LG Düsseldorf: Keine freie Bearbeitung nach § 23 UrhG durch plagiieren eines Gemäldes wenn der Gesamteindruck mit dem Original übereinstimmt
LG Düsseldorf
Urteil vom 14.08.2024
12 O 156/23
Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass keine freie Bearbeitung nach § 23 UrhG durch plagiieren eines Gemäldes vorliegt, wenn der Gesamteindruck mit dem Original übereinstimmt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet. Die zulässige Widerklage ist ebenfalls teilweise begründet.
I.) Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 26.000 EUR aus § 97 Abs. 2 UrhG zu.
1.) Der Beklagte hat das Urheberrecht des Klägers an den drei streitgegenständlichen Bildern in schuldhafter Weise verletzt.
a) Der Kläger ist unstreitig Urheber (§ 7 UrhG) der drei Werke „C“, „M“ und „I“.
Die Gemälde sind als Werke der bildenden Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich schutzfähig. Es handelt sich um persönliche geistige Schöpfungen des Klägers, die ohne weiteres auch die erforderliche Schöpfungshöhe erreichen. Sie weisen ein hohes Maß an Originalität und Individualität auf.
b) Der Beklagte hat das Urheberrecht des Klägers verletzt, indem er ohne dessen Erlaubnis Vervielfältigungsstücke hiervon angefertigt (§ 16 Abs. 1 UrhG), diese verkauft und damit verbreitet (§ 17 Abs. 1 UrhG) und indem er Fotos dieser Werke auf seinem Instagram-Kanal öffentlich zugänglich gemacht hat (§ 19a UrhG).
aa) Bei den drei Bildern, von denen der Beklagte auf seinem Instagram-Kanal Fotos veröffentlicht hat, handelt es sich um Vervielfältigungsstücke der drei streitgegenständlichen Original-Gemälde des Klägers. Eine Vervielfältigung jede körperliche Festlegung eines Werkes, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen (BGH GRUR 1991, 449, 453 - Betriebssystem).
Bei den von dem Beklagten geschaffenen Bildern handelt es sich auch nicht um freie Bearbeitungen der klägerischen Vorlage im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG. Dies setzt eine wesentliche Veränderung der verwendeten Vorlage dergestalt voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (BGH GRUR 1994, 191 [193] – Asterix-Persiflagen). Das neue Werk muss aufgrund seiner Eigenart selbstständig urheberrechtlich schutzfähig sein und zwar unabhängig von den anregenden Elementen des Originals (vgl. BGH GRUR 1961, 631 [632] – Fernsprechbuch). Auch bei der Bearbeitung und Umgestaltung iSd § 23 UrhG handelt es sich um besondere Fälle der Vervielfältigung eines Werkes (BGH GRUR 2014, 65 - Beuys-Aktion). Ein Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers liegt dann vor, wenn die Werkumgestaltung ohne eigene schöpferische Ausdruckskraft geblieben ist und sich daher – trotz der vorgenommenen Umgestaltung – noch im Schutzbereich des Originals hält, bei dessen Eigenart auch in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (BGH GRUR 1988, 533 [535] – Vorentwurf II; GRUR 1965, 45 [47] - Stadtpläne).
Letzteres ist hier der Fall. Der Gesamteindruck der Bearbeitungen des Beklagten stimmt mit den Originalen des Klägers überein. Die Bearbeitungen bleiben trotz der vorhandenen Unterschiede gegenüber den Originalen des Klägers ohne eigene schöpferische Ausdruckskraft und lassen die Züge des Originals gerade nicht verblassen. Der Beklagte verwendete jeweils ein zur Vorlage des Klägers identisches Motiv, welches er in der gleichen Art und Weise, insbesondere unter überwiegender Beibehaltung der Linienführung und der Farbgebung, umsetzte.
Hiervon ausgehend, werden die Werke im Einzelnen nachfolgend erörtert, wobei jeweils das Original des Klägers links und die Bearbeitung des Beklagten rechts dargestellt sind.
