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EU-Kommission: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft sind Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA)

Die EU-Kommission hat festgestellt, dass Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft Gatekeeper im Sinn des Digital Markets Act (DMA) sind.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:
Die Europäische Kommission hat heute im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte erstmals sechs Torwächter (Gatekeeper) benannt: Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft. Insgesamt wurden 22 zentrale Plattformdienste, die von Torwächtern bereitgestellt werden, benannt. Die sechs Torwächter haben nun sechs Monate Zeit, um die vollständige Einhaltung der Verpflichtungen gemäß dem Gesetz über digitale Märkte für jeden ihrer benannten zentralen Plattformdienste sicherzustellen.

Im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte kann die Europäische Kommission digitale Plattformen als „Torwächter“ benennen, wenn diese für Unternehmen über zentrale Plattformdienste ein wichtiges Zugangstor zu Verbraucherinnen und Verbrauchern darstellen. Die heutigen Benennungsbeschlüsse sind das Ergebnis einer Überprüfung durch die Kommission über 45 Tage, nachdem Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta, Microsoft und Samsung ihren potenziellen Torwächter-Status mitgeteilt hatten. Insbesondere hat die Kommission den Torwächter-Status für die folgenden zentralen Plattformdienste festgestellt:

Parallel dazu hat die Kommission vier Marktuntersuchungen eingeleitet, um die eingereichten Mitteilungen von Microsoft und Apple weiter zu prüfen, denen zufolge einige ihrer zentralen Plattformdienste nicht als Zugangstore anzusehen sind, obwohl sie die Schwellenwerte erreichen:

Microsoft: Bing, Edge und Microsoft Advertising
Apple: iMessage
Nach dem Gesetz über digitale Märkte soll im Rahmen dieser Untersuchungen festgestellt werden, ob durch eine hinreichend stichhaltige Widerlegung durch die Unternehmen nachgewiesen wird, dass die betreffenden Dienste nicht benannt werden sollten. Die Untersuchung sollte innerhalb von fünf Monaten abgeschlossen werden.

Darüber hinaus hat die Kommission eine Marktuntersuchung eingeleitet, um weiter zu prüfen, ob Apples iPadOS zu den Torwächtern gezählt werden sollte, obwohl es die Schwellenwerte nicht erreicht. Diese Untersuchung im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte sollte innerhalb von höchstens 12 Monaten abgeschlossen werden.

Darüber hinaus kam die Kommission zu dem Schluss, dass Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser zwar die Schwellenwerte des Gesetzes über digitale Märkte für die Einstufung ihrer Betreiber als Torwächter erreichen, Alphabet, Microsoft und Samsung jedoch hinreichend begründete Argumente dafür vorgelegt haben, dass diese Dienste nicht als Zugangstor für die jeweiligen zentralen Plattformdienste anzusehen sind. Daher beschloss die Kommission, Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser nicht als zentrale Plattformdienste zu benennen. Dementsprechend wurde Samsung nicht als Torwächter in Bezug auf einen zentralen Plattformdienst eingestuft.

Nächste Schritte für benannte Torwächter
Nach ihrer Benennung haben die Torwächter nun sechs Monate Zeit, um sich an die vollständige Liste der Gebote und Verbote zu halten, die im Gesetz für digitale Märkte vorgesehen sind, sodass Endnutzern und gewerblichen Nutzern der Dienste des Torwächters eine größere Auswahl geboten und mehr Freiheit eingeräumt wird. Einige der Verpflichtungen gelten jedoch direkt ab dem Zeitpunkt der Benennung, z. B. die Verpflichtung, die Kommission über jeden geplanten Zusammenschluss zu unterrichten. Es liegt bei den benannten Unternehmen, die wirksame Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und nachzuweisen. Zu diesem Zweck müssen sie innerhalb von sechs Monaten einen ausführlichen Compliance-Bericht vorlegen, in dem sie darlegen, wie sie die einzelnen Verpflichtungen des Gesetzes über digitale Märkte erfüllen.

Die Kommission wird die wirksame Umsetzung und Einhaltung dieser Verpflichtungen überwachen. Kommt ein Torwächter den im Gesetz über digitale Märkte festgelegten Verpflichtungen nicht nach, kann die Kommission Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des weltweit erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens verhängen, der bei wiederholter Zuwiderhandlung auf bis zu 20 % hochgesetzt werden kann. Im Falle systematischer Zuwiderhandlungen ist die Kommission auch befugt, zusätzliche Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen. Beispielsweise kann sie einen Torwächter dazu verpflichten, ein Unternehmen oder Teile davon zu verkaufen, oder sie kann dem Torwächter verbieten, zusätzliche Dienste zu erwerben, die mit der systematischen Nichteinhaltung in Verbindung stehen.

In Zukunft könnten weitere Unternehmen der Kommission auf der Grundlage ihrer Selbstbeurteilung Mitteilungen im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte in Bezug auf die einschlägigen Schwellenwerte übermitteln. In diesem Zusammenhang führt die Kommission konstruktive Gespräche mit allen relevanten Unternehmen.



Hintergrund
Das Gesetz über digitale Märkte soll verhindern, dass Torwächter den Unternehmen und Endnutzern unfaire Bedingungen aufzwingen, und so die Offenheit wichtiger digitaler Märkte gewährleisten.

Zusammen mit dem Gesetz über digitale Märkte schlug die Kommission im Dezember 2020 das Gesetz über digitale Dienste vor, um die negativen Folgen bestimmter Verhaltensweisen von Online-Plattformen, die als digitale Torwächter fungieren, für den EU-Binnenmarkt anzugehen.

Das Gesetz über digitale Märkte, das seit November 2022 in Kraft ist und seit Mai 2023 angewendet wird, zielt darauf ab, bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor zu gewährleisten. Es reguliert die sogenannten Torwächter: große Online-Plattformen, die gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Verbrauchern dienen und die aufgrund dieser Stellung die Macht haben, den Marktzugang in der digitalen Wirtschaft zu kanalisieren.

Unternehmen, die mindestens einen der zehn im Gesetz über digitale Märkte aufgeführten zentralen Plattformdienste betreiben, werden als Torwächter angesehen, wenn sie die nachstehenden Kriterien erfüllen. Zu diesen zentralen Plattformdiensten gehören Online-Vermittlungsdienste wie Dienste zum Herunterladen von Computer- oder Handy-Apps, Online-Suchmaschinen, soziale Netzwerke, bestimmte Kommunikationsdienste, Video-Sharing-Plattform-Dienste, virtuelle Assistenten, Webbrowser, Cloud-Computing-Dienste, Betriebssysteme, Online-Marktplätze und Online-Werbedienste. Ein Unternehmen kann dabei auch für mehrere zentrale Plattformdienste als Torwächter benannt werden.

Es gibt drei quantitative Hauptkriterien, die die Annahme begründen, dass ein Unternehmen ein Torwächter im Sinne des Gesetzes über digitale Märkte ist: i) Das Unternehmen erzielt einen bestimmten Jahresumsatz im Europäischen Wirtschaftsraum und erbringt in mindestens drei EU-Mitgliedstaaten einen zentralen Plattformdienst, ii) das Unternehmen betreibt einen zentralen Plattformdienst mit monatlich mehr als 45 Millionen aktiven Endnutzern, die in der EU niedergelassen sind oder sich dort aufhalten, und mit jährlich mehr als 10 000 aktiven gewerblichen Nutzern mit Niederlassung in der EU und iii) das Unternehmen hat das zweite Kriterium in den drei vorhergehenden Geschäftsjahren erfüllt.

Im Gesetz über digitale Märkte ist eine Reihe spezifischer Verpflichtungen festgelegt, die Torwächter einhalten müssen, und bestimmte Verhaltensweisen werden ihnen untersagt mithilfe einer Liste von Geboten und Verboten.

Mit dem Gesetz über digitale Märkte wird der Kommission auch die Befugnis übertragen, Marktuntersuchungen durchzuführen, um i) Unternehmen aus qualitativen Gründen als Torwächter zu benennen, ii) die Verpflichtungen für Torwächter erforderlichenfalls zu aktualisieren, iii) Abhilfemaßnahmen zu konzipieren, mit denen gegen systematische Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Gesetzes über digitale Märkte vorgegangen wird.


