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Volltext BGH liegt vor: Mitbewerber und Verbraucherschutzverbände können DSGVO-Verstöße abmahnen und als Wettbewerbsverstoß gerichtlich geltend machen

BGH
Urteil vom 27.03.2025
I ZR 186/17
App-Zentrum III
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e, Art. 80 Abs. 2;
UWG § 5a Abs. 1, § 8 Abs. 3 Nr. 3; UKlaG §§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 13, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Mitbewerber und Verbraucherschutzverbände können Datenschutzverstöße abmahnen und als Wettbewerbsverstoß gerichtlich geltend machen über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Qualifizierten Einrichtungen steht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG die Befugnis zu, wegen Verstößen gegen Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO unabhängig von der konkreten Verletzung von Rechten einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 13 UKlaG, und der Verwendung einer unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung gemäß § 1 UKlaG im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

b) In dem Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO liegt zugleich ein Verstoß gegen Lauterkeitsrecht unter dem Gesichtspunkt des Vorenthaltens einer wesentlichen Information gemäß § 5a Abs. 1 UWG.

c) Ausgehend von der wirtschaftlichen Bedeutung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten für internetbasierte Geschäftsmodelle, deren Nutzung der Verbraucher mit der Preisgabe personenbezogener Daten vergütet, kommt den Unterrichtungspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO zentrale Bedeutung zu, um sicherzustellen, dass der Verbraucher bei seiner mit einer Nachfrageentscheidung verknüpften Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten über Umfang und Tragweite dieser Einwilligungserklärung möglichst umfassend ins Bild gesetzt wird, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.

BGH, Urteil vom 27. März 2025 - I ZR 186/17 - KG Berlin - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Mitbewerber und Verbraucherschutzverbände können Datenschutzverstöße abmahnen und als Wettbewerbsverstoß gerichtlich geltend machen

BGH
Urteil vom 27.03.2025 - I ZR 186/17
Urteil vom 27.03.2025 - I ZR 222/19
Urteil vom 27.03.2025 - I ZR 223/19


Der BGH hat entschieden, dass Mitbewerber und Verbraucherschutzverbände Datenschutzverstöße abmahnen und als Wettbewerbsverstoß gerichtlich geltend machen können.

Die Pressemitteilung des BGH:
Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber sind befugt, Verstöße gegen das Datenschutzrecht im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten zu verfolgen

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Verstoß des Betreibers eines sozialen Netzwerks gegen die datenschutzrechtliche Verpflichtung, die Nutzer dieses Netzwerks über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten zu unterrichten, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet und von Verbraucherschutzbänden im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Sachverhalt:

Die in Irland ansässige Beklagte betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von ‚Spiel spielen" oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen (?), Deine E-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten."

Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte die Nutzer ihres Netzwerks mit den unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweisen nicht hinreichend über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten unterrichtet und damit gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung verstößt. Er sieht darin zugleich ein wettbewerbswidriges Verhalten und hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. In dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel sieht der Kläger eine den Nutzer unangemessen benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschlüssen vom 28. Mai 2020 und vom 10. November 2022 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union jeweils Fragen zur Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO) zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 28. Mai 2020 - I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum I; Beschluss vom 10. November 2022 - I ZR 186/17, GRUR 2023, 193 = WRP 2023, 189 - App-Zentrum II). Dieser hat die Fragen mit Urteilen vom 28. April 2022 und vom 11. Juli 2024 beantwortet (Urteil vom 28. April 2022, C-319/20, GRUR 2022, 920 = WRP 2022, 684 - Meta Platforms Ireland I; Urteil vom 11. Juli 2024, C-757/22, GRUR 2024, 1357 = WRP 2024, 1049 - Meta Platforms Ireland II).

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Art. 80 Abs. 2 DSGVO bildet eine geeignete Grundlage für die Verfolgung von Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung durch Verbände nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und dem Unterlassungsklagengesetz. Den genannten Verbraucherverbänden steht daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG die Befugnis zu, gegen Verletzungen von Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst.?c und e DSGVO wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und gegen ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 UKlaG sowie der Verwendung einer unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung gemäß § 1 UKlaG im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen. Unschädlich ist insoweit, dass der Kläger seine Klage unabhängig von der konkreten Verletzung von Datenschutzrechten einer betroffenen Person und ohne Auftrag einer solchen Person erhoben hat. Da von einer Einrichtung im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO nicht verlangt werden kann, dass sie diejenige Person im Voraus individuell ermittelt, die von einer Verarbeitung von Daten, die mutmaßlich gegen die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung verstößt, konkret betroffen ist, ist die Benennung einer Kategorie oder Gruppe von identifizierbaren natürlichen Personen für die Erhebung einer solchen Verbandsklage ausreichend. Es genügt außerdem, wenn sich die Einrichtung darauf beruft, dass die Verletzung der Rechte dieser Person anlässlich einer Verarbeitung personenbezogener Daten geschieht und auf einer Missachtung der Pflicht beruht, die dem Verantwortlichen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO obliegt, weil im Streitfall nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger mit seiner Klage rein hypothetische Verstöße geltend macht.

Die Präsentation von Spielen im App-Zentrum der Beklagten verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO, weil der Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs nicht über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher Form sowie über die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung und die Empfänger der persönlichen Daten unterrichtet wird.

In dem Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Informationspflichten liegt zugleich ein Verstoß gegen Lauterkeitsrecht unter dem Gesichtspunkt des Vorenthaltens einer wesentlichen Information gemäß § 5a Abs. 1 UWG. Ausgehend von der wirtschaftlichen Bedeutung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten für internetbasierte Geschäftsmodelle, deren Nutzung der Verbraucher mit der Preisgabe personenbezogener Daten vergütet, kommt den datenschutzrechtlichen Unterrichtungspflichten zentrale Bedeutung zu. Sie sollen sicherstellen, dass der Verbraucher bei seiner Nachfrageentscheidung, die mit einer Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten verknüpft ist, möglichst umfassend über Umfang und Tragweite dieser Einwilligungserklärung ins Bild gesetzt wird, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.

Der abschließende Hinweis "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten" stellt eine den Nutzer wegen des Verstoßes gegen die datenschutzrechtlichen Informationspflichten unangemessen benachteiligende und daher unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung dar, deren Verwendung der Kläger nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG untersagen lassen kann.

Urteile vom 27. März 2025 - I ZR 222/19 und ZR 223/19

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in diesen beiden Revisionsverfahren entschieden, dass ein Apotheker, der auf einer Internet-Verkaufsplattform Arzneimittel vertreibt, wobei ohne ausdrückliche Einwilligung von Kunden deren Bestelldaten (Name des Kunden, Lieferadresse und Informationen zur Individualisierung des Medikaments) erhoben werden, gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, und dass ein solcher Verstoß von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Sachverhalt:

Die Parteien in beiden Verfahren sind Apotheker. Die beklagten Apotheker vertreiben Arzneimittel über die Plattform des Anbieters Amazon.

In beiden Verfahren beanstanden die klagenden Apotheker, dass die Beklagten gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstoßen, weil die von Kunden bei der Bestellung eingegebenen Daten wie der Name des Kunden, die Lieferadresse und Informationen zur Individualisierung des Medikaments ohne ausdrückliche Einwilligung erhoben, verarbeitet und genutzt werden.

Im Verfahren I ZR 222/19 rügt der Kläger darüber hinaus, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform verstoße gegen den Vertrieb von Arzneimitteln reglementierende Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes, des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung sowie die Berufsordnung für Apotheker.

Die Kläger haben die Beklagten in beiden Verfahren auf Unterlassung und im Verfahren I ZR 222/19 auch auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

In beiden Verfahren haben die Berufungsgerichte der Klage insoweit stattgegeben, als sie den jeweiligen Beklagten wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zur Unterlassung verurteilt haben. Soweit der Kläger im Verfahren I ZR 222/19 auch Verstöße gegen weitere Vorschriften geltend gemacht und Schadensersatz beansprucht hat, hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren I ZR 223/19 mit Beschluss vom 12. Januar 2023 (GRUR 2023, 264 - Arzneimittelbestelldaten I) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das Verfahren I ZR 222/19 hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen in der Sache I ZR 223/19 ausgesetzt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die ihm vorgelegten Fragen mit Urteil vom 4. Oktober 2024 - C-21/23 (GRUR 2024, 1721 = GRUR 2024, 1318 - Lindenapotheke) beantwortet.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die von den Beklagten in beiden Verfahren eingelegten Revisionen gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung wegen Verstoßes gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen hatten keinen Erfolg. Die vom Kläger im Verfahren I ZR 222/19 eingelegte Revision hatte Erfolg, soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz erstrebte, sie hatte keinen Erfolg, soweit er die Verurteilung des Beklagten wegen Verstößen gegen weitere Vorschriften begehrte.

Die Datenschutz-Grundverordnung steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die Mitbewerbern die Befugnis einräumt, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den mutmaßlichen Verletzer im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Die Verarbeitung und Nutzung der von Kunden der Beklagten bei der Onlinebestellung eines Arzneimittels über den Account eines Apothekers beim Amazon-Marketplace eingegebenen Daten wie der Name des Kunden, die Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten Medikaments notwendigen Informationen verstößt, wenn sie - wie im Streitfall - ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden erfolgt, gegen Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Bei den Bestelldaten handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne dieser Vorschrift und zwar auch dann, wenn das Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf.

Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, so dass der Verstoß gegen diese Vorschrift von einem Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann. Die Bestimmungen zum Erfordernis der Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten dienen dem Schutz der Persönlichkeitsrechtsinteressen der Verbraucher gerade auch im Zusammenhang mit ihrer Marktteilnahme. Die Verbraucher sollen frei darüber entscheiden können, ob und inwieweit sie ihre Daten preisgeben, um am Markt teilnehmen und Verträge abschließen zu können.

Vorinstanzen:

I ZR 186/17

LG Berlin - Urteil vom 28. Oktober 2014 - 16 O 60/13

Kammergericht Berlin - Urteil vom 22. September 2017 - 5 U 155/14

und

I ZR 222/19

LG Magdeburg - Urteil vom 18. Januar 2019 - 36 O 48/18

OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 6/19

und

I ZR 223/19

LG Dessau-Roßlau - Urteil vom 28. März 2018 - 3 O 29/17

OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 39/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 und 3 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. [...]

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, [...]

3. den qualifizierten Verbraucherverbänden, die in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, [...]

§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG

(1) Die in den §§ 1 bis 2a bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung, auf Widerruf und auf Beseitigung stehen zu:

1. den qualifizierten Verbraucherverbänden, die in der Liste nach § 4 eingetragen sind, [...]

Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a DSGVO

(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

(2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:

a) Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, [...]

Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO

(1) Der Verantwortliche trifft geeignete Maßnahmen, um der betroffenen Person alle Informationen gemäß den Artikeln 13 und 14 und alle Mitteilungen gemäß den Artikeln 15 bis 22 und Artikel 34, die sich auf die Verarbeitung beziehen, in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln; [...]

Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO

(1) Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person erhoben, so teilt der Verantwortliche der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten Folgendes mit: [...]

c) die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung; [...]

e) ob die Bereitstellung der personenbezogenen Daten gesetzlich oder vertraglich vorgeschrieben oder für einen Vertragsabschluss erforderlich ist, ob die betroffene Person verpflichtet ist, die personenbezogenen Daten bereitzustellen, und welche mögliche Folgen die Nichtbereitstellung hätte [...]