Hinsichtlich des Bildes „C“ ist ersichtlich, dass der Beklagte in seiner Bearbeitung nur leicht andere Rottöne und insgesamt im Hintergrund eine geringere Anzahl von Farben verwendet. Zudem sind das dargestellte Gesicht und die Gesamtkomposition der abgebildeten Figur leicht anders. Der Gesamteindruck des Werkes, der Darstellung eines überwiegend in Gelb gehaltenen menschlichen Kopfes bzw. Oberkörpers, der in Linien vor einem überwiegend Burgunderrot gestalteten Hintergrund abgebildet ist, ist jedoch in der Bearbeitung des Beklagten erhalten geblieben, ohne dass ein eigener, schöpferischer Ausdruck hinzugetreten wäre.
Im Falle von „I“ ist erkennbar, dass der Beklagte für den Hintergrund in der unteren Bildhälfte im Vergleich zur klägerischen Vorlage einen leicht unterschiedlichen, kräftigeren Rotton verwendete. Ferner erscheinen die neben den beiden abgebildeten Figuren dargestellten „Blasen“ oder „Punkte“ in der Arbeit des Beklagten dunkler als beim Original zu sein. Auch insoweit überwiegt aber der übereinstimmende Gesamteindruck. Die beiden, überwiegend in grün, gelb sowie einem dunkleren Farbton gestalteten Figuren in der Mitte des Bildes sowie die sich daneben befindlichen „Punkte“ weisen in beiden Fällen eine nahezu exakt gleiche Anordnung auf. Ferner ist die Komposition und Linienführung der Figuren überwiegend identisch. Hinzu kommt der das Werk prägende, über die Mitte des Bildes hinausgehende, rote Hintergrund.
Bei „M“ können nach dem Gesamteindruck als wesentliche Unterschiede zum einen festgestellt werden, dass für die im oberen Bilddrittel dargestellten Köpfe bzw. Gesichter in der Bearbeitung des Beklagten ein hellerer, kräftigerer Rotton im Vergleich zur Vorlage des Klägers verwendet wurde. Ferner scheint das das vom Betrachter aus gesehen linke der beiden Gesichter in der Bearbeitung des Beklagten den Betrachter direkt anzusehen, wohingegen es im Original an dem Betrachter rechts vorbeischaut. Diese Unterschiede verleihen der Bearbeitung des Beklagten jedoch keinen eigenschöpferischen Ausdruck. Es überwiegt jedoch erneut der das klägerische Original prägende Gesamteindruck, der durch die Wahl des Motivs (zwei Köpfe über einem Ozean, in dem Fische schwimmen, um das ein Rahmen mit überwiegend roter, beigegebener und grüner Farbgebung gesetzt ist) der Linienführung und Farbauswahl geprägt ist.
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich nicht um Privatkopien im Sinne des § 53 Abs. 1 UrhG. Denn dies würde voraussetzen, dass die Kopien weder mittelbar noch unmittelbar Erwerbszwecken dienten. Dem steht jedoch entgegen, dass der Beklagte die Gemälde nach seinem eigenen Vortrag zum Preis von 1.600,00 EUR, 2.000,00 EUR und 1.000,00 EUR an einen Bekannten veräußerte. Damit hat der Beklagte durch Veräußerungen ohne weiteres einen Gewinn erzielt, selbst wenn man seinem Vortrag, die Materialkosten hätten 650 EUR betragen, zugrundelegt. Die erzielten Preise stellen sich damit als mehr als bloße Aufwandsentschädigungen dar.
b) In der Veräußerung der Werke liegt zugleich eine Verletzung des Urheberrechts des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Verbreitens im Sinne des § 17 UrhG.
c) Schließlich hat der Beklagte das Urheberrecht des Klägers dadurch verletzt, dass er Fotos der plagiierten Werke bei Instagram veröffentlichte und sich damit das Recht des Klägers als Urheber zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG angemaßt hat.