Weitere Informationen finden Sie hier:

LG Baden-Baden: Verstoß gegen DSGVO durch Verarbeitung personenbezogener Daten auf privaten Kommunikationsgeräten von Mitarbeitern - Auskunftsanspruch und Unterlassungsanspruch

LG Baden-Baden
Urteil vom 24.08.2023
3 S 13/23


Das LG Baden-Baden hat entschieden, dass ein gegen die Vorgaben der DSGVO durch Verarbeitung personenbezogener Daten auf privaten Kommunikationsgeräten von Mitarbeitern vorliegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Berufung über Klage auf Geltendmachung von Ansprüchen nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wegen eigenmächtiger Verarbeitung von Kundendaten auf privatem Account hat Erfolg.

Unternehmen wird zur Auskunft über ihre Mitarbeiter, die Kundendaten privat verarbeitet haben und dazu verurteilt, ihren Mitarbeitern die Verwendung der Daten auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Durch Urteil vom 24.08.2023 (Az. 3 S 13/23) hat das Landgericht Baden-Baden ein Unternehmen dazu verurteilt, einer Kundin die Namen ihrer Mitarbeiter zu benennen, die in dem Unternehmen erhobene Kundendaten privat verarbeitet haben. Darüber hinaus ist das Unternehmen dazu verurteilt worden, ihren Mitarbeitern die fortgesetzte Verwendung der personenbezogenen Kundendaten auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sehe einen Auskunftsanspruch der Kundin nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO vor, der sich vorliegend auch darauf erstreckte, der klagenden Kundin die Mitarbeiter der Beklagten als Empfänger im Sinne von Art. 4 Ziff. 9 DSGVO zu benennen, denen gegenüber die personenbezogenen Daten der Klägerin offengelegt worden sind und die diese privat verarbeitet haben, etwa weil sie diese auf einem privaten Account eines sozialen Netzwerks genutzt haben. Zwar seien Arbeitnehmer eines für die Datenverarbeitung Verantwortlichen grundsätzlich nicht als Empfänger anzusehen. Dies gelte aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 22.06.2023, C-579/21, Rn. 75) nur dann, wenn sie unter der Aufsicht des Verantwortlichen und im Einklang mit seinen Weisungen die Daten verarbeiteten. Demgegenüber habe in dem zu entscheidenden Fall zumindest eine Mitarbeiterin der Beklagten zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit dem Kauf eines Fernsehers den Kontakt zu einer Kundin eigenmächtig über ihren privaten Account hergestellt. Da für die Kundin die Nennung der Mitarbeiter erforderlich sei, um die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu überprüfen und ggf. weitere nach der DSGVO zustehende Ansprüche gegen die Mitarbeiter geltend machen zu können, bestehe vorliegend ein Auskunftsanspruch auf Nennung der Mitarbeiter. Denn eine vorzunehmende Abwägung der in Rede stehenden Rechte und Freiheiten der Kundin einerseits und der Mitarbeiter andererseits führe im Hinblick darauf, dass die Nutzung der Kundendaten auf privaten Accounts entgegen den Weisungen und den üblichen Gepflogenheiten des Unternehmens eigenmächtig durch die Mitarbeiterin der Beklagten erfolgt sei, dazu, dass das Interesse der Mitarbeiter, anonym zu bleiben, nicht schutzwürdig sei und gegenüber den Interessen der Kundin auf Geltendmachung ihrer Ansprüche nach der DSGVO zurückzustehen habe.

Darüber hinaus stehe der Kundin nach §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 DSGVO ein Anspruch darauf zu, dass das beklagte Unternehmen ihren Mitarbeitern, die bei der Beklagten erhobene personenbezogene Daten der Klägerin auf privaten Kommunikationsgeräten verwendet haben, die fortgesetzte Verwendung untersage. Die Beklagte sei als mittelbare Handlungsstörerin verantwortlich und verpflichtet, die ihren Weisungen unterliegenden Mitarbeiter der Beklagten dazu anzuhalten, die weisungswidrige fortgesetzte Verwendung der in dem Unternehmen erhobenen personenbezogenen Daten der Kundin zu unterlassen.

Das Landgericht hat die Revision gegen das Urteil vom 24.08.2023 nicht zugelassen. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist damit nicht statthaft.

Zum Hintergrund:

Die Kundin hatte im Juni 2022 bei dem beklagten Unternehmen einen Fernseher und eine Wandhalterung erworben. In dem Zusammenhang wurden von ihr der Name und ihre Anschrift erfasst. Wenige Tage darauf gab sie die Wandhalterung wieder zurück, wobei ihr versehentlich der wesentlich höhere Kaufpreis für den Fernseher erstattet wurde.

Als das Versehen in dem Unternehmen bemerkt wurde verfasste eine Mitarbeiterin des Unternehmens über ihren privaten Account eines sozialen Netzwerks noch am gleichen Tag eine Nachricht an die Kundin, mit der sie auf das Versehen aufmerksam machte und um Rückmeldung bat. Darüber hinaus erhielt die Kundin ebenfalls noch an diesem Tag über Instagram eine weitere Nachricht, in der sie aufgefordert wurde, sich deshalb mit dem „Chef“ der Instagram-Nutzerin in Verbindung zu setzen.

Die Kundin hat mit ihrer gegen das Unternehmen gerichteten Klage die Auskunft begehrt, mitzuteilen, an welche Mitarbeiter der Beklagten ihre personenbezogenen Daten herausgegeben oder übermittelt wurden und darüber hinaus beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Mitarbeitern die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Das beklagte Unternehmen ist der Klage entgegen getreten.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Auskunftsanspruch bestehe nicht, da Mitarbeiter eines Unternehmens keine „Empfänger“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO, Art. 4 Nr. 9 DSGVO seien. Die begehrte Verurteilung, den Mitarbeiter der Beklagten die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen, sei nicht begründet.

Hiergegen hat sich die Berufung der Klägerin gerichtet, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt hat.

1. Instanz: Amtsgericht Bühl, Urteil vom 21.02.2023 – 3 C 210/22

2. Instanz: Landgericht Baden-Baden, Urteil vom 24.08.2023 - 3 S 13/23

Einschlägige Vorschriften:

Art. 15 DSGVO:

Abs. 1: Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:



c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen

….

Art. 4 DSGVO:

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

1. „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;

2. „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;



9.. „Empfänger“ eine natürliche oder juristische Person, …, der personenbezogene Daten offengelegt werden, unabhängig davon, ob es sich bei ihr um einen Dritten handelt oder nicht. …

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1)

Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.



§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

(1)

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2)

Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Volltext BVerwG liegt vor: Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtig sein

BVerwG
Beschluss vom 04.05.2023
5 P 16.21


Wir hatten bereits in dem Beitrag BVerwG: Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit freigeschalteter Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des Bundesverwaltungsgerichts:
Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Diese Frage entzieht sich einer generellen Beantwortung, sondern ist nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Meta / Facebook - Bundeskartellamt darf im Rahmen des Missbrauchsverfahrens auch DSGVO-Verstöße feststellen

EuGH
Urteil vom 04.07.2023
C-252/21
Meta Platforms Inc., vormals Facebook Inc., Meta Platforms Ireland Ltd, vormals Facebook Ireland Ltd, Facebook Deutschland GmbH
gegen
Bundeskartellamt,
Beteiligte:
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.,
(Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks)


Der EuGH hat entschieden, dass das Bundeskartellamt im Rahmen eines Missbrauchsverfahrens auch DSGVO-Verstöße feststellen darf, wobei das Bundeskartellamt etwaige Entscheidungen und Feststellungen der zuständigen Datenschutzbehörde berücksichtigen muss.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Eine nationale Wettbewerbsbehörde kann im Rahmen der Prüfung, ob eine beherrschende Stellung missbraucht wird, einen Verstoß gegen die DSGVO feststellen

Aufgrund ihrer Bindung an den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit muss sie jedoch eine etwaige Entscheidung oder Untersuchung seitens der nach der DSGVO zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen.

Meta Platforms Ireland betreibt in der Union das soziale Online-Netzwerk Facebook. Durch die Anmeldung bei Facebook stimmen die Nutzer den von diesem Unternehmen festgelegten Allgemeinen Nutzungsbedingungen und damit auch den Richtlinien für die Verwendung von Daten und Cookies zu. Nach diesen Richtlinien erfasst Meta Platforms Ireland Daten über Nutzeraktivitäten innerhalb und außerhalb des sozialen Netzwerks und ordnet sie den Facebook-Konten der betroffenen Nutzer zu. Bei den Daten, die Aktivitäten außerhalb des sozialen Netzwerks betreffen (auch „Off-Facebook-Daten“ genannt), handelt es sich zum einen um Daten über den Aufruf dritter Websites und Apps und zum anderen um Daten über die Nutzung anderer zum Meta-Konzern gehörender OnlineDienste (darunter Instagram und WhatsApp). Die dementsprechend erhobenen Daten ermöglichen es insbesondere, die an die Facebook-Nutzer gerichteten Werbenachrichten zu personalisieren.

