Das LG Berlin hat entschieden, dass die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel mit "Anti-Kater" oder "Anti-Hangover" einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen Art. 7 LMIV darstellt.
Aus den Entscheidungsgründen: Dem Kläger stehen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche aus §§ 3, 3a UWG iVm Art. 7 Abs. 3, 4 a) LMIV gegen die Beklagte zu, weil die tenorierten Äußerungen innerhalb der streitgegenständlichen Werbung der Anlage K 3 in jedem Fall krankheitsbezogen sind.
Gemäß Art. 7 Abs. 3, 4 a) LMIV dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem auch in der Werbung keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Das von der Beklagten beworbene Produkt ist ein Lebensmittel im Sinne der LMIV.
Der Begriff „Krankheit“ ist unionsrechtlich nicht definiert, weshalb auf die durch nationale Rechtsprechung entwickelte Definition zurückzugreifen ist. Krankheit gemäß Art. 7 LMIV ist nach der Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder normalen Tätigkeit des Körpers (vgl. BGH NJW 1966, 393, 396 f.; Voit/Grube, LMIV, 2. Auflage, Art. 7 Rdnr. 292). Die durch § 12 LFGB bzw. Art. 7 LMIV als Nachfolgevorschrift verbotene Bezugnahme auf eine bestimmte Krankheit kann auch indirekt durch Hinweise auf Körperzustände oder Wirkungen des Lebensmittels, die beim Verbraucher Assoziationen zu bestimmten Krankheiten auslösen, geschehen (vgl. Wehlau, LFGB, § 12 Rdnr. 31). Krankheitssymptome fallen jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn ein mittelbarer Bezug zu einer bestimmten Krankheit hergestellt und nicht nur ein bloßer Hinweis auf die gesundheitsfördernde Wirkung abgegeben wird (vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 140106 Tz. 23 f.). Die jeweiligen Werbeangaben sind in ihrem Gesamtzusammenhang zu würdigen, weil sie Bestandteile einer jeweils einheitlichen Werbung sind, die als geschlossene Botschaft erscheint. Vor diesem Hintergrund ist jede der beanstandeten Aussagen im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt zu bewerten (vgl. Kammergericht, Urteil vom 25. April 2018 - 5 U 82/17 -).
Die streitgegenständlichen Aussagen weisen in ihrem von der Beklagten gestalteten Umfeld zweifellos Krankheitsbezug auf, sie wecken entgegen ihrer Auffassung beim Interessenten ihres Produkts nicht die Erwartung einer üblichen Schwankung des körperlichen Wohlbefindens. Dies folgt neben der ersten streitgegenständlichen Werbeaussage aus dem vorangestellten „Anti-“ in den nachfolgenden beiden, die zusammen mit dem weiteren Text der Anlage K 3 jedem Interessenten verdeutlichen, er könne soviel trinken, wie er wolle, die damit verbundenen zwangsläufigen, bekannten und meist schwerwiegenden Folgen träten nicht ein. Ein derartiger, durch erheblichen Alkoholkonsum hervorgerufener Zustand, den es zu verhindern gelte, weicht stets von dem üblichen Auf und Ab der Gesundheit im Laufe eines Tages ab und erfüllt selbst bei einer unterstellten, von der Beklagten befürworteten teleologischen Auslegung der Vorschrift den Krankheitsbegriff. In ihrem Werbetext spricht die Beklagte von einer „langen Partynacht“, in der man sich „keine Gedanken um den Morgen danach machen“ müsse. Das Produkt helfe, „lebenswichtige Nährstoffe wiederherzustellen und am nächsten Tag ohne Kopfschmerzen aufzuwachen. Seien Sie sorgloser ... Denn so ist der gefürchtete Morgen danach Schnee von gestern...“. U. a. mit „Kopfschmerzen“ und „gefürchtete Morgen danach“ spricht die Beklagte unmissverständlich Folgen an, die der Interessent stets als Störung der normalen Beschaffenheit des Körpers in diesem Werbeumfeld ansieht.
Einer Entscheidung der von der Beklagten aufgeworfenen Frage, ob die jeweiligen Begriffe „Kater“ und/oder „Hangover“ für sich bereits für eine Krankheit im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV stehen, bedarf es dementsprechend nicht, wobei dies von der Rechtsprechung unter Würdigung auch der hiesigen Argumente der Beklagten soweit ersichtlich allgemein bejaht wird (vgl. insbesondere OLG Frankfurt GRUR 2019, 1300 Tz. 23 bis 34).
Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 10 HCVO durch Platzierung der Werbeaussage "Volle Power für Ihr Immunsystem" in unmittelbarer Nähe zu Produkten vorliegt.
Aus den Entscheidungsgründen: Der erstinstanzlich zuerkannte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger jedenfalls aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 3a UWG, Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (nachfolgend: HCVO) zu.
a) Der Kläger ist nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert.
b) Bei Art. 10 HCVO handelt es sich um eine Marktverhaltensregel i. S. v. § 3a UWG (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 12 mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).
c) Das Landgericht hat ferner zutreffend festgestellt, dass die Beklagte mit der streitgegenständlichen Werbung gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO verstoßen hat.
Gem. Art. 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.
aa) Der Anwendungsbereich der HCVO ist eröffnet. Bei den neben bzw. unmittelbar unter der streitgegenständlichen Überschrift nebst Grafik abgebildeten Produkten handelt es sich um Lebensmittel i. S. d. Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und damit auch um ein Lebensmittel i. S. d. HCVO (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a) HCVO). Auch nach Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2002/46/EG über Nahrungsergänzungsmittel gelten Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel (vgl. Senatsurteil vom 24.02.2015 – 4 U 72/14, Rn. 81, zit. nach juris).
bb) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Abbildung auf dem sog. „Slider“ um gesundheitsbezogene Angaben i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 HCVO und nicht lediglich einen grafisch besonders veranschaulichten bzw. hervorgehobenen „Themenwegweiser“ handelt.
(1) Auch zur Überzeugung des Senats handelt es sich bei der beanstandeten Darstellung um eine nicht obligatorische Aussage bzw. Darstellung, die insbesondere durch das grafische Element einer diversen Krankheitserregern entgegengestreckten Hand symbolhaft zum Ausdruck bringt, dass die unmittelbar darunter abgebildeten Produkte der Beklagten besondere Eigenschaften besitzen, nämlich eine die körpereigene Immunabwehr zumindest stärkende Wirkung (Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO).
Zu den Angaben im vorgenannten Sinne zählen alle in der Etikettierung oder – wie hier – Bewerbung von Lebensmitteln in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebrachten – nicht obligatorischen – Aussagen oder Darstellungen, die bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein bestimmtes Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2015 – I ZR 222/13, GRUR 2016, 412, Rn. 17 mwN., zit. nach juris – Lernstark). Dies ist – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – vorliegend der Fall.