Artikel 80 Abs. 1 und 2 DSGVO

(1) Die betroffene Person hat das Recht, eine Einrichtung, Organisationen oder Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die ordnungsgemäß nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet ist, deren satzungsmäßige Ziele im öffentlichem Interesse liegen und die im Bereich des Schutzes der Rechte und Freiheiten von betroffenen Personen in Bezug auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten tätig ist, zu beauftragen, in ihrem Namen eine Beschwerde einzureichen, in ihrem Namen die in den Artikeln 77, 78 und 79 genannten Rechte wahrzunehmen und das Recht auf Schadensersatz gemäß Artikel 82 in Anspruch zu nehmen, sofern dieses im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen ist.

(2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass jede der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat das Recht hat, bei der gemäß Artikel 77 zuständigen Aufsichtsbehörde eine Beschwerde einzulegen und die in den Artikeln 78 und 79 aufgeführten Rechte in Anspruch zu nehmen, wenn ihres Erachtens die Rechte einer betroffenen Person gemäß dieser Verordnung infolge einer Verarbeitung verletzt worden sind.



KG Berlin: Abschluss eines kostenlosen Probeabos unterfällt nicht der Buttonlösung nach § 312j Abs. 3 BGB wenn weitere Vertragserklärung nach Ablauf des Probemonats erforderlich ist

KG Berlin
Urteil vom 05.11.2024
5 UKL 5/24

Das KG Berlin hat entschieden, dass der Abschluss eines kostenlosen Probeabos nicht der Buttonlösung nach § 312j Abs. 3 BGB unterfällt, wenn nach Ablauf des Probemonats eine weitere Vertragserklärung des Kunden erforderlich ist, um eine kostenspflichtiges Abonnement abzuschließen. Erst dann müssen die Vorgaben von § 312j Abs. 3 BGB erfüllt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Unterlassung der von ihm angegriffenen Gestaltung einer im Zuge des Bestellprozesses zu betätigenden Schaltfläche mit der Beschriftung „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden" aus § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr.1 Buchst. c UKlaG in Verbindung mit § 312j Abs. 3 BGB gegen die Beklagte zu.

a) Die vom Kläger ausweislich des von ihm formulierten Unterlassungssatzes und des zu seiner Begründung Vorgetragenen angegriffene Gestaltung der mit „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden" beschrifteten Schaltfläche fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 312j Abs. 3 BGB.

aa) Die Vorschrift des § 312j Abs. 3 BGB dient der Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 Uabs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie. Sie begründet – auch in der Zusammenschau mit § 312j Abs. 2 BGB, mit dem Art. 8 Abs. 2 Uabs. 1 Richtlinie 2011/83/EU in deutsches Recht umgesetzt worden ist - eine Verpflichtung des Unternehmers zur Information und zur transparenten Gestaltung des Bestellvorganges im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs.

Nach § 312j Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Unternehmer die Bestellsituation bei einem zahlungspflichtigen Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr im Sinne des § 312j Abs. 2 BGB so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist nach § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB diese Pflicht des Unternehmers nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

(1) Der Begriff der „Schaltfläche“ im Sinne des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB ist grundsätzlich weit zu verstehen und erfasst jedes grafische Bedienelement, das es dem Anwender erlaubt, eine Aktion in Gang zu setzen oder dem System eine Rückmeldung zu geben (vgl. MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, § 312j Rn. 25; Junker/Seiter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 312j BGB (Stand: 01.02.2023), Rnrn. 52f.; Staudinger/Thüsing [2019] BGB § 312j, Rn. 19; vgl. ferner BT-Drucks. 17/7745, S. 12 linke Spalte).

(2) Bei der Beschriftung der Schaltfläche steht es den Unternehmern nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, der der Senat folgt, frei, jede Angabe ihrer Wahl zu verwenden, sofern aus dieser eindeutig hervorgeht, dass der Verbraucher eine Zahlungsverpflichtung eingeht, sobald er die Schaltfläche für die Bestellung aktiviert (EuGH, Urteil vom 7. April 2022 – C-249/21, Rn. 27 nach juris - Fuhrmann-2). Ob die vom Unternehmer gewählte Formulierung – sofern sie nicht ohnehin mit dem in § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB und Art. 8 Abs. 2 Uabs. 2 Satz 2 Richtlinie 2011/83/EU ausdrücklich genannten (Regel)beispiel „zahlungspflichtig bestellen“ übereinstimmt – unmissverständlich erkennen lässt, dass der Verbraucher mit Betätigung der Schaltfläche eine Zahlungsverpflichtung übernimmt, ist – ohne Rücksicht auf die Gesamtumstände des Vertragsschlusses – auf der Grundlage der Bedeutung zu beurteilen, die den auf der Schaltfläche angebrachten Worten nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach der Vorstellung des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers beizumessen ist. Nur wenn die vom Unternehmer gewählte Formulierung nach dem Sprachverständnis und nach der Auffassung des Durchschnittsverbrauchers (zwangsläufig und systematisch) mit der Begründung einer Zahlungsverpflichtung in Verbindung gebracht wird, ist sie dazu geeignet, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf die Tatsache zu lenken, dass die Abgabe der Bestellung für ihn eine Zahlungsverpflichtung zur Folge hat (vgl. EuGH, Urteil vom 7. April 2022 – C-249/21, Rnrn. 28, 33 nach juris - Fuhrmann-2; BeckOK BGB/Maume, 63. Ed. 1.8.2022, § 312j Rn. 28). Diese Maßstäbe sind auch auf entgeltliche (In-)App-Angebote anzuwenden (vgl. Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 1. Aufl. 2017, 11. Teil. C. App-Vertrieb an Verbraucher (B2C) Rn. 38).

(3) Die in § 312j Abs. 3 BGB niedergelegte Verpflichtung zur Information und zur transparenten Gestaltung des Bestellvorganges erfasst allerdings nur die unmittelbare Bestellsituation, also den Moment unmittelbar vor Abgabe der auf den Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrages gerichteten Willenserklärung durch den Verbraucher (vgl. MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, § 312j Rn. 22; Staudinger/Thüsing, BGB [2019], § 312j, Rn. 17; BeckOGK/Busch, 1.7.2023, BGB § 312j Rn. 32).

Die in § 312j Abs. 3 BGB normierte Pflicht dient dem Zweck, dem Verbraucher in der Bestellsituation, also in unmittelbarem räumlichem und funktionalem Zusammenhang mit der Abgabe der rechtlich verbindlichen Vertragserklärung, vor Augen zu führen, dass er eine solche Erklärung abgibt und dass diese eine Zahlungspflicht begründet (BGH, Urteil vom 4. Juni 2024 - X ZR 81/23, Rn. 26, juris).

Der Abschluss eines Bestellvorgangs, der eine Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers zur Folge hat, ist ein wesentlicher Schritt, da er impliziert, dass der Verbraucher damit einverstanden ist, nicht nur an den Fernabsatzvertrag, sondern auch an die Zahlungsverpflichtung gebunden zu sein (EuGH, Urteil vom 7. April 2022 – C-249/21, Rnrn. 28, 33 nach juris - Fuhrmann-2). Wird die kostenpflichtige Bestellung über eine Schaltfläche oder auf ähnliche Art und Weise ausgelöst, ist es gerade die Aktivierung einer Schaltfläche oder einer ähnlichen Funktion zum Abschluss der Bestellung, die eine Erklärung des Verbrauchers dahin beinhaltet, dass er unwiderruflich damit einverstanden ist, an eine Zahlungsverpflichtung gebunden zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2024 - C-400/22, Rn. 48 nach juris - VT u.a./Conny).

Dass dem Verbraucher der Umstand, dass die Abgabe der Bestellung eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer zur Folge hat, in unmittelbarem räumlichen und funktionalem Zusammenhang mit der Abgabe der rechtlich verbindlichen Vertragserklärung verdeutlicht werden soll, kommt zudem in Erwägungsgrund 39 Satz 2 und 3 der Richtlinie 2011/83/EU zum Ausdruck. Nach diesem Erwägungsgrund soll dem Verbraucher durch eine gemäß Art. 8 Abs. 2 Uabs. 2 Richtlinie 2011/83EU von ihm bei der Bestellung abzugebende Bestätigung nicht nur vor Augen geführt werden, dass die Abgabe der Bestellung eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer zur Folge hat, sondern auch der Zeitpunkt verdeutlicht werden, zu dem gegenüber dem Unternehmer eine Zahlungsverpflichtung eingegangen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 7. April 2022 – C-249/21, Rn. 28, 33 nach juris - Fuhrmann-2; OLG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2018 – I-6 U 48/16, Rn. 39, juris – Bestell-Button II).

Dieser Zweck der Vorschrift wird – schon zur Vermeidung von Verwirrung und einer Intransparenz des Bestellvorganges – nur erreicht, wenn der Verbraucher auf den Umstand, dass er einen kostenpflichtigen Vertrag abschließt (nur) mit einer entsprechenden Kennzeichnung derjenigen Schaltfläche oder ähnlichen Funktion, die den Bestellvorgang abschießt, hingewiesen wird (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312j Rn. 22 a.E.; Schirmbacher in: Spindler/Schuster, 4. Aufl. 2019, BGB § 312j Rn. 55). Sind daher im Zuge eines Bestellprozesses mehrere Schaltflächen oder ähnliche Funktionen zu aktivieren, ist § 312j Abs. 3 BGB nur hinsichtlich der letzten anzuwenden (vgl. Senat, Urteil vom 23. August 2024 – 5 U 42/21, Umdruck S. 13, n.V.).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei der vom Kläger zum Gegenstand des von ihm begehrten Unterlassungsgebots gemachten Schaltfläche nicht um eine solche, auf die die Vorschrift des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB Anwendung findet. Denn die mit der Aufschrift „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ beschriftete Schaltfläche dient nicht dem Abschluss des hier in Rede stehenden Bestellvorganges. Vielmehr wird die zum Abschluss des nach sieben Tagen in ein kostenpflichtiges Abonnement übergehenden Probeabonnements führende Willenserklärung des Verbrauchers bei dem hier zu beurteilenden Bestellprozess erst zu einem späteren Zeitpunkt abgegeben.

(1) Auf der Grundlage des von den Parteien hierzu Vorgetragenen und unter Berücksichtigung des übrigen Akteninhalts (§ 286 Abs. 1 ZPO) lässt sich nicht feststellen, dass der (potentielle) Nutzer der von der Beklagten vertriebenen „Blinkist“-App bereits mit Betätigen des mit „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ beschrifteten Schaltfläche, die auf den Abschluss eines – nach Ablauf einer Probephase – kostenpflichtigen Abonnementvertrages gerichtete Vertragserklärung abgegeben hat.

(a) Nach der Darstellung der Beklagten, die nicht nur durch die Beschreibung des Bestellvorgangs bei Nutzung eines Mobiltelefons für einen sogenannten „In-App-Purchase“ in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, sondern auch durch den vom Kläger geschilderten Ablauf des Bestellprozesses gestützt wird, wird der (potentielle) Nutzer der „Blinkist“-App bei einer Bestellung des Abonnements über ein mit dem Betriebssystem iOS ausgestattetes Mobiltelefon nach Betätigen der Schaltfläche mit der Aufschrift „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ zunächst zum Apple App-Store weitergeleitet, innerhalb desselben der Bestellvorgang nicht unmittelbar abgeschlossen, sondern vielmehr mit einer weiteren Aufforderung, die Bestellung zu bestätigen, fortgesetzt wird.

Auf der sich im App-Store (ggf. nach Anmeldung durch den Benutzer) öffnenden Benutzeroberfläche werden dem mit der App der Beklagten angesprochenen Verbraucher ausweislich der Darstellung in der Klageschrift und der als Anlage K4 sowie als Anlage B3 vorgelegten Screenshots der Benutzeroberfläche, (erneut) die wesentlichen Vertragskonditionen vorgestellt, nach denen der Nutzer ein einwöchiges „kostenloses Probeabo“ abschließen kann, das – sofern es nicht rechtzeitig gekündigt wird – in ein „Blinkist Premium“-Abonnement, das jährlich 79,99 € kosten soll, übergeht.

