Das OLG Koblenz hat entschieden, dass die Werbung für Schönheitsoperationen mit Vorher-Nacher-Bildern auch dann wettbewerbswidrig ist, wenn statt realer Fotos Avatare verwendet werden.
Aus den Entscheidungsgründen: Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung des im Tenor genannten Verhaltens verurteilt. Der Unterlassungsanspruch des Klägers rechtfertigt sich aus §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG, 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG.
Bei der streitgegenständlichen, im Internet veröffentlichen Anzeige der Beklagten handelt es sich um eine geschäftliche Handlung. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Das von der Beklagten veranlasste Angebot erfüllt diese Voraussetzungen, weil es unmittelbar auf das Gewinnen von Kunden für die beworbene Behandlung gerichtet ist (vgl. auch BeckOK UWG/Alexander, 23. Ed. 1.1.2024, UWG § 2 Rn. 204).
Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 HWG stellt eine Marktverhaltensvorschrift im Sinne des § 3a UWG dar (Senat GRUR-RR 2017, 32 Rn. 4, beck-online; BGH GRUR 2021, 513 (514); BGH NJW 2020, 1520 (1521); BGH GRUR 2009, 1082 (1083); BGH GRUR 2012, 647 Rn. 10; OLG München GRUR-RS 2020, 18322; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Odörfer, 42. Aufl. 2024, UWG § 3a Rn. 1.237; BeckOK UWG/Niebel/Kerl, 23. Ed. 1.1.2024, UWG § 3a Rn. 155).
Die streitgegenständliche Werbung verstößt auch gegen die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG. Danach darf für operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2c) HWG nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden. Das Werbeverbot mit vergleichenden Darstellungen erfasst hierbei alle operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe, sofern sich nicht aus der jeweiligen Werbung selbst ergibt, dass der Eingriff auf einer medizinischen Notwendigkeit beruht (LG München I MD 2022, 66; BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 639). § 11 Abs. 1 Satz 3 HWG ist hierbei als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Ein Verstoß gegen diese Verbotsnorm ergibt sich mithin allein schon aus der rein äußerlichen, formalen Erfüllung der Tatbestandsmerkmale (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 635).
Unter der plastischen Chirurgie wird eine Chirurgie verstanden, die man an Organen oder Gewebeteilen vornimmt mit dem Ziel, eine Körperform, eine Körpergestalt oder eine sichtbar gestörte Körperfunktion wiederherzustellen oder zu verbessern (vgl. OLG Celle 30.5.2013 - 13 U 160/12 Rn. 16). Da § 11 Abs. 1 Satz 3 HWG nur nicht medizinisch indizierte formverändernde Eingriffe erfasst, ist die heilmittelwerberechtlich relevante ästhetische Chirurgie, umgangssprachlich auch Schönheitsoperationen genannt, von anderen Varianten wie rekonstruktive Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie zu unterscheiden, die formverändernde, medizinisch indizierte Eingriffe zum Gegenstand haben. Auszunehmen sind auch rein kosmetische Behandlungen, denen es an einem instrumentellen Eingriff am oder im Körper des Menschen fehlt, die Form- oder Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche zum Gegenstand haben (Meyer GRUR 2006, 1007).
Weiterhin muss ein instrumenteller Eingriff vorliegen, der von einer gewissen Intensität sein muss; eine lediglich die Hautoberfläche erfassende instrumentelle Einwirkung genügt demgegenüber nicht (Meyer GRUR 2006, 1007; BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 642). Andererseits setzt ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2c) HWG keine Operation dahingehend voraus, dass mit einem Skalpell eine gewünschte Form- oder Gestaltveränderung des Körpers herbeigeführt wird. Vielmehr genügt es, dass die Formveränderung durch eine Unterspritzung vorgenommen wird (LG Frankfurt/M WRP 2021, 1371 Ls. = GRUR-RS 2021, 26716 Rn. 14; Spickhoff/Fritzsche, 4. Aufl. 2022, HWG § 1 Rn. 28). Erfasst werden insgesamt unter anderem Augenlidkorrekturen, Fettabsaugungen, Gesäßvergrößerungen und Formungen (OLG Düsseldorf GesR 2022, 671 ff.), Gesichtsstraffungen, Haarverpflanzungen (LG Berlin WRP 2018, 1260 (1260)) wie auch Hautunterspritzungen mit Hyaluron (OLG Düsseldorf GesR 2022, 671 ff.; LG Frankfurt a. M. WRP 2021, 1371; LG Köln WRP 2023, 1021 ff.) und Lippenkorrekturen (vgl. insgesamt BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 643 m.w.N.). Demgegenüber genügen reine Hautoberflächenbehandlungen auch dann nicht, wenn diese mittels Instrumenten erfolgen (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 644).
Nach diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten beworbene Behandlung als operativer plastisch-chirurgischer Eingriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2c) HWG zu werten. Gegenstand der Behandlung ist das Unterspritzen der Lippen mit Hyaluronsäure mittels einer Kanüle, sodass mit technischen Instrumenten eine Flüssigkeit in den Körper eingebracht wird. Die Behandlung dient auch der Gestaltveränderung der Lippen dahingehend, dass deren Volumen vergrößert werden soll. Im Gegensatz hierzu ist die von der Beklagten vergleichsweise herangezogene Tätowierung bereits deswegen nicht als plastisch-chirurgischer Eingriff im oben genannten Sinn zu verstehen, weil es sich lediglich um ästhetische Korrekturen der Hautoberfläche handelt (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 644), die demgemäß nicht den Charakter eines gestaltverändernden Eingriffs erreichen. Auch liegt der beworbenen Behandlung keine medizinische Indikation zugrunde. Sie dient erkennbar lediglich der optischen Veränderung der Lippenform und steht unstreitig nicht in Zusammenhang mit einem krankhaften und behandlungsbedürftigen Zustand des Verbrauchers.
Die Beklagte nutzt bei ihrer Werbung auch eine vergleichende Darstellung eines Körperzustandes im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG.
Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG sind als Darstellung sämtliche Abbildungen anzusehen, die visuell wahrgenommen werden können, mit Ausnahme von Schriftzeichen und solchen schematischen Zeichnungen, die keinerlei Zusammenhang mit der Darstellung des menschlichen Körpers haben (OLG Hamburg PharmR 2009, 40 (43); Prütting/Burk Rn. 35; BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 646). Es muss sich um erkennbare Darstellungen des menschlichen Körperzustandes handeln. Hierzu zählen nicht nur realistische Abbildungen, sondern auch schematisierende oder stilisierende Darstellungen, weil gerade sie Erscheinungsbilder oftmals besonders drastisch wiedergeben (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 647). Die Art der medialen Wiedergabe ist demgegenüber gleichgültig, sodass Fotografien, Zeichnungen, Grafiken, Film und Fernsehen als Darstellungen im Sinne der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG zu werten sein können. Gleichgültig ist auch, auf welche Technik und welchen Stil zurückgegriffen wird (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 237). Die Grenzen der Stilisierung und Abstrahierung werden dadurch gesetzt, dass für den Betrachter die Möglichkeit der Wiedererkennung bestehen muss (vgl. insgesamt BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 645-647). Demgegenüber müssen solche Schemazeichnungen von dem Verbotsumfang ausgenommen werden, die keinerlei Zusammenhang mit der Darstellung eines menschlichen Körpers erkennen lassen (LG Hamburg ES-HWG § 11 Nr. 5a/Nr. 3; BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 238).
Danach hat das Landgericht die Abbildung in Form der zwei oben wiedergegebenen Avatare zutreffend als vergleichende Darstellung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG gewertet. Die Avatare bilden erkennbar den Kopf einer weiblichen Person ab. Deutlich ist insbesondere der Bereich der Lippen, bei denen der einzige erkennbare Unterschied der beiden Abbildungen zu finden ist. Unerheblich ist, dass es sich um eine lediglich stilisierte Abbildung handelt. Entgegen der Ansicht der Beklagten fordert § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG nämlich gerade keine Abbildung in der Qualität eines Fotos. Wie bereits dargelegt weitet der Wortlaut der genannten Vorschrift mit dem Erfordernis einer „Darstellung“ ihren Anwendungsbereich über Lichtbilder bzw. Fotos hinaus gerade auf weitere visuell wahrnehmbare Abbildungen aus. Maßgeblich ist, dass auf den Abbildungen ein menschlicher Körperteil erkennbar ist. Dies ist bei den von der Beklagten verwendeten Avataren unzweifelhaft der Fall.
Auch unter Berücksichtigung des Zwecks der genannten Verbotsnorm ist eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Darstellung“ nicht geboten. Insoweit ist zu beachten, dass in den Anwendungsbereich des HWG in den Katalog von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG operative plastisch-chirurgische Eingriffe einbezogen worden sind, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit bezieht (BGBl. 2005 I 2570). Wegen erheblicher Risiken derartiger Eingriffe sollen suggestive und irreführende Formen der Absatzwerbung hierfür weitgehend unterbunden werden (BT-Drs. 15/5316, 46; Gröning/Mand/Reinhart/Gröning § 1 Rn. 331b, 331c; Meyer GRUR 2006, 1007 (1008); BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 621). § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG untersagt die Werbung mit einer vergleichenden Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff, weil gerade dies einen erheblichen Anreiz auslösen kann, sich unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken ebenfalls solchen Eingriffen zu unterziehen, obwohl der Erfolg möglicherweise nicht der Gleiche sein wird (Spickhoff/Fritzsche, 4. Aufl. 2022, HWG § 11 Rn. 51) und auch diese Behandlungen, wie alle medizinischen Eingriffe, zu Komplikationen und gesundheitlichen Gefahren führen können. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass durch vergleichende Bilddarstellungen bei dem Verbraucher eine suggestive Wirkung hervorgerufen wird, welche diesen in seiner Entscheidung, sich für eine solche Behandlung zu interessieren, maßgeblich beeinflusst. Diese Wirkung ist indes nicht auf Fotos beschränkt, sondern ist bei anderen Darstellungen im oben genannten Sinn, welche Körperteile vergleichend abbilden, ebenso - wenn auch möglicherweise nicht in gleichem Umfang - gegeben. Dementsprechend stellt die Norm gerade nicht auf Fotografien ab, sondern verwendet den weiteren Begriff der Darstellung. Diese Anforderungen sind bei den hier streitgegenständlichen Avataren unzweifelhaft gegeben und seitens der Beklagten bei der von ihr gestalteten Werbung auch ausdrücklich gewünscht. Denn der Text, in den die Avatare eingebettet sind, und der die beworbene Behandlung beschreibt, nimmt ausdrücklich darauf Bezug, dass die Lippen und deren durch die beworbene Behandlung beabsichtigte Veränderung dargestellt werden und alleine deswegen eine stilisierte Abbildung erfolge, weil eine vergleichende bildliche Darstellung „aus juristischen Gründen“ unzulässig wäre. Entgegen der erstinstanzlich geäußerten Auffassung der Beklagten ist hierbei Gegenstand sowohl des Klageantrages als auch des erstinstanzlichen Urteils die Werbung der Beklagten, wie sie in der Anlage K-3, auf die jeweils Bezug genommen wurde, dargestellt ist. Diese umfasst nicht lediglich die abgedruckten Avatare, sondern auch die textlichen Ausführungen, sodass diese ohne Weiteres als streitgegenständlich bei der Bewertung des Inhalts der Werbung Berücksichtigung finden können. Insoweit wird im Rahmen der Berufung auch kein Angriff mehr geführt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten stehen europarechtliche Vorschriften diesem Normzweck und dieser Gesetzessystematik als abstrakter Gefährdungstatbestand nicht entgegen. Insbesondere die von der Beklagten in Bezug genommene Richtlinie 2001/83/EG bezieht sich alleine auf Humanarzneimittel. Da die von der vorliegend streitgegenständlichen Vorschrift erfassten Werbeobjekte nicht Gegenstand der Regelung des Gemeinschaftskodex Humanarzneimittel sind, stellt sich die Frage einer europarechtlichen Konformität nicht (Reese WRP 2013, 283 (289); BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 635). Mangels spezifischer europäischer werberechtlicher Vorgaben hinsichtlich der durch § 11 Abs. 1 Satz 3 HWG erfassten Werbeobjekte verfügt der nationale Gesetzgeber vielmehr über eine Gestaltungsfreiheit (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 657).
