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OLG Hamburg: Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs bedarf nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG - Coaching-Anbieter hat Anspruch auf Vergütung

OLG Hamburg
Urteil vom 20.02.2024
10 U 44/23


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG bedarf, so dass der Coaching-Anbieter einen Anspruch auf Vergütung hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 6.366,50 Euro aus dem streitgegenständlichen Vertrag.

a) Der Vertrag ist insbesondere nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FernUSG, da es sich bei dem geschlossenen Vertrag nicht um einen Vertrag i.S.d. § 1 FernUSG handelt. Fernunterricht i.S.d. § 1 FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende zumindest überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

aa) Zweifelhaft ist schon, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Vertrag handelt, aufgrund dessen bestimmte Kenntnisse vermittelt werden sollten.

Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass mit dem Vertrag vereinbart worden wäre, dass es Aufgabe der Klägerin gewesen wäre, dem Beklagten bestimmte Kenntnisse „zu vermitteln“. Angeboten hat die Vertragspartnerin vielmehr ein „[...]Mentoring“ (Anlage K3). In den wöchentlichen „ [...] Calls“ sollte der Beklagte die Möglichkeit haben, „alle Fragen zu stellen, die für dich wichtig sind“ (Anlage K4). Dem Beklagten sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich mit Hilfe der Vertragspartnerin und der „1:1 Vorlagen“ einen „Print on Demand Online-Shop“ aufzubauen (Anlage B 2).

Zwar gehörte zum Vertragsinhalt auch die Möglichkeit für den Beklagten, sich durch Ansehen der von der Vertragspartnerin zur Verfügung gestellten Videos bestimmte Kenntnisse, die er aus dem zur Verfügung gestellten Material auswählen konnte, selbst anzueignen. Allerdings war dieser Vertragsbestandteil von untergeordneter Bedeutung. Allein zeitlich wurden lediglich ca. 40h Videomaterial zur Verfügung gestellt, wohingegen dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt wurde, 6 Monate lang an 3 ca. 2-stündigen Coachingsessions pro Woche teilzunehmen. 40h Videomaterial stehen also ca. 144 h für Coachingsessions gegenüber, der Schwerpunkt des Vertrages liegt also deutlich auf den Coachingsessions, in denen der Beklagte beraten werden sollte, und nicht auf den Inhalten der Videos. Dem entspricht auch die aus Anlage K3 hervorgehende Bezeichnung des Angebots der Vertragspartnerin des Beklagten als „[...]-Mentoring“.

Im Rahmen eines Coachings wird aber nicht systematisch didaktisch aufbereiteter Lehrstoff vermittelt, sondern es erfolgt eher eine individuelle und persönliche Beratung und Begleitung (Lach, Anmerkung zu OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22, zitiert nach juris). Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist Ziel des streitgegenständlichen Vertrages also gerade nicht die Vermittlung bestimmten „Wissens“, vielmehr steht die Coachingleistung im Vordergrund. In den Calls sollte laut Anlage K4 nur Gelegenheit gegeben werden die Fragen zu stellen, die für den jeweiligen Kursteilnehmer von Bedeutung waren.

Ein Bezug zu den zur Verfügung gestellten Videos musste dabei nicht bestehen. Schon daraus wird deutlich, dass es gerade nicht darum ging, dass der Beklagte das gesamte Videomaterial ansah und „lernte“, sondern es ging darum Informationen zur Verfügung zu stellen, aus denen der jeweilige Vertragspartner die Informationen, die für ihn relevant waren, heraussuchen konnte.

Dies ergibt sich auch aus der vom Beklagten eingereichten Anlage B2. Danach sollte dem Beklagten gezeigt werden, wie er profitable Produkte findet, dann sollte der Beklagte nach einer Vorlage einen online-shop aufbauen und anschließend sollte die Klägerin dem Beklagten zeigen, wie er über social media Kanäle Werbung schaltet, um Umsätze zu generieren. Ein bestimmtes
abgegrenztes Wissen sollte gerade nicht vermittelt werden. Aufgabe der Klägerseite sollte es nur sein, beratend zur Seite zu stehen („bei Fragen stehen dir (...) zur Seite“). Der Beklagte sollte nach einer Vorlage selbständig einen online-shop aufbauen („Du baust dir eine echte eigene Marke mit deinem Online-Shop auf“). Auch aus den in Anlage B2 aufgeführten Bewertungen ergibt sich, dass mit dem Angebot nicht ein bestimmtes Wissen vermittelt werden sollte, vielmehr heben die Kunden hervor, dass das persönliche „Mentoring“ und gerade nicht ein bestimmtes vermitteltes Wissen zum Erfolg geführt habe. Hervorgehoben wird, dass es bei dem Angebot darum geht, dem Kunden zu helfen, sich eigenständig einen online-shop aufzubauen.

So erklärt der Beklagte selbst in dem Schriftsatz vom 27.04.2023, dass der Kunde beim Finden profitabler Produkte beraten werden sollte und dass in dem Gespräch, das zu dem Vertragsschluss führte, damit geworben worden sei, dass sich nach dem absolvierten Coaching das Leben vieler Absolventen positiv verändert habe. Dass dem Beklagten ein bestimmtes Wissen hätte vermittelt werden sollen, trägt der Beklagte gerade nicht substantiiert vor.

Anders gelagert war offensichtlich der vom BGH am 15.10.2009 entschiedene Fall (III ZR 310/08, zitiert nach juris), auf den der Beklagte Bezug nimmt: Hier sollte ein „Lehrgang“ durchgeführt werden, mit „Lehreinheiten“, „Lehrmaterialsendungen“, die Vertragspartner wurden als „Absolventen“ bezeichnet, die nach Beendigung des „Studiums“ ein „Zertifikat“ erhalten sollten. Es sollte also - anders als hier - ein bestimmter abgeschlossener Komplex als „Wissen“ vermittelt werden.

bb) Jedenfalls aber ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht, dass eine „Überwachung“ des Lernerfolges vertraglich geschuldet gewesen wäre. Zwar ist dieses Tatbestandsmerkmal nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen, da mit dem FernUSG der Schutz der Lehrgangsteilnehmer gestärkt werden und die Enttäuschung der Bildungswilligkeit verhindert werden sollte (BGH, Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08, zitiert nach juris). Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergibt sich, dass eine wiederholte Überwachung des Lernerfolges nicht notwendig, sondern die einmalige Überwachung ausreichend sein sollte (BT Drs 7/4965, S. 7). Ausreichend sein soll, dass der Lernende das Recht hat, eine Überwachung des Lernerfolges einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen (BGH Urteil vom 15.10.2009
- III ZR 310/08).

Dass der Beklagte nach dem streitgegenständlichen Vertrag das Recht gehabt hätte, eine solche Kontrolle einzufordern, hat der Beklagte aber gerade nicht dargelegt. Aus dem von den Parteien vorgetragenen Inhalt des Vertrages ergibt sich ein solches Recht nicht. Geschuldet wird in dem streitgegenständlichen Vertrag gerade keine „Überwachung“ des Lernerfolges, sondern
der Vertragspartner sollte dem Beklagten nur für individuelle Fragen im Rahmen des „Coachings“ bzw. „Mentorings“ zur Verfügung stehen. Dem Wort „Überwachung“ wohnt ein Kontrollelement inne (vgl. https://www.dwds.de/wb/%C3%9Cberwachung und https://www.wortbedeutung.info/%C3%9Cberwachung/). Allein die Gelegenheit des Beklagten im Rahmen des Coachings Fragen zu stellen, stellt schon dem Wortsinne nach keine „Überwachung“ dar. Eine Kontrolle eines etwaigen Lernerfolges schuldete die Klägerseite gerade nicht. Den Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen gerade keine Kontrolle des Lernerfolges vereinbart wurde, sondern lediglich die Möglichkeit des Vertragspartners besteht, Fragen zu stellen, würde insofern dem klaren Wortlaut widersprechen.

Ein solches Verständnis von der Norm widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2009 (III ZR 310/08, zitiert nach juris). Im dortigen Fall hatte die Klägerin den Anspruch, eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, „ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde“ und „sitzt“. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lässt sich ein solcher Anspruch gerade nicht aus dem Vertrag herleiten, denn im streitgegenständlichen Fall wurde gerade kein Vertrag über einen „Lehrgang“ oder ein „Studium“ geschlossen, der Beklagte sollte kein „Absolvent“ sein und auch kein „Zertifikat“ erhalten. Keiner der im streitgegenständlichen Fall verwendeten Begriffe („Mentoring“, „Coaching“) lässt darauf schließen, dass eine Lernerfolgskontrolle stattfinden sollte.

Dem steht auch nicht das Urteil des OLG Celle vom 01.03.2023 - 3 U 85/22 entgegen. Im dort entschiedenen Fall hatte die Beklagte - anders als der Beklagte im streitgegenständlichen Fall -Zugang zu einer „Akademie“, die auch „Prüfungen“ beinhaltete und das jeweils nächste Videokursmodul wurde erst dann freigeschaltet, wenn der vorangehende Abschnitt angesehen worden war. Entsprechende Bestandteile einer Erfolgskontrolle wies der streitgegenständliche Vertrag gerade nicht auf.

Eine „Überwachung“ des Lernerfolges i.S.d. § 1 FernUSG war damit gerade nicht geschuldet. Der Vertrag ist daher nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FerUSG.

b) Der Beklagte hat auch nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass der streitgegenständliche Vertrag sittenwidrig und damit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB). Ein gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft liegt dann vor, wenn es gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Weder aus dem dargelegten Vertragsinhalt noch aus den Umständen des Vertragsschlusses ergibt sich dementsprechend ein Anhaltspunkt für Sittenwidrigkeit. Auch nach § 138 Abs. 2 BGB liegt keine Sittenwidrigkeit vor. Sittenwidrigkeit ist gem. § 138 Abs. 2 BGB dann gegeben, wenn jemand sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen und dabei eine Zwangslage, die Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche eines anderen ausgenutzt werden.

Dass ein solches auffälliges Missverhältnis bestehe, hat der Beklagte nicht nachgewiesen. Die Klägerin hat bestritten, dass die Inhalte der verkauften Videos einfach so kostenfrei im Internet zu finden seien. Seinen Vortrag näher substantiiert und Beweis angeboten hat der Beklagte daraufhin nicht. Auch fehlt es an konkretem Vortrag zu einer „Zwangslage“ des Beklagten. Zwar
mögen die finanziellen Verhältnisse des Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwierig gewesen sein. Eine Zwangslage, welche die Vertragspartnerin ausgenutzt hätte, ergibt sich allein daraus aber nicht.

Sonstige Umstände, welche eine Qualifizierung des Vertrages als „sittenwidrig“ i.S.d. § 138 BGB begründen würden, wurden nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.



OLG Hamburg: Kununu muss Arbeitgeberbewertung löschen wenn Identität des Bewertenden nicht überprüfbar mitgeteilt wird - interne Prüfung des Bewertungsportals reicht nicht

OLG Hamburg
Beschluss vom 08.02.2024
7 W 11/24


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass das Bewertungsportal Kununu eine negative Arbeitgeberbewertung löschen muss, wenn der Portalbetreiber dem Arbeitgeber die Identität des Bewertenden nicht überprüfbar mitteilt. Eine interne Prüfung des Bewertungsportals auf Authentizität reicht nicht aus.

Aus den Entscheidungsgrünen:
I. Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin das Unterlassen der Zugänglichmachung von zwei Bewertungen ihres Unternehmens in einem Arbeitgeber-Bewertungsportal.

Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen zum Vertrieb von ... und ein Ladengeschäft in Hamburg. Sie hat etwa 22 Mitarbeiter. Die Antragsgegnerin betreibt eine große Arbeitgeber-Bewertungsplattform. Auf dieser über das Internet aufrufbaren Plattform können gegenwärtige und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Bewerberinnen und Bewerber und Auszubildende ihren Arbeitgeber in verschiedenen Kategorien bewerten. Auf der Bewertungsplattform befinden sich über 5.300.000 Bewertungen zu über 1.040.000 Unternehmen, täglich kommen rund 1.000 neuen Bewertungen zu etwa 500 Unternehmen hinzu.

In diese Bewertungsplattform wurden die angegriffenen, aus dem Tenor ersichtlichen Bewertungen eingestellt.

Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin durch zwei kurz aufeinander folgende Schreiben auffordern, die Einträge zu löschen. Zur Begründung hieß es in beiden Schreiben jeweils gleichlautend: "Der genannte Bewerter hat unsere Mandantschaft negativ bewertet. Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt zu dem Bewerter wird mit Nichtwissen bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann." Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin auf, mögliche unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Rechtsverletzungen zu substanziieren. Hintergrund hierfür war, so die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin durch ihre Rechtsanwälte innerhalb kürzester Zeit gegen elf Bewertungen - von insgesamt 14 eingestellten Bewertungen des Unternehmens der Antragstellerin - gleichlautende Beanstandungen erhoben hatte, die die Antragsgegnerin als jeweils unsubstanziiert ansah. Als die Antragsgegnerin von der Antragstellerin keine weiteren Informationen erhielt, sah sie von einer Löschung der Einträge ab. Nach Erhalt des dieses Verfahren einleitenden Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wandte sich die Antragsgegnerin an die Nutzer, die die hier beanstandeten Bewertungen abgegeben hatten. Die von diesen erhaltenen Unterlagen, aus denen sich der Nachweis ergeben sollte, dass die Nutzer bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen seien, anonymisierte eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin und übersandte der Antragstellerin zum Beleg, dass der Urheber der mit dem Antrag zu a) angegriffenen Bewertung bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen sei, den folgenden - anonymisierten - Tätigkeitsnachweis: ...,

und zum Beleg, dass der Urheber der mit dem Antrag zu b) angegriffenen Bewertung bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen sei, den folgenden - anonymisierten - Tätigkeitsnachweis: ...

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die zuletzt genannten Unterlagen ausreichen würden, um eine tatsächliche Mitarbeiterstellung der Rezensenten nachzuweisen, so dass die Übermittlung ungeschwärzter Tätigkeitsnachweise nicht erforderlich gewesen sei. Soweit die Antragstellerin vortrage, aus den Unterlagen nicht auf die Identität der Bewertenden schließen zu können, stelle sie damit die Authentizität der Unterlagen nicht in Abrede. Zudem habe die Antragsgegnerin - unbestritten und durch eine eidesstattliche Versicherung belegt - vorgetragen, dass die Tätigkeitsnachweise und die darin enthaltenen Namen von ihrer Mitarbeiterin [...] mit den im Bewerterprofil der Antragstellerin hinterlegten Bestandsdaten abgeglichen und verifiziert worden seien und die Daten übereinstimmten.

Hiergegen richtet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie ihren Verfügungsantrag mit den im Antrag auf deren Erlass vorgebrachten Argumenten weiterverfolgt.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet und führt dazu, dass der Senat die begehrte einstweilige Verfügung erlässt.

Der Antragstellerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Artt. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertungen zu.

Auch für den hier gegebenen Fall kommen die nunmehr vom Bundesgerichtshof für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) vollen Umfangs zum Tragen: Die Antragstellerin ist als Portalbetreiberin mittelbare Störerin hinsichtlich der beanstandeten Bewertungen und haftet als solche nur eingeschränkt. Wird sie mit der Beanstandung eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein kann – konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich, unabhängig davon, ob die beanstandete Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil, das auf einer behaupteten Tatsache aufbaut, zu qualifizieren ist. Als hinreichend konkrete Beanstandung des Bewerteten ist es dabei bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich ausreichend, wenn dieser rügt, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt des Bewerters mit seiner Leistung zugrunde liege; diese Rüge darf der Bewertete grundsätzlich so lange aufrechterhalten, bis ihm gegenüber der Bewerter so individualisiert wird, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann.

Diese Rüge nicht gegebenen Geschäftskontakts hat die Antragstellerin hier erhoben. Da die Antragstellerin in ihren Abmahnungen sich auf diese Rüge beschränkt hat, bedurfte es der Übermittlungen von konkreten weiteren Informationen zu den Inhalten der Bewertungen, von deren Übermittlung die Antragsgegnerin ihr Tätigwerden zunächst abhängig machen wollte, nicht. Derartige Informationen wären im Grundsatz ohnehin wenig geeignet gewesen, zu einer weiteren Begründung des Löschungsverlangens der Antragstellerin beizutragen; denn die Überprüfungsobliegenheit des Portalbetreibers ist durch seine Erkenntnisquellen begrenzt, und nur solche konkreten Hinweise auf Umstände, die es ihm aus seiner Perspektive ermöglichen, einen Rechtsverstoß unschwer - "ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung" - zu bejahen, muss der Portalbetreiber an den Urheber der Bewertung weiterleiten (BGH aaO.). Da die Bewertungen aber überwiegend Werturteile enthielten, hätte die Übermittlung weiterer Informationen durch die Antragstellerin es der Antragsgegnerin kaum ermöglicht, allein aufgrund dieser Informationen unschwer einen eventuellen Rechtsverstoß zu erkennen, so dass sie auch bei einer Übermittlung weiterer Informationen nicht darum herumgekommen wäre, ermitteln zu müssen, ob den Bewertungen tatsächliche geschäftliche Kontakte zugrundelagen, zu diesem Zweck von den Urhebern der Bewertungen Stellungnahmen einzuholen und diese in solcher Form der Antragstellerin zu präsentieren, dass diese das tatsächliche Vorliegen von Geschäftskontakten hätte überprüfen können.

Dass die Antragstellerin die Rüge nicht gegebenen geschäftlichen Kontakts hinsichtlich vieler Bewertungen, die über das Bewertungsportal der Antragsgegnerin verbreitet worden sind, erhoben hat, begründet, anders als die Antragsgegnerin meint, nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs; denn es ist nicht ausgeschlossen, dass auf einem Bewertungsportal eine Vielzahl nicht auf konkreten Kontakten beruhender Bewertungen eines Betroffenen eingestellt werden. Noch weniger kann der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs - wie es die Antragsgegnerin geltend macht - damit begründet werden, dass sich der Betroffene von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten lässt, die offensiv damit wirbt, gegen Zahlung pauschalierter Festhonorare gegen Einträge in Bewertungsportalen vorzugehen; denn die Beauftragung einer solchen Kanzlei allein lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob das Bestreiten des Vorliegens eines geschäftlichen Kontaktes durch die Antragstellerin in jedem einzelnen Fall in der Sache begründet ist oder nicht. Der große Umfang des Geschäftsbetriebs der Antragsgegnerin entbindet sie von der Einhaltung ihrer Überprüfungsobliegenheit nicht, da diese jeden Betreiber eines Bewertungsportals trifft.

Die Antragsgegnerin hat auf die Rüge der Antragstellerin dieser die Bewerter nicht so identifizierbar gemacht, dass die Antragstellerin in der Lage wäre, das tatsächliche Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes zu prüfen. Die der Antragstellerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens übermittelten Unterlagen mögen aus dem Geschäftsbereich der Antragstellerin stammen; wer die betreffenden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter gewesen sein mögen, auf die sie sich beziehen, vermag sie aus diesen Unterlagen aber nicht zu erkennen, so dass sie nicht überprüfen kann, ob die Urkunden wirklich die Urheber der Bewertungen betreffen und ob es sich dabei tatsächlich um Personen handelt, die einmal für sie gearbeitet haben oder noch für sie arbeiten. Die Möglichkeit zu einer eigenen Überprüfung des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts darf dem von der Bewertung Betroffenen nicht in der Weise genommen werden, dass der Portalbetreiber die Überprüfung für sich vornimmt und dem Bewerteten dann versichert, sie habe ein positives Ergebnis erbracht; ansonsten stünde der Betroffene, der geltend macht, nicht zu wissen, ob er überhaupt Kontakt zu dem Bewerter hatte, der Behauptung des Portalbetreibers, dies sei der Fall gewesen, wehrlos gegenüber.

Der Umstand, dass es sich bei dem Portal der Antragsgegnerin um ein Arbeitgeber-Bewertungsportal handelt, rechtfertigt eine andere Sichtweise nicht. Die Antragsgegnerin meint zwar, dass der Antragstellerin hier schon aufgrund der geringen Anzahl der bei ihr beschäftigten Personen eine eigenständige Überprüfung darauf, ob eine Bewertung von einer dieser Personen stamme, möglich sein müsse, zumal ein Arbeitgeber viel eher in der Lage sei, aus einer Bewertung zu ersehen, ob die darin erhobenen Beanstandungen der innerbetrieblichen Verhältnisse von Angehörigen seines Personals stamme, als ein Unternehmer, der nur aufgrund einmaligen Kontakts mit ihm ansonsten unbekannten Kunden zu tun hat, aus einer Bewertung ersehen könnte, ob ihr ein tatsächlicher Geschäftskontakt zugrunde liegt. Dem kann aber nicht gefolgt werden; denn auch bei der Bewertung eines Arbeitgebers kann sich eine Kritik auf konkrete Fälle beziehen, die auf ihre tatsächliche Gegebenheit von ihm nur dann überprüft werden können, wenn die Person des (angeblich) betroffenen Arbeitnehmers oder jedenfalls der konkreten Situation, die geschildert wird, bekannt sind (hier z.B. bei den Kritiken "Einarbeitung? Fehlanzeige! Am ersten Tag bekommt man ein paar Dokument[e], die man sich auf eigene Faust aneignen soll[,] und dann wird bitte losgelegt", "Abmachungen wurden nicht eingehalten"), und auch aus allgemein gehaltenen Meinungsäußerungen, die etwa das Betriebsklima oder die Ausstattung mit Betriebsmitteln betreffen (hier z.B. die Kritiken "Vorgesetztenverhalten ... Empathie ist ein Fremdwort", "Software auf Hobby-Niveau"), lassen sich Rückschlüsse auf das tatsächliche Bestehen eines Beschäftigtenverhältnisses nicht ziehen.

Zu einem abweichenden Beurteilungsmaßstab führt auch nicht der Umstand, dass es für den Betreiber eines Arbeitgeber-Bewertungsportals schwieriger sein mag, nach der Beanstandung einer Eintragung einzelne Bewerter dazu zu bewegen, sich zu erkennen zu geben, weil sie im Gegensatz zu Nutzern, die einmalige Geschäftskontakte wie einen Hotelaufenthalt, einen singulären Arztbesuch oder den Ankauf einer Ware bewertet haben, häufig befürchten werden, nach ihrer Kenntlichmachung Repressalien ihres negativ bewerteten Arbeitgebers ausgesetzt zu sein. Auch dies aber vermag nicht zu rechtfertigen, dass ein Arbeitgeber, der einer über das Internet verbreiteten Kritik einer Person, die behauptet, für ihn gearbeitet zu haben oder zu arbeiten, ausgesetzt wird, diese öffentliche Kritik hinnehmen muss, ohne die Möglichkeit zu erhalten, sie auf das Vorliegen einer tatsächlichen Grundlage zu prüfen und sich ggf. dazu in der Sache zu positionieren.