Dass der Nutzer ein solches Abonnement abschließen möchte, muss er – auch ausweislich des vom Kläger in der Klageschrift geschilderten Bestellvorganges – alsdann mit der „Seitentaste“ des Mobiltelefons bestätigen. Hierzu heißt es nach dem neben der rechts oben am Mobiltelefon befindlichen Seitentaste: „Zum Abonnieren zweimal drücken“. Erst wenn der Nutzer dieser Aufforderung nachkommt, erhält er nach Darstellung der Beklagten, der der Kläger insoweit nicht erheblich entgegengetreten ist, eine „Abo-Bestätigung“, in der ihm ausweislich der Anlage B4 unter erneuter Zusammenfassung der wesentlichen Vertragsdaten mitgeteilt wird: „Du hast das folgende Angebot angenommen: […]“.

(b) Eine Bestellung des von der Beklagten angebotenen Probeabonnements, das – sofern es nicht rechtzeitig gekündigt wird – nach Ablauf einer Woche in ein kostenpflichtiges Abonnement übergeht, wird danach nicht schon durch das Betätigen der vom Kläger angegriffenen Schaltfläche, sondern erst durch das 2-malige Drücken der Seitentaste rechts oben am Mobiltelefon nach Weiterleitung in den Apple App-Store ausgelöst.

Bei dieser Sachlage dient die Betätigung der vom Kläger angegriffenen Schaltfläche mit der Beschriftung „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ nur der Einleitung des Bestellvorganges wie dies bspw. auch bei einem Einkauf über einen Onlineshop durch das (virtuelle) Einlegen der Ware in einen (virtuellen) Warenkorb geschieht. Abgeschlossen wird der Bestellvorgang dagegen erst innerhalb des Apple App-Store durch 2-maliges Betätigen der oberen rechten Seitentaste des Mobiltelefons.

(c) Wird der Bestellvorgang – wie hier – erst nach Weiterleitung in einen App-Store und nach entsprechender Aufforderung durch die 2-malige Betätigung der Seitentaste des Mobiltelefons abgeschlossen, liegt auch erst hierin die vom Nutzer (hier konkludent durch Betätigen der Seitentaste) abgegebene Willenserklärung, die zu einem ihn bindenden Vertragsschluss führt.

(2) Anders, als der Kläger meint, bestehen im Streitfall auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass das Betätigen der vom Kläger angegriffenen und mit „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ beschrifteten Schaltfläche aus der für die Beurteilung der zum Abschluss eines Vertrages führenden Willenserklärungen maßgeblichen Sicht des objektiven Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB; vgl. dazu BeckOK IT-Recht/Borges/Sesing, 15. Ed. 1.4.2024, BGB § 133 Rnrn. 13f m. weit. Nachw.), bereits als auf den Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnementvertrages gerichtete, den Erklärenden bindende Willenserklärung angesehen werden müsste, die durch das spätere 2-malige Betätigen der oberen rechten Seitentaste des Mobiltelefons im Apple App-Store nur noch einmal „bekräftigt“ wird.

(a) Der für die vom Kläger angegriffene Beschriftung der Schaltfläche „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ gewählte Wortlaut deutet für sich genommen nicht darauf hin, dass mit dem Betätigen der Schaltfläche bereits eine auf den Abschluss des später in ein kostenpflichtiges Abonnement übergehendes Probeabonnement gerichtete Erklärung abgegeben wird. Vielmehr ist mit der Wendung „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ zunächst allein das „kostenlose Probeabonnement“ angesprochen und könnte der Beschriftung der Schaltfläche allenfalls in der Zusammenschau mit der ausweislich der Anlage K3 darüber abgebildeten Erläuterung der Funktionsweise des „Probeabos“, derzufolge der Nutzer „ab heute“ den „kostenlosen Zugang zu allen Inhalten und Funktionen“ genießen kann, „in 5 Tagen […] eine Erinnerung darüber [erhält], dass [das] Probeabo bald abläuft“ und nach der „in 7 Tagen“ das kostenpflichtige Jahresabo beginnt, wenn der Nutzer „nicht vorher gekündigt“ hat, ein weitergehender Erklärungsgehalt beigemessen werden.

Die Formulierung „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ kann ferner auch nicht ohne weiteres als verbindliche, auf die Abgabe einer Bestellung gerichtete Erklärung aufgefasst werden. Der Begriff „starten“ wird im Allgemeinen Sprachgebrauch nicht mit „bestellen“ gleichgesetzt. Vielmehr deutet er zunächst nur auf die Ingangsetzung eines - weitere Schritte erfordernden - Bestellvorganges hin.

(b) Im Streitfall kann auch aus den bei der Bestimmung des Bedeutungsgehalts der Erklärung weiter zu berücksichtigenden Begleitumständen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 – VIII ZR 275/98, Rn. 20, juris) nicht hergeleitet werden, dass der (künftige) Vertragspartner des Nutzers das Betätigen bereits dieser Schaltfläche nach den hier zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles als bindende Vertragserklärung versteht.

(aa) Nach dem von den Parteien hierzu Vorgetragenen und ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen soll der Vertrag über die Nutzung der „Blinkist“-App bei der hier in Rede stehenden Gestaltung – unter Vermittlung durch den Apple App-Store – zwischen dem Nutzer und der Beklagten zustande kommen (vgl. dazu Zdanowski in: Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 1. Aufl. 2017, 11. Teil. C. App-Vertrieb an Verbraucher (B2C) Rn. 42).

(bb) Die Beklagte – als künftiger Vertragspartner des Nutzers – lässt nach ihren – bei der Bestimmung des objektiven Empfängerhorizonts mit in den Blick zu nehmenden (vgl. dazu Föhlisch in: Hoeren/Sieber/Holznagel MMR-HdB, 62. EL Juni 2024, Teil 13.4 Verbraucherschutz im Internet Rn. 206) – eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen der durch Bestätigung des vom Kläger angegriffene Schaltfläche in Gang gesetzte Bestellvorgang bis zu seiner Vollendung im App-Store „abgebrochen“ werden kann, erst die zweimalige Betätigung der oberen rechten Seitentaste als verbindliche Vertragserklärung des Nutzers gelten. Danach sieht die Beklagte als Adressat der Vertragserklärung des (potentiellen) Nutzers bei einer Bestellung des „Blinkist“-Abonnements über den Apple App-Store erst die letztere Erklärung als bindend an (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Februar 2024 – I-20 UKl 4/23, Rn. 33, juris) und zwar ohne, dass dies mit ihrem tatsächlichen Verhalten in Widerspruch stünde (vgl. Föhlisch a.a.O.). Vielmehr erhält der Nutzer eine Bestellbestätigung (vgl. § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB) bei dem hier zu beurteilenden Bestellvorgang unstreitig erst, nachdem er die Seitentaste seines Mobiltelefons zwei Mal betätigt hat und nimmt die Beklagte ausweislich ihrer AGB auch erst diese Erklärung des Nutzers zum Anlass, diesem eine Auftragsbestätigung zukommen zu lassen.

Darauf, ob die Beklagte die von ihr vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam in den mit dem Nutzer geschlossenen Vertrag einbezieht, kommt es für die Bestimmung des objektiven Erklärungsgehaltes der vom Nutzer mit Betätigen der Schaltfläche „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, Easy beenden“ nicht entscheidend an (vgl. Staudinger/Singer (2021) BGB § 133, Rn. 49 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 3. Februar 1982 – VIII ZR 316/80, NJW 1982, 1749).

(cc) Im Streitfall läuft es auch nicht der berechtigten Nutzerwartung (vgl. dazu Reichold in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 133 BGB (Stand: 15.05.2023), Rn. 23) zuwider, dass die Beklagte nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht bereits das Betätigen der hier in Streit stehenden Schaltfläche als verbindliche Vertragserklärung gelten lässt. Vielmehr darf der Nutzer – auch nach der gesetzlichen Wertung des § 312j Abs. 3 BGB – erwarten, dass eine ihn bindende Vertragserklärung auch unmissverständlich als solche bezeichnet wird.

(c) Hinzukommt, dass sich die Beklagte bei der Anbahnung des hier in Rede stehenden Vertragsschlusses der vom Apple App-Store bereitgestellten technischen Infrastruktur bedient und nicht ersichtlich ist, dass den künftigen Vertragspartner des Nutzers bereits bei Betätigen der vom Kläger angegriffenen Schaltfläche eine (potentiell) auf den Abschluss eines Abonnement-Vertrages gerichtete Erklärung des Nutzers erreicht. Vielmehr löst das Betätigen der Schaltfläche nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivortrag bei der hier zu beurteilenden Gestaltung des Bestellvorganges nur die Weiterleitung des Nutzers in den Apple App-Store aus.

(3) Soweit der Kläger geltend macht, dass es für die Anwendung der in § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten Pflichten betreffend die Gestaltung einer Schaltfläche genügen müsse, dass aus Sicht des die Vertragserklärung abgebenden Nutzers bereits das Betätigen der betreffenden Schaltfläche als ihn bindende Vertragserklärung anzusehen sei (vgl. dazu MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312j Rn. 22), kann dem jedenfalls für den hier zu beurteilenden Bestellvorgang, bei dem der Nutzer nach Betätigen dieser Schaltfläche in einer neuen Nutzerumgebung (App-Store) eine weitere tatsächlich zum Vertragsschluss führende Erklärung abzugeben hat, nicht gefolgt werden.

(a) Es kann offenbleiben, ob der Nutzer – wenigstens in Ansehung des Gesamtkontextes, in den die mit der Aufschrift „Kostenloses Probeabo starten, Easy testen, easy beenden“ beschriftete Schaltfläche eingebunden ist, – annehmen könnte, dass er bereits mit dem Betätigen dieser Schaltfläche eine für ihn verbindliche Erklärung abgibt, die die Bestellung einer nach Ablauf einer Woche kostenpflichtigen Leistung zum Gegenstand hat. Denn der Zweck der in § 312j Abs. 3 BGB niederlegten Pflichten, dem Verbraucher in unmittelbarem Zusammenhang mit der tatsächlich bindenden Vertragserklärung unmissverständlich vor Augen zu führen, dass er „jetzt“ eine Zahlungspflicht eingeht und sich vertraglich bindet, würde durch verfrühte Hinweise auf die Auslösung einer kostenpflichtigen Bestellung, die dazu führen können, dass der Verbraucher einem solchen Hinweis im entscheidenden Moment nicht mehr die gewünschte Aufmerksamkeit entgegenbringt, verfehlt.

(b) Gegenteiliges kann auch aus der vom Kläger angeführten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit Urteil vom 30. Mai 2024 zu C-400/22 in der Sache „VT u.a./Conny“ hergeleitet werden.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dieser Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass maßgeblicher Zeitpunkt für das Eingreifen der den Unternehmer treffenden Informationspflicht der Abschluss der Bestellung ist (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2024 - C-400/22, Rn. 48 nach juris - VT u.a./Conny). Dass die Pflicht des Unternehmers, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, bei einem aus mehreren Schritten bestehenden Bestellvorgang bereits vor Abgabe der verbindlichen auf den Abschluss eines Vertrages gerichteten Erklärung zu erfüllen sei, kann den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union daher nicht entnommen werden.

Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union klargestellt hat, dass der Umstand, dass die den Verbraucher aufgrund eines bereits bindend abgeschlossenen Vertrages treffende Zahlungspflicht vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig ist, die erst nach dem bindenden Vertragsschluss erfüllt werden können, nicht dazu führt, dass die in Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 der Richtlinie 83/2011/EU (und in § 312j Abs. 3 BGB) niedergelegten Informationspflichten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (noch) nicht zu erfüllen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2024 – C-400/22, Rn. 38 nach juris – VT u.a./Conny), betrifft dies die Frage danach, welchen Einfluss die Ausgestaltung des Vertrages in Bezug auf die Zahlungspflicht auf die den Unternehmer treffenden Informationspflichten hat, nicht aber die Frage danach, zu welchem Zeitpunkt im Bestellprozess die von Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 der Richtlinie 83/2011/EU und § 312j Abs. 3 BGB geforderten Informationspflichten zu erfüllen sind.