Schließlich führt der Umstand, dass mit einem Werbeverbot ein Eingriff in die von Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit und auch die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit impliziert ist, nicht zu einer einschränkenden Auslegung der Vorschrift oder sonst zu einer anderen Bewertung. Insbesondere ist § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG nicht dergestalt zu verstehen, dass diese Vorschrift entgegen ihrer Ausgestaltung als abstrakter Gefährdungstatbestand nur dann verwirklicht sein soll, wenn auch eine konkrete Gefahr für die vom HWG geschützten Rechtsgüter feststellbar ist. Denn der Schutz der Berufsfreiheit wie auch der Meinungsfreiheit gilt nicht schrankenlos. Vielmehr ermöglicht Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG die Regelung der Berufsfreiheit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes (BeckOK GG/Ruffert, 57. Ed. 15.1.2024, GG Art. 12 Rn. 73). Auch die Meinungsfreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (BeckOK GG/Schemmer, 57. Ed. 15.1.2024, GG Art. 5 Rn. 97). Weiterhin kann die Berufsfreiheit (BVerwGE 87, 37 (45) = NJW 1991, 1766; NJW 1996, 3161 (3162); BeckOK GG/Ruffert, 57. Ed. 15.1.2024, GG Art. 12 Rn. 84) wie auch die Meinungsfreiheit (BVerfGE 7, 198 (208 f.); BVerfGE 20, 162 (177); BVerfGE 59, 231 (265); BVerfGE 71, 206 (214); BeckOK GG/Schemmer, 57. Ed. 15.1.2024, GG Art. 5 Rn. 100) durch kollidierendes Verfassungsrecht, d. h. durch sonstige Verfassungsbestimmungen, insbesondere aber andere Grundrechte, beschränkt werden. Insbesondere kann zur Rechtfertigung eines Werbeverbots bzgl. Heilmitteln das wichtige Gemeinschaftsgut der Gesundheit der Bevölkerung dienen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. April 2004 - 1 BvR 2334/03 -, Rn. 21, juris). Die gesetzlichen Ziele des Gesundheitsschutzes und des Schutzes gegen wirtschaftliche Übervorteilung besonders schutzbedürftiger Privater stellen hierbei hinreichende Gründe des gemeinen Wohls (vgl. BVerfGE 103, 1) dar, die Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen können (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. März 2007 - 1 BvR 1226/06 -, BVerfGK 10, 464-473, Rn. 24). Im Rahmen der Ausgestaltung der Berufsausübungsregeln ist hierbei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit müssen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (BVerfGE 94, 372 (389 f.) = NJW 1996, 3067; BVerfGE 102, 197 (213) = NVwZ 2001, 790; BVerfGE 103, 1 (10) = NJW 2001, 353; BVerfGE 106, 181 (191 f.) = NJW 2003, 879; BeckOK GG/Ruffert, 57. Ed. 15.1.2024, GG Art. 12 Rn. 87). Gleiches gilt bei der Ausgestaltung der Regeln zur Begrenzung der Meinungsfreiheit (BeckOK GG/Schemmer, 57. Ed. 15.1.2024, GG Art. 5 Rn. 100 m.w.N.). Hierbei verfügt der Gesetzgeber vor allem bei Berufsausübungsregeln über einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum (BVerfGE 77, 308 (332) = NJW 1988, 1899; BVerfGE 88, 203 (262) = NJW 1993, 1751; BVerfGE 102, 197 (218) = NVwZ 2001, 790; BVerfGE 110, 141 (157) = NVwZ 2004, 597; BeckOK GG/Ruffert, 57. Ed. 15.1.2024, GG Art. 12 Rn. 88).
Diesen Anforderungen wird die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG gerecht. Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass das vorliegend gegenständliche Werbeverbot vor den Risiken schützen soll, die für die Gesundheit der Verbraucher aus dem Eingriff erwachsen können (OLG Düsseldorf OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 39; OLG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2023 - I-6 U 77/23 -, Rn. 33, juris). Zweck der Erstreckung des HWG auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe ist der Schutz der Verbraucher bzw. der Bevölkerung vor erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken, indem eine (insbesondere suggestive oder irreführende) Werbung für medizinisch nicht notwendige schönheitschirurgische Eingriffe verboten wird. Darauf, ob sich die erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken im Einzelfall tatsächlich realisieren, kommt es nicht an. Es soll für einen mit gesundheitlichen Risiken versehenen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit kein Anreiz durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geschaffen werden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 36 m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2023 - I-6 U 77/23 -, Rn. 31, juris).
Insoweit ist eine unsachliche Beeinflussung - vorliegend durch eine suggestive bildvergleichende Werbung - umso weniger hinzunehmen, wenn die Risiken des Eingriffs durch keinerlei medizinische Vorteile aufgewogen werden können (vgl. BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 631). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit dem Werbeverbot nicht in ihrer Berufsausübung insgesamt eingeschränkt ist. Insbesondere ist es der Beklagten entgegen ihrer Ansicht nicht verwehrt, interessierten Verbrauchern im Rahmen einer voroperativen Beratung die Wirkungen der Behandlung durch Vorlage vergleichender Bilder zu verdeutlichen. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG schränkt insoweit nicht die beratende Tätigkeit ein, sondern ist alleine im Bereich der werbenden Tätigkeit anwendbar. Das Interesse der Beklagten an der Gewinnung von Kunden durch eine vergleichende und damit suggestive Darstellung hat hierbei hinter dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zurückzustehen. Die gleichen Erwägungen gelten für die Einschränkung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 01.03.2007 - I ZR 51/04 -) sei die Vorschrift des § 11 Abs. 1 HWG verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass die angeordneten Verbote nicht als abstrakte Gefährdungstatbestände zu werten seien, sondern für deren Anwendbarkeit zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung bewirkt werden müsse, verfängt dieser Einwand nicht. Die genannte Rechtsprechung bezieht sich auf die Verbotstatbestände, die in § 11 Abs. 1 HWG in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung bestanden. Diese bezogen sich alleine auf Werbung für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel, demgemäß für Maßnahmen, die einen Krankheitsbezug hatten, nicht hingegen auf medizinisch nicht notwendige plastisch-chirurgische Operationen. Denn der Gesetzgeber erweiterte erst anlässlich der 14. AMG-Novelle von 29.8.2005 den produktspezifischen Anwendungsbereich des HWG durch Einbeziehung operativer plastisch-chirurgischer Eingriffe in den Katalog von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit bezieht (BGBl. 2005 I 2570). Das hier streitgegenständliche Werbeverbot wurde erst mit Wirkung vom 26.10.2012 in die Vorschrift des § 11 Abs. 1 HWG aufgenommen. Wegen erheblicher Risiken operativer plastisch-chirurgischer Eingriffe sollten suggestive und irreführende Formen der Absatzwerbung hierfür weitgehend unterbunden werden (BT-Drs. 15/5316, 46; Gröning/Mand/Reinhart/Gröning § 1 Rn. 331b, 331c; Meyer GRUR 2006, 1007 (1008); BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 621). Die teleologischen Überlegungen der Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 lit. b HWG, die zu der oben genannten einschränkenden Auslegung des Werbeverbots - nur auf eine krankheitsbezogene Werbung - geführt haben, sind demgegenüber mit den Intentionen des Gesetzgebers nicht vereinbar (vgl. BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 633).
Insgesamt ist das im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG angeordnete Werbeverbot demgemäß auch unter Berücksichtigung der von Art. 12 GG geschützten Berufungsfreiheit und der von Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit und im Umfang der oben genannten Auslegung nicht zu beanstanden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten führt die Berücksichtigung von Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) zu keiner anderen Bewertung. Beschränkungen der Werbemöglichkeiten für medizinisch nicht erforderliche Eingriffe zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher indizieren nicht, dass sich die Beklagte dem Vorwurf eines irreführenden, wettbewerbswidrigen Verhaltens ausgesetzt sieht. Vielmehr muss sich die von der Beklagten veröffentlichte Werbung sowohl an den Maßstäben des Werbeverbots des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HWG als auch des Verbots der Irreführung gemäß Art. 7 UGP-RL messen lassen. So ist die Beklagte imstande, die ihr nach Art. 7 UGP-RL obliegenden Informationspflichten auch ohne Verwendung der nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG untersagten vergleichenden Darstellung zu erfüllen. Im Weiteren ist die Beklagte im Übrigen nicht gehindert, die aufgrund zulässiger Werbung gewonnenen interessierten Verbraucher in persönlichen Beratungsgesprächen umfangreich - ggf. auch unter Verwendung vergleichenden Bildmaterials - über die Behandlung zu informieren und zu beraten. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Der vorliegende Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, wie es bei Verstößen gegen Werbeverbote des HWG der Regelfall ist (BGH GRUR 2019, 1071, 1076 Rn. 57 - Brötchen-Gutschein zu § 7 Abs. 1 HWG). Anhaltspunkte dafür, dass der Schutzzweck des HWG bei einem Vorher-Nachher-Vergleich wie vorliegend ausnahmsweise nicht tangiert wäre bzw. dessen Gefährdung praktisch ausgeschlossen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 7; OLG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2023 - I-6 U 77/23 -, Rn. 36, juris).
Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, die der Höhe nach mit der Berufung nicht angegriffen werden, rechtfertigt sich aus § 13 Abs. 3 UWG, der Zinsanspruch aus §§ 288, 291 BGB.
Der EuGH hat entschieden, dass ein eindeutiger Bestellbutton nach Vorgaben der Buttonlösung auch bei einer bedingten Zahlungspflicht erforderlich ist. Vorliegend ging es um die Vergütungspflicht gegenüber einem Legal-Tech-Anbieter für den Fall der erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche.
Tenor der Entscheidung.
Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass
im Fall von über Webseiten geschlossenen Fernabsatzverträgen die dem Unternehmer obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, auch dann Anwendung findet, wenn der Verbraucher erst nach der Erfüllung einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen.
Die Pressemitteilung des EuGH: Online-Bestellungen: Der Bestell-Button oder die entsprechende Funktion muss eindeutig darauf hinweisen, dass der Verbraucher eine Zahlungsverpflichtung eingeht, wenn er darauf klickt
Dies gilt auch dann, wenn die Zahlungsverpflichtung noch vom Eintritt einer weiteren Bedingung abhängt.
In Deutschland beauftragte der Mieter einer Wohnung, deren monatliche Miete über der vom nationalen Recht erlaubten Höchstgrenze lag, ein Unternehmen für Inkassodienstleistungen, von seinen Vermietern die zu viel gezahlten Mieten zurückzuverlangen. Er gab diese Bestellung über die Webseite dieses Dienstleisters auf. Vor dem Klicken auf den Bestell-Button setzte er ein Häkchen zur Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diesen zufolge müssen die Mieter eine Vergütung in Höhe von einem Drittel der ersparten Jahresmiete zahlen, falls die Bemühungen des Dienstleisters zur Geltendmachung ihrer Rechte erfolgreich waren.
In dem darauf folgenden Rechtsstreit zwischen dem Dienstleister und den Vermietern machten diese geltend, dass der Mieter den Dienstleister nicht rechtsgültig beauftragt habe. Der Bestell-Button habe nämlich nicht den Hinweis „zahlungspflichtig bestellen“ (oder eine entsprechende Formulierung) enthalten, wie es die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher1 verlange. In diesem Rahmen stellte sich die Frage, ob dieses Erfordernis auch dann gilt, wenn die Zahlungspflicht des Mieters nicht allein aus der Bestellung folgt2 , sondern zusätzlich erfordert, dass seine Rechte erfolgreich durchgesetzt werden. Das mit diesem Rechtsstreit befasste deutsche Gericht befragt den Gerichtshof hierzu.
Der Gerichtshof entscheidet, dass der Unternehmer gemäß den Anforderungen der Richtlinie den Verbraucher vor der Aufgabe der Online-Bestellung darüber informieren muss, dass er mit dieser Bestellung eine Zahlungsverpflichtung eingeht. Diese Pflicht des Unternehmers gilt unabhängig davon, ob die Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers unbedingt ist oder ob dieser erst nach dem späteren Eintritt einer Bedingung verpflichtet ist, den Unternehmer zu bezahlen.
Wenn der Unternehmer seine Informationspflicht nicht beachtet hat, ist der Verbraucher an die Bestellung nicht gebunden. Den Verbraucher hindert allerdings nichts daran, seine Bestellung zu bestätigen.
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass der Bestellbutton von Meta für das kostenpflichtige Facebook bzw. Instagram-Abo mit der Beschriftung "Abonnieren" bzw. "Weiter zur Zahlung" nicht den Vorgaben der Button-Lösung nach 312j Abs. 3 BGB genügt.
20. Zivilsenat verkündet Urteil zu Bestellbuttons bei Facebook und Instagram
Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Erfried Schüttpelz hat heute im einstweiligen Verfügungsverfahren einer Unterlassungsklage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. („Verbraucherzentrale“) teilweise stattgegeben und der Meta Platforms Ireland Limited („Meta“) untersagt, den Bestellprozess der von ihr angebotenen kostenpflichtigen werbefreien Nutzung der sozialen Netzwerke „Facebook“ und „Instagram“ durch Auslösen einer Schaltfläche (Bestellbutton) zu gestalten, ohne dass sich auf dieser ein eindeutiger Hinweis auf eine zahlungspflichtige Bestellung befindet (Aktenzeichen: I-20 UKlaG 4/23).
Meta bietet Kunden die Nutzung der sozialen Netzwerke „Facebook“ sowie „Instagram“ unter anderem über die von ihr betriebene Webseite www.facebook.com oder als App auf elektronischen Endgeräten an. Die Nutzung erfolgte bislang kostenfrei; allerdings hatte sich Meta in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Zusendung personalisierter Werbung ausbedungen. Seit November 2023 besteht neben der kostenlosen Nutzung mit Werbung die Option einer kostenpflichtigen werbefreien Nutzung der sozialen Dienste. Diese buchen Nutzer auf der Webseite mit dem Bestellbutton „Abonnieren“ und in den Apps auf den Betriebssystemen iOS und Android über den Bestellbutton „Weiter zur Zahlung“. Die Verbraucherzentrale sieht hierin einen Verstoß gegen das Verbraucherschutzrecht, da die Bestellbuttons nicht hinreichend darauf hinwiesen, dass bei ihrer Bestätigung ein kostenpflichtiger Abonnementvertrag abgeschlossen werde. Nach erfolgloser vorgerichtlicher Abmahnung beantragt die Verbraucherzentrale im einstweiligen Verfügungsverfahren u.a. die Untersagung des so gestalteten Bestellprozesses.
Der 20. Zivilsenat hat dem Antrag heute stattgegeben und ausgeführt, Unternehmer seien gesetzlich verpflichtet, Bestellbuttons, also Schaltflächen, über die im elektronischen Rechtsverkehr ein Vertrag mit einem Verbraucher zustande komme, mit eindeutigen Formulierungen wie „zahlungspflichtig bestellen“ zu kennzeichnen. Dem werde der Bestellbutton „Abonnieren“ nicht gerecht, weil es auch kostenlose Abonnements gebe. Dass im Rahmen des Bestellvorgangs vorher und währenddessen eindeutig auf die Kostenpflichtigkeit des Abonnements hingewiesen werde, sei unerheblich. Allein der Text auf der Schaltfläche sei maßgeblich.
Auch der Bestellbutton in den Apps „Weiter zur Zahlung“ genüge den gesetzlichen Verbraucherschutzvorgaben nicht. Zwar fehle hier nicht ein Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit. Für den Verbraucher sei aber nicht erkennbar, dass er bereits durch Betätigung dieses Buttons einen Vertrag abschließe und nicht lediglich auf eine weitere Seite zur Angabe seiner Daten und zu einem verbindlichen Vertragsabschluss weitergeleitet werde.
Soweit die Verbraucherzentrale erst in der mündlichen Verhandlung noch beanstandet hat, dass die für eine Kündigung notwendigen Schaltflächen und Webseiten für den Verbraucher erst dann zugänglich seien, wenn er sich angemeldet habe, fehle es bereits an der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderlichen Eilbedürftigkeit. Der Verbraucherzentrale sei spätestens seit dem 23. November 2023 bekannt gewesen, dass sich die fraglichen Buttons und Webseiten jedenfalls nicht auf der allgemein zugänglichen Webseite befinden. Dies hätte sie von vornherein zum Gegenstand ihres Antrags machen können.
Das OLG Köln hat entschieden, dass bei einem Verstoß gegen die Informationspflichten aus § 312d BGB nicht mehr das Spürbarkeitskriterium nach § 3a UWG zu prüfen ist, sondern die durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Maßstäbe entscheidend sind.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Der Unterlassungsanspruch ist ausreichend bestimmt und nicht zu weit gefasst. Da die Beklagte eine Reservierungsmöglichkeitanbietet, darf auch der Unterlassungsanspruch auf ein solches Angebot bezogen werden.
3. Die Berufung ist begründet. Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG i.V.m. den unionsrechtlich angebundenen bürgerlich-rechtlichen Informationspflichten aus § 312d BGB.
a) Eine Haftung aus §§ 3 Abs. 1; 3a UWG i.V.m. mit den genannten Informationspflichten kommt nach neuerer Judikatur, der sich der Senat anschließt, nicht in Betracht. Die frühere Rechtsprechung, wonach die Verletzung unionsrechtlicher Informationspflichten sowohl die Verletzung einer Marktverhaltensnorm im Sinne von § 3a UWG als auch die Verletzung des § 5a Abs. 4 UWG früherer Fassung (jetzt § 5b Abs. 4 UWG 2022) begründen können, hat der BGH in der Entscheidung Knusper-Müsli II zugunsten der letztgenannten Vorschrift aufgegeben (BGH, Urt. v. 7.4.2022 – I ZR 143/19, – Knusper-Müsli II, Rn. 23). Daher sind die Informationspflichten des Fernabsatzes nach den durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Maßstäben und nicht mehr nach den nationalen Grundsätzen des § 3a UWG zu prüfen. Daraus folgt, dass es im Falle eines Verstoßes gegen die Informationspflicht nicht mehr auf das Spürbarkeitskriterium in § 3a UWG ankommt. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, dass ein etwaiger Verstoß nicht spürbar ist, geht daher ins Leere.
b) Die vorvertraglichen Informationspflichten des § 312d BGB i.V.m. Art. 246, 246a Abs. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB werden durch den streitgegenständlichen Internetauftritt der Beklagten verletzt.
aa) Die Informationspflichten finden vorliegend allerdings nicht schon deswegen Anwendung, weil es um einen Verbrauchervertrag geht, bei dem sich der Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet. Der Webauftritt der Beklagten stellt in ausreichender Form klar, dass eventuelle Vertragspflichten des Kunden gegenüber dem Mietwagenunternehmer erst entstehen, wenn ein Mietwagen abgeholt wird. Die Frage, ob Stornogebühren („no show“) oder auch eine Provision zugunsten des Vermittelnden anfallen, stellt sich insoweit nicht. Stornogebühren unabhängig von einem Vertragsschluss mit dem Mietwagenunternehmer sind nicht ersichtlich, auch nicht genügend vorgetragen. Provisionen, die den Mietpreis indirekt verteuern können, würden den Verbraucher erst treffen, wenn dieser das Mietwagenangebot gegenüber dem Mietwagenunternehmer annimmt. Das geschieht bei Reservierung ausweislich der gewählten Vertragskonstruktion noch nicht.
bb) Allerdings sind auch ohne konkrete Preisverpflichtung die Informationspflichten aus Kapitel 1 und Kapitel 2 der §§ 312 BGB anwendbar, also auch § 312d BGB i.V.m. Art. 246, 246a EGBGB, wenn der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt (§ 312 Abs. 1a BGB). Das ist hier der Fall. Stellt eine Fluggesellschaft auf ihrer Website eine Möglichkeit zur Reservierung von Mietfahrzeugen zur Verfügung, aufgrund derer Verbraucher personenbezogene Daten zu Zwecken der Reservierung bereitstellen müssen, so sind die Informationspflichten nach Art. 246a EGBGB gem. § 312 Abs. 1a BGB daher auch dann zu erfüllen, wenn über das Reservierungsformular noch kein Vertrag mit dem Mietwagenunternehmer zustande kommt.