Das deutsche Bundeskartellamt verbot es insbesondere, in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen die Nutzung des sozialen Netzwerks Facebook durch in Deutschland wohnhafte private Nutzer von der Verarbeitung ihrer OffFacebook-Daten abhängig zu machen und diese Daten ohne ihre Einwilligung zu verarbeiten. Es begründete seinen Beschluss damit, dass diese Verarbeitung, da sie nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 im Einklang stehe, eine missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung von Meta Platforms Ireland auf dem deutschen Markt für soziale Online-Netzwerke darstelle.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf, bei dem eine Beschwerde gegen diesen Beschluss anhängig ist, fragt den Gerichtshof, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden prüfen dürfen, ob eine Datenverarbeitung den Anforderungen der DSGVO entspricht. Außerdem fragt dieses Gericht, wie bestimmte Vorschriften der DSGVO auszulegen und auf eine Datenverarbeitung durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks anzuwenden sind.

In seinem heute verkündeten Urteil führt der Gerichtshof aus, dass es sich für die Wettbewerbsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen der Prüfung, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung missbraucht, als notwendig erweisen kann, auch zu prüfen, ob das Verhalten dieses Unternehmens mit anderen als den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, etwa mit den Vorschriften der DSGVO, vereinbar ist. Wenn die nationale Wettbewerbsbehörde einen Verstoß gegen die DSGVO feststellt, tritt sie allerdings nicht an die Stelle der durch diese Verordnung eingerichteten Aufsichtsbehörden. Die Prüfung, ob die DSGVO eingehalten wird, erfolgt nämlich ausschließlich, um den Missbrauch einer beherrschenden Stellung festzustellen und gemäß den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften Maßnahmen zur Abstellung dieses Missbrauchs aufzuerlegen.

Um eine kohärente Anwendung der DSGVO zu gewährleisten, sind die nationalen Wettbewerbsbehörden verpflichtet, sich abzustimmen und loyal mit den Behörden, die die Einhaltung dieser Verordnung überwachen, zusammenzuarbeiten. Hält es eine nationale Wettbewerbsbehörde für erforderlich, die Vereinbarkeit des Verhaltens eines Unternehmens mit der DSGVO zu prüfen, so muss sie insbesondere ermitteln, ob dieses oder ein ähnliches Verhalten bereits Gegenstand einer Entscheidung durch die zuständige Aufsichtsbehörde oder auch durch den Gerichtshof war. Ist dies der Fall, darf sie davon nicht abweichen, wobei es ihr aber freisteht, daraus eigene Schlussfolgerungen unter dem Gesichtspunkt der Anwendung des Wettbewerbsrechts zu ziehen.

Darüber hinaus weist der Gerichtshof darauf hin, dass die von Meta Platforms Ireland vorgenommene Datenverarbeitung offenbar auch besondere Kategorien von Daten betrifft, die u. a. die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse Überzeugungen oder die sexuelle Orientierung offenbaren können und deren Verarbeitung nach der DSGVO grundsätzlich untersagt ist. Das nationale Gericht wird daher zu prüfen haben, ob bestimmte der erhobenen Daten tatsächlich die Offenlegung solcher Informationen ermöglichen, unabhängig davon, ob diese Informationen einen Nutzer des sozialen Netzwerks oder eine andere natürliche Person betreffen.

Was die Frage betrifft, ob die Verarbeitung solcher sogenannten „sensiblen Daten“ ausnahmsweise zulässig ist, weil die betroffene Person diese Daten offensichtlich öffentlich gemacht hat, stellt der Gerichtshof klar, dass die bloße Tatsache, dass ein Nutzer Websites oder Apps aufruft, die solche Informationen offenbaren können, keineswegs bedeutet, dass er seine Daten im Sinne der DSGVO offensichtlich öffentlich macht. Ebenso verhält es sich, wenn ein Nutzer Daten auf solchen Websites oder in solchen Apps eingibt oder darin eingebundene Schaltflächen betätigt, es sei denn, er hat zuvor explizit seine Entscheidung zum Ausdruck gebracht, die ihn betreffenden Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen öffentlich zugänglich zu machen.

In Bezug auf die von Meta Platforms Ireland vorgenommene Verarbeitung in einem allgemeineren Sinne (einschließlich der Verarbeitung „nicht sensibler“ Daten) prüft der Gerichtshof sodann, ob diese unter die in der DSGVO genannten Rechtfertigungsgründe fällt, nach denen eine Datenverarbeitung rechtmäßig sein kann, ohne dass die betroffene Person ihre Einwilligung erteilt hat. Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die Erforderlichkeit, den mit dieser Person geschlossenen Vertrag zu erfüllen, die streitige Praxis nur dann rechtfertigt, wenn die Datenverarbeitung insofern objektiv unerlässlich ist, als der Hauptgegenstand des Vertrags ohne sie nicht erfüllt werden könnte. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das nationale Gericht äußert der Gerichtshof Zweifel daran, dass die Personalisierung der Inhalte oder die durchgängige und nahtlose Nutzung der Dienste des Meta-Konzerns diese Kriterien erfüllen können. Zudem befindet der Gerichtshof, dass die Personalisierung der Werbung, mit der das soziale Netzwerk Facebook finanziert wird, nicht als berechtigtes Interesse von Meta Platforms Ireland die fragliche Datenverarbeitung rechtfertigen kann, sofern keine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt.

Abschließend stellt der Gerichtshof fest, dass der Umstand, dass der Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks als für die Verarbeitung Verantwortlicher eine beherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Netzwerke einnimmt, für sich genommen nicht ausschließt, dass die Nutzer dieses Netzwerks im Sinne der DSGVO wirksam in die Verarbeitung ihrer Daten durch diesen Betreiber einwilligen können. Da eine solche Stellung aber geeignet ist, die Wahlfreiheit der Nutzer zu beeinträchtigen und ein klares Ungleichgewicht zwischen den Nutzern und dem Verantwortlichen zu schaffen, ist sie ein wichtiger Aspekt für die Prüfung, ob die Einwilligung tatsächlich wirksam, insbesondere freiwillig, erteilt wurde, wofür der betreffende Betreiber die Beweislast trägt.


Tenor der Entscheidung:

1. Die Art. 51 ff. der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sowie Art. 4 Abs. 3 EUV

sind dahin auszulegen, dass

eine mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörde im Rahmen der Prüfung, ob ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt, vorbehaltlich der Erfüllung ihrer Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden feststellen kann, dass die Allgemeinen Nutzungsbedingungen dieses Unternehmens, soweit sie sich auf die Verarbeitung personenbezogener Daten beziehen, und die Durchführung dieser Nutzungsbedingungen nicht mit der Verordnung 2016/679 vereinbar sind, wenn diese Feststellung erforderlich ist, um das Vorliegen eines solchen Missbrauchs zu belegen.

Angesichts dieser Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit darf die nationale Wettbewerbsbehörde von einer Entscheidung der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde oder der zuständigen federführenden Aufsichtsbehörde in Bezug auf diese Allgemeinen Nutzungsbedingungen oder ähnliche allgemeine Bedingungen nicht abweichen. Wenn sie Zweifel hinsichtlich der Tragweite einer solchen Entscheidung hat, wenn die fraglichen Bedingungen oder ähnliche Bedingungen gleichzeitig Gegenstand einer Prüfung durch diese Behörden sind oder wenn sie bei Nichtvorliegen einer Untersuchung oder Entscheidung dieser Behörden der Auffassung ist, dass die fraglichen Bedingungen nicht mit der Verordnung 2016/679 vereinbar sind, muss die Wettbewerbsbehörde diese Aufsichtsbehörden konsultieren und um deren Mitarbeit bitten, um ihre Zweifel auszuräumen oder zu klären, ob sie eine Entscheidung der Aufsichtsbehörden abwarten muss, bevor sie mit ihrer eigenen Beurteilung beginnt. Wird von den Aufsichtsbehörden innerhalb einer angemessenen Frist kein Einwand erhoben oder keine Antwort erteilt, so kann die nationale Wettbewerbsbehörde ihre eigene Untersuchung fortsetzen.

2. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

in dem Fall, dass ein Nutzer eines sozialen Online-Netzwerks Websites oder Apps mit Bezug zu einer oder mehreren der in dieser Bestimmung genannten Kategorien aufruft und dort gegebenenfalls Daten eingibt, indem er sich registriert oder Online-Bestellungen aufgibt, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber dieses sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass dieser Betreiber die aus dem Aufruf dieser Websites und Apps stammenden Daten sowie die vom Nutzer eingegebenen Daten über integrierte Schnittstellen, Cookies oder ähnliche Speichertechnologien erhebt, die Gesamtheit dieser Daten mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und diese Daten verwendet, als eine „Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, die vorbehaltlich der in Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 vorgesehenen Ausnahmen grundsätzlich untersagt ist, wenn diese Datenverarbeitung die Offenlegung von Informationen ermöglicht, die in eine dieser Kategorien fallen, unabhängig davon, ob diese Informationen einen Nutzer dieses Netzwerks oder eine andere natürliche Person betreffen.

3. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

ein Nutzer eines sozialen Online-Netzwerks, wenn er Websites oder Apps mit Bezug zu einer oder mehreren der in Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Kategorien aufruft, die diesen Aufruf betreffenden Daten, die der Betreiber dieses sozialen Online-Netzwerks über Cookies oder ähnliche Speichertechnologien erhebt, nicht im Sinne der erstgenannten Bestimmung offensichtlich öffentlich macht.

Gibt ein solcher Nutzer Daten auf solchen Websites oder in solchen Apps ein oder betätigt er darin eingebundene Schaltflächen – wie etwa „Gefällt mir“ oder „Teilen“ oder Schaltflächen, die es dem Nutzer ermöglichen, sich auf diesen Websites oder in diesen Apps unter Verwendung der Anmeldedaten, die mit seinem Konto als Nutzer des sozialen Netzwerks, seiner Telefonnummer oder seiner E‑Mail-Adresse verknüpft sind, zu identifizieren –, so macht er die eingegebenen oder sich aus der Betätigung dieser Schaltflächen ergebenden Daten nur dann im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung 2016/679 offensichtlich öffentlich, wenn er zuvor, gegebenenfalls durch in voller Kenntnis der Sachlage vorgenommene individuelle Einstellungen, explizit seine Entscheidung zum Ausdruck gebracht hat, die ihn betreffenden Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen öffentlich zugänglich zu machen.

4. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nur dann als im Sinne dieser Vorschrift für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragsparteien die betroffenen Personen sind, erforderlich angesehen werden kann, wenn diese Verarbeitung objektiv unerlässlich ist, um einen Zweck zu verwirklichen, der notwendiger Bestandteil der für diese Nutzer bestimmten Vertragsleistung ist, so dass der Hauptgegenstand des Vertrags ohne diese Verarbeitung nicht erfüllt werden könnte.

5. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nur dann als zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann, wenn der fragliche Betreiber den Nutzern, bei denen die Daten erhoben wurden, ein mit der Datenverarbeitung verfolgtes berechtigtes Interesse mitgeteilt hat, wenn diese Verarbeitung innerhalb der Grenzen dessen erfolgt, was zur Verwirklichung dieses berechtigten Interesses absolut notwendig ist und wenn sich aus einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen unter Würdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Nutzer gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen.

6. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nach dieser Vorschrift gerechtfertigt ist, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, der der Verantwortliche gemäß einer Vorschrift des Unionsrechts oder des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats unterliegt, tatsächlich erforderlich ist, diese Rechtsgrundlage ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel steht und diese Verarbeitung in den Grenzen des absolut Notwendigen erfolgt.

7. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. d und e der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, grundsätzlich – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – nicht als im Sinne von Buchst. d erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen, oder als im Sinne von Buchst. e für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde, angesehen werden kann.

8. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2016/679

sind dahin auszulegen, dass

der Umstand, dass der Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks eine beherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Online-Netzwerke einnimmt, für sich genommen nicht ausschließt, dass die Nutzer eines solchen Netzwerks im Sinne von Art. 4 Nr. 11 dieser Verordnung wirksam in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch diesen Betreiber einwilligen können. Gleichwohl ist dieser Umstand ein wichtiger Aspekt für die Prüfung, ob die Einwilligung tatsächlich wirksam, insbesondere freiwillig, erteilt wurde, wofür der betreffende Betreiber die Beweislast trägt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH-Generalanwalt: Google, Meta Platforms und Tik Tok dürfen zusätzliche Verpflichtungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Sitzes nur im konkreten Einzelfall auferlegt werden

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 08.06.2023
C-376/22
Google Ireland Limited, Tik Tok Technology Limited, Meta Platforms Ireland Limited


EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträge zu dem Ergebniss, dass Anbieter wie Google, Meta Platforms und Tik Tok zusätzliche Verpflichtungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Sitzes nur im konkreten Einzelfall auferlegt werden dürfen.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Plattformen wie Google, Meta Platforms und Tik Tok dürfen zusätzliche Verpflichtungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Sitzes nur in Bezug auf einen konkreten Einzelfall ergriffene Maßnahmen auferlegt werden

Das Unionsrecht verwehrt es, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten durch gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur zu beschränken.

Google, Meta Platforms und Tik Tok wenden sich vor den österreichischen Gerichten gegen die von der österreichischen Regulierungsbehörde für Kommunikation (KommAustria) getroffene Feststellung, dass das österreichische Bundesgesetz aus dem Jahr 2020 über Maßnahmen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen (KoPl-G 1) auf sie anwendbar sei, obwohl sie in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich Irland, niedergelassen sind.

Mit diesem Gesetz soll die Verantwortlichkeit von Kommunikationsplattformen gestärkt werden. Im Einzelnen verpflichtet es allgemein die Betreiber von „Kommunikationsplattformen“, die in Österreich oder im Ausland niedergelassen sind, ein Melde- und Überprüfungssystem für angeblich rechtswidrige Inhalte einzurichten. Außerdem sind diese Betreiber verpflichtet, regelmäßig Berichte über die Behandlung solcher Meldungen zu erstellen. Die im KoPl-G festgelegten Verpflichtungen erfordern nicht den vorherigen Erlass eines individuellkonkreten Rechtsakts. Des Weiteren sieht das Gesetz Geldstrafen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen vor.

Google, Meta Platforms und Tik Tok machen geltend, dass das KoPl-G mit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr2, insbesondere mit dem Herkunftslandprinzip, unvereinbar sei. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat dem Gerichtshof hierzu Fragen vorgelegt. Er möchte wissen, ob ein Mitgliedstaat den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten dadurch beschränken darf, dass er nationale Maßnahmen generell-abstrakter Natur ergreift, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft – nämlich „Kommunikationsplattformen“ – beziehen, ohne dass diese Maßnahmen in Bezug auf einen konkreten Einzelfall ergriffen werden.

In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag weist Generalanwalt Maciej Szpunar darauf hin, dass seine Analyse auf der Prämisse beruht, dass es sich bei den von den drei Unternehmen in Österreich erbrachten Dienstleistungen um Dienste der Informationsgesellschaft handelt, wie dies für den österreichischen Verwaltungsgerichtshof feststeht.

Der Generalanwalt stellt fest, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr es im koordinierten Bereich den Mitgliedstaaten verbietet, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat einzuschränken. Vorbehaltlich von Ausnahmen lässt diese Richtlinie es nicht zu, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das in seinem Herkunftsmitgliedstaat geltende Recht vorsieht.

Zu den von der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip wiederholt der Generalanwalt die Ausführungen in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Airbnb Ireland. Seiner Ansicht nach darf ein anderer als der Herkunftsmitgliedstaat Ausnahmen vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft nur durch auf den konkreten Einzelfall bezogene Maßnahmen vorsehen, und zwar nach vorheriger Mitteilung an die Kommission und Aufforderung an den Herkunftsmitgliedstaat, Maßnahmen im Bereich der Dienste der Informationsgesellschaft zu ergreifen, was vorliegend nicht geschehen ist.

Ginge man davon aus, dass eine generell-abstrakte Regelung, die für alle Anbieter einer Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft gilt, eine „Maßnahme“ darstellt, liefe dies im Übrigen darauf hinaus, die Fragmentierung des Binnenmarkts durch nationale Regelungen zuzulassen. Die Anwendung unterschiedlicher Gesetze auf einen Anbieter zuzulassen, liefe außerdem dem von der Richtlinie verfolgten Ziel zuwider, die rechtlichen Hemmnisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu beseitigen.

