Das LG Schweinfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige gesundheitsbezogene Angabe durch Bewerbung eines alkoholfreien Weins mit "Der ideale Begleiter für alle, die gesund und bewusst genießen” vorliegt.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte, es zu unterlassen, Verbrauchern gegenüber im Internet mit der Angabe zu werben und/oder werben zu lassen, alkoholfreier Wein sei „der ideale Begleiter für alle, die gesund und bewusst genießen“, wie geschehen gemäß Screenshots nach Anlagen K 4 und K 5.
Die Aussage, der von der Beklagten als alkoholfrei vertriebene Wein sei „der ideale Begleiter für alle, die gesund genießen“, stellt eine unlautere geschäftliche Handlung gemäß §§ 3 Abs. 1, 3a UWG dar, da es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 VO (EG) 1924/2006 [Health-Claims-VO] handelt, die nach Art. 10 Abs. 1 VO (EG) 1924/2006 verboten ist, so dass ein Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG besteht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 17.05.2018 - I ZR 252/16) liegt eine „gesundheitsbezogene Angabe“ auch dann vor, wenn damit zum Ausdruck gebracht wird, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem Verzehr des Lebensmittels einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Aussage, der von der Beklagten als alkoholfrei vertriebene Wein sei der ideale Begleiter für alle, die gesund genießen, ist nur sinnvoll zu verstehen, wenn beim Konsum des von der Beklagten als alkoholfrei vertriebenen Weins für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem Verzehr von Wein einhergehen oder sich ihm anschließen, zumindest geringer ausfallen. Mit dem Begriff „idealer Begleiter“ wird zum Ausdruck gebracht, dass sich dieser Wein gut mit einem gesunden Genuss von Lebensmitteln kombinieren lässt. Diese Aussage wäre logisch nicht nachzuvollziehen, wenn der Konsum dieses Weins die gleichen Auswirkungen auf die Gesundheit hätte wie der Konsum klassischen Weins mit dem entsprechenden Alkoholgehalt.
Der Unterlassungsanspruch ist gemäß § 11 UWG nicht verjährt, da die Verjährung von Unterlassungsansprüchen auf Grund einer Dauerhandlung nicht beginnen kann, solange der Eingriff noch fortdauert (KöhIer/Feddersen/Köhler, 43. Aufl. 2025, UWG § 11 Rn. 1.21), und sich die Werbeaussage noch am 10.07.2024 auf der Internetseite der Beklagten befand.
Die EU-Kommission hat Geldbußen gegen Delivery Hero und Glovo in Höhe von 329 Mio. EURO wegen der Bildung eines Kartells im Bereich Online-Lieferdienste für Lebensmittel verhängt.
Die Pressemitteilung des EU-Kommission: Die Kommission hat gegen Delivery Hero und Glovo, zwei große Lieferdienste, Geldbußen in Höhe von insgesamt 329 Mio. EUR wegen Bildung eines Kartells auf dem Markt für die Auslieferung von Speisen auf Online-Bestellung verhängt.
Die beiden Unternehmen hatten u. a. vereinbart, sich nicht gegenseitig Personal abzuwerben, sensible Geschäftsinformationen ausgetauscht und räumliche Märkte untereinander aufgeteilt. Die Zuwiderhandlung erstreckte sich auf den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und dauerte vier Jahre. Derartige Kartelle verringern die Auswahl für Verbraucher und Geschäftspartner, die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer und die Anreize für Wettbewerb und Innovation.
Beide Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu. Dies ist der erste Beschluss, bei dem die Kommission ein Kartell ahndet, das den Arbeitsmarkt betrifft; außerdem wird erstmals die wettbewerbswidrige Ausnutzung einer Minderheitsbeteiligung an einem konkurrierenden Unternehmen sanktioniert.
Die Zuwiderhandlung
Delivery Hero und Glovo zählen zu den größten Lebensmittel-Lieferdiensten in Europa. Sie liefern (von einem Restaurant oder einer gewerblichen Küche zubereitete) Speisen, Lebensmittel und andere Einzelhandelsprodukte an Kunden, die über eine App oder im Internet bestellen.
Im Juli 2018 erwarb Delivery Hero eine Minderheitsbeteiligung an Glovo und erhöhte diese durch weitere Anteilskäufe schrittweise. Im Juli 2022 übernahm Delivery Hero die alleinige Kontrolle über Glovo.
Wie die Kommission feststellte, haben Delivery Hero und Glovo von Juli 2018 bis Juli 2022 schrittweise den gegenseitigen Wettbewerbsdruck beseitigt und die Konkurrenz untereinander durch mehrschichtige wettbewerbswidrige Abmachungen ersetzt. Die beiden Unternehmen einigten sich insbesondere auf Folgendes:
Keine Abwerbung von Mitarbeitern: Die beim Erwerb der ersten Minderheitsbeteiligung durch Delivery Hero unterzeichnete Aktionärsvereinbarung enthielt Klauseln, mit denen beide Unternehmen verpflichtet wurden, auf die Einstellung bestimmter Mitarbeiter des Konkurrenten zu verzichten. Kurz darauf wurde diese Regelung zu einem allgemeinen gegenseitigen Abwerbeverbot erweitert.
Austausch sensibler Geschäftsinformationen: Der Austausch sensibler Geschäftsinformationen (z. B. über Geschäftsstrategien, Preise, Kapazität, Kosten und Produktmerkmale) ermöglichte es den Unternehmen, ihr Marktverhalten untereinander anzupassen.
Gegenseitige Abgrenzung räumlicher Märkte: Insbesondere vereinbarten die beiden Unternehmen, die nationalen Märkte für die Essensauslieferung auf Online-Bestellungen im EWR untereinander aufzuteilen, indem sie alle bestehenden räumlichen Überschneidungen untereinander beseitigten, von Marktzutritten auf dem Terrain des anderen absahen und Absprachen trafen, welches der beiden Unternehmen auf Märkten tätig werden sollte, auf denen sie bislang noch nicht vertreten waren.
EuGH
Urteil vom 30.04.2025 C-386/23
Novel Nutriology GmbH gegen Verband Sozialer Wettbewerb e. V.
Der EuGH hat entschieden, dass die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für pflanzliche Stoffe (Botanicals) nach der Health Claims-Verordnung derzeit unzulässig ist.
Die Pressemitteilung des EuGH: Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben über pflanzliche Stoffe ist derzeit verboten
Das grundsätzliche Verbot gilt solange, bis die Kommission die Prüfung dieser Angaben abgeschlossen und sie in die Listen der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben aufgenommen hat, sofern die Verwendung der Angaben nicht bereits nach einer Übergangsregelung zulässig ist
Das deutsche Unternehmen Novel Nutriology vertreibt ein Nahrungsergänzungsmittel, das Safran- und Melonensaft-Extrakte enthält. Das Unternehmen warb für das Nahrungsergänzungsmittel damit, dass diese Extrakte stimmungsaufhellend wirkten sowie Stressgefühle und Erschöpfung reduzierten.
Ein deutscher Wirtschaftsverband verklagte Novel Nutriology vor den deutschen Gerichten auf Unterlassung dieser Angaben, die unionsrechtswidrig seien.
Zu dieser Fragestellung hat der Bundesgerichtshof den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht.
Der Gerichtshof stellt fest, dass nach einer Verordnung aus dem Jahr 20061 die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben bei der Werbung2 für Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich verboten ist. Die Verwendung kann zulässig sein, sofern es sich um von der Kommission zugelassene und in die Liste der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben aufgenommene Angaben handelt.
Allerdings hat die Kommission ihre Prüfung der gesundheitsbezogenen Angaben über pflanzliche Stoffe ausgesetzt und sie daher noch nicht in die Listen zulässiger gesundheitsbezogener Angaben aufgenommen.
Die Prüfung und das Erfordernis einer Zulassung durch die Kommission sollen sicherstellen, dass gesundheitsbezogene Angaben wissenschaftlich abgesichert sind, wodurch die Verbraucher und die menschliche Gesundheit geschützt werden sollen.
Daher dürfen gesundheitsbezogene Angaben zu pflanzlichen Stoffen derzeit nicht bei der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden.
Etwas anderes kann gelten, wenn die geforderten Angaben unter eine Übergangsregelung fallen, die in der Verordnung aus dem Jahr 2006 vorgesehen ist.
Nach den Angaben des Bundesgerichtshofs ist dies vorliegend nicht der Fall. Es handelt sich nämlich um gesundheitsbezogene Angaben über psychische Funktionen, die in Deutschland vor dem Inkrafttreten der Verordnung keiner Bewertung unterzogen und nicht zugelassen wurden. Für solche Angaben hätte vor dem 19. Januar 2008 bei der zuständigen nationalen Behörde ein Zulassungsantrag gestellt werden müssen, was Novel Nutriology nicht getan hat.
Tenor der Entscheidung:
Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel in der durch die Verordnung (EG) Nr. 109/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen,
dass er dem entgegensteht, im Rahmen der kommerziellen Werbung für ein aus „Botanicals“ bestehendes Nahrungsergänzungsmittel im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern spezielle gesundheitsbezogene Angaben über solche Stoffe zu verwenden, die psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen beschreiben oder darauf verweisen, oder auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile solcher Stoffe für die Gesundheit im Allgemeinen und das gesundheitsbezogene Wohlbefinden zu verweisen, solange die Europäische Kommission die Prüfung der gesundheitsbezogenen Angaben über pflanzliche Stoffe im Hinblick auf ihre Aufnahme in eine der Listen der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben nach den Art. 13 und 14 der Verordnung Nr. 1924/2006 nicht abgeschlossen hat, wenn den Verweisen keine in diesen Listen enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, es sei denn, die Verwendung solcher Angaben ist nach Art. 28 Abs. 6 dieser Verordnung zulässig.
Das OLG Bamberg hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die HCVO und die LMIV vorliegtem, wenn ein Nahrungsergänzungsmittels mit dem Begriff "Fatburner" beworben wird.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht sowohl der unter Ziff. 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch als auch der unter Ziff. 2 geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten im beantragten Umfang zu.
a. Unterlassungsantrag zu Ziff. 1 aa. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt gem. §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Nr. 39 UKIaG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 HCVO.
Nach Art. 10 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln verboten, wenn sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II sowie den speziellen Anforderungen in Kapitel IV der HCVO entsprechen, nach ihr zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 HCVO aufgenommen sind. Dieses Verbot greift vorliegend ein.
(1) Die Produktbezeichnung „Fatburner“ stellt eine Angabe dar. Nach der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO ist dieser Begriff weit zu verstehen. Er erfasst alle Aussagen oder Darstellungen, die beim normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein bestimmtes Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften (BGH, GRUR 2015, 498, 500 Rn. 19 – Combiotik; GRUR 2014, 1013, 1016 Rn. 22 – Original Bach-Blüten). Dies ist vorliegend der Fall. Der Begriff „Fatburner“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Substanz verstanden, die unmittelbar die körpereigene Fettverbrennung fördert (vgl. den Eintrag bei „de.wikipedia.org/wiki/Fatburner“, Abruf am 18.11.2024). Dabei handelt es sich um eine besondere Eigenschaft, die nicht Nahrungsergänzungsmitteln insgesamt innewohnt, und mithin um eine Angabe gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO (OLG Hamburg, LMuR 2022, 321, 322; OLG Koblenz, GRUR-RS 2021, 34618 Rn. 49).
Entgegen der Ansicht der Beklagten beschreibt die Bezeichnung „Fatburner“ nicht lediglich die im normalen Stoffwechsel ohnehin stattfindende Fettverbrennung. Zwar hat die Beklagte mit einer beschleunigten oder verstärkten Fettverbrennung nicht ausdrücklich geworben; ein Produkt ist aber völlig wertlos, wenn es sich darauf beschränkt, eine ohnehin vorhandene Körperfunktion von seiner Einnahme unabhängig unverändert fortdauern zu lassen. Dies unterlegt die Beklagte selbst, wenn sie auf der Rückseite der Produktverpackung schreibt: „Jeder weiß, dass körperliche Betätigung und eine kalorienreduzierte Diät dabei [= beim Fettstoffwechsel, Anm. des Senats] eine wichtige Rolle spielen. Doch man kann noch mehr tun.“ (Anlage K 1, S. 5). Bei verständiger Betrachtung erwartet der durchschnittliche Verbraucher daher zumindest eine fördernde Wirkung des Produkts auf die Fettverbrennung.