d) Diese Urheberrechtsverletzungen erfolgten schuldhaft im Sinne des § 97 Abs. 2 UrhG. Angesichts der oben dargestellten Vielzahl an Übereinstimmungen zwischen den Bearbeitungen des Beklagten und den Originalen des Klägers ist vorsätzlichen Verletzungshandlungen des Beklagten auszugehen. Dieser hat selbst eingeräumt, sich die klägerischen Werke zum Vorbild genommen zu haben. Hinsichtlich der Verletzungshandlung des öffentlich Zugänglichmachens (§ 19a UrhG) durch die Veröffentlichung auf Instagram überzeugt die Argumentation des Beklagten, diese sei aus reiner „Unachtsamkeit“ geschehen, unabhängig davon nicht, dass auch eine solche Unachtsamkeit zumindest ein Fahrlässigkeitsvorwurf (§ 276 Abs. 2 BGB) begründen würde. Auf den bei Instagram veröffentlichten Lichtbildern sind die plagiierten Werke jeweils eindeutig und im Bildmittelpunkt zuerkennen. Damit liegt es fern, dass die Gemälde nur zufällig und aus Unachtsamkeit vom Bild erfasst wurden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es gerade das Ziel des Beklagten war, diese zu fotografieren und zu veröffentlichen. Hierfür spricht auch die Bildunterschrift der Instagram-Veröffentlichung „Q.“ (Deutsch: „Q“). Dies deutet darauf hin, dass die Präsentation der Bilder auf den Fotos gerade Ziel des Instagram-Posts war.
e) Der Beklagte ist dem Kläger demnach zum Schadenersatz verpflichtet. Der Kläger berechnet den Schadenersatz vorliegend im Wege der Lizenzanalogie, § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG. Insoweit ist danach zu fragen, welche Lizenzzahlung der Rechtsinhaber zu erwarten gehabt hätte, wenn die Verwertung seines Schutzrechts mit seiner Zustimmung erfolgt wäre (BGH GRUR 1993, 899 - Dia-Duplikate). Dies zugrundegelegt, ist weder maßgeblich, welchen Marktwert die Originale der streitgegenständlichen Gemälde des Klägers erzielen, noch, zu welchem Preis der Beklagte die Plagiate weiterveräußerte.
Da feststeht, dass ein Schadenersatz dem Grunde nach geschuldet ist, ist die Kammer gemäß § 287 ZPO berechtigt, die Höhe desselben zu schätzen. Hier liegen auch ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine solche Schätzung vor. Denn der Beklagte trägt selbst vor, dass der Kläger sogenannte „Editionen“ bzw. „Multiples“ seiner Werke anfertigt und verkauft, welche Preise von 9.600 bzw. 9.900 EUR erzielen. Diese „Editionen“, bei welchen ein Druck des Originals auf Papier erfolgt, der dann vom Kläger nochmals von Hand übermalt wird, erscheinen durchaus mit einer Lizenzierung für eine Kopie des Originals vergleichbar. Demnach erscheint der vom Kläger pro Bild angesetzte Preis für eine Lizenz von 10.000 EUR angemessen, weshalb der Schadensersatz mit 30.000 EUR zu bemessen ist.
Abzüglich der vom Beklagten vorgerichtlich bereits gezahlten 4.000 EUR verbleibt eine Summe von 26.000 EUR.
f) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB. Der Kläger kann indes keine Zinsen in Höhe von neun, sondern lediglich in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz beanspruchen. Der von dem Kläger begehrte Verzugszins ist gemäß § 288 Abs. 2 BGB nur dann anzusetzen, wenn es sich um eine Entgeltforderung handelt. Gemeint hiermit ist das Entgelt für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag (Lorenz in: BeckOK BGB, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 286 Rn. 40). Eine Schadensersatzforderung, wie der Kläger sie hier geltend macht, stellt hingegen keine Entgeltforderung dar.
2.) Allerdings hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 97a Abs. 3 UrhG. Zwar lag eine Urheberrechtsverletzung des Beklagten, wie ausgeführt, vor, weshalb die Abmahnung durch das anwaltliche Schreiben vom 09.05.2023 dem Grunde nach berechtigt war. Diese erfüllte aber nicht die Voraussetzungen des § 97a Abs. 2 Nr. 1-4 UrhG. Voraussetzung einer formal wirksamen Abmahnung ist nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 UrhG insbesondere, dass, sofern in die Abmahnung eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthält, anzugeben ist, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Dem wird die streitgegenständliche Abmahnung des Klägers nicht gerecht. Grundlage für die Abmahnung war die Kopie der klägerischen Werke „C“, „I“ und „M“. Die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtungserklärung (Bl. 24 Anlagenband KV) bezieht sich jedoch unterschiedslos auf „Kunstwerke, welche von M hergestellt wurden und/oder an welchen M die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen“. Sie erfasst damit auf sämtliche Kunstwerke des Klägers und geht über die abgemahnte Rechtsverletzung an lediglich dreien hiervon hinaus. Auf diesen Umstand ist indes in der Abmahnung nicht hingewiesen.