Daher ist der Generalanwalt der Auffassung, dass diese Richtlinie es verwehrt, dass ein Mitgliedstaat unter diesen Umständen und in derartiger Weise den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat beschränkt.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

EDPB: Facebook / Meta soll 1,2 Milliarden EURO Bußgeld wegen DSGVO-widriger Übermittlung personenbezogener Daten in die USA zahlen

Facebook / Meta soll 1,2 Milliarden EURO Bußgeld wegen DSGVO-widriger Übermittlung personenbezogener Daten in die USA zahlen.

Die Pressemitteilung des European Data Protection Board (EDPB):
1.2 billion euro fine for Facebook as a result of EDPB binding decision

Brussels, 22 May - Following the EDPB’s binding dispute resolution decision of 13 April 2023, Meta Platforms Ireland Limited (Meta IE) was issued a 1.2 billion euro fine following an inquiry into its Facebook service, by the Irish Data Protection Authority (IE DPA). This fine, which is the largest GDPR fine ever, was imposed for Meta’s transfers of personal data to the U.S. on the basis of standard contractual clauses (SCCs) since 16 July 2020. Furthermore, Meta has been ordered to bring its data transfers into compliance with the GDPR.

Andrea Jelinek, EDPB Chair, said: “The EDPB found that Meta IE’s infringement is very serious since it concerns transfers that are systematic, repetitive and continuous. Facebook has millions of users in Europe, so the volume of personal data transferred is massive. The unprecedented fine is a strong signal to organisations that serious infringements have far-reaching consequences.”

In its binding decision of 13 April 2023, the EDPB instructed the IE DPA to amend its draft decision and to impose a fine on Meta IE. Given the seriousness of the infringement, the EDPB found that the starting point for calculation of the fine should be between 20% and 100% of the applicable legal maximum. The EDPB also instructed the IE DPA to order Meta IE to bring processing operations into compliance with Chapter V GDPR, by ceasing the unlawful processing, including storage, in the U.S. of personal data of European users transferred in violation of the GDPR, within 6 months after notification of the IE SA’s final decision.

The IE DPA's final decision incorporates the legal assessment expressed by the EDPB in its binding decision, adopted on the basis of Art. 65(1)(a) GDPR after the IE DPA, as lead supervisory authority (LSA), had triggered a dispute resolution procedure concerning the objections raised by several concerned supervisory authorities (CSAs). Among others, CSAs issued objections aiming to include an administrative fine and/or an additional order to bring processing into compliance*.

The final decision taken by the IE DPA is available in the Register for Decisions taken by supervisory authorities and courts on issues handled in the consistency mechanism.



BVerwG: Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit freigeschalteter Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein

BVerwG
Beschluss vom 04.05.2023
5 P 16.21


Das BVerwG hat entschieden, dass Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit freigeschalteter Kommentarfunktion mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein können.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:
Soziale Medien mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein

Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält (teilweise zusammen mit anderen Rentenversicherungsträgern) im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Personalgewinnung bei Facebook, Instagram und Twitter eigene Seiten und Kanäle. Von ihr dort eingestellte Beiträge können Nutzer nach eigenem Belieben kommentieren und dabei auch Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter thematisieren. Beiträge und Kommentare werden von den sozialen Medien gespeichert, aber dort nicht für die Dienststelle ausgewertet. Während das Verwaltungsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bejaht hat, hat das Oberverwaltungsgericht dessen Bestehen verneint.

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Frage, ob die Einrichtung oder Anwendung von Seiten oder Kanälen mit Kommentarfunktion, die eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien unterhält, der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen, nicht generell, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden kann. Nach der einschlägigen Regelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG in der bis zum 14. Juni 2021 und inhaltsgleich nunmehr § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG in der seither geltenden Fassung). Dieses Mitbestimmungsrecht dient dem Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und soll gewährleisten, dass Beschäftigte nicht durch eine technische Einrichtung eine ständige Überwachung befürchten müssen und dadurch unter einen Überwachungsdruck geraten. Dieser Schutzzweck gebietet es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, bereits das Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben als selbstständige (Überwachungs-)Leistung einer technischen Einrichtung anzusehen. Denn es birgt grundsätzlich die Gefahr in sich, dass die Dienststelle diese Daten auch auswertet, wodurch ein Überwachungsdruck bei den Beschäftigten erzeugt werden kann. Das Speichern der in Rede stehenden Kommentare kann zudem zur Überwachung der Beschäftigten "bestimmt" sein. Für ein solches Bestimmtsein reicht es aus, dass die Datenspeicherung objektiv zur Überwachung geeignet ist.

Ob das der Fall ist, hängt beim Betreiben der in Rede stehenden sozialen Medien wegen der ungewissen, nur möglichen Eingabe entsprechender Verhaltens- oder Leistungsdaten durch Dritte in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob bei objektiver Betrachtung im konkreten Fall eine nach Maßgabe des Schutzzwecks des Mitbestimmungstatbestandes hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Einstellen entsprechender Nutzerkommentare gegeben ist. Hierfür ist zunächst die Konzeption des von der Dienststellenleitung verantworteten Auftritts der Dienststelle in den sozialen Medien von Bedeutung. Berichtet die Dienststellenleitung beispielsweise selbst über konkrete Beschäftigte und ihr Tätigkeitsfeld und lenkt damit den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten, können hierauf bezogene Nutzerkommentare erwartet werden. Demgegenüber wird von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Anbringung entsprechender Kommentare in der Regel nicht auszugehen sein, wenn Auftritte der Dienststelle in sozialen Medien sachbezogen in allgemeiner Form lediglich über Aufgaben der Dienststelle oder etwa ohne Bezüge zu bestimmten Beschäftigten in Form von Pressemitteilungen über die Tätigkeit der Dienststelle informieren. Darüber hinaus ist das tatsächliche Verhalten der Nutzer in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Kommt es insbesondere erst im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare, kann die Überwachungseignung eine gegenüber der ursprünglichen Prognose andere Relevanz erhalten und zu bejahen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters das Entstehen eines Überwachungsdrucks deshalb nicht anzunehmen ist, weil die Dienststellenleitung derartige Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht.

Da das Oberverwaltungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – die danach erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, war der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen.


BVerwG 5 P 16.21 - Beschluss vom 04. Mai 2023

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 62 PV 5/20 - Beschluss vom 04. August 2021 -

VG Berlin, VG 72 K 7.19 PVB - Beschluss vom 29. Mai 2020 -


EuGH-Generalanwalt: Bundeskartellamt darf DSGVO-Verstöße durch Geschäftspraktiken im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs verfolgen und ahnden - hier: Facebook / Meta

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 20.09.2022
Facebook Inc., Facebook Ireland Ltd, Facebook Deutschland GmbH ./. Bundeskartellamt
C-252/21


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass das Bundeskartellamt DSGVO-Verstöße durch Geschäftspraktiken im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs verfolgen und ahnden darf (hier: Facebook / Meta). Dabei müssen allerdings Entscheidungen der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden beachtet werden.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Generalanwalt Rantos ist der Auffassung, dass eine Wettbewerbsbehörde in Ausübung ihrer Zuständigkeiten die Vereinbarkeit einer Geschäftspraxis mit der Datenschutzgrundverordnung prüfen kann

Sie muss jedoch jede Entscheidung oder Untersuchung der nach dieser Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen.

Meta Platforms ist der Eigentümer des sozialen Online-Netzwerks „Facebook“. Die Nutzer dieses sozialen Netzwerks müssen die Nutzungsbedingungen von Facebook akzeptieren, die auf die Praxis der Nutzung dieser Daten und von Cookies durch Meta Platforms verweisen. Mit den Cookies erfasst Meta Platforms Daten, die aus anderen Diensten des Konzerns Meta Platforms wie Instagram oder WhatsApp stammen sowie aus Websites und Apps Dritter über in diese eingebundene Schnittstellen oder über auf dem Computer oder mobilen Endgerät des Nutzers gespeicherte Cookies. Diese Daten verknüpft Meta Platforms mit dem Facebook-Konto des betreffenden Nutzers und verwertet sie u. a. zu Werbezwecken.