(4) Daran, dass der Anwendungsbereich von § 312j Abs. 3 BGB in Bezug auf die vom Kläger angegriffene Schaltfläche nach Vorstehendem nicht eröffnet ist, ändert auch der Umstand nichts, dass die letztlich zum Vertragsschluss führende Erklärung bei der hier zu beurteilenden Gestaltung nicht von dem Hinweis „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung flankiert ist (vgl. zur nicht genügenden Verwendung des Wortes „Abonnieren“: OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Februar 2024 – I-20 UKl 4/23, Rn. 31, juris). Denn der Umstand, dass die vom Verbraucher letztlich abgegebene Vertragserklärung möglicherweise nicht den Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB genügend gestaltet ist, kann nicht zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf frühere Schritte im Bestellprozess führen. Vielmehr ist dem durch eine – hier nicht streitgegenständliche – Gestaltung der eigentlichen Bestellsituation Rechnung zu tragen, die nach § 312j Abs. 3 Satz 1 BGB auch bei Bestellungen, die nicht über eine Schaltfläche im Sinne von Satz 2 der Vorschrift abgegeben werden, vergleichbaren Anforderungen zu genügen hat (vgl. dazu OLG München, Urteil vom 10. Januar 2019 – 29 U 1091/18, Rn. 101, juris; Junker/Seiter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 312j BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 47).

b) Da der Anwendungsbereich des § 312j Abs. 3 BGB für die vom Kläger angegriffene Schaltfläche nach Vorstehendem nicht eröffnet ist, scheidet ein auf die Gestaltung dieser Schaltfläche gestützter Unterlassungsanspruch aus.

2. Die Klage ist auch mit dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Kostenpauschale gemäß § 5 UKlaG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 UWG nicht begründet; die an die Beklagte gerichtete Abmahnung ist aus den vorstehend genannten Gründen nicht berechtigt gewesen.

III. Der Kläger kann die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auch nicht mit Erfolg auf eine unlautere Wettbewerbshandlung der Beklagten gemäß §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 312j BGB stützen.

1. Der Senat kann offenlassen, ob ein - hier nach Vorstehendem schon nicht gegebener - Verstoß gegen § 312j BGB einen Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung gemäß § 3a UWG begründen kann, oder ob in einer etwaigen Missachtung der in § 312j Abs. 3 BGB niedergelegten Pflichten des Unternehmers eine Informationspflichtverletzung gemäß § 5a UWG liegt.


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EuGH: Mitbewerber können DSGVO-Verstöße abmahnen - Art. 9 DSGVO gilt auch für Kundendaten bei Bestellung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Online-Apoheke

EuGH
Urteil vom 04.10.2024
C-21/23


Der BGH hat entschieden, dass Mitbewerber DSGVO-Verstöße abmahnen können. Ferner hat der EuGH entschieden, dass Art. 9 DSGVO auch für Kundendaten bei Bestellung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in einer Online-Apoheke gilt.

Tenor der Entscheidung:
1. Die Bestimmungen des Kapitels VIII der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die – neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung dieser Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen – Mitbewerbern des mutmaßlichen Verletzers von Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten die Befugnis einräumt, wegen Verstößen gegen die DSGVO gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen.

2. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sowie Art. 9 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 sind dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem der Betreiber einer Apotheke über eine Onlineplattform apothekenpflichtige Arzneimittel vertreibt, Daten, die seine Kunden bei der Onlinebestellung dieser Arzneimittel eingeben müssen (wie z. B. Name, Lieferadresse und für die Individualisierung der Arzneimittel notwendige Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne dieser Bestimmungen darstellen, auch wenn der Verkauf dieser Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf.

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BGH: Verstoß gegen Vorgaben der Button-Lösung durch Opodo-Bestellbutton bei gleichzeitiger Reisebuchung und Abschluss eines Opodo-Prime-Abonnements

BGH
Urteil vom 04.06.2024
X ZR 81/23
BGB § 312j Abs. 3 und 4, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 818 Abs. 2


Der BGH hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die Vorgaben der Button-Lösung nach § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB durch den vom Opodo verwendeten Bestellbutton bei gleichzeitiger Reisebuchung und Abschluss eines Opodo-Prime-Abonnements vorlag. Der Bestellbutton stellte nicht ausreichend klar, dass durch Betätigung der Schaltfläche beide Vertragsverhältnisse abgeschlossen werden sollten.

Leitsätze des BGH:
a) In den Fällen des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB muss der Verbraucher aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ersehen können, für welche Leistungen des Unternehmers er eine Zahlungspflicht eingeht.

b) Wenn mit einem einheitlichen Bestellvorgang Verträge über mehrere Leistungen abgeschlossen werden, die grundsätzlich unabhängig voneinander zu erbringen sind, muss die Maske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, dass der Verbraucher mit dem Betätigen der Schaltfläche eine auf den Abschluss aller dieser Verträge gerichtete Erklärung abgibt.

c) Hat ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Abschluss eines nach § 312j Abs. 3 und 4 BGB unwirksamen Abonnementvertrags eine andere Leistung zu einem vergünstigten Preis erbracht, steht der Schutzzweck der genannten Vorschriften einem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz gemäß § 812 Abs. 1 Fall 1 und § 818 Abs. 2 BGB in der Regel entgegen.

BGH, Urteil vom 4. Juni 2024 - X ZR 81/23 - LG Düsseldorf - AG Düsseldorf

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LG Bamberg: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO durch Werbung mit "11% mehr Haare in nur 16 Wochen“ für "Bio-h-Tin-Kapseln"

LG Bamberg
Urteil vom 15.03.2024
13 O 431/23 UKlaG


Das LG Bamberg hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO durch Werbung mit "11% mehr Haare in nur 16 Wochen“ für "Bio-h-Tin-Kapseln" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die von Klägerseite geltend gemachten Ansprüche sind auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbeäußerungen gemäß § 2 Abs. 1S. 1 UKlaG a.F. i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HCVO bzw. Art. 7 Abs. 1a) und Abs. 3 LMIV.

2.1. Art. 7 Abs. 1a) und Abs. 3 LMIV sowie Art. 10 Abs. 1 HCVO sind Verbraucherschutzgesetze i.S.d. § 2 Abs 1, S. 1 UKlaG a.F. (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.2019 - | ZR 81/15). 2.2.

Die Beklagte verstößt mit der streitgegenständlichen Werbung gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO. Gemäß Art. 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel Il und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Ängaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind. 2.2.1. Bei den streitgegenständlichen Angaben handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO.

"Gesundheitsbezogen" ist eine Angabe, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Entscheidend ist, wie der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angabe versteht (Erwägungsgrund 16 S. 3 der HCVO; BGH, Urteil vom 24.07.2014 - | ZR 221/12, Rn. 24 juris). Der Begriff Zusammenhang ist dabei weit zu verstehen (EuGH, Urteil vom 06.09.2012 - C-544/10, Rn. 32 juris; BGH, Urteil vom 07.04.2015 - | ZR 81/15, Rn. 19 juris). Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der die Verbesserung eines Gesundheitszustandes dank des Verzehrs eines Lebensmittels impliziert (EuGH, Urteil vom 06.09.2021 - C-544/10, Rn. 35 juris; BGH, Urteil vom 07.04.2015 - I ZR 81/15, Rn. 19 juris). Die Frage, ob eine Aussage auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielt, ist anhand der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der HCVO aufgeführten Fallgruppen zu beurteilen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 07.04.2016 - | ZR 81/15, Rn. 21 juris).

Bei der Prüfung der Frage, ob eine Werbeaussage aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der HCVO darstellt und ob der Verbraucher eine solche Angabe als gesundheitsbezogen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung ansieht, sind die Gesamtaufmachung und Präsentation des betreffenden Lebensmittels sowie Vorkenntnisse und Erwartungen des Verbrauchers zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 10.12.2015 -IZR 222/13).

Beauty Claims beziehen sich demgegenüber auf das bloße optische Erscheinungsbild von Haut oder Haaren, unabhängig von den gesundheitlichen Körperfunktionen i.S. von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO und damit unabhängig von einem Zusammenhang zwischen dem beworbenen Wirkstoff und etwaigen körperlichen Funktionen (BGH, Urteil vom 14.05.2020 - | ZR 142/19; Holle/Hüttebräuker, HCVO, 2018, Art. 2 Rn. 137).

Unter Beachtung dieser Definitionen sind die streitgegenständlichen Angaben in der Werbung der Beklagten als gesundheitsbezogene Angaben einzuordnen, da ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel einerseits und gesundheitlichem Zustand andererseits erklärt wird. So heißt es insbesondere:

- „Damit dünner werdendes und kraftloses Haar nicht zur Sorge wird: Bio-H-Tin unterstützt die Grundversorgung der Haarwurzel und somit das gesunde Haarwachstum von innen heraus."

- „11 % mehr Haare in nur 16 Wochen"

Bei diesen Aussagen handelt es sich nicht blof um rein kosmetische Wirkaussagen ohne spezifischen Einfluss auf die Körperfunktionen. Für einen Gesundheitsbezug der streitgegenständlichen Werbeaussagen spricht bereits der Umstand, dass Aussagen zur Bedeutung einzelner Substanzen für den Zustand der Haare in die von der EU festgelegte Liste der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben aufgenommen wurden, die sich im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 befindet (BGH, Urteil vom 07.04.2016 - | ZR 81/15, Rn. 21 juris). Im Übrigen sind die Aussagen allesamt so zu verstehen sind, dass bei Einnahme des von der Beklagten beworbenen Produkts die Struktur der Haare durch Einwirkung auf deren Wurzeln und deren Wachstum insgesamt verbessert wird. Insofern wird durch die Werbung ein kausaler Zusammenhang zwischen der Einnahme des Produkts und dem daraus folgenden gesunden Haarwachstum aufgrund der Unterstützung der Grundversorgung der Haarwurzeln durch den menschlichen Körper behauptet. Der damit insgesamt beworbene Einfluss auf das Haarwachstum betrifft somit die Förderung einer Körperfunktion i.S.d. Art. 13 Abs, 1 lit. A HCVO. Hierunter sind alle physiologisch erfassbaren Prozesse des menschlichen Körpers zu verstehen, auf die positiv eingewirkt werden kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2019 - 4 U 142/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.03.2019 - 6 U 90/17; OLG Bamberg, Beschluss vom 20.10.2017 - 3 U 117/17), mithin auch das Haarwachstum durch gezielte Einwirkung auf die Grundstruktur der Haarwurzeln als eines Teils des menschlichen Körpers.

Der Ansatz der Beklagten, insofern ausschließlich auf die fehlende organische Funktion der Haare abzustellen, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Stellt man auf den Gesamtzusammenhang der Werbeaussagen ab, erwartet der durchschnittliche Endverbraucher, dass die Wirkstoffe von Bio-H-Tin auf seinen Stoffwechsel einwirken, wodurch sich die Grundstruktur seiner Haarwurzeln verbessert und es dadurch im Ergebnis zu einer Steigerung des Haarwuchses und damit der Haarmenge und -fülle kommt. Dies suggerieren schon die Worte „von innen heraus“ (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021 - 2 U 49/2). Die Herstellung dieses konkreten Zusammenhangs zwischen dem beworbenen Produkt und der Steigerung des Haarwachstums geht damit weit über einen bloßen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit im Allgemeinen hinaus (Art. 10 Abs. 3 HCVO).