Andere Anspruchsgrundlagen, aufgrund derer der Kläger Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gegen den Beklagten hätte, sind nicht ersichtlich.
II.) Die Widerklage ist teilweise begründet.
Dem Beklagten steht gegen den Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 367,23 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG zu. Ein weitergehender Anspruch besteht hingegen nicht.
Nach der soeben genannten Vorschrift kann der Abgemahnte die Kosten seiner Rechtsverteidigung ersetzt verlangen, soweit die Abmahnung unwirksam war. Letzteres war hier, wie soeben unter I.2.) ausgeführt, der Fall. Dem Beklagten sind für das anwaltliche Schreiben vom 17.05.2023, durch welches die klägerischen Ansprüche abgewehrt wurden, seinerseits Rechtsanwaltskosten entstanden.
Entgegen der Auffassung des Beklagten waren diese Rechtsanwaltskosten jedoch nicht aus dem Gegenstandswert der Abmahnung in Höhe von 80.000 EUR zu berechnen, sondern lediglich aus demjenigen Wert, der sich aufgrund der Unwirksamkeit der Abmahnung ergab. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG, wonach der Abgemahnte Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen kann soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist. Erforderlich sind damit nur diejenigen Rechtsanwaltskosten, die auf den unberechtigten Teil der Abmahnung entfallen (vgl. BGH GRUR 2019, 82, Rn. 38 – Jogginghosen; GRUR 2016, 516, Rn. 45 - Wir helfen im Trauerfall). Dies waren nach den vorstehenden Ausführungen allein die klägerseits geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.293,25 EUR. Denn die klägerische Forderung war lediglich insoweit unbegründet, da aufgrund der Formunwirksamkeit der Abmahnung ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nicht bestand.
Aus dem für die Rechtsverteidigung zugrunde zu legenden Gegenstandswert von 2.293,25 EUR betragen die für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen des Beklagten an Rechtsanwaltskosten 367,23 EUR.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 14.08.2024
12 O 156/23
Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass keine freie Bearbeitung nach § 23 UrhG durch plagiieren eines Gemäldes vorliegt, wenn der Gesamteindruck mit dem Original übereinstimmt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet. Die zulässige Widerklage ist ebenfalls teilweise begründet.
I.) Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 26.000 EUR aus § 97 Abs. 2 UrhG zu.
1.) Der Beklagte hat das Urheberrecht des Klägers an den drei streitgegenständlichen Bildern in schuldhafter Weise verletzt.
a) Der Kläger ist unstreitig Urheber (§ 7 UrhG) der drei Werke „C“, „M“ und „I“.
Die Gemälde sind als Werke der bildenden Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich schutzfähig. Es handelt sich um persönliche geistige Schöpfungen des Klägers, die ohne weiteres auch die erforderliche Schöpfungshöhe erreichen. Sie weisen ein hohes Maß an Originalität und Individualität auf.
b) Der Beklagte hat das Urheberrecht des Klägers verletzt, indem er ohne dessen Erlaubnis Vervielfältigungsstücke hiervon angefertigt (§ 16 Abs. 1 UrhG), diese verkauft und damit verbreitet (§ 17 Abs. 1 UrhG) und indem er Fotos dieser Werke auf seinem Instagram-Kanal öffentlich zugänglich gemacht hat (§ 19a UrhG).
aa) Bei den drei Bildern, von denen der Beklagte auf seinem Instagram-Kanal Fotos veröffentlicht hat, handelt es sich um Vervielfältigungsstücke der drei streitgegenständlichen Original-Gemälde des Klägers. Eine Vervielfältigung jede körperliche Festlegung eines Werkes, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen (BGH GRUR 1991, 449, 453 - Betriebssystem).
