die Beklagte habe dem Kläger die Aufträge ersichtlich in Erwartung einer ihr einzuräumenden Priorität der Veröffentlichung erteilt. Letztlich könnten sogar die tarifvertraglichen Vergütungsregeln als Orientierungshilfe dienen. Danach sei die vom Kläger verlangte Vergütung selbst dann angemessen, wenn ein Erstdruckrecht nicht vereinbart worden sei.


§ 32 Urhg

(1) Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, durch die dem Urheber die angemessene Vergütung gewährt wird.

(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.

(3) Auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Urhebers von den Absätzen 1 und 2 abweicht, kann der Vertragspartner sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Der Urheber kann aber unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumen.

(4) Der Urheber hat keinen Anspruch nach Absatz 1 Satz 3, soweit die Vergütung für die Nutzung seiner Werke tarifvertraglich bestimmt ist.



LG Hamburg: Geldentschädigung von 60.000 EURO wegen schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch wiederholt rechtswidrige Presseberichterstattung

LG Hamburg
Urteil vom 25.09.2015
324 O 161/15


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine Geldentschädigung von 60.000 EURO wegen schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch wiederholt rechtswidrige Presseberichterstattung angemessen sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Klage ist auch in der Sache dem Grunde nach, jedoch in der geltend gemachten Höhe begründet. Der Klägerin steht gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen der wiederholten Veröffentlichung von Fotos der Klägerin vom 03.01.2014 vor der Klinik in G. zu.

Ein Geldentschädigungsanspruch setzt voraus, dass eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und schuldhaftes Handeln vorliegen sowie, dass andere Ausgleichsmöglichkeiten fehlen und ein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung besteht (vgl. Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung 5. Aufl. 2003, 14. Kap. Rn 102, 115, 120, 127; Soehring, Presserecht 4. Aufl. 2010 § 32 Rn 21ff., 26ff. und 28ff. jeweils mit weiteren Nachweisen). Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGH NJW 1996, 985, 986 m.w.N.). Nach diesen Kriterien ist vorliegend eine Geldentschädigung erforderlich und geboten. Jedenfalls die wiederholte und hartnäckige Verletzung des Rechts am eigenen Bild (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.1995, VI ZR 223/94) stellt eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar, die nicht zuletzt aufgrund des Umstands, dass es sich jeweils um Bildberichterstattungen handelt, nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung ausgeglichen werden kann.

[...]

Die Kammer neigt nicht dazu, in jeder einzelnen Veröffentlichung eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu erkennen. Zwar ist, wie die vorstehenden Ausführungen deutlich machen, von einem ganz erheblichen Eingriff auszugehen, indes ist unter Berücksichtigung des durch den tragischen Unfall von M. S. ausgelösten außerordentlichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit die Schwelle zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Klägerin durch jede einzelne, isoliert betrachtete Veröffentlichung noch nicht erreicht.

Im vorliegenden Fall kommt jedoch zum Tragen, dass die Beklagte über einen Zeitraum von drei Monaten in insgesamt neun Heften, teilweise auf der Titelseite, teilweise großformatig im Innenteil, wieder und wieder das gleiche Motiv, das die Klägerin am 03.01.2014 vor der Klinik in G. zeigt, veröffentlicht hat, obwohl sie spätestens seit dem 17.01.2014 (erste Abmahnung, Anlagenkonvolut K 4) wusste, dass die Klägerin mit der Bildnisveröffentlichung nicht einverstanden ist. Nachfolgend erschienen jedoch weitere vier Beiträge. Spätestens seit dem 17.02.2014 (Zustellung der ersten einstweiligen Verfügung, Anlagenkonvolut K 4) und nachfolgend durch die Zustellung dreier weiterer einstweiliger Verfügungen (Anlagenkonvolute K 8, K 10, K 13) wusste die Beklagte, dass auch Gerichte die Rechtsauffassung der Klägerin teilen. Gleichwohl erfolgten weitere zwei Veröffentlichungen. Und schließlich hatte die Beklagte unter dem 06.03.2014 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben (Anlagenkonvolut K 17) und unter dem 10.03.2014 die erste einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt (Anlagenkonvolut K 4) und dennoch erfolgte noch eine weitere Veröffentlichung – jedenfalls soweit dies hier streitgegenständlich ist. In bemerkenswert hartnäckiger Weise hat die Beklagte trotz unmissverständlicher Hinweise der Klägerin und gerichtlicher Gebote Bildnisse der Klägerin vom 03.01.2014 vor der Klinik in G. veröffentlicht.

In jenem Fall ging es um Fotos des dortigen Klägers in unterschiedlichen Situationen, während es vorliegend immer wieder die gleiche Situation am 03.01.2014 vor der Klinik in G. war, die die Beklagten bebildert hat. Der Beklagten war der konkret entgegenstehende Wille der Klägerin mithin bereits seit der ersten Abmahnung im Hinblick auf sämtliche Folgeveröffentlichungen bekannt und es konnte kein Zweifel bestehen, ob eine andere Veröffentlichung aus Sicht der Klägerin möglicherweise anders zu bewerten wäre. Gerade die Identität des Motivs begründet hier in besonders offenkundiger Weise die Hartnäckigkeit der Beklagten bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin.

Dies begründet zugleich das ganz erhebliche Verschulden der Beklagten. Sie hat die Anforderungen an die journalistische Sorgfalt grob missachtet. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten wissen und beachten müssen, dass zumindest die Berichterstattungen nach dem 17.01.2014 (erste Abmahnung) und jedenfalls die Berichterstattungen nach dem 17.02.2014 (Zustellung der ersten einstweiligen Verfügung) aufgrund der Wiederholung des Motivs eine gravierende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin darstellten.

Die eingetretene schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin lässt sich nicht in anderer Weise als durch die Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes ausgleichen; die gebotene Gesamtabwägung ergibt ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung. Schon angesichts der dargestellten Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die gezeigte Hartnäckigkeit der Beklagten besteht hier ein derartiges unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung. Daneben macht auch der dargestellte ganz erhebliche Grad des Verschuldens der Beklagten die Zuerkennung eines immateriellen Schadensersatzes unabweisbar. Eine anderweitige zumutbare und angemessene Ausgleichsmöglichkeit besteht nicht.


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EuGH: Kurze Videos mit kurzen Beiträgen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung auf der Website einer Zeitung sind audiovisuelle Mediendienste

EuGH
Urteil vom 21.10.2015
C‑347/14
New Media Online GmbH gegen Bundeskommunikationssenat


Der EuGH hat entschieden, dass kurze Videos mit kurzen Beiträgen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung auf der Website einer Zeitung audiovisuelle Mediendienste sind, so dass die entsprechenden rechtlichen Vorgaben einzuhalten sind.

Tenor der Entscheidung:

1. Der Begriff „Sendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) ist dahin auszulegen, dass er die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst.

2. Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2010/13 ist dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der betreffenden Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des vorlegenden Gerichts.

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OLG Karlsruhe: Auflösung eines Sternchenhinweises auf der Rückseite einer Flappe reicht nicht aus und ist wettbewerbswidrig

OLG Karlsruhe
Urteil vom 17.07.2015
4 U 49/15


Sternchenhinweise sind immer wieder Gegenstand von Abmahnungen und rechtlichen Auseinandersetzungen. Diese müssen insbesondere gut lesbar, gut sichtbar und leicht zugänglich sein. Das OLG Karlsruhe hat nun entschieden, dass die Auflösung eines Sternchenhinweises auf der Rückseite einer an einer Zeitung angebrachten Flappe nicht diesen Anforderungen genügt.

LG Wuppertal: Werbebeilage mit Bestellmöglichkeit in einer Zeitschrift muss vollständige Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular enhalten

LG Wuppertal
Urteil vom 21.07.2015
11 O 40/15


Das LG Wuppertal hat entschieden, dass eine Werbebeilage mit Bestellmöglichkeit in einer Zeitschrift eine vollständige Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular enhalten muss. Die Ausnahmevorschrift in § 246a § 3 EGBGB ( Erleichterte Informationspflichten bei begrenzter Darstellungsmöglichkeit) greift - so das Gericht - jedenfalls bei derartigen Werbeformen nicht.