Ob dünner werdendes oder kraftloses Haar eine Folge von gesundheitlichen Schäden am Haar oder der Haarwurzel oder aber eine altersbedingte oder hormonelle Erscheinung ist, kann dahinstehen. Denn auch die angegriffene Werbung unterscheidet insofern nicht. Vielmehr wird ein grundsätzlicher Wirkungsprozess beworben, nämlich die Stärkung und Förderung von gesundem Haarwuchs durch die Einnahme der beworbenen Kapseln.

2.2.2. Die streitgegenständlichen Werbeaussagen sind nach Art. 10 Abs. 1 HCVO verboten, weil die darin enthaltenen Angaben inhaltlich richt mit den nach der Anlage zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 zugelassenen Angaben übereinstimmen.

[…]

2.3. Die Beklagte verstößt mit der streitgegenständlichen Werbung zugleich gegen Art. 7 Abs. 1a und Abs. 3 LMIV.

Demnach dürfen Informationen über ein Lebensmittel nicht irreführend sein und diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.

Gerade dies ist jedoch der Fall. Der durchschnittliche Verbraucher versteht die streitgegenständliche Werbung dahingehend, dass allein durch die Einnahme der beworbenen Kapseln sein Haarwachstum und sein Haarvolumen in kürzester Zeit erheblich zunehmen werden, nämlich 11% in nur 16 Wochen. Dies wird bekräftigt durch den Hinweis, dass es sich um nachgewiesene Vorteile eines kürzlich entwickelten Nahrungsergänzungsmittels für Haarwachstum und Nagelqualität bei Frauen handle. Hierdurch wird der Eindruck der Zulässigkeit der streitgegenständlichen Aussagen nach wissenschaftlichen Standards vermittelt. Tatsächlich ist eine entsprechende Zunahme des Haarvolumens jedoch nicht gewährleistet.


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LG Köln: Verfolgung unterschiedlicher Streitgegenstände in separaten Klageverfahren begründet keinen Rechtsmissbrauch gemäß § 8c UWG

LG Köln
Urteil vom 13.12.2023
84 O 132/23


Das LG Köln hat entschieden, dass die Verfolgung unterschiedlicher Streitgegenstände in separaten Klageverfahren begründet keinen Rechtsmissbrauch gemäß § 8c UWG

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Der Kläger handelt bei der Geltendmachung seiner Ansprüche nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8c UWG.

1) Ein derartiger Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv des Verfahrens erscheint (vgl. BGH GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2012, 286 Tz. 13 – Falsche Suchrubrik; BGH GRUR 2015, 694 Tz. 16 – Bezugsquellen für Bachblüten; OLG Köln, Urteil vom 21.08.2015 – 6 U 41/15 – S. 6; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage 2022, § 8c Rn.11).

Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände, wobei vor allem auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße abzustellen ist. Wenn nach dieser Prüfung der Schluss gerechtfertigt ist, dass der klagende Gläubiger neben dem Interesse an einer Untersagung des Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgt, durch die Rechtsverfolgung vorwiegend Gebühren zu erzielen und/oder den Schuldner beispielsweise durch eine – der Sache nach unnötige – Belastung mit Kosten und Gebühren zu schädigen und ihn dadurch im Wettbewerb zu behindern, ist sein Verhalten als rechtsmissbräuchlich zu bewerten (BGHZ 144, 165 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Dabei setzt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht voraus, dass die Rechtsverfolgung ohne jedes wettbewerbsrechtliche Interesse betrieben wird. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter die vom Gesetzgeber missbilligte Ziele ist nicht zu verlangen (BGH, GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld I; GRUR 2012, 286 Tz. 13 – Falsche Suchrubrik).

Neben dem im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen stellt sich die Rechtsverfolgung auch dann als missbräuchlich dar, wenn sie maßgeblich von der Absicht getragen ist, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern (KG, GRUR-RR 2010, 22, 23 – JACKPOT!; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2011, 20 – Behinderungsabsicht; vgl. auch BGH, GRUR 2006, 243 Tz. 19 – MEGA SALE). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es dem Anspruchsberechtigten zwar nicht ausschließlich, aber doch überwiegend darum geht, den Verletzer mit möglichst hohen Prozesskosten und Risiken zu belasten und seine personellen und finanziellen Kräfte zu binden (BGH, GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld) oder wenn durch das Vorgehen in erster Linie ein Druckmittel z.B. im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen geschaffen werden soll (OLG Hamm, Urt. v. 8. 11. 2012 – 4 U 86/12 – juris Tz. 27 f.; Fritzsche, MünchKomm-UWG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 471).

Darüber hinaus stellt das novellierte UWG mit dem neu gefassten § 8c UWG in dessen Abs. 2 Nrn. 1–7 nunmehr typische, für einen Rechtsmissbrauch sprechende tatsächliche und rechtliche Umstände/Indizien auf, die von dem Anspruchsberechtigten zu widerlegen sind. Sodann ist zu prüfen, ob der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nach einer Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände zutrifft oder von dem Anspruchsberechtigten entkräftet ist.

2) Unter Berücksichtigung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände stellt sich das Verhalten des Klägers nicht als rechtsmissbräuchlich dar.

Der Umstand, dass der Kläger die Abmahnung der Beklagten vom 27.07.2023 zum Anlass genommen hat, seinerseits den Internetauftritt der Beklagten zu überprüfen und sodann zwei Gegenabmahnungen ausgesprochen hat (sog. Retourkutsche), ist für sich genommen nicht zu beanstanden (BGH WRP, 2021, 746 Rn. 44 – Berechtigte Gegenabmahnung).

Mit den beiden Abmahnungen hat der Kläger entgegen dem Vortrag der Beklagten auch Nichts gefordert, was nicht zulässigerweise gefordert werden kann. In der Abmahnung vom 07.09.2023 begehrt der Kläger die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nur hinsichtlich des angegriffenen Aspektes der unlauteren Behinderung/Irreführung zu Tenor A. I. 1., nicht aber hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen gesetzliche Informationspflichten. Die Abmahnkosten werden ebenfalls nur hinsichtlich des Aspektes der unlauteren Behinderung/Irreführung zu Tenor A. I. 1. geltend gemacht, nicht aber hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen gesetzliche Informationspflichten. Mit der Abmahnung vom 02.08.2023 wird lediglich die Abgabe einer einfachen (nicht strafbewehrten) Unterlassungserklärung begehrt. Auch werden keine Abmahnkosten geltend gemacht, da ein Verstoß gegen gesetzliche Informationspflichten Gegenstand der Abmahnung war.

Das weitere Schreiben des Klägers vom 02.08.2023 (Anlage B 2 Akte 84 O 132/23), mit dem der Kläger einen außergerichtlichen Lösungsvorschlag unterbreitet hat, vermag den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ebenfalls nicht zu begründen. Der BGH hat hierzu in seinem o.g. Urteil in Rn. 45 ausgeführt:

„Gegen den Schluss auf ein im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 und 2 UWG) missbräuchliches Verhalten des Klägers spricht schließlich dessen in dem Schreiben vom 21. Januar 2015 gemachter Vorschlag, die Parteien sollten die wechselseitig gerügten Verstöße einstellen und bei von ihnen in der Zukunft festgestellten Verstößen versuchen, diese ohne kostenauslösende Abmahnungen abzustellen. Dieser Vorschlag zielte als pragmatische Lösung darauf ab, künftig ein beiderseits wettbewerbskonformes Verhalten zu erreichen, ohne dass die Parteien dabei darauf verzichteten, Ansprüche im Falle des Nichtzustandekommens einer Einigung doch noch gerichtlich geltend zu machen.“

Der Umstand, dass der Kläger zwei getrennte Prozesse gegen die Beklagte angestrengt hat, vermag den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ebenfalls nicht zu begründen. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Kläger seine Klage zu 31 O 234/23 (jetzt 84 O 165/23, verbunden mit 84 O 132/23) – hätte erweitern können statt zum Sachverhalt, der Gegenstand des Rechtsstreits 84 O 132/23 ist, eine neue Klage zu erheben. Dies fällt jedoch zum einen nicht unter § 8c Abs. 2 Nr. 7 UWG, da hier mehrere Zuwiderhandlungen im Raum stehen. Zum anderen ist es nicht zu beanstanden, in jedem Fall aber nicht rechtsmissbräuchlich, unterschiedliche Streitgegenstände in separaten Klageverfahren zu verfolgen.

Da keiner der o.g. Umstände für sich genommen rechtsmissbräuchlich ist, vermag auch eine Gesamtschau aller o.g. Umstände den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht zu begründen.

3) Dem (bestrittenen) Vortrag der Beklagten, der Kläger habe Dritte dazu angestiftet, von der Beklagten genutzte U.-Angebote abzuändern, war nicht nachzugehen.

Würde dieser Vortrag zutreffen, wäre dies selbstverständlich rechtsmissbräuchlich.

Die Beklagte hat ihren Vortrag aber nicht in zulässiger Weise unter Beweis gestellt. Zeugenbeweis, z.B. durch Benennung des Zeugen M., hat die Beklagte nicht angetreten, sondern lediglich Parteivernehmung ihres Geschäftsführers. Da die Beklagte für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs beweispflichtig ist, könnte der Geschäftsführer der Beklagten gemäß § 447 ZPO nur mit Einverständnis des Klägers als Partei vernommen werden. Eine Vernehmung vom Amts wegen nach § 448 ZPO kommt nicht in Betracht, da vorliegend kein „nicht ausreichendes Beweisergebnis“ im Raum steht. Darüber hinaus wäre es der Beklagten ja möglich gewesen, den Zeugen M. auch entgegen dessen Willen als Zeugen zu benennen. Insoweit mag § 448 ZPO nicht über den fehlenden, aber möglichen, Beweisantritt hinweg zu helfen.


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OLG Köln: Bei Verstoß gegen Informationspflichten aus § 312d BGB ist nicht mehr das Spürbarkeitskriterium nach § 3a UWG zu prüfen - durch UGP-Richtlinie harmonisierte Maßstäbe entscheidend

OLG Köln
Urteil vom 08.12.2023
6 U 43/23


Das OLG Köln hat entschieden, dass bei einem Verstoß gegen die Informationspflichten aus § 312d BGB nicht mehr das Spürbarkeitskriterium nach § 3a UWG zu prüfen ist, sondern die durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Maßstäbe entscheidend sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der Unterlassungsanspruch ist ausreichend bestimmt und nicht zu weit gefasst. Da die Beklagte eine Reservierungsmöglichkeitanbietet, darf auch der Unterlassungsanspruch auf ein solches Angebot bezogen werden.