Bei den von dem Beklagten geschaffenen Bildern handelt es sich auch nicht um freie Bearbeitungen der klägerischen Vorlage im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG. Dies setzt eine wesentliche Veränderung der verwendeten Vorlage dergestalt voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (BGH GRUR 1994, 191 [193] – Asterix-Persiflagen). Das neue Werk muss aufgrund seiner Eigenart selbstständig urheberrechtlich schutzfähig sein und zwar unabhängig von den anregenden Elementen des Originals (vgl. BGH GRUR 1961, 631 [632] – Fernsprechbuch). Auch bei der Bearbeitung und Umgestaltung iSd § 23 UrhG handelt es sich um besondere Fälle der Vervielfältigung eines Werkes (BGH GRUR 2014, 65 - Beuys-Aktion). Ein Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers liegt dann vor, wenn die Werkumgestaltung ohne eigene schöpferische Ausdruckskraft geblieben ist und sich daher – trotz der vorgenommenen Umgestaltung – noch im Schutzbereich des Originals hält, bei dessen Eigenart auch in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (BGH GRUR 1988, 533 [535] – Vorentwurf II; GRUR 1965, 45 [47] - Stadtpläne).
Letzteres ist hier der Fall. Der Gesamteindruck der Bearbeitungen des Beklagten stimmt mit den Originalen des Klägers überein. Die Bearbeitungen bleiben trotz der vorhandenen Unterschiede gegenüber den Originalen des Klägers ohne eigene schöpferische Ausdruckskraft und lassen die Züge des Originals gerade nicht verblassen. Der Beklagte verwendete jeweils ein zur Vorlage des Klägers identisches Motiv, welches er in der gleichen Art und Weise, insbesondere unter überwiegender Beibehaltung der Linienführung und der Farbgebung, umsetzte.
Hiervon ausgehend, werden die Werke im Einzelnen nachfolgend erörtert, wobei jeweils das Original des Klägers links und die Bearbeitung des Beklagten rechts dargestellt sind.
Hinsichtlich des Bildes „C“ ist ersichtlich, dass der Beklagte in seiner Bearbeitung nur leicht andere Rottöne und insgesamt im Hintergrund eine geringere Anzahl von Farben verwendet. Zudem sind das dargestellte Gesicht und die Gesamtkomposition der abgebildeten Figur leicht anders. Der Gesamteindruck des Werkes, der Darstellung eines überwiegend in Gelb gehaltenen menschlichen Kopfes bzw. Oberkörpers, der in Linien vor einem überwiegend Burgunderrot gestalteten Hintergrund abgebildet ist, ist jedoch in der Bearbeitung des Beklagten erhalten geblieben, ohne dass ein eigener, schöpferischer Ausdruck hinzugetreten wäre.
Im Falle von „I“ ist erkennbar, dass der Beklagte für den Hintergrund in der unteren Bildhälfte im Vergleich zur klägerischen Vorlage einen leicht unterschiedlichen, kräftigeren Rotton verwendete. Ferner erscheinen die neben den beiden abgebildeten Figuren dargestellten „Blasen“ oder „Punkte“ in der Arbeit des Beklagten dunkler als beim Original zu sein. Auch insoweit überwiegt aber der übereinstimmende Gesamteindruck. Die beiden, überwiegend in grün, gelb sowie einem dunkleren Farbton gestalteten Figuren in der Mitte des Bildes sowie die sich daneben befindlichen „Punkte“ weisen in beiden Fällen eine nahezu exakt gleiche Anordnung auf. Ferner ist die Komposition und Linienführung der Figuren überwiegend identisch. Hinzu kommt der das Werk prägende, über die Mitte des Bildes hinausgehende, rote Hintergrund.
Bei „M“ können nach dem Gesamteindruck als wesentliche Unterschiede zum einen festgestellt werden, dass für die im oberen Bilddrittel dargestellten Köpfe bzw. Gesichter in der Bearbeitung des Beklagten ein hellerer, kräftigerer Rotton im Vergleich zur Vorlage des Klägers verwendet wurde. Ferner scheint das das vom Betrachter aus gesehen linke der beiden Gesichter in der Bearbeitung des Beklagten den Betrachter direkt anzusehen, wohingegen es im Original an dem Betrachter rechts vorbeischaut. Diese Unterschiede verleihen der Bearbeitung des Beklagten jedoch keinen eigenschöpferischen Ausdruck. Es überwiegt jedoch erneut der das klägerische Original prägende Gesamteindruck, der durch die Wahl des Motivs (zwei Köpfe über einem Ozean, in dem Fische schwimmen, um das ein Rahmen mit überwiegend roter, beigegebener und grüner Farbgebung gesetzt ist) der Linienführung und Farbauswahl geprägt ist.