Das deutsche Bundeskartellamt untersagte Meta Platforms die in den Nutzungsbedingungen von Facebook vorgesehene Datenverarbeitung sowie die Durchführung dieser Nutzungsbedingungen und erlegte dem Unternehmen Maßnahmen zur Abstellung dieses Verhaltens auf. Das Bundeskartellamt war der Auffassung, dass die in Rede stehende Verarbeitung eine missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung von Meta Platforms auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer in Deutschland darstelle. Meta Platforms legte gegen den Beschluss des Bundeskartellamts Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Dieses fragt den Gerichtshof, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden befugt sind, die Vereinbarkeit einer Datenverarbeitung mit der DSGVO zu prüfen. Außerdem stellt das Oberlandesgericht dem Gerichtshof Fragen zur Auslegung und Anwendung bestimmter Vorschriften der DSGVO.

In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag vertritt Generalanwalt Athanasios Rantos erstens die Auffassung, dass eine Wettbewerbsbehörde zwar nicht befugt ist, einen Verstoß gegen die DSGVO festzustellen, sie jedoch in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeiten berücksichtigen kann, ob eine Geschäftspraxis mit der DSGVO vereinbar ist. Insoweit unterstreicht der Generalanwalt, dass die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit einer Praxis mit der DSGVO unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein wichtiges Indiz für die Feststellung sein kann, ob diese Praxis einen Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften darstellt.

Der Generalanwalt stellt jedoch klar, dass eine Wettbewerbsbehörde die Einhaltung der DSGVO nur inzident prüfen kann und dies die Anwendung dieser Verordnung durch die nach der Verordnung zuständige Aufsichtsbehörde nicht präjudiziert. Folglich muss die Wettbewerbsbehörde alle Entscheidungen oder Untersuchungen der zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen, diese über jedes sachdienliche Detail informieren und sich gegebenenfalls mit ihr abstimmen.

Zweitens ist der Generalanwalt der Ansicht, dass der bloße Umstand, dass ein Unternehmen, das ein soziales Netzwerk betreibt, auf dem nationalen Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer eine beherrschende Stellung innehat, der Einwilligung des Nutzers dieses Netzwerks in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht ihre Wirksamkeit nehmen kann. Ein solcher Umstand spielt jedoch eine Rolle bei der Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung, die der für die Verarbeitung Verantwortliche nachzuweisen hat.

Drittens ist der Generalanwalt der Ansicht, dass die streitige Praxis von Meta Platforms oder bestimmte Tätigkeiten, aus denen sie sich zusammensetzt, unter in der DSGVO vorgesehene Ausnahmen fallen können, sofern die betreffenden Tätigkeiten dieser Praxis für die Erbringung der Dienstleistungen in Bezug auf das Facebook-Konto objektiv erforderlich sind. Auch wenn die Personalisierung der Inhalte sowie die durchgängige und nahtlose Nutzung der Dienste des Konzerns Meta Platforms, die Netzwerksicherheit und die Produktverbesserung im Interesse des Nutzers oder des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen erfolgen können, erscheinen diese Tätigkeiten allerdings nach Auffassung des Generalanwalts nicht für die Erbringung der genannten Dienstleistungen erforderlich.

Viertens stellt der Generalanwalt fest, dass das Verbot der Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten, die beispielsweise die rassische oder ethnische Herkunft, die Gesundheit oder die sexuelle Orientierung der betroffenen Person betreffen, auch die Verarbeitung der streitigen Daten umfassen kann. Dies ist dann der Fall, wenn die verarbeiteten Informationen, einzeln oder aggregiert betrachtet, die Erstellung eines Profils des Nutzers im Hinblick auf die in der DSGVO genannten sensiblen Merkmale ermöglichen.

In diesem Zusammenhang weist der Generalanwalt darauf hin, dass der Nutzer sich voll bewusst sein muss, dass er durch eine ausdrückliche Handlung personenbezogene Daten öffentlich macht, damit die Ausnahme von diesem Verbot, die beinhaltet, dass die betroffene Person die Daten offensichtlich öffentlich gemacht hat, greifen kann. Nach Ansicht des Generalanwalts kann ein Verhalten, das im Aufruf von Websites und Apps, der Eingabe von Daten in diese Websites und Apps sowie in der Betätigung von in diese eingebundenen Schaltflächen besteht, grundsätzlich nicht einem Verhalten gleichgestellt werden, das die sensiblen personenbezogenen Daten des Nutzers offensichtlich öffentlich macht.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


BGH: Berichterstattung über Liebesbeziehung eines Comedians mit Sex-Bloggerin zulässig wenn diese bei Instagram gemeinsame Urlaubsfotos veröffentlich haben

BGH
Urteil vom 02.08.2022
VI ZR 26/21
BGB § 823; GG Art. 5


Der BGH hat entschieden, dass die Berichterstattung über die Liebesbeziehung eines Comedians mit einer Sex-Bloggerin jedenfalls dann zulässig ist, wenn diese bei Instagram gemeinsame Urlaubsfotos veröffentlich haben.

Leitsatz des BGH:
Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung, die über eine Liebesbeziehung spekuliert (Fortführung und Abgrenzung Senat, Urteil vom 2. Mai 2017 - VI ZR 262/16, NJW-RR 2017, 1516).

BGH, Urteil vom 2. August 2022 - VI ZR 26/21 - KG Berlin - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Instagram-Influencerin muss Beiträge mit kostenlos erhaltenen Büchern mit Verlinkung auf Unternehmen per Tap Tag als Werbung kennzeichnen

OLG Frankfurt
Urteil vom 19.05.2022
6 U 56/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Instagram-Influencerin Beiträge mit kostenlos erhaltenen Büchern mit Verlinkung auf Unternehmen per Tap Tag als Werbung kennzeichnen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Anpreisung kostenlos erhaltener Bücher durch Influencerin auf Instagram mit Verlinkung zu den Unternehmen über Tap-Tags ist als Werbung kenntlich zu machen

Ein ohne finanzielle Gegenleistung erfolgter Beitrag einer Influencerin auf Instagram ist als Werbung zu kennzeichnen, wenn er kostenlos überlassene E-Books anpreist und jeweils mit sog. Tap-Tags zu den Unternehmen der Bücher verlinkt. Aufgrund der Vermischung von privaten und kommerziellen Darstellungen ist es für den Durchschnittsverbraucher ohne diese Kennzeichnung nicht erkennbar, ob es sich um Werbung handelt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies mit heute verkündetem Urteil die Berufung einer Influencerin zurück, die vom Landgericht zum Unterlassen der Veröffentlichung derartiger Posts ohne Werbehinweis verurteilt worden war.

Die Klägerin ist Verlegerin mehrerer Print- und Onlinezeitschriften. Sie verfügt über einen Instagram-Account und bietet Kunden u.a. entgeltlich Werbeplatzierungen an. Die Beklagte ist sog. Influencerin und betreibt auf Instragram ein Nutzerprofil mit mehr als einer halbe Million Followern. Sie stellt dort zum einen Produkte und Leistungen von Unternehmen vor, für deren Präsentation sie von diesen vergütet wird. Zum anderen veröffentlicht sie Posts, bei denen sie mittels sog. Tap-Tags auf die Instragram-Accounts von Unternehmen verlinkt, deren Produkte zu sehen sind. Hierfür erhält sie keine finanzielle Gegenleistung. Im Herbst 2019 verwies die Beklagte auf ein Bündel von E-Books, das sich mit veganer Ernährung befasste. Sie erhielt dafür keine finanzielle Gegenleistung; die E-Books waren ihr jedoch kostenlos zur Verfügung gestellt worden.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte, es zu unterlassen, kommerzielle Inhalte vorzustellen, ohne die Veröffentlichung als Wertung kenntlich zu machen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Der Klägerin stehe der geltend gemacht Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu, begründete das OLG seine Entscheidung. Die Parteien seien Mitbewerber. Beide böten Dritten an, auf ihrem Instagram-Account entgeltlich zu werben. Die Posts der Beklagten seien auch geschäftliche Handlungen. Erfasst würden Handlungen, die bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet seien, durch „Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern“, betont das OLG.