3. Die Berufung ist begründet. Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG i.V.m. den unionsrechtlich angebundenen bürgerlich-rechtlichen Informationspflichten aus § 312d BGB.

a) Eine Haftung aus §§ 3 Abs. 1; 3a UWG i.V.m. mit den genannten Informationspflichten kommt nach neuerer Judikatur, der sich der Senat anschließt, nicht in Betracht. Die frühere Rechtsprechung, wonach die Verletzung unionsrechtlicher Informationspflichten sowohl die Verletzung einer Marktverhaltensnorm im Sinne von § 3a UWG als auch die Verletzung des § 5a Abs. 4 UWG früherer Fassung (jetzt § 5b Abs. 4 UWG 2022) begründen können, hat der BGH in der Entscheidung Knusper-Müsli II zugunsten der letztgenannten Vorschrift aufgegeben (BGH, Urt. v. 7.4.2022 – I ZR 143/19, – Knusper-Müsli II, Rn. 23). Daher sind die Informationspflichten des Fernabsatzes nach den durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Maßstäben und nicht mehr nach den nationalen Grundsätzen des § 3a UWG zu prüfen. Daraus folgt, dass es im Falle eines Verstoßes gegen die Informationspflicht nicht mehr auf das Spürbarkeitskriterium in § 3a UWG ankommt. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, dass ein etwaiger Verstoß nicht spürbar ist, geht daher ins Leere.

b) Die vorvertraglichen Informationspflichten des § 312d BGB i.V.m. Art. 246, 246a Abs. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB werden durch den streitgegenständlichen Internetauftritt der Beklagten verletzt.

aa) Die Informationspflichten finden vorliegend allerdings nicht schon deswegen Anwendung, weil es um einen Verbrauchervertrag geht, bei dem sich der Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet. Der Webauftritt der Beklagten stellt in ausreichender Form klar, dass eventuelle Vertragspflichten des Kunden gegenüber dem Mietwagenunternehmer erst entstehen, wenn ein Mietwagen abgeholt wird. Die Frage, ob Stornogebühren („no show“) oder auch eine Provision zugunsten des Vermittelnden anfallen, stellt sich insoweit nicht. Stornogebühren unabhängig von einem Vertragsschluss mit dem Mietwagenunternehmer sind nicht ersichtlich, auch nicht genügend vorgetragen. Provisionen, die den Mietpreis indirekt verteuern können, würden den Verbraucher erst treffen, wenn dieser das Mietwagenangebot gegenüber dem Mietwagenunternehmer annimmt. Das geschieht bei Reservierung ausweislich der gewählten Vertragskonstruktion noch nicht.

bb) Allerdings sind auch ohne konkrete Preisverpflichtung die Informationspflichten aus Kapitel 1 und Kapitel 2 der §§ 312 BGB anwendbar, also auch § 312d BGB i.V.m. Art. 246, 246a EGBGB, wenn der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt (§ 312 Abs. 1a BGB). Das ist hier der Fall. Stellt eine Fluggesellschaft auf ihrer Website eine Möglichkeit zur Reservierung von Mietfahrzeugen zur Verfügung, aufgrund derer Verbraucher personenbezogene Daten zu Zwecken der Reservierung bereitstellen müssen, so sind die Informationspflichten nach Art. 246a EGBGB gem. § 312 Abs. 1a BGB daher auch dann zu erfüllen, wenn über das Reservierungsformular noch kein Vertrag mit dem Mietwagenunternehmer zustande kommt.

Unstreitig muss der Verbraucher bei der hier gewählten Konstruktion personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO (Verordnung [EU] 2016/679) bereitstellen, wenn er ein Fahrzeug reserviert. Das zeigt der in Anl. K 1 bis K 3 dargestellte Buchungsvorgang, der klarstellt, dass Name, E-Mail, ggf. auch Miles & More-Nummern und Telefonnummer, also Informationen, die auf eine individuelle Person hinweisen und diese identifizieren können, angegeben werden müssen oder können. Diese Daten werden vom Verbraucher selbst bereitgestellt, wenn er sie in die Maske eingibt, was nach § 312 Abs. 1a BGB genügt. Der Umstand, dass manche Daten nur optional eingegeben werden müssen, ändert nichts daran, dass der Verbraucher sie möglicherweise allein deswegen eingibt, weil hierfür ein Feld vorgesehen ist. Auch dann werden diese personenbezogenen Daten bereitgestellt. An einer relevanten Bereitstellung fehlt es nicht deswegen, weil der Verbraucher seine Daten auch für die Flugbuchung in einer Weise bereitstellt, die es dem Beklagten ermöglichen, die Hauptleistung, die Buchung eines Fluges, durchzuführen. Das ist zwar grundsätzlich im Rahmen der Buchung der Fall und auch zu erwarten, allerdings zeigt die Buchungsmaske für den Mietwagen, dass der Verbraucher für die Reservierung des Fahrzeugs die personenbezogenen Daten nochmals bereitstellen muss, und zwar dieses Mal für eine Leistung, die nicht unmittelbar zur Flugbuchung gehört, für die sie auch nicht erforderlich ist, die also eine sekundäre Nutzung dieser Daten ermöglicht, die für die Hauptleistung nicht erforderlich ist und auch nicht benötigt wird. Nur eine für die Hauptleistung erforderliche und auf sie begrenzte Datenerhebung ist nach § 312 Abs. 1 a BGB „privilegiert“ (vgl. zur engen Fassung dieser Zweckbindung MK-BGB-Wendehorst, § 312 Rn. 54). Dies würde sich auch nicht ändern, wenn die Reservierungsmaske anhand der vom Fluginteressierten bereits eingegebenen (identischen) personenbezogenen Daten aufgefüllt wird, der Fluggast also nicht aktiv bereitstellt, sondern die Daten aus bereits vorliegenden Informationen vom Beklagten genutzt werden (vgl. MK-BGB-Wendehorst, § 312 Rn. 52 mit Hinweis auf Begr. RegE, BT-Drucks. 19/27653, S. 39; Europäische Datenschutzbeauftragte, Stellungnahme 4/2017, S. 12). In beiden Fällen geht es um eine sekundäre Verwendung personenbezogener Daten, die einem neuen Zweck dient.

c) Die Informationspflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB haben eine unionsrechtliche Grundlage in den Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2011/73/EU (sog. Verbraucherrechte-Richtlinie). Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Informationspflichten auf die Zurverfügungstellung personenbezogener Daten hat ihre Grundlage in Art. 4 Nr. 2b) der Richtlinie (EU) 2019/2161 v. 27.11.2019 (EU-Abl. L 328/7). Die Informationspflichten sind daher gem. § 5b Abs. 4 UWG wesentliche Informationen, die bei verbraucherbezogenen Angeboten bereitzustellen sind.

d) Das Fehlen von Informationen über die Rolle der Fluggesellschaft beim Reservierungsvortrag betrifft eine wesentliche Information über eine Dienstleistung gem. §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er die Reservierung vornehmen möchte, weil er Klarheit darüber erwartet, ob und inwieweit er den Dienstleister in Bezug auf die Dienstleistung in Anspruch nehmen kann. Die Informationen werden vom Verbraucher daher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung im Sinne des § 5a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG zu treffen. Sie sind überdies für diese Entscheidung relevant (§ 5a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UWG). Auch wenn das Mietverhältnis über ein konkretes Fahrzeug nicht schon durch die Ausfüllung der Reservierung entsteht, insbesondere die Beklagte nicht selbst in die Vermieterstellung rückt, so nimmt die Beklagte dennoch auf den Inhalt dieses Mietverhältnisses Einfluss. Sie ist nicht derart passiv, dass sie nur ein Buchungsfenster zugänglich macht. Sie baut diese Buchungsmöglichkeit in ihren Webauftritt ein, zudem signalisiert sie durch weitere Angaben, dass bestimmte Vertragsbedingungen (z.B. Freikilometer oder auch ein besonderer Buchungspreis für Flugkunden) in der Reservierung gesichert werden können. Sie nimmt damit einerseits auf die Reservierungsbereitschaft Einfluss, andererseits erweckt sie den Eindruck, dass Z.-Kunden besondere Konditionen erhalten. Dies führt sie in die Position eines Dienstleistungserbringers. Wichtig wird das, wenn es Streit darüber gibt, ob die Reservierungsbedingungen auch tatsächlich halten. Das betrifft das Risiko von Flugverspätungen wie das Preisrisiko und die Frage, ob die reservierte Leistung tatsächlich so wie reserviert auch bereitgestellt wird, und wer für diese Bedingungen einsteht, wenn dies nicht so ist. Wäre dies nur der Mietwagenunternehmer, so bestünde für den Verbraucher das Risiko, dass erhoffte Konditionen von dessen Entscheidung und Bereitschaft abhängen. Ob und wie die Beklagte für diese Konditionen auch selbst einsteht, sei es durch vertragliche Bedingungen, die sie mit dem Mietwagenunternehmer vereinbart hat, sei es durch eigene Zusatzleistungen (Gewährleistungen), bleibt offen. Bleibt all dies dem Mietwagenunternehmer überlassen, liegt genau hierin eine mögliche Benachteiligung des Verbrauchers, der über das Z.-Portal bucht, aus der konsequenterweise das Informationsbedürfnis des Verbrauchers folgt. Daher besteht aus Verbrauchersicht ein berechtigtes Anliegen, darüber aufgeklärt zu werden, in welcher Rolle die Beklagte vermittelnd oder nur zugangsöffnend oder aber auch mit einer Leistungsbereitschaft tätig wird. Die Beklagte kann nicht darauf verweisen, dass dies dem Verbraucher gleichgültig sei oder der Verbraucher schon selbst verstehen werde, dass er sich nur an das Mietwagenunternehmen halten könne. Schon die Bereitschaft, bestimmte Konditionen im Mietwagenvertrag bereits in der Reservierung sichern zu können und dies über die Vermittlung der Beklagten zu tun, zeigt, dass ein Informationsbedarf besteht, den die Beklagte nicht erfüllt.

e) Für den Verbraucher ist entscheidungsrelevant, ob und in welcher Weise er auch die Beklagte für den Inhalt des Reservierungsvorgangs in Anspruch nehmen kann.

f) Auf die Spürbarkeit der Wettbewerbspraktik kommt es bei §§ 5a, 5b UWG nicht an. Selbst wenn es auf sie ankäme, besteht aber auch kein Zweifel daran, dass die Praktik, die sich an eine Mehrzahl von flugbuchenden Verbrauchern richtet, von erheblicher Bedeutung für die Mietwagenentscheidung dieser Personen ist.

g) Da der Unterlassungsanspruch besteht, war auch die vorgerichtliche Abmahnung berechtigt. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist daher ebenfalls begründet.


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OLG Düsseldorf: Keine Irreführung und kein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 HGB durch Bennungen einer privatwirtschaftlichen GmbH mit "Institut für Einfachheit"

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 15.08.2023
3 Wx 104/23


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, das keine Irreführung und kein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 HGB durch Benennung einer privatwirtschaftlichen GmbH mit "Institut für Einfachheit" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die gemäß §§ 382 Abs. 3, 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Gemäß § 18 Abs. 1 HGB muss die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Gemäß § 18 Abs. 2 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Eine ersichtliche Irreführung durch die Verwendung der Firma „Institut für Einfachheit“ im Sinne der Vorschrift lässt sich nicht feststellen.

Zu den bedeutsamen Angaben über die gesellschaftlichen Verhältnisse gehören Angaben zu Art, Größe und Tätigkeit der Gesellschaft, zu ihrem Alter, ihrer Zusammensetzung oder ihren sonstigen Verhältnissen (Senat, Beschluss vom 16.04.2004 – I-3 Wx 107/04, Rn. 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.04.2001 – 20 W 84/2001, Rn. 2, juris). Die durch die mögliche Täuschung in Betracht kommende Irreführung muss von einer gewissen Bedeutung für die angesprochenen Verkehrskreise sein, wobei ein objektiver Maßstab aus der Sicht der durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises und deren verständiger Würdigung anzulegen ist (Senat, a.a.O., Rn. 16, juris).

Da es heutzutage zahlreiche in privater Rechtsform gewerblich tätige Organisationen gibt, die das Wort „Institut“ in ihrer Firma führen (z.B. Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut, Kosmetikinstitut, Bestattungsinstitut, Reinigungsinstitut), führt - wie von der älteren Rechtsprechung angenommen - alleine die Bezeichnung „Institut“ für sich betrachtet den angesprochenen Verkehr nicht mehr zu der Vorstellung, es handele sich um eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht oder Förderung stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlichem Personal, nicht aber um einen privaten Gewerbebetrieb oder um eine private Vereinigung (so noch BGH, Urteil vom 16.10.1986 – I ZR 157/84, Rn. 23, juris zu § 3 UWG a.F., jetzt § 5 UWG; zu § 18 Abs. 2 HGB a.F. BayObLG, Beschluss vom 26.04.1990 – BReg 3 Z 167/89, Rn. 25, juris, zu § 18 Abs. 2 HGB n.F. noch Senat, a.a.O., Rn. 17; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 26.10.2011 – 25 W 23/11, Rn. 10, juris). Dies gilt, obwohl der Begriff „Institut“ nach wie vor als Bezeichnung für eine wissenschaftliche Betriebseinheit einer Hochschule verwendet wird (vgl. z.B. BayObLG, a.a.O., Rn. 18; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4). So findet sich bei google zu den Stichworten „Institut“ und „GmbH“ zahlreiche Verweise auf Institute für Moderation und Management, für Facility Management, für Mitbestimmung, für Innovation und Transfer, ein Institut für Führungskräfte, das IST Studieninstitut, das Zukunftsinstitut und vieles mehr. Letztlich kann die Frage, ob und inwieweit vor dem dargestellten Hintergrund die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht fortentwickelt werden müssen, auf sich beruhen.

Denn auch bei Anwendung der bisherigen Rechtsgrundsätze folgt aus der Verwendung des Worts „Institut“ in der Firma vorliegend keine Irreführung. Danach muss die Bezeichnung "Institut" für ein Privatunternehmen zur Vermeidung von Irreführungen mit klaren Hinweisen versehen werden, die einen solchen Charakter außer Zweifel stellen. Dabei kommt es stets auf die konkrete Art des Gebrauchs, insbesondere die im Zusammenhang mit dem Begriff "Institut" verwendeten weiteren Bestandteile der Bezeichnung oder auf sonstige im Zusammenhang damit benutzte Angaben an (BGH, a.a.O. Rn. 23 zu § 3 UWG a.F.; zu § 18 Abs. 2 HGB BayObLG, a.a.O., Rn. 25; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4; KG Berlin, a.a.O., Rn. 11, juris). Dabei reicht die Angabe des Rechtsformzusatzes, z.B. GmbH in der Regel nicht aus, um die Täuschungseignung auszuschließen (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 3. Akademie, Institut, Anstalt, Seminar, Kolleg, Rn. 50 f., OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4; vgl. Senat, a.a.O., Rn. 17 zu e.K.; KG Berlin, a.a.O., Rn. 12 zu e.V.).

Eindeutig als nicht täuschungsgeeignet und somit zulässig sind Bezeichnungen wie z.B. Beerdigungs-, Detektiv-, Eheanbahnungs- und Meinungsforschungsinstitut sowie Institut für Schönheitspflege beurteilt worden (vgl. BayObLG, a.a.O., Rn. 23, juris). Etwas anderes wurde angenommen, wenn die Tätigkeitsangabe im Zusammenhang mit der Bezeichnung „Institut“ den Eindruck wissenschaftlicher Betätigung erweckt, z.B. bei Deutsches Vorsorgeinstitut, Kardiologisches Institut, Institut für Marktanalysen, Institut für Zelltherapie, Institut für physikalische Therapie, Institut für steuerwissenschaftliche Information, Institut für Politik und Wirtschaftswissenschaften, Dolmetscher-Institut (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 3. Akademie, Institut, Anstalt, Seminar, Kolleg, Rn. 50 mit Nachweisen zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung).

Nach diesen Grundsätzen ist - bei der im Hinblick auf die Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gebotenen grundrechtskonformen Auslegung des § 18 Abs. 2 HGB - eine Irreführung durch die Firma „Institut für Einfachheit“ nicht ersichtlich. Der Namenszusatz „für Einfachheit“ ist weder identisch mit universitären Studiengängen oder Forschungszweigen, noch weist er auf eine bestimmte Fachrichtung hin. Er ist auch nicht geeignet, die Vorstellung einer wissenschaftlichen Einrichtung, die mit dem Wort „Institut“ verbunden werden könnte, zu verstärken (vgl. KG Berlin, a.a.O., Rn. 12).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Dresden: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Bezeichnung "Institut für Innenarchitektur" für private Bildungseinrichtung da keine Einrichtung einer Hochschule

LG Dresden
Urteil vom 18.12.2023
5 O 578/23


Das LG Dresden hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine private Bildungseinrichtung die Bezeichnung "Institut für Innenarchitektur" führt. Der Begriff "Institut" erweckt den Eindruck, dass es sich um die Einrichtung einer Hochschule handelt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Volltext BGH liegt vor: Auch Leasingnehmer und Mietkäufer können Anspruch auf Kartellschadensersatz im Fall des LKW-Kartells haben

BGH
Urteil vom 05.12.2023
KZR 46/21
LKW-Kartell III
GWB 1999 §§ 1, 33; GWB 2005 §§ 1, 33 Abs. 3, Abs. 5


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Auch Leasingnehmer und Mietkäufer können Anspruch auf Kartellschadensersatz im Fall des LKW-Kartells haben über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Aus dem zugunsten von Abnehmern eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens streitenden Erfahrungssatz, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die
wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten, folgt, dass auch die für kartellbetroffene Produkte von einem Leasingnehmer oder Mietkäufer an eine Finanzierungsgesellschaft zu entrichtenden Entgelte kartellbedingt überhöht sind, wenn die Leasing- oder Mietkaufverträge auf die vollständige Deckung des jeweiligen Anschaffungspreises gerichtet sind.

b) Regressionsanalysen, die einem zeitlichen Vergleichsmarktansatz folgen, können allenfalls eine Annäherung an die Wirklichkeit im Sinne einer Schätzung darstellen; sie hindern für sich allein den Tatrichter nicht, aufgrund einer
Gesamtabwägung die für ein Grundurteil hinreichende Überzeugung zu gewinnen, dass jedenfalls ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist.

BGH, Urteil vom 5. Dezember 2023 - KZR 46/21 - OLG Naumburg - LG Magdeburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Auch Leasingnehmer und Mietkäufer können Anspruch auf Kartellschadensersatz im Fall des LKW-Kartells haben

BGH
Urteil vom 05.12.2023
KZR 46/21
LKW-Kartell III


Der BGH hat entschieden, dass auch Leasingnehmer und Mietkäufer Anspruch auf Kartellschadensersatz im Fall des LKW-Kartells haben können.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zum Kartellschadensersatz für geleaste Lastkraftwagen

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Ansprüche auf Ersatz von kartellbedingten Schäden auch Leasingnehmern und Mietkäufern von Lastkraftwagen zustehen können.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin nimmt die beklagte Daimler AG auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch. Nach einem Vergleich mit den Betroffenen stellte die Europäische Kommission mit Beschluss vom 19. Juli 2016 fest, dass die Beklagte und mindestens vier weitere Hersteller, nämlich MAN, Volvo/Renault, Iveco und DAF durch Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere LKW sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen haben. Für die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 andauerte, verhängte die Kommission gegen die Beklagte ein Bußgeld von gut einer Milliarde Euro. Die Streithelferinnen zu 1 bis 9 sind Konzernunternehmen weiterer Hersteller von LKW, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten sind.

Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen, das im Baustoffhandel tätig ist. Sie nutzte auf der Grundlage von zwölf Leasingverträgen und Mietkaufverträgen im Zeitraum von Februar 2005 bis 2012 von der Beklagten sowie dem Konzern der Streithelferinnen zu 1 bis 3 hergestellte mittelschwere und schwere LKW. Das Landgericht hat ihre auf Schadensersatz in Höhe von 51.683,51 € gerichtete Klage abgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage wegen der zwischen 2005 und 2011 geschlossenen elf Leasing- und Mietkaufverträge als dem Grunde nach gerechtfertigt erkannt (vgl. § 304 ZPO). Wegen des 2012 geschlossenen Leasingvertrags hat es die Klage abgewiesen; insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte, von den Streithelferinnen unterstützt, ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen vorsätzlichen Verstoß der Beklagten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (Art. 81 EGV) sowie § 1 GWB festgestellt. Es hat zutreffend die Feststellungen im Kommissionsbeschluss für bindend erachtet und angenommen, dass die Beklagte vom 17. Januar 1997 bis 18. Januar 2011 an einer Koordinierung der Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere LKW beteiligt war (BGH, Urteil vom 13. April 2021 - KZR 19/20, WuW 2021, 569 Rn. 13 ff. - LKW-Kartell II). Das wettbewerbsbeschränkende Verhalten war geeignet, einen Schaden der Klägerin zu begründen, weil sie Leasing- und Mietkaufverträge über LKW geschlossen hat, die sachlich und zeitlich von den Absprachen erfasst waren.

Der Klägerin ist aufgrund der Kartellabsprache auch mit der für ein Grundurteil erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden. Zugunsten der Abnehmer eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens streitet der Erfahrungssatz, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Daraus folgt, dass auch die für kartellbetroffene Produkte von einem Leasingnehmer oder Mietkäufer an eine Finanzierungsgesellschaft zu entrichtenden Entgelte kartellbedingt überhöht sind, wenn die Leasing- oder Mietkaufverträge - wie es hier der Fall war - auf die vollständige Deckung des jeweiligen Anschaffungspreises gerichtet sind. Aufgrund der Art und Schwere des Kartellverstoßes, der Marktabdeckung der Kartellbeteiligten im Europäischen Wirtschaftsraum von mehr als 90 % und der Aufrechterhaltung des Kartells über 14 Jahre kommt dem Erfahrungssatz bei der erforderlichen Gesamtabwägung ein erhebliches Gewicht zu. Die Beklagte hat demgegenüber nicht erklärt, weshalb die Preiskoordinierung trotz ihrer langen Dauer wirkungslos geblieben sei. Die Gründung und Aufrechterhaltung des Kartells trotz der damit verbundenen erheblichen Risiken ist ohne eine lohnenswerte Kartellrendite nicht nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund stehen die Vergleichsmarktbetrachtungen der Beklagten und der Streithelferinnen 1 bis 3, wonach nur ein insignifikanter Kartelleffekt eingetreten sein soll, für sich allein nicht der Annahme entgegen, dass jedenfalls ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist. Nunmehr wird das Landgericht im Betragsverfahren über die Schadenshöhe zu befinden haben.

Vorinstanzen:

LG Magdeburg - Urteil vom 8. Januar 2020 - 7 O 302/18
OLG Naumburg - Urteil vom 30. Juli 2021 - 7 Kart 2/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Artikel 101 AEUV(ex-Artikel 81 EGV)

(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere

a)

die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

b)

die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;

c) …

§ 1 GWB

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

§ 304 ZPO

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

LG München: Bestellbutton mit "Jetzt Mitglied werden" genügt nicht den Anforderungen der Buttonlösung gemäß § 312j Abs. 3 BGB

LG München
Urteil vom 19.06.2023
4 HK O 9117/22


Das LG München hat entschieden, dass ein Bestellbutton mit dem Text "Jetzt Mitglied werden" nicht den Anforderungen der Buttonlösung gemäß § 312j Abs. 3 BGB genügt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Gemäß § 312 j Abs. 3 BGB muss ein Unternehmer bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr die Bestellsituation so gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar und mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Dies war bei dem Button der Beklagten „Jetzt Mitglied werden“, mit dem eine Zahlungspflicht nach dem kostenlosen Probemonat ausgelöst wurde, unstreitig nicht der Fall.

Dies hat zur Folge, dass dem Kläger diesbezüglich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3 a UWG i.V. m. 312 j Abs. 3 Satz 2 BGB, 5 a Abs. 2, Abs. 5 UWG zusteht.

Das Argument, „zahlungspflichtig bestellen“ oder „kaufen“ bringe nicht die Dauerhaftigkeit der Vertragsbeziehung zum Ausdruck oder passe auf einen Abonnementvertrag nicht, ändert hieran nichts. Der Beklagten stünden zahlreiche Formulierungen zur Verfügung, die die Zahlungspflichtigkeit auch im Rahmen eines Abonnements unmissverständlich (nach Ablauf eines Testmonats) zum Ausdruck bringen, z. B. „kostenpflichtig abonnieren (1 Probemonat kostenlos)“.

2. Gemäß § 312 j Abs. 2 BGB muss ein Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr dann, wenn der Verbraucher durch den Vertrag zur Zahlung verpflichtet wird, der Unternehmer die Informationen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5 bis 7, 8, 14 und 15 EGBGB unmittelbar, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen.

Nach der Gesetzesbegründung (BT Drucksache 17/7 745 S. 10) sind die Voraussetzungen nach § 312 j Abs. 2 BGB nur dann erfüllt, wenn die Informationen und die Schaltfläche bei üblicher Bildschirmauflösung gleichzeitig zu sehen sind, ohne dass der Verbraucher scrollen muss.

Auch dies war bei der Website der Beklagten unstreitig nicht der Fall mit der Folge, dass die Beklagte hierdurch gegen §§ 3, 3 a UWG i.V. m. § 312 j Abs. 2 BGB verstößt und der dem Kläger hieraus deswegen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3 a UWG zusteht.

3. Warum sich aus der Überschrift „zufriedene Privatanleger bilden das Herzstück unseres Tuns“ für den Verbraucher ergeben soll, „ob und wie“ die Beklagte sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von echten Kunden der Beklagten stammen, erschließt sich der Kammer nicht.

Vielmehr fehlte dieser nach § 5 b Abs. 3 UWG erforderliche Hinweis auf der Website der Beklagten mit der Folge, dass dem Kläger auch diesbezüglich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5 b Abs. 3 UWG zusteht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Berlin: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für "unsichtbares" Hörgerät wenn die Rückholeinrichtung in der Ohrmuschel für Dritte sichtbar ist

LG Berlin
Urteil vom 25.07.2023
102 O 121/22


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für ein "unsichtbares" Hörgerät vorliegt, wenn die Rückholeinrichtung in der Ohrmuschel für Dritte von außen sichtbar ist. Insofern handele es sich nur um ein "fast unsichtbares" Hörgerät, dass nur als solches beworben werden dürfe. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


OLG Stuttgart: Supermarkt muss auch deformierte Getränkedosen zurücknehmen und Pfand erstatten - § 31 Abs. 2 S. 1 VerpackG ist Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG

OLG Stuttgart
Urteil vom 15.06.2023
2 U 32/22


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass ein Supermarkt muss deformierte Getränkedosen zurücknehmen und den Pfand erstatten muss. Andernfalls liegt ein Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG gegen die Marktverhaltensregel § 31 Abs. 2 S. 1 VerpackG vor.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Pfandauszahlungspflicht aus § 31 Abs. 2 S. 1 VerpackG ist eine verbraucherschützende Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG.

1. Der Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG dient weder dazu, jedwedes Fehlverhalten lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren, noch unterstellt er reine Reflexwirkungen eines Rechtsverstoßes auf den Markt dem Lauterkeitsrecht. Ob eine Regelung einen Marktbezug aufweist, ist durch Auslegung anhand des Normzwecks zu klären (vgl. BGHZ 144, 255, 267 ff. – Abgasemissionen; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage, 2023, Rn. 1.68 zu § 3a UWG, m.w.N.; Schaffert, in: MüKo-UWG, 3. Auflage, 2020, Rn. 72 zu § 3a UWG).

2. Die Pfandrückzahlungspflicht aus § 31 Abs. 2 S. 1 VerpackG gibt dem Unternehmer ein Verhalten gegenüber dem Verbraucher vor und bezweckt, anders als die Normen über die Erhebung von Verpackungspfand, auch den Schutz des Verbrauchers, indem sie dem Unternehmer weithin losgelöst vom vorangegangenen Verkauf des Produktes auferlegt, gegen Rückgabe der restentleerten Verpackung den Pfandbetrag an den Verbraucher auszuzahlen. Die Norm begünstigt den Verbraucher nicht bloß reflexhaft aus
einem abfallrechtskonformen Verhalten, sondern sie stattet den Verbraucher mit einem nach dem BGB nicht gegebenen Zahlungsanspruch aus.

3. Der Anwendung des § 3a UWG auf diese Marktverhaltensvorgabe aus dem deutschen Recht steht keine Sperrwirkung aus der UGP-Richtlinie (Richtlinie 2005/29/EG) entgegen.

a) Zwar bleibt angesichts der Vorgabe zur Vollharmonisierung (vgl. Art. 4 der UGP-Richtlinie und Erwägungsgrund 12) der Anwendungsbereich des § 3a UWG grundsätzlich beschränkt auf das – hier nicht betroffene und vom Kläger als Verbraucherschutzverband nicht verteidigte – Verhältnis der Mitbewerber untereinander (Schaffert, in: MüKo-UWG, 3. Auflage, 2020, Rn. 17, m.w.N.).

Dies schließt jedoch nationale Marktverhaltensregelungen zum Schutz von Verbrauchern jedenfalls dann nicht aus, wenn diese ihre Grundlage im Unionsrecht haben (vgl. zu § 4 Nr. 11 UWG a.F. BGH, Urteil vom 07. Mai 2015 – I ZR 158/14, juris Rn. 19 – Der Zauber des Nordens; s. auch BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 61/14, juris Rn. 13 – Wir helfen im Trauerfall; BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 23/08, juris Rn. 11 –
Costa del Sol).

b) Die hier in Rede stehende Vorschrift zur Rückgabe des Pfandbetrages gegen Rücknahme des Pfandgutes dient der Umsetzung des unionsrechtlichen Auftrages an die Mitgliedsstaaten, Verpackungsrücknahmesysteme einzuführen, auch für Einweggetränkeverpackungen (vgl. Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle [ABl. L 365 vom 31.12.1994, S. 10], zuletzt geändert durch die Richtlinie 2015/720/EU [ABl. L 115 vom 06.05.2015, S. 11]; s. auch VO (EG) Nr. 1882/2003). Sie hat daher ihre Grundlage im
Unionsrecht.

II. Die Beklagte hat gegen § 31 Abs. 2 S. 1 VerpackG verstoßen und damit unlauter im Sinne des § 3 UWG gehandelt.

1. Ihre Mitarbeiter haben in einer ihrer Filialen am 27. Mai 2021 dem Verbraucher das Dosenpfand für zwei restentleerte Einweggetränkedosen nicht ausgezahlt, obwohl auf diesen das Pfandlogo und der Balkencode bzw. die EAN lesbar waren. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, unstreitig sei auf zwei vom Verbraucher seinerzeit vorgelegten, von den Mitarbeitern der Beklagten zurückgewiesenen Dosen das Pfandlogo erkennbar gewesen (LGU 5), so dass deren Zuordnung zum deutschen Pfandsystem nicht zweifelhaft sein konnte. Diese Feststellung greift die Berufung nicht an.

Darüber hinaus war bei diesen Dosen der Balkencode bzw. die EAN lesbar, wie aus der Anlage K 2 ersichtlich. Die Erkennbarkeit dieser Merkmale ist unstreitig. Deshalb kann dahinstehen, ob die Anlage K 2 die beiden Dosen zeigt, welche der Verbraucher der Beklagten andiente. Einer Vernehmung des Zeugen hierüber bedarf es nicht.

2. Der Senat ist nicht gefordert, eine abstrakte Abgrenzung dazu festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte verpflichtet ist, deformierte Einweg-Getränkedosen zurückzunehmen. Der Kläger erstrebt einen Unterlassungstitel nur in Bezug auf Einweg-Getränkedosen, bei denen das Pfandlogo erkennbar und entweder der Balkencode ode die EAN lesbar ist. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus seinem Sachvortrag und findet in der Beschränkung auf die Darstellungen in der diesem Urteil beigeschlossenen Anlage K 2 seinen Ausdruck.

3. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 1 VerpackG steht der Rücknahmepflicht hier nicht entgegen.

a) Schon nach ihrem Wortlaut stellt die Norm keine Anforderungen an den Zustand der zur Rücknahme angebotenen Verpackung, sondern sie bestimmt den Kreis der zurückzunehmenden Verpackungen abstrakt mittels Vergleichs mit den vom Unternehmer vertriebenen.

b) Entscheidend für die Auslegung ist, wie vom Landgericht erkannt, dass bei Einwegverpackungen der abfallbezogene Sinn der Norm konterkariert würde, müssten diese nur dann zurückgenommen werden, wenn sie dem Rücknahmepflichtigen in oder nahe der Originalform angedient werden.

c) Die von der Beklagten hiergegen vorgebrachten Hinweise an Pfandautomaten sind als Erklärungen Privater nicht geeignet, den gesetzlichen Rückzahlungsanspruch des Verbrauchers einzuschränken. Ein „Pfand“ dient zwar im Zivilrecht als Sicherheit für eine Forderung. Davon unterscheidet sich das Zwangspfand nach dem VerpackG aber grundsätzlich. Es beruht nicht auf einer vertragsautonomen Pfandabrede gleichrangiger Vertragsparteien, sondern auf einer bindenden Vorgabe des Gesetzgebers für ein Kreislaufwirtschaftssystem bei Einweggetränkeverpackungen.

Ein Interesse des Unternehmers an einer pfleglichen Behandlung der Pfandsache besteht, wie vom Landgericht ausgeführt, angesichts der ohnehin anstehenden Zerstörung der Einweggetränkeverpackung nicht. Berechtigte Interessen des Unternehmers sind erst tangiert, wenn er eine Verrechnung des ausgereichten Pfandbetrages aufgrund des schlechten Zustandes der Verpackung bei Rückgabe nicht vornehmen kann.

4. Aus § 31 Abs. 2 S. 3 und 4 VerpackG ergibt sich ebenfalls nichts Abweichendes. Weder die Material- und Sortimentsbeschränkung (Satz 3), noch die Freistellung von kleinflächigen Unternehmen (Satz 4) geben einen Anhalt für eine Beschränkung der Rücknahmepflicht nach dem Zustand der Verpackung.

5. Den Mehraufwand, welchen die Rücknahme beschädigter Dosen mit sich bringt, weist der Gesetzgeber dem rücknahmepflichtigen Unternehmen zu. Denn die Organisation der Rücknahmepflicht fällt in seine Sphäre.
Die Besonderheiten der Corona-Pandemie können auf die Auslegung des § 31 Abs. 2 VerpackG i.d. Fassung vom 05. Juli 2017 schon deshalb keine Rolle spielen, weil der Gesetzgeber das Auftreten des Corona-Virus beim Normerlass noch nicht ahnen konnte. Hygienebedenken, die in Bezug auf andere Krankheitserreger schon 2017 bestehen konnten, haben den Gesetzgeber nicht veranlasst die Rücknahmepflicht auf Einwegverpackungen zu beschränken, die automatisiert zurückgenommen werden könnten.

6. Der gerügte Verstoß ist für den Verbraucher spürbar. Er wirkt sich ohne Weiteres in einem, wenngleich regelmäßig geringen, finanziellen Nachteil aus. Dass nur ein Versehen im Einzelfall vorliege, berührt die Spürbarkeit nicht. Mit ihrer hiergegen gerichteten Argumentation versucht die Beklagte, Verschuldenserwägungen in den verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG einzuführen.

Außerdem ist ein „Ausreißer“ nicht ersichtlich. Allenfalls liegt eine rechtliche Fehleinschätzung seitens des Personals vor, welche aber in ihre Risikosphäre fällt. Mangelnde Kenntnisse des Verkaufspersonals fallen nach § 8 Abs. 2 UWG in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Es obliegt dem Unternehmer, sein Personal adäquat zu schulen.

Dies gilt auch für geringfügig Beschäftigte. Nutzt der Unternehmer die Vorteile geringfügiger Beschäftigung, so muss er auch die daraus erwachsenden Nachteile tragen


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