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich nicht um Privatkopien im Sinne des § 53 Abs. 1 UrhG. Denn dies würde voraussetzen, dass die Kopien weder mittelbar noch unmittelbar Erwerbszwecken dienten. Dem steht jedoch entgegen, dass der Beklagte die Gemälde nach seinem eigenen Vortrag zum Preis von 1.600,00 EUR, 2.000,00 EUR und 1.000,00 EUR an einen Bekannten veräußerte. Damit hat der Beklagte durch Veräußerungen ohne weiteres einen Gewinn erzielt, selbst wenn man seinem Vortrag, die Materialkosten hätten 650 EUR betragen, zugrundelegt. Die erzielten Preise stellen sich damit als mehr als bloße Aufwandsentschädigungen dar.
b) In der Veräußerung der Werke liegt zugleich eine Verletzung des Urheberrechts des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Verbreitens im Sinne des § 17 UrhG.
c) Schließlich hat der Beklagte das Urheberrecht des Klägers dadurch verletzt, dass er Fotos der plagiierten Werke bei Instagram veröffentlichte und sich damit das Recht des Klägers als Urheber zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG angemaßt hat.
d) Diese Urheberrechtsverletzungen erfolgten schuldhaft im Sinne des § 97 Abs. 2 UrhG. Angesichts der oben dargestellten Vielzahl an Übereinstimmungen zwischen den Bearbeitungen des Beklagten und den Originalen des Klägers ist vorsätzlichen Verletzungshandlungen des Beklagten auszugehen. Dieser hat selbst eingeräumt, sich die klägerischen Werke zum Vorbild genommen zu haben. Hinsichtlich der Verletzungshandlung des öffentlich Zugänglichmachens (§ 19a UrhG) durch die Veröffentlichung auf Instagram überzeugt die Argumentation des Beklagten, diese sei aus reiner „Unachtsamkeit“ geschehen, unabhängig davon nicht, dass auch eine solche Unachtsamkeit zumindest ein Fahrlässigkeitsvorwurf (§ 276 Abs. 2 BGB) begründen würde. Auf den bei Instagram veröffentlichten Lichtbildern sind die plagiierten Werke jeweils eindeutig und im Bildmittelpunkt zuerkennen. Damit liegt es fern, dass die Gemälde nur zufällig und aus Unachtsamkeit vom Bild erfasst wurden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es gerade das Ziel des Beklagten war, diese zu fotografieren und zu veröffentlichen. Hierfür spricht auch die Bildunterschrift der Instagram-Veröffentlichung „Q.“ (Deutsch: „Q“). Dies deutet darauf hin, dass die Präsentation der Bilder auf den Fotos gerade Ziel des Instagram-Posts war.
e) Der Beklagte ist dem Kläger demnach zum Schadenersatz verpflichtet. Der Kläger berechnet den Schadenersatz vorliegend im Wege der Lizenzanalogie, § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG. Insoweit ist danach zu fragen, welche Lizenzzahlung der Rechtsinhaber zu erwarten gehabt hätte, wenn die Verwertung seines Schutzrechts mit seiner Zustimmung erfolgt wäre (BGH GRUR 1993, 899 - Dia-Duplikate). Dies zugrundegelegt, ist weder maßgeblich, welchen Marktwert die Originale der streitgegenständlichen Gemälde des Klägers erzielen, noch, zu welchem Preis der Beklagte die Plagiate weiterveräußerte.
Da feststeht, dass ein Schadenersatz dem Grunde nach geschuldet ist, ist die Kammer gemäß § 287 ZPO berechtigt, die Höhe desselben zu schätzen. Hier liegen auch ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine solche Schätzung vor. Denn der Beklagte trägt selbst vor, dass der Kläger sogenannte „Editionen“ bzw. „Multiples“ seiner Werke anfertigt und verkauft, welche Preise von 9.600 bzw. 9.900 EUR erzielen. Diese „Editionen“, bei welchen ein Druck des Originals auf Papier erfolgt, der dann vom Kläger nochmals von Hand übermalt wird, erscheinen durchaus mit einer Lizenzierung für eine Kopie des Originals vergleichbar. Demnach erscheint der vom Kläger pro Bild angesetzte Preis für eine Lizenz von 10.000 EUR angemessen, weshalb der Schadensersatz mit 30.000 EUR zu bemessen ist.