Der Betrieb des Instagram-Profils fördere zum einen das eigene Unternehmen der Beklagten. Die Steigerung des Werbewerts komme unmittelbar ihrem Unternehmen zugute. Gerade scheinbar private Posts machten es für das Publikum attraktiver, Influencern zu folgen, da diese so „glaubwürdiger, nahbarer und sympathischer“ wirkten. Zum anderen fördere der Post auch die Unternehmen der Anbieter der E-Books. Es liege ein „geradezu prototypischer Fall des werblichen Überschusses“ vor. Es finde keinerlei Einordnung oder inhaltliche Auseinandersetzung oder Bewertung der herausgestellten Produkte statt. Die Beklagte habe vielmehr werbend unter Hervorhebung des außergewöhnlich hohen Rabattes die E-Books angepriesen.

Diese Förderung der Drittunternehmen nicht kenntlich zu machen, sei unlauter. Die Beklagte habe die E-Books im von ihr behaupteten Wert von rund 1.300 € unentgeltlich erhalten und dies nicht gekennzeichnet. Die Kennzeichnung als Werbung sei auch nicht entbehrlich gewesen. „Selbst followerstarke Profile auf Instagram sind nicht stets (nur) kommerziell motiviert“, erläutert das OLG, so dass die Follower zu Recht erwarteten, dass ein etwaiges ernährungsbezogenes Engagement des Influencers nicht kommerziell beeinflusst sei. Die Beklagte habe allerdings nicht darauf hinweisen müssen, dass ihr Verhalten auch ihrem Unternehmen zu gute komme. Dies sei dem durchschnittlichen Verbraucher unzweifelhaft erkennbar gewesen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehren.



OLG Köln: Comedian darf ehemaligen Fußballnationalspieler bei Twitter nicht als "krankes Schwein" bezeichnen

OLG Köln
Urteil vom 10.03.2022
15 U 244/21


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Comedian einen ehemaligen Fußballnationalspieler nicht als "krankes Schwein" bezeichnen darf. Gegenstand des Rechtsstreits war ein Twitter-Post.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Da die einstweilige Verfügung des Senats durch die Aufhebung in dem angefochtenen Urteil auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten hin (endgültig) „kassiert“ worden ist, war – wie im Termin durch die auf Hinweis des Senats hin erfolgte Klarstellung der Anträge betont – richtigerweise dabei ein entsprechender Neuerlass der einstweiligen Verfügung geboten (vgl. etwa zum prozessualen Vorgehen in solchen Fällen OLG Köln v. 10.09.2002 - 16 U 80/02, BeckRS 2003, 153; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 925 Rn. 10; Dötsch, MDR 2010, 1429, 1432 Fn. 56 m.w.N.).

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

a)Eine doppelte Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog) wegen des ohnehin erst später vor dem Landgericht Hamburg wegen der weiteren Äußerung eingeleiteten Verfahrens steht mit den entsprechenden Ausführungen des Senats im Beschluss vom 24.06.2021 – 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte), auf die verwiesen wird, dem Antrag nicht entgegen. Zudem geht es richtigerweise ohnehin schon wegen des ganz anderen Kontextes der Äußerungen um zwei unterschiedliche Streitgegenstände, wie auch das LG Hamburg im Urt. v. 20.08.2021 – 324 O 265/21, Bl. 179 ff. d. Senatshefts im Parallelverfahren zutreffend ausgeführt hat. Es liegt aus ähnlichen Gründen schließlich auch keine sog. unzulässige Mehrfachverfolgung (§ 242 BGB) vor, wie der Senat a.a.O. ebenfalls bereits ausgeführt hat. Dem tritt der Verfügungsbeklagte auch nicht mit neuen sachlichen Einwendungen entgegen.

b) Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unter Verweis auf einschlägige Fundstellen zutreffend ausgeführt hat – worauf Bezug genommen wird -, ist die hier bereits vor Verfahrensbeginn ausgestellte, nunmehr im Original vorliegende und vom Senat in dem in elektronischen Akten geführten Berufungsverfahren als Papier-Urkunde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachte Verfahrensvollmacht (Protokoll, Bl. 224 d. Senatshefts) prozessual ohne weiteres noch vom Berufungsgericht zu berücksichtigen. Die Vorlage der Urkunde war allerdings sachlich geboten, denn § 80 Abs. 1 ZPO gilt richtigerweise auch in einstweiligen Verfügungsverfahren (OLG Saarbrücken v. 30.04.2008 – 1 U 461/07, juris; LG Bochum v. 04.10.2017 – 13 O 136/17, juris), so dass der Nachweis nicht – wie der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers es versucht hat – mittels einer eidesstattlichen Versicherung als Glaubhaftmachungsmittel zu führen war, wie im Schrifttum teilweise angedeutet wird (so Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 80 Rn. 8 unter Verweis auf die dies allerdings nicht tragende Entscheidung des LG Hamburg v. 13.08.2020 – 304 T 10/20, juris; an diese anschließend formstreng auch BGH v. 29.09.2021 – VII ZB 25/20, juris Rn. 15). Angesichts der nunmehr vorliegenden Urkunde - deren Echtheit nicht bestritten ist und die deswegen auch nicht (im Freibeweisverfahren, dazu MüKo-ZPO/Toussaint, 6. Aufl. 2020, § 80 Rn. 18) zu klären war - bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob das spontane Erheben der Rüge erst im Termin zur mündlichen Verhandlung im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) war, woran mit den Ausführungen des Landgerichts aber durchaus Bedenken bestehen.

2. Es fehlt vorliegend nicht - wie der Verfügungsbeklagte meint - am Verfügungsgrund, denn es liegt kein „dringlichkeitsschädliches“ Verhalten des Verfügungsklägers bzw. seines – ihm nach allgemeiner Ansicht über § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden (OLG München v. 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, GRUR-RS 2021, 29384 m.w.N.) - Verfahrensbevollmächtigten vor, welches zu einer sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit/Dringlichkeitsvermutung hätte führen können.

a) Als „dringlichkeitsschädliches“ Verhalten ist nur ein solches anzusehen, das erkennen lässt, dass es dem Verfügungskläger mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht oder nicht mehr so eilig ist, so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit den damit zu Lasten des Verfügungsbeklagten verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und der Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen bei dem angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Dringlichkeitsschädliche Auswirkungen auf den Verfügungsgrund können dabei anerkanntermaßen nicht nur Verhaltensweisen vor Antragstellung, sondern auch solche während des bereits anhängigen Verfahrens bzw. sogar bei der Zwangsvollstreckung haben. Indes liegen hier keine solchen Verhaltensweisen vor.

b) Es kann zunächst nicht daran angeknüpft werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte einen (später zurückgezogenen) Antrag auf Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat gestellt hat.

aa) Zwar ist der Verfügungskläger nach Aufhebung der vom Senat erlassenen einstweiligen Verfügung auf Widerspruch hin durch das angefochtene Urteil (wieder) genauso wie vor dem erstmaligen Erlass einer einstweiligen Verfügung „ungesichert“ gewesen (vgl. OLG Frankfurt v. 02.09.2021 – 19 U 86/21, juris Rn. 55), so dass etwaigen Termins- und Fristverlegungsanträgen (außerhalb hier nicht vorliegender besonderer rechtfertigender Umstände, dazu OLG Karlsruhe v. 09.06.2005 – 4 U 164/04, BeckRS 2005, 30357864) kritischer zu begegnen ist, weil mit der Stattgabe solcher Anträge in aller Regel nicht unerhebliche Verfahrensverzögerungen einhergehen, die der Verfügungskläger dann mit seinem Antrag billigend in Kauf nimmt. Soweit dies teilweise so streng gehandhabt wird, dass schon allein ein Verlängerungsantrag für die Berufungsbegründungsfrist um – wie hier – einen Monat schädlich sein soll, selbst wenn diesem Antrag gar nicht entsprochen wird oder er auch sonst keine Folgen hat (so die von der Vorsitzenden in ihrem Hinweis zitierte Entscheidung des OLG München v. 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, GRUR-RS 2021, 29384 und möglicherweise auch Kontusch JuS 2012, 323, 326 sowie Schuschke/Roderburg, in: Schuschke u.a., Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl. 2020, Vor § 935 Rn. 105; beide allerdings nur unter Verweis auf eine dies so nicht tragende Entscheidung des KG v. 16.04.2009 - 8 U 249/08, BeckRS 2009, 14692), deckt sich das zwar mit der teils wohl gleichermaßen sehr strengen Handhabung bei Anträgen auf Terminsverlegung (siehe selbst für einen Hilfsantrag in einer mündlicher Verhandlung auf eine kurze Vertagung OLG Düsseldorf v. 10.07.1997 - 2 U 9/97, WRP 1997, 968).