Insbesondere handelt es sich bei der angegriffenen Darstellung um eine produktbezogene Werbung der Beklagten und nicht lediglich um eine allgemeine „Themenüberschrift“ oder einen „Wegweiser“ i. S. bspw. eines bestimmten Menüpunktes auf einer Navigationsleiste des Internetauftritts der Beklagten. Zutreffend weist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sowohl die Grafik als auch die Überschrift „Volle Power für Ihr Immunsystem“ im unmittelbaren Zusammenhang mit der bildlichen Darstellung konkreter Produkte der Beklagten stehen.
Anders als bei einer mit einem Menüpunkt auf einer Navigationsleiste vergleichbaren „Themenüberschrift“ oder einem „Wegweiser“ befand sich die angegriffene Darstellung – wie die Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 16.04.2020 selbst eingeräumt hat – auf der Startseite ihres Internetauftritts www.A.de direkt unterhalb der Menüleiste auf einem sog. „Slider“, auf dem – wie den Mitgliedern des schwerpunktmäßig mit Streitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes befassten Senats hinreichend bekannt ist – typischerweise (tages-)aktuelle Werbung verbunden mit Links zu den entsprechenden Produkten eingeblendet wird und sich mittels eines Klicks auf einen der beiden Pfeile am rechten und linken Bildrand aus dem Blickfeld des Betrachters verschieben lässt bzw. nach einer bestimmten vorgegebenen Zeit selbst zugunsten einer anderen Werbeanzeige verschiebt. Der Senat geht hierbei zudem davon aus, dass die angegriffene Werbung durchaus im Zusammenhang mit dem damaligen Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 zu sehen ist, wenn es hierauf auch weder entscheidungserheblich ankommt noch die Pandemie in der Anzeige explizit erwähnt wird.
(2) Zu Recht hat das Landgericht ferner festgestellt, dass es sich um gesundheitsbezogene Angaben i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handelt.
(a) Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Verordnung jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff „Zusammenhang“ ist dabei weit zu verstehen. Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Die Frage, ob eine Aussage auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielt, ist anhand der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO aufgeführten Fallgruppen zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 19 mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).
(b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei der beanstandeten Überschrift „Volle Power für Ihr Immunsystem“ nebst nebenstehender Grafik um gesundheitsbezogene Angaben, weil hierdurch aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht lediglich im Sinne einer „Themenüberschrift“ die Funktion der körpereigenen Immunabwehr abstrakt dargestellt, sondern wegen der unmittelbar darunter abgebildeten und – wie bereits vorstehend ausgeführt – damit zugleich konkret beworbenen Produkte der Beklagten ein Zusammenhang zwischen der Einnahme eben dieser von der Beklagten vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel einerseits und der Gesundheit andererseits suggeriert wird. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Darstellung wie vorliegend für die Annahme eines Zusammenhangs genügt, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Produktes impliziert.
Die Werbeaussage zielt dabei auch auf eine der Fallgruppen der Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO ab, nämlich Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCVO. Hierzu gehören insbesondere das Wachstum, die Entwicklung und sämtliche sonstigen Körperfunktionen. Nach dieser allgemeinen und weitgefassten Umschreibung gehören auch die Funktion des körpereigenen Immunsystems zum Gesundheitsbegriff der HCVO. Hiervon geht auch der Verordnungsgeber der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 aus, der Angaben über die „normale Funktion des Immunsystems“ zu den gesundheitsbezogenen Angaben i. S. d. HCVO rechnet. Nichts anderes kann für die – lediglich etwas „reißerischer“ formulierte und zudem grafisch verdeutlichte – Aussage der Beklagten über „Volle Power für Ihr Immunsystem“ gelten (vgl. Senatsurteil vom 24.02.2015 – 4 U 72/14, Rn. 82, zit. nach juris).
cc) Nach den zutreffenden und – soweit ersichtlich – mit der Berufung auch nicht angegriffenen weiteren Feststellungen des Landgerichts liegt ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO letztlich schon deshalb vor, weil die in der beanstandeten Werbung enthaltenen Angaben nicht mit zugelassenen Angaben inhaltsgleich sind, da sie nicht erkennen lassen, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben aufgeführten Nährstoffe, Substanzen, Lebensmittel oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung der „Vollen Power für Ihr Immunsystem“ beruht.
(1) In der im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 enthaltenen Liste der zugelassenen Angaben ist jeweils eine bestimmte Wirkung in Beziehung zu einem bestimmten Nährstoff, einer bestimmten Substanz, einem bestimmten Lebensmittel oder einer bestimmten Lebensmittelkategorie gesetzt. Eine gesundheitsbezogene Angabe, die nicht erkennen lässt, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 aufgeführten Nährstoffen, Substanzen, Lebensmitteln oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung eines Produkts beruht, ist daher mit den zugelassenen Angaben nicht inhaltsgleich und somit unzulässig. Das ergibt sich auch aus dem Zweck der Verordnung, sicherzustellen, dass gesundheitsbezogene Angaben wahrheitsgemäß, klar, verlässlich und für den Verbraucher hilfreich sind (Erwägungsgrund 9 Satz 1 der Verordnung). Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn die verwendete Angabe und die zugelassene Angabe auf den gleichen Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem Lebensmittelbestandteil und einer bestimmten Wirkung auf die Gesundheit hinweisen (vgl. Erwägungsgrund 9 Satz 3 der Verordnung). Die Annahme einer inhaltlichen Übereinstimmung zwischen zugelassener und verwendeter Angabe setzt daher voraus, dass die zugelassene Angabe und die verwendete Angabe hinsichtlich des Nährstoffs oder der anderen Substanz oder des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, für die die Angabe zugelassen wurde bzw. verwendet wird, übereinstimmen (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 34 f. mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).
(2) Die in der beanstandeten Werbung enthaltene pauschale Angabe „Volle Power für Ihr Immunsystm“ in Verbindung mit der grafischen Darstellung eines in Abwehrhaltung befindlichen Menschen, der sich gegen unterschiedliche Krankheitserreger zur Wehr setzt, genügt diesen Anforderungen nicht. In der beanstandeten Werbeaussage ist keiner derjenigen Nährstoffe genannt, für den nach der im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 enthaltenen Liste die Angabe zugelassen ist, dass er „zu einer normalen Funktion des Immunsystems beiträgt“. Die bloße Angabe einer bestimmten Wirkung ohne Benennung des Nährstoffs, der Substanz, des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, auf der diese Wirkung nach der Liste der zugelassenen Angaben beruht, ist mit der zugelassenen Angabe aber nicht inhaltsgleich und daher unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 36 f. mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).
d) Der Verstoß gegen die vorgenannte Marktverhaltensregel ist – wie das Landgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat – letztlich auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar i. S. v. § 3a UWG zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200, Rn. 12 mwN., zit. nach juris – Repair-Kapseln).
Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irrführung nach § 3 HWG durch Bewerbung eines Grippemittels mit dem Slogan "Symptome ihr könnt mich mal! Ich überspring das Schlimmste“ vorliegt. Ein Durchschnittsverbraucher versteht den Slogan so, dass durch die Einnahme der Arznei, die schlimmsten Symptome verhindert werden können. Tatsächlich tritt aber nur eine Linderung ein. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.
BGH
Urteil vom 05.11.2020 I ZR 204/19
Sinupret
UWG § 3a; HWG § 3 Satz 1 und 2 Nr. 1
Der BGH hat entschieden, dass ein wettbewerbswidrige Irreführung nach § 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 HWG vorliegt, wenn Wirkversprechen für ein Arzneimittel gemacht werden, obwohl keine human-pharmakologischen Untersuchungen zur Wirksamkeit vorliegen^.
Leitsatz des BGH:
Eine Werbung, die einem Arzneimittel aus Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen bei einer Anwendung am Menschen beilegt (hier eine entzündungshemmende und antivirale Wirkung bei der Behandlung von Patienten mit akuten, unkomplizierten Entzündungen der Nasennebenhöhlen), ist nach § 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 HWG irreführend und unzulässig, wenn sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, weil sie allein auf Angaben in der Fachinformation gestützt wird, wonach sich diese Wirkungen zwar bei Tests an tierischen Organismen (hier einer Rattenpfote) und außerhalb lebender Organismen (in vitro) gezeigt haben, aber bisher keine human-pharmakologischen Untersuchungen zur klinischen Relevanz dieser Ergebnisse vorliegen.
BGH, Urteil vom 5. November 2020 - I ZR 204/19 - OLG Nürnberg - LG Nürnberg-Fürth
Das LG Stuttgart hat entschieden, dass es wettbewerbswidrig ist, wenn ein Staubsauger mit der Aussage "super Helfer im Kampf gegen Corona" beworben wird. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.
Das LG Berlin hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß durch die Bezeichnung eines Nahrungsergänzungsmittels als "Hangover Shot" vorliegt.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Dem Kläger steht gemäß §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. Art. 7 Abs. 3, 4 LMIV und § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ein Unterlassungsanspruch zu. Nach Art. 7 Abs. 3 LMIV dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Nach Art. 7 Abs. 4 LMIV gilt das auch für die Werbung. § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verbietet es, Lebensmittel, die den Anforderungen von Art. 7 Abs. 1, auch in Verbindung mit Abs. 4 LMIV, nicht entsprechen, in den Verkehr zu bringen oder allgemein oder im Einzelfall dafür zu werben.
Der Verkehr versteht die Bezeichnung „Hangover Shot“ dahingehend, dass das beworbene Nahrungsergänzungsmittel zum Einnehmen gegen einen „Kater“ bestimmt ist. Mit „Kater“ wird umgangssprachlich die Folge einer Alkoholvergiftung bezeichnet. Damit handelt es sich bei einem „Kater“ um eine Krankheit, deren Behandlung das Nahrungsergänzungsmittel dienen soll. Gleiches wird mit den Aussagen gemäß 1.b) und c) des Tenors ausgedrückt. Auch diese nehmen Bezug auf in den geschilderten Situationen häufig erfolgenden Alkoholkonsum und den darauf folgenden „Kater“.
Zugleich liegt ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 VO EG 1924/2006 vor. Danach sind gesundheitsbezogene Angaben für Lebensmittel verboten, sofern sie nicht nach Art. 13 VO EG 1924/2006 zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben aufgenommen sind. Gesundheitsbezogene Angaben sind alle Angaben, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Die Bezeichnung „Hangover Shot“ wird dahingehend verstanden, dass mit der Einnahme des Mittels einem „Kater“ vorgebeugt oder dieser gelindert oder beseitigt werden könne. Mit den Aussagen gemäß 1.b) und c) des Tenors wird eine regenerierende und energetisierende Wirkung, also eine gesundheitsfördernde Wirkung behauptet."
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein alkoholbedingter Kater als Krankheit zu qualifizieren ist. Die Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln mit dem Hinweis, dass diese einem alkoholbedingten Kater vorbeugen bzw. seine Folgen mindern stellt - so das Gericht - einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen die LMIV dar.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
OLG Frankfurt am Main: "Kater" als Krankheit
Ein Alkoholkater stellt eine Krankheit dar. Werbeaussagen, wonach ein Nahrungsergänzungsmittel einem Alkoholkater vorbeugen bzw. seine Folgen mindern soll, verstoßen damit gegen das Verbot, Lebensmitteln krankheitsbezogene Eigenschaften zuzuweisen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil.
Die Beklagte vertreibt und bewirbt zwei Nahrungsergänzungsmittel, deren Verzehr dem Entstehen eines Katers nach Alkoholkonsum vorbeugen bzw. die Wirkungen des Katers lindern soll. Die Produkte sind in Form eines pulverförmigen Sticks („Drink“) und einer trinkfähigen Mischung („Shot“) erhältlich. Sie werden von der Beklagten umfangreich beworben, unter anderem mit den Aussagen: „Anti Hangover Drink“ bzw. „Anti Hangover Shot“, „Natürlich bei Kater“, „Mit unserem Anti-Hangover-Drink führst Du Deinem Körper natürliche, antioxidative Pflanzenextrakte, Elektrolyte und Vitamine zu“.
Der Kläger ist ein Verein, zu dessen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung der Regel des unlauteren Wettbewerbs gehört. Er wendet sich gegen zahlreiche Werbeaussagen der Beklagten. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben.
Die hiergegen gerichtete Berufung hat auch vor dem OLG keinen Erfolg. „Informationen über ein Lebensmittel dürfen diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaft entstehen lassen“, betont das OLG unter Verweis auf Vorgaben der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Eine Aussage sei krankheitsbezogen, wenn sie direkt oder indirekt den Eindruck vermittele, dass das beworbene Lebensmittel zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Krankheit beitrage. Hier suggerierten die untersagten Aussagen den „angesprochenen Verkehrskreisen, bei denen es sich vornehmlich um junge Verbraucher handelt, die beim Feiern Alkohol konsumieren, das beworbene Produkt sei zur Behandlung der Symptome eines Alkoholkaters geeignet bzw. könne einem Kater vorbeugen.“
Bei einem „Kater“ bzw. „Hangover“ handele es sich auch um eine Krankheit. Im Interesse eines möglichst wirksamen Gesundheitsschutzes sei der Begriff weit auszulegen. „Unter Krankheit ist jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers zu verstehen“, fasst das OLG zusammen und konkretisiert „auch eine nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit, die geheilt, dass es beseitigt oder gemindert werden kann und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit darstellt, rechnet zum Begriff der Krankheit“. So seien Kopfschmerzen eine Krankheit, nicht aber natürliche physiologische Zustände.
Hier werde der Kater mit Symptomen wie Müdigkeit, Übelkeit und Kopfschmerz beschrieben. Derartige Symptome lägen außerhalb der natürlichen Schwankungsbreite des menschlichen Körpers. „Sie treten nicht als Folge des natürlichen „Auf und Ab“ des Körpers, sondern infolge des Konsum von Alkohol, einer schädlichen Substanz, ein“, begründet das OLG. Nicht maßgeblich sei, dass die Symptome regelmäßig von selbst verschwinden und keiner ärztlichen Behandlung bedürften. Die von der Beklagten vorgelegten Gutachten bestätigten die Einschätzung, dass es sich beim Kater um eine Krankheit handele. Dafür spreche bereits, dass es für den Kater einen medizinischen Fachbegriff, nämlich „Veisalgia“, gebe.
Die Beklagte könne sich auch nicht drauf berufen, dass ihre Werbung eine zulässige gesundheitsbezogene Angabe in Form eines nach dem Anhang der Health Claim-VO (HCVO) genehmigten Claims darstelle. Der von ihr in Bezug genommene Claim habe mit der hier geschilderten Katersymptomatik nichts zu tun.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.9.2019, Az. 6 U 114/18
(vorausgehend Landgericht, Urteil vom 8.6.2018, Az. 3/10 O 67/17)
Erläuterungen:
Artikel 7 LMIV Lauterkeit der Informationspraxis
(1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere
a) in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;
b) indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt;
c) indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/ oder Nährstoffe;
d) indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde.
(2) Informationen über Lebensmittel müssen zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein.
(3) Vorbehaltlich der in den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, vorgesehenen Ausnahmen dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.
"Der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist schon deshalb nicht begründet, weil eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungstitel nicht vorliegt.
1.
Es kann dahinstehen, ob das beanstandete Verhalten schon deshalb nicht unter den Schutzbereich des Verbotstenors fällt, weil die Auslegung des Verfügungsantrages ggf. bereits ergibt, dass in der Wahl der konkreten Verletzungshandlung als Unterlassungsbegehren eine bewusste Beschränkung liegt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BGH, Beschluss vom 03.04.2014, I ZB 42/11; Beschluss vom 29.09.2016, I ZB 34/15).
Denn auch eine kerngleiche Verletzungshandlung kann nicht festgestellt werden.
2.
Der dem Gläubiger aufgrund einer in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung zustehende Unterlassungsanspruch ist nicht auf ein der Verletzungshandlung in jeder Hinsicht entsprechendes Verhalten beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen. Erfasst werden über die identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (BGH, Urteil vom 29.09.2016, Aktenzeichen I ZB 34/15; Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 890, Rn. 4). Wird eine Maßnahme so verändert, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbots ändert, unterfällt sie nicht dem Verbotskern des Titels. Dies gilt selbst dann, wenn die abgeänderte Form selbst rechtswidrig wäre (vgl. Hess in juris PK- UWG, 4. Aufl., § 12, Rn. 254 mit weiteren Nachweisen). Eine weitergehende Titelauslegung ist schon aufgrund des strafähnlichen Charakters des Ordnungsmittels des § 890 ZPO unstatthaft (BGH, NJW 1989, 2327).
Voraussetzung für die Erstreckung des Schutzumfanges des Unterlassungstenors auf kerngleiche Verletzungshandlungen ist jedoch, dass diese in das Erkenntnisverfahren und die Verurteilung einbezogen sind. Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist (BGH WRP 2014, 719).
Die Kerntheorie erlaubt nicht, die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel auf Handlungen zu erstrecken, die nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren. Darin läge eine wegen des Sanktionscharakter der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unzulässige Titelerweiterung.
Zweifel gehen dabei zulasten des Titelinhabers, da er durch entsprechende Antragsformulierung die notwendige Verallgemeinerung des Verbotes herbeiführen kann und das Vollstreckungsverfahren nicht mit Ungewissheiten belastet werden soll, die besser im Erkenntnisverfahren geklärt würden (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2011,286; Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl., § 12, Rn. 6.4).
Geht es wie hier um die Verwendung abweichender Begrifflichkeiten so ist anhand der Urteilsgründe zu prüfen, warum das Gericht im Erkenntnisverfahren das Verbot erlassen hat, welche Sachverhaltsaspekte mithin für die Subsumtion relevant waren. Fragestellungen, die nicht geprüft wurden, können dabei nicht als mitentschieden erachtet werden (Grosch/Ebersohl/Herrmann/Federsen/Schwippert in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 857f. mit Beispielsfällen).
Bei der Notwendigkeit einer eigenständigen Untersuchung der abweichenden Begrifflichkeit scheidet eine Bestrafung aus (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 28.04.2015, Az. 3 W 32/15 = PharmR 2015, 412; OLG Stuttgart WRP 1989,276). Als im Kern gleich können aber solche Verletzungshandlungen angesehen werden, die sich lediglich als Ergebnis „kosmetische(r) Änderungen“ darstellen (OLG Hamburg, Beschluss vom 06.09.2010, Az. 3 W 81/10, zitiert nach juris)
a)
Da die Antragstellerin im Ausgangsverfahren keine Verallgemeinerung des Verbotes herbeiführte, sondern lediglich eine konkrete Werbeaussage zum Gegenstand machte und hier eine abweichende Begrifflichkeit in Rede steht, kann das charakteristische der Unterlassungspflicht mithin nur unter Hinzuziehung der Urteilsgründe herausgearbeitet werden. Die hier maßgeblichen Urteilsgründe lauten:
„Gemäß § 3 HWG ist die irreführende Werbung von Arzneimitteln unzulässig. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die Ihnen nicht zukommen. Die hier streitige Werbeaussage, die sich über die Wirkung des Arzneimittels verhält, ist für den durchschnittlichen, verständigen und aufmerksamen Betrachter nicht eindeutig. Sie lässt verschiedene Auslegungs - oder Verständnismöglichkeiten zu und ist aus diesem Grunde geeignet, den angesprochenen Personenkreis irrezuführen.