Aus dem zuletzt genannten Grund kann die Antragsgegnerin gegen das Erfordernis, dem Bewerteten die Person des Bewerters individualisieren zu müssen, wenn sie die Bewertung weiterhin zugänglich halten will, auch nicht mit Erfolg vorbringen, dass sie den Bewerter aus Datenschutzgründen ohne dessen Zustimmung nicht ohne Weiteres namhaft machen dürfe. Selbst wenn § 21 TTDSG - wegen des Erfordernisses des Verfahrens nach dessen Absätzen 2 bis 4 - diese Konsequenz haben sollte, dürfte das nicht dazu führen, dass eine Bewertung öffentlich zugänglich gehalten werden darf, solange dem Bewerteten die Möglichkeit genommen ist zu klären, ob ihr überhaupt ein geschäftlicher Kontakt mit dem Bewerter zugrunde liegt; denn soweit es um die Verbreitung von Äußerungen geht, deren Rechtmäßigkeit nur überprüft werden kann, wenn der Urheber oder die Quelle der Äußerungen bekannt ist, trägt das Risiko, ob er den Urheber oder die Quelle namhaft machen darf, kann oder will, im Streitfall grundsätzlich der Verbreiter. Geschieht die Verbreitung im Rahmen eines Geschäftsbetriebes, wie das bei einem Bewertungsportal der Fall ist, gehört dieses Risiko zu den typischen Geschäftsrisiken, die jeden Unternehmer bei seiner Tätigkeit treffen.

Auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die es zulassen könnten, in der Beurteilung dieses Falls von den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamburg: 4.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen zwei unberechtigter Schufameldungen

OLG Hamburg
Urteil vom 10.01.2024
13 U 70/23

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass dem Betroffenen 4.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen zwei unberechtigter Schufameldungen zustehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens gem. Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 S. 1. DSGVO in Höhe von insgesamt 4.000,00.

Die Beklagte hat als „Verantwortlicher" i.S.d. Art. Nr. DSGVO gegen ihre Pflichten aus Art. 5, 6 i.V.m. Art.4 Abs.2 DSGVO verstoßen, indem sie ihre Forderungen gegen den Kläger zweimal an die Schufa gemeldet hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen, welchen sich das Berufungsgericht vollen Umfangs anschließt.

Hierdurch ist dem Kläger auch ein ersatzfähiger immaterieller Schaden entstanden. Das Landgericht hat sorgfältig und überzeugend begründet, dass der Kläger durch die zweifache unberechtigte Meldung an die Schufa eine Beeinträchtigung seines sozialen Ansehens durch die Darstellung als unzuverlässiger Schuldner hinnehmen musste.

Der Kläger hat zudem belegt, dass sich aus der Auskunft der Schufa und der verschlechterten Einschätzung des Bonitätsrisikos konkrete negative Konsequenzen in Bezug auf die Gewährung eines Kredits durch die ING (Anlage K16) sowie die Sperrung seiner Kreditkarte bei der Hanseatic Bank (Anlage 17) ergeben habe.

Bei der Bemessung des danach zuzuerkennenden Schmerzensgeldes sind nach Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht alle Umstände hinreichend gewichtet worden.

Der EuGH (Urteil vom 4.5.2023, C-300/21, Rz. 51) hat zur Bemessung des geschuldeten Schadenersatzes festgestellt, dass die DSGVO keine Bestimmung enthält, die sich den Regeln für die Bemessung des Schadenersatzes widmet, auf den eine betroffene Person nach Art. 82 DSGVO Anspruch hat, wenn ihr durch einen Verstoß gegen die Verordnung ein Schaden entstanden ist, und dass ... die Festlegung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des geschuldeten Schadenersatzes in Ermanglung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Aufgabe des Rechts des einzelnen Mitgliedsstaates ist, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind.

Maßgeblich sind hiernach die im deutschen Recht für die Schmerzensgeldbemessung maßgeblichen Kriterien, womit die Höhe des Ersatzanspruchs auf Grund einer Würdigung der Gesamtumstände des Falls unter Berücksichtigung der dem Schmerzensgeld zukommenden Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion festzusetzen.

Danach muss zum einen dem Umstand, dass auf Seiten der Beklagten jedenfalls bedingter Vorsatz angenommen werden muss, besondere Bedeutung beigemessen werden. Die Beklagte hat die erste Meldung vorgenommen, obwohl der Kläger die Forderung auf ihren eigenen Hinweis hin, dass eine Meldung an die Schufa (nur dann) erfolgen werde, sofern er die Forderung nicht bestritten habe, mit Schreiben vom 1.12.2019, Anlage 7, ausdrücklich bestritten hat. Auch die zweite Meldung erfolgte trotz weiteren Bestreitens durch den Kläger (Schreiben vom 29.12.2019, Anlage 11), seiner Aufforderung zur Löschung und einer zwischenzeitlich erfolgten Löschung durch die Schufa selbst (Anlage 14). Ein solches Verhalten kann nicht anders gedeutet werden, als dass die Beklagte wissentlich und jedenfalls unter billigender Inkaufnahme des als möglich erkannten pflichtwidrigen Erfolges ihre Pflichten aus der DSGVO verletzt hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte sich trotz Aufforderung durch den Kläger und Darlegung der Rechtswidrigkeit der Meldung geweigert hat, den Negativeintrag zu widerrufen.

Unter Berücksichtigung der dargestellten Umstände und im Hinblick auf einen kürzlich vom Senat entschiedenen vergleichbaren Fall, wo es weder zu konkreten Auswirkungen durch die Schufa-Meldung gekommen war noch ein vorsätzliches Vorgehen der Beklagten festgestellt werden konnte (13 71/21) und vom Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,- je Meldung zuerkannt worden war, wird ein deutlich höherer Betrag in Höhe von 2.000,- je Meldung, mithin insgesamt 4.000,00 als angemessen, aber auch als ausreichend erachtet, so dass die weitergehende Berufung zurückzuweisen ist.



OLG Hamburg: Erteilung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel über das Internet ohne vorherigen persönlichen Kontakt von Arzt und Patient unzulässig

OLG Hamburg
Beschluss vom 15.08.2023
5 U 93/22


Das OLG Hamburg hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass die Erteilung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel über das Internet ohne vorherigen persönlichen Kontakt von Arzt und Patient unzulässig ist.

Aus dem Hinweisbeschluss:
Im Streitfall besteht - wie vom Landgericht zu Recht angenommen - der antragsgegenständliche Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 3 der Berufsordnung für Ärzte in Hamburg.

aa. Die antragsgegenständliche Erteilung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch Ärzte, die den Patienten zuvor nicht behandelt haben, verstößt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - gegen ärztliche Berufspflichten, wie sie in § 7 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärzte in Hamburg niedergelegt sind. Nach § 7 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärzte in Hamburg beraten und behandeln Ärztinnen und Ärzte Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird. Danach verstößt die hier gegenständliche Erteilung eines „Folgerezeptes“ für das verschreibungspflichtige Medikament „C.“ gegen die ärztliche Sorgfalt, weil nicht sichergestellt ist, dass der Zweck der Verschreibungspflicht gewahrt wird. Insoweit kann bei einem Folgerezept zwar auch eine telefonische Rezeptanforderung ausreichen. Jedoch ist es hierbei notwendig, dass der das Rezept ausstellende Arzt den Patienten bereits zuvor behandelt hat und daher über seinen Gesundheitszustand und die Notwendigkeit der Verordnung dieses Arzneimittels orientiert ist. Der Arzt muss auch bei Folgeverordnungen in gewissen Abständen bestimmte Untersuchungen des Patienten veranlassen, wie etwa beim antragsgegenständlichen Medikament „C.“ Blutdruckmessungen. Gegen diese zutreffenden landgerichtlichen Wertungen bringt die Berufung der Beklagten spezifiziert nichts vor.

bb. Es liegt eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG vor, da sich in der vorgenannten Konstellation der Arzt nicht allein von medizinischen Erwägungen mit Blick auf das Patientenwohl, sondern von sachfremden wirtschaftlichen Eigeninteressen leiten lässt. Regelungen, die dieser Gefahr vorbeugen, sind Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.132 m.w.N.)

cc. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung geltend macht, sie könne nicht gegen ärztliche Berufspflichten verstoßen, weil sie den Arztberuf nicht ausübe und lediglich eine Softwareplattform betreibe, so steht dies ihrer Passivlegitimation nicht entgegen. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte im Hinblick auf den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch unmittelbar verantwortlich ist, indem sie in Kenntnis des Sachverhalts das antragsgegenständliche Geschäftsmodell über ihre Internetpräsenz angeboten und verbreitet hat. Auch wer selbst nicht Normadressat ist, aber gesetzesunterworfene Dritte dazu anstiftet oder sie dabei unterstützt, gegen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG zu verstoßen, um damit den Absatz seines eigenen Unternehmens zu fördern (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG), handelt unlauter i.S.v. § 3a UWG (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.50 m.w.N.). Insoweit ist Vorsatz erforderlich (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.50 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagten ist zumindest bedingter Vorsatz anzulasten.

d. Entgegen dem Einwand der Berufung liegt in der antragsgegenständlichen Konstellation auch ein Verstoß gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen nach § 9 HWG vor und es besteht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 8, 3a UWG, 9 HWG.

aa. Die Regelung des § 9 HWG ist dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln i.S.v. § 3a UWG (Senat GRUR-RS 2020, 37127 Rn. 34 - Online-Erkältungsdiagnose; BGH GRUR 2022, 399 Rn. 20 – Werbung für Fernbehandlung).

bb. Nach § 9 Satz 1 HWG ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden unzulässig, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Gem. § 9 Satz 2 HWG ist Satz 1 nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Dass die Ausstellung des Folgerezepts in der antragsgegenständlichen Konstellation eine Fernbehandlung i.S.v. § 9 Satz 1 HWG darstellt, nimmt auch die Beklagte nicht in Abrede. Eine persönliche Wahrnehmung des Patienten durch den behandelnden Arzt erfolgt nicht, weil eine solche nur dann vorliegt, wenn die bei gleichzeitiger physischer Präsenz von Arzt und Patient in einem Raum möglichen ärztlichen Untersuchungsmethoden angewandt werden können (vgl. BGH GRUR 2022, 399 Rn. 29 – Werbung für Fernbehandlung). Dies ist unstreitig vorliegend nicht der Fall.

cc. Entgegen der Ansicht der Beklagten greift im Streitfall der Ausnahmetatbestand von § 9 Satz 2 HWG nicht ein.

Dass in der antragsgegenständlichen Konstellation die Ausstellung eines Folgerezepts für „C.“ dem allgemeinen fachlichen Standard i.S.v. § 630a BGB entspricht, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch im Berufungsverfahren schon nicht dargetan (vgl. zur Beweislast: BGH GRUR 2022, 399 Rn. 65 - Werbung für Fernbehandlung; OLG Köln GRUR 2022, 1353 Rn. 41ff.).

Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe das Mittel „C.“ aus dem Programm genommen, so führt diese Änderung der tatsächlichen Verhältnisse entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr. Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügen weder der bloße Wegfall der Störung noch die Zusage des Verletzers, von Wiederholungen künftig Abstand zu nehmen (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.49). Die Wiederholungsgefahr wird auch nicht dadurch beseitigt, dass der Gläubiger - wie hier - bereits eine gleichlautende einstweilige Verfügung erwirkt hat, solange der Schuldner nicht eine durch Vertragsstrafe gesicherte Unterlassungserklärung oder eine Abschlusserklärung abgegeben hat (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.49). Generell gilt, dass eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse die Wiederholungsgefahr nicht berührt, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.51). Demgemäß ist der Umstand, dass die Beklagte - wie sie unwidersprochen behauptet - inzwischen „C.“ aus dem Programm genommen habe, nicht relevant, da die Beklagte einen entsprechenden Rezept-Service - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - jederzeit wieder anbieten könnte. Antragsgegenständlich ist das verschreibungspflichtige Medikament „C.“, so dass die Beklagte insoweit ein Handeln nach „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ darlegen und beweisen muss, woran es fehlt. Die Ausführungen der Berufung zu „Alltagskrankheiten“ sind für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz.

e. Offenbleiben kann, ob nach dem Vorgenannten auch ein Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt i.S.v. § 3 Abs. 2 UWG vorliegt und sich auch aus diesem Gesichtspunkt ein klägerischer Unterlassungsanspruch ergibt.

Nach § 3 Abs. 2 UWG sind geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Im Hinblick auf den vorliegenden Streitgegenstand liegt - wie ausgeführt - sowohl ein Verstoß gegen ärztliche Berufspflichten als auch gegen § 9 HWG vor. Von der Beklagten als Unternehmerin wird i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG erwartet, dass sie einen bestimmten „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt“ in ihrem „Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern“ einhält (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3 Rn. 3.21). Bezogen auf den hiesigen Streitgegenstand hat die Beklagte der ihr obliegenden unternehmerischen Sorgfalt nicht genügt.

f. Soweit die Beklagte einwendet, sie treffe keine Verantwortung (mehr), weil sie die streitgegenständlichen Internetseiten bereits im Dezember 2021 auf eine pakistanische Firma übertragen habe, so bleibt auch dieser Einwand ohne Erfolg. Es handelt sich um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die nicht zu einem Wegfall der durch den Verstoß im November 2021 gegenüber der Beklagten begründeten Wiederholungsgefahr führt. Denn es ist nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine (Wieder-)Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch die Beklagte beseitigt worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte den gegenständlichen Rezept-Service in Zukunft wiederaufnehmen wird. Vielmehr muss jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt worden sein (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.51). Dies lässt sich vorliegend - ohne Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung bzw. ohne Abgabe einer Abschlusserklärung - nicht feststellen. Demnach fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

g. Der Abmahnkostenerstattungsanspruch ergibt sich - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - aus § 13 Abs. 3 UWG und der darauf bezogene Zinsanspruch aus §§ 286, 288, 291 BGB. Hiergegen bringt die Berufung der Beklagten auch spezifiziert nichts vor.


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OLG Hamburg: Keine wettbewerbsrechtliche Haftung eines Unternehmens nach § 8 Abs. 2 UWG für rein private Äußerungen eines Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk

OLG Hamburg
Urteil vom 31.08.2023
5 U 27/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Unternehmen nicht gemäß § 8 Abs. 2 UWG nach den Grundsätzen der Beauftragtenhaftung für rein private Äußerungen eines Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk haftet.

Aus den Entscheidungsgründen:
a. Die Klägerin zu 1) ist als Mitbewerberin der Beklagten grundsätzlich aktivlegitimiert, ihr steht aber kein Anspruch nach §§ 4 Nr. 1 und/oder Nr. 2, 8 Abs. 2 UWG zu. Die streitgegenständliche Äußerung des Mitarbeiters der Beklagten führt nicht dazu, dass der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte ein solcher Anspruch zusteht.

Randnummer42
aa. Es fehlt bereits an einer wettbewerbswidrigen Handlung des Herrn J., die der Beklagten gem. § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet werden könnte. Werden Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind gem. § 8 Abs. 2 UWG der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Voraussetzung einer Haftung des Unternehmens ist hiernach, dass der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst eine Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften begangen hat (arg. „auch“). § 8 Abs. 2 UWG greift also nicht ein, wenn der Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten (z.B. wegen Fehlens einer geschäftlichen Handlung oder wegen zulässiger Abwehr) nicht entstanden ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2014, 270, 271; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. § 8 Rn. 2.38). Darauf, ob der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG n.F./§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG a.F. ist, kommt es aber für § 8 Abs. 2 UWG nicht an(vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 2 Rn. 8.9).

Die angegriffene Äußerung „Die B. Brüder haben wegen diesen und einigen anderen Methoden bereits einige Strafverfahren bekommen“ stellt eine unwahre Tatsachenbehauptung über Mitglieder der Unternehmensleitung der Klägerin zu 1) dar. Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und damit dem Beweis zugänglich sind (Eisele/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 186 Rn. 3 m.w.N.). Entgegen der seitens der Beklagten geäußerten Ansicht hat Herr J. nicht lediglich den Tenor der kritischen Berichterstattung über die Tätigkeit der „B.-Brüder“ wertend wiedergegeben. Ob Strafverfahren eingeleitet wurden, stellt vielmehr einen dem Beweis zugänglichen Vorgang dar. Auch in der Laiensphäre und Alltagssprache ist mit dem Begriff des Strafverfahrens ein Verfahren der Strafverfolgungsbehörden und/oder Strafgerichte gemeint. Die Äußerung, die „B.-Brüder“ hätten Strafverfahren „bekommen“, bringt die Einleitung solcher Verfahren zum Ausdruck. Ob die weiteren Voraussetzungen der § 4 Nr. 1 und/oder Nr. 2 UWG erfüllt sind, kann offenbleiben.

Vorliegend ist eine geschäftliche Handlung des Herrn J. nicht festzustellen. Sowohl § 4 Nr. 1 UWG als auch § 4 Nr. 2 UWG setzen eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F./§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. voraus (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 4 Rn. 1.10 und 2.11). Hiernach ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Das Merkmal des objektiven Zusammenhangs ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 17 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; BGH GRUR 2015, 694 Rn. 21 – Bezugsquellen für Bachblüten; BGH GRUR 2019, 1202 Rn. 13 – Identitätsdiebstahl; BGH GRUR 2020, 886 Rn. 32 – Preisänderungsregelung; BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 30 – Influencer I). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zu Verbrauchern, sondern auch zu Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 19 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.55). Es besteht keine Vermutung, dass die Handlung eines Unternehmers, die in den Bereich seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit fällt, mit der Förderung des Absatzes des eigenen Unternehmens oder gar der Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens objektiv zusammenhängt. Die Frage, ob eine Handlung vorrangig der Förderung des eigenen oder fremden Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder aber anderen Zielen dient, ist vielmehr aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32, 68 – Influencer I). Die objektive Eignung zur Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ist für die Annahme einer geschäftlichen Handlung relevant (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 20 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (364)), aber nicht in jedem Fall ausreichend (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2023, 139 Rn. 37; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.48). Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn die Handlung bei der gebotenen objektiven Betrachtung vorrangig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. BGH GRUR 2015, 694 Rn. 22 – Bezugsquellen für Bachblüten; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (364)). Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen, unterfallen demnach nicht dem UWG (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 31 – Influencer I; BGH GRUR 2016, 710 Rn. 12 – Im Immobiliensumpf; BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 27.7.2021 – 6 W 64/21, GRUR-RS 2021, 21101 Rn. 7 ff.). Das Verfolgen solcher, etwa weltanschaulicher, Ziele schließt allerdings nicht aus, dass die Handlung gleichzeitig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs dient. Ist auf Grund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls bei objektiver Betrachtung vorrangig ein solches Ziel anzunehmen, so liegt eine geschäftliche Handlung vor (BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten). Das Handeln Privater stellt jedenfalls dann keine geschäftliche Handlung dar, wenn es bei objektiver Betrachtung nicht vorrangig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.65; Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 38). Insoweit ist zwar die aus den äußeren Umständen zu erschließende Zielrichtung des Handelnden von Bedeutung (vgl. Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 47). Auf die (tatsächlichen) Vorstellungen der Beteiligten kommt es aber nicht an (vgl. Alexander in BeckOK UWG, 20. Ed., § 2 Rn. 141). Es ist danach zu fragen, ob sich die handelnde Person aus der Sicht eines objektiven Betrachters als Privatperson zu einem Geschehen äußert oder zugleich geschäftliche Zwecke verfolgt (vgl. Alexander in BeckOK UWG, 20. Ed., § 2 Rn. 143).Bei Mitarbeitern eines Unternehmens ist ein Handeln zugunsten eines fremden Unternehmens jedenfalls – aber nicht nur – anzunehmen, wenn sie im Namen oder Auftrag des anderen Unternehmers tätig werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (365)). Hierfür ist es nicht erforderlich, dass ihnen eine für das Unternehmen bedeutsame Funktion zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen wurde und sie das Unternehmen gewissermaßen „repräsentieren“. Es reicht vielmehr aus, dass sie nach außen als Vertreter oder Beauftragte in Erscheinung treten (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58).

Bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände war die Äußerung des Herrn J. nicht darauf gerichtet, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Aus Sicht eines objektiven Betrachters handelte es sich um eine rein private Äußerung des Herrn J., die allein privaten Zwecken diente. Die streitgegenständliche Äußerung erfolgte als Kommentar zu einer Nachricht von Herrn B. R., die wiederum einen Kommentar zu einer Äußerung des Herrn A. K. darstellte. Unabhängig davon, ob diese Facebook-Kommunikation öffentlich zugänglich war, war die Kommunikation privater Natur. Im nach § 314 ZPO zugrunde zu legenden Tatbestand des angegriffenen Urteils des Landgerichts heißt es, dass es sich bei Herrn K. um einen privaten Facebook-Kontakt von Herrn J. handelte. Der von der Klägerseite als Anlage K 7 (erste Seite) eingereichte Screenshot weist den dort dargestellten Facebook-Account des Herrn J. als einen jedenfalls vorrangig privat genutzten Account aus. Anders als primär beruflich genutzte Netzwerke (wie etwa „Xing“, vgl. Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 4 UWG Rn. 5) kann Facebook sowohl für private als auch für geschäftliche Zwecke genutzt werden. Dass der aus dem Screenshot ersichtliche Facebook-Account jedenfalls vorrangig für private Zwecke genutzt wurde, wird durch das Hochzeitsbild auf der Seite deutlich, das zugleich das Profilbild des Herrn J. darstellte. Auch die weiteren Fotos (Personenfoto und zwei Fotos von Schuhen) weisen keinen erkennbaren Zusammenhang zum Beruf des Herrn J. auf, sondern sprechen für eine jedenfalls vorrangige private Nutzung. Allein daraus, dass im „Steckbrief“ die Stationen des beruflichen Werdegangs dargestellt werden (und dort u.a. aufgeführt ist, dass Herr J. derzeit Sales manager bei Intomarkets ist) und die Seite die Information enthält, dass Herr J. aufgehört hat, bei „Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven“ zu arbeiten, folgt nicht, dass es sich um einen geschäftlich genutzten Account handelt. Gleiches gilt für den klägerseitig vorgetragenen Umstand, dass das Profil von Herrn J. nicht auf „privat“ geschaltet, sondern für jedermann zugänglich gewesen sei. Herr J. trat bei seiner Äußerung auch nicht als Vertreter oder Beauftragter der Beklagten in Erscheinung. Die Beklagte wird in dem streitgegenständlichen Kommentar nicht erwähnt. Auch wenn – was die Beklagte bestreitet – der klägerseitig als Anlage K 7 (erste Seite) eingereichte Screenshot das zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Äußerung abrufbare Facebook-Profil des Herrn J. zeigen sollte und der Betrachter, der den Kommentar im Profil des Herrn K. sah, mit einem Klick auf dieses Profil des Herrn J. hätte gelangen können, folgt daraus, dass im jedenfalls überwiegend privat genutzten Facebook-Profil des Herrn J. seine berufliche Tätigkeit für Intomarkets genannt wird, bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände nicht der Eindruck, dass Herr J. bei seiner Äußerung im Facebook-Profil des Herrn K. in Vertretung oder im Auftrag der Beklagten oder auch nur ohne Auftrag zugunsten der Beklagten handelte. Die Äußerung über Konkurrenzunternehmen in Kommentaren im Facebook-Profil eines Dritten gehört auch nicht zum typischen Aufgabenkreis eines Sales Managers, so dass offenbleiben kann, ob ein Handeln zur Förderung eines fremden Unternehmens zu vermuten ist, wenn die fragliche Handlung in den Aufgabenkreis der handelnden Person fällt (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58).Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. darauf gerichtet war zu verhindern, dass die Klägerin zu 1) der Konkurrenz Kunden streitig macht (im Unterschied zu OLG Hamm MMR 2008, 757 zum Blog-Eintrag eines Mitarbeiters (auf der Basis der alten Rechtslage)).Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. im Auftrag oder zumindest mit Einverständnis der Beklagten erfolgte. Daraus, dass Herr J. selbst keine unmittelbaren Vorteile aus der Kundgabe der streitgegenständlichen Äußerung ziehen kann, die Beklagte hingegen schon, kann dies entgegen dem klägerischen Vortrag nicht hergeleitet werden. Die Feststellung des Landgerichts, dass die Kläger keine ausdrückliche Anweisung vorgetragen haben, greift die Klägerseite mit ihrer Berufung nicht an.

Eine geschäftliche Handlung des Herrn J. folgt auch nicht aus dessen wirtschaftlichen Interessen. Zwar stellt es ein maßgebliches Indiz für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung dar, dass ein wirtschaftliches Interesse des Handelnden an einer Beeinflussung der Verbraucherentscheidung besteht. Lässt sich dies nicht nachweisen, kommt es auf den Inhalt der Äußerung und der Begleitumstände an (BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.54). Ein Indiz für eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens kann auch darin liegen, dass zu diesem eine geschäftliche Beziehung besteht (vgl. BGH GRUR 2021, 497 Rn. 25 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen). Vorliegend hat Herr J. als Mitarbeiter der Beklagten zwar ein mittelbares wirtschaftliches Interesse an einer Beeinflussung von Abnehmerentscheidungen im Bereich der Unternehmensberatung. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32 – Influencer I) reicht dies aber nicht aus, um von einer geschäftlichen Handlung des Herrn J. auszugehen. Zu berücksichtigen ist auch insoweit, dass die Äußerung des Herrn J. in Reaktion auf die Äußerung eines privaten Facebook-Kontakts erfolgte. Anlass war die Verärgerung des Herrn K. über das „Vollspammen“ mit Standard-Nachrichten, das er, Herr K., „echt wieder anstrengend“ finde, und die Verärgerung von Herrn K. über denjenigen, der so etwas „Leuten beibringt“. Hierbei handelt es sich um eine private Äußerung über bestimmte Geschäftspraktiken, die offenkundig durch den zunehmenden Erhalt von als „Spam“ beurteilten Nachrichten veranlasst war. Ein anderer Diskussionsteilnehmer hat dann den Namen der „B…“ ins Gespräch eingebracht, woraufhin die streitgegenständliche Äußerung von Herrn J. erfolgte. Herr J. hat sich damit, wie ausgeführt, als Privatperson an einer Diskussion über bestimmte Geschäfts- und Werbepraktiken beteiligt und die anderen Beteiligten dabei in ihrer Eigenschaft als Teilnehmer dieser Diskussion und nicht als Abnehmer von Unternehmensberatungs-/Coaching-Leistungen angesprochen, zumal die Klägerin zu 1), wie von der Klägerseite vorgetragen, ausschließlich Verträge mit Unternehmern und Unternehmen schließt. Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. darauf gerichtet war, die geschäftliche Entscheidung Dritter, die diese Diskussion auf Facebook lesen konnten, zu beeinflussen. Auch wenn das Profil von Herrn K. öffentlich zugänglich gewesen sein sollte, würde in der Gesamtbetrachtung aus dem Umstand, dass der privat veranlasste Kommentar des Herrn J. in einem öffentlich zugänglichen Profil eines Dritten erfolgt ist, eine solche Zweckrichtung nicht folgen.

Angesichts der genannten Umstände der Äußerung ist aus der Sicht eines objektiven Betrachters auch daraus, dass Herr J. in seiner Äußerung gegenüber den „B.-Brüdern“ und ihren Geschäftspraktiken schwerwiegende und objektiv unzutreffende Vorwürfe erhebt, nicht auf das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung zu schließen. Auch dass Herr J. mit der Klägerin zu 1) und ihren Geschäftsführern nicht in Kontakt gestanden hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn Herr J. die Klägerin zu 1) nur als Konkurrentin seines Arbeitgebers kannte, erfolgte die Äußerung vorliegend aus Sicht eines objektiven Betrachters aus privatem Anlass und mit rein privater Zielrichtung, nämlich als private Teilnahme an einer Diskussion über bestimmte Geschäftspraktiken.

Auf die subjektive Sicht des Herrn J. kommt es nicht an, eine Förderungsabsicht (vgl. OLG Hamm MMR 2008, 757 zu einem Blog-Eintrag eines Mitarbeiters) ist nach der maßgeblichen Fassung des § 2 UWG nicht (mehr) entscheidend (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32 – Influencer I). Dem erstmals in der Berufungsinstanz von der Klägerseite angebotenen Zeugenbeweis – Vernehmung des Herrn J. – ist daher nicht nachzugehen. Zudem hat die Klägerseite in der Berufungsbegründung nicht dargelegt, warum sie den Zeugen erst in der Berufungsinstanz benannt hat, sodass der Berücksichtigung § 531 Abs. 2 ZPO entgegensteht.Wird ein neues Beweismittel in der Berufungsinstanz eingeführt, muss in der Berufungsbegründung dargelegt werden, weshalb das neue Beweismittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist (BGH Beschl. v. 13.12.2006 – IV ZR 180/04, BeckRS 2007, 402 Rn. 6).

bb. Eine Zurechnung der streitgegenständlichen Äußerung zur Beklagten erfolgt auch deshalb nicht, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 UWG nicht erfüllt sind. Die Haftung des Unternehmers nach dieser Vorschrift rechtfertigt sich daraus, dass er durch den Einsatz von Mitarbeitern und Beauftragten seinen Geschäftskreis erweitert und damit zugleich das Risiko von Zuwiderhandlungen innerhalb seines Unternehmens schafft. Da er die Vorteile der arbeitsteiligen Organisation in Anspruch nimmt, soll er auch die damit verbundenen und in gewisser Weise auch beherrschbaren Risiken tragen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.33 m.w.N.). Die Bestimmung in § 8 Abs. 2 UWG regelt den Unterlassungsanspruch gegen den Unternehmensinhaber bei Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter und Beauftragten im Sinne einer Erfolgshaftung ohne jegliche Entlastungsmöglichkeit (vgl. BGH NJOZ 2013, 863 Rn. 9).

Vorliegend wurde eine – aus den genannten Gründen bereits nicht vorliegende – Zuwiderhandlung nicht „in einem Unternehmen“ begangen. Es ist eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „in einem Unternehmen“ vorzunehmen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.34). Dass die Zuwiderhandlung „in einem Unternehmen“ begangen sein muss, ist nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen. Es muss ein innerer Zusammenhang mit dem Unternehmen bestehen (BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion; vgl. auch OLG Stuttgart Urt. v. 17.3.2022 – 2 U 272/21, GRUR-RS 2022, 5315 Rn. 6 ff.; OLG Hamm MMR 2008, 757, 758; Fritzsche in MüKoUWG, 3. Aufl., § 8 Rn. 376). Daher ist es weder erforderlich noch ausreichend, dass die Handlung in den Räumlichkeiten des Unternehmens vorgenommen wurde (BGH GRUR 1963, 438 (439) – Fotorabatt). Unerheblich ist auch, dass der Mitarbeiter ohne Wissen oder sogar gegen eine Weisung des Unternehmers handelte oder seinen Auftrag überschritt (vgl. BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion; zu § 14 Abs. 7 MarkenG: BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 21 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2018, 924 Rn. 62 – ORTLIEB) oder sich über vertragliche Einschränkungen seiner Befugnisse hinwegsetzte (vgl. BGH NJOZ 2013, 863 Rn. 8; Senat Beschl. v. 19.07.2021 – 5 U 56/20, GRUR-RS 2021, 31135 Rn. 15). Maßgebend ist allein, dass der Zuwiderhandelnde nicht für einen Dritten oder zu privaten Zwecken, sondern in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmers tätig wurde, die Handlung also in den Geschäftskreis oder die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers fiel und diesem zugutekommen sollte. Keine Zurechnung findet folglich statt, wenn Mitarbeiter oder Beauftragte die geschäftlichen Einrichtungen ausschließlich für private Zwecke missbrauchen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.). Wird der Beauftragte auch für Dritte oder für sein eigenes Unternehmen tätig, haftet der Auftraggeber nur für solche Handlungen, die dem Geschäftsbereich des Auftragsverhältnisses zuzurechnen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich des Beauftragten beschränkt ist und der Auftraggeber nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte auch anderweitig für ihn tätig wird. Denn nur in diesem Umfang ist das Risiko für ihn beherrschbar (vgl. zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; vgl. auch Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.).

Für rein private Handlungen seiner Mitarbeiter haftet der Unternehmensinhaber wettbewerbsrechtlich nicht (vgl. BGH GRUR 2007, 994 Rn. 19 – Gefälligkeit; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, Zweiter Teil Wettbewerbsrecht des Internets (S 12) Rn. 306b; vgl. auch zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2009, 597 Rn. 15 – Halzband). Rein private Äußerungen eines Mitarbeiters fallen nicht unter § 8 Abs. 2 UWG (vgl. Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn. 727).

Wie ausgeführt, ist bei einer objektiven Betrachtung von einer rein privaten Äußerung des Herrn J. auszugehen. Dem erstmals in der Berufungsinstanz von der Klägerseite angebotenen Zeugenbeweis ist, wie ausgeführt, nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht nachzugehen. Ein Arbeitgeber muss nicht damit rechnen, dass sich ein Mitarbeiter in einer privaten Kommunikation in sozialen Medien wie geschehen äußert. Ein solches Geschehen ist für den Arbeitgeber auch nicht beherrschbar.

cc) Darauf, ob der angegriffenen Äußerung neben der Behauptung, es seien Strafverfahren gegen die Kläger zu 2) und 3) geführt worden, auch die Behauptung des Herrn J. zu entnehmen ist, die Kläger zu 2) und 3) würden unerwünschte Werbung verschicken (klägerischer Antrag zu 1. b)), kommt es aus den genannten Gründen nicht mehr an.

b. Hinsichtlich der Kläger zu 2) und 3) fehlt es bereits an der erforderlichen Aktivlegitimation. Anspruchsberechtigt für den Unterlassungsanspruch ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ein Mitbewerber. Die Mitbewerbereigenschaft ist Voraussetzung der Begründetheit der Klage (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 3.8a m.w.N.). Mitbewerber ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG n.F./ § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG a.F. jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Gem. § 2 Nr. 8 UWG n.F./ § 2 Nr. 6 UWG a.F. ist „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt. Darunter sind in richtlinienkonformer Auslegung nur Personen zu verstehen, die selbst Unternehmer sind (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58). Wird das Unternehmen von einer Gesellschaft betrieben, ist als Unternehmer grundsätzlich nur die Gesellschaft als Inhaber des Unternehmens anzusehen und nicht der oder die einzelnen Gesellschafter (OLG Hamm Urt. v. 14.11.2013 – 4 U 88/13, GRUR-RS 2014, 02435; OLG Köln NZG 2011, 1320; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 3.27b). Vorliegend wird auch nicht der Aufbau eines Unternehmens durch die dahinterstehenden Personen berührt (vgl. hierzu OLG Köln NZG 2011, 1320). Die Klägerin zu 1) wurde vielmehr ausweislich der Klagschrift bereits im Jahr 2015 gegründet. Dass die Kläger zu 2) und 3) persönlich, wie in der Klagschrift ausgeführt, Unternehmensberater sind und an Branchenevents teilnehmen sowie als Vortragsredner gebucht werden, macht sie nicht zu Unternehmern i.S.d. § 2 Nr. 8 UWG n.F./ § 2 Nr. 6 UWG a.F., da sich aus dem klägerischen Vortrag nicht ergibt, dass sie diese Tätigkeiten unternehmerisch eigenständig und nicht als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) ausüben. Vielmehr heißt es im erstinstanzlichen Vortrag der Klägerseite, die Kläger zu 2) und 3) seien „in die Klägerin zu 1) eingebettete Personenmarken“ und das „Aushängeschild“ der Klägerin zu 1). Jedenfalls besteht ein auf Wettbewerbsrecht gestützter Anspruch der Kläger zu 2) und 3) gegen die Beklagte aus den hinsichtlich der Klägerin zu 1) ausgeführten Gründen nicht.


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OLG Hamburg: Werbung mit "bekannt aus" nur bei redaktioneller Berichterstattung und nicht bei bezahlter Werbung - Fundstellenangabe bzw. Verlinkung bei bekannten Medien erforderlich

OLG Hamburg
Urteil vom 21.09.2023
15 U 108/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, das die Werbung mit "bekannt aus" nur bei redaktioneller Berichterstattung und nicht bei bezahlter Werbung zulässig ist. Zudem ist eine Fundstellenangabe bzw. Verlinkung bei bekannten Medien erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger macht ausschließlich Ansprüche aus § 5a UWG geltend und nicht auch solche aus § 5 UWG. Diesem zu Protokoll gegebenen Verständnis des Senats ist er nicht entgegengetreten. Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte durch Nennung der Leitmedien eine Marktstärke suggeriert, die sie nicht innehat, und ob in den von ihr genannten Medien keine redaktionellen Berichte über sie, sondern nur geschaltete Werbeanzeigen von ihr enthalten waren. Abgesehen davon hat der Kläger dazu auch nicht schlüssig vorgetragen.

3. Dem Kläger steht der mit dem Antrag zu 1.b) geltend gemachte Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 a.F. UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 1 UWG zu.

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG kann bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige, weil unlautere geschäftliche Handlung vornimmt.

a. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Anspruch steht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Nach § 15a Abs. 1 UWG ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F., nach dem für die Klagebefugnis eine Eintragung des Verbands erforderlich ist, nicht anzuwenden auf Verfahren, welche am 01.09.2021 bereits rechtshängig sind. Der Kläger ist unstreitig ein qualifizierter Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. Die Rechtshängigkeit des hiesigen Verfahrens trat am 12.07.2021 ein (s. Bl. 24 d.A.), so dass § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. nicht anzuwenden ist und der nach altem Recht klagebefugte Kläger unabhängig von einer Eintragung bis zur Beendigung des Rechtsstreits klagebefugt bleibt (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 15a Rn. 2).

b. Die Beklagte ist passivlegitimiert. Die Internetseiten, auf denen sich die streitgegenständlichen Angaben befinden (s. Anlagen K3, K4 und K5), werden unstreitig von der Beklagten betrieben. Da die Beklagte mittels der angegriffenen Angaben ihre Dienstleistung bewirbt, handelt es sich dabei um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

c. Die Beklagte hat gegen § 5a Abs. 1 UWG verstoßen und damit eine unlautere Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG begangen, indem sie mit ihrer Bekanntheit aus konkret benannten Medien geworben hat, ohne dazu jeweils eine Fundstelle anzugeben oder zu verlinken, aus der sich eine Berichterstattung ergibt.

Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. § 5a Abs. 1 UWG ist durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht mit Wirkung ab dem 28.05.2022 neu gefasst worden. § 5a Abs. 1 n.F. UWG (hier stets: § 5a Abs. 1 UWG) entspricht im Wesentlichen § 5a Abs. 2 a.F. UWG, so dass dieselben Beurteilungsmaßstäbe für die Zeitpunkte des vorgeworfenen Verstoßes einerseits und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat andererseits gelten.Die ab dem 28.5.2022 geltende Neufassung des § 5a Abs. 1 UWG enthält zwar nicht mehr die Präzisierung „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände“. Diese Präzisierung ist aber im Wege der richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu berücksichtigen und ergibt sich mittelbar aus der Einschränkung in Nr. 1 „nach den jeweiligen Umständen“. Daher sind die zu § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 a.F. UWG entwickelten Beurteilungsmaßstäbe auch unter Geltung des § 5a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UWG anzuwenden (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a Rn. 2.47).

aa. Bei den von der Beklagten nicht angegebenen Fundstellen zu den genannten Medien handelt es sich um wesentliche Informationen im Sinne der Vorschrift. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsprechung zur Werbung mit Testergebnissen, Prüfsiegeln oder Gütezeichen auf den hier vorliegenden Fall übertragbar ist, obwohl hier nicht mit einem Qualitätsurteil eines Dritten geworben wird. Die Wesentlichkeit ergibt sich aus Folgendem:

Eine Information ist nicht allein schon deshalb wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 31, 46 – LGA tested). Den Unternehmer trifft nach § 5a Abs. 1 UWG keine allgemeine Aufklärungspflicht über Tatsachen, die für die geschäftliche Entscheidung des angesprochenen Verkehrs möglicherweise von Bedeutung sind. Er ist nicht generell verpflichtet, auch auf weniger vorteilhafte oder gar negative Eigenschaften des eigenen Angebots hinzuweisen (BGH GRUR 2022, 241 Rn. 27 – Kopplungsangebot III), sofern dies nicht zum Schutze der (z.B. Gesundheits- oder Sicherheits-) Interessen des Verbrauchers unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerlässlich ist (OLG Düsseldorf WRP 2015, 365 Rn. 39; OLG Köln GRUR-RR 2020, 438 Rn. 56 – Autositzbezüge). Die Informationspflicht reicht über das hinaus, was notwendig ist, um Fehlvorstellungen des Verbrauchers zu vermeiden (vgl. BGH GRUR 2012, 1275 Rn. 36 – Zweigstellenbriefbogen). Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderem Gewicht ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 37 – LGA tested).

Der Senat kann die Erwartung und das Verständnis des angesprochenen Verkehrskreises sowie die Wesentlichkeit der in Rede stehenden Informationen aus eigener Sachkunde feststellen, denn die Mitglieder des Senats gehören zu dem von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreis der allgemeinen Verbraucher.

(1) Der Kläger trägt vor, aus der Angabe „Bekannt aus:“ schließe der Verbraucher, dass eine redaktionelle Berichterstattung erfolgt und dass diese für die Beklagte positiv gewesen sei. Dieses Verständnis teilt der Senat, ebenso wie das Landgericht, nur zum Teil. Zwar erwartet der Verbraucher durch die Angabe „Bekannt aus:“, dass die Beklagte in den genannten Medien redaktionelle Erwähnung gefunden und nicht etwa nur bezahlte Werbeanzeigen geschaltet hat (zu letzterem noch sogleich). Die redaktionelle Erwähnung kann aber, wie das Landgericht zutreffend ausführt, auch neutraler Art sein. Denn schon der neutrale Bericht eines anerkannten Mediums wie etwa der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und damit der Umstand, dass dieses Medium auf die Dienstleistung der Beklagten aufmerksam geworden ist und sie für erwähnenswert hält, spricht für eine gewisse Bedeutung der Dienstleistung. Auch eine neutrale Berichterstattung kann deswegen für potenzielle Kunden von Bedeutung und daher – aus ihrer Sicht – Motivation der Beklagten sein, das berichtende Medium zu nennen. Der Angabe „Bekannt aus:“ ist auch ihrem Wortsinn nach nicht zwingend zu entnehmen, dass das jeweilige Medium positiv über die Beklagte berichtet hat. Zudem wäre dann ein Ausdruck wie „Empfohlen von:“ auch naheliegender, weil die Beklagte damit eine größere Werbewirkung erzielen könnte.

Soweit der Kläger für ein allein auf positive redaktionelle Berichterstattung gerichtetes Verbraucherverständnis erstmals in der Berufung die Einholung eines demoskopischen Gutachtens anbietet, ist dies zum einen nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, zum anderen ist die Beweiserhebung nicht nötig, weil der Senat – wie dargelegt – das Verkehrsverständnis selbst beurteilen und feststellen kann.

Demgegenüber versteht der angesprochene Verkehr die Angabe nicht dahingehend, dass sie sich auf eine für die Beklagte negative redaktionelle Berichterstattung bezieht. Auch daraus kann zwar eine Bekanntheit resultieren, so dass diese Variante vom reinen Wortlaut erfasst wäre. Allerdings würde die Beklagte dann im eigenen Interesse nicht damit werben, was dem angesprochenen Verkehr bewusst ist, so dass diese Verständnisvariante ausscheidet. Der Kläger hat ein solches Verkehrsverständnis auch nicht vorgetragen.

Ebenso wenig versteht der angesprochene Verkehr die Angabe (auch) dahingehend, dass die Beklagte aufgrund von in den jeweiligen Medien von ihr geschalteter Werbeanzeigen bekannt ist. Der Kläger hat vorgetragen, die Angabe werde dahingehend verstanden, dass über die Beklagte in den genannten Medien redaktionell berichtet worden sei, wohingegen die Aussage, dass in den genannten Medien Werbung geschaltet wurde, nicht erwähnenswert sei (Schriftsatz vom 21.12.2021 Seiten 16 f., s. Bl. 23 f. eA). Diesem Verständnis tritt der Senat bei. Zwar mag eine Bekanntheit auch aus der bloßen Schaltung von Werbeanzeigen resultieren und dieses Verständnis daher vom reinen Wortlaut der Angabe erfasst sein. Allerdings würde damit das Verbraucherverständnis letztlich ein unredliches, wenn nicht gar im Sinne von § 5 Abs.1 UWG irreführendes und damit unlauteres Verhalten der Beklagten zugrunde legen. Denn damit würde unterstellt, dass die Beklagte ihre Werbung bewusst auf eine Bedeutungsvariante stützt, die gegenüber der naheliegenden Bedeutungsvariante der Bekanntheit aus redaktioneller Berichterstattung nicht nur deutlich ferner liegt, sondern die auch qualitativ einen ganz erheblichen Unterschied macht, ohne dies kenntlich zu machen. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der angesprochene Verkehr der Angabe der Beklagten derart skeptisch oder gar misstrauisch gegenübertritt. Im Gegenteil hat der Kläger ein solches Verständnis selbst ausgeschlossen.

(2) Auf der Grundlage des dargelegten Verkehrsverständnisses besteht die Erwartung des angesprochenen Verkehrs, dass ihm zu den genannten Medien, auf die die Beklagte ihre Bekanntheit stützt, auch jeweils mindestens eine Fundstelle zu einer entsprechenden redaktionellen Berichterstattung angegeben wird. Denn der angesprochene Verbraucher hat ein Interesse daran, nachvollziehen zu können, aus welchem Anlass, in welcher Weise und auch wann das entsprechende Medium über die Beklagte berichtet hat. Ohne diese Informationen kann der Verbraucher die Werbeaussage der Beklagten überhaupt nicht einordnen. Während der Verbraucher etwa bei einer Werbung mit einem Testsieg bei der Stiftung Warentest auch ohne Fundstellenangabe schon eine gewissermaßen konkrete Vorstellung dahingehend hat, dass es sich um den Sieger in einem vergleichenden Test mehrerer Produkte durch eine anerkannte und neutrale Institution handelt, bleibt die hier in Rede stehende Angabe letztlich absolut vage. Ohne Fundstellenangabe lässt nicht nachvollziehen, ob über die Beklagte positiv oder neutral berichtet wurde, ob sich der Bericht allein ihr widmete oder ob sie nur am Rande eines anderen Themas Erwähnung findet, ob dem Bericht eine persönliche Erfahrung mit der Beklagten zugrunde liegt oder nicht und wie lange die Berichterstattung her ist, also welche Relevanz sie rein zeitlich noch hat. Demnach bedarf es der Fundstellenangabe, damit die Werbeangabe überhaupt eine konkrete Aussagekraft für den Verbraucher entfalten kann. Angesichts dessen und in Anbetracht der erheblichen Werbewirkung der aus Leitmedien wie den hier in Rede stehenden für sich reklamierten Bekanntheit ist die Angabe der Fundstelle neben der hier in Rede stehenden Werbung von erheblichem Gewicht für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers.

(3) Die Angabe der Fundstellen kann auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen von der Beklagten erwartet werden. Der Verbraucher hat ein erhebliches Interesse an der Angabe, um die konkrete Bedeutung der werbenden Angabe mittels einer leicht zugänglichen Fundstelle nachvollziehen zu können. Bei der anzustellenden Interessenabwägung im Einzelfall ist auch das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Information nicht zu erteilen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.12). Daher müssen der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand des Unternehmers für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange berücksichtigt werden (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 33 – LGA tested; vgl. auch BGH GRUR 2017, 1265 Rn. 24 – Preisportal). Mit der vom Kläger begehrten zusätzlichen Angabe jeweils einer Fundstelle pro Medium ist ein gewisser zeitlicher und ggf. auch kostenmäßiger Mehraufwand der Beklagten verbunden. Dieser bleibt allerdings äußerst überschaubar. Der Beklagten müssen die entsprechenden redaktionellen Berichte bereits vorliegen, bevor sie redlicherweise mit einer Angabe wie der hier angegriffenen werben kann. Angesichts dessen besteht der Mehraufwand lediglich darin, die ihr bereits bekannten Fundstellen auf ihrer Internetseite anzugeben und / oder zu verlinken. Darüber hinaus ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen, dass bzw. welche konkreten weiteren Umstände dagegen sprechen könnten, jeweils eine Fundstelle anzugeben. Da es um positive oder allenfalls neutrale Berichterstattung geht, sind keine mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile für die Beklagte ersichtlich. Schon weil sich die Werbung offenbar auf veröffentlichte Presseberichte bezieht, sind auch keine Geheimhaltungsbelange berührt.

bb. Die Beklagte hat den Verbrauchern diese wesentliche Information vorenthalten. Eine wesentliche Information wird dem Verbraucher vorenthalten, wenn sie zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder dieser sie sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann und der Verbraucher sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.26 mit Verweis u.a. auf BGH GRUR 2021, 979 Rn. 19 – Testsiegel auf Produktabbildung). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Fundstellenangaben fehlten, und sie gehören zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich der Beklagten. Da sie mit der Bekanntheit aus den genannten Medien geworben hat, müssten ihr die entsprechenden redaktionellen Berichte bereits vorliegen. Jedenfalls kann sie sich diese bzw. die Fundstellen mit zumutbarem Aufwand beschaffen.

cc. Die Fundstellenangabe wird vom Verbraucher im Sinne von § 5a Abs. 1 Nr. 1 UWG benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das selbstständig zu prüfen ist (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung). Der Durchschnittsverbraucher benötigt eine wesentliche Information dann, wenn sie voraussichtlich oder wahrscheinlich bei der Abwägung des Für und Wider seiner geschäftlichen Entscheidung zumindest eine Rolle spielen könnte, wobei die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der konkrete Inhalt der wesentlichen Information, zu betrachten sind (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.41 und 2.42). Das ist hier mangels entgegenstehenden Vortrags der Beklagten anzunehmen. Will der Unternehmer geltend machen, dass der Verbraucher – abweichend vom Regelfall – eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötige, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung). Der Unternehmer muss also Umstände darlegen, die den Schluss zulassen, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene Information ausnahmsweise nicht für eine informierte Entscheidung benötigt (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.43). Entsprechenden Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten.

dd. Auch die ebenfalls selbstständig zu prüfende geschäftliche Relevanz (s. erneut BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung) ist gegeben. Das Vorenthalten der Fundstellen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es ist zu fragen, ob der durchschnittliche Verbraucher voraussichtlich eine andere geschäftliche Entscheidung getroffen hätte, wenn er über die betreffende Information – hier die Fundstellenangabe – verfügt hätte, was im Regelfall nach der Lebenserfahrung zu bejahen ist. Das gilt insbesondere, soweit es die wesentlichen Merkmale oder den Preis der Ware oder Dienstleistung betrifft, weil sie für den Verbraucher grundsätzlich ein bestimmender Faktor für seine Entscheidung sind (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a Rn. 2.46 m.w.N.). Es kann Ausnahmefälle geben, in denen die geschäftliche Relevanz zu verneinen ist. Jedoch trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass – abweichend vom Regelfall – der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung).

Zwar geht es hier weder um direkte Angaben zu den wesentlichen Merkmalen der von der Beklagten angebotenen Dienstleistung noch um deren Preis. Auf Grundlage des zugrunde gelegten Verbraucherverständnisses (s. dazu bereits unter aa.(1)) erscheint es aber zumindest möglich, wenn nicht sogar naheliegend, dass in der jeweiligen Berichterstattung eine (positive) Bewertung der Dienstleistung der Beklagten erfolgt. Im Übrigen kann es aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bereits als Auszeichnung gelten, dass die Beklagte bzw. ihre Dienstleistung überhaupt Gegenstand der Berichterstattung von (bekannten) Medien war. In diesem Sinne hat der Kläger auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Werbung der Beklagten mit ihrer Bekanntheit aus den genannten Leitmedien erzeuge beim Verbraucher den Eindruck einer besonderen Qualität ihrer Dienstleistung. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Unter diesem Eindruck einer besonderen Qualität könnte sich der Verbraucher für einen Vertragsschluss mit der Beklagten entscheiden, was er nicht getan hätte, wenn er mithilfe der Fundstellenangabe die Berichterstattung nachvollzogen und so ggf. in Erfahrung gebracht hätte, dass dort von einer besonderen Qualität der Dienstleistung keine Rede ist. Es ist weder ersichtlich noch von der Beklagten dargelegt, dass hier ein Ausnahmefall vorliegt, in dem es an der geschäftlichen Relevanz fehlt.


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OLG Hamburg: Werbung im Bereich des Gesundheitsschutzes muss in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht besonders hohe Anforderungen erfüllen - Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter

OLG Hamburg
Urteil vom 07.09.2023
15 U 113/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Werbung im Bereich des Gesundheitsschutzes in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht besonders hohe Anforderungen erfüllen muss. Vorliegend ging es um wettbewerbswidrige Werbung für eine "innovative" Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Verfügungsgrund wird in Wettbewerbsverfahren vermutet, § 12 Abs. 1 UWG.

Die Vermutung der Dringlichkeit ist allerdings widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es ihm nicht eilig ist (st. Rspr; vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1999 – I ZB 7/99 –, Rn. 11 - Späte Urteilsbegründung). Das kann der Fall sein, wenn er mit der Rechtsverfolgung längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grobfahrlässig nicht kennt. Dabei obliegt es dem Antragsgegner, Umstände darzutun und glaubhaft zu machen, die auf eine „dringlichkeitsschädliche“ Kenntnis des Gegners schließen lassen (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer, 5. Aufl. 2021, UWG § 12 Rn. 68 m.w.N.).

Dass die Antragstellerin die hier angegriffene, konkrete Werbung in Gestalt des Pappaufstellers und der darin einliegenden Werbeflyer mit den beanstandeten Aussagen und Gestaltungen schon vor dem 28.03.2022 (vgl. eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers und Leiters der Rechtsabteilung der Antragstellerin, G.H., Anlage AS 2) gekannt haben soll, behauptet die Antragsgegnerin selbst nicht. Sie beruft sich lediglich darauf, dass Produkte mit dem neuen Filter T. bereits seit 2021 auf dem Markt seien und u.a. als „Schutz gegen HEV Blue Light“ beworben worden seien. Das genügt aber nicht, um die Dringlichkeitsvermutung für die vorliegenden Anträge zu widerlegen. Hierfür müsste es sich um kerngleiche Wettbewerbsverstöße gehandelt haben, die der Antragstellerin zur Kenntnis gelangt sind (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 12 Rn. 2.15a m.w.N.).

Die Antragsgegnerin hat keine vorangegangene Werbung präsentiert, die kerngleich mit der hier angegriffenen wäre. Die von ihr aufgezeigten früheren Werbeformate (vgl. Anlagen Sch 6 bis Sch 8, Abb. 7 bis 11 in Schutzschrift Anlage AG 1 sowie Anlagen AG 3 bis AG 8) sind nicht ansatzweise identisch oder auch nur sehr ähnlich wie die hier streitgegenständlichen. In keiner der eingereichten Werbungen werden dieselben Aussagen, etwa „Innovation“, in vergleichbarem Kontext getroffen wie vorliegend beanstandet. Dasselbe gilt für das Thema „Blue Light“ wie etwa in Anlage AG 3. Hier wird zwar mit einem „Blue Light Filter“ bzw. „Blue Light-Schutz“ geworben, die Begriffe „HEV“ oder „High Energy Visible“ fehlen indes, die für die vorliegenden Anträge wesentlich sind. Die Gesamtaufmachung ist wiederum gänzlich anders und keinesfalls kerngleich mit den vorliegenden.

Im Übrigen ist eine Kenntnis der Antragstellerin von den einzelnen Werbungen nicht glaubhaft gemacht. Hierzu hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht nicht besteht; das gilt auch in einem engen wettbewerblichen Umfeld.

In Frage kommt in Anbetracht des substanziierten Vortrags der Antragsgegnerin allerdings eine dringlichkeitsschädliche Kenntnis der Antragstellerin vom Filter T., für den die Antragsgegnerin seit längerem schon eine Schutzwirkung vor (HEV) Blue Light ausgelobt hat. Dies könnte den Verfügungsgrund für ein Verbot unter dem Aspekt „fehlende Wirksamkeit des Produktes gegen HEV Blue Light“ entfallen lassen. Hierauf kommt es indessen nicht an, weil sich die Irreführung der angegriffenen Werbung auch aus anderen Gründen ergibt, für die eine frühere Kenntnis der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht ist.

2. Der Antragstellerin steht für jeden der geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch ein Verfügungsanspruch zur Seite. Die angegriffenen Werbungen erweisen sich bei der gebotenen summarischen Prüfung als irreführend und damit unlauter im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG, so dass die Antragstellerin als Mitbewerberin Unterlassung verlangen kann, §§ 8 Abs. 1 Satz, Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch den begangenen Rechtsverstoß in Gestalt der veröffentlichten Werbung indiziert und wurde nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt.

a) aa) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht es der Antragsgegnerin untersagt, Sonnenschutzprodukte der Reihe E.T.A. unter Verwendung der Aussagen
„Innovation“
und/oder
„1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung unter 1. a) wiedergegeben (sog. Pappaufsteller). Der Anspruch folgt für beide Teile aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: die wesentlichen Merkmale der Ware, …, Vorteile, …, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, …, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse, u.a.

Für die Prüfung, ob eine Werbeangabe unwahr oder zur Täuschung geeignet ist, ist zunächst auf das Verständnis des angesprochenen Verkehrs von der Angabe abzustellen. Maßgeblich ist das Leitbild des durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Mitglieds der angesprochenen Verkehrskreise. Dieses Verständnis kann der Senat, dessen Mitglieder zum hier angesprochenen allgemeinen Verkehrskreis zählen, selbst beurteilen. Von einer Irreführung ist auszugehen, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - I ZR 96/19, Rn. 14 - LTE-Geschwindigkeit; Urteil vom 12. Mai 2022 - I ZR 203/20, Rn. 18 - Webshop Awards; Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 93/21 –, Rn. 21 - 7 x mehr). Ist, wie vorliegend, eine konkrete Verletzungsform streitgegenständlich, verbietet sich eine zergliedernde Betrachtung einzelner Elemente der Werbung. Zu würdigen ist vielmehr der Gesamteindruck der angegriffenen Werbung (BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 93/21 –, Rn. 23 – 7 x mehr; Urteil vom 18. Dezember 2014 – I ZR 129/13 –, Rn. 10 – Schlafzimmer komplett).

(1) „Innovation“

Der Senat hält das von der Antragstellerin angeführte und vom Landgericht geteilte Verständnis dieses Begriffs in der konkreten Verletzungsform für zutreffend. Beim Begriff „Innovation“ in der Werbung für ein Sonnenschutzmittel denkt der Verbraucher an eine positive, also produktverbessernde Neuerung oder Erfindung, die einen Fortschritt im Bereich Sonnenschutz mit sich bringt.

Die Antragstellerin macht hierzu geltend, das Wort „Innovation“ sei schon deshalb irreführend, weil das beworbene Produkt tatsächlich gar keine Schutzwirkung gegen HEV Blue Light entfalte, wie sie mit ihrer als Anlage AS 5 eingereichten Studie belegt habe. Dies unterstellt, wären „Innovation“, aber auch die beiden anderen zu Ziffer 1.a) des Verfügungsantrags angegriffenen Angaben „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“ und „Unser neuer Standard beim Sonnenschutz“ im konkreten Kontext unzutreffend und damit ohne Weiteres zu untersagen. Der Senat kann diesen, zwischen den Parteien heftig umstrittenen und mit diametralen Studienergebnissen untermauerten Aspekt indes offen lassen. Damit kann auch die Frage dahinstehen, ob für ein Verbot unter diesem Aspekt – (kein) Schutz vor HEV Blue Light – die erforderliche Dringlichkeit noch besteht.

Denn die Werbung mit „Innovation“ wie in der konkreten Verletzungsform geschehen ist auch unabhängig von einer evt. fehlenden Schutzwirkung gegen HEV Blue Light als irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 UWG anzusehen. Hierzu wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil, dort Seite 11, verwiesen.

Der Senat verkennt nicht, dass – eine Wirksamkeit des neuen Filters in den Sonnenschutzprodukten der Antragsgegnerin gegen HEV Blue Light unterstellt – darin tatsächlich eine Innovation im o.g. Sinne liegen kann. Denn es wäre unstreitig der erste rein organische Filter, der diesen Bereich der Sonnenstrahlen mit abdeckt. Indessen wird genau diese Tatsache dem Verbraucher in der streitgegenständlichen Werbung vorenthalten. Er erfährt von der neuartigen Filterart nichts, sondern liest zur Erklärung: „1. SONNENSCHUTZ aus der P.F. Forschung mit HEV BLUE LIGHT FILTER“. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nimmt der Verbraucher angesichts dieser Formulierung an, es handele sich um den ersten Sonnenschutz überhaupt mit HEV Blue Light Filter. Wenn er das kleingedruckte „aus der P.F. Forschung“ überhaupt wahrnimmt, wird er dies als Urheberangabe des ersten Sonnenschutzes mit HEV Blue Light Filter ansehen, also annehmen, das Haus P.F. habe einen solchen erstmals erfunden. Dies ist unstreitig falsch. Damit ist die Werbung mit „Innovation“ jedenfalls in der konkreten Verletzungsform wie beantragt zu untersagen.

Dass „Innovation“ für sich genommen zutreffend und in anderem Zusammenhang, wie etwa in Abb. 9 der Schutzschrift, zulässig sein mag, steht dem nicht entgegen. Für die Beurteilung einer konkreten Werbung gilt, wie oben ausgeführt, dass einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung nicht aus dem Zusammenhang, in dem sie stehen, gerissen und isoliert betrachtet werden dürfen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – I ZR 129/13 –, Rn. 10 – Schlafzimmer komplett). Vielmehr sind sie genau und gerade in diesem Zusammenhang zu würdigen.

(2) „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“

Auch diese Angabe ist in der konkreten Verletzungsform irreführend. Der angesprochene Verbraucher versteht die Aussage entweder wie eben dargelegt so, dass P.F. den ersten Sonnenschutz mit HEV Blue Light Filter auf dem Markt überhaupt anbietet. Dies ist unzutreffend. Oder der Verbraucher nimmt an, es sei die erste Sonnencreme bei/von P.F. mit HEV Blue Light Filter, was ebenfalls nicht richtig ist, weil auch die Antragsgegnerin unstreitig schon zuvor mineralische Filter aus Titandioxid gegen HEV Blue Light in ihren Produkten verwendet hat.

Zwar trifft es zu, dass beide Angaben – „Innovation“ und „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“ – ganz wörtlich genommen nicht falsch sind. Sie werden im konkreten Zusammenhang aber in der dargelegten Art und Weise falsch verstanden. Es ist anerkannt, dass unter Umständen auch inhaltlich zutreffende, also wahre Tatsachenbehauptungen eine Irreführungsgefahr begründen. Das ist der Fall, wenn ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der objektiv richtigen Angabe eine unrichtige Vorstellung verbindet (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – I ZR 114/20 –, Rn. 31 – Kieferorthopädie). So liegt es hier. Für den Durchschnittsverbraucher ist die Urheberschaft der Innovation – deren Inhalt ihm vorenthalten wird – nicht interessant, weil nicht von praktischer Relevanz. Interesseweckend ist hingegen die Information „Erster Sonnenschutz mit HEV Blue Light Filter“. Hierin wird der Verbraucher die „Innovation“ sehen. So verstanden ist die Werbung aber irreführend: Die Innovation liegt allenfalls in der neuen Filterart. Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter gibt es schon lange. Denkt der Verbraucher, „jetzt auch bei P.F. mit HEV Blue Light Filter“, ist dies ebenfalls unzutreffend, denn auch die Antragsgegnerin vermarktet schon länger solche Produkte. Der Senat geht davon aus, dass die Antragsgegnerin diese Fehlvorstellungen bewusst erzeugt hat und ein sehr großer Teil des angesprochenen Verkehrs ihnen unterliegt. Die im Falle wörtlich genommen richtiger Angaben vorzunehmende Interessenabwägung führt damit zu keinem anderen Ergebnis als dem vom Landgericht ausgesprochenen Verbot.

bb) Der Antragstellerin steht auch ein Anspruch auf Untersagung zu, Sonnenschutzprodukte der Reihe E.T.A. unter Verwendung der Aussage
„Unser neuer Standard beim Sonnenschutz“
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung unter 1. a) wiedergegeben (weiße Rückseite des Flyers).

Auch dieser Unterlassungsanspruch ist aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG begründet, denn die Antragstellerin hat ein rechtlich relevantes Irreführungspotenzial überzeugend dargelegt. Angesichts der Aufmachung dieser Flyerseite wird der angesprochene Verkehr im „neuen Standard“ einen Schutz gegen HEV Blue Light sehen. Dieses ist farblich hervorgehoben und wird einem Durchschnittsverbraucher – zu dessen Kreis auch die Mitglieder des entscheidenden Senats zählen – bislang nicht bekannt sein. Der Verkehr erwartet ein neues Niveau beim Sonnenschutz für das Gesicht, eine deutliche Verbesserung zu früheren Produkten, und diese liege im nunmehr vorhandenen Extra-Schutz gegen HEV Blue Light. Diese Vorstellung ist aber unzutreffend, wie bereits ausgeführt. Auch hierzu sei auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, die meint, der Verbraucher erwarte keine wesentliche Neuerung und Verbesserung beim Sonnenschutz für das Gesicht. Nichts anderes kann ein „neuer Standard“ nach allgemeinem Sprachverständnis sein. Es gilt wiederum, dass dem Verkehr egal sein dürfte, welche neuen Standards sich „das Haus P.F.“, also die Antragsgegnerin, selbst gesetzt hat. Einen reinen Eigenvergleich, betreffend nur Produkte aus dem eigenen Haus, anzunehmen erscheint fernliegend. Der Verkehr erwartet einen insgesamt neuen Standard im Vergleich zum gesamten Markt an Sonnenschutzprodukten. Diesen gibt es indessen mit dem beworbenen Produkt nicht, wie auch die Antragsgegnerin ausdrücklich nicht in Abrede nimmt. Schließlich ist davon auszugehen, dass ein Unternehmen, das mit „unser neuer Standard beim Sonnenschutz für das Gesicht“ wirbt, diesen Standard selbst gesetzt hat. Auch dies ist im Hinblick auf eine Schutzwirkung gegen HEV Blue Light, die viele Produkte seit langem bieten, nicht der Fall.

b) Auch den zu Ziffer 1. b) geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin auf Untersagung, die Schutzfunktion von Sonnenschutzprodukten gegen verschiedene Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge

„UVB UVA HEV Blue Light“

zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung in den ersten beiden Abbildungen unter 1. b) wiedergegeben, hat das Landgericht zu Recht zugesprochen.

Die Antragsmodifizierung, mit der die Antragstellerin die ursprünglich unter 1. b) fallende dritte Abbildung (Seitenansicht der Umverpackung) nun als konkrete Verletzungsform unter einen eigenen Antrag zu 1. c) gestellt hat, stellt keine inhaltliche Erweiterung oder Änderung im Sinne des § 533 ZPO dar, sondern ist als sprachliche Präzisierung des Kerns der Beanstandung dieser Werbung ohne Weiteres zulässig, § 938 Abs. 1 ZPO.

aa) Die Darstellung der verschiedenen Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge „UVB UVA HEV Blue Light“ ist, wenn sie geschieht wie in der ersten Abbildung zum Antrag 1. b) (weiße Rückseite des Flyers), unlauter. Dabei ist nicht die Reihenfolge dieser Begriffe per se verbotswürdig. Die Aufmachung der konkreten Verletzungsform, und nur diese ist streitgegenständlich, vermittelt dem angesprochenen Verbraucher einen falschen Eindruck über die Bedeutsamkeit des HEV Blue Lights.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Werbung in Apotheken platziert wurde, die der Verbraucher auf der Suche nach besonders hochwertigen und -wirksamen Sonnenschutzmitteln aufsucht und in denen er in besonderem Maße gesundheitsschützende Produkte erwartet. Durch die grafische Gestaltung der Karte, auf der sich unter der fettgedruckten Überschrift „Neuer Standard“ die farblich hervorgehobene Angabe HEV BLUE LIGHT findet, wird die Aufmerksamkeit des Betrachters sofort auf dieses gelenkt. Er wird denken, es gebe eine neue oder neu erforschte Strahlungsart oder Lichtart, gegen die man sich schützen müsse. Ein Schutz gegen diese Lichtart sei neuer Standard, also dringend anzuraten.

Dabei suggeriert die Darstellung UVB UVA HEV Blue Light, dass diese drei Strahlungsarten im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit und die Bedeutsamkeit eines Schutzes vor ihnen auf einer Stufe stehen. Die Antragsgegnerin dürfte Recht damit haben, dass Verbraucher die Reihenfolge der Strahlungslängen im Lichtspektrum der Sonne in der Regel nicht kennen. Gerade deshalb werden sie sie aber auch nicht zutreffend nach (absteigender) Gefährlichkeit „sortieren“. Vielmehr erscheint es mit dem Landgericht naheliegend, dass die Verbraucher wegen der optischen Hervorhebung in Blau dem HEV Blue Light sogar eine noch größere Gefährlichkeit zumessen als den daneben genannten UV-Strahlen. Jedenfalls werden sie auf das HEV Blue Light aufmerksam und sehen es mindestens als gleichwertig schädlich an wie UVB und UVA. Diese Einschätzung ist unzutreffend, wie nachfolgend unter cc) ausgeführt wird.

bb) Auch die andere Seite des Flyers (orange Vorderseite), wie aus der zweiten Abbildung im landgerichtlichen Tenor zu 1. b) ersichtlich, vermittelt den Eindruck einer erheblichen Bedeutsamkeit des Schutzes vor HEV Blue Light, die sachlich so nicht gerechtfertigt ist. Diese Flyerseite wird der angesprochene Apothekenkunde wie folgt verstehen: Mit dem obersten Textblock lernt er, dass 80 % der Hautalterung durch UVA-Strahlung und HEV Blue Light verursacht werden. In Ermangelung einer weiteren Aufschlüsselung der „80 %“ wird hierdurch der Eindruck erweckt, dass beide Strahlungsarten auf einer Stufe stehen. Auf der darunter stehenden Grafik zur Eindringtiefe der Strahlen wird hingegen sogar eine ansteigende Gefährlichkeit von UVB über UVA nach HEV Blue Light suggeriert. Der normale Durchschnittsverbraucher wird die bildlich dargestellte Eindringtiefe der Strahlen mit „Gefährlichkeit für die Haut“ gleichsetzen. Als medizinischer Laie nimmt er an, dass je tiefer etwas in den Körper eindringt, desto mehr wirkt es auf diesen ein und kann – im Fall von Strahlen – Schaden anrichten. Dass tatsächlich die Eindringtiefe der Strahlen umgekehrt proportional ist zum Energiegehalt und damit der Schädlichkeit für die Haut, weiß der Normalverbraucher nicht. Dieser (falsche) Eindruck wird noch verstärkt durch den rechts daneben platzierten Erklärungstext. Durch die Information

„HEV (HIGH ENERGY VISIBLE) BLUE LIGHT ist hochenergetisches sichtbares Licht und dringt tiefer in die Haut als UVB- und UVA-Strahlen“,

wird der Verbraucher davon ausgehen, dass das „hochenergetische“ sichtbare Licht noch energiereicher sei als UV-Strahlung, deshalb noch intensiver sei und noch mehr Schutz erfordere.

cc) Diese Erwartung ist sachlich falsch und die angegriffene Werbung auf beiden Flyerseiten deshalb irreführend im Sinne des § 5 UWG.

Es ist der Antragsgegnerin dabei zuzugestehen, dass ein Schutz vor Strahlung auch im Blue Light Bereich sinnvoll sein mag. Sie trägt nachvollziehbar vor, dass die im Spektrum benachbarten Lichtarten ineinander übergehen und sich z.T. auch überschneiden, so dass ein Schutz nicht an der virtuellen Wellenlängengrenze von 400 nm enden sollte. Auch ist es angesichts ihres durch Studien substanziierten Vortrags glaubhaft, dass HEV Blue Light die Bildung freier Radikale hervorrufen, zu oxidativem Stress führen und somit Hautzellen schneller altern lassen, ebenso wie einen Effekt auf die Pigmentierung bei entsprechenden Hauttypen haben kann. Grundsätzlich ist eine Werbung mit Schutz gegen HEV Blue Light daher nicht zu beanstanden (sofern das Produkt ihn denn bietet) und entsprechende Sonnenschutzmittel werden auch von anderen Wettbewerbern, u.a. der Antragstellerin selbst, vermarktet.

Die vorliegende Werbung suggeriert jedoch eine mindestens gleichwertige Gefährlichkeit des HEV Blue Light mit UVB- und UVA-Strahlen. Das ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend.

Es kann dahinstehen, ob der angesprochene Verkehrskreis das HEV Blue Light als auf einer Stufe stehend mit UV-Licht oder sogar als noch schädlicher und schutzerfordernder als dieses ansieht, was jedenfalls die zweite Abbildung nahelegt. Beide Verständnisweisen sind objektiv unrichtig, denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass HEV Blue Light in jeder Hinsicht weniger gefährlich ist als UV-Strahlung.

Es ist zunächst unstreitig und auch offenkundig, dass sonnenbedingte Hautschäden – Sonnenbrand, dadurch verursachte vorzeitige Hautalterung, Hautkrebsrisiko – in erster Linie von UV-Strahlen, und zwar in der Reihenfolge UVB-UVA ausgehen. HEV Blue Light tritt dahinter deutlich zurück. Dies hat die Antragstellerin u.a. mit dem als Anlage AS 12 eingereichten Artikel aus 2019 zum Thema „visible light“ als der aktuellen Forschung entsprechend glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin bestreitet dies nicht, sondern räumt (u.a. auf Seite 10 ihrer Schutzschrift) selbst ein, dass der UV-Anteil des Sonnenspektrums für die Haut am schädlichsten ist. Dies ist nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivortrag wissenschaftlicher Konsens. Damit ist die angegriffene Werbung, die eine mindestens gleichrangige Gefahr durch HEV Blue Light suggeriert, irreführend.

Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass bezüglich vorzeitiger Hautalterung durch Bildung freier Radikale u.a. HEV Blue Light mit UVA-Strahlung mindestens gleichauf liege, ändert dies an der Unzulässigkeit der grafischen Darstellungen nichts. Einerseits erscheint dies nach den beiderseits eingereichten Unterlagen schon nicht als überwiegend wahrscheinlich. Die Antragstellerin trägt substanziiert und nachvollziehbar vor, auch hieran habe UV-Strahlung einen weitaus größeren Anteil als Blue Light (vgl. wiederum Anlage AS 12), was der Senat angesichts der seit Jahren gesicherten Erkenntnisse zur durch Sonnenbrände bedingten vorzeitigen Hautalterung für naheliegend hält.

Andererseits kann es deshalb dahinstehen, weil die angegriffene Werbung Sonnenschutz ganz allgemein verspricht und hierbei HEV Blue Light besonders hervorhebt. Auch wenn das Wort „Hautalterung“ auf beiden Flyerseiten genannt wird, ist angesichts der Gesamtaufmachung nicht anzunehmen, dass der Verkehr die Darstellungen nur auf das Thema Hautalterung beziehen wird. Im Vordergrund der ersten Abbildung (weiße Seite des Flyers) werden optisch „NEUER STANDARD“ beim Sonnenschutz für „DAS GESICHT“ und die Strahlungsarten „UVA UVB HEV BLUE LIGHT“ hervorgehoben. Auf diese Aspekte wird der Verbraucher seine Aufmerksamkeit lenken. Auch auf der zweiten Abbildung (orange Seite des Flyers) tritt das kleingeschriebene Wort „Hautalterung“ im Vergleich zu den prominenten farbigen Gestaltungen derart in den Hintergrund, dass niemand die Informationen zum HEV Blue Light allein auf dieses Thema beziehen wird. Überdies ist im Verkehr allgemein bekannt, dass Hautalterung insbesondere eine Folge von Sonnenbränden ist, die wiederum von UV-Strahlen verursacht werden. Kaum jemand wird das Thema „Hautalterung“ von Sonnenbrand, Zellschädigungen usw. differenzieren, denn bekanntermaßen geht alles dies miteinander einher.

c) Auch der neu formulierte Antrag zu 1. c) ist begründet. Die Antragsgegnerin hat es gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG zu unterlassen, die Schutzfunktion von Sonnenschutzprodukten gegen verschiedene Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge

„UV-Breitbandschutz: UVB – UVA
HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“

zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht, wie im neuen Antrag zu 1.c) eingeblendet wiedergegeben.

Auch dieser Anspruch besteht unter dem Aspekt, dass mit dieser Reihenfolge und grafischen Darstellung auf der Umverpackung der beworbenen E.T.A. Sonnencreme dem Schutz vor HEV Blue Light eine Bedeutung zugeschrieben wird, die diesem objektiv nicht zukommt.

Während die weitaus gefährlicheren UVB- und UVA-Strahlen abgekürzt am Ende der mittleren Zeile genannt werden, wird das nach den obigen Ausführungen deutlich harmlosere blaue Tageslicht voll ausgeschrieben und im blauen Fettdruck in einer ganzen Zeile platziert: HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT. Erneut gilt, dass dem Verbraucher diese Lichtart nicht bekannt sein dürfte (oder allenfalls als blaues Bildschirmlicht). Durch die prominente Platzierung, den Fettdruck und die Worte HIGH ENERGY wird die Aufmerksamkeit auf diese Angabe gerichtet. Zwar mag es sich in der ausgeschriebenen Form um den englischen Fachbegriff dieses Lichts handeln, er wird jedenfalls vom einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs aber falsch interpretiert. „HIGH ENERGY“ verleitet in der konkreten Gestaltung zur Annahme, dass Blue Light höherenergetisch ist als UV-Licht und damit aus Laiensicht auch gefährlicher als dieses.

Hinzu kommt, dass die Kopfzeile der in Rede stehende Werbeaussage als blauer Balken ausgestaltet ist, auf den in weißen Großbuchstaben die Worte „SKIN PROTECT“ aufgedruckt sind. Indem in den darunter folgenden Textzeilen auf weißem Grund nur die Worte „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ ebenfalls ausschließlich in Großbuchstaben und zudem in demselben Blauton wie der Hintergrund der Kopfzeile gedruckt wurden, wird in der Wahrnehmung des durchschnittlichen Verbrauchers zwischen den Worten „SKIN PROTECT“ und „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ eine besonders enge Verknüpfung hergestellt. Der tatsächlich unzutreffende Eindruck, ein Schutz der Haut („SKIN PROTECT“) sei vorrangig vor „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ geboten, wird hierdurch noch einmal erheblich verstärkt.

d) Insgesamt sind die zu 1. b) und c) angegriffenen werblichen Darstellungen des HEV Blue Light in den drei konkreten Verletzungsformen zu vollmundig für seine eher nachrangige Bedeutung beim Lichtschutz. Es wird eine Relevanz dieser Lichtart vermittelt, die ihr für den Hautschutz nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zukommt. Dementsprechend benennt das wettbewerbliche Umfeld – soweit aus den von den Parteien eingereichten Abbildungen ersichtlich – es deutlich weniger drängend etwa „Blue Light“ oder „sichtbares Licht“. Der Senat verkennt nicht, dass die Nennung und Bezeichnung des HEV Blue Lights für sich genommen nicht unzutreffend ist, eine Wirksamkeit des Produktes hiergegen unterstellt. Wie oben ausgeführt, kann aber das Irreführungsverbot auch objektiv zutreffende Angaben erfassen, weil es auf das jeweilige Verständnis der Adressaten der Werbung ankommt.

Im Rahmen der in diesen Fällen vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. hierzu auch Köhler/ Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.200 ff., 1.205) ist vorliegend zu berücksichtigen, dass an die Zulässigkeit einer Werbung im Bereich Gesundheitsschutz besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Es gelten strenge Bedingungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen. Dies rechtfertigt sich durch die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirksamkeit gesundheitsbezogener Aussagen (Bornkamm/Feddersen, a.a.O. Rn. 2.215; BGH, Urt. v. 6. 2. 2013 – I ZR 62/11, Rn. 16, 17 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Das gilt auch für Kosmetikprodukte wie die streitgegenständliche Sonnencreme, die Schutzwirkung gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen der menschlichen Haut entfalten soll. Vorliegend überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin, die Produkte mit ihrem neuen Filter im Hinblick auf einen Schutz vor HEV Blue Light derart hervorgehoben zu bewerben, nicht das Interesse der Verbraucher, vor dem irregeleiteten Kauf eines Produktes geschützt zu werden, das ihnen weit weniger besonderen Nutzen bietet, als in der Werbung suggeriert wird.

e) Auch die für ein Verbot erforderliche geschäftliche Relevanz einer Irreführung, § 5 Abs. 1 UWG, liegt für alle angegriffenen Werbeformate vor. Die hervorgehobenen Werbungen mit einer (neuen) Schutzwirkung vor HEV Blue Light und deren vermeintlicher Bedeutsamkeit für den Hautschutz sind geeignet, den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamburg: Urheberrechtlicher Schutz als Werk der angewandten Kunst für Heizstrahler in Pyramidenform

OLG Hamburg
Urteil vom 30.03.2023
5 U 77/21


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Heizstrahler in Pyramidenform als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landgericht hat dem Verfügungsmuster zutreffend urheberrechtlichen Schutz zugebilligt.
aa) Im Ausgangspunkt sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens (BGH, Urteil vom 13. 11. 2013 - I ZR 143/12, GRUR 2014, 175 Rn. 26 - Geburtstagszug; Senat, Beschluss vom 14.10.2021 - 5 W 40/21, GRUR 2022, 565 Rn. 17 ff. - Grand Step Shoes; Senat, Urteil vom 25.11.2021 - 5 U 12/20, GRUR-RS 2021, 58851 Rn. 50 ff. - Leuchte Doo). Eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 15 - Geburtstagszug). Auch wenn bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst, ist bei der Beurteilung, ob ein solches Werk die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht (vgl. BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 41 - Geburtstagszug). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der sich aus dem Zusammenwirken aller wesentlichen Eigenschaften ergibt.

Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2011 - C-403, 429/08, GRUR 2012, 156 Rn. 98 – Football Association Premier League und Murphy; EuGH, Urteil vom 02.05.2012 - C-406/10, GRUR 2012, 814 Rn. 67 – SAS Institute). Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen müssen, ist der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maß die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012, 58 Rn. 25 - Seilzirkus, mwN; BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 41 - Geburtstagszug). Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt (vgl. BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 41 - Geburtstagszug).

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hat der Begriff „Werk“ zwei Bestandteile. Zum einen muss es sich um ein Original handeln, das eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers ist, und zum anderen muss eine solche Schöpfung zum Ausdruck gebracht werden (vgl. EuGH, Urteil vom 12.09.2019 - C-683/17, GRUR 2019, 1185 Rn. 29 - Cofemel/G-Star; EuGH, Urteil vom 11.06.2020 - C-833/18, GRUR 2020, 736 Rn. 22 - Brompton/Get2Get).

Was den ersten Bestandteil angeht, kann nach der Rechtsprechung des EuGH ein Gegenstand erst bzw. bereits dann als Original angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt (EuGH, GRUR 2019, 1185 Rn. 30 - Cofemel/G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 23 - Brompton/Get2Get). Wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist und folglich urheberrechtlich geschützt werden kann (vgl. EuGH, GRUR 2019, 1185 Rn. 31 - Cofemel/G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 24 - Brompton/Get2Get). Hinsichtlich des zweiten Bestandteils hat der EuGH klargestellt, dass der Begriff „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zwangsläufig einen mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand voraussetzt (EuGH, GRUR 2019, 1185 Rn. 32 - Cofemel/G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 25 - Brompton/Get2Get). Daraus ergibt sich, dass ein Gegenstand, der der Voraussetzung der Originalität genügt, auch dann urheberrechtlich geschützt sein kann, wenn seine Schaffung durch technische Erwägungen bestimmt wurde, sofern dies seinen Urheber nicht daran hindert, seine Persönlichkeit in diesem Gegenstand widerzuspiegeln, indem er freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt (EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 26 - Brompton/Get2Get).

cc) Um festzustellen, ob das betroffene Erzeugnis nach dem Urheberrecht schutzfähig ist, ist zu bestimmen, ob der Urheber des Erzeugnisses mit der Wahl von dessen Form seine schöpferische Fähigkeit in eigenständiger Weise zum Ausdruck gebracht hat, indem er freie und kreative Entscheidungen getroffen und das Erzeugnis dahin gehend gestaltet hat, dass es seine Persönlichkeit widerspiegelt (EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 34 - Brompton/Get2Get). Die Prüfung ist unter Berücksichtigung aller einschlägigen Aspekte des Ausgangsrechtsstreits durchzuführen (vgl. EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 38 - Brompton/Get2Get). Es ist die Frage zu beurteilen, von welchen Faktoren sich der Schöpfer in seiner Wahl leiten lassen hat (EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 35 - Brompton/Get2Get). Weiter ist eine differenzierte merkmalsbezogene Analyse vorzunehmen und unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände zu prüfen, welche formprägenden Merkmale technisch bedingt und welche frei wählbar sind (Senat, GRUR-RS 2021, 58851 Rn. 55 - Leuchte Doo).

dd) Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze sind hier die Voraussetzungen urheberrechtlichen Schutzes - auch bei der für Gebrauchskunst gebotenen Zurückhaltung – aus Sicht des erkennenden Senats zu bejahen. Entscheidend ist, dass trotz des zweifelsfreien Gebrauchszwecks des Heizstrahlers für den Entwerfer nicht nur hinreichende Spielräume für freie, kreative Entscheidungen bestanden, in denen sich die Persönlichkeit des Schöpfers widerspiegelt, und von diesem in individueller Weise ausgefüllt wurden, sondern auch ein erheblicher Abstand vom vorbekannten Formenschatz realisiert worden ist. Im vorliegenden Fall wird dabei eine Gestaltungshöhe erreicht, die die Gewährung von Urheberrechtsschutz rechtfertigt.

(1) Das Verfügungsmuster weist eine dreieckige - möglicherweise auch dreibeinige - Grundform auf, die pyramidenhaft nach oben hin schmaler wird und einen fließenden Übergang vom Unterteil - zur Aufnahme der nicht sichtbaren Gasflasche - ohne ein Mittelstück in die Brennkammer als Oberteil aufweist. Dabei ist das etwa ein Drittel ausmachende Unterteil geschlossen und das etwa zwei Drittel ausmachende Oberteil durch eine offene Gitterstruktur mit quer verlaufenden Gitterstäben gestaltet. Hinter dem Gitter findet sich ein senkrechtes Glasrohr, durch welches die Heizflamme geleitet wird. Oberhalb des Oberteils wird das Verfügungsmuster abgeschlossen durch einen die Grundform widerspiegelnden dreieckigen Deckel. Der Gesamteindruck des Verfügungsmusters wird durch die klare geometrische Form einer Pyramide - oder eines dreikantigen Kegels - geprägt, die einen fließenden Übergang vom Unterteil mit der Gasflasche ohne ein Mittelstück unmittelbar in die Brenneinheit aufweist und in der die Funktion der Brenneinheit mittels eines Glaskolbens für den Betrachter durch die Gitterstruktur hindurch sichtbar gemacht wird. Es wird ein Gesamteindruck einer klaren geometrischen Form aus einem Guss kreiert mit einer unterbrechungsfreien Linienführung zwischen dem Unterteil - zur Aufnahme der nicht sichtbaren Gasflasche - und der vertikal angeordneten, transparenten Brennkammer, die durchaus als minimalistisch zu bezeichnen ist und auch im ausgeschalteten Zustand eine künstlerisch ansprechende Gestaltung aufweist. Diese Gestaltung ist nicht dem Gebrauchszweck geschuldet, sondern beruht auf einer künstlerischen Idee des Schöpfers. Der Schöpfer des Verfügungsmusters hat im Rahmen des bestehenden weiten Gestaltungsspielraums seine originelle Idee zur Gestaltung eines Gas-Heizstrahlers umgesetzt.

(2) Zwar dienen wesentliche Teile der Gestaltung, insbesondere die Trennung in ein Unterteil - zur Aufnahme der Gasflasche - und in ein Oberteil - mit einer Brenneinheit - dem Gebrauchszweck eines Heizstrahlers. Daraus folgt aber nicht, dass eine persönliche geistige Schöpfung ausgeschlossen ist. Gebrauchsform und künstlerische Lösung können in einer Form verschmelzen (Senat, GRUR 2022, 565 Rn. 24 - Grand Step Shoes). Auch nach der Auffassung des EUIPO (vgl. Anlage K 26, S. 4) bestanden trotz des Gebrauchszwecks weite Auswahlmöglichkeiten an Formen, Materialien oder Verzierungen. Vorliegend hat der Schöpfer einen über die durch die Funktion vorgegebene Form hinaus bestehenden Gestaltungsspielraum individuell in origineller Weise genutzt. Denn entscheidende Merkmale des Heizstrahlers sind gerade nicht durch den Gebrauchszweck bestimmt. Vielmehr sticht die dreieckige Grundform, die pyramidenhaft ohne Unterbrechung nach oben hin schmaler wird, und der Wechsel aus geschlossenem Unterteil und vergittertem Oberteil mit dem senkrechten Glasrohr, das die Arbeit der Flammen erkennbar macht, unverwechselbar hervor. Dadurch werden Aufbau, Konstruktion und auch die Funktion des Heizstrahlers für jeden Betrachter offengelegt. Der Schöpfer hat insoweit einen Heizstrahler geschaffen, der die Brennkammer als ästhetisch ansprechendes Gestaltungselement verwendet, die dem Betrachter - anders als bei dem geschlossenen Heizpilz - das Flammenspiel zugänglich macht und dies über einen Großteil des Musters hinweg. Hierfür bestand vom Gesamteindruck her zum Zeitpunkt der Schöpfung im Jahre 2006 kein Vorbild. Gegenteiliges, nämlich dass eine Gestaltung eines Heizstrahlers mit den Formmerkmalen des Verfügungsmusters im vorbekannten Formenschatz enthalten wäre, macht auch die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg geltend. Die von ihr angeführten aktuellen Produkte lassen keinen Rückschluss auf deren Vorhandensein im Jahre 2006 zu. Dasselbe gilt für das - für nichtig erklärte - Muster gemäß Anlage AG 1 aus dem Jahr 2007. Das Verfügungsmuster mit der dreieckigen Grundform, die pyramidenhaft nach oben hin schmaler wird, und dem Wechsel aus geschlossenem Unterteil und vergittertem Oberteil mit senkrechtem Glasrohr weicht ganz erheblich von der Gestaltung gewöhnlicher „Heizpilze“ - zur Zeit der Schöpfung des Verfügungsmusters im Jahr 2006 - ab. „Heizpilze“ sind gekennzeichnet durch einen zylinderförmigen breiten Fuß, in dem sich meist die Gasflasche befindet. Darauf steht ein Rohr, an dessen oberem Ende sich der Brennkopf befindet, auf dem ein Schirm angebracht ist. Diese an die Form eines Pilzes erinnernde Gestaltung unterscheidet sich deutlich von dem hier streitgegenständlichen Heizstrahler.

(3) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sind als technisch notwendig zur Herstellung eines gasbetriebenen Heizstrahlers tatsächlich lediglich eine Gasflasche und eine damit (z.B. durch einen Schlauch) verbundene Verbrennungseinheit zur Abstrahlung der Verbrennungswärme einzustufen. Wie diese im Einzelnen angeordnet und gestaltet werden, blieb dem Schöpfer des Heizstrahlers überlassen, so dass ein weiter Gestaltungsspielraum bestand. Dass es verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung eines Heizstrahlers gibt, hat das Landgericht zutreffend auch durch das als Anlage K 25 vorgelegte Rechercheergebnis einer Google Bildersuche zu dem Begriff „Heizstrahler“ als belegt angesehen. Der Einwand der Antragsgegnerin, die vom Schöpfer gewählte Grundform sei die sicherheitstechnisch überlegene und rein technisch bedingt, verfängt schon mit Blick auf die Anlage K 25 nicht. Auch diese Übersicht enthält zweifelsohne Modelle, die Sicherheitsbedingungen in puncto Standsicherheit gerecht zu werden vermögen. Dass ein Gerät oben schmaler werden müsse, um die Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten, wird hierdurch im Zweifel widerlegt. Diese Übersicht zeigt vielmehr, dass es durchaus auch zahlreiche quaderförmige Heizstrahler gibt und somit die Form der Pyramide nicht als technische Notwendigkeit im Bereich von Heizstrahlern zu werten ist. Weder die eckige Grundform noch der pyramidenhaft nach oben hin schmaler werdende Korpus mit dem senkrechten Glasrohr hinter den querverlaufenden Gitterstäben noch der eckige Schirm am oberen Ende der Pyramide sind erkennbar technisch bedingt. Dass der Brenner eine Durchbrochenheit wegen der Luftdurchlässigkeit benötige, um die Flamme aufrechtzuerhalten, sagt noch nichts über deren Ausgestaltung. Zwar mag eine Turmstruktur bei einem Heizstrahler für den technischen Effekt der sicheren Nutzung der Heizung und der Strahlungswärmeausbreitung sinnvoll sein; zwingend ist die konkrete Ausgestaltung aber keineswegs. Auch der Umstand, dass der Sockel konstruktionsbedingt Platz für eine Gasflasche bieten müsse, sagt noch nichts über das Verhältnis von Sockel zum Rest des Musters und den Linienverlauf aus.

(4) Zwar lässt sich nach der Rechtsprechung des Senats aus einem Abstand zum Formenschatz allein noch nicht schließen, dass der Urheber bei der Erstellung „frei kreative Entscheidungen“ treffen konnte, die eine Originalität des Werkes vermitteln und die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegeln (vgl. Senat, GRUR-RS 2021, 58851 Rn. 64 - Leuchte Doo). Insoweit wären etwaige Vorgaben, Aufträge oder Aufgabenstellungen berücksichtigungsfähig, die den Gestaltungsspielraum für kreative Entscheidungen betreffend die Formgestaltung einschränken können. Dasselbe gilt, wenn es ein etwaiges Vorgängermodell gibt, um dessen Fortentwicklung es bei der Kreation lediglich ging. Denn u.a. einer objektiv vorbekannten Gestaltung kann keine schöpferische Eigentümlichkeit zuerkannt werden (vgl. Senat, GRUR-RS 2021, 58851 Rn. 66 f. - Leuchte Doo). Vorliegend sind jedoch keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die für eine solche Einengung des Gestaltungsspielraums des Schöpfers sprächen.

d) Die Antragsgegnerin hat das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht der Antragstellerin gemäß §§ 16, 17 Abs. 1 UrhG verletzt. Der angegriffene Heizstrahler übernimmt die wesentlichen Gestaltungsmerkmale des Verfügungsmusters.

aa) Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Mustern in der Grundform besteht. Denn während das Verfügungsmuster eine dreieckige Grundform hat, hat das Verletzungsmuster eine quadratische Grundform. Dies betrifft dann auch den Deckel oberhalb des Oberteils. Außerdem weist das Verletzungsmuster einen ringförmigen Wärmeabzug unter dem Dach auf, welcher bei dem Verfügungsmuster nicht vorhanden ist, und die Füße sind stärker sichtbar. Weitere Abweichungen gibt es nicht. Beide Muster haben mit Ausnahme des Grundrisses dieselben Proportionen und eine metallische Farbe des Korpus.

bb) Auch unter Berücksichtigung dieser - geringen - Abweichungen liegt eine Verletzung ohne Weiteres vor. Denn auch das Verletzungsmuster wird geprägt durch die geometrische Form einer Pyramide, die zwar in der Grundfläche über mehr Ecken als das Verfügungsmuster verfügt, nämlich vier, aber in der eben auch ohne ein Mittelteil ein Übergang vom Unterteil verjüngend in die Brennkammer des Oberteils erfolgt und in der die Funktion der Brennkammer und das Flammenspiel durch einen vertikalen Glaskolben durch das Gitter hindurch sichtbar gemacht werden. Demgegenüber treten die metallischen, besser sichtbaren Füße in den Hintergrund. Ebenfalls kein besonderes Gewicht misst der für Kunst empfängliche Betrachter dem ringförmigen Wärmeabzug unter dem Dach bei. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Verfügungsmuster eben einen erheblichen Abstand zur vorbekannten Formgestaltung von Heizstrahlern aufweist und daher keinen ganz geringen Schutzumfang beanspruchen kann. Zwar besteht ein Unterschied in der Anzahl an Ecken, nämlich vier statt drei. Bei diesem Merkmal handelt es sich indes nicht um einen Umstand, der einen anderen Gesamteindruck zu bewirken vermag. Vielmehr erzeugt auch das Verletzungsmuster den gleichen Gesamteindruck, weil der Charakter der Erscheinung hierdurch nicht verändert wird. Insoweit kommt auch der keineswegs nur unterdurchschnittliche Schutzbereich des Verfügungsmusters zum Tragen, mit der Folge, dass lediglich das Hinzufügen einer vierten Ecke bei im Übrigen gleichbleibender Gestaltung nicht aus der Verletzung herausführt (vgl. auch die designrechtliche Entscheidung des EUIPO in Anlage K 26, S. 4). Denn beide Muster teilen sich die nach oben verjüngende, metallene Gestaltung mit einem offenen Gitter, horizontalen Lamellen und einem sichtbaren Gaskolben aus Glas.

e) Die Antragsgegnerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Schrankenbestimmung der freien Benutzung berufen. Weder sind die Voraussetzungen der bis zum 07.06.2021 geltenden Regelung des § 24 Abs. 1 UrhG a.F. im Streitfall erfüllt, noch die des § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 UrhG in der seit dem 07.06.2021 geltenden Fassung (n.F.).

aa) Das Recht, das Werk zu vervielfältigen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen, erstreckt sich nicht nur auf das Original des Werkes, sondern auch auf Vervielfältigungsstücke des Werkes iSv § 16 UrhG sowie Bearbeitungen und Umgestaltungen des Werkes iSv § 23 UrhG. Dabei handelt es sich bei der Bearbeitung und Umgestaltung um besondere Fälle der Vervielfältigung des Werkes (BGH, Urteil vom 16.05.2013 - I ZR 28/12, GRUR 2014, 65 Rn. 36 - Beuys-Aktion, mwN). Das Recht, das Werk zu vervielfältigen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen, sperrt dagegen nicht freie Benutzungen des Werkes iSv § 24 Abs. 1 UrhG a.F. (BGH, GRUR 2014, 65 Rn. 37 – Beuys-Aktion, mwN). Die in freier Benutzung eines geschützten Werkes geschaffene Gestaltung ist nach § 24 Abs. 1 UrhG a.F. selbstständig, also unabhängig vom benutzten Werk. Ihre Verwertung kann nicht nach § 97 Abs. 1 UrhG untersagt werden (Senat, Urteil vom 10.6.2021 – 5 U 80/20, GRUR-RR 2022, 116 Rn. 46 - Ottifanten in the city).

bb) Für die Frage, ob die Übernahme gestalterischer Elemente eine Vervielfältigung (§ 16 UrhG), eine (unfreie) Bearbeitung (§ 23 UrhG) oder eine freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) darstellt, kommt es entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Die für eine freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG a.F. erforderliche Selbständigkeit des neuen Werkes gegenüber dem benutzten Werk setzt voraus, dass das neue Werk einen ausreichenden Abstand zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält, wobei dies nur dann der Fall ist, wenn die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes angesichts der Eigenart des neuen Werkes verblassen (Senat, GRUR-RS 2022, 9866 Rn. 53 - Metall auf Metall III; Senat, GRUR-RR 2022, 116 Rn. 47 - Ottifanten in the city). Diese Beurteilung ist von einer Feststellung der objektiven Merkmale, die die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werkes bestimmen, abhängig. Sodann ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Gestaltungen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der neuen Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werkes übernommen worden sind (Senat, GRUR-RR 2022, 116 Rn. 49 - Ottifanten in the city). Für die Rechtslage nach dem 07.06.2021 gilt in der Sache nichts anderes. Nach § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 UrhG n.F. dürfen Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes, insbesondere auch einer Melodie, nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Wahrt das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk, so liegt keine Bearbeitung oder Umgestaltung im Sinne des Satzes 1 vor. Für die Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale kann auf die zum bisherigen Recht ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.

cc) Im Streitfall rechtfertigen die Abweichungen der Gestaltung des Verletzungsmusters von derjenigen des Verfügungsmusters und die dadurch begründeten nur geringfügigen Unterschiede des Gesamteindrucks nicht die Annahme, die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes seien angesichts der Eigenart des neuen Werkes verblasst.


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LG Hamburg: Markenrechtliche Annexansprüche bei Markenrechtsverletzung durch Anhängen an fremde ASIN bei Amazon - 100.000 EURO Streitwert

LG Hamburg
Urteil vom 14.07.2022
327 O 32/19


Das LG Hamburg hat sich in dieser Entscheidung mit den markenrechtlichen Annexansprüchen bei einer Markenrechtsverletzung durch Anhängen an eine fremde ASIN bei Amazon befasst. Zudem hat das Gericht entschieden, dass bei einer Markenrechtsverletzung ein Streitwert in Höhe von 100.000 EURO angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte zeichenrechtliche Annexansprüche wegen einer aus Sicht der Klägerin erfolgten Zeichenrechtsverletzung durch die Beklagte geltend.

Die Klägerin ist im Handelsregister des Amtsgerichts S. unter ihrer aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Firma seit dem 15.06.2009 (Eintragungstag) mit dem Unternehmensgegenstand „Zoologischer Groß- und Einzelhandel, Im- und Export von Waren und Gütern aller Art, insbesondere Zoofachartikel und der An- und Verkauf von Materialien, die dem Geschäftszweck dienlich sind“ eingetragen (vgl. Anlage K 18). Sie ist ferner Inhaberin der deutschen Wort-/Bildmarke „Lyra Pet“ mit einer Priorität vom 28.09.2017 und Schutz u. a. für „Tiernahrung“ und „Vogelfutter“ in Nizza-Klasse 31 (vgl. Anlage K 1; im Folgenden die „Klagemarke“).

Die Beklagte betrieb ein Verkäuferprofil unter „amazon.de“ und erschien dort am 28.06.2018 mit dem Angebot „10 kg Sonnenblumenkerne schwarz Lyra Pet Wildvogelfutter Vogelfutter Ernte 2017“ mit dem Zusatz „von Lyra Pet“ (vgl. Anlage K 2). Jene Angebotsbezeichnung (ohne Zusatz) erschien auch als Artikelbezeichnung in einer von der Beklagten gegenüber Herrn C. K. ausgestellten Rechnung vom 29.06.2018 (vgl. Anlage K 4) für die Lieferung des aus Anlage K 5 ersichtlichen Vogelfutters.

Die Klägerin ließ die Beklagte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 04.07.2018 wegen einer nach Auffassung der Klägerin in dem Angebot der Beklagten liegenden Zeichenrechtsverletzung abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern (vgl. Anlage K 7). Mit Anwaltsschreiben vom 03.08.2018 ließ die Beklagte daraufhin gegenüber der Klägerin eine strafbewehrten Unterlassungserklärung abgeben, die die Klägerin annahm (vgl. Anlagen K 10 und K 11). Ferner leistete die Beklagte auf der Basis eines von ihr insoweit zugrunde gelegten Gegenstandswertes in Höhe von 20.000,00 € Abmahnkostenersatz in Höhe von 1.171,67 € an die Klägerin.

In den Anlagen K 16 und K 21 legt die Klägerin ihr von der Amazon Deutschland Services GmbH unter dem 14.12.2018 erteilte Drittauskünfte betreffend Angebote der Beklagten bei „amazon.de“ u. a. unter der ASIN (Amazon Standard Identification Number) des Angebots gemäß Anlage K 2 vor.

In Anlage K 6 liegt eine an die Klägerin ausgestellte Rechnung der „Internetrecherchen & Bürodienstleistungen C. K.“ vom 02.06.2018 für „Testkauf und Beweissicherungen“ „Lyra Pet Futter XL K. GmbH“ vor, aus der sich ein Bruttorechnungsbetrag i. H. v. 119,00 € (zzgl. Auslagen) ergibt.

Mit Schriftsatz vom 22.08.2019 hat die Beklagte der Klägerin im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits nach Rechtshängigkeit Auskünfte erteilt.

Die Klägerin ist der Auffassung, in dem Angebot der Beklagten gemäß Anlage K 2, das unter einer von ihr, der Klägerin, bereits am 11.05.2015 angelegten ASIN (vgl. Anlage K 23) erfolgt sei, habe eine Verletzung ihrer Marken- und Unternehmenskennzeichenrechte an der Bezeichnung „Lyra Pet“ gelegen, woraus die von ihr gegenüber der Beklagten geltend gemachten zeichenrechtlichen Ansprüche folgten. Bei dem Kauf, der Gegenstand der von der Beklagten ausgestellten Rechnung gemäß Anlage K 4 gewesen sei, habe es sich um einen von ihr, der Klägerin, beauftragten Testkauf gehandelt, für den ihr Testkaufkosten in der mit dem Tenor zu Ziff. 2 zugesprochenen Höhe entstanden seien. Der für die Berechnung der ihr, der Klägerin, für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten erwachsenen Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legende, angemessene Gegenstandswert betrage 100.000,00 €. Schließlich könne sie, die Klägerin, auch bereits jetzt - ohne Notwendigkeit der Erhebung einer Stufenklage - eine Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt verlangen, da ausweislich des Missverhältnisses zwischen der von der Amazon Deutschland Services GmbH erteilten Drittauskunft und der von der Beklagten erteilten Auskunft die Beklagte bereits einmal falsch Auskunft erteilt habe.

Die Klägerin beantragt

- zu den Ziff. 1 bis 4 des Tenors wie erkannt -

sowie, die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß [dem Tenor zu] Ziff. 3 erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt die von der Klägerin geltend gemachte Kennzeichenrechtsverletzung in Abrede. Die von der Klägerin selbst vertriebenen Waren trügen nicht „den Markennamen 'Lyra Pet'“, so dass die Klägerin bei „Eintragung“ der Klagemarke „bösgläubig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkG“ [sic] gewesen sei und mit ihrem vorliegenden zeichenrechtlichen Vorgehen gegen die Beklagte - nach u. a. OLG Köln MMR 2021, 569 f. - rechtsmissbräuchlich handele. Dass die ASIN des hier in Rede stehenden Angebots von der Klägerin und bereits im Jahre 2015 angelegt worden sei, werde vor dem Hintergrund, dass die Klagemarke erst am 31.01.2018 eingetragen worden sei, bestritten. Schließlich seien der Klägerin keine Testkaufkosten entstanden, ein Testkauf wäre ferner nicht notwendig gewesen und der von der Klägerin für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten zugrunde gelegte Gegenstandswert sei übersetzt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Y. P. sowie - gemäß Beweisbeschluss vom 07.12.2021 - die Vernehmung des Zeugen D. M. im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2021 sowie auf das Protokoll der Rechtshilfevernehmung durch das Amtsgericht B. vom 01.02.2022 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2019, vom 17.12.2020, vom 02.12.2021 und vom 09.06.2022 verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und weit überwiegend auch begründet. Im Umfang des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Beklagten gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt unterlag die Klage der Abweisung.

I. Der von der Klägerin mit der Abmahnung gemäß Anlage K 7 vorgerichtlich gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgte jedenfalls aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 Satz 1 MarkenG.

Die Beklagte hat ohne Zustimmung der Klägerin unter dem Begriff „Lyra Pet“, mithin dem Wortbestandteil der Klagemarke, Vogelfutter, für das die Klagemarke in Nizza-Klasse 31 u. a. Schutz genießt, angeboten.

Dass die Verwendung der ASIN eines Angebots, das den Wortbestandteil der Klagemarke enthält, für das Angebot von Vogelfutter, das nicht von der Klägerin stammt oder mit deren Zustimmung in den Verkehr gebracht worden ist, erforderlich gewesen wäre, ist fernliegend und von der Beklagten auch nicht dargetan worden, so dass das zeichenrechtliche Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagte auch in keiner Weise rechtmissbräuchlich ist.

Einen Rechtsmissbrauch in Form eines Behinderungswettbewerbs i. S. v. § 4 Nr. 4 UWG anzunehmen, erachtet das OLG Köln in seiner in MMR 2021, 569 f., veröffentlichten und von der Beklagten zitierten Entscheidung unter den nachfolgenden Voraussetzungen für denkbar (vgl. OLG Köln a. a. O., S. 570):

„a) Den aus einer Marke hergeleiteten Ansprüchen kann einredeweise entgegen gehalten werden, dass auf Seiten des Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als eine wettbewerbswidrige Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 4 UWG erscheinen lassen (vgl. BGH U. v. 15.10.2015 – I ZB 69/14 – GLÜCKSPILZ; U. v. 26.6.2008 – I ZR 190/05 [= MMR 2008, 777 (Ls.)] – EROS; U. v. 12.7.2007 – I ZR 148/04 – CORDARONE; Hacker, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 55). Das wettbewerbsrechtlich Unlautere kann darin liegen, dass ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Zeichenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzt (vgl. BGH U. v. 3.2.2005 – I ZR 45/03 – Russisches Schaumgebäck; OLG Frankfurt/M. U. v. 27.10.2011 – 6 U 179/10 [= MMR 2012, 183]). Der BGH hat ausdrücklich angenommen, dass bei einer böswillig angemeldeten Marke dem Unterlassungsanspruch der Einwand des § 4 Nr. 4 UWG entgegengehalten werden kann, auch wenn Löschungsansprüche nicht bestehen (vgl. BGH U. v. 15.10.2015 – I ZB 44/14 – LIQUIDROM).
[...]

aa) Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH U. v. 11.10.2017 – I ZR 210/16 [= MMR 2018, 230 m. Anm. Kiparski] – Portierungs-Auftrag; U. v. 21.2.2002 – I ZR 281/99 [= MMR 2002, 605] – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, a.a.O. – Portierungs-Auftrag; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).“

Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben: Die Beklagte hat bereits nicht dargetan, für das Angebot von Vogelfutter unter „amazon.de“ eine ASIN mit der Bezeichnung „Lyra Pet“ zu benötigen. Ferner hat die Beklagte auch in ihrer Angebotsüberschrift die Bezeichnung „Lyra Pet“ verwendet. Und schließlich hatte die Klägerin, die bereits seit dem 15.06.2009 unter ihrer aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Firma u. a. für den Unternehmensgegenstand „Zoologischer Groß- und Einzelhandel“ im Handelsregister des Amtsgerichts S. eingetragen ist, auch bereits im Jahre 2015 - also vor Eintragung der Klagemarke - ein hinreichendes Interesse an der Erstellung der hier in Rede stehenden ASIN mit der Bezeichnung „Lyra Pet“, unter der die Klägerin - wie von der insgesamt glaubwürdigen Zeugin P. glaubhaft und zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO bestätigt - seit dem 11.05.2015 Angebote eingestellt hatte.

II. Der von der Klägerin geltend gemachte Rest-Abmahnkostenersatzanspruch (Tenor zu Ziff. 1) folgt daher aus den §§ 670, 677, 683 BGB.

Der insoweit von der Klägerin zugrunde gelegte Gegenstandswert in Höhe von 100.000,00 € entspricht dem Streitwertgefüge der mit Kennzeichenstreitsachen befassten Gerichte. Im Rahmen von kennzeichenrechtlichen Unterlassungsklagen in Fällen der Verletzung sogar nur unterdurchschnittlich benutzter Marken oder geschäftlicher Bezeichnungen werden regelmäßig Streitwerte im Bereich zwischen 100.000,00 € und 150.000,00 € festgesetzt (vgl. nur Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 142 MarkenG, Rn. 10 m. w. N.).

Der von der Klägerin insoweit geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III. Auch die Testkaufkosten (Tenor zu Ziff. 2) gehören zu den der Klägerin erwachsenen - und erforderlichen - Rechtsverfolgungskosten. Nur durch den Testkauf hat die Klägerin in Erfahrung bringen können, welches Produkt die Beklagte unter dem Zeichen „Lyra Pet“ angeboten hat. Dass die Klägerin jenen Testkauf bei der „Internetrecherchen & Bürodienstleistungen C. K.“ beauftragt und diese der Klägerin den Testkauf wie aus Anlage K 6 ersichtlich auch in Rechnung gestellt hat, hat die Rechtshilfevernehmung des Zeugen M. durch das Amtsgericht B. schließlich ohne Weiteres zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO ergeben. Soweit die Beklagte bestritten hat, dass die Klägerin die Rechnung gemäß Anlage K 6 auch beglichen hat, hat sich der Freihalteanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Bezug auf jene Rechnung aufgrund der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

IV. Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch (Tenor zu Ziff. 3; analog § 319 Abs. 1 ZPO hat die Kammer das Wort „umfassenden“ in dem dahingehenden Klageantrag durch das Wort „umfassten“ ersetzt) folgt aus § 19 MarkenG. Die Klägerin kann auch seit dem 11.05.2015 Auskunft und Rechnungslegung von der Beklagten verlangen, da die Vernehmung der Zeugin P. zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 ZPO zweifelsfrei ergeben hat, dass die Klägerin bereits seit ihrer Eintragung im Handelsregister im Jahre 2009 unter ihrer Firma - und mithin ihrem Unternehmenskennzeichen „Lyra Pet“ - mit dem im Handelsregister eingetragenen Unternehmensgegenstand des „[z]oologische[n] Groß- und Einzelhandel[s]“ auch geschäftlich tätig ist und seit dem 11.05.2015 durchgängig den hier in Rede stehenden Artikel unter der hier in Rede stehenden ASIN unter „amazon.de“ im Angebot hatte.

V. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten (Tenor zu Ziff. 4) folgt aus § 14 Abs. 6 MarkenG. Die Beklagte hat insoweit jedenfalls fahrlässig gehandelt.

VI. Die Klägerin kann mit der Geltendmachung ihres Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs indes nicht zugleich die Verurteilung der Beklagten zur Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Beklagten gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 zu erteilenden Auskünfte an Eides statt verlangen. Insoweit hätte sie eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO erheben müssen.

Zwar ergeben sich aus der bereits mit der Klage eingereichten Anlage K 16, der der Klägerin von der Amazon Deutschland Services GmbH erteilten Drittauskunft, 506 Verkäufe der Beklagten unter der hier in Rede stehenden ASIN und hat die Beklagte noch im Laufe dieses Rechtsstreits lediglich 324 Verkäufe unter jener ASIN beauskunftet, so dass eine augenfällige Diskrepanz zwischen jenen Auskünften besteht. Die dahingehende Auskunft der Beklagten war jedoch ausdrücklich nur für die Jahre 2018 und 2019 erteilt worden, in der - irrigen - (Rechts-) Ansicht, allenfalls für jene Jahre Auskunft zu schulden. Dafür, dass die nunmehr gemäß dem Tenor zu Ziff. 3 verurteilte Beklagte nicht richtig und unvollständig Auskunft erteilen würde, liegen darüber hinaus keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor.


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OLG Hamburg: Verletzung der Unionsmarle "T" der Telekom durch ein aus Punkten bestehendes T-Logo für Apps von Telefonica

OLG Hamburg
Urteil vom 29.09.2022
5 U 91/21


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine Verletzung der Unionsmarle "T" der Telekom durch ein aus Punkten bestehendes T-Logo, welches von Telefonica für Apps verwendet wird, vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
"(e) Bei gesteigerter Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke Abbildung, jedenfalls geringer Zeichenähnlichkeit und Waren/Dienstleistungsidentität oder hoher Ähnlichkeit besteht auch unter Berücksichtigung einer Wechselwirkung eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr.

Beim Zeichenvergleich mit der isolierten Nutzung besteht unmittelbare markenrechtliche Verwechslungsgefahr.

Im Hinblick auf den selbständig kennzeichnenden Zeichenbestandteil Abbildung in den angegriffenen Kombinationszeichen ist von einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn auszugehen. Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn liegt vor, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (BGH GRUR 2008, 258 Rn. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect; Büscher/Kochendörfer in BeckOK UMV, Büscher/Kochendörfer, 25. Ed., Art. 8 Rn. 232). Die erforderlichen besonderen Umstände werden eher gegeben sein, wenn der betreffende Zeichenbestandteil mit der Klagemarke identisch oder ihr hochgradig ähnlich ist (Büscher/Kochendörfer in BeckOK UMV, Büscher/Kochendörfer, 25. Ed., Art. 8 Rn. 232). Besondere Umstände, aufgrund deren der Verkehr wirtschaftliche oder organisatorische Zusammenhänge annimmt, können außerdem dann vorliegen, wenn der Verkehr in der älteren Marke zugleich ein Unternehmenskennzeichen oder eine bekannte Marke erkennt (Büscher/Kochendörfer in BeckOK UMV, Büscher/Kochendörfer, 25. Ed., Art. 8 Rn. 232). Vorliegend wird wegen der Ähnlichkeit des Bestandteils Abbildung mit der älteren Marke Abbildung bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Es handelt sich – wie noch auszuführen ist – bei der älteren Marke Abbildung um eine bekannte Marke und zugleich ein Unternehmenskennzeichen. Wie auch das angegriffene Zeichen Abbildung zeigt, ist der Verkehr im maßgeblichen Telekommunikationssektor daran gewöhnt, das verschiedene Unternehmenskennzeichen in Kombination verwendet werden, um die wirtschaftliche Verbindung darzustellen. Diese Gewohnheit des Verkehrs spricht im Streitfall für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn.

Ob einzelne Waren / Dienstleistungen von einem Verbot gem. Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV auszunehmen sind, kann vorliegend offenbleiben, da – wie noch auszuführen ist – jedenfalls ein umfassender Anspruch aus Bekanntheitsschutz gem. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV besteht.

(4) Der Antragstellerin stehen die gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) verfolgten Ansprüche überwiegend wahrscheinlich aus Bekanntheitsschutz gem. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV zu, auch hinsichtlich der Anträge I.c) und I.e), die sich gegen firmenmäßige Verwendungen als Kennzeichen für ein Telekommunikationsunternehmen richten und die folgende Zeichennutzungen zum Gegenstand haben:

Abbildung, Abbildung, Abbildung, Abbildung (Antrag I.c)

Abbildung(Antrag I.e).

(a) Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV sieht einen erweiterten Schutz solcher Unionsmarken vor, die in der Union bekannt sind, sofern der Nutzende die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Hintergrund für den erweiterten Schutz des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV ist der Umstand, dass vor allem bekannten Marken ein eigener wirtschaftlicher Wert zukommt, der unabhängig von den Waren und Dienstleistungen besteht, für die sie eingetragen sind (Grundmann in BeckOK MarkenR, 30. Ed., MarkenG Art. 9 UMV Rn. 32). Schutz gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV besteht für ähnliche und unähnliche Waren und Dienstleistungen (Müller in in BeckOK UMV, Büscher/Kochendörfer, 25. Ed., Art. 9 Rn. 47). Voraussetzung für den erweiterten Schutz einer Marke insbesondere gegen die Ausnutzung der Unterscheidungskraft und Wertschätzung ist zunächst das Vorliegen einer bekannten Marke, wobei die Bekanntheit im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaates ausreichend sein kann (EuGH GRUR 2015, 1002 Rn. 19 – IRON & SMITH/UNILEVER).

Eine Marke ist bekannt, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (vgl. EuGH GRUR 2009, 1158, 1159 Rn. 24 – PAGO/Tirolmilch; BGH GRUR 2003, 428, 432 – BIG BERTHA; BGH GRUR 2014, 378, 379 Rn. 22 – OTTO CAP). Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2004, 235, 238 – Davidoff II). Maßgeblich sind bei der Prüfung dieser Voraussetzungen alle relevanten Umstände des Falls, also insbesondere der Marktanteil der älteren Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (BGH GRUR 2011, 1043, 1045 Rn. 42 – TÜV II; BGH GRUR 2014, 378, 379 Rn. 22 – OTTO CAP). Das Merkmal der „Bekanntheit“ ist nicht rein quantitativ im Sinne einer Auswertung demoskopischer Gutachten zu verstehen, sondern es umfasst auch qualitative Aspekte, wobei sämtliche Faktoren in eine wertende Gesamtbeurteilung eingehen (BGH GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder). Die Tatsachen, aus denen sich eine Bekanntheit der Marke ergibt, können allgemeinbekannt und deshalb offenkundig im Sinne des § 291 ZPO sein. Dazu zählt auch, ob die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (BGH GRUR 2014, 378 Rn. 22, 27 – OTTO CAP).

(b) Zu Recht hat das Landgericht eine Bekanntheit der Verfügungsmarke Abbildung im vorgenannten Sinn hinsichtlich des Kernbereichs der Telekommunikationsdienstleistungen und der Telekommunikationstechnologie angenommen. Angesprochener Verkehrskreis ist das allgemeine Publikum, sind also auch die Mitglieder des Senats. Eine 20jährige umfangreiche Nutzung der Verfügungsmarke (auch in abweichender Farbgestaltung) für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationstechnologie und in der Werbung ist – wie ausgeführt – im vorliegenden Verfahren dargetan, glaubhaft gemacht und auch gerichtsbekannt. Hinzu kommt ein unwidersprochen dargetaner hoher Markenwert der Marke Abbildung im Jahr 2021 als zweitwertvollste deutsche Marke mit einem Brand Value von 47,096 Mio. USD (vgl. Anlage Ast 31), der auch auf die Verfügungsmarke Abbildung einzahlt. Schließlich ergibt sich – überwiegend wahrscheinlich – eine Bekanntheit der Marke i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV auch aus der jüngsten von der Antragstellerin vorgelegten Verkehrsbefragung gem. Anlage BB 59 der Pflüger Rechtsforschung GmbH vom 03.08.2022 (Durchführung der Interviews im Juli 2022). Diese Verkehrsbefragung hat für die Verfügungsmarke im Zusammenhang mit Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation bei der Gesamtbevölkerung einen bereinigten Kennzeichnungsgrad von mehr als 80 % (89,2 %, vgl. S. 8 der Anlage BB 59) ergeben. Der erforderliche Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum, dem allgemeinen Publikum in Deutschland, ist damit für den Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen glaubhaft gemacht.

(c) Der EuGH legt bei der Beurteilung des Bekanntheitsschutzes anstelle der Verwechslungsgefahr ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der gedanklichen Verknüpfung zu Grunde (EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 36 – L’Oréal/Bellure; Mielke in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 30. Ed., § 14 Rn. 537). Danach kann ein geringerer Grad an Zeichenähnlichkeit genügen, als er für die Verwechslungsgefahr erforderlich wäre (Mielke in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 30. Ed., § 14 Rn. 537). Weiter ist eine herkunftshinweisende Zeichennutzung nicht zwingend erforderlich, wohl aber eine Benutzung, die geeignet ist, eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der bekannten Marke hervorzurufen (Mielke in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 30. Ed., § 14 Rn. 541). Demnach kann auch bei nicht markenmäßiger Benutzung, etwa einem firmenmäßigen Gebrauch wie vorliegend zum Teil angegriffen, ein Anspruch aus Bekanntheitsschutz in Betracht kommen. Zudem stimmt bei Dienstleistungskennzeichen das Zeichen in vielen Fällen mit dem Unternehmenskennzeichen überein, so dass firmenmäßige und markenmäßige Benutzung häufiger ineinander übergehen (BGH GRUR 2008, 616 Rn. 13 – AKZENTA).

Die erforderliche gedankliche Verknüpfung, die einen geringeren Grad an Zeichenähnlichkeit erfordert als die Verwechslungsgefahr, liegt hier insbesondere auch hinsichtlich der mit den Anträgen I.c) und I.e) angegriffenen Zeichennutzungen vor. Hinsichtlich der übrigen Zeichennutzungen kann auf die obigen Ausführungen zur Verwechslungsgefahr verwiesen werden. Der Verkehr nimmt eine gedankliche Verknüpfung zwischen der Verfügungsmarke auch mit den angegriffenen Zeichen

Abbildung, Abbildung, Abbildung, Abbildung (Antrag I.c) und


Abbildung(Antrag I.e) vor. Auch in den vorgenannten zusammengesetzten Zeichen nimmt das Abbildung aus den oben genannten Gründen wiederum jedenfalls eine selbständig kennzeichnende Stellung ein, wenn der Verkehr nicht sogar, was insbesondere beim Zeichen gem. Antrag I.e) naheliegt, eine Mehrfachkennzeichnung annehmen wird, bei der der Bestandteil Abbildungals eigenständiges Zeichen wahrgenommen wird. Da jedoch auch bei Annahme einer selbständig kennzeichnenden Stellung innerhalb eines Kombinationszeichens – wie ausgeführt – eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn überwiegend wahrscheinlich anzunehmen ist, kann im Streitfall die Abgrenzung zwischen einem Kombinationszeichen und einer Mehrfachkennzeichnung offenbleiben.

Randnummer211
Die im Wesentlichen dem Tatrichter obliegende Beurteilung der Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung gegeben ist, hat unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falls zu erfolgen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grads ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der Klagemarke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (BGH GRUR 2019, 165 Rn. 18 – keine-vorwerk-vertretung).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung der vorliegenden Einzelfallumstände liegt hinsichtlich aller angegriffenen Zeichennutzungen eine gedankliche Verknüpfung bei den angesprochenen Verkehrskreisen vor. Die Bekanntheit der Verfügungsmarke ist hoch. Die Parteien zählen zu den großen Telekommunikationsdienstleistern in Deutschland, was eine Nähe zwischen den Unternehmen begründet. Auch unter Berücksichtigung einer aufgrund der grafischen Unterschiede im Ergebnis als mindestens gering anzusehenden Zeichenähnlichkeit wird der Verkehr aufgrund des jedenfalls selbständig kennzeichnenden Zeichenbestandteils Abbildung und des im Kernbereich identischen Waren- und Dienstleistungsangebots eine gedankliche Verknüpfung zur Antragstellerin und deren Produkten herstellen, die über eine bloße Assoziation hinausgeht. Dies gilt hinsichtlich aller angegriffenen Zeichennutzungen, auch wenn der Grad der Nähe der fraglichen Waren und Dienstleistungen z.T. geringer ist. Denn auch dort wirken sich die hohe Bekanntheit der Verfügungsmarke und die Nähe der vorliegend gegenüberstehenden Unternehmen aus.

(d) Offenbleiben kann im Streitfall, ob eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft vorliegt, da jedenfalls eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung und Unterscheidungskraft gegeben ist.

(aa) Der Nachweis, dass die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen würde, setzt voraus, dass dargetan wird, dass sich das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, in Folge der Benutzung der jüngeren Marke geändert hat oder dass die ernsthafte Gefahr einer künftigen Änderung dieses Verhaltens besteht (EuGH GRUR 2009, 56 Rn. 77 – Intel Corporation/CPM United Kingdom). Die Anforderungen an die (potentielle) Änderung des Verbraucherverhaltens sind nach jüngster Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht hoch; die Gefahr, dass eine Marke einen Bedeutungsverlust erleidet und damit einhergehend für den Verkehr von abnehmender Relevanz ist, ist für eine solche Annahme bereits ausreichend (vgl. BGH GRUR 2020, 401 Rn. 47 – ÖKO-TEST I; Müller-Broich in Büscher/Kochendörfer, BeckOK UMV, 25. Ed., Art. 8 Rn. 521). Leidet das Ansehen der Marke, so folgt hieraus ohne Weiteres eine hinreichende Gefahr, dass Verbraucher sich bei ihrer Kaufentscheidung in abnehmendem Maße vom Logo der Klägerin beeinflussen lassen (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 47 – ÖKO-TEST I). Ob vorliegend durch die angegriffenen Zeichennutzungen ein Ansehensverlust der Verfügungsmarke zu befürchten ist, kann jedoch offenbleiben.

(bb) Denn es liegt – überwiegend wahrscheinlich – eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung und Unterscheidungskraft vor.

(i) Versucht ein Dritter, sich durch die Verwendung eines mit einer bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen, so ist der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke anzusehen (BGH GRUR 2020, 405 Rn. 58 – ÖKO-TEST II). Anders als bei der Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft kommt es bei deren Ausnutzung nicht darauf an, ob eine Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens der von der bekannten Marke angesprochenen Durchschnittsverbraucher festzustellen ist oder droht (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 393). Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer Marke wird oft mit einer Ausnutzung der Wertschätzung einhergehen, dies muss aber nicht sein (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 394). Auch ohne eine gedankliche Partizipation an etwaigen mit der Marke verbundenen Gütevorstellungen kann eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft in der Weise erfolgen, dass sich der Verletzer den Aufmerksamkeitswert der Marke zunutze machte (Aufmerksamkeitsausbeutung, vgl. BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila-Postkarte, OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26 – Küchenmaschinen-Rezepte).

Eine blickfangmäßige Zeichenverwendung, um auf die angebotenen Dienstleistungen aufmerksam zu machen, kann als Zueigenmachen der Werbe- und Kommunikationsfunktion der bekannten Marke angesehen werden, so dass sich das Verletzerzeichen in deren Sogwirkung begibt, um von dem fremden guten Ruf zugunsten des eigenen Absatzes zu profitieren (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26 – Küchenmaschinen-Rezepte).

(ii) Die vorgenannten Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Durch das vorliegend angegriffene „T-Rebranding“ und den neuen Markenauftritt soll Aufmerksamkeit auf die Dienstleistungen der Antragsgegnerinnen gezogen werden. Dass der neue Markenauftritt der Antragsgegnerinnen zu einer deutlich höheren Aufmerksamkeit mit hierdurch höheren Kaufanreizen führen wird, erscheint naheliegend. Es liegt eine blickfangmäßige Herausstellung des Abbildungvor, worin – wie ausgeführt – ein Zueigenmachen der Werbe- und Kommunikationsfunktion der bekannten Marke Abbildung zu sehen ist. Die Antragsgegnerinnen begeben sich damit in die Sogwirkung der bekannten Marke Abbildung.

(iii) Es liegt auch das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit vor. Die Unlauterkeit der Zeichenverwendung ist aufgrund aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und umso eher zu bejahen, desto höher der Bekanntheitsgrad der bekannten Marke, deren Unterscheidungskraft, Originalität und Werbewert sowie die daraus resultierenden Möglichkeiten einer Beeinträchtigung der Marke sind (Mielke in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 30. Ed., § 14 Rn. 550). Dabei ist dem Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens der Unterscheidungskraft die Unlauterkeit bereits immanent, weshalb eine Markennutzung unter Verwirklichung dieser Eingriffstatbestandsmerkmale stets als unlauter zu qualifizieren ist (BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila Postkarte). So liegt der Fall auch hier.

(e) Aus Bekanntheitsschutz besteht ein Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) gemäß Antrag I.a). Im Streitfall besteht für den Unterlassungsanspruch auch Erstbegehungsgefahr für eine markenmäßige Verwendung der Kollisionszeichen durch die Markenanmeldung. Denn die Anmeldung eines Zeichens als Marke begründet im Regelfall die Vermutung, dass eine Benutzung des Zeichens für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen (st. Rspr, vgl. BGH GRUR 2014, 382 Rn. 30 – REAL-Chips). Im Streitfall greift diese Regelvermutung ein. Gegenteilige Umstände machen die Antragsgegnerinnen nicht geltend und sind auch nicht ersichtlich. Auf eine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen kommt es für den Anspruch aus Bekanntheitsschutz – wie ausgeführt – nicht an, solange – wie hier – jeweils eine gedankliche Verknüpfung beim angesprochenen Verkehr anzunehmen ist. Einer gedanklichen Verknüpfung steht auch nicht entgegen, dass der Verkehr aufgrund einer Zeichennutzung auf der Webseite der Antragsgegnerinnen eine Verbindung zu diesen herstellt. Denn dies geht nicht über die Verknüpfung über den als Unternehmenskennzeichen erkannten Zeichenbestandteil „Telefónica“ hinaus. Die hohe Bekanntheit der Verfügungsmarke, die Nähe der gegenüberstehenden Unternehmen und die Kennzeichnungsgewohnheiten im Telekommunikationsbereich sprechen vorliegend überwiegend wahrscheinlich auch in diesen Fällen für eine gedankliche Verknüpfung beim angesprochenen Verkehr.

(f) Aus Bekanntheitsschutz besteht auch ein Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) gemäß Antrag I.b). Ein hinreichender Inlandsbezug der dem Antrag zugrunde liegenden Verletzungshandlung ist gegeben, weshalb Wiederholungsgefahr vorliegt.

(aa) Nicht jedes im Inland abrufbare Angebot für Dienstleistungen oder Waren aus dem Ausland im Internet löst bei Verwechslungsgefahr mit einem inländischen Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche aus. Erforderlich ist, dass das Angebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug („commercial effect“) aufweist (BGH MMR 2018, 306 Rn. 37 – Resistograph). Es sind im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtabwägung die Auswirkungen der Kennzeichenbenutzung auf die inländischen wirtschaftlichen Interessen des Zeicheninhabers zu berücksichtigen. Weiter ist maßgebend, ob und inwieweit die Rechtsverletzung sich als unvermeidbare Begleiterscheinung technischer oder organisatorischer Sachverhalte darstellt, auf die der in Anspruch Genommene keinen Einfluss hat, oder ob dieser etwa durch die Schaffung von Bestellmöglichkeiten aus dem Inland oder die Lieferung auch ins Inland zielgerichtet von der inländischen Erreichbarkeit profitiert (BGH MMR 2018, 306 Rn. 37 – Resistograph).

(bb) Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist die Annahme eines hinreichenden Inlandsbezugs der in Deutschland im Google Play Store abrufbaren, spanisch-sprachigen „Telefónica Check-in“-App durch das Landgericht zu Recht erfolgt. Die Antragsgegnerinnen haben unter Vorlage der als Anlage LSG 11 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung von Herrn Rafael Fernadez de Alarcón zwar geltend gemacht, die App sei ausschließlich für Hostessen in Spanien im Hinblick auf Veranstaltungen wie Messen in Spanien bestimmt gewesen. Jedoch handelte es sich – unwidersprochen – bei der Verfügbarkeit der App im deutschen Google Play Store nicht um eine unvermeidbare technische Begleiterscheinung, da aktiv die Länder ausgewählt werden müssen, in denen die App veröffentlicht werden soll. Durch diese technische Maßnahme ist von einer ursprünglich gezielten Adressierung auch des deutschen Marktes beim Angebot der Check-In App auszugehen. Dies ist vorliegend hinreichend.

(g) Aus Bekanntheitsschutz besteht auch ein Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) gemäß Antrag I.c) bis I.e). Durch entsprechend dargetane und glaubhaft gemachte Zeichennutzungen mit Inlandsbezug besteht Wiederholungsgefahr. Anspruch besteht auch gegen firmenmäßige Verwendungen, so lange – wie hier – eine gedankliche Verknüpfung vorliegt. Beim hier vorliegenden Dienstleistungskennzeichen gehen zudem – wie ausgeführt – markenmäßiger und firmenmäßiger Gebrauch ineinander über.

bbb. Gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) bestehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus der nationalen Marke 39529531 Abbildung aufgrund von Verwechslungsgefahr und aus Bekanntheitsschutz gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG.

(1) Im Bereich der Identität oder hochgradigen Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen besteht ein Anspruch aus Verwechslungsgefahr gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

(a) Die nationale Wort-Bildmarke 39529531 Abbildung ist zugunsten der Antragstellerin am 19.07.1995 angemeldet und am 04.01.1996 eingetragen worden mit Schutz für diverse Waren/Dienstleistungen in den Klassen 9, 14, 16, 18, 25, 28, 36, 37, 38, 41, 42, insbesondere für Reparatur und Installation von Einrichtungen für die Telekommunikation, Telekommunikation, Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation.

(b) Die Marke steht in Kraft. Die von den Antragsgegnerinnen erhobene Einrede der Nichtbenutzung gem. §§ 25, 26 MarkenG bleibt ohne Erfolg. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie oben zur Unionsmarke ausgeführt, insbesondere zu einer rechtserhaltenden Benutzung in abweichender Form gem. § 26 Abs. 3 MarkenG, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.

(c) Weiter besteht auch aus der nationalen Wort-Bildmarke 39529531 Abbildung – jedenfalls im Waren-/Dienstleistungsidentitätsbereich und hohen Ähnlichkeitsbereich – Verwechslungsgefahr gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Hinblick auf die gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) angegriffenen Zeichennutzungen, hinsichtlich der eine markenmäßige Verwendung beanstandet wird:

Abbildung, Abbildung, Abbildung, Abbildung(Antrag II.a).

(aa) Die Kennzeichnungskraft der nationalen Verfügungsmarke 39529531 Abbildung ist aufgrund langjähriger und umfangreicher Nutzung und Bekanntheit bei den angesprochenen Verkehrskreisen, dem allgemeinen Publikum, hoch, was den Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen und der Telekommunikationstechnologie angeht. Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke Abbildung im maßgeblichen Zeitpunkt der konkreten Kollisionslage (hier April / Mai 2021), auf den es für den Grad der Kennzeichnungskraft ankommt, ist nicht anzunehmen. Zum Grad der Kennzeichnungskraft kann insoweit vollumfänglich auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Es ergibt sich hinsichtlich der nationalen Verfügungsmarke keine abweichende Bewertung.

(bb) Es besteht zwischen der Verfügungsmarke Abbildung und den gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) angegriffenen Zeichennutzungen wiederum eine jedenfalls geringe Zeichenähnlichkeit und keine – wie die Antragsgegnerinnen geltend machen – absolute Zeichenunähnlichkeit.

Dabei kommt wiederum dem Bestandteil Abbildung in den angegriffenen Zeichennutzungen jedenfalls bei der Prüfung des Gesamteindrucks eine selbständig kennzeichnende Stellung zu, wenn es sich nicht sogar um ein eigenes Zeichen (Zweitzeichen) in einer Mehrfachkennzeichnung handelt. Im Grundsatz gelten auch hier die obigen Ausführungen. Das Bildelement – grafisch ausgestaltetes Abbildung – nimmt in den jeweils angegriffenen zusammengesetzten Zeichen eine abgesonderte Stellung ein, es ist vorangestellt neben vom Verkehr eindeutig als Unternehmenskennzeichen erkannten weiteren Zeichen (Telefónica und O2). Auch „Telefónica Deutschland“ wird vom Verkehr ohne weiteres als Unternehmensbezeichnung erkannt. Die abgesonderte Stellung neben eindeutig als solchen erkannten Unternehmenskennzeichen in der Art eines Logos führt im Streitfall zur Bejahung jedenfalls einer selbständig kennzeichnenden Stellung, wenn nicht insbesondere im Zeichen Abbildunggar zur Annahme einer Mehrfachkennzeichnung. Letztlich kann diese Abgrenzung im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren – wie ausgeführt – offenbleiben, da die Prüfung der Verwechslungsgefahr in beiden Fällen zum gleichen Ergebnis führt.

Beim Bildzeichenvergleich wird der Verkehr wiederum sowohl in der Verfügungsmarke als auch im selbständig kennzeichnenden Zeichenbestandteil ohne Weiteres ein „T“ erkennen können, so dass beide gegenüberstehenden Zeichen auf die gleiche Art ausgesprochen werden können (vgl. EuG BeckRS 2018, 2761 Rn. 64). Klanglich und begrifflich ist daher eine hochgradige Zeichenähnlichkeit gegeben. Jedoch kommt es – wie ausgeführt – beim Bildzeichenvergleich von Einzelbuchstabenmarken maßgeblich auf deren grafische Ausgestaltung an. Hier wird der Verkehr auch bei einem undeutlichen Erinnerungseindruck – wie ausgeführt – die bildlichen Unterschiede zwischen Abbildung und Abbildung wahrnehmen, insbesondere deshalb, weil es sich bei der Verfügungsmarke um eine bekannte Marke handelt, die dem Verkehr besonders im Gedächtnis ist und weil der Verkehr bei Einzelbuchstaben-Bildmarken besonders auf die grafische Ausgestaltung achtet. Dennoch entsteht – wie ausgeführt – kein gänzlich abweichender Gesamteindruck, so dass sich im Ergebnis eine Zeichenähnlichkeit zwischen Abbildung und Abbildung entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen nicht verneinen lässt.

(cc) Bei gesteigerter Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke Abbildung, jedenfalls geringer Zeichenähnlichkeit und Waren/Dienstleistungsidentität oder hoher Ähnlichkeit besteht auch unter Berücksichtigung einer Wechselwirkung eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr. Wie vorstehend ausgeführt können auch hier die weiteren Einzelheiten dahinstehen.

(2) Die gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind vorliegend überwiegend wahrscheinlich vollumfänglich aus Bekanntheitsschutz gem. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG begründet, und zwar auch, soweit sich die Antragstellerin mit ihren Anträgen II.b) und II.c) gegen eine firmenmäßige Zeichenverwendung wendet:

Abbildung (Antrag II.b) und

Abbildung, Abbildung(Antrag II.c).

(a) Die nationale Verfügungsmarke Abbildung ist eine in Deutschland „bekannte Marke“ i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

(b) Es besteht eine (mindestens geringe) Zeichenähnlichkeit und keine absolute Zeichenunähnlichkeit.

Voraussetzung des Bekanntheitsschutzes ist nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG die Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die Zeichenähnlichkeit im Rahmen des Bekanntheitsschutzes keine strengeren Anforderungen zu stellen, sondern es ist vielmehr nach den gleichen Maßstäben wie bei Prüfung der Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG festzustellen, ob eine klangliche, schriftbildliche oder begriffliche Ähnlichkeit besteht (BGH GRUR 2009, 672 Rn. 49 – OSTSEE-POST). Bei absoluter Zeichenunähnlichkeit kann demzufolge kein Bekanntheitsschutz gewährt werden, selbst wenn das angegriffene Zeichen Assoziationen an die bekannte Marke hervorruft (BGH GRUR 2004, 779 (783) – Zwilling/Zweibrüder).

Im Streitfall liegt eine (mindestens geringe) Zeichenähnlichkeit vor.

(c) Wie ausgeführt ist auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal einer gedanklichen Verknüpfung gegeben.

Die rechtsverletzende Benutzung eines mit der bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG erfordert keine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion (BGH GRUR 2019, 165 Rn. 18 – keine-vorwerk-vertretung). Ausreichend ist, dass die beteiligten Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen (BGH GRUR 2019, 165 Rn. 18 – keine-vorwerk-vertretung). Dies ist – wie ausgeführt – vorliegend der Fall, und zwar auch hinsichtlich aller drei angegriffenen Zeichennutzungen gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) (Anträge II.a), II.b) und II.c)). Es besteht bei den Anträgen gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) zudem eine hochgradige Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen bzw. sogar Identität. Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher auch unter Berücksichtigung einer aufgrund der grafischen Unterschiede im Ergebnis als mindestens gering anzusehenden Zeichenähnlichkeit aufgrund des Zeichenbestandteils Abbildungund des im Kernbereich identischen Waren- und Dienstleistungsangebots eine gedankliche Verknüpfung zur Antragstellerin und deren Produkten herstellen, die über eine bloße Assoziation hinausgeht, und zwar bei sämtlichen angegriffenen Zeichennutzungen.

(d) Wiederum kann offenbleiben, ob eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft vorliegt, da jedenfalls eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung und Unterscheidungskraft vorliegend – wie ausgeführt – gegeben ist. Insoweit kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

(e) Es besteht jeweils Wiederholungsgefahr, indiziert durch erfolgte Verletzungshandlungen. Ein Unterlassungsanspruch besteht auch gegen firmenmäßige Verwendungen, da – wie hier – eine gedankliche Verknüpfung gegeben ist. Beim hier vorliegenden Dienstleistungskennzeichen gehen zudem – wie ausgeführt – markenmäßiger und firmenmäßiger Gebrauch ineinander über."


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BVerfG: Schmähgedicht von Jan Böhmermann - Verfassungsbeschwerde gegen Untersagung von Teilen des Schmähgedichts mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen

BVerfG
Beschluss vom 26.01.2022
1 BVR 2026/19

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Untersagung von Teilen des Schmähgedichts von Jan Böhmermann mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen.

Von einer näheren Begründungen hat das Bundesverfassungsgericht abgesehen. Dies ist mehr als bedauerlich, als die Fallkonstellation interessante Rückschlüsse auf die derzeitigen Ansichten des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Spannungsverhältnisses von der Kunstfreiheit / Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zugelassen hätte.

OLG Hamburg: Monatliche Mahnkostenpauschale von 10 EURO durch Versandhändler unzulässig und Irreführung über Rechtmäßigkeit der Pauschale

OLG Hamburg
Beschluss vom 22.12.2021
15 U 14/21


Das OLG Hamburg hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass die monatliche Mahnkostenpauschale von 10 EURO eines Versandhändler unzulässig ist und zugleich eine Irreführung über die Rechtmäßigkeit der Gebühr vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Landgerichts Hamburg ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da nach einstimmiger Auffassung des Senats die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist ebenfalls nicht geboten.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte zu Recht zur Unterlassung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist unbegründet. Dies hat der Senat im Hinweisbeschluss vom 18.11.2021 ausführlich dargelegt. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird, ebenso wie auf die dortigen tatsächlichen Feststellungen und Bezugnahmen, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 und 4 ZPO verwiesen.

Die darauf erfolgte Stellungnahme der Beklagten mit Schriftsatz vom 16.12.2021 erschöpft sich in Wiederholungen ihres zuvor gehaltenen Vortrags, zu dem der Senat im Einzelnen Stellung genommen hat. Sie gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Der Senat teilt insbesondere nach wie vor nicht die Ansicht der Beklagten, dass der durchschnittliche Verbraucher die im Kontoauszug angesetzte "Mahngebühr" von monatlich 10,00 Euro als bloße Rechtsansicht der Beklagten ansehe. Die Beklagte legt nicht dar, warum dem Verbraucher klar sein sollte, dass es sich bei der Beklagten "um ein Unternehmen handelt, das in einem stark umkämpften Markt tätig ist, besonderen Wert auf langlebige Kundenbeziehungen legt und deshalb sowohl mit Blick auf die angebotenen Zahlungsoptionen wie auch in der Forderungsbearbeitung auf Flexibilität bedacht ist" (Schriftsatz vom 16.12.2021, Seite 3). Aus den eingereichten Unterlagen, insbesondere den streitgegenständlichen Kontoauszügen, ergibt sich nichts, was den Kunden der Beklagten dieses Bild vermitteln würde. Auch die weitergehende Schlussfolgerung, dass deswegen der Verbraucher in der Mahngebühr keine feststehende Forderungsposition, sondern eine Meinungsäußerung sehe, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

Soweit die Beklagte schließlich erneut die Unwahrheit der Angabe (i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG) in Abrede nimmt, weil der Beklagten ein Anspruch auf die Mahnkosten zustehe und auch die Höhe der Pauschale nicht zu beanstanden sei, so hat sich der Senat mit dieser Argumentation bereits ausführlich auseinandergesetzt. Auch im letzten Schriftsatz vermag die Beklagte eine Anspruchsgrundlage, auf die sich ihre Forderung stützen ließe, nicht zu benennen. Den Ausführungen im Hinweisbeschluss ist daher nichts hinzuzufügen. Schon weil es sich vorliegend also um eine "unwahre" - und nicht nur "zur Täuschung geeignete" - Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. UWG handelt und deshalb die Einordnung als schlichte Meinungsäußerung nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2019, I ZR 93/17, WRP 2019, 883 - Prämiensparverträge; hierzu auch Scherer, Irreführung durch Rechtsverfolgung bei nicht bestehender Forderung, WRP 2021, 1400 ff., Rn. 27 f.), liegt der hiesige Fall grundlegend anders als der dem Urteil des OLG Köln (17.07.2020, 6 U 6/20) zu Grunde liegende. Auch dies wurde bereits vertieft ausgeführt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamburg: Schwäbische Brennerei darf ihren Whisky nicht unter der Bezeichnung "Glen Buchenbach" anbieten - Verletzung der geschützten geografischen Angabe "Scotch Whisky"

OLG Hamburg
Urteil vom 20.01.2022
5 U 43/19


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine schwäbische Brennerei ihren Whisky nicht unter der Bezeichnung "Glen Buchenbach" anbieten darf, da die Verwendung des Wortes "Glen" die geschützte geografische Angabe "Scotch Whisky" verletzt. Es wird - so das Gericht - fälschlich suggeriert, dass das Produkt aus Schottland stammt.

Siehe auch zum Thema: EuGH: Bezeichnung "Glen" für Whisky kann möglicherweise die geschützte geografische Angabe "Scotch Whisky" verletzen


OLG Hamburg: Produktbezeichnung Kräutertee mit Schüssler-Salz rechtlich zulässig und kein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 und 4 Lebensmittelinformationsverordnung

OLG Hamburg
Urteil vom 22.07.2021
3 U 195/18


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Produktbezeichnung Kräutertee mit Schüssler-Salz rechtlich zulässig und kein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 und 4 Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) darstellt.


OLG Hamburg: Keine markenmäßige Benutzung durch Wortfolge "ALLET JUTE" auf Stoffbeutel - keine Verletzung einer Unionsmarke für Taschen

OLG Hamburg
Beschluss vom 03.02.2021
3 U 9/19


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass keine markenmäßige Benutzung durch einen Aufdruck der Wortfolge "ALLET JUTE" auf einem Stoffbeutel vorliegt und daher keine Verletzung der gleichlautenden Unionsmarke für Taschen gegeben ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die negative Feststellungsklage ist weiterhin zulässig. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist durch die zwischenzeitlich vor dem Landgericht Berlin erhobene Leistungsklage der Beklagten (Az.:15 O 618/19) nicht entfallen.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO muss für eine negative Feststellungklage ein besonderes Rechtsschutzinteresse (Feststellungsinteresse) bestehen. Das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist in der Regel gegeben, wenn der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt (BGH, NJW 2017, 2340, Rnrn 13, 15).

Ist eine negative Feststellungsklage rechtshängig und erhebt der Beklagte der Feststellungsklage seinerseits Leistungsklage, so sperrt die negative Feststellungsklage die Leistungsklage nicht, da das Rechtsschutzziel der Leistungsklage über den Streitgegenstand der Feststellungsklage hinausgeht. Grundsätzlich kann jedoch wegen des Vorrangs der Leistungsklage das Rechtschutzinteresse hinsichtlich der Feststellungsklage entfallen.

Eine negative Feststellungsklage wird mangels Feststellungsinteresse aber erst dann unzulässig, wenn eine später erhobene Leistungsklage umgekehrten Rubrums nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. Diese Lage tritt gemäß § 269 Abs. 1 ZPO ein, sobald der Gegner der Leistungsklage zur Hauptsache verhandelt hat, aber auch dann, wenn der Kläger der Leistungsklage einseitig auf das Recht zur Klagrücknahme verzichtet hat (BGH, BeckRS 2010, 20763 MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 66). Etwas anderes gilt, wenn der Feststellungsrechtstreit zu diesem Zeitpunkt bereits entscheidungsreif oder im Wesentlichen zur Entscheidungsreife fortgeschritten und die Leistungsklage noch nicht entscheidungsreif ist (BGH, NJW 1973, 1500, 1501; BGH, NJW 1987, 2680, 2681 – Parallelverfahren MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 66).

Dass vor dem Landgericht Berlin bereits über die Leistungsklage verhandelt worden wäre oder der dortige Kläger auf das Recht zur Klagrücknahme verzichtet hätte, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass der vor dem Landgericht Berlin geführte Rechtsstreit entscheidungsreif wäre, bestehen nicht. Demgegenüber ist der vorliegend in der Berufungsinstanz geführte Feststellungsrechtstreit nahezu entscheidungsreif.

II. Die negative Feststellungsklage ist auch begründet.

Der Beklagten steht der gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von € 1.430,38 nicht nach §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB i.V.m. Artt. 9. Abs. 2 lit. a) bzw. b), 101 Abs. 2, 102 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 2015/2424 (nachfolgend: UMV a.F.) zu.

1. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeblich (BGH, GRUR-RS 2019, 357, Rn. 8 – Slim fit Hose SAM; BGH, GRUR 2016, 803, Rn. 14 – Armbanduhr; BGH, GRUR 2019, 754, Rn. 12 – Prämiensparverträge). Die Berechtigung der mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 ausgesprochenen Abmahnung wegen der Verletzung der Unionsmarke „Allet Jute“ (Anlage K 5) ist mithin nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden unionsmarkenrechtlichen Regelungen der Artt. 9. Abs. 2 lit. a) bzw. b), 101 Abs. 2, 102 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 2015/2424 (nachfolgend: UMV a.F.) sowie den §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB zu beurteilen.

2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) kann der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, nur widersprechen, wenn diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Zu den Funktionen der Marke gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, auch ihre anderen Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. EuGH, GRUR 2009, 756, Rn. 58 – L'Oréal u. a.; EuGH, GRUR 2010, 445, Rn. 76 f. – Google France und Google; EuGH, GRUR 2010, 841, Rn. 29 f. – Portakabin). Kann die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen, kann der Markeninhaber ihr auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 lit. a) MarkenRL a.F. nicht widersprechen (EuGH, GRUR 2010, 841, Rn. 29 – Portakabin). Die Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken verwirklicht keinen der Verletzungstatbestände des Art. 5 Abs. 1 MarkenRL a.F. (EuGH, GRUR 2003, 55, Rn. 54 – Arsenal Football Club), genauso wenig wie eine Verwendung, bei der es ausgeschlossen ist, dass die benutzte Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird (EuGH, GRUR 2002, 692, Rn. 17 – Hölterhoff; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 21 – Slim fit Hose SAM). In der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass bestimmte Arten der Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken keine Verletzung der Marke darstellen (EuGH, GRUR 2002, 692, Rn. 16 – Hölterhoff). Die Prüfung, ob im Einzelfall die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten (EuGH, GRUR 2009, 756, Rn. 63 – L'Oréal u. a.).

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH, GRUR 2013, 1239, Rn. 20 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; BGH, GRUR 2015, 1201, Rn. 68 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; BGH, GRUR 2018, 924, Rn. 25 – ORTLIEB I; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 22 – Slim Fit Hose SAM).

Für die Annahme der kennzeichenmäßigen Verwendung eines Zeichens genügt es nicht, dass das Zeichen originär unterscheidungskräftig ist und die konkrete Verwendung nicht glatt beschreibend erfolgt. Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden. (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 28 – Slim fit Hose SAM). Bei der Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht und in der konkret in Rede stehenden Verwendung eines Zeichens einen Herkunftshinweis sieht, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH, GRUR 2004, 865, 866, juris-Rn. 33 – Mustang; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 26 – Slim fit Hose SAM). Die Verkehrsauffassung wird auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (EuGH, GRUR 2008, 698, Rn. 64 – O2Holdings und O2[UK]; BGH, GRUR 2002, 809, 811, juris-Rnrn. 37 bis 39 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I; BGH, GRUR 2010, 838, Rn. 20 – DDR-Logo; BGH, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 – pjur/pure; BGH, GRUR 2017, 520, Rn. 26 – MICRO COTTON).

Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH, GRUR 2009, 484, Rn. 61 – METROBUS; BGH, GRUR 2019, 1289, Rn. 20 ff. – Damen Hose MO). Diese Beurteilung obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 23 – Slim fit Hose SAM m.w.N.; BGH, GRUR 2019, 1289, Rn. 22 – Damen Hose MO).

3. Dies zugrunde gelegt kann vorliegend ausgeschlossen werden, dass der angesprochene Verkehr die auf den Stoffbeuteln verwendete Angabe „ALLET JUTE“ als Herkunftshinweis auffasst oder dass durch diese Angabe eine der weiteren Funktionen der Marke beeinträchtigt wird.

a) Für die Beurteilung der Verkehrsauffassung ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Das Angebot der Klägerin wendet sich an potenzielle Erwerber und Verwender von Stoffbeuteln der streitgegenständlichen Art, mithin an den allgemeinen Verkehr. Zu diesem Personenkreis gehören auch die Mitglieder des erkennenden Senats, so dass der Senat die Auffassung dieses Verkehrskreises aus eigener Sachkunde beurteilen kann.

aa) Maßgeblich für das Verständnis der streitgegenständlichen Angabe sind die Kennzeichnungsgewohnheiten im streitgegenständliche Warenbereich, d.h. im Bereich von Stoffbeuteln.

(1) Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Aufdruck nicht rein beschreibend verwendet wird. Zwar erkennt der Verkehr, dass mit der Angabe „ALLET JUTE“ auf das Offensichtliche, nämlich darauf hingewiesen bzw. angespielt wird, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um einen sog. „Jutebeutel“ handelt. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem verwendeten Material des Stoffbeutels um Baumwolle und eben gerade nicht um Jute handelt bzw. bei diesem Beutel nicht „Allet (aus) Jute“ besteht. Denn die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass solche Stoffbeutel umgangssprachlich als „Jutebeutel“ bezeichnet werden, und zwar auch dann, wenn sie nicht aus Jute hergestellt worden sind. Die streitgegenständliche Angabe hat mithin im Hinblick auf die Art des Beutels beschreibenden Anklang, erweist sich jedoch nicht als rein beschreibend.

(2) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann aber gleichwohl nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Angabe „ALLET JUTE“ – nach dem Verständnis des angesprochenen Verkehrs – markenmäßig verwendet hätte.

Denn wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wird die Angabe vom angesprochenen Verkehr nicht als Herkunftshinweis, sondern als inhaltliche Aussage, als witziges Statement, mit dem sowohl auf die Art des Produkts (Jutebeutel) angespielt als auch ein kurzes positives Motto propagiert wird. Darin liegt gerade der Witz der Angabe bzw. der Pfiff des so gestalteten Produkts. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der maßgeblichen Kennzeichnungsgewohnheiten.

(2.1) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann vorliegend nicht auf die Kennzeichnungsgewohnheiten im Bekleidungssektor und die dazu vorliegende Rechtsprechung zur markenmäßigen Verwendung von Aufdrucken auf Bekleidungsstücken abgestellt werden.

Gegenstand dieser Rechtsprechung war u.a. die Verwendung von Aufdrucken auf der Brust- und/oder Rückseite von T-Shirts und Sweatshirts (vgl. BGH, GRUR-RR 2016, 118, Rn. 5 ff. – Tussi ATTACK; OLG Hamburg, Urteil vom 14.08.2002, 5 U 195/02, Rn. 9 – Angel; OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2002, 5 U 187/01, Rn. 5 – Zicke II; OLG Hamburg, Urteil vom 30.01.2002, 5 U 160/01, Rn. 5 – Zicke I). Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann danach je nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren. Dagegen ist davon auszugehen, dass der Verkehr in Zeichen, die sich auf eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken befinden, regelmäßig einen Herkunftshinweis sehen wird (BGH, GRUR 2018, 932, Rn. 18 – #darferdas?). Erforderlich ist in jedem Einzelfall die Feststellung, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 26 – Slim fit Hose SAM).

Die für einen Teil der Bekleidungsbranche festgestellte Praxis der Markenverwendung und das dadurch geprägte Verkehrsverständnis ermöglichen jedoch keine tragfähigen Rückschlüsse auf die Kennzeichnungsgewohnheiten und das darauf beruhende Verkehrsverständnis in anderen Branchen, insbesondere nicht im Bereich von Stoffbeuteln der streitgegenständlichen Art. (2.2)

Die Beklagte hat im Hinblick auf die Kennzeichnungsgewohnheiten weiter vorgetragen, dass es üblich sei, Marken auf Taschen und Beuteln anzubringen. Dies gelte beispielsweise bei Einkaufsbeuteln und –tüten des Einzelhandels, die regelmäßig mit Markenzeichen versehen seien.

Dieser Vortrag ist nicht geeignet darzulegen, das der angesprochene Verkehr auch die hier streitgegenständliche Angabe „ALLET JUTE“ als Herkunftshinweis und damit als Marke versteht. Der allgemein gehaltene Vortrag zu Verwendung von Marken auf Taschen und Beuteln ist schon nicht hinreichend konkret, um die von der Beklagten gezogenen Schlüsse auf das Verkehrsverständnis bezüglich der hier streitgegenständlichen Angabe zu ermöglichen. Auch der Vortrag zur Verwendung von Marken auf den Einkaufsbeuteln und Einkaufstüten des Einzelhandels ist insoweit unergiebig. Zwar mögen in diesem Rahmen Produkt- und Handelsmarken sowie auch die Unternehmenskennzeichen der jeweiligen Anbieter Verwendung finden. Vorliegend handelt es sich jedoch ganz offensichtlich nicht um diese Art Kennzeichen. Dass der Verkehr auch im Hinblick auf solche Angaben daran gewöhnt wäre, in den auf den Beuteln angebrachten Angaben einen Herkunftshinweis zu sehen, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Mithin kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Angabe „ALLET JUTE“ – nach dem Verständnis des angesprochenen Verkehrs – markenmäßig verwendet hätte.

4. Da es mangels markenmäßiger Verwendung der Angabe „ALLET JUTE“ an einer Verletzung der Unionsmarke „Allet Jute“ fehlt, steht der Beklagten der gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von € 1.430,38 nicht zu. Das Landgericht hat der negativen Feststellungsklage somit zu Recht entsprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist unbegründet und ist daher nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand zurückzuweisen.

III. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die von der Beklagten geltend gemachten Abmahnkosten von € 1.430,38 jedenfalls überhöht sind. Zwar dürfte der von der Beklagten mit € 25.000,00 angesetzte Streitwert angemessen sein. Es kann jedoch lediglich eine 1,3 Gebühr in Ansatz gebracht werde. Auf dieser Grundlage ergeben sich lediglich Abmahnkosten in Höhe von insgesamt € 1.242,84, so dass das Verlangen der Beklagten, selbst wenn eine Verletzung ihrer Markenrechte – wie nicht – vorläge, um € 188,54 überhöht wäre."


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