(2) Die Angabe „Fatburner“ ist gesundheitsbezogen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO (OLG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2021 – 3 U 50/21, LMuR 2022, 321, 323; Beschluss vom 22.12.2020 – 3 U 194/18, GRUR-RS 2020, 55534 Rn. 19; OLG Koblenz, Urteil vom 30.06.2021 – 9 U 1268/20, GRUR-RS 2021, 34618 Rn. 69; LG Berlin, Urteil vom 30.05.2022 – 101 O 43/22 –, Rn. 27 f., juris; LG Itzehoe, Urteil vom 13.04.2023 – 8 HK O 16/22 –, Rn. 36, juris). Eine Angabe ist gesundheitsbezogen, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, es bestehe ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits. Der Begriff Zusammenhang ist dabei weit zu verstehen. Er erfasst jeden Zusammenhang, der die Verbesserung eines Gesundheitszustandes dank des Verzehrs eines Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161, 1162 Rn. 35 ff. – Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2013, 189, Rn. 9 – Monsterbacke; BGH, GRUR 2013, 958, Rn. 10 – Vitalpilze). Maßgeblich ist dabei nach Erwägungsgrund 16 zur HCVO, wie Angaben über Lebensmittel von Verbraucherinnen und Verbrauchern verstanden werden, wobei auf das Verständnis des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist, welches naturgemäß auch durch Vorerwartungen und Kenntnisse geprägt wird (BGH, GRUR 2014, 500, 501 Rn. 18 – Praebiotik; OLG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2020 – 3 U 194/18, GRUR-RS 2020, 55534 Rn. 20).
Nach diesen Maßstäben ist die Bezeichnung „Fatburner“ gesundheitsbezogen. Sie suggeriert, das gegenständliche Produkt erhöhe die Fettverbrennung und trage so unmittelbar zur Gewichtsreduktion bei. Dass Übergewicht gesundheitsschädlich, seine Reduktion mithin gesundheitsförderlich, ist, ist allgemein bekannt.
Ob es sich bei Angaben über schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften des Lebensmittels begrifflich um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Definition des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handelt, kann letztlich allerdings dahinstehen, weil der Gesetzgeber mit der Bezugnahme des Art. 10 HCVO auf Art. 13 HCVO positiv entschieden hat, dass solche Angaben dem Verbot des Art. 10 in jedem Fall unterworfen sind. Art. 13 Abs. 1 lit. c HCVO bezieht sich ausdrücklich auf schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften eines Lebensmittels [Sosnitza/Meisterernst/Rathke/Hahn, Lebensmittelrecht, 174. EL Juli 2019, VO (EG) 1924/2006, Art. 10 Rn. 5].
(3) Die Angabe „Figura Fatburner“ ist eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO.
Für eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 10 Abs. 1 HCVO in Abgrenzung zur allgemeinen gesundheitsbezogenen Angabe nach Art. 10 Abs. 3 HCVO ist ein qualifizierter Funktionszusammenhang erforderlich. Es kommt darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung in einem Zulassungsverfahren überprüft werden kann (BGH, GRUR 2020, 1007, 1009 Rn. 23 – B-Vitamine II; GRUR 2016, 1200, 1201 f. Rn. 24 – Repair-Kapseln; Meisterernst, Lebensmittelrecht, 2. Aufl. 2024, § 11 Rn. 85).
Die Produktbezeichnung „Fatburner“ stellt einen unmittelbaren Zusammenhang seiner Einnahme mit einer Gewichtsreduktion durch Abbau überflüssigen Körperfetts her. Es handelt sich um einfache englische Begriffe, die in ihrer Zusammensetzung vom durchschnittlichen Verbraucher als „Fettverbrenner“ verstanden werden. Kern der Aussage ist, dass bei Einnahme des Produkts eine erhöhte Fettverbrennung durch Beschleunigung des Fett- und Energiestoffwechsels erzielt werden könne. Dies stellt einen unmittelbaren Wirkungszusammenhang zwischen der Einnahme des Lebensmittels und einer Funktion des menschlichen Organismus, nämlich des Fettstoffwechsels, her, dessen wissenschaftliche Absicherung der Überprüfung in einem Zulassungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 HCVO zugänglich ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2020 – 3 U 194/18, GRUR-RS 2020, 55534 Rn. 26; OLG Frankfurt, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 38/18 –, Rn. 29, juris).
(4) Die Angabe ist unzulässig, weil sie weder in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 Abs. 3 HCVO i. V. m. Verordnung (EU) 432/2012 aufgenommen worden noch nach anderen Regelungen erlaubt ist.
Es reicht nicht aus, dass auf der Verpackungsrückseite die unstreitig zugelassenen Claims für Cholin und Chrom „Cholin trägt zu einem normalen Fettstoffwechsel bei“ bzw. „Chrom trägt zu einem normalen Stoffwechsel von Makronährstoffen bei“ abgedruckt sind, da – wie oben aufgezeigt – die der Bezeichnung Figura Fatburner zugeschriebene Bedeutung über diejenige der einzelnen Stoffe Cholin und Chrom hinausgeht.
Zu Recht weist die Beklagte zwar darauf hin, dass für die Auslegung von gesundheitsbezogenen Angaben die maßgeblichen Begriffe nicht isoliert betrachtet, sondern in den Kontext der gesamten Produktaufmachung gestellt werden müssen (BGH, GRUR 2016, 412, 416 Rn. 49 – Lernstark; OLG München, Urteil vom 11.04.2024 – 29 U 3902/20, GRUR-RS 2024, 23216 Rn. 38 – 7 x mehr). Der Begriff des Fatburners erhält aber auch im Kontext der Gesamtaufmachung des Produkts keine andere Bedeutung. Insbesondere ist er nicht so zu verstehen, seine Funktionsweise beschränke sich auf die Wirkungen von Cholin und Chrom, die auf der Verpackungsrückseite mittels eines zugelassenen Claims abgedruckt sind.
Unstreitig besteht das Produkt „Figura Fatburner“ nicht nur aus diesen beiden Stoffen, sondern enthält weitere Bestandteile, u. a. den „Zitrus-Guarana-Komplex“. Bei diesem kann es sich nicht um bloße Füll- oder Trägerstoffe handeln, sondern ihm wird eine eigenständige förderliche Wirkung zugeschrieben. Das legt bereits die deutliche Hervorhebung auf der Vorderseite nahe und wird erst recht durch die auf der Rückseite verwendete Formulierung „Zudem“ – also über Cholin und Chrom hinaus – „ist die bewährte Kombination aus Zitrusfrüchten und Guarana enthalten“ suggeriert. Wenn dieser Kombination keine selbständige positive Wirkung zugeschrieben würde, wäre sie nicht als „bewährt“ bezeichnet worden. Der durchschnittliche Verbraucher erwartet daher, dass das Produkt „Figura Fatburner“ neben den Wirkungen von Cholin und Chrom auch auf den Wirkungen des Zitrus-Guarana-Komplexes basiert.
Dem steht die von der Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 12.11.2014 (6 U 123/14; BeckRS 2015, 3326) nicht entgegen. Dieser Entscheidung lag ein Produkt zugrunde, das den schlichten Namen „Nahrungsergänzungsmittel mit Ginkgo Ginseng + B-Vitamine“ trug. Eine besondere Wirkung ließ sich aus diesem Namen isoliert betrachtet nicht ableiten. Es unterscheidet sich damit wesentlich von dem hier gegenständlichen Produkt „fatburner“. Gleiches gilt für das Urteil des LG Düsseldorf vom 28.08.2014, Az. 14c O 138/13 (LMuR 2014, 250), das ein Produkt mit der Bezeichnung „Doppelherz aktiv Ginkgo + B-Vitamine + Cholin“ zum Gegenstand hatte.
Außerdem weist der auf der Produktvorderseite abgebildete flache Bauch und der mit dem Begriff „Fatburner“ verbundene Name „Figura“ auf eine unmittelbar fettabbauende Wirkung im Bauchbereich hin, also zur Reduktion von Bauchfett. Die Abbildung einer schlanken Taille allein wäre bereits eine Angabe im Sinne des Art. 2 Nr. 1 HCVO, auch wenn eine schlankmachende Wirkung nicht textlich behauptet wird (Holle/Hüttebräuker/Conte-Salinas, HCVO, 1. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 57). Realistischerweise wird eine sichtbare Reduktion von Körperfett auch das Ziel der meisten Kaufinteressenten sein.
Diese Wirkung hat der „Figura Fatburner“ nicht, auch wenn es mangels zugelassenen Claims hierauf nicht streitentscheidend ankommt. Die Beklagte trägt selbst vor, Chrom spiele eine essenzielle Rolle im Fettstoffwechsel für die Wirksamkeit des Insulins bei der Regulierung des Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsels. Die Mechanismen für diese Funktionen seien aber noch nicht abschließend geklärt. Cholin spiele eine herausragende Rolle beim Transport und Stoffwechsel von Lipiden und Cholesterin. Es könne zwar vom Menschen gebildet werden, jedoch reiche die Biosynthese nicht aus, um den Bedarf vollständig zu decken. Daher sei eine adäquate Versorgung über die Nahrung notwendig, damit es nicht zu Mangelzuständen kommt. Ein symptomatischer Cholinmangel beim Menschen sei selten. Mögliche Folge eines Cholinmangels sei eine nicht-alkoholabhängige Fettleber. Das bedeute, dass die Fette mit Hilfe von Lipoproteinen nicht aus der Leber heraus zu den extrahepatischen Geweben transportiert werden könnten, wo sie u. a. im Rahmen der zum Fettstoffwechsel gehörenden Fettverbrennung zur Energiegewinnung abgebaut werden können.
Da der Kreis an Cholinmangel leidender Personen mithin gering ist und selbst diesen als typische Folge eine äußerlich nicht sichtbare Fettleber droht, aber kein erhöhtes Bauchfett, ist ein Zusammenhang mit der landläufigen Vorstellung des „Abnehmens“ höchstens marginal vorhanden.
Ob dies bei isolierter Betrachtung nur der Rückseite als ausreichend dargelegt anzusehen wäre, kann dahinstehen. Die Suggestion der Abnehmwirkung durch die Gestaltung der Vorderseite und den Produktnamen „Figura Fatburner“ relativiert die Hinweise auf der Packungsrückseite zur Funktion von Cholin und Chrom nämlich wieder. Das Gebot einer Gesambetrachtung der Verpackung verbietet eine isolierte Würdigung der Rückseite ebenso wie der Vorderseite.
Das Urteil des BGH „Lernstark“ vom 10.12.2015 (I ZR 222/13 – GRUR 2016, 412) steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Eine Vergleichbarkeit verbietet sich schon deshalb, weil der Begriff „Fatburner“ eine spezifische, der Begriff „Lernstark“ aber eine unspezifische gesundheitsbezogene Angabe gem. Art. 10 Abs. 3 HCVO darstellt (BGH a. a. O.,S. 414 Rn. 24, 27 ff.). Ein zugelassener Claim für die Funktion „Lernstark“, der über die Wirkweise ihrer Inhaltsstoffe hinausginge, war daher nach Art. 10 Abs. 3 HCVO nicht erforderlich. Für den durchschnittlichen Verbraucher ist klar ersichtlich, dass eine als „lernstark“ bezeichnete Substanz selbst nicht lernt, sondern allenfalls das Lernvermögen des Konsumenten unterstützt. Lernvermögen wiederum kann mit Konzentrationsvermögen gleichgesetzt werden. Dass Eisen die Konzentrationsfähigkeit unterstützt, ist indes ein zugelassener Claim, worauf der BGH seine Entscheidung gestützt hat.
Der „Fettverbrenner“ dagegen findet im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung, und zwar im Sinne einer Substanz mit unmittelbar fettverbrennender Wirkung. Die Wirkung wird der Substanz selbst zugeschrieben, weshalb der Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 1 HCVO eröffnet und ein zugelassener Claim erforderlich ist. Der von der Beklagten gezogene „Erst-recht-Schluss“ (Klageerwiderung S. 3 = Bl. 20 d. A.) trägt damit nicht.
[...]
bb. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger auch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 39 UKIaG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 a) LMIV zu.
Gemäß Art. 7 Abs. 1a) LMIV dürfen Informationen über die Eigenschaften eines Lebensmittels nicht irreführend sein. Entsprechend Art. 2 lit. b RL 2006/114/EG (Werbe-RL) ist jede Aussage irreführend, die in irgendeiner Weise die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr erreicht werden, täuscht oder zu täuschen geeignet ist. Daraus ergibt sich, dass eine Information über Lebensmittel i. S. d. Art. 7 LMIV irreführend ist, wenn sie den Endverbraucher zu täuschen geeignet ist, d. h. die Gefahr einer Diskrepanz der Fehlvorstellung des Endverbrauchers gegenüber der Realität besteht (BGH, GRUR 2022, 1347, 1349 Rn. 21 – 7 x mehr; Sosnitza/Meisterernst/Sosnitza, Lebensmittelrecht, 189. EL April 2024, LMIV Art. 7 Rn. 48; Voit/Grube/Grube, LMIV, 2. Aufl. 2016, Art. 7 Rn. 46). Vorliegend vermittelt die Bezeichnung „Fatburner“ den Eindruck, dass der Konsum den Fettstoffwechsel und den Abbau von überschüssigem Körperfett über die natürliche Funktionsweise hinaus fördert. Da dies tatsächlich nicht der Fall ist (s. oben), ist die Information zur Täuschung geeignet und damit irreführend gem. Art. 7 Abs. 1a) LMIV.
cc. Schließlich kann der Kläger seinen Unterlassungsantrag mit Erfolg auch auf § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HCVO, Art. 7 Abs. 1a) LMIV stützen.
(1) Art. 10 Abs. 1 HCVO und Art. 7 Abs. 1a) LMIV stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG dar, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen (BGH, GRUR 2019, 1299, 1300 Rn. 12 – Gelenknahrung III; GRUR 2015, 498, 500 Rn. 15 – Combiotik; OLG Celle, GRUR-RR 2019, 95 Rn. 12 – probiotischer Magermilchjoghurt).
(2) In der Bezeichnung „Fatburner“ liegt ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO und Art. 7 Abs. 1a) LMIV (siehe oben).
(3) Da die Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, streitet eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der gem. § 8 Abs. 1 UWG für einen Unterlassungsanspruch konstitutiven Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, UWG, 42. Aufl. 2024, § 8 Rn. 1.43). Gründe, die eine Wiederholungsgefahr ausnahmsweise auch ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausreichen ließen, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Insbesondere wäre eine Änderung des Produktnamens nicht ausreichend, da die Beklagte auch in diesem Fall jederzeit die Verwendung der Bezeichnung „Fatburner“ wieder aufnehmen könnte.
Aus dem Entwurf: A. Problem und Ziel
Der Schutz geografischer Angaben, garantiert traditioneller Spezialitäten und fakultativer Qualitätsangaben im Agrarbereich wird derzeit auf Unionsebene umfassend novelliert. Die entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen zu Agrarerzeugnissen, Lebensmitteln, Wein und Spirituosen sind bereits zum Großteil in die neue Verordnung (EU) 2024/1143 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. April 2024 über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2019/787 und (EU) 2019/1753 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 (ABl. L 2024/1143, 23.4.2024; 2024/90374, 25.6.2024) überführt und dabei inhaltlich geändert worden. Unter anderem wurden die Regelungen zum Antragsverfahren zusammengefasst und vereinheitlicht, die Vorschriften über Kontrollverfahren und Erzeugervereinigungen überarbeitet sowie Bestimmungen zu Nachhaltigkeitsaspekten und zur Verwendung von geschützten Erzeugnissen als Zutat aufgenommen. Das entsprechende Recht der Europäischen Kommission soll bis Ende 2024 daran angepasst werden. Das zugehörige Bundesrecht, das aktuell im Marken-, Wein- und Lebensmittelspezialitätenrecht enthalten ist, bedarf einer Anpassung an das reformierte Unionsrecht.
Darüber hinaus wird durch die Verordnung (EU) 2023/2411 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 über den Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse und zur Änderung der Verordnungen (EU) 2017/1001 und (EU) 2019/1753 (ABl. L, 2023/2411, 27.10.2023) mit Wirkung zum 1. Dezember 2025 erstmals ein unionsweites Registrierungs- und Schutzsystem für geografische Angaben im handwerklichen und industriellen Bereich eingeführt.
Durch ihren Beitritt zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über den Schutz von Ursprungsbezeichnungen hat sich die EU verpflichtet, international registrierte geografische Angaben unabhängig von der Art der Waren zu schützen. Die Verordnung (EU) 2023/2411 erfüllt diese Verpflichtung im Hinblick auf handwerkliche und industrielle Erzeugnisse, harmonisiert diesbezüglich den Schutz geistiger Eigentumsrechte und dient gleichzeitig der Verbraucherinformation, der Stärkung von traditionellen Betrieben sowie der Erhaltung von Erzeugungs- und Vermarktungstraditionen.
Nach der Verordnung (EU) 2023/2411 wird beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein Register der genannten Angaben geführt. Anträge auf Eintragung und Löschung sowie Änderungsanträge sind wie bereits bislang im Bereich der Agrarerzeugnisse, Lebensmittel, des Weins und der Spirituosen (Agrarbereich) auch im Bereich handwerklicher und industrieller Erzeugnisse von den Behörden der Mitgliedstaaten zu prüfen. Zugleich haben Kontrollen im Hinblick auf eingetragene Angaben im Wege einer Marktüberwachung stattzufinden. Verstöße gegen den Schutz müssen hinreichend sanktioniert werden.
Dieser Entwurf dient der Durchführung der Verordnungen (EU) 2024/1143 und (EU) 2023/2411, insoweit diese den Mitgliedstaaten obliegt und eine Regelung durch Bundesrecht erforderlich ist. Er steht im Kontext der Erreichung der Ziele der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 25. September 2015 „Transformation unserer Welt: die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ und trägt zur Sicherstellung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster gemäß dem Ziel 12 der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung bei.
B. Lösung
Zur Durchführung der Verordnung (EU) 2024/1143 wird ein neues Stammgesetz in Form eines Agrargeoschutz-Durchführungsgesetzes geschaffen, auf dessen Grundlage das erforderliche Verordnungsrecht ergehen kann. Dabei werden die in der Verordnung (EU) 2024/1143 enthaltenen Spielräume für die Mitgliedstaaten berücksichtigt. Das Lebensmittelspezialitätengesetz und die einschlägigen Bestimmungen des Markengesetzes und des Weingesetzes gehen in dem neuen Stammgesetz auf. Die zur Durchführung der Verordnung (EU) 2023/2411 auf Bundesebene erforderlichen Rechtsvorschriften treten im Markengesetz an der Stelle der bisherigen Regelungen zum Agrargeoschutz, wobei die bislang für derartige Regelungen bewährte Struktur des Markengesetzes beibehalten werden kann.
Dabei wird das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) zur zuständigen Behörde für die nationale Prüfungsphase, im Bereich der Verordnung (EU) 2023/2411, die im Rahmen der Prüfung Ministerien, Körperschaften, Verbände und Wirtschaftsorganisationen beteiligt. Es werden ein nationales Einspruchsverfahren, ein öffentlicher Zugang zu Verfahrensinformationen und eine Beschwerdemöglichkeit auch für Dritte vorgesehen. Anträge betreffend die internationale Registrierung nach der Genfer Akte werden ebenfalls beim DPMA eingereicht und vom DPMA an das EUIPO übermittelt. Im Agrarbereich bleibt die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft zuständige nationale Behörde für die Antragsverfahren. Sie erhält zusätzlich die Zuständigkeit für die bislang teilweise beim DPMA liegenden Antragsverfahren aus dem Agrarbereich sowie für die Verfahren nach der Genfer Akte.
Wie schon im Agrarbereich werden zum effektiven Schutz eingetragener geografischer Angaben im Bereich handwerklicher und industrieller Erzeugnisse Anspruchsgrundlagen und Klagebefugnisse eingeführt. Die effektive Durchführung der Kontrollen – die wie im Agrarbereich den Ländern und der Zollverwaltung obliegt – soll durch eine Verordnungsermächtigung zugunsten der Landesregierungen und durch Befugnisregelungen sichergestellt werden. Hierzu zählen beispielsweise die Entnahme von Stichproben, die Anordnung der Entfernung von Kennzeichnungen und die Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Verletzung einer eingetragenen Angabe und das Inverkehrbringen von Erzeugnissen mit einer solchen Angabe ohne vorherige Kontrolle werden bußgeldbewehrt. Zudem wird ein vergleichbarer Schutz für aufgrund internationaler Übereinkünfte geschützte geografische Angaben eingeführt.
Die für die beschriebene Lösung erforderlichen Regelungen werden in einem Gesetz zur Durchführung der Reform und Erweiterung des Schutzes geografischer Angaben (Geoschutzreformgesetz) zusammengefasst.
Der BGH hat entschieden, dass zwischen Zwischen Lebensmittelunternehmen und Behörden zur Überwachung der Lebensmittelsicherheit ein Kooperationsverhältnis besteht, welches zur Zusammenarbeit bei öffentlichen Produktwarnungen und einem Produktrückruf verpflichtet.
Leitsätze des BGH:
a) Die Amtsermittlungspflicht der Behörden kann durch fachgesetzliche Mitwirkungs- und Kooperationspflichten der Beteiligten begrenzt sein.
b) Im Lebensmittelrecht besteht zwischen dem Lebensmittelunternehmer und den für die Überwachung der Lebensmittelsicherheit zuständigen Behörden ein Kooperationsverhältnis. Der Lebensmittelunternehmer ist auf Grund dieses Kooperationsverhältnisses verpflichtet, bei einer öffentlichen Produktwarnung beziehungsweise bei einem Produktrückruf mit den zuständigen Behörden aktiv zusammenzuarbeiten.
c) Bleibt ein ordnungsgemäß eingelegtes Rechtsmittel wegen unzulänglichen Sachvortrags oder sonstiger Nachlässigkeiten des Geschädigten ohne Erfolg, begründet dies für sich genommen keinen Haftungsausschluss gemäß § 839 Abs. 3 BGB.
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2024 - III ZR 24/23 - OLG München - LG München I
EuGH
Urteil vom 04.10.2024 C-438/23
Protéines France u. a
Der EuGH hat entschieden, dass vegetarische bzw. vegane Produkte auf Basis pflanzlicher Eiweiße als "Wurst" oder "Steak" bezeichnet werden dürfen.
Die Pressemitteilung des EuGH: Kennzeichnung von Lebensmitteln: Ein Mitgliedstaat kann die Verwendung von Begriffen, die traditionell mit Erzeugnissen tierischen Ursprungs in Verbindung gebracht werden, zur Bezeichnung eines Erzeugnisses, das pflanzliche Eiweiße enthält, nicht verbieten, wenn er keine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung eingeführt hat
Die in der europäischen Regelung zur Verbraucherinformation vorgesehene vollständige Harmonisierung steht auch Maßnahmen zur Festlegung des Anteils pflanzlicher Eiweiße entgegen, unterhalb dessen die Verwendung anderer als rechtlich vorgeschriebener Bezeichnungen für Lebensmittel, die pflanzliche Eiweiße enthalten, zulässig bleibt
Die Vereinigung Protéines France, die European Vegetarian Union (EVU), die Association végétarienne de France (AVF) und die Beyond Meat Inc., vier juristische Personen, die im Sektor vegetarischer und veganer Erzeugnisse1 tätig sind, wenden sich gegen ein Dekret, das die französische Regierung erlassen hat, um die Transparenz der Informationen über Lebensmittel im Handel zu schützen.
Nach ihrer Ansicht verstößt dieses Dekret, das es verbietet, Bezeichnungen wie „Steak“ oder „Wurst“, ohne oder auch mit ergänzenden Klarstellungen wie „pflanzlich“ oder „aus Soja“, zur Bezeichnung von Verarbeitungserzeugnissen zu verwenden, die pflanzliche Eiweiße enthalten, gegen die Verordnung (EU) Nr. 1169/20112.
Die vier juristischen Personen beantragten daher beim französischen Staatsrat die Nichtigerklärung des streitigen Dekrets. Da dieses Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit des französischen Dekrets mit der Unionsverordnung hegt, hat es dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Auslegung dieser Verordnung zur Vorabentscheidung vorgelegt.
In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass das Unionsrecht eine widerlegbare Vermutung aufstellt, wonach die Informationen, die im Einklang mit der Verordnung Nr. 1169/2011 erteilt werden, die Verbraucher hinreichend schützen, und zwar auch im Fall der vollständigen Ersetzung eines Bestandteils oder einer Zutat, von dem/der die Verbraucher erwarten dürfen, dass er/sie in einem Lebensmittel vorhanden ist, das mit einer verkehrsüblichen Bezeichnung oder einer beschreibenden Bezeichnung, die bestimmte Begriffe enthält, bezeichnet wird. Der Gerichtshof erläutert, dass ein Mitgliedstaat zwar eine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung einführen kann, um eine Verbindung zwischen einem speziellen Ausdruck und einem bestimmten Lebensmittel herzustellen. Eine Maßnahme, die sich darauf beschränkt, die Verwendung bestimmter Begriffe zur Bezeichnung von Lebensmitteln mit bestimmten Eigenschaften (Zusammensetzung usw.) zu verbieten, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Maßnahme, nach der Lebensmittel bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, damit sie mit Begriffen bezeichnet werden dürfen, die als rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung verwendet werden. Nur diese letztere Maßnahme ermöglicht nämlich den Schutz des Verbrauchers, der davon ausgehen können muss, dass ein mit einer rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung bezeichnetes Lebensmittel die speziell für die Verwendung dieser Bezeichnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt.
Hat ein Mitgliedstaat keine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung eingeführt, darf er die Hersteller von Lebensmitteln auf der Basis pflanzlicher Eiweiße nicht durch ein allgemeines, abstraktes Verbot daran hindern, durch die Verwendung verkehrsüblicher oder beschreibender Bezeichnungen der Verpflichtung nachzukommen, diese Lebensmittel zu bezeichnen.
Allerdings kann eine nationale Behörde, wenn sie der Auffassung ist, dass die konkreten Modalitäten des Verkaufs oder der Förderung des Absatzes eines Lebensmittels den Verbraucher irreführen, rechtlich gegen den betreffenden Lebensmittelunternehmer vorgehen und nachweisen, dass die oben genannte Vermutung widerlegt ist.
Der Gerichtshof weist zudem darauf hin, dass die im Unionsrecht vorgesehene ausdrückliche Harmonisierung einen Mitgliedstaat daran hindert, eine nationale Maßnahme zu erlassen, mit der ein Anteil an pflanzlichen Eiweißen festgelegt wird, unterhalb dessen die Verwendung anderer als rechtlich vorgeschriebener Bezeichnungen, die aus Begriffen der Fleischerei- und Metzgereibranche bestehen, zur Beschreibung, Vermarktung oder Förderung des Absatzes von Lebensmitteln, die pflanzliche Eiweiße enthalten, zulässig bleibt
Das LG Hamburg hat entschieden, dass Online-Shops beim Anbieten von Lebensmitteln alle Pflichtinformationen nach der LMIV vorhalten müssen.
Aus den Entscheidungsgründen: Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG und §§ 3, 5a Abs. 1, 5b Abs. 1 und 4 UWG in Verbindung mit den geltend gemachten Informationspflichten zu.
1. Der Kläger ist als qualifizierter Wirtschaftsverband im Sinne der §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8b Abs. 1 und Abs. 2 UWG sowohl aktivlegitimiert als auch klagebefugt.
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, der ausweislich des als Anlage K 1 beigefügten Ausdrucks in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen ist.
Der Kläger hat zudem durch die Vorlage der als Anlage K 2 eingereichten detaillierten Mitgliederliste belegt, dass ihm eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehört, die als Wettbewerber des Beklagten anzusehen sind und deren Interessen von dem beanstandeten Wettbewerbsverhalten des Beklagten berührt werden.Dies ist dann der Fall, wenn die Mitglieder als Unternehmen bezogen auf den maßgeblichen Markt in einer Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann. Ziel ist die Verhinderung der Instrumentalisierung von Verbänden zur Durchsetzung von Individualinteressen. (BGH, Urteil vom 16.11.2006, Az. I ZR 218/03). Der Kläger hat hier anhand der vorgelegten Mitgliederliste schlüssig dargelegt, dass zu seinen Mitgliedern unter anderem 202 Unternehmen der Lebensmittelbranche, 149 Hersteller und Vertreiber von Nahrungsergänzungsmitteln und Diätetika sowie 42 Hersteller und Großhändler von Lebensmitteln sowie der … Verband kaufmännischer Genossenschaften e.V. zählen. Dieser Darstellung ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten, so dass der Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Die beanstande Wettbewerbshandlung betrifft den Vertrieb eines Lebensmittels, so dass hinsichtlich der Unternehmen und Verbände der Lebensmittelbranche Identität besteht; der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Mitteln betrifft zumindest Waren verwandter Art, so dass auch diese Unternehmen im jedenfalls abstrakten Wettbewerb zu dem Beklagten bestehen.
2. Das Vorgehen des Klägers erweist sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich (§ 8c Abs. 1 UWG). Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs sind weder von dem Beklagten dargetan noch ersichtlich; zumal beim Vorgehen eines Verbandes – wie im vorliegenden Fall – für ihn die Vermutung spricht, dass er seinen satzungsmäßigen Zwecken nachgeht (BGH, Urteil vom 17.11.2005, Az. I ZR 300/02).
3. Das hier in Rede stehende an Verbraucher gerichtete Verkaufsangebot von Lebensmitteln in einem Onlineshop durch die Beklagte ist eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Eine solche liegt vor, wenn das Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens erfolgt und auf die Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren und Dienstleistungen gerichtet ist und zwar unabhängig davon, ob es vor, während oder nach einem Geschäftsabschluss erfolgt. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Der Beklagte bietet unter der Subdomain „https:// a.- a..de/shop-2/suessigkeiten/mochi-taro-210g“ japanische Reiskuchen mit der Bezeichnung „M. T.- M. v. K. m. 210g“ zum Kauf an. Die Verantwortlichkeit des Beklagten für das hier im Streit stehende Kaufangebot ergibt sich bereits aus dem von dem Kläger als Anlage K 5 vorgelegten Screenshot des Impressums des fraglichen Internetauftritts, wo der Beklagte als der nach § 5 Telemediengesetz Verantwortliche angegeben ist. Vor dem Hintergrund dieser klaren Angabe kann der Beklagte sich nicht auf ein einfaches Bestreiten seiner Verantwortlichkeit für das fragliche Verkaufsangebot beschränken; für ein substantiiertes Bestreiten wäre es vielmehr erforderlich gewesen, dass der Beklagte eine schlüssige Erklärung dafür liefert, warum unter Verstoß gegen die Impressumspflicht nach § 5 TMG an der entsprechenden Stelle seine Daten angegeben werden. Weiter wäre vorzutragen gewesen, wer an seiner Stelle der tatsächliche Anbieter des betreffenden Lebensmittels ist.
Der Beklagte handelt offensichtlich mit Gewinnerzielungsabsicht und tritt nach außen am Markt auf.
4. Sämtliche Verletzungen betreffen Informationspflichten in Bezug auf die kommerzielle Kommunikation. Daraus folgt, dass es sich um wesentliche Informationen handelt, die dem Verbraucher gemäß § 5a Abs. 2 UWG nicht vorenthalten werden dürfen (BGH, Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 143/19). Gemäß § 5b Abs. 4 UWG gelten als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
5. Der Beklagte hat die von dem Kläger geltend gemachten Informationspflichten nach Art. 14 und Art. 9 VO (EU) Nr. 1169/11 (Lebensmittelinformationsverordnung – im Folgenden LMIV), nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 4 PAngV, nach § 312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 2 und 3 EGBGB sowie gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 (ODR-VO) verletzt.
a) Die im Streit stehende Verkaufsanzeige gemäß Anlage K 4 verstößt zunächst – wie der Kläger zutreffend geltend macht – gegen die Art. 9 und 14 LMIV.
Gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. a LMIV muss der für vorverpackte Lebensmittel im Internet Werbende die verpflichtenden Informationen über Lebensmittel gemäß Art. 9 LMIV mit Ausnahme der Angaben des Mindesthaltbarkeitsdatums oder des Verbrauchsdatums vor dem Abschluss des Kaufvertrages angeben.
Nach diesen Grundsätzen bietet der Beklagte vorverpackte Lebensmittel – nämlich den japanischen Reiskuchen mit der Bezeichnung „M. T. –M. v. k. m. 210g“ – im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. a LMIV im Internet zum Verkauf an.
Verpflichtende Angaben sind gemäß Art. 9 Abs. 1 LMIV die Bezeichnung des Lebensmittels, das Verzeichnis der Zutaten, Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, die Menge bestimmter Zutaten oder Klassen von Zutaten, die Nettofüllmenge des Lebensmittels und gegebenenfalls besondere Anweisungen für die Aufbewahrung und/oder Verwendung, der Name oder die Firma oder die Anschrift des Lebensmittelunternehmers, eine Gebrauchsanleitung, falls es schwierig wäre, das Lebensmittel ohne eine solche angemessen zu verwenden und eine Nährwertdeklaration. Diese verpflichtenden Angaben müssen gemäß Art. 9 LMIV vor Abschluss des Kaufvertrages verfügbar sein.
Diesen Anforderungen genügt das Angebot des Beklagten nur zum Teil: In der Werbeanzeige fehlt eine Zutatenliste und die Nährwertdeklaration. Weiterhin fehlen Angaben des Beklagten zur Firma und Anschrift des Lebensmittelunternehmers.
b) Das Onlineangebot gemäß Anlage K 4 verstößt weiter gegen die Bestimmungen der Preisangabenverordnung (PAngV).
Gemäß § 4 Abs. 1 PAngV hat, wer als Unternehmer Verbrauchern Waren in Fertigverpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet oder als Anbieter dieser Waren gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, neben dem Gesamtpreis auch den Grundpreis anzugeben, es sei denn, der Grundpreis ist mit dem Gesamtpreis identisch. Die Mengeneinheit für den Grundpreis ist gem. § 5 Abs. 1 PAngV jeweils 1 Kilogramm, 1 Liter, 1 Kubikmeter, 1 m oder 1 Quadratmeter der Ware.
An einer solchen Grundpreisangabe je Mengeneinheit fehlt es hingegen hier bei dem Online-Angebot des Beklagten.
c) Der Beklagte hat überdies in der Verkaufsanzeige gemäß Anlage K 5 nicht über das nach § 312 g Abs. 1 in Verbindung mit §§ 355ff. BGB dem Käufer zustehende Widerrufsrecht belehrt.
Gemäß § 312d Abs. 1 BGB ist der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu informieren. Neben den allgemeinen in Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB normierten Informationspflichten sieht Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB für den Fall, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 BGB zusteht, besondere Informationspflichten vor. Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ist der Verbraucher bei Bestehen eines Widerrufsrechts über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zu informieren. In Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 lit. h Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) wird in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB der Mindestinhalt einer Widerrufsbelehrung festgelegt. Für den Fall, dass ein Widerrufsrecht nach §§ 312g, 355 BGB besteht, ist der Verbraucher über die Bedingungen des Widerrufsrechts zu informieren. „Bedingungen“ meint die notwendigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Rechts. Zu den Informationspflichten gehört damit der Hinweis auf die Tatsache, dass das Recht des Verbrauchers bei dem Vertragsschluss im Fernabsatz besteht, seine Vertragserklärung ohne Angabe von Gründen innerhalb der Widerrufsfrist durch einfache, aber eindeutige Erklärung widerrufen zu können. Anzugeben ist auch, dass es einer Begründung des Widerrufs nicht bedarf.
Diesen Anforderungen wird das von dem Beklagten verantwortete Onlinekaufangebot – das sich auf Warenlieferungen bezieht und an Verbraucher richtet – offenkundig nicht gerecht; vielmehr finden sich dort überhaupt keine Angaben zu dem den Käufern nach § 312g BGB zustehenden Widerrufsrecht. Auch Informationen zu dem Muster-Widerrufsformular gemäß der Anlage 2 zu Artikel 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB sind der Werbung nicht zu entnehmen.
d) Schließlich hat der Beklagte es versäumt, einen Link zur Streitschlichtungsplattform für Onlinegeschäfte vorzuhalten. Der Link zur OS-Plattform nach Art. 14 Verordnung (EU) Nr. 524/2013 (ODR-VO) war aber erforderlich, weil es sich bei der vorliegenden Gestaltung gemäß Anlage K 5 um ein Angebot zum Onlinekauf im Sinne dieser Vorschrift handelt. Nach der Definition dieses Begriffs in Art. 4 Abs. 1 lit. e) ODR-VO liegt ein solcher Vertrag vor, wenn die Ware auf elektronischem Wege angeboten und bestellt wird. Hierfür reichen nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung eine Aufforderung zur Abgabe eines Kaufangebots auf einer Internetseite und die auf elektronischem Wege übermittelte verbindliche Bestellung durch den Verbraucher aus.
6. Der Kläger kann ferner gemäß § 13 Abs. 3 UWG die Erstattung von Abmahnkosten in der von ihm geltend gemachten Höhe von € 238,- beanspruchen.Da dem Kläger – wie ausgeführt – die von ihm verfolgten Unterlassungsansprüche zustehen, war auch die vorhergehende Abmahnung vom 20.03.2023 berechtigt.
Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihm das Abmahnschreiben nicht zugegangen sei. Ausweislich des schlüssigen Vortrags des Klägers, dem der Beklagte auch insoweit nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass die Abmahnung vom 20.03.2023 noch am selben Tag per E-Mail zugegangen ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er das Abmahnschreiben vom 20.03.2023 (Anlage K 6) am selben Tag um 10.41 Uhr – und damit zu einer üblichen Geschäftszeit – per E-Mail an die im Impressum des fraglichen Internetauftritts genannte E-Mailadresse „i.@ a.- a..de“ – bei der es sich offenkundig um eine im unternehmerischen Geschäftsverkehr zur Verfügung gestellte Adresse handelt – übersandt hat und der Eingang auf dem Empfangssystem ausweislich des als Anlage K 7 eingereichten Screenshots aus seinem E-Mailprogramm mit der Angabe „250 OK“ bestätigt worden ist.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist davon auszugehen, dass eine E-Mail dem Empfänger grundsätzlich in dem Zeitpunkt zugeht, in dem sie ihm im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf seinem Mail-Server abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und/oder zur Kenntnis genommen wurde (BGH, Urteil vom 06.10.2022, Az. VII ZR 895/21). Zwar kann ein Zugang im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB trotzdem ausscheiden, wenn der Empfänger der E-Mail nachweisen kann, dass die E-Mail mit der Abmahnung nicht in seiner Mailbox eingegangen, sondern von der Firewall oder einem Spam-Filter abgefangen wurde (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, § 13 UWG Rn. 47). Hierzu hat der Beklagte hingegen keinen ausreichenden Vortrag geliefert. Er hat den Zugang des Abmahnschreibens lediglich pauschal bestritten. Ein derart pauschales Bestreiten genügt jedoch nicht, um damit gegen den qualifizierten und mittels Vorlage eines Belegs substantiierten Vortrag des Klägers durchzudringen.
Die Höhe der Abmahnkosten ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger hat in der Klage die Berechnung der Kostenpauschale offengelegt. Gegen diese Berechnung bestehen keine Bedenken.
Die auf die Abmahnkosten verlangten Zinsen kann der Kläger nach §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB beanspruchen.
Die EU-Kommission hat ein förmliches Kartellverfahren gegen Delivery Hero und Glovo wegen kartellrechtswidrigen abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich Online-Lieferdienste für Lebensmittel eingeleitet.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission leitet Untersuchung wegen möglicher wettbewerbswidriger Vereinbarungen im Bereich der Online-Lieferung von Lebensmitteln ein
Die Europäische Kommission hat ein förmliches Kartellverfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Delivery Hero und Glovo durch Beteiligung an einem Kartell im Bereich der Online-Bestellung und -Lieferung von Mahlzeiten, Lebensmitteln und sonstigen Verbrauchergütern im Europäischen Wirtschaftsraum („EWR“) gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben.
Delivery Hero und Glovo zählen zu den größten Lebensmittel-Lieferdiensten in Europa. Delivery Hero hielt ab Juli 2018 eine Minderheitsbeteiligung an Glovo, bis es im Juli 2022 die alleinige Kontrolle über das Unternehmen erwarb.
Die Kommission hat Bedenken, dass Delivery Hero und Glovo vor der Übernahme räumliche Märkte untereinander aufgeteilt und sensible Geschäftsinformationen (z. B. über Geschäftsstrategien, Preise, Kapazitäten, Kosten und Produkteigenschaften) ausgetauscht haben könnten. Ferner hegt die Kommission den Verdacht, dass die Unternehmen vereinbart haben könnten, keine Arbeitnehmer voneinander abzuwerben. Diese Verhaltensweisen könnten durch die Minderheitsbeteiligung von Delivery Hero an Glovo ermöglicht worden sein.
Wenn sich die Vermutungen bestätigen, könnte das Verhalten der Unternehmen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen, denen zufolge Kartelle und wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen verboten sind (Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) und Artikel 53 des EWR-Abkommens).
Die Kommission wird dieser eingehenden Prüfung Vorrang einräumen. Das Verfahren wird ergebnisoffen geführt.
Hintergrund
Im Juni 2022 und im November 2023 führte die Kommission im Rahmen ihrer aus eigner Initiative eingeleiteten Untersuchung zu möglichen Absprachen im Bereich der Lieferdienste für Lebensmittel unangekündigte Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Delivery Hero und Glovo durch.
Das in Deutschland ansässige Unternehmen Delivery Hero ist im Bereich der Bestellung und Lieferung von Lebensmitteln tätig. Das Unternehmen ist gegenwärtig in mehr als 70 Ländern weltweit vertreten und kooperiert mit mehr als 500 000 Restaurants. Delivery Hero ist an der Frankfurter Börse notiert.
Das in Spanien ansässige Unternehmen Glovo ist ebenfalls im Bereich der Bestellung und Lieferung von Lebensmitteln tätig und gegenwärtig in mehr als 1 300 Städten in 25 Ländern weltweit vertreten. Nachdem Delivery Hero im Juli 2022 die Mehrheit der Anteile an Glovo erwarb, wurde Glovo zur Tochtergesellschaft von Delivery Hero.
Mit der heute eingeleiteten Untersuchung verfolgt die Kommission ihre Bemühungen, im Bereich der Online-Lieferung von Mahlzeiten und Lebensmitteln für die Verbraucher für Auswahl zu angemessenen Preisen zu sorgen. Auf einem jungen und schnell wachsenden Markt wie dem in Rede stehenden können wettbewerbswidrige Vereinbarungen und wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen wie Marktaufteilungen im Rahmen von Kartellen zu einer versteckten Marktkonsolidierung führen, was negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben kann.
Die Untersuchung trägt auch den Bemühungen der Kommission Rechnung, einen fairen Arbeitsmarkt zu gewährleisten, auf dem Arbeitgeber keine Absprachen treffen, um Umfang und Qualität der Möglichkeiten für Arbeitnehmer einzuschränken, sondern um Talente konkurrieren. Es handelt sich um das erste förmliche Untersuchungsverfahren zu Abwerbeverzichtsvereinbarungen („No-Poach“-Vereinbarungen), das von der Kommission eingeleitet wurde.
Im Rahmen dieses Verfahrens untersucht die Kommission auch erstmals wettbewerbswidrige Vereinbarungen, die möglicherweise im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung eines Marktteilnehmers an einem Wettbewerber getroffen wurden.
Nach Artikel 101 AEUV sind Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten, die geeignet sind, den Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verhindern oder einzuschränken. Wie diese Bestimmung umzusetzen ist, ist in der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegt. Artikel 101 AEUV kann auch von nationalen Wettbewerbsbehörden angewendet werden.
Nach Artikel 11 Absatz 6 der Verordnung Nr. 1/2003 entfällt mit der Verfahrenseinleitung durch die Kommission die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden für die Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts in der jeweiligen Sache. Artikel 16 Absatz 1 dieser Verordnung besagt ferner, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten keine Entscheidungen erlassen dürfen, die einem Beschluss zuwiderlaufen, den die Kommission in einem von ihr eingeleiteten Verfahren zu erlassen beabsichtigt. Die Kommission hat die betroffenen Unternehmen und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten von der Einleitung eines Verfahrens in dieser Sache unterrichtet.
Für den Abschluss einer kartellrechtlichen Untersuchung gibt es keine verbindliche Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von mehreren Faktoren ab, so etwa von der Komplexität des jeweiligen Falles, der Bereitschaft der betroffenen Unternehmen zur Zusammenarbeit mit der Kommission sowie der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Weitere Informationen über die Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle, unter anderem Informationen darüber, wie Einzelpersonen oder Firmen mutmaßliches Kartellverhalten melden können, finden sich auf der eigens eingerichteten Website der Kommission zum Thema Kartelle. Die Website enthält auch Statistiken zur Kartellrechtsdurchsetzung. Aktuelle Informationen aus dem Kartellbereich finden sich in der wöchentlichen Zusammenstellung Competition Weekly News Summary.
Weitere Informationen zu diesem Kartellfall können auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb über das öffentlich zugängliche Register unter der Nummer AT.40795 eingesehen werden
Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung von Globuli mit "radionisch informiert" vorliegt.
Aus den Entscheidungsgründen: bb) Die klägerseits gerügte Produktpräsentation der Globuli „Babytraum Globuli für Ihn“/„Babytraum für den Mann“ und „Babytraum Globuli für Sie“/„Für die Frau“ mit dem Zusatz „radionisch informiert“ ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F., was der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen kann.
(1) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält.
Irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei den Adressaten eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht. Maßgeblich ist auch hier das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.56).
Eine Irreführung des Käufers kann vorliegen, wenn die Etikettierung, die alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen umfasst, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind, unwahre, falsche, mehrdeutige, widersprüchliche oder unverständliche Elemente enthält. In bestimmten Fällen kann das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig ist, gleichwohl nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen, der sich aus den anderen Elementen der Etikettierung dieses Lebensmittels ergibt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.08.2020 - 4 U 214/18, Rn. 26, juris).
(2) Gemessen hieran stellt sich die gerügte Produktpräsentation in Zusammenschau mit dem Zusatz „radionisch informiert“ als irreführend in diesem Sinne dar. Die Präsentation der Globuli erfolgt in einer Weise, die der durchschnittliche Verbraucher mit homöopathischen Mitteln assoziiert, worauf auch der Zusatz „radionisch informiert“ verweist. Dies erweckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck, dass es sich hierbei nicht nur um reine Zuckerkügelchen handelt. Vielmehr wird durch die Aufmachung und den Textzusatz der Eindruck erweckt, es handle sich um ein (zugelassenes) homöopathisches Mittel zur Steigerung der Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit, was nicht der Fall ist. Zwar wird vorliegend offengelassen, womit genau die Globuli „radionisch informiert“ sein sollen bzw. was der Inhalt dieser „Information“ sein soll. Die Präsentation der Globuli enthält auch kein klares Wirkversprechen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der durchschnittliche Verbraucher aufgrund der Aufmachung und Präsentation mehr als reinen Zucker erwartet, worum es sich hier aber handelt. Denn wie auf die Globuli „radionische Informationen“ (welchen Inhalts auch immer) - also etwas, was die Globuli von schlichtem Zucker unterscheiden könnte - aufgebracht worden sein sollen, wird beklagtenseits schon nicht hinreichend dargelegt (vgl. hierzu auch OLG Celle, Beschluss vom 22.08.2022 - 13 U 18/22, Rn. 55, juris).
Das OLG Köln hat im Rechtsstreit zwischen Ankerkraut und Penny wegen des Produkts "BUTCHER´s by Penny" entschieden, dass keine Markenrechtsverletzung durch Verwendung der Wortfolge "Beef Booster" vorliegt. Zudem hat das Gericht auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgelehnt.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus Markenrecht zu. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 5, Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind zwar insoweit erfüllt, als die Klägerin Inhaberin der u.a. für Gewürze und Gewürzmischungen eingetragenen und in Kraft stehenden Wortmarke „Beef Booster“ ist, der trotz der beschreibenden Anklänge eine zumindest geringe Kennzeichnungskraft zukommt, und die Beklagten bei der Trockenmarinade „BEEF BOOSTER“ ein mit der eingetragenen Marke identisches Zeichen für identische Ware verwendet haben. Es fehlt jedoch an der für die Feststellung einer Markenrechtsverletzung erforderlichen markenmäßigen Verwendung des geschützten Zeichens. Für die Beurteilung der - für einen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 MarkenG stets erforderlichen und unabhängig von der Kennzeichnungskraft der Marke zu prüfenden - markenmäßigen Benutzung kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an, auf die konkrete Aufmachung, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt, unter Berücksichtigung der Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor. Dies trägt die Klägerin selbst in der Berufungsbegründung zutreffend vor. Insoweit kann sie aus Urteilen zu anderen Sachverhalten nichts zu ihren Gunsten herleiten. Weder die von ihr angeführte Entscheidung des OLG München (Urteil vom 17.11.2005, 29 U 1927/05: Verwechslungsgefahr zwischen der Wortmarke MEMORY und einem Zeichen mit den Wortbestandteilen EDUCA memory game für Legekartenspiele) noch die Entscheidung des Senats im Verfahren 6 U 203/08 (Urteil vom 20.05.2009: Verwechslungsgefahr zwischen der Wortmarke „Powermoon“ und der Bezeichnung „LED-LENSER V 13 Power Moon" für Beleuchtungsgeräte) sind in tatsächlicher Hinsicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Anders als in den vom OLG München bzw. dem Senat entschiedenen Fällen werden die Marke „BUTCHER´S by PENNY“ und die Bezeichnung „BEEF BOOSTER“ nicht in unmittelbaren Zusammenhang zueinander bzw. als ein Gesamtzeichen verwendet. Die von der Klägerin dafür, dass die Verwendung mehrere Marken zur Kennzeichnung eines Produktes eine weit verbreitete Praxis darstelle, angeführte Entscheidung des OLG Hamburg (Urteil vom 29.01.2009, 3 U 44/07) hat eine markenmäßige Verwendung von „Yoghurt Gums“ für Fruchtgummi mit Schaumzucker in der konkreten Aufmachung als rein beschreibend verneint. Entsprechendes gilt für den vorliegenden Fall. Aus der maßgeblichen Sicht des informierten Durschnittverbrauchers, die der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis gehören, ohne weiteres selbst beurteilen kann, haben die Beklagten „BEEF BOOSTER“ in der angegriffenen Produktausstattung nicht herkunftshinweisend verwendet, sondern zur näheren Beschreibung des Produkts. Die Bezeichnung erfolgt weder an einer Stelle, an der der Verbraucher einen weiteren Herstellerhinweis erwartet, noch in einer Art und Weise, die auf eine markenmäßige Verwendung hindeutet. Die Herstellerangabe „BUTCHERS by Penny“ befindet sich hervorgehoben und als solche eindeutig erkennbar über der Produktangabe „TROCKENMARINADE“. Das angegriffene Zeichen befindet sich getrennt von der prominenten Herstellerangabe unter der ebenfalls groß hervorgehobenen Produktangabe in einem kleinen farbigen Feld. In einem solchen Feld erwartet der Verbraucher keine weitere Herstellerangabe, sondern eine nähere Angabe zur Sorte bzw. dem Verwendungszweck der Trockenmarinade. Dementsprechend fügt sich das angegriffene Zeichen nicht nur in die Produktlinie der Beklagten mit den drei weiteren Sorten-Bezeichnungen „CHICKEN BOOSTER“, „HOT CAJUN“ und „MAJIC DUST“ ein sondern entspricht letztlich auch der Kennzeichnungsgewohnheit der Klägerin selbst, die in einem Farbfeld unter der prominent hervorgehobenen Herstellerangabe „ANKERKRAUT“ die verschiedenen Geschmacksrichtungen bzw. Anwendungsbereiche wie „Rührei Kräuter“, „Chili-Pfeffer Salz“, „Pizza Gewürz“, „Omas Liebling“ pp. anführt er Vortrag der Klägerin, es entspreche den Kennzeichnungsgewohnheiten in der Gewürzmittelbranche, Dachmarken mit Untersorten zu führen, denen unterscheidungskräftige Untermarken/ Zweitmarken zugewiesen seien, ist nicht mit hinreichenden Tatsachen untermauert. Der Verweis auf rund zehn eigene Marken („Bang Boom Bang“, „Mango No. 5“, „Pull that Piggy“, „Smoking Zeus“, „Teufelskerl“, „Cherry Chipotle“, „SPIC KNOCKOUT“, „TERI AKI RUMBLE“, „TONKI-KONG“) sowie die Marken „just egg“ der Just Spice GmbH, „Sweet Tonka Kiss“ der Hartkorn Gewürzmühle GmbH und „Manina D Oro“ der Firma Edo Gewürze genügt für die Feststellung einer allgemeinen Gewohnheit nicht.
Soweit die Klägerin behauptet, ihre Marke erfreue sich so hoher Bekanntheit, dass der Verkehr das Zeichen als Unterscheidungsmittel auffasse, kann nicht festgestellt werden, dass die Klagemarke „Beef Booster“ überhaupt in nennenswertem Umfang für Gewürze / Gewürzmischungen verwendet wird, erst Recht nicht, dass sie eine hohe Bekanntheit genießt. Aus dem unlesbaren Screenshot Bl. 427 eA kann zu Gunsten der Klägerin nichts hergeleitet werden, und ihr Vortrag Bl. 427 f. eA zu 1.370 Kundenrezensionen sowie 300 Verkäufen im letzten Monat ist für Feststellungen zum tatsächlichen Absatz unzureichend. In keinem Fall folgt aus diesen geringen Mengen eine hohe Bekanntheit der Klagemarke.
Im Übrigen sind die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass „Beef Booster“ auch von Mitbewerbern als Geschmacksangabe verwendet wird, nicht zu beanstanden. Die Richtigkeit dieses Vortrags der Beklagten wird durch die Anlagen Schmitt-Teworte (S-T) 31 und B6 („BEEF BOOSTER“ von BBQ / Aldi Süd), die Anlage B7 (Knorr Beef Booster) und die Anlage B8 (Beef Booster von Hanse & Pepper) belegt. Der Begriff „Booster“ wird im Gewürzbereich allgemein für Fleisch und Geflügel (Anl. B8: „FLEISCH BOOSTER“, „Steak Booster“, „BBQ BOOSTER“; Anl. S-T 9: „CHICKEN BOOSTER“), sonstige Produkte (Anl. B8: „BUTTER BOOSTER“) und sogar isoliert (Anl. B8: „Spice Booster“) verwendet.
2. Ein Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus § 8 Abs. 1 UWG. Die Parteien sind zwar Mitbewerber, die Klägerin also nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UGW klagebefugt, und der Vertrieb der angegriffenen Produkte durch die Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung dar, diese ist jedoch mangels Unlauterkeit nicht nach § 3 UWG unzulässig. Keiner der von der Klägerin geltend gemachten Unlauterkeitstatbestände ist erfüllt. Es liegt weder eine unlautere Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG vor noch eine Herkunftstäuschung nach § 5 Abs. 2 UWG a.F. / § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F.
a. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, kann das Anbieten einer Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das Produkt von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produktes – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt z.B. BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 15/22 – KERRYGOLD, juris, Tz. 25).
Unter welchen Voraussetzungen wettbewerbliche Eigenart vorliegt, hat das Landgericht ebenfalls bereits zutreffend und umfassend dargelegt. Hierauf kann Bezug genommen werden. Einem verpackten Produkt kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, wenn die konkrete Gestaltung oder bestimmte Merkmale der Verpackung des Produkts geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten der darin verpackten Ware hinzuweisen (BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 15/22 – KERRYGOLD, juris, Tz. 34). Dies kann der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis der Verbraucher gehören, ohne weiteres selbst feststellen.
Die Produktverpackung der ANKERKRAUT-Traditionslinie ist von wettbewerblicher Eigenart, die aus der Kombination folgender Gestaltungsmerkmale folgt:
- handelsübliches Korkenglas (Gewürzglas), ca. 10 cm hoch, ca. 170 ml. Füllvolumen;
- Korken und Glas verbunden mit einem kreisförmigen Papiersiegel in der Grundfarbe Schwarz, im Durchmesser etwas kleiner als der Korken, mit zwei seitlichen Streifen, die über den Korken und den oberen Glasrand reichen, so dass das Glas nicht geöffnet werden kann, ohne das Siegel sichtbar zu beschädigen;
- rundes Ankerkraut-Logo (Anker mit Zusatz AK) in der Mitte des Papiersiegels auf farbigem Grund; Farbe entsprechend der im unteren Drittel des Etiketts
- rechteckiges Etikett auf der Schauseite, zweifarbig, oberes Drittel Schwarz, unteres Drittel meist Braunrosa;
- Etikett auf der Schauseite im oberen Drittel unter dem silbernen Ankerkraut-Logo beschriftet jeweils in Silber mit groß „ANKERKRAUT“ und darunter klein „GESCHMACKSMANUFAKTUR“, im unteren Drittel beschriftet jeweils in Schwarz in großer Schreibschrift mit der Geschmacksrichtung (z.B. „Bratkartoffel Gewürz“) und darunter in kleiner Druckschrift einer ergänzenden Charakterangabe (z.B. „WÜRZIG UND RUSTIKAL“);
- rechteckiges Etikett auf der Rückseite, überwiegend Schwarz, mit den Pflichtangaben pp. in silberner Druckschrift.
Besonders prägend für die wettbewerbliche Eigenart ist die Gestaltung des Etiketts auf der Schauseite, an dem sich der angesprochene Verbraucher bei Produkten des täglichen Bedarfs - und so auch hier - in erster Linie orientiert (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2000, I ZR 225/98 - Vienetta, juris, Tz. 30, 33). Die Verwendung eines Korkenglases für Gewürze ist eine als solche nicht schutzfähige gestalterische Grundidee. Dass ein Korkenglas gegen Öffnen vor dem Verkauf geschützt werden muss, liegt auf der Hand, so dass die Verwendung eines Papiersigels als einfache und preiswerte Lösung ebenfalls nicht monopolisiert werden darf.
Die wettbewerbliche Eigenart der Produktlinie der Klägerin ist von Hause aus als gering zu bewerten. Das zurückhaltend gestaltete Schauseiten-Etikett mit seinen Angaben zu der Herstellerin und dem Produkt hat letztlich einen rein beschreibenden Charakter, ebenso wie das handelsübliche Korkenglas. Solche Gläser werden regelmäßig für Gewürze verwendet. Dies entspricht der Lebenserfahrung und wird durch das von den Beklagten vorgelegte Produktumfeld belegt. Soweit die Klägerin erstmals in der Berufungsbegründung die Marktrelevanz des Produktumfeldes mit Nichtwissen bestreitet, ist ihr Vortrag als verspätet zurückzuweisen. Die Beklagten hatten bereits in der Klageerwiderung zur Marktbedeutung vorgetragen und insbesondere für die von Aldi, Lidl und der Altenburger Senf- und Feinkost GmbH & Co. (unter Senfonia Premium) veräußerten Produkte konkrete Verkaufszahlen dargelegt. Die Klägerin hat auf die Berufungserwiderung nicht repliziert und ist dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten. Im Übrigen haben die Beklagten für die von Aldi und Lidl vertriebenen Produkte mit der Berufungserwiderung Belege für erhebliche Verkaufszahlen in Deutschland von insgesamt über 1,5 Mio. Stück im Zeitraum 2020 bis 2022 vorgelegt (s. Anl. B6 für Aldi / BBQ, Anl. B4 für Lidl / Kania; Anl. B5 für Lidl / Grillmeister; das Aldi-Produkt Grillmeister ist ausweislich der Katalogabbildungen Bl. 218 ff. eA außerdem noch im April 2023 veräußert worden). Dass die streitbefangenen Gläser typischerweise für Gewürze verwendet werden, ergibt sich sogar aus dem von der Klägerin selbst angeführten Designpreis red dot award, den sie im Jahr 2014 für das Verpackungskonzept des sich in „klassischen Gewürzgläser(n)“ präsentierenden Sortiments erhalten hat. Dass der Produktausstattung von Hause aus durchschnittliche oder gar überdurchschnittliche wettbewerbliche Eigenart zukommt, folgt aus der Verleihung des Designpreises nicht. Die Begründung zur Preisverleihung stellt im Wesentlichen auf den „unverwechselbaren Namen Ankerkraut“ und den deutlichen Bezug zur Hafenmetropole Hamburg mit dem Logo eines Ankers als traditionelles Seefahrersymbol ab.
Mit dem Landgericht kann von einer Steigerung der wettbewerblichen Eigenart aufgrund der Bekanntheit der Marke „Ankerkraut“ durch die Fernsehsendung „Höhle der Löwen“ ausgegangen werden, jedenfalls in Verbindung mit den von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragungen (Anlagen K6 bis K8), wobei dahinstehen kann, ob die Gutachten methodisch in jeder Hinsicht einwandfrei sind und/oder alleine für eine Feststellung der Steigerung ausreichend wären.
Dahinstehen kann auch, ob die wettbewerbliche Eigenart durch die von der Klägerin im März 2020 bzw. April 2021 ausdrücklich gebilligten Nachahmungen, die durch Lidl unter „Edle Gewürze … Kania“ (s. Anl. S-T 30) und Aldi unter „BBQ“ (s. Anl. S-T 31) vertrieben worden sind, und/oder die ebenfalls von Lidl unter „Grillmeister“ vertriebenen Gewürzmischungen und/oder das von der Klägerin lizensierte Produkt MOESTA
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wieder verwässert worden ist.
Selbst wenn von einer von Hause aus geringen und durch Verkehrsbekanntheit gesteigerten, mithin durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart ausgegangen würde, wären die allenfalls nachschaffenden Nachahmungen der Beklagten (dazu aa.) nicht zu beanstanden. Bei der nachschaffenden Nachahmung bedarf es nämlich ausgeprägter besonderer Begleitumstände, um von der Unlauterkeit ausgehen zu können (s. Wille in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 3 Rn. 61), an denen es hier fehlt (dazu bb. und cc.).
aa. Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn das angebotene Produkt nur geringfügige, im Gesamteindruck unerhebliche Abweichungen von den die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmales des Originalprodukts aufweist. Die sich gegenüberstehenden Produkte müssen ungeachtet kleinerer Abweichungen im Detail im Gesamteindruck einander so ähnlich sein, dass sie vom Verkehr praktisch nicht auseinandergehalten werden können. Eine nachschaffende Nachahmung liegt vor, wenn die fremde Leistung lediglich als Vorbild benutzt wird und eine bloße Annäherung an das Originalprodukt vorliegt. Dies ist der Fall, wenn das angebotene Produkt sich dem Originalprodukt in seinen die wettbewerbliche Eigenart begründenden Markmalen erkennbar annähert aber deutlich sichtbare Abweichungen im Gesamteindruck bestehen. Weisen die sich gegenüberstehenden Produkte allein in ihrer abstrakten Grundidee, aber nicht in ihrer diese umsetzenden konkreten Gesamterscheinung Übereinstimmungen auf, ist nicht einmal eine nachschaffende Nachahmung gegeben (s. Wille in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 3 Rn. 60 f.).
Im vorliegenden Fall nähern sich die Produktverpackungen der Parteien in erster Linie in der Grundidee der Verwendung eines handelsüblichen Korkenglases mit einer edel wirkenden Aufmachung (Siegel, schwarzes Etikett) an. In der konkreten Umsetzung dieser Grundidee finden sich dagegen so deutliche Unterschiede, dass im Erinnerungseindruck die Konkurrenzprodukte unverwechselbar sind. Insoweit liegt allenfalls eine nachschaffende Nachahmung vor.
Die wettbewerbliche Eigenart der Traditionslinie der Klägerin wird maßgeblich geprägt durch die zweifarbige Gestaltung des Etiketts auf der Schauseite und des Papiersiegels sowie dem bekannten, einprägsamen Namen Ankerkraut und das Ankerkraut-Logo. In diesen Elementen weicht die Produktausstattung der Beklagten deutlich vom Original ab. Die Beklagten verwenden für das Etikett bereits eine andere Grundform mit einer gerundeten Oberkante. Außerdem ist die Grundfarbe des Etiketts und des Siegels ausschließlich Schwarz. Das farbige untere Drittel der Etiketten der Klägerin findet eine allenfalls angedeutete Entsprechung in dem kleinen Farbfeld für die Geschmacksrichtung, wobei das Farbkonzept der Beklagten mit drei verschiedenen Farben für die drei Geschmacksrichtungen nicht dem der Klägerin mit ganz überwiegend einem Farbton entspricht. Die Papiersiegel sind jeweils mit den unverwechselbaren Logos der Parteien beschriftet. Auch die Marken ANKERKRAUT und BUTCHER´S by Penny sind einander in keiner Hinsicht ähnlich. Die Eigenmarke der Beklagten „BUTCHER´S by Penny“ ruft Assoziationen (nur) zum Fleischbereich hervor, das auf die Seefahrt verweisende Zeichen „Ankerkraut“ dagegen Assoziationen zu allen weltweit gehandelten Gewürzen für jedes erdenkliche Gericht. Schließlich fügt sich das angegriffene Design ohne weiteres in das sonstige unter „BUTCHER`S by Penny“ vertrieben Angebot der Beklagten ein. Die Beklagten vertreiben Hamburger-Zubehör (Patties, Brötchen, Fritten, Gewürze, Pommes-Salz), Steaks, Spare Ribs, Würstchen, Saucen etc. unter Verwendung der Grundfarbe Schwarz und des geschwungenen Butcher´s-Emblems mit kleinteiligen Zusätzen und der kleinen Abbildung eines Metzgers. Die entsprechenden typischen Gestaltungen der verschiedenen Produkte des breiten Sortiments folgt aus dem bindenden Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Seite 6 LGU) sowie den von den Beklagten zu Akte gereichten Unterlagen (Präsentation der Eigenmarke und der Produkte 2022, Anl. S-T 5 und S-T 6; Präsentation der Eigenmarke 2023, Anl. B 1). Die Wortmarke „BUTCHER´s by Penny“ ist seit 2017 eingetragen. Ihre aktuelle Verwendung u.a. auf den streitbefangenen Produkten entspricht im Gesamteindruck dem Design, in dem ausweislich der von den Beklagten vorgelegten Prospekte und Fotos aus dem Jahr 2017 (Anl. B 10 und B 11) bereits seit Jahren die Wort-Bildmarke der Beklagten BUTCHER´S Burger (Anl. B 2) verwendet worden ist.
Die Unterschiede in der Gestaltung treten nicht als geringfügig zurück, sondern führen zu einem abweichenden Gesamteindruck. Die Ausstattung der Klägerin wirkt in ihrer klaren Zweifarbigkeit und dem Bezug zur Seefahrt edel, puristisch und hanseatisch-weltoffen. Der Gesamteindruck der angegriffenen Produkte der Beklagten ist zwar auch hochwertig, dabei aber kleinteilig, bodenständig und westernmäßig-rustikal:
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Insgesamt nähern sich die Beklagten dem Produkt der Klägerin nicht dichter an als die von Aldi und Lidl unter „BBQ“ bzw. „Edle Gewürze … Kania“ und „Grillmeister“ vertriebenen Produkte:
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bb. Nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dabei ist zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr von geschäftlichen oder organisatorischen - wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen - Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht oder wenn er die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält.
Soll die Annahme einer vermeidbaren Herkunftstäuschung mit dem Argument bejaht werden, die angesprochenen Verkehrskreise könnten annehmen, dass lizenzvertragliche Verbindungen zwischen dem Hersteller des Originalprodukts und dem Anbieter der Nachahmung bestehen, müssen bei einer deutlichen Kennzeichnung der Produkte mit einem abweichenden Herstellerkennzeichen - über die Nachahmung hinausgehende - Hinweise vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen. Ein solcher Hinweis kann beispielsweise darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren. Sofern die Gefahr einer Herkunftstäuschung damit begründet werden soll, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei dem Produkt des Wettbewerbers um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Unterlassungsgläubigers, müssen entsprechende Feststellungen zu den Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Markt und zum Verständnis der von den Produkten angesprochenen Verkehrskreise getroffen werden (BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 15/22-KERRYGOLD, juris, Tz. 46).
(1) Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist bereits aufgrund der auf den Produkten deutlich aufgebrachten unterschiedlichen Kennzeichen ausgeschlossen. Nicht nur Herstellermarken, auch Handelsmarken/Eigenmarken schließen eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus (vgl. BGH, Urteil vom – Knoblauchwürste, juris, Tz. 14). Der Ansicht der Klägerin, das Zeichen „by Penny“ gehe in der Gesamtgestaltung unter, kann nicht beigetreten werden. Der Zusatz ist unübersehbarer Teil der auf die streitbefangenen Produkte prominent angebrachten Eigenmarke der Beklagten zu 1.
(2) Eine mittelbare Herkunftstäuschung kommt vorliegend insoweit in Betracht, als es sich bei dem Kennzeichen der Beklagten erkennbar um eine Eigenmarke handelt. Bei Eigenmarken ist dem Verkehr bekannt, dass sich dahinter andere Hersteller verbergen können. Insoweit besteht jedenfalls im Ansatz die Möglichkeit, dass der angesprochenen Verbraucher von lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien ausgehen könnte. Dagegen gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Verbraucher könnte die Produkte der Beklagten als neue Produkte der Klägerin oder die Bezeichnung „BUTCHER´S by Penny“ für einer Zweitmarke der Klägerin halten.
Tatsächlich besteht aber auch keine Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung unter dem Gesichtspunkt des Anscheins möglicher lizenz- oder gesellschaftsvertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien. Gegen eine solche Annahme spricht bereits die Tatsache, dass die Klägerin bereits in zwei Fällen den Vertrieb mindestens so deutlicher Nachahmungen ihrer Produktlinie durch große Discounter (Aldi und Lidl) nicht nur toleriert, sondern sogar werbewirksam gutgeheißen hat. Der Verbraucher hat keine Veranlassung davon auszugehen, dass der Discounter Penny – anders als Aldi und Lidl – in einer vertraglichen Beziehung zur Klägerin steht. Außerdem fügt sich die angegriffene Produktaufmachung unverkennbar in die gesamte „BUTCHER´S by Penny“-Serie der Beklagten ein. Der Verbraucher hat keine Veranlassung, auf die Klägerin als mögliche Herstellerin der Gewürzmischungen zu schließen. Das Renommee und die besondere Unternehmensgeschichte legen eine vertragliche Zusammenarbeit mit Discountern nicht nahe, jedenfalls nicht in der Form, dass die Produkte unauffällig in die Eigenmarke eingegliedert werden. Beim Bestehen lizenz- oder gesellschaftsvertraglicher Beziehungen würde der Verbraucher vielmehr eine werbewirksame eindeutige Bezugnahme auf die Klägerin erwarten. Insgesamt betrachtet hält die angegriffene Produktausstattung einen so deutlichen Abstand zum Originalprodukt der Klägerin, dass unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen der wettbewerblichen Eigenart, dem Grad der Nachahmung und den besonderen wettbewerblichen Umständen der Vorwurf einer unlauteren Nachahmung nicht begründet ist.
cc. Eine unangemessene Rufausnutzung oder Rufbeeinträchtigung nach § 4 Nr. 3 lit. b) UWG liegt nicht vor, auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass das Produkt der Klägerin einen guten Ruf genießt. Bei durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart und einer allenfalls nachschaffenden Nachahmung gelten nach dem Grundsatz der Wechselwirkung relativ hohe Anforderungen an die Feststellung des Unlauterkeitstatbestandes. Besondere Begleitumstände, die hier ohne das Bestehen von Verwechslungsgefahr zu einer unlauteren Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung führen könnten, sind nicht dargetan. Der angesprochene Verkehr erkennt die Leistungsergebnisse der Parteien als das, was sie sind, nämlich als Konkurrenzprodukte. Dass / in welcher Hinsicht die Nachahmung im Wesentlichen nicht dieselbe Qualität aufweisen soll wie ihre Gewürzmischungen, hat die Klägerin überdies nicht schlüssig vorgetragen. Soweit die angegriffenen Produkte aufgrund der Verwendung von Korkengläsern, Papiersiegeln und schwarzen Etiketten Assoziationen an das Originalprodukt und insoweit Aufmerksamkeit erwecken mögen, genügt dies für eine Rufübertragung i.S.d. § 3 Nr. 3 lit. b) UWG nicht.
b. Aus § 5 Abs. 2 UWG a.F. / § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F., wonach eine geschäftliche Handlung irreführend und insoweit unlauter sein kann, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft, können im vorliegenden Fall keine weitergehenden Rechte hergeleitet werden als aus § 4 Nr. 3 lit. a) UWG, § 14 MarkenG. Dies sieht auch die Klägerin selbst so. Eine irreführende Produktvermarktung als Sonderfall der Irreführung über die betriebliche Herkunft ist aus den o.a. Gründen nicht feststellbar.
Das OLG Celle hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Marktverhaltensregel Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO durch Inverkehrbringen des Nahrungsergänzungsmittels "Cannabis-Öl" vorliegt.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, was auch die Beklagte nicht in Abrede nimmt.
2. Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1, § 3a i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO.
a) Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 3a Rn. 1.265, 1.271; bereits für die frühere Fassung der Novel-Food-VO: BGH GRUR 2015, 1140 [BGH 16.04.2015 - I ZR 27/14] Rn. 19).
b) Das Inverkehrbringen des Cannabis-Öls der Beklagten verstößt gegen Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO.
aa) Das Nahrungsergänzungsmittel der Beklagten ist ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 a) iv) Novel-Food-VO.
Nach dieser Bestimmung ist zunächst maßgeblich, ob das Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. Abzustellen ist dabei auf alle Merkmale des in Rede stehenden Lebensmittels und des hierfür verwendeten Herstellungsvorgangs (BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 27/14, Rn. 21, Bohnengewächsextrakt, zu dem gleichen Tatbestandsmerkmal in der Vorgängerregelung, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) 258/97). Dabei ist zu berücksichtigen, dass gemäß Erwägungsgrund 17 der Novel-Food-VO Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, insbesondere im Zuge einer Änderung der verwendeten Lebensmittelzutaten oder ihrer Anteile, nicht als neuartige Lebensmittel betrachtet werden sollen.
bb) Im Streitfall geht es um eine Kombination von Sesamöl und einem Hanfextrakt, der mit einem bestimmten Extraktionsverfahren hergestellt worden ist und Cannabidiol (CBD) enthält. Weil die Zutat Sesamöl als solche nicht neuartig ist, kommt es für die Beurteilung der Neuartigkeit des Cannabisöls auf den Hanfextrakt an.
Extraktion nennt man jedes Trennverfahren, bei dem mit Hilfe eines (festen, flüssigen oder gasförmigen) Extraktionsmittels eine oder mehrere Komponenten aus einem Stoffgemisch herausgelöst werden (vgl. Wikipedia). Maßgeblich für die Beurteilung der Neuartigkeit ist auch das von der Lieferantin der Beklagten für die Herstellung ihres Hanfextrakts konkret angewandte Extraktionsverfahren mit dem von ihr verwendeten spezifischen Extraktionsmittel. Denn von dem Extraktionsmittel hängt ab, welche Bestandteile herausgelöst werden.
Es ist davon auszugehen, dass der Hanfextrakt in dem von der Beklagten vertriebenen Cannabis-Öl vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde.
Diese Behauptung des Klägers hat die Beklagte nicht mit Substanz bestritten. Weil es sich um eine negative Tatsache handelt, trifft die Beklagte insoweit nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast (BGH, GRUR 2015, 1140 [BGH 16.04.2015 - I ZR 27/14] Rn. 22). Dieser ist die Beklagte nicht nachgekommen (s. nachfolgend Ziff. (1) und (2)).
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem - in der Vorgängerregelung noch nicht in dieser Form enthaltenen - Tatbestandsmerkmal "ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat" (Art. 3 Abs. 2 a) iv) eine einschränkende Bedeutung zukommen soll. In Betracht käme, dass Lebensmittel nicht als neuartig anzusehen sind, wenn sie vor dem Stichtag zwar nicht in nennenswertem Umfang verzehrt wurden, aber trotzdem - etwa aufgrund regionaler Besonderheiten - in der Union Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel haben. Aber auch dies hat die Beklagte nicht dargetan.
(1) Das Landgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass es in der EU vor dem 15. Mai 1997 eine Verwendungsgeschichte für Produkte gegeben habe, die sich - wie das der Beklagten - aus Sesamöl und Hanfextrakt zusammensetzten. Auch für generell aus Hanfextrakt hergestellte Produkte habe sie eine Verwendungsgeschichte nicht dargelegt. Dass die Beklagte insoweit keinen Vortrag gehalten hat, steht gemäß § 314 ZPO fest. Die Beweiskraft des Tatbestandes gemäß § 314 ZPO erfasst auch diejenigen tatsächlichen Feststellungen, die in den Entscheidungsgründen enthalten sind und den Tatbestand insoweit ersetzen (BeckOK ZPO/Elzer, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 314 Rn. 8). Dem stünde nicht entgegen, wenn sich insoweit Vorbringen aus vorbereitenden Schriftsätzen der Beklagten ergäbe. Zwar wird in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils allgemein auf diese Schriftsätze Bezug genommen. Bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen tatbestandlichen Feststellungen und dem allgemein in Bezug genommenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze geht der Tatbestand vor (BeckOK ZPO/Elzer, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 314 Rn. 27 mwN).
(2) Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte auch dann nicht ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen wäre, wenn Vorbringen aus ihren vorbereitenden Schriftsätzen berücksichtigt würde. Auch in den erstinstanzlichen Schriftsätzen der Beklagten ist nicht mit Substanz dargetan, dass das Lebensmittel der Beklagten oder der darin enthaltene Hanfextrakt vor dem Stichtag in der Union in nennenswertem Umfang von Menschen verzehrt wurde bzw. eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel hat. An den von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung genannten Fundstellen (Bl. 952 d.A.) hat sie vorgetragen, Blüten und Blätter von Cannabis sativa seien seit Jahrhunderten innerhalb der EU traditionell zum Verzehr verwendet worden. In gleicher Weise, wie Tee und Kaffee mit heißem Wasser als Extrakt hergestellt worden sei, seien auch Extrakte aus Cannabisblüten und -blättern zum Zwecke des Verzehrs hergestellt worden. Weiter hat sie vorgetragen, soweit ihr bekannt sei, sei der verwendete Hanfextrakt mit dem Extraktionsmittel Ethanol hergestellt worden (Bl. 446 d.A.). In einem italienischen Kochbuch aus dem 15. Jahrhundert finde sich ein Rezept, wonach man Hanfpflanzen in Öl aufgekocht und den Sud zum Verzehr verwendet habe (Bl. 447 d.A.). In Osteuropa sei in den 1970er und 80er Jahren Nutzhanf als Lebensmittelzutat verwendet worden, z.B. zur Herstellung von Hanftee oder beim Bierbrauen (Bl. 448 d.A.). Hanf werde bereits seit dem Jahr 400 in Deutschland angebaut (Bl. 534 d.A.). Die Nutzung von Ethanol als Extraktionsmittel für Lebensmittel und -zutaten sei ein übliches und zulässiges Verfahren (Bl. 609 d.A.).
Mit diesem Vortrag hat die Beklagte die sie treffende sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Weder für das von ihr hergestellte Nahrungsergänzungsmittel, noch für den dabei verwendeten, im Wege der Ethanol-Extraktion hergestellten Hanfextrakt hat sie eine nennenswerte Nutzung als Lebensmittel vor dem maßgeblichen Stichtag vorgetragen. Der pauschale Vortrag zur jahrhundertelangen Verwendung von Hanf und die Verwendung zur Zubereitung von Tees und zum Bierbrauen genügen insoweit nicht. Es handelt sich nicht um die von der Beklagten verwendete Lebensmittelzutat, einen im Wege der Ethanol-Extraktion hergestellten Hanfextrakt. Darüber hinaus fehlte es selbst zu den von der Beklagten vorgetragenen - gänzlich anderen - Herstellungsmethoden (Aufkochen in Wasser oder Öl) an hinreichend konkretem Vortrag dazu, dass die Produkte in nennenswertem Umfang verzehrt wurden oder eine sichere Verwendungsgeschichte haben.
(3) Auch in der Berufungsbegründung hat die Beklagte hierzu keinen weiteren Tatsachenvortrag gehalten, sondern nur auf ihren "fragmentarischen" erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.
(4) Ausweislich ihres Schriftsatzes vom 9. März 2023 meint die Beklagte, sie könne insoweit nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist noch weiteren berücksichtigungsfähigen Tatsachenvortrag halten (Bl. 975 d.A.). Dies trifft jedoch nicht zu (§ 520, § 530 ZPO). Wie die Beklagte selbst ausführt, konnte sie (spätestens) aus dem angefochtenen Urteil erkennen, dass sie hierzu hätte vortragen müssen.
Aus den vorstehenden Gründen kann der Kläger auch die Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung verlangen. Denn es wird - unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Lebensmittelinformations-VO - der unzutreffende Eindruck erweckt, es handele sich um ein verkehrsfähiges Lebensmittel.
BGH
Beschluss vom 01.06.2023 I ZR 109/22
Botanicals
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Art. 10 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 5 und 6; Verordnung (EU) Nr. 432/2012 Erwägungsgründe 10 und 11; Verordnung (EU) Nr. 536/2013 Erwägungsgründe 4 und 5
Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, inwieweit die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für pflanzliche Stoffe (Botanicals) nach der Health Claims-Verordnung zulässig ist.
Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung der Art. 10 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9) in der zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1047/2012 der Kommission vom 8. November 2012 (ABl. L 310 vom 9. November 2012, S. 36) geänderten Fassung sowie der Erwägungsgründe 10 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern (ABl. L 136 vom 25. Mai 2012, S. 1) sowie der Erwägungsgründe 4 und 5 der Verordnung (EU) Nr. 536/2013 der Kommission vom 11. Juni 2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 (ABl. L 160 vom 12. Juni 2013, S. 4) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Darf für pflanzliche Stoffe ("Botanicals") mit gesundheitsbezogenen Angaben (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) bzw. mit Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden (Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) geworben werden, ohne dass diese Angaben gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung) bzw. ohne dass diesen Verweisen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 der Verordnung), solange die Bewertung der Behörde und die Prüfung der Kommission über die Aufnahme der zu "Botanicals" angemeldeten Angaben in die Gemeinschaftslisten gemäß Art. 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 noch nicht abgeschlossen sind ?
BGH, Beschluss vom 1. Juni 2023 - I ZR 109/22 - OLG Hamburg - LG Hamburg
Das LG Berlin hat entschieden, dass die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel mit "Anti-Kater" oder "Anti-Hangover" einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen Art. 7 LMIV darstellt.
Aus den Entscheidungsgründen: Dem Kläger stehen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche aus §§ 3, 3a UWG iVm Art. 7 Abs. 3, 4 a) LMIV gegen die Beklagte zu, weil die tenorierten Äußerungen innerhalb der streitgegenständlichen Werbung der Anlage K 3 in jedem Fall krankheitsbezogen sind.
Gemäß Art. 7 Abs. 3, 4 a) LMIV dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem auch in der Werbung keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Das von der Beklagten beworbene Produkt ist ein Lebensmittel im Sinne der LMIV.
Der Begriff „Krankheit“ ist unionsrechtlich nicht definiert, weshalb auf die durch nationale Rechtsprechung entwickelte Definition zurückzugreifen ist. Krankheit gemäß Art. 7 LMIV ist nach der Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder normalen Tätigkeit des Körpers (vgl. BGH NJW 1966, 393, 396 f.; Voit/Grube, LMIV, 2. Auflage, Art. 7 Rdnr. 292). Die durch § 12 LFGB bzw. Art. 7 LMIV als Nachfolgevorschrift verbotene Bezugnahme auf eine bestimmte Krankheit kann auch indirekt durch Hinweise auf Körperzustände oder Wirkungen des Lebensmittels, die beim Verbraucher Assoziationen zu bestimmten Krankheiten auslösen, geschehen (vgl. Wehlau, LFGB, § 12 Rdnr. 31). Krankheitssymptome fallen jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn ein mittelbarer Bezug zu einer bestimmten Krankheit hergestellt und nicht nur ein bloßer Hinweis auf die gesundheitsfördernde Wirkung abgegeben wird (vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 140106 Tz. 23 f.). Die jeweiligen Werbeangaben sind in ihrem Gesamtzusammenhang zu würdigen, weil sie Bestandteile einer jeweils einheitlichen Werbung sind, die als geschlossene Botschaft erscheint. Vor diesem Hintergrund ist jede der beanstandeten Aussagen im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt zu bewerten (vgl. Kammergericht, Urteil vom 25. April 2018 - 5 U 82/17 -).
Die streitgegenständlichen Aussagen weisen in ihrem von der Beklagten gestalteten Umfeld zweifellos Krankheitsbezug auf, sie wecken entgegen ihrer Auffassung beim Interessenten ihres Produkts nicht die Erwartung einer üblichen Schwankung des körperlichen Wohlbefindens. Dies folgt neben der ersten streitgegenständlichen Werbeaussage aus dem vorangestellten „Anti-“ in den nachfolgenden beiden, die zusammen mit dem weiteren Text der Anlage K 3 jedem Interessenten verdeutlichen, er könne soviel trinken, wie er wolle, die damit verbundenen zwangsläufigen, bekannten und meist schwerwiegenden Folgen träten nicht ein. Ein derartiger, durch erheblichen Alkoholkonsum hervorgerufener Zustand, den es zu verhindern gelte, weicht stets von dem üblichen Auf und Ab der Gesundheit im Laufe eines Tages ab und erfüllt selbst bei einer unterstellten, von der Beklagten befürworteten teleologischen Auslegung der Vorschrift den Krankheitsbegriff. In ihrem Werbetext spricht die Beklagte von einer „langen Partynacht“, in der man sich „keine Gedanken um den Morgen danach machen“ müsse. Das Produkt helfe, „lebenswichtige Nährstoffe wiederherzustellen und am nächsten Tag ohne Kopfschmerzen aufzuwachen. Seien Sie sorgloser ... Denn so ist der gefürchtete Morgen danach Schnee von gestern...“. U. a. mit „Kopfschmerzen“ und „gefürchtete Morgen danach“ spricht die Beklagte unmissverständlich Folgen an, die der Interessent stets als Störung der normalen Beschaffenheit des Körpers in diesem Werbeumfeld ansieht.
Einer Entscheidung der von der Beklagten aufgeworfenen Frage, ob die jeweiligen Begriffe „Kater“ und/oder „Hangover“ für sich bereits für eine Krankheit im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV stehen, bedarf es dementsprechend nicht, wobei dies von der Rechtsprechung unter Würdigung auch der hiesigen Argumente der Beklagten soweit ersichtlich allgemein bejaht wird (vgl. insbesondere OLG Frankfurt GRUR 2019, 1300 Tz. 23 bis 34).
Das BVerwG hat entschieden, dass Süßwarenhersteller nach der LMIV Füllgeweicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren angeben müssen und dies auch für einzeln verpackte Bonbons gilt.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Pflicht zur Angabe von Gewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren
Auf der zum Verkauf bestimmten Verpackung eines Lebensmittels, in der sich mehrere Einzelpackungen befinden, müssen nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) auch dann sowohl das Füllgewicht als auch die Anzahl der enthaltenen Einzelpackungen angegeben werden, wenn es sich bei den Einzelpackungen um kleinteilige Einzelstücke - wie etwa einzeln umwickelte Bonbons - handelt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Klägerin bringt die von ihr hergestellten Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten unter anderem in Beuteln in den Verkehr, in denen sich mehrere einzeln mit Bonbonpapier umwickelte oder auf ähnliche Weise umhüllte Stücke befinden. Bei einer amtlichen Kontrolle stellte das Landesamt für Mess- und Eichwesen des beklagten Landes Rheinland-Pfalz fest, dass auf mehreren der auf diese Weise im Handel angebotenen Produkte zwar das Gesamtgewicht der Süßigkeiten angegeben war, nicht hingegen die Zahl der enthaltenen Stücke. Es bemängelte das Fehlen der Angabe und leitete gegen einen Mitarbeiter der Klägerin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Die Klägerin wandte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht gegen die maßgeblichen Regelungen der LMIV verstoße, wenn sie bestimmte Produkte ihres Sortiments ohne Angabe der Zahl der enthaltenen Stücke in den Handel bringe. Die Klage blieb erfolglos; die hiergegen eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück.
Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Art. 23 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anhang IX Nr. 4 LMIV sind auf einer Vorverpackung, die aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzugeben. Die Produkte der Klägerin unterfallen dieser Vorschrift. Für ihre Annahme, die Vorschrift sei auf Vorverpackungen nicht anzuwenden, die kleinere, einzeln verpackte Stücke enthalten, findet sich im maßgeblichen Unionsrecht kein Anhaltspunkt. Die Pflicht zur Angabe der Anzahl der in der Verpackung enthaltenen Stücke greift nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmer ein. Die Angabe hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen zusätzlichen Informationswert und fördert den durch die LMIV verfolgten Zweck, sie bei ihrer Kaufentscheidung in die Lage zu versetzen, das für ihre Bedürfnisse passende Lebensmittel auszuwählen. Durch diese Pflicht werden die Lebensmittelunternehmer nicht unangemessen belastet. Insbesondere ist es ihnen nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch angesichts produktionsbedingter Schwankungen des Gewichts der Einzelstücke möglich, Gesamtgewicht und Stückzahl so anzugeben, dass sie nicht gegen die Vorschriften über die maximal zulässigen Füllmengenabweichungen verstoßen.