Unstreitig muss der Verbraucher bei der hier gewählten Konstruktion personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO (Verordnung [EU] 2016/679) bereitstellen, wenn er ein Fahrzeug reserviert. Das zeigt der in Anl. K 1 bis K 3 dargestellte Buchungsvorgang, der klarstellt, dass Name, E-Mail, ggf. auch Miles & More-Nummern und Telefonnummer, also Informationen, die auf eine individuelle Person hinweisen und diese identifizieren können, angegeben werden müssen oder können. Diese Daten werden vom Verbraucher selbst bereitgestellt, wenn er sie in die Maske eingibt, was nach § 312 Abs. 1a BGB genügt. Der Umstand, dass manche Daten nur optional eingegeben werden müssen, ändert nichts daran, dass der Verbraucher sie möglicherweise allein deswegen eingibt, weil hierfür ein Feld vorgesehen ist. Auch dann werden diese personenbezogenen Daten bereitgestellt. An einer relevanten Bereitstellung fehlt es nicht deswegen, weil der Verbraucher seine Daten auch für die Flugbuchung in einer Weise bereitstellt, die es dem Beklagten ermöglichen, die Hauptleistung, die Buchung eines Fluges, durchzuführen. Das ist zwar grundsätzlich im Rahmen der Buchung der Fall und auch zu erwarten, allerdings zeigt die Buchungsmaske für den Mietwagen, dass der Verbraucher für die Reservierung des Fahrzeugs die personenbezogenen Daten nochmals bereitstellen muss, und zwar dieses Mal für eine Leistung, die nicht unmittelbar zur Flugbuchung gehört, für die sie auch nicht erforderlich ist, die also eine sekundäre Nutzung dieser Daten ermöglicht, die für die Hauptleistung nicht erforderlich ist und auch nicht benötigt wird. Nur eine für die Hauptleistung erforderliche und auf sie begrenzte Datenerhebung ist nach § 312 Abs. 1 a BGB „privilegiert“ (vgl. zur engen Fassung dieser Zweckbindung MK-BGB-Wendehorst, § 312 Rn. 54). Dies würde sich auch nicht ändern, wenn die Reservierungsmaske anhand der vom Fluginteressierten bereits eingegebenen (identischen) personenbezogenen Daten aufgefüllt wird, der Fluggast also nicht aktiv bereitstellt, sondern die Daten aus bereits vorliegenden Informationen vom Beklagten genutzt werden (vgl. MK-BGB-Wendehorst, § 312 Rn. 52 mit Hinweis auf Begr. RegE, BT-Drucks. 19/27653, S. 39; Europäische Datenschutzbeauftragte, Stellungnahme 4/2017, S. 12). In beiden Fällen geht es um eine sekundäre Verwendung personenbezogener Daten, die einem neuen Zweck dient.
c) Die Informationspflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB haben eine unionsrechtliche Grundlage in den Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2011/73/EU (sog. Verbraucherrechte-Richtlinie). Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Informationspflichten auf die Zurverfügungstellung personenbezogener Daten hat ihre Grundlage in Art. 4 Nr. 2b) der Richtlinie (EU) 2019/2161 v. 27.11.2019 (EU-Abl. L 328/7). Die Informationspflichten sind daher gem. § 5b Abs. 4 UWG wesentliche Informationen, die bei verbraucherbezogenen Angeboten bereitzustellen sind.
d) Das Fehlen von Informationen über die Rolle der Fluggesellschaft beim Reservierungsvortrag betrifft eine wesentliche Information über eine Dienstleistung gem. §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er die Reservierung vornehmen möchte, weil er Klarheit darüber erwartet, ob und inwieweit er den Dienstleister in Bezug auf die Dienstleistung in Anspruch nehmen kann. Die Informationen werden vom Verbraucher daher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung im Sinne des § 5a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG zu treffen. Sie sind überdies für diese Entscheidung relevant (§ 5a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UWG). Auch wenn das Mietverhältnis über ein konkretes Fahrzeug nicht schon durch die Ausfüllung der Reservierung entsteht, insbesondere die Beklagte nicht selbst in die Vermieterstellung rückt, so nimmt die Beklagte dennoch auf den Inhalt dieses Mietverhältnisses Einfluss. Sie ist nicht derart passiv, dass sie nur ein Buchungsfenster zugänglich macht. Sie baut diese Buchungsmöglichkeit in ihren Webauftritt ein, zudem signalisiert sie durch weitere Angaben, dass bestimmte Vertragsbedingungen (z.B. Freikilometer oder auch ein besonderer Buchungspreis für Flugkunden) in der Reservierung gesichert werden können. Sie nimmt damit einerseits auf die Reservierungsbereitschaft Einfluss, andererseits erweckt sie den Eindruck, dass Z.-Kunden besondere Konditionen erhalten. Dies führt sie in die Position eines Dienstleistungserbringers. Wichtig wird das, wenn es Streit darüber gibt, ob die Reservierungsbedingungen auch tatsächlich halten. Das betrifft das Risiko von Flugverspätungen wie das Preisrisiko und die Frage, ob die reservierte Leistung tatsächlich so wie reserviert auch bereitgestellt wird, und wer für diese Bedingungen einsteht, wenn dies nicht so ist. Wäre dies nur der Mietwagenunternehmer, so bestünde für den Verbraucher das Risiko, dass erhoffte Konditionen von dessen Entscheidung und Bereitschaft abhängen. Ob und wie die Beklagte für diese Konditionen auch selbst einsteht, sei es durch vertragliche Bedingungen, die sie mit dem Mietwagenunternehmer vereinbart hat, sei es durch eigene Zusatzleistungen (Gewährleistungen), bleibt offen. Bleibt all dies dem Mietwagenunternehmer überlassen, liegt genau hierin eine mögliche Benachteiligung des Verbrauchers, der über das Z.-Portal bucht, aus der konsequenterweise das Informationsbedürfnis des Verbrauchers folgt. Daher besteht aus Verbrauchersicht ein berechtigtes Anliegen, darüber aufgeklärt zu werden, in welcher Rolle die Beklagte vermittelnd oder nur zugangsöffnend oder aber auch mit einer Leistungsbereitschaft tätig wird. Die Beklagte kann nicht darauf verweisen, dass dies dem Verbraucher gleichgültig sei oder der Verbraucher schon selbst verstehen werde, dass er sich nur an das Mietwagenunternehmen halten könne. Schon die Bereitschaft, bestimmte Konditionen im Mietwagenvertrag bereits in der Reservierung sichern zu können und dies über die Vermittlung der Beklagten zu tun, zeigt, dass ein Informationsbedarf besteht, den die Beklagte nicht erfüllt.
e) Für den Verbraucher ist entscheidungsrelevant, ob und in welcher Weise er auch die Beklagte für den Inhalt des Reservierungsvorgangs in Anspruch nehmen kann.
f) Auf die Spürbarkeit der Wettbewerbspraktik kommt es bei §§ 5a, 5b UWG nicht an. Selbst wenn es auf sie ankäme, besteht aber auch kein Zweifel daran, dass die Praktik, die sich an eine Mehrzahl von flugbuchenden Verbrauchern richtet, von erheblicher Bedeutung für die Mietwagenentscheidung dieser Personen ist.
g) Da der Unterlassungsanspruch besteht, war auch die vorgerichtliche Abmahnung berechtigt. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist daher ebenfalls begründet.
Das OLG Köln hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG durch Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für die Unterspritzung von Falten mit Hyaluron vorliegt.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG wegen unlauterer Werbung unter dem Aspekt des Rechtsbruchs (§§ 3 Abs. 1, 3a UWG) zusteht, weil die Beklagten mit den angegriffenen Vorher-Nachher-Vergleichen auf ihrer Internetseite gegen das Werbeverbot des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG verstoßen haben.
a) Der Kläger ist, was die Beklagten nicht in Abrede stellen, aktivlegitimiert, weil er beim Bundesamt der Justiz in die dort geführte Liste der klagebefugten qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen ist (vgl. Anlage K1, Bl. 10 f. GA) und auch die sonstigen in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG genannten Voraussetzungen erfüllt.
b) Durch die angegriffene Werbung haben die Beklagten gemeinschaftlich eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG vorgenommen, weil sie zugunsten ihres eigenen Unternehmens vor einem Geschäftsabschluss zur Förderung des Absatzes ihrer angebotenen Dienstleistungen auf dem Gebiet der Schönheitschirurgie handelten.
c) Diese Handlung ist als unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu bewerten, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, weil die Beklagten hiermit einer gesetzlichen Vorschrift zuwidergehandelt haben, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Um eine solche Vorschrift handelt es sich bei dem Werbeverbot des § 11 HWG (vgl. zum Schutzzweck der Werbeverbote des HWG nur BGH GRUR 2009, 509, 510 Rn. 24 – Schoenenberger Artischockensaft sowie Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 3a Rn. 1.217).
aa) Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG liegt vor. Danach darf für die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) HWG genannten operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden:Der Beurteilung des Landgerichts, wonach das Unterspritzen von Körperteilen mit Hyaluron einen solchen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff darstellt, tritt der Senat bei.
(1) Insofern ist zunächst festzustellen, dass die von der Beklagten gerügten Verstöße gegen das Gebot rechtlichen Gehörs nicht durchgreifen.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht die eigene Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen einer Partei in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen hat (BGH GRUR 2009, 90, 91 Rn. 7 - Beschichten eines Substrats). Art. 103 Abs. 1 GG soll sichern, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die auf mangelnder Kenntnisnahme oder Erwägung des Vortrags beruhen. Sein Schutzbereich ist auf das von dem Gericht einzuhaltende Verfahren, nicht aber auf die Kontrolle der Entscheidung in der Sache gerichtet (BGH NJW-RR 2020, 1389, 1390 Rn. 13).
Gemessen hieran hat das Landgericht das rechtliche Gehör der Beklagten nicht verletzt, denn es hat ausweislich des Tatbestandes durch Inbezugnahme der Ausführungen in der Klageerwiderung deren wesentliche Einwände gegen den geltend gemachten Anspruch zur Kenntnis genommen und hat sich auch in den Entscheidungsgründen hiermit befasst, insbesondere betreffend die Auslegung des Begriffs des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs. Dass es hierzu auf die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. zurückgegriffen und diese sowie die Ausführungen im Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. wörtlich wiedergegeben hat, stellt keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar, sondern ist eine zulässige Bezugnahme auf vergleichbare Entscheidungen. Wie aus den Ausführungen des Landgerichts vor den zitierten Passagen hervorgeht, hat es sich die darin enthaltenen Erwägungen nach eigener Würdigung zu eigen gemacht. Das Landgericht hat auch die Ablehnung der Einholung des von den Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens begründet, und zwar damit, dass nach seiner Auffassung bereits die unstreitigen Umstände zu einer Bejahung des Verstoßes ausreichten (LGU S. 6, Bl. 136 GA). Dass dies nicht der Rechtsauffassung der Beklagten entsprach, begründet keine Verletzung rechtlichen Gehörs.
Hieraus folgt zugleich, dass das angefochtene Urteil nicht an einem Begründungsmangel leidet. Bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe hat das Gericht eine gewisse Freiheit. Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Wenn aber ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde, sofern der Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstanziiert war (BVerfG NJW 2023, 2712, 2713 Rn. 15). Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Begründung, die erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Dies erfordert nicht eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten, wenn sich nur ergibt, dass eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat (vgl. zu der Bestimmung des § 547 Nr. 6 ZPO Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 547 Rn. 16). So liegt es auch hier, weil das Landgericht alle entscheidungserheblichen Fragen, wie oben ausgeführt, behandelt hat, auch wenn dies nicht in der von der Beklagten gewünschten Ausführlichkeit geschehen ist.
(2) Auch in der Sache hält die Auslegung des Landgerichts den Angriffen der Berufung stand.
Dabei kann dahinstehen, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass das Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgestellt hat (LGU S. 2, Bl. 132 GA), dass die Beklagten auf ihrer Internetseite, wie sie in Anlage K3 auszugsweise wiedergegeben ist „für verschiedene operative plastisch-chirurgische Eingriffe“ werben. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag haben die Beklagten hiergegen nicht angebracht.
Denn jedenfalls liegt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG vor, weil es sich bei der Unterspritzung von Falten etc. mit Hyaluron um einen Eingriff im vorgenannten Sinne handelt, für den die Beklagten mit Vorher-Nachher-Bildern geworben haben (vgl. jüngst hierzu OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 – Brazilian Butt Lift).
In einem ersten Schritt ist hierbei festzuhalten, dass der vom HWG verwendete Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriff (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG) nicht legaldefiniert und daher auslegungsbedürftig ist (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 24 f. – Brazilian Butt Lift).
Zwar könnte der Wortlaut bei unbefangener Betrachtung zunächst – entsprechend der Deutung der Beklagten - an einen „klassischen“ operativen Eingriff durch Öffnung des Körpers mittels Skalpell oder Messer denken lassen. Auch nennt die Gesetzesbegründung (Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes), mit der dieser Begriff eingeführt wurde, insbesondere Brustvergrößerungen durch Implantate oder Fettabsaugung zur Veränderung der Körperformen (BT-Drs. 15/5316, S. 46) als Beispiele für solche Eingriffe, wie die Beklagten grundsätzlich zu Recht ausführen.
Hierbei kann jedoch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Werbeverbotes und des HWG insgesamt nicht stehen geblieben werden. Insofern hat das OVG Münster zutreffend (für den Anwendungsbereich des HeilpraktikerG) ausgeführt:
„Das Injizieren des Füllmaterials in die Haut bzw. in die oberen Hautschichten erfordert neben dem notwendigen allgemeinen Wissen bei der Verabreichung von Injektionen aber zusätzliche Kenntnisse über den Aufbau und die Schichten der Haut sowie über den Verlauf von Blutgefäßen, Nervenbahnen und Muskelsträngen in dem für die Injektion vorgesehenen Gesichtsbereich und regelmäßig auch […] eine vorhergehende Diagnose zu möglichen Ursachen der Faltenbildung sowie eine Beurteilung dazu, ob eine Faltenunterspritzung aus ästhetischen Gründen in Betracht kommt oder aus dermatologischer/chirurgischer Sicht, etwa weil eine Hautkrankheit vorliegt, unterbleiben muss“
Diese Umstände, die als allgemeinkundig anzusehen sind, weil sich selbst für einen Laien bei schlichter Betrachtung des Vorgangs der Faltenunterspritzung die Notwendigkeit dermatologischer Kenntnisse aufdrängt (vgl. OLG Karlsruhe WRP 2012, 1579, 1580 Rn. 21 - Faltenunterspritzung) und daher, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, keiner Beurteilung durch einen Sachverständigen bedürfen, rechtfertigen es auch im Anwendungsbereich des HWG, einen operativen Eingriff bereits dann anzunehmen, wenn ein instrumenteller Eingriff am oder im Körper des Menschen erfolgt, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (vgl. Meyer GRUR 2006, 1007). Denn Zweck der Erstreckung des HWG auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe ist der Schutz der Verbraucher bzw. der Bevölkerung vor erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken, indem eine (insbesondere suggestive oder irreführende) Werbung mit medizinisch nicht notwendigen schönheitschirurgischen Eingriffen verboten wird. Darauf, ob sich die erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken im Einzelfall tatsächlich realisieren, kommt es nicht an. Es soll für einen mit gesundheitlichen Risiken versehenen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit kein Anreiz durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geschaffen werden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 36 m.w.N. – Brazilian Butt Lift). Diesem Schutzzweck entspricht es, keine Beschränkung des Begriffs des operativen Eingriffs auf einen solchen durch Skalpell o.ä. vorzunehmen bzw. danach zu differenzieren, ob bei den Eingriffen die Körperoberfläche eröffnet wird und mit welchem Instrument und in welchem Umfang dies geschieht, weshalb die Aufzählung in der Gesetzesbegründung lediglich als beispielhaft und nicht als abschließend zu verstehen ist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O. Rn. 37 f.; zustimmend Fritzsche, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 11 HWG Rn. 51; a.A. ohne Begründung Köber, in: MüKoUWG, 3. Aufl. 2022, § 11 HWG Rn. 87). Daher steht es auch, anders als die Beklagten meinen, der Annahme eines operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs nicht entgegen, dass die von ihnen beworbene Unterspritzung infolge der vorzitierten OVG-Entscheidung auch von Heilpraktikern, die per se keine Operationen im engeren Sinne durchführen dürfen, vorgenommen werden darf.
Soweit die Beklagten hiergegen einwenden, dass die Risiken bei der Unterspritzung mit Hyaluron gerade im Vergleich zur Tätowierung gering seien, so ist dem entgegenzuhalten, dass es dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterfällt, welche Behandlungen er dem Heilmittelwerberecht zuweist. Die von den Beklagten angeführte Gesetzesbegründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens“ vom 03.11.2004 (Anlage HWC1, Bl. 98 ff. GA), mit der Tätowierungen etc. ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des HWG ausgenommen werden sollten, ist für die vorliegend vorzunehmende Auslegung bereits deshalb nicht relevant, weil dieser – außerdem nicht Gesetz gewordene – Entwurf den Anwendungsbereich des HWG auf „operative“ Verfahren eingrenzen sollte (a.a.O. S. 5, Bl. 100 GA) und nicht auf – wie hier zu beurteilen - „operative plastisch-chirurgische Verfahren“ abstellte. Gerade die Gegenüberstellung der beiden Begriffe belegt, dass der nunmehr im Gesetz befindliche Begriff weiter gefasst sein muss, weil „operativ“ und „chirurgisch“ begriffliche Überschneidungen aufweisen (OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 30 – Brazilian Butt Lift), was dafür spricht, dass der Gesetzgeber eine nicht zu enge Definition verwenden wollte.
Zudem lässt sich auch der vorgenannten Gesetzesbegründung entnehmen, dass für die Frage, ob ein „operativer“ Eingriff vorliegt, nicht die Intensität des körperlichen Eingriffs und/oder die Eröffnung der Haut die zentrale Rolle spielen, sondern die Risiken, die für die Gesundheit der Verbraucher aus dem Eingriff erwachsen können (OLG Düsseldorf a.a.O. Rn. 39). Indem Tätowierungen und Ohrlochstechen darin in unmittelbarem Zusammenhang erwähnt werden, wird auch deutlich, dass die von den Beklagten angenommene gleiche Gefährdungslage von Tätowieren und Faltenunterspritzen vom Gesetzgeber offensichtlich nicht geteilt wird, weil das Stechen von Ohrlöchern, das mit dem Tätowieren gleichgesetzt wird, gerade im Vergleich zum Unterspritzen von Falten mit Hyaluron evident nur deutlich geringere Risiken birgt.
Dass der Gesetzgeber für Tätowierungen und Ohrlochstechen anders als im Falle der streitgegenständlichen Faltenunterspritzung kein entsprechendes Verbot vorgesehen hat, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), nachdem diese Leistungen schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht der Heilkunde oder der Schönheitschirurgie zugerechnet werden bzw. als operativer Eingriff verstanden werden können, sondern dem Gebiet der Kosmetik im weiteren Sinne unterfallen. Auch die Berufsfreiheit der Beklagten (Art. 12 Abs. 1 GG) ist durch die vorgenannte Auslegung nicht verletzt. Zwar unterfällt die Werbung für die Ausübung von Heilkunde grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG GRUR 2007, 720, 721 – Geistheiler). Jedoch stellen die mit dem HWG verfolgten Ziele des Gesundheitsschutzes und des Schutzes gegen wirtschaftliche Übervorteilung besonders schutzbedürftiger Privater hinreichende Gründe des gemeinen Wohls dar, für deren Erreichung die Werbeverbote des HWG erforderlich sind (BVerfG a.a.O. 722). Die Zumutbarkeit für die Beklagten und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ergibt sich daraus, dass den Beklagten mit dem Unterlassungstitel nicht verboten wird, die Behandlung selbst weiter anzubieten und ihnen auch kein vollständiges Werbeverbot, sondern nur ein solches mit Vorher-Nachher-Bildern auferlegt wird. Es bleibt ihnen unbenommen, bis an die Grenze irreführender Werbung ihre Behandlungsansätze und -methoden darzustellen (vgl. BVerfG a.a.O.). Ähnliche Erwägungen greifen Platz, soweit die Werbung vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst sein kann, weil es sich bei dem HWG um ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG handelt und die obigen Ausführungen zur Zumutbarkeit entsprechend gelten.
(3) Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass die Werbemaßnahmen von der Ärztekammer Nordrhein genehmigt seien bzw. nicht beanstandet würden. Dem diesbezüglichen Beweisangebot (S. 10 der Berufungsbegründung, Bl. 104 eA) ist schon deshalb nicht nachzugehen, weil nicht ersichtlich ist, dass der Ärztekammer eine wie auch immer geartete Genehmigungsbefugnis für nach dem HWG untersagte Werbeformen zusteht und ein etwaiger Verbotsirrtum – sollte er überhaupt schlüssig dargelegt sein - für den hier in Rede stehenden verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch unbeachtlich ist (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 3a Rn. 1.89)
bb) Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, wie es bei Verstößen gegen Werbeverbote des HWG der Regelfall ist (BGH GRUR 2019, 1071, 1076 Rn. 57 – Brötchen-Gutschein zu § 7 Abs. 1 HWG). Anhaltspunkte dafür, dass der Schutzzweck des HWG bei einem Vorher-Nachher-Vergleich wie vorliegend ausnahmsweise nicht tangiert wäre bzw. dessen Gefährdung praktisch ausgeschlossen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. in einer entsprechenden Fallgestaltung ebenso OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 7- Brazilian Butt Lift).
2. Gegen ihre Verpflichtung, dem Kläger die entstandenen und schlüssig dargelegten Abmahnkosten zu erstatten, wenden sich die Beklagten mit der Berufung nicht ausdrücklich, so dass es bei den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verbleibt.
Das OLG Hamburg hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass die Erteilung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel über das Internet ohne vorherigen persönlichen Kontakt von Arzt und Patient unzulässig ist.
Aus dem Hinweisbeschluss: Im Streitfall besteht - wie vom Landgericht zu Recht angenommen - der antragsgegenständliche Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 3 der Berufsordnung für Ärzte in Hamburg.
aa. Die antragsgegenständliche Erteilung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch Ärzte, die den Patienten zuvor nicht behandelt haben, verstößt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - gegen ärztliche Berufspflichten, wie sie in § 7 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärzte in Hamburg niedergelegt sind. Nach § 7 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärzte in Hamburg beraten und behandeln Ärztinnen und Ärzte Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird. Danach verstößt die hier gegenständliche Erteilung eines „Folgerezeptes“ für das verschreibungspflichtige Medikament „C.“ gegen die ärztliche Sorgfalt, weil nicht sichergestellt ist, dass der Zweck der Verschreibungspflicht gewahrt wird. Insoweit kann bei einem Folgerezept zwar auch eine telefonische Rezeptanforderung ausreichen. Jedoch ist es hierbei notwendig, dass der das Rezept ausstellende Arzt den Patienten bereits zuvor behandelt hat und daher über seinen Gesundheitszustand und die Notwendigkeit der Verordnung dieses Arzneimittels orientiert ist. Der Arzt muss auch bei Folgeverordnungen in gewissen Abständen bestimmte Untersuchungen des Patienten veranlassen, wie etwa beim antragsgegenständlichen Medikament „C.“ Blutdruckmessungen. Gegen diese zutreffenden landgerichtlichen Wertungen bringt die Berufung der Beklagten spezifiziert nichts vor.
bb. Es liegt eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG vor, da sich in der vorgenannten Konstellation der Arzt nicht allein von medizinischen Erwägungen mit Blick auf das Patientenwohl, sondern von sachfremden wirtschaftlichen Eigeninteressen leiten lässt. Regelungen, die dieser Gefahr vorbeugen, sind Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.132 m.w.N.)
cc. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung geltend macht, sie könne nicht gegen ärztliche Berufspflichten verstoßen, weil sie den Arztberuf nicht ausübe und lediglich eine Softwareplattform betreibe, so steht dies ihrer Passivlegitimation nicht entgegen. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte im Hinblick auf den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch unmittelbar verantwortlich ist, indem sie in Kenntnis des Sachverhalts das antragsgegenständliche Geschäftsmodell über ihre Internetpräsenz angeboten und verbreitet hat. Auch wer selbst nicht Normadressat ist, aber gesetzesunterworfene Dritte dazu anstiftet oder sie dabei unterstützt, gegen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG zu verstoßen, um damit den Absatz seines eigenen Unternehmens zu fördern (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG), handelt unlauter i.S.v. § 3a UWG (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.50 m.w.N.). Insoweit ist Vorsatz erforderlich (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.50 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagten ist zumindest bedingter Vorsatz anzulasten.
d. Entgegen dem Einwand der Berufung liegt in der antragsgegenständlichen Konstellation auch ein Verstoß gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen nach § 9 HWG vor und es besteht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 8, 3a UWG, 9 HWG.
aa. Die Regelung des § 9 HWG ist dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln i.S.v. § 3a UWG (Senat GRUR-RS 2020, 37127 Rn. 34 - Online-Erkältungsdiagnose; BGH GRUR 2022, 399 Rn. 20 – Werbung für Fernbehandlung).
bb. Nach § 9 Satz 1 HWG ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden unzulässig, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Gem. § 9 Satz 2 HWG ist Satz 1 nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.
Dass die Ausstellung des Folgerezepts in der antragsgegenständlichen Konstellation eine Fernbehandlung i.S.v. § 9 Satz 1 HWG darstellt, nimmt auch die Beklagte nicht in Abrede. Eine persönliche Wahrnehmung des Patienten durch den behandelnden Arzt erfolgt nicht, weil eine solche nur dann vorliegt, wenn die bei gleichzeitiger physischer Präsenz von Arzt und Patient in einem Raum möglichen ärztlichen Untersuchungsmethoden angewandt werden können (vgl. BGH GRUR 2022, 399 Rn. 29 – Werbung für Fernbehandlung). Dies ist unstreitig vorliegend nicht der Fall.
cc. Entgegen der Ansicht der Beklagten greift im Streitfall der Ausnahmetatbestand von § 9 Satz 2 HWG nicht ein.
Dass in der antragsgegenständlichen Konstellation die Ausstellung eines Folgerezepts für „C.“ dem allgemeinen fachlichen Standard i.S.v. § 630a BGB entspricht, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch im Berufungsverfahren schon nicht dargetan (vgl. zur Beweislast: BGH GRUR 2022, 399 Rn. 65 - Werbung für Fernbehandlung; OLG Köln GRUR 2022, 1353 Rn. 41ff.).
Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe das Mittel „C.“ aus dem Programm genommen, so führt diese Änderung der tatsächlichen Verhältnisse entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr. Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügen weder der bloße Wegfall der Störung noch die Zusage des Verletzers, von Wiederholungen künftig Abstand zu nehmen (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.49). Die Wiederholungsgefahr wird auch nicht dadurch beseitigt, dass der Gläubiger - wie hier - bereits eine gleichlautende einstweilige Verfügung erwirkt hat, solange der Schuldner nicht eine durch Vertragsstrafe gesicherte Unterlassungserklärung oder eine Abschlusserklärung abgegeben hat (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.49). Generell gilt, dass eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse die Wiederholungsgefahr nicht berührt, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.51). Demgemäß ist der Umstand, dass die Beklagte - wie sie unwidersprochen behauptet - inzwischen „C.“ aus dem Programm genommen habe, nicht relevant, da die Beklagte einen entsprechenden Rezept-Service - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - jederzeit wieder anbieten könnte. Antragsgegenständlich ist das verschreibungspflichtige Medikament „C.“, so dass die Beklagte insoweit ein Handeln nach „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ darlegen und beweisen muss, woran es fehlt. Die Ausführungen der Berufung zu „Alltagskrankheiten“ sind für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz.
e. Offenbleiben kann, ob nach dem Vorgenannten auch ein Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt i.S.v. § 3 Abs. 2 UWG vorliegt und sich auch aus diesem Gesichtspunkt ein klägerischer Unterlassungsanspruch ergibt.
Nach § 3 Abs. 2 UWG sind geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Im Hinblick auf den vorliegenden Streitgegenstand liegt - wie ausgeführt - sowohl ein Verstoß gegen ärztliche Berufspflichten als auch gegen § 9 HWG vor. Von der Beklagten als Unternehmerin wird i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG erwartet, dass sie einen bestimmten „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt“ in ihrem „Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern“ einhält (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3 Rn. 3.21). Bezogen auf den hiesigen Streitgegenstand hat die Beklagte der ihr obliegenden unternehmerischen Sorgfalt nicht genügt.
f. Soweit die Beklagte einwendet, sie treffe keine Verantwortung (mehr), weil sie die streitgegenständlichen Internetseiten bereits im Dezember 2021 auf eine pakistanische Firma übertragen habe, so bleibt auch dieser Einwand ohne Erfolg. Es handelt sich um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die nicht zu einem Wegfall der durch den Verstoß im November 2021 gegenüber der Beklagten begründeten Wiederholungsgefahr führt. Denn es ist nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine (Wieder-)Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch die Beklagte beseitigt worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte den gegenständlichen Rezept-Service in Zukunft wiederaufnehmen wird. Vielmehr muss jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt worden sein (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 1.51). Dies lässt sich vorliegend - ohne Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung bzw. ohne Abgabe einer Abschlusserklärung - nicht feststellen. Demnach fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.
g. Der Abmahnkostenerstattungsanspruch ergibt sich - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - aus § 13 Abs. 3 UWG und der darauf bezogene Zinsanspruch aus §§ 286, 288, 291 BGB. Hiergegen bringt die Berufung der Beklagten auch spezifiziert nichts vor.
LG Augsburg
Hinweisbeschluss vom 18.10.2023 044 S 2196/23
Das LG Augsburg führt in einem Hinweisbeschluss aus, dass die Angabe der URLs der Social-Media-Accounts und der Unternehmenswebsite des Absenders in der E-Mail-Signatur keine unzulässige Werbung per E-Mail darstellt. Damit bestätigt das LG Augsburg die Einschätzung der Vorinstanz.
Aus dem Beschluss: Das Urteil des Amtsgerichts weist weder Rechtsfehler im Sinne des § 546 ZPO auf noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
Hierbei kann im Ergebnis offen bleiben, ob es sich bei den bloßen Links auf Social-Media-Auftritte der Beklagten in der streitgegenständlichen Auto-Reply-Email vom 12.12.2022 überhaupt um Werbung im Sinne des Art. 2 Buchst. a der RL 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 handelt.
Denn jedenfalls fehlt es an der Rechtswidrigkeit eines etwaigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers bzw. in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Das Einblenden eines bloßen Links auf Social-Media-Präsenzen stellt sich nicht als rechtswidrig dar. Dem Amtsgericht ist beizupflichten, dass insoweit zu berücksichtigen ist, dass es sich um eine E-Mail im Rahmen einer vom Kläger initiierten Kommunikation gehandelt hat und die Nachricht informativen Charakter hatte, da dem Kläger die Abwesenheit des von ihm kontaktierten Mitarbeiters mitgeteilt worden ist. Auch stellt die bloße Verlinkung auf Social-Media-Auftritte der Beklagten, wenn man sie überhaupt als Werbung ansieht, keine konkrete Beeinträchtigung für den Kläger dar. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall zur Auto-Reply-Werbung (BGH BeckRS 2016, 2711) wird hier nicht für konkrete Produkte geworben, sondern nur ein Link eingeblendet, welcher für sich genommen keinen konkreten inhaltlichen Informationsgehalt hat. Daher musste sich der Kläger bei Lesen der E-Mail, anders als dies in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall gewesen ist, nicht gedanklich mit konkreten Angeboten der Beklagten auseinandersetzen. Wie das Amtsgericht vollkommen zutreffend ausgeführt hat, konnte der Kläger die Links einfach ignorieren. Ein zeitlicher Aufwand durch die Einblendung der Links entsteht für den Leser einer solchen Nachricht nicht. Links können bei Interesse angeklickt oder einfach nicht weiter beachtet werden. Eine gedankliche Auseinandersetzung mit einer derartigen Verlinkung erfolgt anders als bei konkreten Hinweisen auf bestimmte Servicedienstleistungen oder eine App, wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, gerade nicht. Derartige Links sind mittlerweile als Teil der Signatur üblich, sodass für den Leser keinerlei Aufwand entsteht, um diese vom informatorischen Teil der Email zu trennen.
Die von der Klagepartei zitierte Rechtsprechung zu einer Kundenzufriedenheitsanfrage (BGH, Urteil vom 10.07.2018 – VI ZR 255/17) ist mit dem vorliegenden Fall schon deshalb nicht vergleichbar, da dort bereits die Nachricht als solche als Beeinträchtigung angesehen wurde.
Den Volltext des Hinweisbeschlusses finden Sie hier:
Das LG Berlin hat entschieden, dass der Verkauf pfandpflichtiger Kunststoffflaschen ohne Pfand gegen die Marktverhaltensregel § 31 Abs.1 Satz 1 VerpackG verstößt und somit wettbewerbswidrig ist.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Beklagte hat mit dem Angebot pfandpflichtiger Kunststoffflaschen ohne Pfanderhebung gegen die Vorschrift des § 31 Abs.1 Satz 1 VerpackG verstoßen. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte die im Antrag zu eins genannten Getränke mit jeweils 500 ml angeboten hat, ohne dass vorgeschriebene Pfand von mindestens 0,25 € brutto zu erheben. Sie können sich dabei auch entgegen ihrer Auffassung nicht auf die Übergangsvorschrift des § 38 Abs. 7 VerpackG berufen. Nach der genannten Vorschrift dürfen zwar Einwegkunststoffgetränkeflaschen, die ab dem 1. Januar 2022 erstmals der Pfandpflicht für Einweggetränkeverpackungen unterliegen und bereits vor dem 1. Januar 2022 vom Hersteller in den Verkehr gebracht wurden, bis zum 1. Juli 2022 von jedem weiteren Vertreiber auf allen Handelstagen bis an den Endverbraucher abgegeben werden, ohne dass das Pfand erhoben werden muss. Hierauf kann die Beklagte sich aber schon deswegen nicht berufen, weil sie die Herstellerin der genannten Produkte in den Einweggetränkeverpackungen ist und damit selbst die Produkte das erste Mal in den Verkehr bringt, so dass alle Produkte, die sie nach dem 1.Januar 2022 in den Verkehr bringt, worunter auch die streitgegenständlichen Produkte fallen, selbstverständlich der Pfandpflicht unterliegen. Hersteller im Sinne des Verpackungsgesetzes ist entsprechend der Legaldefinition in § 3 Abs. 14 VerpackG derjenige Vertreiber, der Verpackungen erstmals gewerbsmäßig in den Verkehr bringt. Das ist die Beklagte, die auf den streitgegenständlichen Produkten unstreitig als Herstellerin im Sinne des Art.8 Abs.1 LMIV als Lebensmittelverantwortlicher angegeben ist. Soweit die Beklagte behauptet hat, dass Hersteller im Sinne des VerpackG die produzierende Firma xxxxxxx. sei, so steht dem bereits § 3 Abs.9 Satz 2 VerpackG entgegen. Nach der genannten Vorschrift ist die Abgabe von im Auftrag eines Dritten befüllten Verpackungen an diesen Dritten, wenn die Verpackung ausschließlich mit dem Namen und der Marke des Dritten oder beidem gekennzeichnet ist, gerade kein Inverkehrbringen im Sinne des Verpackungsgesetzes. Ebenso bringt nicht der von der Beklagten beauftragte Logistikdienstleister die Produkte in den Verkehr, sondern die Beklagte. Schließlich handelt es sich bei der genannten Vorschrift des Verpackungsgesetzes auch um eine Marktverhaltensregel im Sinne des Paragrafen 3a UWG. Die Pfandvorschriften des Verpackungsgesetzes sind gesetzliche Vorschriften, die im Sinne von § 3a UWG auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Pfanderhebungspflicht für Einweggetränkeverpackungen gemäß § 31 VerpackG wirkt sich deutlich auf das Verhalten der Hersteller und Vertreiber auf dem Absatzmarkt aus (OLG Köln vom 19.Oktober 2012 zu 6 U 103/12 noch zur Verpackungsverordnung) und hat daher entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur reflexhafte Auswirkungen auf den Markt. Wer kein Pfand erhebt, verschafft sich erhebliche Wettbewerbsvorteile nicht nur wegen des deutlich günstigeren Preises, sondern auch wegen des ersparten Aufwandes auf Kosten der Umwelt.
OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 14.09.2023 6 U 49/22
Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung eines Motoröls mit "O.E.M." vorliegt, wenn es sich nicht um ein Erstausrüsterprodukt handelt.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Die im vorliegenden Fall beanstandete Verwendung der Buchstabenfolge O.E.M. ist als geschäftliche Handlung gem. § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG unlauter, da sie irreführend ist.
Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Buchstabenfolge als Abkürzung für die englische Bezeichnung original equipment manufacturer, mithin als Behauptung, das Produkt werde als Erstausrüsterprodukt von einem Fahrzeug- oder Getriebehersteller verwendet.
a) Das Landgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass die Behauptung der Beklagten, sie verwende die Bezeichnung lediglich als Teil ihres Firmennamens, nicht überzeugt und zudem nicht der Verwendung auf der beanstandeten Produktverpackung entspricht. Ebenso sind keine Gründe ersichtlich, die angesprochenen Verkehrskreise würden die Bezeichnung anders als die Behauptung verstehen, es handele sich um ein Erstausrüsterprodukt. Die Bezeichnung ist nicht nur in der IT-Branche, sondern unstreitig auch seit langem im Bereich von Kfz-Teilen und Betriebsmitteln üblich.
b) Am Verständnis der Buchstabenfolge ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass sie durch Punkte getrennt ist, was bei englischsprachigen Abkürzungen unüblich ist. Insbesondere hat die Beklagte nicht darlegen können und es ist nicht ersichtlich, zu welchem anderen Verständnis die Verwendung der Punkte führen sollte.
c) Beizupflichten ist dem Landgericht auch insoweit, als es überzeugend dargelegt hat, dass die hier zu betrachtende Werbung nicht den Eindruck erweckt, es werde lediglich mit einer Qualität geworben, die der eines Erstausrüsterproduktes entspreche. Dies liegt jedenfalls fern, soweit die Buchstabenfolge ohne jeglichen Zusatz hervorgehoben im Blickfang dargestellt wird. Einen Hinweis auf eine Einschränkung oder nachfolgende Erläuterung enthält der Blickfang nicht (vgl. hierzu Bornkamm/Feddersen in Köhler u.a., UWG, 41. Aufl., § 5 Rn. 1.87; BGH GRUR 1999, 264 - Handy für 0,00 €).
Die auf der Produktverpackung ebenfalls zu findende Angabe „O.E.M. Quality“ in deutlich kleinerer Schrift im Verbund mit anderen Angaben ist so gestaltet, dass sie nicht am Blickfang teilhat, vielmehr übersehen wird und nicht zur Erläuterung der groß herausgehobenen Buchstabenfolge dient.
d) Unerheblich ist auch, dass kein Hersteller angegeben wird, für den ggf. eine Erstausrüstung behauptet würde. Dies ist einerseits für das Verständnis der Angabe unerheblich, da hierdurch auch der Eindruck vermittelt werden kann, es seien viele Hersteller, die das entsprechende Produkt verwenden. Zudem wird, wie das Landgericht herausgestellt hat, ein bestimmtes Getriebe des Herstellers Mercedes-Benz im Zusammenhang mit dem Begriff benannt (O.E.M. for 9G-Tronic 8221), so dass eindeutig der Zusammenhang mit zumindest einem spezifischen Getriebe hergestellt wird, für das der Eindruck erweckt wird, das Öl der Beklagten werde als Erstausrüsterbefüllung verwendet.
e) Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen sind unproblematisch gegeben, insbesondere ist die Angabe, die den Eindruck einer besonderen Qualität des Produktes und des Vertrauens eines Fahrzeug- oder Getriebeherstellers in dieses Produkt erweckt, geeignet, die Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise im Sinne eines Anlockeffektes zu beeinflussen.
Das LG Darmstadt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Finanzvermittlerin die Geschäftsbezeichnung bzw. den Zusatz "Banka" verwendet. Es handelt sich bei "Banka" um den türkische Übersetzung für "Bank". Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.
BGH
Beschluss vom 27.07.2023 I ZR 65/22
Doppeltarifzähler
Richtlinie 2005/29/EG Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 Buchst. c; UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3
Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Preistransparenz bei Tarifrechnern für Stromtarife von Energieversorgern zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Muss die vom Gewerbetreibenden nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein, dass der Verbraucher auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt?
BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22 - OLG Düsseldorf - LG Mönchengladbach
Das AG Augsburg hat entschieden, dass die Angabe der URLs der Social-Media-Accounts und Unternehmenswebsite des Absenders in der E-Mail-Signatur keine unzulässige Werbung per E-Mail darstellt.
Aus den Entscheidungsgründen: Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK oder wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S.2 BGB zu.
Die Verwendung von unaufgeforderter elektronischer Post für die Zwecke der Werbung kann zwar grundsätzlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellen.
Es handelt sich jedoch bei dem vorliegend seitens des Klägers monierten Verweis auf Internetpräsenzen der Beklagten durch die bloße Angabe der URL mit E-Mail vom 12.12.2022 bereits nicht um Werbung. Ein unterstellter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Werbung wäre zudem auch nicht rechtswidrig. Die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zu Lasten des Klägers aus.
1) Keine Werbung
Die streitgegenständliche E-Mail der Beklagten hatte keinen werblichen Inhalt. Der Verweis auf die Internetpräsenzen der Beklagten durch die Angabe der URL stellt schon keine Werbung dar.
a) Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – z.B. in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring – erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 fit. a RL 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABI. EU L 376, S. 21) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 134/15).
b) Nach diesen Grundsätzen stellt der bloße Verweis auf die Internetpräsenzen eines Unternehmens im Anschluss an Kontaktdaten des Mitarbeiters, ohne dass diese mit einem Produkt oder anderen werbenden Angaben verknüpft sind, keine Werbung dar. Denn dieser Verweis ist gerade nicht unmittelbar darauf gerichtet, die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen zu erreichen. Er dient vielmehr Informationszwecken, ebenso wie die Angabe der weiteren Kontaktdaten, in deren Zusammenhang die Nennung der Internetpräsenzen als Teil der Signatur des Mitarbeiters zu sehen ist. Auch eine mittelbare Absatzförderung durch Imagewerbung kann das Gericht hierin gerade nicht erkennen.
2) Keine Rechtswidrigkeit
Der Kläger müsste eine unterstellte Beeinträchtigung überdies dulden, da sie nach § 1004 Abs. 2 BGB analog rechtmäßig wäre.
Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw. in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers wäre nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seiner Privatsphäre bzw. der Schutz der geschäftlichen Sphäre, insb. die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des Klägers die schutzwürdigen Belange der Beklagten, mit ihren Kunden zum Zwecke der Produktberatung zu kommunizieren, überwiegen würde Dies ist nicht der Fall. Die Interessenabwägung geht zu Gunsten der Beklagten aus.
Der Kläger erhielt die Abwesenheitsnachricht im Rahmen einer laufenden Produktberatung, zu welcher er selbst mehrfach mit dem Mitarbeiter der Beklagten Kontakt aufgenommen und bereits kommuniziert hat. Die in diesem Zusammenhang zugesandte Abwesenheits-E-Mail hatte für den Kläger als Kunden, welcher konkrete Produkte bei der Beklagten angefragt hatte, einen wesentlichen informatorischen Charakter, nämlich den Zweck zu verhindern, dass dieser wegen der Abwesenheit des Mitarbeiters keine Antwort auf seine Produktanfrage erhält. Unterstellt, der Verweis auf die Internetauftritte der Beklagten würde eine Werbung darstellen, wäre in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die unerwünschte Werbung durch Nennung der Mailadressen die Interessen des Klägers nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigt, zumal er diese einfach ignorieren konnte. Ein gedankliches Beschäftigen mit der Werbemail ist gerade nicht notwendig. Denn es handelte sich bei dem Hinweis der Beklagten offensichtlich nur um Internetauftritte derselben, Eine Trennung von anderen Informationen durch den Kläger ist nicht erforderlich. Vielmehr kann der Kläger es ohne jeden zeitlichen Aufwand unterlassen, die weiteren Internetpräsenzen der Beklagten anzuklicken. Ein Aussortieren eines werbenden Teils der E-Mail ist hierfür gerade nicht erforderlich. Die schutzwürdigen Belange des Klägers überwiegen vorliegend somit gerade nicht.
Aus den Entscheidungsgründen: Der zulässigen Klage war in vollem Umfang stattzugeben, da dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 i.V.m. 5 Abs. 1 Satz 1 UWG zusteht.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner“ bezeichnet bzw. als … Empfehlung“ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.
Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet (vgl. etwa die Warbung gemäß Anlage K 9, Seite 1 der Anlage K 1 und die Rückseiten der Anlagen K 1 und K 2). Dies wird letztendlich auch von der Beklagten so gesehen, die auf die als Anlage B 9 vorgelegte Pressemitteilung der Stiftung Warentest verweist. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.
Nach der Lebenserfahrung hat der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwartet, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen (vgl. GRUR 2016, 1398 bis 1400 – LGA tested).
Tatsächlich ist es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lässt.
Vielmehr sind von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt werden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhen, wie z.B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.
Dass Anwaltsranglisten (und gleiches muss für Ärztelisten geltend) schwerpunktmäßig Werturteile und gerade keine Tatsachenbehauptungen enthalten, war sogar der maßgebliche Grund dafür, dass das Bundesverfassungsgericht in der Juve-Handbuch-Entscheidung das Urteil des Bundesgerichtshofs, dass die entsprechenden Anwaltslisten als wettbewerbswidrig eingestuft hatte, aufgehoben hat (vgl. den ersten Leitsatz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts GRUR 2006, 1319)
Durch die gegen ein nicht unerhebliches Entgelt gewährte Lizenzierung von Gütesiegeln, die den Anschein eines objektiven Prüfzeichens erwecken, wird jedoch gerade der Bereich der von der Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gedeckten redaktionellen, bewertenden Beurteilung verlassen und der irreführende Eindruck erweckt, es gebe tatsächliche, objektiv nachprüfbare Kriterien, die zur Verleihung des Gütesiegels geführt haben.
Die von der Beklagten vergebenen Siegel erwecken gerade nicht den Eindruck, dass diesem eine mathematisch nicht nachvollziehbare Wertungsentscheidung zugrunde liegt. Das vermeintlich durch das Siegel objektivierte Qualitätsurteil ist in Wahrheit ein rein subjektives, das von vielen durch Ärzte und ihre Leistungen nicht beeinflussbare Faktoren abhängt. Dies gilt sowohl für das Siegel mit der Bezeichnung „TOP-Mediziner“ als auch für das regionale Siegel, das mit … Empfehlung“ galabelt ist. Auch dieses etwas weicher formulierte Siegel hat die optische Aufmachung eines Prüfzeichens und wird daher jedenfalls bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise die Erwartung wecken, die Prüfung sei anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien durchgeführt worden.
2. Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 277, Juve-Handbuch zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.
Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend. Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall nicht daraus, dass irgendjemand in sittenwidriger Weise zum Erwerb dieses Prüfsiegels verleitet wurde, sondern daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.
Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt von der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert.
3. Auch die von der Beklagten erhobene Einrede de: Verjährung greift nicht durch. Nach unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin enthält die Anlage K 10,nämlich die „Ärzteliste 2021“ weiterhin Werbeanzeigen von vermeintlichen „TOP-Medizinern“, die sowohl mit Siegeln betreffend das Jahr 2021 als auch das Jahr 2020 werben. Die von der Beklagten unter Wiedergabe des Siegels aus 2020 abgedruckten Anzeigen befinden sich auf Seiten 181, 218 und 219 des Hefts. Es liegt daher eine nicht abgeschlossene Dauerhandlung vor, bei der ein die Verjährung noch nicht begonnen hat.
4. Dass die im Klageantrag und Tenor abgebildeten Siegeln von der Beklagten jeweils mit dam entsprechenden Fachgebiet bzw. dem Landkreis zur Verfügung gestellt wurden und nicht in der verallgemeinernden Form des Klageantrags, ändert nichts an der hinreichenden Bestimmtheit und Begründetheit des Unterlassungsantrags. Die Verallgemeinerung umfasst sämtliche Fachrichtungen und sämtliche Landkreise. Die Hinzufügung dieser Kriterien in den Siegeln, die die Beklagte den Ärzten zur Verfügung stellt, ändert nichts an ihrem irreführenden Charakter.
5. Dem Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 ZPO konnte nicht stattgegeben werden, da nicht hinreichend nachgewiesen wurde, dass der Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils ein unersetzbarer Nachteil entstehen würde. Die Beklagte hat keinerlei konkrete Zahlen vorgelegt, aus denen die Kammer schließen könnte, dass es ihr als Verlag ohne die Lizenzeinnahmen aus den irreführenden Siegeln nicht möglich wäre, die Ärztelisten weiter herauszugeben. Dies erscheint schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil die Beklagte bis vor zehn Jahren genau dies getan hat, nämlich ihre Ärztelisten ohne die Einnahmen aus den Siegeln zu finanzieren. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Gläubigerin vor Irreführung der Allgemeinheit (vgl. BGH WM 18, 2048). Eine Existenzgefährdung der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten als Verlag ist weder ersichtlich noch wurde sie vorgetragen.
Die Fälle, in denen Feststellungen nach § 712 Abs. 1 ZPO zu einem für den Schuldner unersetzlichen Nachteil getroffen werden können, sind seiten. Es genügt nicht die bloße Wahrscheinlichkeit eines Nachteils; vielmehr muss das Gericht von dessen Eintritt überzeugt sein (vgl. Herget in Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., Rdn. 1 zu § 712 ZPO m.w.N.)
Der Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Satz 1 ZPO. Dabei wurde die Sicherheitsleistung mit dem Doppelten des von der Klägerin angegebenen und von der Beklagten auch nicht in Frage gestellten Streitwerts, der ebenfalls entsprechend erhöht wurde, angegeben. Da die Beklagte auch keine konkreten Zahlen angegeben hat, aus denen sich schließen lassen könnte, welche Einnahmen ihr in Zukunft durch die Vergabe der Siegel entgehen, konnte die Sicherheitsleistung auch nicht höher angesetzt werden.
Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin "FOCUS Gesundheit" mangels objektiver Kriterien vorliegt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Ärzte-Siegel
Die 4. Kammer für Handelssachen hat heute der Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sog. „Ärzte-Siegel“ gegen einen Verlag stattgegeben (Az 4 HKO 14545/21).
Der Kläger beanstandete, dass die Beklagte gegen Entgelt an Ärztinnen und Ärzte Siegel verleiht, die sie als sogenannte „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ auszeichnen.
Einmal im Jahr erscheint bei der Beklagten das Magazin „FOCUS Gesundheit“ unter dem Titel „Ärzteliste“. Gegen eine zu bezahlende Lizenz in Höhe von rund 2.000 EUR netto erhalten Ärzte ein Siegel unter der Rubrik „FOCUS EMPFEHLUNG“, das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung bzw. des Landkreises) tun.
Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot.
Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner“ bezeichnet bzw. als „FOCUS-Empfehlung“ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.
Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet.
Hierzu führt die Kammer Folgendes aus: Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auf-fassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.
Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwarte, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen.
Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse.
Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie z. B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.
Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 277, Juve-Handbuch, zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.
Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend:
Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.
Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert.
LG Darmstadt
Versäumnisurteil vom 22.11.2022 20 0 49/22
Das LG Darmstadt hat entschieden, dass dass ein Finanzvermittler nicht die Bezeichnung bzw. den Zusatz "Banka" verwenden darf. Es liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor. Es handelt sich bei "Banka" um den türkische Übersetzung für "Bank". Der Zusatz darf nur von erlaubnispflichtigen Kreditinstituten geführt werden. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.