Der Aussagegehalt der Wirkungsaussage lässt sich bei einer eher allgemeinen Würdigung dahin zusammenfassen, dass sich die versprochenen Wirkungen einstellen, wenn mit der Entnahme (gemeint offensichtlich: Einnahme) des Medikamentes bereits vor dem Ausbruch der Erkältungskrankheit begonnen wird. Welcher Zeitpunkt hier aber konkret angesprochen ist, ist nicht eindeutig bestimmbar. Die Bezugnahme auf den Zeitraum oder Zeitpunkt vor dem „richtigen“ Beginn der Erkrankung („bevor sie richtig beginnt“) lässt eine sichere zeitliche Eingrenzung nicht zu. Der „richtige“ Beginn kann gleichzusetzen sein mit dem Zeitpunkt des Ausbruchs der Erkältungskrankheit. Der „richtige“ Beginn kann aber auch den Zeitpunkt beschreiben, indem die ersten Symptome erkennbar werden, die über nicht spezifische Befindlichkeitsbeschwerden hinausgehen und eindeutig auf eine beginnende Erkältungskrankheit hinweisen. In diesem Fall verlagert sich auch der nach der Werbeaussage empfohlene Zeitpunkt für den Beginn der Einnahme. Es ist früher mit der Einnahme zu beginnen als in dem erstgenannten Fall. Der Wahl des Einnahmezeitpunktes ist aber für die angesprochenen Verkehrskreise für die Einordnung des Medikamentes, etwa als Mittel der Linderung oder Heilung oder auch Vorbeugung von Bedeutung. Diese Einordnung wiederum bedingt eine unterschiedliche Bewertung oder ein anderes Verständnis der in der hier in Rede stehenden Aussage beworbenen Wirkungsweise des Arzneimittels. Von einem Arzneimittel, das erst nach Auftreten der o.a. Symptome eingenommen wird, kann erwartet werden, wenn es in der Anzeige heißt „Hält die Erkältung auf“, dass die Erkältungssymptome gemildert werden oder der vollständige oder auch nur schwerere Ausbruch der Erkrankung verhindert wird. Im zweiten Fall hingegen ist die Wirkungsaussage dahin zu verstehen, dass es nicht zum Erkältungseintritt und auch nicht zu den o.a. Symptomen kommt.
Die Wirkungsaussage der Beklagten ist zumindest im letztgenannten Fall irreführend. Arzneimitteln darf in der Werbung grundsätzlich keine Wirkung beigelegt werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend abgesichert sind. (Wird ausgeführt…)“
b)
Schon die Bestimmung der Charakteristik der Verletzungsform anhand der Urteilsgründe ist mit Unsicherheiten belastet. Der rechtliche Bezugspunkt der Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit der Handlung bleibt unklar. So leitet das Gericht eine Irreführung zunächst daraus her, dass verschiedene Auslegungs- oder Verständnismöglichkeiten in zeitlicher Hinsicht bezüglich des Satzteiles „… bevor sie richtig beginnt“ vorlägen. Denkbarer rechtlicher Bezugspunkt hierfür wäre § 3 Abs. 1 S. 1 HWG.
Sodann benennt das Gericht zwei mögliche Deutungen, wobei die letztgenannte irreführend sei, weil dem Mittel unzulässig eine Wirkung beigelegt würde. Damit wäre § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG in Bezug genommen.
Diese Unsicherheit lässt sich auch dann nicht aufklären, wenn man den materiellrechtlichen Obersatz des Urteils in den Blick nimmt. Mit diesem wird inhaltlich sowohl § 3 Abs. 1 S. 1 als auch S. 2 Nr. 1 HWG zitiert.
Nach alledem bleibt offen, ob die Rechtswidrigkeit der konkreten Verletzungshandlung nur aus § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG oder zugleich auch aus § 3 Abs. 1 S. 1 HWG hergeleitet wird. Verbleibende Zweifel treffen insoweit die Antragstellerin.
Im Fall der Herleitung auch aus § 3 Abs. 1 S. 1 HWG würde die Charakteristik der Verletzungshandlung das Vorliegen einer Irreführung durch verschiedene Auslegungs- oder Verständnismöglichkeiten in zeitlicher Hinsicht umfassen. Ob die nun beanstandeten Formulierungen in gleicher Weise eine Irreführung in zeitlicher Hinsicht herbeiführen, könnte nur durch eine neue, eigenständige Prüfung ermittelt werden. Damit kann aber bereits eine Kerngleichheit nicht mehr bejaht werden, unabhängig davon, ob diese Prüfung ergeben würde, dass eine Irreführung im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 HWG vorliegt. Anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn das Ergebnis der Prüfung gleichsam auf der Hand läge, weil es sich bei der Änderung der Formulierung um eine bloß kosmetische Änderung handelte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Ersticken einer Erkältung „im Keim“ setzt vielmehr das Vorliegen einer Erkältung voraus. Ähnlich liegt es bei den Formulierungen in der Anlage OA 4. Dort werden sogar differenziertere Aussagen zum Einnahmezeitpunkt getätigt. Die Auslegungs - und Verständnisfragen stellen sich damit in allen Fällen wesentlich anders.
c)
Aber selbst dann, wenn man das Charakteristische der Werbeaussage nur aus dem letzteren Begründungsteil des Urteils ableitet, der sich unzweifelhaft auf § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG bezieht, so ließe sich eine Verallgemeinerung nur aus der vom Gericht angenommenen Wirkungsaussage ableiten, dass es nicht zum Erkältungseintritt und auch nicht zu Symptomen komme, die über nicht spezifische Befindlichkeitsbeschwerden hinausgehen und eindeutig auf eine beginnende Erkältungskrankheit hinweisen (= „o. A. Symptome“). Nur diese Wirkungsaussage hat das Gericht beanstandeten Werbung entnommen und geprüft.
aa)
Sämtlichen nun beanstandeten Formulierungen kann aber nicht entnommen werden, dass dem Mittel wiederum die Wirkungsweise beigelegt würde, dass es nicht zum „Erkältungseintritt“ komme. Eine Erkältung, die „im Keim“ erstickt wird, muss jedenfalls in einem ganz frühen Stadium schon vorgelegen haben. Eine Erkältung, die nicht voll zum Ausbruch kommt, ist jedenfalls bereits teilweise zum Ausbruch gekommen.
bb)
Auch hier kommt es im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht darauf an, ob die nun beanstandeten Werbeaussagen ihrerseits eine unzulässige Beilegung von Wirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG beinhalten. Maßgeblich ist allein, ob anhand der oben genannten Kriterien ein kerngleicher Verstoß festgestellt werden kann.
d)
Bei alledem steht einem Verstoß hinsichtlich der Anlage OA 5 bereits entgegen, dass insoweit N1 Globuli beworben wurden. Unstreitig war dieses Mittel im Jahr 2002 noch gar nicht zugelassen und auf dem Markt, so dass die Auslegung des Tenors ergeben muss, dass es dem Verbot nicht unterfällt. Zweifelhaft ist sogar noch, ob dies nicht überdies auch für die beanstandete Formulierung aus der Anlage OA 3 zu gelten hat, weil nicht auszuschließen ist, dass sich die Formulierung in dem Auszug in der Google-Trefferliste originär ebenfalls auf das Mittel N1 Globuli bezieht. Dafür spricht, dass dieser Treffer nicht, wie der Antragsteller vorträgt, bei der Suche mit dem Begriff „N1“ erschien, sondern, wie sich aus der in Bezug genommenen Anlage OA 3 ergibt, bei einer Suche mit den weiteren Begriffen „keim“ und „ersticken“, welche auch Gegenstand der Werbeaussage der Anlage OA 5 sind."
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine unzulässige Werbung mit Wirksamkeit Craniosakraler Osteopathie vorliegt, wenn wie im entschiedenen Fall kein Wikungsnachweis erbracht werden kann.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Keine Werbung mit Wirksamkeit Craniosakraler Osteopathie
Werbung mit Wirkungsaussagen medizinischer Behandlungsmethoden ist zulässig, solange nicht dargelegt wird, dass die Behauptung wissenschaftlich umstritten ist oder ihr jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage fehlt, urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG). Ist die Wirkaussage umstritten, muss der Werbende nachweisen, dass die Aussage zutreffend ist. Für die Behandlungsmethode der Craniosakralen Osteopathie fehle ein derartiger Wirkungsnachweis.
Der Kläger ist ein gewerblicher Unternehmensverband. Der Beklagte ist Arzt und warb auf seiner Homepage für verschiedene Heilverfahren im Bereich der Osteopathie. Osteopathie eigne sich seinen Angaben nach u.a. zur „schnelle(n) Schmerzlinderung und Wiederherstellung der gestörten Gelenkfunktion“. Auch „somatische Dysfunktionen“ könnten „gefunden“ und in zahlreichen Anwendungsgebieten „sanft beseitigt“ werden. Die Säuglingsosteopathie weise ebenfalls unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten auf, etwa „Geburtstraumatischen Erlebnissen“ und „Schlafstörungen“. Das Behandlungsverfahren der Craniosakralen Osteopathie schließlich habe u.a. den Vorteil, dass „mit dem Einfühlen in den Craniosacral-Rhythmus ... der Arzt die Möglichkeit (hat), Verspannungen, Knochenverschiebungen, Krankheiten und Verletzungen aufzuspüren und zu lösen“.
Der Kläger nimmt den beklagten Arzt wegen einer Vielzahl von werbenden Wirkungsangaben auf Unterlassen in Anspruch. Er ist der Ansicht, die genannten Behandlungsverfahren zählten zu den alternativmedizinischen Heilmethoden, denen der wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis fehle.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Die Werbebehauptungen für das Behandlungsverfahren der „Craniosakralen Osteopathie“ seien, so das OLG, zu unterlassen. Die Wirksamkeitsangaben zu den Verfahren der Osteopathie und Säuglingsosteopathie dagegen dürfe der beklagte Arzt weiter werbend einsetzen. Das OLG betont zunächst die allgemeinen Anforderungen an gesundheitsbezogene Werbung. Werbung mit bestimmten Wirkaussagen einer medizinischen Behandlung sei nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche. Grundsätzlich seien strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können.
Den Nachweis dieser Wirksamkeit müsse der beklagte Arzt jedoch erst führen, wenn der Kläger hinreichend konkret darlege, dass die Werbebehauptung wissenschaftlich umstritten sei oder ihr jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage fehle. Dabei müsse die wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsversprechens bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein. Nicht ausreichend sei es dagegen, sich erst im Prozess auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu berufen. Studienergebnisse seien nur tragfähig, wenn es sich um randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien handele.
Hinsichtlich der Behandlungsmethode der sog. Craniosakralen Osteopathie habe der Kläger hier nachgewiesen, dass es für die Wirksamkeit an jeglicher tragfähigen wissenschaftlichen Grundlage fehle. Der Beklagte habe demgegenüber nicht valide Studien vorlegen können, die die Wirksamkeit der beworbenen Methode zum Zeitpunkt der Werbeaussagen belegten.
Hinsichtlich der Osteopathie und der Säuglingsosteopathie dagegen habe der Kläger nicht hinreichend konkret ausgeführt, dass die beworbenen Methoden in ihrer Gesamtheit und für die vom Beklagten beworbenen Indikationen ungesichert seien. Die zum Verfahren der Osteopathie vorgelegten Auszüge aus dem Online-Lexikon Wikipedia seien ungeeignet, da es sich nicht um objektive Quellen handele. Vorgelegte Fachartikel ließen sich nicht in Bezug zu den angegriffenen Werbeaussagen setzen. Aus der Stellungnahme der Bundesärztekammer folge sogar, dass es bei einigen Krankheitsbildern durchaus zuverlässige Aussagen zur Wirksamkeit gebe.
Auch aus den zur Säuglingsosteopathie vorgelegten Unterlagen ergebe sich nicht, dass es für die osteopathische Behandlungsmethode bei Kindern generell an einer wissenschaftlichen Absicherung fehle.
Das Urteils nicht rechtskräftig; der Kläger kann binnen einen Monats eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einreichen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.06.2018, Az. 6 U 74/17
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 08.03.2017, Az. 2-06 O 302/16)
Das LG Köln hat entschieden, dass die Werbung mit dem Slogan "lieber gleich gründlich anpacken" für ein Erkältungsmittel wettbewerbswidrig ist. Es liegt ein Verstoß gegen § 3 HWG vor.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Klägers folgt aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG i.V.m. 3 Nr. 1 HWG.
Der Kläger hat gegen die Beklagte jeweils einen Unterlassungsanspruch des tenorierten Inhalts, weil die Beklagte mit der beanstandeten Werbung § 3 Abs. 1 UWG zuwidergehandelt hat. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG handelt gemäß § 3a UWG auch, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Die Beklagte hat mit der streitgegenständlichen Werbung der Marktverhaltensregel des § 3 HWG zuwidergehandelt. Nach § 3 S. 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig. Eine irreführende Werbung liegt nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung sind dabei bei gesundheitsbezogener Werbung besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen zu stellen (BGH, Urteil vom 06.02.2013, I ZR 62/11, Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, Rdnr. 15, zitiert nach juris). Für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung gilt, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 07.05.2015, I ZR 29/14, Äquipotenzangabe in Fachinformation, Rdnr. 16, zitiert nach juris). Dabei ist zunächst regelmäßig davon auszugehen, dass die Angaben in einer Fachinformation, welche dem Zulassungsantrag eines Arzneimittels beigefügt war, zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben (BGH 07.05.2015, I ZR 29/14, Äquipotenzangabe in Fachinformation, Rdnr. 35 ff. unter Verweis auf BGH Urteil vom 06.02.2013, I ZR 62/11, Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, Rdnr. 34 und 36, jeweils zitiert nach juris).
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die beanstandeten Angaben auf der von der Beklagten verwendeten, streitgegenständlichen Werbung als irreführend und wettbewerbswidrig:
Hinsichtlich der Angabe „lieber gleich gründlich anpacken“ in Verbindung mit der bildlichen Darstellung einer eine Art Pflanze mitsamt der Wurzel aus dem Untergrund ziehenden Hand suggeriert die beanstandete Werbung, das Arzneimittel habe unmittelbar Wirkung auf die Ursachen (bildlich die Wurzel) der Krankheit (bildlich der Erkältung) und zwar „mit einem Griff“. Bei den Verbrauchern/Patienten als angesprochenem Verkehr entsteht danach die Vorstellung, das Arzneimittel „T Kapseln forte/junior“ habe eine Wirkung dergestalt, dass die Erkältung mit ihrer Ursache gründlich entfernt werde. Dieser Eindruck wird bestätigt und verstärkt durch die Angabe „bekämpft Krankheitserreger. Eine solche kraftvolle Entfernung der Ursachen der Erkältung behauptet die Beklagte selbst nicht. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, „gründlich“ könne nicht nur auf eine Behandlung der Ursachen, sondern auch der Symptome bezogen werden, verfängt dies nicht. Bereits das Wort „gründlich“, hergeleitet aus „Grund“, suggeriert, dass etwas den Grund/den Boden/die Ursache erlangt. Die Verbindung der vorgenannten Aussage mit „bekämpft Krankheitserreger“ gibt ebenfalls Anlass für dieses Verständnis.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dem symptomatischen Bekämpfen einer Erkrankung sei inhärent, dass die Krankheitserreger bekämpft würden, ist dies in dieser Pauschalität bereits nicht nachvollziehbar. So ergibt sich aus der Fachinformation z.B. eine lokalanästhesierende Wirkung des Wirkstoffs, die typischerweise ausschließlich symptomatisch und regelmäßig vorübergehend Abhilfe schafft.
Der Verweis der Beklagten darauf, die angegriffenen Aussagen gäben Inhalte der Fachinformation wieder, führt im Ergebnis ebenfalls nicht zur Zulässigkeit der angegriffenen Aussagen. Denn auch daraus ergibt sich nicht, dass die Angaben der Beklagten gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Die angegriffenen Angaben befinden sich nämlich gerade nicht in dieser Anschaulichkeit in der Fachinformation. „Gründlich anpacken“ verbunden mit der bildlichen Darstellung impliziert eine vollständige Entfernung der Erkältung mittels eines Handgriffs, die aus der Fachinformation nicht ableitbar ist. Soweit die Fachinformation Informationen dazu enthält, dass eine antimikrobielle und antivirale Wirkung des Wirkstoffs „nachgewiesen“ bzw. „gezeigt“ wurde, ist die Zusammenfassung dieser möglichen Wirkungen mit „bekämpft“ aus der Fachinformationen nicht zu entnehmen. So impliziert das Verb „bekämpfen“ in der Werbung eine generelle zielgerichtete Einwirkung auf sämtliche in Betracht kommende Krankheitserreger einer Erkältung, für die sich aus der Fachinformation nichts ergibt.
Das LG Hannover hat entschieden, dass mangels Wirksamkeitsnachweis eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine Zahnpasta damit beworben wird, dass sie einen Vitamin B12-Mangel ausgleichen kann.
Aus den Entscheidungsgründen:
"1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch betreffend die Werbeaussage „kann - regelmäßig angewendet - den Vitamin B12-Mangel [...] ausgleichen“ (Klageantrag Ziffer I.1) aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 27 Abs. 1 LFGB zu. Danach kann ein Verband zur Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen, der die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfüllt, von einem werbenden Unternehmer verlangen, werbende Aussagen zu unterlassen, wenn ein Produkt mit irreführenden Aussagen bewirbt und wenn zu besorgen ist, dass der Unternehmer die Werbung wiederholt.
a) Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen klagebefugt.
Ihm gehört nach seinem substantiierten und im Einzelnen nicht bestrittenen Vortrag eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel oder Heilmittel auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte. Die geltend gemachte Zuwiderhandlung berührt die Interessen dieser Mitglieder.
Der Kläger ist – wie seine gerichtsbekannte langjährige und umfangreiche Tätigkeit belegt – nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung auch imstande, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen (OLG Celle, 10.03.2016 – 13 U 77/15, juris-Rn. 18).
b) Die vom Kläger beanstandete Werbeaussage, die Zahnpasta könne bei regelmäßiger Anwendung den Vitamin B12-Mangel reduzierten oder sogar ausgleichen, ist bezogen auf die (insoweit allein beanstandete) Aussage, ein Mangel könne bei Verwendung eines der beiden Produkte der Beklagten ausgeglichen werden, irreführend im Sinne von § 27 Abs. 1 LFGB und damit verboten. Nach jener Norm ist es verboten, kosmetische Mittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für kosmetische Mittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt dabei insbesondere dann vor, wenn einem kosmetischen Mittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB). Im Einzelnen:
(1) Bei Zahnpasta handelt es sich nicht um ein Lebensmittel, sondern um ein Kosmetikum. Die Belegbarkeit von Werbeaussagen bei kosmetischen Mittel erfordert im Hinblick auf die in Nr. 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 enthaltenen Regelungen im Grundsatz nicht, dass die Aussagen als wissenschaftlich gesichert anzusehen sind (vgl. BGH, 28.01.2016 – I ZR 36/14 [„Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir“], juris-Rn. 19). Nach der Nummer 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 müssen Werbeaussagen über kosmetische Mittel (lediglich) durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, wobei neben Sachverständigengutachten auch andere Arten von Nachweisen herangezogen werden können, sofern diese Nachweise den Stand der Technik berücksichtigen (Nrn. 1 und 2). Eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung im Sinne dieser Vorschrift kann sich schon aus einer einzelnen Arbeit ergeben, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht (BGH, a.a.O., juris-Rn. 20).
Bei gesundheitsbezogenen Werbeaussagen gelten jedoch höhere Anforderungen. Denn die Beweiskraft der Nachweise bzw. Belege muss mit der Art der getätigten Werbeaussage in Einklang stehen. So gibt es nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 höhere Beweisanforderungen im Zusammenhang mit Werbeaussagen, bei denen eine fehlende Wirksamkeit ein Sicherheitsproblem verursachen könnte, als für Werbeaussagen, bei denen dies nicht der Fall ist. (vgl. BGH,a.a.O., juris-Rn. 19).
Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, 07.05.2015 – I ZR 29/14 [„Äquipotenzangabe in Fachinformation“], juris-Rn. 16).
Es ist irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (BGH, 07.05.2015 – I ZR 29/14 [„Äquipotenzangabe in Fachinformation“], juris-Rn. 16). Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die als Beleg angeführte Studie den vom Verkehr nach den Umständen des Einzelfalls zugrunde gelegten Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen regelmäßig dann vor, wenn die in Bezug genommene Studie selbst Zweifel erkennen lässt, die Werbung indessen diese Einschränkungen nicht wiedergibt (BGH, I ZR 62/11 [„Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“], juris-Rn. 17).
Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH, I ZR 62/11 [„Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“], juris-Rn. 19).
(2) Zwar ist es zunächst Sache des den Vorwurf der irreführenden Werbung erhebenden und insoweit im Grundsatz beweispflichtigen Klägers darzulegen, dass die gesundheitlichen Aussagen der Beklagten fachlich umstritten sind; erst wenn Anhaltspunkte feststehen, dass die gesundheitsbezogene Angabe fachlich umstritten ist, muss der Werbende die gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis mit Substanz darlegen und beweisen. Die Zweifel ergeben sich vorliegend aber aus dem von der Beklagten als Anlage B 7 vorgelegten Abschlussbericht des IFANE Gießen vom April 2016, wonach der Resorptionsweg des im Zahngel enthaltenen Vitamin B12 unklar sei (Bl. 172 d.A.). Geworben wird jedoch mit der Angabe „über die Mundschleimhäute“.
(3) Dass die Resorption von Cyanocobalamin über die Mundschleimhäute in einem für den Vitamin B12-Status erheblichen Ausmaß möglich ist, hat die Beklagte nicht belegt.
Geworben wird mit Erkenntnissen des Instituts für klinische Chemie und Biochemie der Universität Marburg aus dem Jahr 2011. Eine solche Studie legt die Beklagte nicht vor. Sie bezieht sich auf eine Studie von IFANE, Gießen, in der u.a. auf eine zusammenfassende Beschreibung einer Studie von Wissenschaftlern des Instituts für klinische Chemie und Biochemie der Universität Marburg und deren Schlussfolgerungen, veröffentlicht im Buch „Bioavialability 2001“ der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Ob die Untersuchung aus dem Jahr 2001 (oder früher) mit insgesamt 44 Probanden (von denen auf Bl. 124 nicht vorgetragen ist, wie viele davon der Placebo-Gruppe angehörten) dem wissenschaftlichen Standard entspricht, ist der Zusammenfassung aber nicht hinreichend zu entnehmen und damit unklar. Der Zusammenfassung ist nicht zu entnehmen, dass die Studie doppelt verblindet durchgeführt wurde, dass also weder den Studienteilnehmen (Probanden) noch den Studienpersonal bekannt war, wer von den Probanden zur Verum-Gruppe und wer zur Placebo-Gruppe gehörte.
Eine weitere Aufklärung der Studienbedingungen durch Beweisaufnahme ist insoweit nach Ansicht der Kammer nicht geboten. Denn von jener Untersuchung ist nach dem Vortrag der Parteien nur die Ergebnis-Zusammenfassung (abstract) veröffentlicht, was für eine wissenschaftliche Diskussion unzureichend erscheint.
Die Veröffentlichung in der Januar 2017-Ausgabe des American Journal of Clinical Nutricion (AJNC) über eine Studien mit 76 Veganern als Probanden (Anlage B 12, Bl. 228 ff. d.A.) ist schon deshalb unerheblich, weil die streitgegenständliche Werbeaussage die Möglichkeit des Ausgleichs eines bestehenden – bezogen auf die Ausprägung nicht näher beschriebenen – Vitamin B 12-Mangels umfasst. Dass jene Studie zu einem solchen Ergebnis (Möglichkeit des Ausgleichs) gekommen ist, trägt die Beklagte nicht vor
c) § 27 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist eine dem Schutz der Verbraucher dienende Marktverhaltsregelung im Sinne von § 3a UWG.
d) Dass der Kläger bei der Wiedergabe der von ihm beanstandeten werbenden Aussage im Klageantrag einen Teil der Aussage ausgelassen und im Zitat durch Punkte ersetzt hat, ist unproblematisch. Durch das Weglassen des Textteils wird der wesentliche Inhalt der Werbeaussage vorliegend nicht verfälscht. Die Beschränkung dient vielmehr der Klarstellung, worauf sich das Unterlassungsbegehren im Kern bezieht.
Soweit – abweichend vom Klageantrag – in der Urteilsformel die die Auslassung kennzeichnenden Punkte in einer eckigen Klammer angegeben sind, ist damit keine inhaltliche Abweichung vom Klageantrag verbunden, sondern eine bloße redaktionelle Anpassung der Darstellungsweise an anerkannte Regeln bei Zitaten.
2. Aus den vorstehend erörterten Gründen hat der Kläger ferner einen Unterlassungsanspruch wegen der weiteren beanstandeten Werbeaussage, die Verwendung der „...“ beim Zähneputzen verbessere die Vitamin B12-Versorgung um 60 % nach vierwöchiger Anwendung (Klageantrag Ziffer I.2). Hinzu kommt, dass auf der Umverpackung der Zahncreme auf eine Studie aus den Jahr 2011 verwiesen wird. Eine Studie im Jahr 2011 trägt die Beklagte jedoch nicht vor. Als Anlage B 6 ist nur eine Zusammenfassung (abstract) einer Studie vorgelegt worden, welche aus dem Jahr 2001 oder früher stammt.
Es ist insoweit auch irreführend, werbend auf eine Studie zu verweisen, die zehn Jahre älter ist als angegeben. Aus Verbrauchersicht sind Einzelheiten wie der Name des die Studie betreibenden Instituts und das Datum der Studie durchaus von Bedeutung. Wird mit einer Studie geworben, die lange zurückliegt, stellt sich für potentielle Kunden – zu denen auch die Kammermitglieder gehören – die Frage, warum nicht auch andere Hersteller Zahnpasta mit Vitamin B12 anbieten. Werbung mit Bezugnahme auf eine alte, als einzige Quelle angegebene Studie ist jedenfalls dann, wenn es nicht eine Vielzahl an Konkurrenzprodukten mit dem beworbenen Zusatz gibt, weit weniger überzeugend als bei einem Hinweis auf eine neue wissenschaftliche Studie."
Das LG Berlin hat entschieden, dass die Aussage "1 Dragee am Abend" in einem Werbespot für ein Arzneimittel eine wettbewerbswidrige Werbung darstellt, wenn der Slogan als ein unzulässiges Versprechen einer effizienten Wirkweise verstanden wird.