Abzüglich der vom Beklagten vorgerichtlich bereits gezahlten 4.000 EUR verbleibt eine Summe von 26.000 EUR.
f) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB. Der Kläger kann indes keine Zinsen in Höhe von neun, sondern lediglich in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz beanspruchen. Der von dem Kläger begehrte Verzugszins ist gemäß § 288 Abs. 2 BGB nur dann anzusetzen, wenn es sich um eine Entgeltforderung handelt. Gemeint hiermit ist das Entgelt für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag (Lorenz in: BeckOK BGB, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 286 Rn. 40). Eine Schadensersatzforderung, wie der Kläger sie hier geltend macht, stellt hingegen keine Entgeltforderung dar.
2.) Allerdings hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 97a Abs. 3 UrhG. Zwar lag eine Urheberrechtsverletzung des Beklagten, wie ausgeführt, vor, weshalb die Abmahnung durch das anwaltliche Schreiben vom 09.05.2023 dem Grunde nach berechtigt war. Diese erfüllte aber nicht die Voraussetzungen des § 97a Abs. 2 Nr. 1-4 UrhG. Voraussetzung einer formal wirksamen Abmahnung ist nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 UrhG insbesondere, dass, sofern in die Abmahnung eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthält, anzugeben ist, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Dem wird die streitgegenständliche Abmahnung des Klägers nicht gerecht. Grundlage für die Abmahnung war die Kopie der klägerischen Werke „C“, „I“ und „M“. Die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtungserklärung (Bl. 24 Anlagenband KV) bezieht sich jedoch unterschiedslos auf „Kunstwerke, welche von M hergestellt wurden und/oder an welchen M die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen“. Sie erfasst damit auf sämtliche Kunstwerke des Klägers und geht über die abgemahnte Rechtsverletzung an lediglich dreien hiervon hinaus. Auf diesen Umstand ist indes in der Abmahnung nicht hingewiesen.
Andere Anspruchsgrundlagen, aufgrund derer der Kläger Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gegen den Beklagten hätte, sind nicht ersichtlich.
II.) Die Widerklage ist teilweise begründet.
Dem Beklagten steht gegen den Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 367,23 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG zu. Ein weitergehender Anspruch besteht hingegen nicht.
Nach der soeben genannten Vorschrift kann der Abgemahnte die Kosten seiner Rechtsverteidigung ersetzt verlangen, soweit die Abmahnung unwirksam war. Letzteres war hier, wie soeben unter I.2.) ausgeführt, der Fall. Dem Beklagten sind für das anwaltliche Schreiben vom 17.05.2023, durch welches die klägerischen Ansprüche abgewehrt wurden, seinerseits Rechtsanwaltskosten entstanden.
Entgegen der Auffassung des Beklagten waren diese Rechtsanwaltskosten jedoch nicht aus dem Gegenstandswert der Abmahnung in Höhe von 80.000 EUR zu berechnen, sondern lediglich aus demjenigen Wert, der sich aufgrund der Unwirksamkeit der Abmahnung ergab. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG, wonach der Abgemahnte Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen kann soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist. Erforderlich sind damit nur diejenigen Rechtsanwaltskosten, die auf den unberechtigten Teil der Abmahnung entfallen (vgl. BGH GRUR 2019, 82, Rn. 38 – Jogginghosen; GRUR 2016, 516, Rn. 45 - Wir helfen im Trauerfall). Dies waren nach den vorstehenden Ausführungen allein die klägerseits geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.293,25 EUR. Denn die klägerische Forderung war lediglich insoweit unbegründet, da aufgrund der Formunwirksamkeit der Abmahnung ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nicht bestand.
Aus dem für die Rechtsverteidigung zugrunde zu legenden Gegenstandswert von 2.293,25 EUR betragen die für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen des Beklagten an Rechtsanwaltskosten 367,23 EUR.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: