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BAG: Geschäftsführer einer GmbH muss Arbeitnehmern keinen Schadensersatz wegen unterbliebener Zahlung des Mindestlohns leisten

BAG
Urteil vom 30.03.2023
8 AZR 120/22


Das BAG hat entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmern keinen Schadensersatz wegen unterbliebener Zahlung des Mindestlohns leisten muss.

Leitsatz des BAG:
Geschäftsführer einer GmbH haften gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der GmbH nicht deshalb auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB, weil sie im Einzelfall nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG für Verstöße der GmbH gegen ihre Verpflichtung aus § 20 MiLoG, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen, bußgeldrechtlich verantwortlich sind. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG stellt – ungeachtet des § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG – kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der GmbH in ihrem Verhältnis zu dem/den Geschäftsführer/n der Gesellschaft dar.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagten haften nämlich als Geschäftsführer der Schuldnerin dem Kläger nicht persönlich für die unterbliebene Zahlung des Mindestlohns.

1. Nach der gesetzlichen Wertung ist die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr ist die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Zwar umfasst die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die nach § 43 Abs. 1 GmbHG den Geschäftsführern einer GmbH aufgrund ihrer Organstellung obliegt, auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (sog. Legalitätspflicht). Diese Pflicht besteht aber grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten. § 43 Abs. 1 GmbHG regelt allein die Pflichten des Geschäftsführers aus seinem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Diese Pflichten dienen nicht dem Zweck, Gläubiger der Gesellschaft vor den Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung zu schützen. Aus der Regelung in § 43 Abs. 2 GmbHG wird deutlich, dass eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nur Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, nicht hingegen der Gläubiger der Gesellschaft entstehen lässt (st. Rspr., vgl. BAG 23. Februar 2016 – 9 AZR 293/15 – Rn. 19, BAGE 154, 162; BGH 10. Juli 2012 – VI ZR 341/10 – Rn. 22 f. mwN, BGHZ 194, 26).

2. Ein Geschäftsführer einer GmbH haftet deshalb nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist (st. Rspr., zB BAG 23. Februar 2016 – 9 AZR 293/15 – Rn. 14, BAGE 154, 162; 23. Februar 2010 – 9 AZR 44/09 – Rn. 22, BAGE 133, 213; 24. November 2005 – 8 AZR 1/05 – Rn. 20).

3. Ein besonderer Haftungsgrund liegt indes nicht vor. Die Beklagten sind dem Kläger nicht nach den – hier als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden – Bestimmungen in § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zum Schadensersatz verpflichtet. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG stellt – ungeachtet der sich aus § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG im Einzelfall ergebenden bußgeldrechtlichen Verantwortung der Geschäftsführer einer GmbH für Verstöße gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns – kein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Gesellschaft, hier des Klägers, in ihrem Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft, hier den Beklagten, iSv. § 823 Abs. 2 BGB dar.

a) Die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin sind allerdings taugliche Täter einer Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, auch wenn sich die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns aus § 20 MiLoG nicht an sie richtet.

aa) Nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 20 MiLoG das dort genannte Arbeitsentgelt nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Nach § 20 MiLoG sind Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland verpflichtet, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Abs. 2 MiLoG spätestens zu dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG genannten Zeitpunkt zu zahlen. Danach konnte der Bußgeldtatbestand nur durch die Schuldnerin als Arbeitgeberin, nicht aber durch die Beklagten verwirklicht werden.

bb) Handelt jedoch jemand – wie hier die Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin – als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, so ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen. Da es sich bei der Arbeitgeberstellung iSd. § 20 MiLoG um ein besonderes persönliches Merkmal iSv. § 9 Abs. 1 OWiG handelt (vgl. Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 21 Rn. 30; HK-MiLoG/Ramming 2. Aufl. § 21 Rn. 30; HK-ArbR/Fechner 5. Aufl. MiLoG § 21 Rn. 4), wird im Anwendungsbereich von § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG die Bußgeldbewehrung der unterlassenen oder verspäteten Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns auf die handelnden Geschäftsführer einer GmbH erstreckt.

b) Es kann offenbleiben, ob Voraussetzung für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers, hier der Schuldnerin, im Zeitpunkt der Fälligkeit des Mindestlohnanspruchs ist und – sofern dies bejaht würde, wofür viel spricht (vgl. BGH 25. September 2006 – II ZR 108/05 – Rn. 8; HK-MiLoG/Ramming 2. Aufl. § 21 Rn. 18, 37; Kudlich in Thüsing MiLoG und AEntG 2. Aufl. § 21 MiLoG Rn. 15 unter Verweis auf § 23 AEntG Rn. 28; HK-ArbR/Fechner 5. Aufl. § 21 MiLoG Rn. 3) – ob die Schuldnerin zum maßgeblichen Zeitpunkt zahlungsfähig war. Ebenso kann dahinstehen, ob der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG auch die Nichtzahlung der Vergütung in Höhe des Mindestlohns für Zeiten ohne Arbeitsleistung erfasst (zum Meinungsstand vgl.: HK-MiLoG/Schubert 2. Aufl. § 20 Rn. 11 ff.; Vogelsang/Wensing NZA 2016, 141, 142 ff.). Die Beklagten sind dem Kläger bereits deshalb nicht nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zum Schadensersatz verpflichtet, weil § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG kein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Schuldnerin im Verhältnis zu den Beklagten ist.

aa) Als Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 BGB kommen solche gesetzlichen Gebote oder Verbote in Betracht, durch die das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind. Eine Rechtsnorm kann nur dann ein Schutzgesetz sein, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise vor einer Verletzung eines bestimmten Rechtsguts oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Insoweit reicht es aus, dass die Gewährung von Individualschutz wenigstens eines der vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Anliegen ist, selbst wenn auf die Allgemeinheit gerichtete Schutzzwecke ganz im Vordergrund stehen (vgl. BAG 21. November 2006 – 9 AZR 206/06 – Rn. 40; 18. August 2005 – 8 AZR 542/04 – zu II 2 c aa der Gründe; 6. November 2002 – 5 AZR 487/01 – zu II 4 a der Gründe; 25. April 2001 – 5 AZR 368/99 – zu B II 1 b aa der Gründe mwN, BAGE 97, 350; ebenso BGH 14. Juni 2022 – VI ZR 110/21 – Rn. 9; 23. Juli 2019 – VI ZR 307/18 – Rn. 12; 13. März 2018 – VI ZR 143/17 – Rn. 27 mwN, BGHZ 218, 96).

Voraussetzung für die Annahme eines Schutzgesetzes ist zudem, dass die Schaffung eines individuellen deliktischen Anspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint, um auszuschließen, dass die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden unterlaufen wird. Dabei muss in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, geprüft werden, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen (vgl. BAG 18. August 2005 – 8 AZR 542/04 – zu II 2 c aa der Gründe; 6. November 2002 – 5 AZR 487/01 – zu II 4 a der Gründe; 25. April 2001 – 5 AZR 368/99 – zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 97, 350; BGH 14. Juni 2022 – VI ZR 110/21 – Rn. 10; 23. Juli 2019 – VI ZR 307/18 – Rn. 13; 22. Juni 2010 – VI ZR 212/09 – Rn. 26 mwN, BGHZ 186, 58).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze stellen § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG kein Schutzgesetz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Schuldnerin im Verhältnis zu den Beklagten dar.

(1) Zwar sind aus § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG das geschützte Interesse, die Art der Verletzung und der Kreis der geschützten Personen klar und deutlich ersichtlich. Denn es werden erkennbar die im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davor geschützt, dass ihnen entgegen § 20 MiLoG das dort genannte Arbeitsentgelt, dh. ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Abs. 2 MiLoG, nicht spätestens zu dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG bestimmten Zeitpunkt gezahlt wird.

(2) § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG bezweckt überdies zumindest auch den Schutz individueller Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.

(a) Mit dem Mindestlohngesetz verfolgt der Gesetzgeber sowohl Individual- als auch Gemeinwohlinteressen. Durch die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt sollen die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) für alle im Inland tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleistet und damit zugleich die sozialen Sicherungssysteme entlastet werden (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 28; BAG 25. Mai 2022 – 6 AZR 497/21 – Rn. 43; 24. Juni 2021 – 5 AZR 505/20 – Rn. 24, BAGE 175, 192; 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 29 f., BAGE 155, 202; ausführlich Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. Einführung Rn. 67 ff., Rn. 73 ff.).

(b) Vor diesem Hintergrund soll die Bußgeldandrohung in § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG den Arbeitgeber dazu anhalten, seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns tatsächlich nachzukommen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs hat der Gesetzgeber es ausdrücklich nicht für ausreichend erachtet, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer allein auf die zivilrechtliche Durchsetzung ihrer Mindestlohnansprüche zu verweisen. Andernfalls würde, da insbesondere im Bereich der einfachen und gering bezahlten Tätigkeiten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre individualrechtlichen Ansprüche oftmals praktisch nicht durchsetzen, das Ziel des Gesetzes, Mindestarbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer effektiv zu gewährleisten und durchzusetzen, nicht erreicht (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 2).

(3) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 21 Abs. 1 Nr. 9 iVm. § 20 MiLoG überhaupt ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB ist. Jedenfalls handelt es sich bei § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG – ungeachtet der durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bewirkten Erweiterung der bußgeldrechtlichen Verantwortung auf die Geschäftsführer einer GmbH – nicht um ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der GmbH in ihrem Verhältnis zu deren Geschäftsführern.

(a) Wie unter Rn. 12 ausgeführt, haftet eine GmbH als Arbeitgeberin aufgrund der gesetzlichen Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG für durch Verstöße gegen gesetzliche Ver- und Gebote entstehende Schäden ausschließlich mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Haftung der Geschäftsführer sieht das Gesetz nicht vor. Dieses gesellschaftsrechtlich normierte Haftungssystem kann zwar durch den Gesetzgeber erweitert werden. Eine solche Erweiterung ist bezüglich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Geschäftsführer einer GmbH für Verstöße gegen Straftatbestände durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB und für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erfolgt. Auch kann in einer solchen Erweiterung durch eine bußgeldrechtliche Haftung zugleich die Begründung einer Ausnahme von der gesellschaftsrechtlichen Haftungssystematik des GmbHG durch den Gesetzgeber liegen (vgl. BAG 21. November 2006 – 9 AZR 206/06 – Rn. 41). Voraussetzung für eine solche Ausnahme ist allerdings, dass die eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB begründende Schutznorm hinreichend deutlich erkennen lässt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Geschäftsführer der Gesellschaft – über die sonst vorhandenen zivilrechtlichen Haftungstatbestände hinausgehend – persönlich haften sollen.

(b) Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf die in § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG getroffenen Bestimmungen nicht erfüllt.

Die Annahme, den Regelungen in § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 OWiG komme der Charakter eines Schutzgesetzes iSd. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer GmbH im Verhältnis zu den Geschäftsführern der GmbH zu, würde dazu führen, dass dieser Personenkreis von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Gesellschaft selbst bei nur (leicht) fahrlässiger Verwirklichung des Bußgeldtatbestands nach § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch genommen werden könnte. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer Vielzahl von Fällen im Hinblick auf die Zahlung des Mindestlohns über die GmbH als ihren Vertragsarbeitgeber hinaus mit dem Geschäftsführer bzw. den Geschäftsführern einen weiteren bzw. weitere Schuldner hätten. Hierdurch würde das Haftungssystem des GmbHG, in dem es eine allgemeine Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführer der Gesellschaft nicht gibt, für den Bereich der Vergütungspflicht des Arbeitgebers – jedenfalls in Höhe des Mindestlohns – vielfach konterkariert. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei der Vergütungspflicht um die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers handelt, bedarf es für die Annahme, die Bestimmungen in § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG iVm. § 9 Abs. 1 OWiG seien Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer GmbH im Verhältnis zu den Geschäftsführern der GmbH, konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber – letztlich abweichend von der Haftungssystematik des GmbHG – eine über die sonst vorhandenen zivilrechtlichen Haftungstatbestände hinausgehende Schadensersatzverpflichtung der für die GmbH handelnden Organe bzw. Vertreter schaffen wollte (vgl. BGH 13. April 1994 – II ZR 16/93 – zu II 2 b der Gründe, BGHZ 125, 366).

Für einen solchen Willen des Gesetzgebers ist indes nichts ersichtlich. Dieser hat die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns durch einen unmittelbaren – nach § 3 MiLoG unabdingbaren – Leistungsanspruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 iVm. § 20 MiLoG abgesichert. Zudem soll – wie unter Rn. 25 ausgeführt – ausweislich der Gesetzesbegründung mit der Bußgeldandrohung in § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG verhindert werden, dass die rechtzeitige Zahlung des Mindestlohns, die sowohl der Existenzsicherung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen als auch der Entlastung der sozialen Sicherungssysteme dient, daran scheitert, dass die Beschäftigten diesen Leistungsanspruch nicht selbst gegen den Arbeitgeber durchsetzen. Demgegenüber lassen sich den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber zur effektiven Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs (auch) eine – über die sonst vorhandenen zivilrechtlichen Haftungstatbestände hinausgehende – zivilrechtliche Haftung der für den Arbeitgeber handelnden Organe bzw. Vertreter auch nur erwogen hätte.

(4) Eine andere Bewertung ist – entgegen der Rechtsansicht des Klägers – auch nicht deshalb geboten, weil es sich bei § 266a Abs. 2 und Abs. 3 StGB anerkanntermaßen um Schutzgesetze zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (vgl. BAG 18. August 2005 – 8 AZR 542/04 – zu II 2 c aa der Gründe) handelt, wobei diese Bestimmungen ihrerseits iVm. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB eine Haftung der Geschäftsführer einer GmbH nach § 823 Abs. 2 BGB gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der GmbH begründen können (zur Haftung gegenüber dem Sozialversicherungsträger nach § 266a Abs. 1 StGB: vgl. zB BGH 11. Juni 2013 – II ZR 389/12 – Rn. 13; 2. Dezember 2010 – IX ZR 247/09 – Rn. 19, BGHZ 187, 337; 15. Oktober 1996 – VI ZR 319/95 – zu II der Gründe, BGHZ 133, 370). § 266a Abs. 2 und Abs. 3 StGB sind deshalb als Schutzgesetze iSv. § 823 Abs. 2 BGB anerkannt, weil sie dem Schutzinteresse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der treuhänderischen Verwaltung von Teilen ihres Arbeitseinkommens dienen (vgl. BAG 18. August 2005 – 8 AZR 542/04 – aaO). Demgegenüber fehlt es im Hinblick auf die Zahlung der Vergütung – auch in Höhe des Mindestlohns – an einer vergleichbaren treuhänderischen Bindung des Arbeitgebers. Insoweit ist vielmehr anerkannt, dass dem Arbeitgeber grundsätzlich keine allgemeine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich der Lohnzahlungen und sonstiger Leistungen im Austauschverhältnis zukommt (vgl. BAG 21. November 2006 – 9 AZR 206/06 – Rn. 37).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BAG: Kein Verwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess bei offener Videoüberwachung auch wenn nicht alle datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden

BAG
Urteil vom 29.06.2023
2 AZR 296/22


Das BAG hat entschieden, dass kein Verwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess bei offener Videoüberwachung besteht, auch wenn nicht alle datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Offene Videoüberwachung - Verwertungsverbot
In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.

Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Teamsprecher in der Gießerei beschäftigt. Die Beklagte wirft ihm ua. vor, am 2. Juni 2018 eine sog. Mehrarbeitsschicht in der Absicht nicht geleistet zu haben, sie gleichwohl vergütet zu bekommen. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger zwar an diesem Tag zunächst das Werksgelände betreten. Die auf einen anonymen Hinweis hin erfolgte Auswertung der Aufzeichnungen einer durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenden Videokamera an einem Tor zum Werksgelände ergab nach dem Vortrag der Beklagten aber, dass der Kläger dieses noch vor Schichtbeginn wieder verlassen hat. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger ua. geltend gemacht, er habe am 2. Juni 2018 gearbeitet. Die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung unterlägen einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot und dürften daher im Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt werden.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts bis auf einen Antrag betreffend ein Zwischenzeugnis Erfolg. Sie führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses musste nicht nur das Vorbringen der Beklagten zum Verlassen des Werksgeländes durch den Kläger vor Beginn der Mehrarbeitsschicht zu Grunde legen, sondern ggf. auch die betreffende Bildsequenz aus der Videoüberwachung am Tor zum Werksgelände in Augenschein nehmen. Dies folgt aus den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts sowie des nationalen Verfahrens- und Verfassungsrechts. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre eine Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten des Klägers durch die Gerichte für Arbeitssachen nach der DSGVO nicht ausgeschlossen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung wie hier offen erfolgt und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. In einem solchen Fall ist es grundsätzlich irrelevant, wie lange der Arbeitgeber mit der erstmaligen Einsichtnahme in das Bildmaterial zugewartet und es bis dahin vorgehalten hat. Der Senat konnte offenlassen, ob ausnahmsweise aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliche Pflichtverstöße in Betracht kommt, wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Das war vorliegend nicht der Fall.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 6. Juli 2022 – 8 Sa 1149/20



BMAS: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften

Das BMAS hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften vorgelegt, mit dem die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nun auch gesetzlich geregelt werden soll (siehe auch zum Thema Volltext BAG: Arbeitgeber ist bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ein Zeiterfassungssystem zur Erfassung der Arbeitszeiten vorzuhalten)

Aus dem Entwurf:
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13. September 2022 entschieden, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist (BAG - 1 ABR 22/21). Dabei bezieht sich das BAG auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019, welches die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) sowie der Richtlinie 89/391/EWG (Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie) betrifft (EuGH Rs. 55/18 CCOO). Der Arbeitgeber ist bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen und zu nutzen, mit dem die geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

Die Arbeitszeiten sind im Zuge der Globalisierung und der Digitalisierung in den vergangenen Jahren immer flexibler geworden. Gerade in einer flexiblen Arbeitswelt kommt der Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten eine besondere Bedeutung zu. Die Erfassung der Arbeitszeiten erleichtert dem Arbeitgeber die Kontrolle der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten. Sie leistet damit auch einen Beitrag, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer flexiblen Arbeitswelt zu gewährleisten.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) Regelungen für die Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit geschaffen werden.

B. Lösung
Im Arbeitszeitgesetz sowie im Jugendarbeitsschutzgesetz werden in Folge der Entscheidungen des EuGH und des BAG Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung geregelt. Der Arbeitgeber wird verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der beschäftigten Jugendlichen jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichne

LAG Hamburg: Löschen betrieblicher Daten und E-Mails kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen - das bloße Kopieren betrieblicher Daten ohne unzulässige Verwendung genügt nicht

LAG Hamburg
Urteil vom 17.11.2022
3 Sa 17/22


Das LAG Hamburg hat entschieden, dass das Löschen betrieblicher Daten und E-Mails eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Das bloße Kopieren betrieblicher Daten ohne unzulässige Verwendung genügt jedoch nicht.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 13. noch diejenige vom 14. Oktober 2020 beendet worden. Die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten sind unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB.

a) Das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die außerordentlichen Kündigungen vom 13. und 14. Oktober 2020 wird nicht schon nach §§ 13, 4, 7 KSchG wegen Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist fingiert. Der Kläger hat innerhalb der Klagefrist von 3 Wochen nach Zugang der angegriffenen Kündigungen am 13. bzw. 14. Oktober 2020 Kündigungsschutzklage am 19. Oktober 2020, die der Beklagten am 28. Oktober 2020 zugestellt wurde, an das Arbeitsgericht Hamburg erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG).

b) Die außerordentlichen Kündigungen vom 13. und 14. Oktober 2020 sind unwirksam, da es an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

aa) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG vom 17. Mai 1984, Az. 2 AZR 3/83, juris, Rn. 23; BAG vom 2. März 1989, Az. 2 AZR 280/88, juris, Rn. 56) zunächst zu fragen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung zu bilden, und sodann eine umfassende einzelfallbezogene Interessenabwägung durchzuführen. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung zudem nur innerhalb von zwei Wochen seit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat, ausgesprochen werden. Die Beklagte, die die Kündigung ausgesprochen hat, ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können.

Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG vom 8. Mai 2014, Az. 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258, Rn. 19 m.w.N.). Dem Arbeitnehmer ist es im Hinblick auf diese Pflicht zur Rücksichtnahme verwehrt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen, diese ersatzlos zu löschen oder für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen. Verstößt der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen diese Vorgaben, kann darin ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB liegen. Ob eine außerordentliche Kündigung berechtigt ist, hängt insbesondere von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab (vgl. BAG vom 8. Mai 2014, Az. 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258, Rn. 19 m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze liegt für die ausgesprochenen Kündigungen ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB nicht vor:

bb) Die Kündigung vom 13. Oktober 2020 wird durch die Beklagte darauf gestützt, dass der Kläger mutwillig Projektdaten aus dem zentralen Dokumentmanagementsystem SharePoint gelöscht habe (so die Klagerwiderung vom 20. November 2020, dazu (1)). Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, sie habe am 7. Oktober 2020 von ihrem IT-Administrator erfahren, dass eine größere Menge Daten von ihrer SharePoint-Plattform gelöscht worden sei. Sie, die Beklagte, habe eine interne Untersuchung initiiert, im Ausgangspunkt wegen der Löschvorgänge und der handelnden Personen. Hierbei habe der IT-Administrator festgestellt, dass der Kläger Daten von dem Firmen-Notebook aus aus mehreren SharePoint-Ordnern gelöscht habe. Der IT-Administrator habe 4.270 gelöschte Dateien ermittelt. Die Beklagte hat insoweit auf die als Anlage B3 vorgelegte Liste vom Kläger gelöschter Dateien verwiesen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat die Beklagte die Kündigung auch gestützt auf die Übertragung von elektronischen Daten aus Projekt-Ordnern und administrativen Ordnern auf elektronische Datenträger des Klägers (Schriftsatz der Beklagten vom 28. Dezember 2020, Seite 18), wie sich dies aus dem Zwischenbericht der Firma H. vom 18. Dezember 2020 ergeben habe, sowie auf die Nichtherausgabe dieser geschäftlichen Daten an sie (Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2021, Seite 2, dazu (2)). Schließlich hat sie die Kündigung darauf gestützt, dass der Kläger Daten zum Restrukturierungsprojekt A. auf seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet hat (Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2021, Seite 5, dazu (3)).

(1) Soweit die Beklagte die ausgesprochene Kündigung darauf stützt, dass der Kläger erforderliche betriebliche Dateien unberechtigt gelöscht und so ihrem Zugriff entzogen habe, ist ein solcher Sachverhalt grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben.

Die Beklagte hat hinsichtlich der durch den Kläger gelöschten Dateien auf die als Anlage B3 eingereichte Excel-Tabelle verwiesen. Dies ist für die Darlegung eines wichtigen Kündigungsgrundes allerdings nicht ausreichend. Diese Tabelle enthält eine Liste von 149 Dateien, die vom Kläger im Zeitraum 12. August 2020 bis 29. September 2020 gelöscht wurden, davon (nur) 18 Dateien, die am 28. oder 29 September 2020 gelöscht wurden, hinzu kommen zwei Dateien, die am 14. September 2020 gelöscht wurden. Ein substantiierter Vortrag dazu, dass der Kläger 4.270 Dateien gelöscht habe, liegt damit schon nicht vor. Allenfalls hinsichtlich der 20 Dateien, die im September 2020 gelöscht wurden, lässt sich aus den Dateinamen ein Bezug zu dem Tätigkeitsbereich des Klägers für die Beklagte insoweit herstellen, als es sich um Dateien handelt, die erstellte Unterlagen o.ä. beinhalten. So handelt es sich um pdf-Dateien, Excel-Tabellen oder PowerPoint-Präsentationen. Die Beklagte hat zu den Dateien – mit Ausnahme von 5 näher bezeichneten Dateien - nicht näher vorgetragen.

Zudem fehlt es auch hinsichtlich der Dateien aus der Tabelle Anlage B3 an jeglicher Darlegung der Beklagten, dass diese Daten, anders als der Kläger behauptet, in den Ordnern der Beklagten nicht mehr vorhanden gewesen sein sollten. Allein, dass der Kläger Dateien gelöscht hat, lässt darauf noch nicht zurückschließen. So fällt auf, dass es sich hinsichtlich der Dateien in den Zeilen 3 bis 19 um Dateien zu handeln scheint, die aus einem persönlichen Ordner des Klägers stammen. Wenn der Kläger sie dort löscht, heißt das nicht automatisch, dass sie bei der Beklagten nicht mehr vorliegen. Die Beklagte hat nicht erklären können, warum bei einigen Dateien in der Spalte G die Quelle businesspartner.sharepoint.com angegeben ist, für andere businesspartner-my.sharepoint.com.

Ohne nähere Kenntnis der Inhalte der Dateien lässt sich zudem nicht beurteilen, ob es sich tatsächlich, wie der Kläger vorträgt, um überholte Entwurfsversionen gehandelt hat. Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass es ihrer Entscheidung obliegt, welche Dateien zu welchem Zweck benötigt werden und welche etwa früheren Versionen von Dokumenten für ihre weitere Beratungstätigkeit von Bedeutung sind. Selbst wenn der Kläger diese Entscheidungshoheit der Beklagten missachtete, folgt daraus allerdings nicht ohne weiteres die Eignung dieses Verhaltens als Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. So ergibt sich jedenfalls kein fristloser Kündigungsgrund daraus, dass der Kläger eigene Entwürfe löscht, die etwa in der Beratung mit dem Kunden nicht zum Einsatz gekommen sind. Insoweit hätte es der Beklagten oblegen, im Detail vorzutragen, um was für Dateien es sich gehandelt hat und aus welchen Gründen diese für ihre Geschäftstätigkeit von besonderer Bedeutung gewesen sind und ihr aufgrund des Löschens durch den Kläger nicht mehr zugänglich waren. Sie hat aber weder dargelegt, dass diese Dateien in SharePoint nicht mehr vorhanden gewesen seien noch, dass die vom Kläger gelöschten Dateien, die wiederhergestellt wurden, inhaltlich nicht nur bereits überholte Fassungen dargestellt haben.

Soweit die Beklagte fünf Dateien näher bezeichnet hat, handelt es sich bei den C.-Dateien (Zeilen-Nr. 3, 4 und 5 der Anlage B3) eben um solche, die aus persönlichen Ordnern des Klägers stammen. Die Bedeutung dieser Dateien für die Geschäftstätigkeit der Beklagten erschließt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, da die Beklagte nur kurz zu den Inhalten vorgetragen hat. Hinsichtlich der Datei aus Zeile 19 spricht die Angabe „…(003).pdf“ im Dateinamen dafür, dass es sich um eine mehrfach heruntergeladene/gespeicherte Fassung dieser Datei handelt. Die in Zeile 20 aufgeführte PowerPoint-Datei enthält, nach dem Dateinamen zu urteilen, Folien, die der Kläger als Teil einer Präsentation für den Kunden E. erstellt hat. Dass es sich dabei um Folien handelt, die anderweitig nicht vorhanden sind, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Zu den Inhalten auch dieser Datei fehlt es an näherem Vortrag der Beklagten. Woraus sie schlussfolgert, der Kläger habe ein gesamtes Gutachten gelöscht (obwohl der von ihm zu verantwortende Teil nur 25 % des Gesamtgutachtens betragen habe), ist angesichts des Dateinamens auch nicht nachvollziehbar.

(2) Hinsichtlich des (nachgeschobenen) Kündigungsgrundes des unbefugten Kopierens von Daten durch den Kläger gilt nach Auffassung der Berufungskammer, dass das bloße Kopieren von Daten, ohne dass diese dem Zugriff der Arbeitgeberin entzogen oder anderweitig rechtswidrig verwendet werden, eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch fristlose Kündigung wegen einer begangenen erheblichen Pflichtverletzung nicht zu begründen vermag. Es kommt insoweit auch nicht entscheidend darauf an, ob es sich um einen Kopiervorgang auf eigene Datenträger des Klägers handelt oder ihm diese von der Beklagten oder deren Kunden zur Verfügung gestellt wurden. Ob das unberechtigte Kopieren von Dateien auf einen Datenträger hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht liefert, es werde die unberechtigte Verwendung der Dateien angestrebt und der Kopiervorgang erfolge zu diesem Zweck, kann hier dahinstehen – eine Verdachtskündigung hat die Beklagte nicht ausgesprochen.

Der Schwerpunkt der Pflichtwidrigkeit, der einem Verhalten in diesem Zusammenhang das Gewicht eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 BGB für eine Tatkündigung verleiht, liegt darauf, dass kopierte Dateien unberechtigt weitergegeben und/oder verwendet werden (können), wenn sie im Zugriffsbereich des Arbeitnehmers verbleiben. Insoweit ist an sich geeigneter Grund für eine außerordentliche Kündigung, wenn der Arbeitnehmer entsprechende Kopien betrieblicher Dateien, die er in seinem Besitz hat, pflichtwidrig nicht an die Arbeitgeberin herausgibt.

Dass der Kläger seine Vertragspflichten dergestalt erheblich verletzt hat, hat die Beklagte allerdings nicht darlegen und beweisen können. Es hätte dazu bedurft, dass der Kläger die kopierten Daten aus dem Zugriffsbereich der Beklagten entfernt hätte – etwa durch Mitnahme der Datenträger. Dies hat der Kläger bestritten, er hat vorgetragen, dass er am 30. September 2020 die externe Festplatte wie die zwei USB-Speichersticks auf einem Regal im Teambüro hinterlassen habe. Hierzu wäre es Sache der Beklagten, die darlegungs- und beweisbelastet für das vorgeworfene Fehlverhalten ist, gewesen, aufzuklären und vorzutragen, wer sich wann nach Weggang des Klägers in dem Raum aufgehalten habe und dass sich die Speichermedien nicht dort hätten auffinden lassen, und entsprechend Beweis anzubieten. Die Beklagte hat insoweit nur vorgetragen, dass der Kläger die Speichermedien (bisher) nicht an sie herausgegeben habe (vgl. Schriftsatz vom 28. Dezember 2020, S. 8). Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sie ihren Mitarbeitern keine Ablageflächen für persönliche Gegenstände zur Verfügung stelle, die von dem Kläger angeführten Regale gebe es in den Büroräumen der Beklagten nicht (Schriftsatz vom 31. August 2021, Seite 5). Allerdings ist das vom Kläger benannte Teambüro möbliert, es gibt jedenfalls Schränke mit Regalfächern darin. Damit ist die Beklagte ihrer Vortragslast in Bezug auf den vom Kläger vorgetragenen Rechtfertigungssachverhalt nicht ausreichend nachgekommen. Sie muss zwar nicht zu allen möglichen Orten, an denen eine Rückgabe der Speichermedien nebst Dateien an sie erfolgt sein könnte, im Einzelnen Stellung nehmen. Allerdings muss sie substantiiert den vom Kläger geleisteten konkreten Vortrag zu der von ihm behaupteten Rückgabe widerlegen und ggf. beweisen, da den kündigenden Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für den Kündigungsgrund einschließlich der vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe trifft (vgl. BAG vom 17. März 2016, Az. 2 AZR 110/15, juris). Insoweit ist die Darlegungs- und Beweislast hier anders verteilt als in Bezug auf die Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs, der der Arbeitgeberin hinsichtlich der betrieblichen Dateien zusteht und dessen Erfüllung der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen hätte, wenn er den Einwand der Erfüllung des Anspruchs nach § 362 BGB geltend machen will.

(3) Unstreitig hat der Kläger Daten zum Restrukturierungsprojekt A. an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet. Auch dieser Umstand ist zwar an sich, nicht aber im vorliegenden Fall geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Dabei ist die Berufungskammer davon ausgegangen, dass der Kläger nicht befugt war, sich entsprechende Daten auf seine private Email-Adresse weiterzuleiten und daher seine vertraglichen Pflichten verletzt hat. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hiermit den Zweck verfolgte, der Beklagten zu schaden oder die Daten etwa für einen Wettbewerber zu nutzen. Der Kläger hat sich dahin eingelassen, es sei ihm um die Verfolgung der zwischen den Parteien bezogen auf dieses Projekt streitigen Bonusansprüche gegangen und er habe mit Ausnahme seines Rechtsanwaltes und des Arbeitsgerichts diese Dateien niemandem zugänglich gemacht. Da die Beklagte Gegenteiliges nicht vortragen und beweisen kann, geht insoweit die anzustellende Interessenabwägung zugunsten des Klägers aus.

Darauf, dass sich der Kläger, wie die Beklagte mit der Berufungsbegründung vorträgt (dort S. 16) vermutlich weitere Emails über vertrauliche Prozesse und Arbeitsabläufe, z.B. im Kontext der Corona-Pandemie, vermutliche Kundenbezüge zur G. GmbH oder auch andere Inhalte an seine vermutlich private E-Mail-Anschrift verschickt habe, lässt sich die hier ausgesprochene Tatkündigung nicht stützen. Soweit es auf Seite 28 der Berufungsbegründung weiter heißt, der Kläger habe sich augenscheinlich weitere Emails über vertrauliche Prozesse und Arbeitsabläufe z.B. im Kontext der Corona-Pandemie, vermutliche Kundenbezüge zur G. GmbH oder auch andere Inhalte an seine vermutlich private E-Mail-Anschrift verschickt, ist der Vortrag im Übrigen unsubstantiiert.

cc) Die weitere Kündigung vom 14. Oktober 2020 wird durch die Beklagte darauf gestützt, dass der Kläger pflichtwidrig E-Mails gelöscht hat. Sie hat hierzu auf die Anlage B4 verwiesen. Bei dieser Anlage handelt es sich um eine Tabelle mit 14.854 aufgeführten E-Mails. Allerdings gilt auch hier, dass der Verweis auf diese Tabelle für sich genommen nicht genügt, um einen wichtigen Grund für die ausgesprochene Kündigung darzulegen. So finden sich etwa ab Zeile 11168 Emails, die einen Zeitraum ab 2013 und älter (!) betreffen. Das Jahr 2020 betreffen immerhin etwa 500 Emails. Eine erhebliche Anzahl der gelöschten Emails betrifft allerdings bereits nach dem jeweiligen Betreff offenbar private Belange des Klägers. Ohne nähere Darlegungen ist daher nicht ansatzweise nachvollziehbar, aus welchem Grund und welche der vom Kläger gelöschten Nachrichten für die Tätigkeit der Beklagten noch von Bedeutung sein sollen. Soweit die Beklagte die Kündigung auf den Umstand stützt, dass der Kläger Emails gelöscht habe, hätte es ihr zum einen oblegen vorzutragen, dass es sich um betriebliche Emails gehandelt hat. Zum anderen hätte es der Beklagten oblegen, darzulegen, welchen Inhalt die von ihr benannten Emails hatten, damit beurteilt werden kann, ob der Kläger durch das Löschen der Emails seine Rücksichtnahmepflichten erheblich verletzt hat. Zudem hat auch hier der Kläger darauf hingewiesen, dass er die entsprechenden erforderlichen Informationen zu den jeweiligen Projektordnern abgelegt hat. Auch hierzu fehlt es an einer hinreichenden Widerlegung durch die Beklagte.

Die Beklagte hat aus der Vielzahl der Emails gemäß der Anlage B4 drei Emails konkret herausgegriffen. In zwei Fällen lässt sich aus der Betreffzeile „AW:…“ entnehmen, dass der Kläger hierdurch auf eine vorherige Email geantwortet hat. Die dritte Email betrifft nach der Betreffzeile „WG: AW: ….“ die Weiterleitung einer Antwort. Es ist aus diesen Angaben nicht ersichtlich, welche Bedeutung diese Emails für die Tätigkeit der Beklagten haben können oder welchen Inhalt sie hatten. Der Kläger hat hierzu erwidert, bereits der Titel „Infostand“ mache deutlich, dass es sich um eine bloße Abstimmung handele. Der Inhalt der Weiterleitungs-Email sei wahrscheinlich „zur Info“, hinsichtlich der Antwort-Email wahrscheinlich „danke für die Informationen“. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Auch in Bezug auf die Email zur Datenanfrage KPI Auftragsreichweite liegt eine substantiierte Erwiderung der Beklagten auf den Vortrag des Klägers, warum es sich nicht um einen relevanten Email-Inhalt handele, nicht vor.

Zwar steht, davon geht auch die Berufungskammer aus, im Ausgangspunkt der Beklagten das Recht zur Entscheidung zu, was mit den auf ihren Geschäftsbetrieb bezogenen Dateien und betrieblich veranlassten Emails passiert. Dennoch ist nicht jedes Löschen solcher Dateien und Emails als erhebliche Nebenpflichtverletzung anzusehen. Dies kann letztlich nur beurteilt werden, wenn man weiß, um welche Dateien es geht.

dd) Die von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte unterscheiden sich nach Auffassung der Berufungskammer maßgeblich von dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt. So betraf die Entscheidung des Hessischen LAG vom 5. August 2013 (Az. 7 Sa 1060/10) eine dem dortigen Kläger vorgeworfene Datenlöschung, mit der Daten über die Kundenbeziehungen der Beklagten, mit denen der Kläger während des Arbeitsverhältnisses arbeitete, gelöscht wurden: Adressen, Termine, Kundenkontakte. Darum aber geht es hier nicht. Dem Vortrag der Beklagten, soweit sie denn konkrete Dateien benannt hat, lassen sich auch keine Einschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit entnehmen.

Der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 16. Mai 2017 (Az. 7 Sa 38/17) lag zugrunde, dass der dortige Kläger zahlreiche Emails an seine private Anschrift versandt hatte, kurz vor Aufnahme einer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen, wobei es sich um Angebots- und Kalkulationsunterlagen für ein Projekt, das nicht vom Kläger betreut wurde sowie eine Kundenliste der Kunden des Klägers mit deren Kontaktdaten, handelte. Hier ist substantiiert vorgetragen allein die Weiterleitung von Dateien betreffend das Projekt A.. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Auch hinsichtlich des Kopierens von Dateien auf externe Datenträger wird auf die vorstehenden Ausführungen zu den ausgesprochenen Kündigungen Bezug genommen.

Im Verfahren vor dem LAG Baden-Württemberg (Az. 17 Sa 8/20, Urteil vom 17. September 2020) hatte der dortige Kläger im Anschluss an ein Personalgespräch, in dem die Arbeitgeberin den Wunsch geäußert hatte, sich von ihm trennen zu wollen, vom Server des Arbeitgebers Daten in erheblichem Umfang (hier: 7,48 GB) gelöscht, nachdem er zwei Tage nicht erreichbar war und sich zuvor von einer Mitarbeiterin mit den Worten "man sieht sich immer zweimal im Leben" verabschiedet hatte. Das LAG ist für diesen Fall davon ausgegangen, es sei Sache des Klägers gewesen, den von ihm behaupteten Rechtfertigungsgrund für den vollständig (!) von ihm gelöschten Datenbestand vorzutragen, nachdem er den Löschvorgang ausgeführt und – pauschal - behauptet habe, für eine anderweitige Sicherung bzw. Speicherung und Verfügbarkeit des Datenbestands bei der Beklagten gesorgt zu haben. Hiervon weicht die Berufungskammer nicht ab – es ist Sache des sich auf einen Rechtfertigungssachverhalt berufenden Arbeitnehmers, diesen substantiiert vorzutragen. In der herangezogenen Entscheidung sprach bereits der Zusammenhang zwischen der Äußerung des Arbeitnehmers und der vollständigen Löschung für eine Nachteilszufügungsabsicht gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin, was (erst recht) dazu führt, den nur pauschalen Vortrag, die sehr umfangreichen gelöschten Dateien seien anderweitig gesichert, nicht ausreichen zu lassen. Solche Anhaltspunkte gibt es hier nicht, auch die substantiiert vorgetragene Menge gelöschter Dateien unterscheidet sich erheblich. Zudem hat sich der Kläger nicht nur auf einen solchen pauschalen Vortrag beschränkt, sondern konkret auf die jeweiligen Projektordner verwiesen.

In dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Hessischen LAG vom 29. August 2011, Az. 7 Sa 248/11, zugrunde lag, hatte der dortige Kläger 94 E-Mails mit ca. 622 MB in 1.660 Dateianhängen an sein privates E-Mail-Postfach versandt, wobei es sich unstreitig überwiegend um Daten handelte, die dem Bankgeheimnis unterliegen. Auch hier bestehen mithin entscheidende Unterschiede zur vorliegenden Sachverhaltskonstellation.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BAG: Arbeitgeber ist bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ein Zeiterfassungssystem zur Erfassung der Arbeitszeiten vorzuhalten

BAG
Beschluss vom 13.09.2022
1 ABR 22/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag BAG: Arbeitgeber ist bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ein Zeiterfassungssystem zur Erfassung der Arbeitszeiten vorzuhalten über die Entscheidung berichtet.

Tenor der Entscheidung:
1. Arbeitgeber sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b dieser Richtlinie abweichende Regelung getroffen hat.

2. Dem Betriebsrat steht kein – über einen Einigungsstellenspruch durchsetzbares – Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zu, mit dem die tägliche Arbeitszeit solcher Arbeitnehmer erfasst werden soll.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BAG: Arbeitgeber ist bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ein Zeiterfassungssystem zur Erfassung der Arbeitszeiten vorzuhalten

BAG
Beschluss vom 13.09.2022
1 ABR 22/21


Das BAG hat entschieden, dass Arbeitgeber bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet sind, ein Zeiterfassungssystem zur Erfassung der Arbeitszeiten vorzuhalten.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Einführung elektronischer Zeiterfassung - Initiativrecht des Betriebsrats

Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist.

Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.

Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG* ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein – ggfs. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 27. Juli 2021 – 7 TaBV 79/20

3 ArbSchG lautet auszugsweise:
§ 3 Grundpflichten des Arbeitgebers

(1) 1Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. 2Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. …

(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen …




ArbG Neuruppin: 1.000 Euro Geldentschädigung aus Art. 82 DSGVO wenn ehemaliger Mitarbeiter nicht von Website des Arbeitgebers entfernt wird

ArbG Neuruppin
Urteil vom 14.12.2021
2 Ca 554/21


Das ArbG Neuruppin hat entschieden, dass ein Anspruch auf Zahlung von 1.000 Euro Geldentschädigung aus Art. 82 DSGVO besteht, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter nicht von der Website des Arbeitgebers entfernt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Anspruch der Klägerin ist in Höhe von 1.000,00 € abzüglich der geleisteten 150,00 Euro begründet. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

I. Der Anspruch der Klägerin folgt zunächst aus Art. 82 DSGVO als sogenannte "Basisvorschrift" (vgl. dazu: Wächter, Datenschutz im Unternehmen, 5. Aufl., Rz. 1158). Mit Art. 82 DSGVO enthält die Grundverordnung eine eigenständige deliktische Haftungsnorm. Voraussetzung ist eine rechtswidrige Datenverarbeitung, die zu einem Schaden der betroffenen Person (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) führt. Art. 82 DSGVO ersetzt dabei die zuvor in Art. 23 DS-RL enthaltene Regelung sowie die mitgliedstaatlichen Regelungen zur Umsetzung dieser Vorschrift (im BDSG-alt die §§ 7,8) (vgl. nur: Ehmann/Selmayr, Datenschutzgrundverordnung, Art. 82, Rz. 4m.w.N.). Nicht jeder einer betroffenen Person entstandene Schaden ist jedoch auszugleichen. Voraussetzung ist, dass der Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO, delegierte Rechtsakte oder konkretisierende nationale Bestimmungen kausal für den eingetretenen Schaden ist (Specht/Manz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht, Teil A, Rz. 243). Dabei gewährt Art. 82 DSGVO gegenüber der verantwortlichen Stelle (hier der Beklagten, da sie für den Inhalt ihrer Homepage verantwortlich im datenschutzrechtlichen Sinne ist i.S.v. Art. 4 Ziff. 7 DSGVO), einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der durch die unrichtige bzw. unzulässige Verwendung von personenbezogenen Daten entstanden ist (Weth/Herberger/Wächter/Sorge, Daten- und Persönlichkeitssschutz im Arbeitsverhältnis, 2. Auflage, Teil A XV, Rz. 24). Der unbefugte Umgang mit den Daten muss darüber hinaus schuldhaft i.S.v. § 276 BGB erfolgen, damit vorsätzlich oder zumindest fahrlässig (Weth/Herberger/Wächter/Sorge, a.a.0.). Dabei wird mit der nunmehr seit Mai 2018 geltenden Norm des Art. 82 III DSGVO ein schuldhaftes Verhalten vermutet, was eine deutliche Verschärfung gegenüber dem bis dahin geltenden Recht bedeutet. Von dieser Vermutung kann sich der Verantwortliche oder auch der Auftragsverarbeiter gemäß Art. 82 III DSGVO nur dann entlasten (exkulpieren), wenn er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch welchen der Schaden entstanden ist, verantwortlich ist (Weth/Herberger/Wächter/Sorge, a.a.O.). Der Schaden kann ein materieller sein. Ebenfalls ist jedoch ein immaterieller Schaden wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes auszugleichen. Der Erwägungsgrund 146 stellt für die Auslegung von Art. 82 DSGVO klar, dass es sich um einen "vollständigen und wirksamen Schadensersatz" handeln muss. Dies zielt auf die Ersatzhöhe ab (vgl. nur Körner, NZA 2021, 1137 ff. m. w. N.). Dem Grunde nach sind damit sämtliche Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes erfasst. Da der Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO im Übrigen auch im Umfang auch die Elemente der Wirksamkeit und Abschreckung enthalten soll, können in die Berechnung des Haftungsumfangs auch präventive Gesichtspunkte einfließen (Specht/Manz, a.a.O. Rz. 247).

II. Die Beklagte hat trotz entsprechender Hinweise der Klägervertreterin im Schreiben vom 28.08.2020 die Daten der Klägerin nicht umgehend von ihrer Internetseite entfernt, obwohl das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Unabhängig davon war sie jedoch auch bereits ohne anwaltliches Schreiben dazu verpflichtet gewesen, sämtliche im Zusammenhang mit der Klägerin veröffentlichten Daten von ihrer Homepage zu entfernen, da das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Dies ergibt sich nicht nur aufgrund der bestehenden datenschutzrechtlichen Pflichten, sondern stellt auch eine allgemeine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB dar. Auch mehrere Monate später waren die entsprechenden Daten jedoch noch verfügbar. Die Klägerin wurde - was unstreitig ist - weiterhin auf der Internetseite geführt, obwohl sie dort nicht als Biologin tätig war, sondern lediglich im Büromanagement beschäftigt wurde, insofern waren die Daten auch nicht zutreffend. Dabei spielt es entgegen der Ansicht der Beklagten auch keine Rolle, dass die Klägerin leidglich mit ihrem "Mädchennamen" dort aufgeführt wird und nicht mit ihrem tatsächlichen "Doppelnamen". Bereits dadurch wurde die Klägerin in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt.

Dass die Beklagte erkannt hat, dass sie einen Fehler im datenschutzrechtlichen Sinne begangen hat, zeigt sich insbesondere auch darin, dass sie der Aufforderung der Klägerin entsprechend eine Unterlassungserklärung abgegeben und sodann 150,00 Euro in der Folgezeit gezahlt hat.

Der Hinweis der Beklagten, dass es sich um eine "alte Version" der Homepage gehandelt habe, stellt keine wirksame Exkulpation von der Haftung i.S.v. Art. 82 III DSGVO dar. Die Beklagte als verantwortliche Stelle hätte gerade nach den anwaltlichen Hinweisen der Klägervertreterin ihr besonderes Augenmerk auf ihre Homepage lenken müssen, da sie diesbezüglich zumindest seit dem anwaltlichen Schreiben vom 28.08.2020 sensibilisiert war.

Die Erwägungsgründe 75 und 85 stehen dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen. Die dort genannten Gründe sind weder abschließend, noch dazu geeignet, den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach zu negieren.

III. Hinsichtlich der Höhe des begehrten Schadensersatzes hat die Kammer einen Anspruch in Höhe von 1.000,00 Euro für angemessen erachtet, wobei berücksichtigt wurde, dass 150,00 Euro bereits geleistet wurden.

Dies auch unter Beachtung der aktuellen Rechtsprechung (vgl. dazu Böhm/Brams NZA RR, 2021, 521 ff.).

Mit einer Entscheidung des LAG Köln vom 14.09.2020 (LAG Köln 14.09.2020, 2 Sa 358/20, juris) wurden der dortigen Klägerin 300,00 Euro zugesprochen. In diesem Fall war jedoch zu beachten, dass die Beklagte nachgewiesen hatte, dass eine fahrlässige Nichtlöschung des Profils der Klägerin vorlag. Die dortige Klägerin war jedoch im Gegensatz zur Klägerin nicht insgesamt weiterhin auf der Homepage der Beklagten "verfügbar", sondern lediglich auf einer weiteren Datei im Internet, welche aufgrund einer "Verknüpfung" zu finden war. Das Arbeitsgericht Neumünster hat mit der Entscheidung vom 11.08.2020 (ArbG Neumünster vom 11.08.2020, 1 Ca 247 c/20, ZD 2021, 171) einen Schadensersatz in Höhe von 1.500,00 Euro wegen verspäteter Auskurftserteilung zugesagt. Auch wenn es in diesem Rechtsstreit nicht um einen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO, sondern um einen solchen wegen verspäteter Auskunft nach Art. 15 DSGVO ging, wurde dort auch bei der Bezifferung des Schadensersatzanspruches auf die Grundsätze der Art. 83 Abs. 2 Satz 9 DSGVO verwiesen. Ein solcher Rückgriff wurde bejaht, da Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO ebenso wie Bußgelder nach Art. 83 DSGVO Datenschutzverstöße effektiv sanktionieren und abschreckend wirken sollten.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Entscheidung vom 11.05.2021 (LAG Hamm vom 11.05.2021, 6 Sa 1260/20, juris) wegen verspäteter und unzureichender Datenauskunft einen Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 Euro festgesetzt.

Unter Berücksichtigung vorstehender Rechtsprechung ist die Kammer ausdrücklich entgegen der Entscheidung des LG Köln vom 30.09.2021 (LG Köln vom 03.08.2021, 5 O 84/21, juris) sowie des Landgerichtes Bonn (LG Bonn vom 01.07.2021, 15 O 372/20, juris) davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in der ausgeurteilten Höhe zuzugestehen ist, da die Beklagte trotz des entsprechenden Begehrens der Klägerin über mehrere Monate hin deren Daten auf ihrer Internetseite nicht gelöscht hat. Dies auch unabhängig von der Tatsache, dass die Klägerin keine immateriellen Beeinträchtigungen vorgetragen hat. Dieses ist nach Auffassung der Kammer auch nicht erforderlich, da - wie unter I. dargestellt - Art. 82 DSGVO ebenfalls eine Warn- und Abschreckungsfunktion beinhaltet. Schließlich vermögen deswegen auch die Argumente des LG Bonn nicht zu überzeugen, dass ein Schadensersatzanspruch deswegen nicht auszuurteilen sei, da einer "uferlosen" Geltendmachung solcher Ansprüche" entsprechend zu begegnen sei. Derartige Überlegungen müssen bei der Ausurteilung von Schadensersatzansprüchen grundsätzlich ausscheiden. Dies dürfte zumindest seit dem Inkrafttreten des AGG für das Arbeitsrecht allgemein anerkannt sein.

Im Ergebnis hält die Kammer unter Beachtung der §§ 286, 287 ZPO im vorliegenden Fall einen Anspruch in Höhe von 1.000,00 Euro für angemessen. Hiervon hat die Beklagte bereits 150,00 Euro geleistet, so dass sie verpflichtet ist, weitere 850,00 Euro zu zahlen.

Ein weitergehender Schadensersatzanspruch steht der Klägerin jedoch nicht zu. Dementsprechend war die Klage im Übrigen abzuweisen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Wiesbaden: Kein Verstoß gegen DSGVO durch Verwendung von Gesundheitsdaten in einem Prozess da von Art. 9 Abs. 2 lit f) DSGVO gedeckt

VG Wiesbaden
Urteil vom 19.01.2022
6 K 361/21.WI


Das VG Wiesbaden hat entschieden, dass kein Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO durch Verwendung von Gesundheitsdaten in einem Prozess besteht, da dies von Art. 9 Abs. 2 lit f) DSGVO gedeckt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist auch eine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DS-GVO gegeben. Ein Verarbeitungsvorgang ist nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführter Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, der Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.

Die Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 UA 1 S. 1 f) i.V.m. Art. 9 DS-GVO rechtmäßig, wenn die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Für die Frage, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, ist zunächst das Interesse des Verantwortlichen auf Grundlage der Zweckbestimmung zu betrachten. In Betracht kommen bspw. rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen (Gola, DS-GVO/Schulz, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 57).

Im vorliegenden Fall ist es das Interesse der Rechtsanwältin, die vertragliche Verpflichtung mit dem Mandanten, der Arbeitgeberin, zu erfüllen (vgl. § 3 Abs. 3 BRAO). Hierfür ist sie gehalten, die Prozessvertretung im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu übernehmen und hierzu vorzutragen. Die Rechtsanwältin erklärte sich zudem nicht im eigenen Namen über die Daten des Klägers, sondern als Vertreterin und im Namen der Partei über die ihr vom Mandanten zugetragenen Tatsachen. Bei den Äußerungen eines Anwalts im Prozess handelt es sich um Parteivortrag.

Die Verarbeitung ist auch zur Wahrung der berechtigten Interessen der Mandantschaft, hier der beklagten Arbeitgeberin, erforderlich. Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts wäre unmöglich, wenn er nicht grundsätzlich das vortragen dürfte, was ihm der Mandant mitteilt. Er würde sich sogar seinerseits der Gefahr der Anwaltshaftung aussetzen, wenn er entgegen § 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO nicht den Vortrag der gegnerischen Partei bestreitet und den Sachverhalt aus der Perspektive des Mandanten darstellt. Aus anwaltlicher Vorsicht ist der Rechtsanwalt gehalten, umfassend vorzutragen und zu bestreiten.

Die im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 UA 1 S. 1 f) DS-GVO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen bzw. einem Dritten (hier der Mandantschaft) an der Verarbeitung und dem Interesse des Klägers an der Vertraulichkeit seiner Daten geht zu Gunsten der Rechtsanwältin aus.

Die von der Rechtsanwältin verwendeten Daten sind weder falsch, noch durch diese in rechtswidriger Weise beschafft. Sie war bei dem Gespräch vom 29.08.2019 nicht anwesend. Sie hat auch umfassend dazu vorgetragen, dass sie selbst keinen Einblick in die „BEM-Akte“ hatte und auf Basis des Vortrags des Klägers Fragen an die Arbeitgeberin zur Sachverhaltsaufklärung stellte. Hieran besteht kein Zweifel.

In diesem Rahmen kommt es nicht darauf an, ob es sich um ein wirksames „BEM-Gespräch“ handelte. Selbst bei einem wirksam durchgeführten „BEM“ läge kein Geheimnisverrat durch die Rechtsanwältin vor. Diese darf alle Umstände nutzen, weil sie selbst mangels Teilnahme an dem Gespräch nicht der Verschwiegenheit unterliegt. Ansonsten würde sie die Interessen des Mandanten und ihre Verpflichtungen aus dem Mandatsverhältnis verletzen. Hierauf kommt es aber im vorliegenden Fall nicht an, da der Kläger selbst im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgetragen hat, dass es sich nicht um ein wirksames „BEM“ gehandelt habe. Demnach können die Inhalte des Gesprächs auch nicht der Geheimhaltung unterliegen. Der Inhalt des Gesprächs kann erst Recht verwendet werden. Dies hätte der Kläger, der promovierter Volljurist ist, erkennen müssen.

Zudem hat der Kläger die Daten und damit Gesundheitsdaten selbst ins Verfahren eingebracht, indem er den Prozess beim Arbeitsgericht mit seiner Klage einleitete und den Gegenstand dieses Verfahrens durch den von ihm geltend gemachten Anspruch auf eine leidensgerechte Beschäftigung denkbar weit fasste.

Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten des Klägers nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO ist zulässig. Denn sie erfüllt die für eine Datenverarbeitung durch den Vortrag und Speicherung im Prozess geltenden Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit f) DS-GVO.

Zwar ist vom Grundsatz her gemäß Art. 9 Abs. 1 DS-GVO die Verarbeitung von Gesundheitsdaten einer natürlichen Person untersagt. Aus Art. 9 Abs. 2 lit. f) DS-GVO ergibt sich jedoch, dass dieses Verbot dann nicht gilt, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist.

Diese Norm dient der Sicherung des Justizgewährleistungsanspruchs (vgl. Art. 47 GRCh, Art. 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG). Lässt sich ein rechtlicher Anspruch nur unter Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, hier sensitiver Gesundheitsdaten, durchsetzen, so soll es hieran nicht scheitern (Kühling/Buchner/Weichert, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 9 Rn. 83). Das Datenschutzregime soll nicht so weit gehen, dass die legitime Durchsetzung von Rechten nicht mehr möglich ist (Paal/Pauly/Frenzel DS-GVO Art. 9 Rn. 37). Dasselbe muss vor dem Hintergrund der Waffengleichheit und des effektiven Rechtschutzes auch für die Abwehr von Ansprüchen gelten. Abs. 74
Art. 9 Abs. 2 lit. f) DS-GVO verweist auf die nationalen verfahrensrechtlichen Regelungen, die einen angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten sicherstellen sollen. Ein expliziter Verweis auf nationale Regelungen war insofern nicht nötig (Kühling/Buchner/Weichert, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 9 Rn. 87).

Streitgegenstand der Verfahren vor dem ArbG Hannover und dem LAG Niedersachsen ist der vom Kläger in seinen Anträgen und Schriftsätzen geltend gemachte Anspruch auf eine leidensgerechte Beschäftigung. Hierfür legte der Kläger selbst insbesondere ärztliche Atteste, eine E-Mail vom Fr. [...] , die den Inhalt des „BEM“ zum Gegenstand hat und eine E-Mail von ihm an die Arbeitgeberin, die ebenfalls auf das „BEM“ Bezug nimmt, vor.

Falls man der Argumentation des Klägers folgt, so würde der Justizgewährleistungsanspruch einseitig zu Lasten des im arbeitsgerichtlichen Verfahren Beklagten ausgehebelt werden. Hierbei ist auch die besondere Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege zu beachten, § 1 BRAO. Aus § 3 Abs. 3 BRAO folgt, dass jedermann hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht hat, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen. Auch § 11 Abs. 2 S. 1 ArbGG sieht dies vor. Das wäre unmöglich, wenn die Rechtsanwältin im vorliegenden Fall am Vortrag im Prozess gehindert wäre.

Da die Datenverarbeitung der Rechtsanwältin rechtmäßig war und ist, hat auch der Klageantrag zu 4), über den mangels Erfolgs der Klageanträge zu 1) bis 3) zu entscheiden ist, aus den oben aufgeführten Gründen ebenfalls keinen Erfolg.


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ArbG Berlin: Befristung eines Arbeitsverhältnisses in elektronischer Form nur wirksam wenn Signatur Art. 30 der EU-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste entspricht

ArbG Berlin
Urteil vom 28.09.2021
36 Ca 15296/20

Das ArbG Berlin hat entschieden, dass die Befristung eines Arbeitsverhältnisses in elektronischer Form nur wirksam ist, wenn die Signatur Art. 30 der EU-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste entspricht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Unwirksame Befristung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund elektronischer Signatur

Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin genügt ein von beiden Seiten nur in elektronischer Form unterzeichneter befristeter Arbeitsvertrag den Formvorschriften für eine wirksame Vereinbarung einer Befristung nicht, der Arbeitsvertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Gemäß § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall haben der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin einen befristeten Arbeitsvertrag als Mechatroniker nicht durch eigenhändige Namensunterschrift auf dem Vertrag abgeschlossen, sondern unter Verwendung einer elektronischen Signatur. Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass jedenfalls die hier verwendete Form der Signatur dem Schriftformerfordernis nicht genüge. Auch wenn man annehme, dass eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des § 126a Bürgerliches Gesetzbuch zur wirksamen Vereinbarung einer Befristung ausreiche, liege in diesem Fall keine solche vor. Für eine qualifizierte elektronische Signatur sei eine Zertifizierung des genutzten Systems gemäß Artikel 30 der Verordnung (EU) vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt erforderlich. Eine solche Zertifizierung durch die gemäß § 17 Vertrauensdienstgesetz zuständige Bundesnetzagentur biete das verwendete System nicht. Entsprechend sei die Vereinbarung der Befristung mangels Einhaltung der Schriftform unwirksam, der Arbeitsvertrag gelte gemäß § 16 Teilzeit- und Befristungsgesetz als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Gegen die Entscheidung ist das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gegeben.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28.09.2021, Aktenzeichen 36 Ca 15296/20.



BAG legt EuGH Fragen zur Vereinbarkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch den Arbeitgeber mit der DSGVO zur Entscheidung vor

BAG
Beschluss vom 26.08.2021
8 AZR 253/20 (A)


Das Bundesarbeitsgericht hat dem EuGH Fragen zur Vereinbarkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch den Arbeitgeber mit der DSGVO zur Entscheidung vorgelegt.

Leitsatz des Entscheidung:

Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:

1. Ist Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) dahin auszulegen, dass es einem Medizinischen Dienst einer Krankenkasse untersagt ist, Gesundheitsdaten seines Arbeitnehmers, die Voraussetzung für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit dieses Arbeitnehmers sind, zu verarbeiten ?

2. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. verneinen sollte mit der Folge, dass nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h DSGVO eine Ausnahme von dem in Art. 9 Abs. 1 DSGVO bestimmten Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Betracht käme: Sind in einem Fall wie hier über die in Art. 9 Abs. 3 DSGVO bestimmten Maßgaben hinaus weitere, gegebenenfalls welche Datenschutzvorgaben zu beachten ?

3. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. verneinen sollte mit der Folge, dass nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h DSGVO eine Ausnahme von dem in Art. 9 Abs. 1 DSGVO bestimmten Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Betracht käme: Hängt in einem Fall wie hier die Zulässigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten
zudem davon ab, dass mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Voraussetzungen erfüllt ist ?

4. Hat Art. 82 Abs. 1 DSGVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter und muss dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zulasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters berücksichtigt werden?

5. Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

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OLG Köln: Abwerben von Mitarbeiter ist regelmäßig keine wettbewerbswidrige Behinderung und nicht wettbewerbswidrig

OLG Köln
Urteil vom 03.09.2021
6 U 81/21

Das OLG Köln hat entschieden, dass das Abwerben von Mitarbeitern regelmäßig keine wettbewerbswidrige Behinderung und damit nicht wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen;:
bb) Der Versuch des Abwerbens ist eine geschäftliche Handlung im Sinne der § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

cc) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt keine gezielte Behinderung vor. Zwar stellt das Abwerben von Arbeitnehmern eine Behinderung der Antragstellerin dar, diese ist aber nicht unzulässig.

Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers unlauter beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 210/16, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Urteil vom 21.02.2002 – I ZR 281/99, GRUR 2002, 902 – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).

Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 – EROS). Hierbei sind auch die gesetzlichen Wertungen zu berücksichtigen, insbesondere auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Das Interesse des Handelnden kann allerdings auch dann zurücktreten, wenn dieses weniger schutzwürdig ist, als das Interesse des Gegenübers oder der Allgemeinheit (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.11, mwN). Hat eine Handlung bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist diese ebenfalls als unlauter anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 – Außendienstmitarbeiter).

Bei der Abwerbung von Arbeitnehmern gilt, dass diese im Grundsatz zulässig ist. Auch insoweit müssen besondere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit begründen. Diese können in einem verwerflichen Zweck oder aufgrund verwerflicher Mittel gesehen werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.103 f., mwN). Der Zweck ist in der Regel unlauter, wenn die Abwerbung die Beeinträchtigung des Mitbewerbers bezweckt oder die unlautere Ausbeutung des Mitbewerbers angestrebt wird (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.105 f., mwN).

Nach diesen Grundsätzen liegt eine gezielte Behinderung nicht vor. Denn die Antragsgegnerin wollte in erster Linie Arbeitnehmer für den Betrieb eines eigenen Call-Centers gewinnen, ohne dass sie ein Interesse daran hatte, die Antragstellerin zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich schon daraus, dass im Bereich des Absatzmarktes kein Wettbewerbsverhältnis besteht, sodass die Antragsgegnerin nicht von einer Beeinträchtigung der Antragstellerin im Absatzmarkt profitieren kann.

Soweit auch die Verleitung zum Vertragsbruch als wettbewerbswidrige Behinderung angesehen werden kann (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.107, mwN), ist eine solche weder ersichtlich noch dargelegt.

c) Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG, auf den sich die Antragstellerin berufen hat, liegt nicht vor, wie das Landgericht in dem Beschluss vom 06.01.2021 dargelegt hat. Hiergegen hat sich die Antragstellerin nicht konkret gewandt. Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 7 Rn. 141, mwN) schließt sich der Senat an.


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LArbG Hamm: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei verspäteter oder unvollständiger Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO

LArbG Hamm
Urteil vom 11.05.2021
6 Sa 1260/20


Das LArbG Hamm hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei verspäteter oder unvollständiger Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO besteht. Im vorliegenden Fall hat das Gericht einem Arbeitnehmer 1.000 EURO zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:

II. Soweit die Klägerin den in erster Instanz unbezifferten gestellten Klageantrag nunmehr im Rahmen der Berufungsbegründung beziffert, liegt eine Klageänderung - die im Rahmen der Berufung an den Voraussetzungen des § 533 ZPO zu messen wäre - nicht vor. Gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Darunter fällt auch der Übergang von einem nicht bezifferten Feststellungsantrag zu einem bezifferten Zahlungsantrag (vgl. BGH vom 12.05.1992 – VI ZR 118/91 -; BGH vom 13.11.2014 – IX ZR 267/13-).Wird zunächst eine Stufenlage erhoben und der Auskunftsantrag gestellt, stellt der Kläger dann aber, ohne die Bescheidung des Auskunftsanspruchs abzuwarten, sogleich den Zahlungsantrag, ist dieser Antrag ebenfalls nach § § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Um eine Klageänderung handelt es sich nicht (BGH vom 13.11.2014 – IX ZR 267/13 - ). Für den Zahlungsantrag, der in erster Instanz noch nicht beziffert war, gilt hier nicht anderes.

B) Die Berufung ist indes nur im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten immateriellen Schadensersatzanspruchs begründet. Insoweit hat das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

I. Die Berufung ist teilweise begründet, soweit die Klägerin die Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes begehrt. Sie hat aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen Anspruch auf Zahlung eines solchen Schadensersatzes in Höhe von 1.000,00 Euro.

1. Der Klageantrag ist zunächst bestimmt genug, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Bei einem Schadensersatzanspruch auf Geldentschädigung, bei dem die Bestimmung des Betrages von der Ermittlung der Schadenshöhe durch Beweisaufnahme oder durch gerichtliche Schätzung oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängt, ist es ausreichend, wenn die zahlenmäßige Feststellung der Klageforderung dem Gericht überlassen wird, sofern dem Gericht zugleich die tatsächlichen Grundlagen gegeben werden, die ihm die Feststellung der Höhe des gerechtfertigten Klageanspruchs ermöglichen (vgl. BGH vom 13.03.1967 – III ZR 8/66 m.z.N.). Selbes gilt, wenn – wie hier - die ziffernmäßige Festlegung der Schadenshöhe entscheidend von der Ausübung des richterlichen Ermessens oder einer richterlichen Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO abhängt (BGH vom 13.03.1967 – III ZR 8/66 m.z.N.). Vorliegend hat die Klägerin zudem angegeben, dass sie einen Mindestschaden von 6.000,00 Euro (vgl. Berufungsbegründung vom 21.12.2020) für angemessen erachtet.

2. Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen.

Die DSGVO, die seit dem 25.05.2018 in Kraft getreten ist (Art. 99 Abs. 2 DSGVO) gilt gemäß Art. 288 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, ohne dass es einer weiteren Umsetzung durch nationales Recht bedarf.

a) Verantwortlicher im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet (Art. 4 Ziff. 7 DSGVO), mithin die Beklagte.

b) Die Beklagte hat vorliegend gegen ihre Auskunftspflicht gegenüber der Klägerin aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO verstoßen. Der Auskunftsanspruch besteht auch in einem Arbeitsverhältnis. Die allgemeinen Bestimmungen der EU-DSVO enthalten eine Vollregelung, auch zum Beschäftigtendatenschutz (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 20.12.2018 – 17 Sa 11/18 -). Der Auskunftsanspruch ist ein Grundrecht (Art. 8 Abs. 2 GRCh, Art. 6 Abs. 1 EUV) und gehört zur „Magna Charta“ der Betroffenenrechte (Lemke, der Datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch im Arbeitsverhältnis, NJW 2020, 1841ff).

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person (Art. 4 Ziff. 7 DSGVO) das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden und – soweit dies der Fall ist – das weitere Recht auf die unter lit. a) bis h) der Vorschrift benannten Informationen. Nach der Vorgabe des Art. 12 Abs. 3 S. 1-3 DSGVO ist ein solches Auskunftsbegehren binnen eines Monats nach Eingang, nach einer Unterrichtung über eine Fristverlängerung binnen zwei weiterer Monate zu beantworten.

(1) Ein solches Verlangen hat die Klägerin vorliegend mit außergerichtlichem Schreiben ihres heutigen Prozessbevollmächtigten vom 30.01.2020 gestellt. Darin hat sie unter Bezugnahme auf die Datenschutzgrundverordnung Auskunft über „sämtliche bei Ihnen gespeicherten Daten, insbesondere die Daten der Arbeitszeiterfassung“ begehrt. Das Auskunftsbegehren unterliegt nach den Bestimmungen der DSGVO keinen besonders geregelten Anforderungen an Form und Inhalt. Es kann dahinstehen, ob sich der Anspruch der Klägerin inhaltlich auf den gesamten Umfang der mit dem Schreiben geltend gemachten Daten bezieht. Aus diesem verlangen konnte die Beklagte hinreichend konkret erkennen, auf welche Rechtsgrundlage die Klägerin ihr begehren stützt. Aus Art. 4 Ziff. 2 DSGVO ergibt sich zudem, dass sich die Verarbeitung, die Gegenstand des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO ist, auf jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten bezieht. Eine Einschränkung auf einen bestimmten Auskunftsteil hat die Klägerin nicht vorgenommen. Sie hat nur formuliert, dass sich ihr Begehren „insbesondere“ aber nicht erkennbar nicht ausschließlich auf die Daten der Zeiterfassung beziehe.

(2) Der Auskunftsanspruch bezieht sich inhaltlich auf personenbezogene Daten. Dabei handelt es sich nach Art. 4 Ziff. 1 DSGVO um alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) beziehen. Zur Verarbeitung gehört nach Art. 4 Ziff. 2 DSGVO insbesondere das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung und die Verwendung solcher Daten. In einem Arbeitsverhältnis verarbeitet der Arbeitgeber zwangsläufig personenbezogene Daten der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer. Bei diesen Daten kann es sich neben den Kontaktdaten der Person etwa um Informationen über das Bestehen und die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit, über die Gewährung von Urlaubsansprüchen oder auch über Leistungs- und Verhaltensdaten handeln. Die Beklagte hat bis heute keine Auskunft darüber erteilt, ob und zu welchem Verarbeitungszweck (Art. 15 Abs. 1 lit. a)) und nach welchen Kategorien (Art. 15 Abs. 1 lit. b)) sie entsprechende Daten der Klägerin verarbeitet. Die Beklagte hat auf das gestellte Auskunftsverlangen erstmals unter dem 13.08.2020 reagiert und der Klägerin - offenbar auch im Hinblick auf das zu diesem Zeitpunkt klageweise rechtshängig gemachte und auf den Umfang der geleisteten Arbeitszeit im Arbeitsverhältnis beschränkten Auskunftsantrag – Arbeitszeitnachweise zugesendet. Eine weitere Auskunft ist – bis heute – nicht erfolgt.

(3) Eine Haftung für die Verstöße könnte nur entfallen, wenn die Beklagte für diese nicht verantwortlich wäre, Art. 83 Abs. 3 DSGVO. Dies hat die Beklagte nicht dargetan.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Klägerin durch die fehlende Erteilung der Auskunft ein immaterieller Schaden entstanden.

Das zutreffende Verständnis des Schadensbegriffs ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bislang nicht geklärt. Der Begriff kann auch nicht in seinen einzelnen, für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts notwendigen Voraussetzungen unmittelbar aus der DSGVO bestimmt werden. Auch in der bislang vorliegenden Literatur, die sich unter Bezugnahme auf den Erwägungsgrund 146 überwiegend für ein weites Verständnis des Schadensbegriffs ausspricht, sind die Details und der genaue Umfang des Anspruchs noch unklar (vgl. dazu: BVerfG vom 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19 – mit zahlreichen Nachweisen).

Weder der DSGVO noch ihren Erwägungsgründen lässt sich indes entnehmen, dass der Schadensersatzanspruch einen qualifizierten Verstoß gegen die DSGVO voraussetzt. Für die Annahme einer Erheblichkeitsschwelle oder anders - herum formuliert – die Ausnahme von Bagatellfällen, gibt es keinen Anhaltspunkt (so auch BVerfG vom 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19 -).

Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 S. 3 zur DSGVO soll der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes weit und auf eine Weise ausgelegt werden, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht. Die Ziele der DSGVO bestehen dabei u.a. darin, den Risiken für die Rechte und Freiheit natürlicher Personen zu begegnen, die - mit unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere - aus einer Verarbeitung personenbezogener Daten hervorgehen und zu einem immateriellen Schaden führen können. Dabei kann ein immaterieller Schaden nicht nur in einer Diskriminierung, einem Identitätsdiebstahl oder -betrug, einem finanziellen Verlust, einer Rufschädigung, einem Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten, der unbefugten Aufhebung der Pseudonomisierung oder anderen erheblichen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nachteilen liegen. Er kann (bereits) entstehen, wenn die von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffenen Personen daran gehindert werden, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren (vgl. Erwägungsgrund 75).

In jedem Arbeitsverhältnis verarbeitet der Arbeitgeber zwangsläufig personenbezogene Daten seiner Mitarbeiter. Jeder Arbeitgeber wird mindestens die Kontaktdaten, die Bankdaten zwecks Überweisung des Entgelts sowie Anwesenheits- und Fehlzeitendaten seiner Mitarbeiter erheben, speichern und verwenden. In welchem Umfang und in welchen Kategorien eine solche Verwendung erfolgt, ist Arbeitnehmern nicht ohne weiteres ersichtlich. Ebenso können Arbeitnehmer nicht von sich aus erkennen, ob Daten auch Dritten zur Verfügung gestellt und für welche Dauer – ggf. auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – diese Daten gespeichert bleiben. Die Beklagte wendet vorliegend nicht ein, dass sie über die der Klägerin im August 2020 übersendeten Arbeitszeitnachweise keine Weiteren personenbezogenen Daten der Klägerin verarbeitet. Eine Kontrolle über diese Daten hat die Klägerin indes nicht, solange die Beklagte ihrer Auskunftspflicht – in erster Stufe zumindest hinsichtlich der Bestätigung des „Ob“ der Verarbeitung personenbezogener Daten - nicht nachkommt. Der Klägerin fehlt dabei nicht nur die Kenntnis, welche Kategorien von Daten die Beklagte formalisiert oder nicht formalisiert verarbeitet. Sie kann ebenso nicht beurteilen, wie lange solche Daten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter gespeichert bleiben und an welche Dritte die Beklagte solche Daten ggf. weiterreicht. Die Schwere des immateriellen Schadens, mithin das Gewicht der Beeinträchtigung, das die Klägerin – subjektiv – wegen der bestehenden Unsicherheit und des Kontrollverlustes empfinden mag, ist für die Begründung der Haftung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO und mithin für die Frage des „ob“ eines entstandenen Schadens nicht erheblich (so auch ArbG Düsseldorf vom 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18).

d) Die Klägerin hat die Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt, § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles geht die Berufungskammer davon aus, dass der Klägerin zur Abgeltung des immateriellen Schadens ein Geldanspruch in Höhe von 1.000,00 Euro zusteht.

(1) Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 (Satz 6) zur DSGVO soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Insoweit erscheint eine Orientierung an dem Kriterienkatalog für die Bemessung von Bußgeldern in Art. 83 Abs. 2 S. 2 DSGVO naheliegend (so auch ArbG Düsseldorf vom 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18 -). Danach sind für die Ermittlung der Höhe einer Geldbuße u. a. die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung, der Grad des Verschuldens, Maßnahmen zur Minderung des den betroffenen Personen entstandenen Schadens, frühere einschlägige Verstöße sowie die Kategorien der betroffenen personenbezogenen Daten zu betrachten. Bei der Bemessung der Entschädigung für immaterielle Schäden kommt den Gerichten grundsätzlich ein weites Ermessen zu, § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO. Es müssen mithin sowohl sämtliche Auswirkungen des konkreten Datenschutzverstoßes für die geschädigte Person als auch sämtliche in der Person des Schädigers liegenden, insbesondere die Tatsituation und den Verschuldensgrad betreffenden, Umstände berücksichtigt werden (vgl. Oetker in MüKoBGB, 8. Auflage 2019, § 253 ZPO Rz. 36 ff).

2) In Anwendung des zuvor dargestellten Maßstabs ist unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ein Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 Euro angemessen.

Dabei hat die Kammer zu Lasten der Beklagten berücksichtigt, dass diese die Auskunft nach Art. 5 Abs. 1 DSGVO bis zum heutigen Tag nicht erteilt hat. Die Beklagte hat der Klägerin lediglich im August 2020 Arbeitszeitnachweise übermittelt. Damit hat die Beklagte den Auskunftsanspruch allenfalls rudimentär erfüllt. Schriftsätzlich hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, dass die Klägerin in dem Schreiben vom 30.01.2020 zu Unrecht Auskunft über „sämtliche Daten“ gefordert habe, obgleich ein Anspruch sich allenfalls auf solche Daten beziehe könne, die die Klägerin persönlich betreffen. Soweit die Beklagte darin eine Rechtfertigung erblickt, einem aus ihrer Sicht unklaren oder überzogenen Begehren nicht nachkommen zu müssen, kann dies nur zu ihren Lasten berücksichtigt werden. Zum einen erscheint eine derart weite Auslegung des Begehrens der Klägerin im Kontext des Schreibens bereits fernliegend. So erläutert der Prozessvertreter in dem Schreiben vom 30.01.2020, dass die Beklagte nach Auskunft seiner Mandantin, die Arbeitszeit elektronisch erfasse, dass es sich bei der Erfassung dieser Daten um personenbezogene Daten handele und die Mandantin daher „ihren“ Auskunftsanspruch nach der Datenschutz-Grundverordnung geltend mache. Auch für einen unbefangenen Leser ist erkennbar, dass die Klägerin keine Auskunft über Daten begehrt, die mit ihrer Person nicht in Zusammenhang stehen. Von dieser Auslegung ist die Beklagte indes auch im Kammertermin nicht abgerückt. Ein Problembewusstsein der Beklagten im Hinblick auf die Verletzung eines Rechts, dass der Europäischen Verordnungsgeber, wie sich bereits aus Art. 8 Abs. 2 der Grundrechtscharta zeigt, als sehr bedeutsam einordnet, vermochte die Berufungskammer nicht zu erkennen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin die tatsächliche Erteilung der Auskunft in der Zukunft noch außergerichtlich erreichen wird. Zugunsten der Beklagten kann insoweit nur unterstellt werden, dass einschlägige frühere Verstöße nicht vorliegen.

Obwohl das vorgehend dargestellte Verhalten die Annahme nahelegt, dass die Beklagte den Umfang und die Bedeutung ihrer Verpflichtung aus der Datenschutzgrundverordnung jedenfalls fahrlässig grob verkennt, ist zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie die tatsächliche Erlangung der ihr nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zustehenden Informationen in Erkennung des Umstandes, dass die Beklagte diesem Auskunftsbegehren nicht ohne Weiteres nachkommen wird, bislang nicht konsequent verfolgt hat. Nachdem die Beklagte im August 2020 Arbeitsnachweise erteilt hat, hat die Klägerin den Auskunftsanspruch insoweit für erledigt erklärt. Sie hat aber in der Folgezeit davon abgesehen, ihr Auskunftsverlangen im Weiteren gerichtlich geltend zu machen, um eine tatsächliche Durchsetzung zu erreichen. Vielmehr hat die Klägerin sich darauf beschränkt, unter Berufung auf die fehlende Auskunft einen immateriellen Schadensersatzanspruch gerichtlich einzuklagen. Ihr Prozessverhalten deutet für die Berufungskammer darauf hin, dass die tatsächliche Erlangung einer Kontrolle über die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten nicht ihr primäres Ziel ist. Es drängt sich vielmehr für die Berufungskammer der Eindruck auf, dass es ihr in dem außergerichtlichen Schreiben vom 30.01.2020 maßgeblich um die Herausgabe der Arbeitsaufzeichnungen zum Zwecke der Bezifferung einer beabsichtigten Überstundenklage ging. Obwohl sie durch die nach wie vor ausstehende Auskunft nach wie vor keine Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten hat, die bei der Beklagten – auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – gegebenenfalls weiter verwendet werden, lässt das Verhalten der Klägerin nicht erkennen, dass dieser Umstand als solcher eine besondere Belastung für sie darstellt, die nicht jedenfalls mit der Zahlung eines Schadensersatzbetrages kompensiert werden könnte. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Klägerin beabsichtigt, die tatsächliche Erteilung der Auskunft auch im Falle der Zahlung eines Schadensersatzes durch die Beklagte weiterzuverfolgen. Dies deutet darauf hin, dass ihre persönliche Betroffenheit im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit der Kontrolle ihrer personenbezogenen Daten überschaubar ist und Zweifel an der Nachhaltigkeit des Auskunftsverlangens berechtigt erscheinen. Dieser Umstand ist bei der Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes - anders als bei der Frage des Entstehens eines solchen - zu berücksichtigen.

Inwieweit die Höhe des Schadensersatzes auch von dem nach Art. 4 Ziffer 7 DSGVO Verantwortlichen und dessen Finanzkraft abhängen mag (so ArbG Düsseldorf 5. März 2020 – 9 Ca 6557/18), kann dahinstehen. Keine der Parteien hat vorliegend Angaben diesbezüglich getätigt. Der Umstand, dass es sich bei der Beklagten um einen Kleinbetrieb handelt, hat für sich genommen keine Aussagekraft hinsichtlich der Finanzkraft des Unternehmens.

Unter Berücksichtigung all dessen hat die Kammer für den Verstoß der Beklagten gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO insgesamt einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.000,00 Euro angesetzt.


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LfD Niedersachsen: 10,4 Millionen Euro Bußgeld gegen notebooksbilliger.de wegen nicht datenschutzkonformer Videoüberwachung von Mitarbeitern

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen hat gegen die notebooksbilliger.de AG ein Bußgeld in Höhe von 10,4 Millionen Euro wegen angeblich nicht datenschutzkonformer Videoüberwachung seiner Mitarbeiter verhängt. Der Bescheid ist nicht rechtskräftig.

Die Pressemitteilung der LfD Niedersachsen:

LfD Niedersachsen verhängt Bußgeld über 10,4 Millionen Euro gegen notebooksbilliger.de

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen hat eine Geldbuße über 10,4 Millionen Euro gegenüber der notebooksbilliger.de AG ausgesprochen. Das Unternehmen hatte über mindestens zwei Jahre seine Beschäftigten per Video überwacht, ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage vorlag. Die unzulässigen Kameras erfassten unter anderem Arbeitsplätze, Verkaufsräume, Lager und Aufenthaltsbereiche.

Das Unternehmen hatte sich darauf berufen, dass es Ziel der installierten Videokameras gewesen sei, Straftaten zu verhindern und aufzuklären sowie den Warenfluss in den Lagern nachzuverfolgen. Zur Verhinderung von Diebstählen muss eine Firma aber zunächst mildere Mittel prüfen (z. B. stichprobenartige Taschenkontrollen beim Verlassen der Betriebsstätte). Eine Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten ist zudem nur rechtmäßig, wenn sich ein begründeter Verdacht gegen konkrete Personen richtet. Ist dies der Fall, kann es zulässig sein, diese zeitlich begrenzt mit Kameras zu überwachen. Bei notebooksbilliger.de war die Videoüberwachung aber weder auf einen bestimmten Zeitraum noch auf konkrete Beschäftigte beschränkt. Hinzu kam, dass die Aufzeichnungen in vielen Fällen 60 Tage gespeichert wurden und damit deutlich länger als erforderlich.

Generalverdacht reicht nicht aus

„Wir haben es hier mit einem schwerwiegenden Fall der Videoüberwachung im Betrieb zu tun“, sagt die LfD Niedersachsen, Barbara Thiel, „Unternehmen müssen verstehen, dass sie mit einer solch intensiven Videoüberwachung massiv gegen die Rechte ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstoßen“. Auch die immer wieder vorgebrachte, angeblich abschreckende Wirkung der Videoüberwachung rechtfertige keinen dauerhaften und anlasslosen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten. „Wenn das so wäre, könnten Unternehmen die Überwachung grenzenlos ausdehnen. Die Beschäftigten müssen aber ihre Persönlichkeitsrechte nicht aufgeben, nur weil ihr Arbeitgeber sie unter Generalverdacht stellt“, so Thiel. „Videoüberwachung ist ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, da damit theoretisch das gesamte Verhalten eines Menschen beobachtet und analysiert werden kann. Das kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dazu führen, dass die Betroffenen den Druck empfinden, sich möglichst unauffällig zu benehmen, um nicht wegen abweichender Verhaltensweisen kritisiert oder sanktioniert zu werden.“

Auch Kundinnen und Kunden von notebooksbilliger.de waren von der unzulässigen Videoüberwachung betroffen, da einige Kameras auf Sitzgelegenheiten im Verkaufsraum gerichtet waren. In Bereichen, in denen sich Menschen typischerweise länger aufhalten, zum Beispiel um die angebotenen Geräte ausgiebig zu testen, haben die datenschutzrechtlich Betroffenen hohe schutzwürdige Interessen. Das gilt besonders für Sitzbereiche, die offensichtlich zum längeren Verweilen einladen sollen. Deshalb war die Videoüberwachung durch notebooksbilliger.de in diesen Fällen nicht verhältnismäßig.

Die 10,4 Millionen Euro sind das bisher höchste Bußgeld, das die LfD Niedersachsen unter Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ausgesprochen hat. Die DS-GVO ermöglicht es den Aufsichtsbehörden, Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu 4 Prozent des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes eines Unternehmens zu verhängen – je nachdem, welcher Betrag höher ist. Das gegen notebooksbilliger.de ausgesprochene Bußgeld ist noch nicht rechtskräftig. Das Unternehmen hat seine Videoüberwachung mittlerweile rechtmäßig ausgestaltet und dies der LfD Niedersachsen nachgewiesen.


ArbG Augsburg: Kein Anspruch auf Homeoffice oder Einzelbüro - Arbeitgeber entscheidet wie er Pflicht zu Schutzmaßnahmen nach § 618 BGB nachkommt

ArbG Augsburg
Urteil vom 07.05.2020
3 Ga 9/20


ArbG Augsburg hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer nach derzeit geltender Rechtslage keinen Anspruch auf Homeoffice oder ein Einzelbüro hat. Der Arbeitgeber entscheidet - so das Gericht - , wie er seiner Pflicht zu Schutzmaßnahmen nach § 618 BGB nachkommt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Der Antrag 1 war mangels Verfügungsanspruch abzuweisen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verfügungsanspruch insoweit nicht ausreichend glaubhaft gemacht ist. Die vom Kläger im Termin 7.5.2020 übergebene eidesstattliche Versicherung, gesetzt auf eine Kopie seines Antragsschriftsatzes, erfüllt nicht die zu stellenden Anforderungen an eine eidesstattliche Versicherung.

Unabhängig davon besteht aber auch in der Sache selber kein Anspruch des Klägers auf einen Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz (Homeoffice), ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Vertrag noch aus Gesetz.

Es obliegt allein dem Arbeitgeber, wie er seinen Verpflichtungen aus § 618 BGB gerecht wird und sie ermessensgerecht durch entsprechende Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechtes umsetzt, um das Ziel zu erreichen, den hausärztlichen Empfehlungen des Klägers zu entsprechen.

2. Der weitergehende Antrag, der unter Bedingungen und somit hilfsweise gestellt ist, ist ebenfalls mangels Verfügungsanspruch abzuweisen.

Ein Anspruch des Klägers auf ein Einzelbüro besteht nicht, auch insoweit fehlt es an einer vertraglichen bzw. gesetzlichen Regelung, welche den Anspruch des Klägers stützen könnte.

Auch insoweit ist jedoch der Arbeitgeber verpflichtet, die notwendigen und erforderlichen Schutzmaßnahmen zu Gunsten des Klägers auf Grund § 618 BGB zu ergreifen, umso mehr eine entsprechende hausärztliche Empfehlung vorliegt. Dies kann auch ein Büro mit mehreren Personen sein, wenn entsprechende Schutzvorkehrungen vorhanden sind. Im Ergebnis kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da nach dem Sachvortragt der Beklagten, sobald seine Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt ist, in einem Büro alleine beschäftigt wird. Mehr kann der Kläger nicht verlangen."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LAG Düsseldorf: Betriebsrat darf nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers Einsicht in elektronische Personalakte nehmen

LAG Düssedorf
Beschluss vom 23.06.2020
3 TaBV 65/19


Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass der Betriebsrat nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers Einsicht in elektronische Personalakte nehmen darf.

Die Pressemitteilung des LAG Düsseldorf:

Keine Einsicht des Betriebsrats in die elektronische Personalakte ohne Zustimmung der Arbeitnehmer

Die Arbeitgeberin bietet Produkte und Dienstleistungen aus den Bereichen Mobilfunk, Festnetz, Datendienste und Breitbandinternet an. Bei ihr ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet. Zudem bestehen zwölf örtliche Betriebsräte. In der
Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und Nutzung von elektronischen Personalakten (GBV EFM) heißt es in Ziffer 8.3.:
„Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende und der örtliche Betriebsratsvorsitzende erhält permanenten Zugriff auf die elektronische
Personalakte mit Ausnahme der Akten der Leitenden Mitarbeiter und der Mitarbeiter des Personalbereichs. Die örtlichen Betriebsratsvorsitzenden erhalten Zugriff auf die Akten des Wahlbetriebs, für den sie zuständig sind. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende erhält Zugriff auf die Akten des gesamten Unternehmens.“

Die Arbeitgeberin verwehrt der Betriebsratsseite diesen Zugriff. Der Gesamtbetriebsrat hat daher das vorliegende Verfahren eingeleitet, mit dem er einen Anspruch auf Durchführung von Ziffer 8.3 der GBV EFM und damit die Einräumung eines
Einsichtsrechts in die elektronischen Personalakten für die örtlichen Betriebsratsvorsitzenden sowie anderenfalls hilfsweise die Feststellung geltend macht, dass die GBV EFM insgesamt unwirksam ist. Die Arbeitgeberin wendet ein, Ziffer 8.3 GBV EFM sei rechtswidrig.

Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge des Gesamtbetriebsrats ebenso wie das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Ziffer 8.3. GBV EFM ist unwirksam. Das generelle Einsichtsrecht der Betriebsratsvorsitzenden in die elektronische Personalakte der
Arbeitnehmer, das nicht von deren Zustimmung abhängig ist, verletzt die Arbeitnehmer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, das die Betriebsparteien gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG bei ihren Regelungen zu achten haben. Zur Kontrolle der Regelungen aus der GBV EFM ist ein derart weites Einsichtsrecht der Betriebsratsseite weder geeignet noch erforderlich und verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer in unangemessener Weise. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die GBV EFM weitere spezifische Kontrollrechte für
die Betriebsratsseite enthält. Die GBV EFM bleibt im Übrigen wirksam, weil sie auch ohne Ziffer 8.3. in sich geschlossene und sinnvoll anwendbare Regelungen enthält.

Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2020 - 3 TaBV 65/19
Arbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 10.10.2019 - 16 BV 114/18