bb) Indes erscheint diese Lesart so pauschal überzogen streng und verstellt den Blick auf die tatsächlich gebotene Einzelfallbetrachtung, zumal die rein prozessualen Möglichkeiten einer Fristverlängerung für Rechtsmittelfristen - die ohnehin primär auf „normale“ Klageverfahren ausgelegt sind - mit der Frage der „Dringlichkeit“ unmittelbar nichts zu tun haben und es allenfalls um indizielle Auswirkungen auf die tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit gehen kann (grundlegend Teplitzky, WRP 2013, 1414 ff.); deswegen ist stets eine Würdigung im Einzelfall geboten (so auch OLG Hamburg v. 21.03.2019 – 3 U 105/18, juris, Rn. 45; gegen Dringlichkeitsschädlichkeit einer prozessual zulässigen Fristverlängerung und –ausschöpfung – überholt – aber sogar noch OLG Hamburg v. 08. Juli 1976 – 3 U 45/76, juris Rn. 38; v. 17.08.1995 – 3 U 87/95, WRP 1996, 27, 28). Mit Blick darauf wird eine Dringlichkeitsschädlichkeit von der herrschenden Meinung nur dann diskutiert, wenn man über den Fristverlängerungsantrag hinaus die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist auch tatsächlich überschritten hat (so OLG München v. 30.06.2016 – 6 U 531/16, GRURRR 2016, 499 Rn. 79 selbst bei nur wenigen Tagen), wobei zumeist zusätzlich eine „nicht unerhebliche“ Verlängerung der Frist vorausgesetzt wird, bei der man die so bewilligte Frist auch „nicht unerheblich“ oder sogar vollständig „ausnutzt“ (so etwa schon Senat v. 19.01.2012 - 15 U 195/11, BeckRS 2012, 5820; siehe ferner OLG Frankfurt v. 02.09.2021 – 19 U 86/21, juris Rn. 52 ff.; v. 13.09.2001 – 6 U 79/01, juris Rn. 4 f. – 6 Tage unschädlich; OLG Dresden v. 06.03.2018 – 4 U 1675/17, NJW-RR 2018, 1135 Rn. 7 f.; OLG Hamburg v. 18.08.2017 – 7 U 72/17, BeckRS 2017, 127226 Rn. 2 ff.; OLG Celle v. 17.09.2015 - 13 U 72/15, BeckRS 2016, 17073; KG v. 16.04.2009 - 8 U 249/08, BeckRS 2009, 14692; OLG Düsseldorf v. 15.07.2002 - 20 U 74/02, GRUR-RR 2003, 31; OLG Köln v. 05.07.1999 – 16 U 3/99, BeckRS 1999, 30065637; OLG München v. 09.08.1990 - 6 U 3296/90, GRUR 1992, 328; OLG Naumburg v. 20.09.2012 - 9 U 59/12, MMR 2013, 131, 132 – zwei Wochen unschädlich; siehe allg. auch MüKo-ZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, § 935 Rn. 22; Dötsch, MDR 2010, 1429, 1433; Feddersen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 54 Rn. 27; Schlingloff, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 401; offen Senat v. 18.03.2019 - 15 U 25/19, BeckRS 2019, 22208 bei Verlängerung um eine Woche über Karneval im Rheinland).

cc) Mit Blick darauf und auf die weitere Tatsache, dass es hier um einen Fristablauf kurz nach den Weihnachts-/Neujahrstagen mit einer Urlaubsabwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten ging und zudem nicht gesetzt ist, dass der Verfahrensbevollmächtigte selbst ohne den richterlichen Hinweis der Vorsitzenden (siehe zu dessen Bewertung den Beschluss des Senats vom 17.02.2022 – 15 U 244/21, Bl. 211 ff. d. Senatshefts mit Blick auf § 42 ZPO) die beantragte Frist auch tatsächlich voll ausgeschöpft hätte, ist die indizielle Wirkung (nur) des Antrages aber noch nicht so deutlich, dass in der Gesamtschau schon ein dringlichkeitsschädliches Verhalten anzunehmen wäre. Ist etwa das OLG Frankfurt v. 24.09.2015 – 6 U 60/15, BeckRS 2016, 1414 Rn. 4 in einem ganz ähnlichen Fall – dort sogar nach erfolgter Fristverlängerung - bei auf einen richterlichen Hinweis auf die möglichen Folgen hin zumindest noch zeitnah eingereichter Berufungsbegründung vom Fortbestehen des Verfügungsgrundes ausgegangen, kann vorliegend nichts anderes gelten, zumal hier sogar noch innerhalb der regulären Begründungsfrist reagiert und die Begründung fristgerecht vorgenommen worden ist. Allein auf das bloße Einreichen des Verlängerungsantrages als Indiz für eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit abzustellen, wäre in einem solchen Fall zu streng (vgl. auch erneut Schlingloff, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 401: „Der Ver-längerungsantrag selbst schadet nicht, wenn die beantragte und gewährte Verlängerung nicht oder nur unerheblich ausgenutzt wird.“).

c) Soweit die Berufung – wie gerade ausgeführt - nach Rücknahme des Fristverlängerungsantrages tatsächlich (kurz) vor Ablauf der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist, wäre selbst ein vollständiges Ausschöpfen dieser prozessualen Frist jedenfalls im Regelfall nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln nicht dringlichkeitsschädlich gewesen (OLG Köln v. 20.12.1996 – 6 U 204/96, NJWE-WettbR 1997, 176; v. 13.12.2002 - 6 U 156/02487, NJOZ 2003, 486, 488; v. 13.12.2002 – 6 U 156/02, BeckRS 2003, 1281 Rn. 11; offen BGH v. 01.07.1999 – I ZB 7/99, juris Rn. 11). Der vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anlass für eine strengere Handhabung im Einzelfall.

d) Der Verfügungsbeklagte dringt auch nicht mit der weiteren Erwägung durch, dass die Dringlichkeitsvermutung allgemein eben auch dadurch widerlegt werden kann, dass ein Verfügungskläger in einem auf einen Widerspruch (§ 924 ZPO) hin anberaumten Termin säumig bleibt (vgl. OLG Frankfurt v. 04.09.2020 – 10 U 18/20, NJW-RR 2021, 117 Rn. 19 m.w.N.; jedenfalls bei Ausschöpfen der Einspruchsfrist auch OLG Düsseldorf v. 25.08.2015 - 20 U 196/14, BeckRS 2015, 16904). Denn die Versuche des Verfügungsbeklagten, dem den Fall einer „nicht ordnungsgemäßen Vertretung“ im Termin gleichzustellen, tragen hier gleich mehrfach nicht: Zum einen war tatsächlich eine Prozessvollmacht vor Verfahrensbeginn erteilt und allein der formale Nachweis scheiterte in der besonderen, durch die spontane Rüge i.S.d. § 80 Abs. 1 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung und die durch die allseitige Teilnahme an diesem Termin nach § 128a Abs. 1 ZPO besonders erschwerten Reaktionsmöglichkeiten. Soweit die Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten meint, dass „ein gewissenhafter Anwalt „auf Nummer sicher gegangen" (wäre) und … jedenfalls die erforderliche Vollmacht zum Nachweis bei sich geführt“ hätte, verkennt sie zum anderen schon ganz grundlegend, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers die Vollmachtsurkunde tatsächlich „greifbar“ in seiner Kanzlei bei sich hatte und allein das rechtzeitige Verbringen der Urkunde an die richtige Stelle eines der größten Landgerichte der Bundesrepublik in der besonderen Situation der Verhandlung nach § 128a Abs. 1 ZPO zum rein praktischen Problem geworden ist. Hier eine „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeit allein daraus abzuleiten, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers in der Situation im Termin möglicherweise bei prozessual etwas „geschickterem“ Vorgehen noch einen weiteren Fristverlängerungsantrag für die Beibringung (etwa um 30 Minuten) hätte stellen können - was das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung als geeignete Reaktionsmöglichkeit angesprochen hat – und dies versäumt worden ist, ginge nach Auffassung des Senats hier zu weit, zumal man sich ansonsten um eine zeitnahe Vorlage der Urkunde eben durchaus bemüht und diese sogleich auf den Weg zum Landgericht gebracht hatte.

e) Eine „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeit kann schließlich auch nicht mit Blick auf eine angeblich zu zögerliche Vollziehung und Zwangsvollstreckung der vom Senat erlassenen einstweiligen Verfügung angenommen werden. Abstrakt ist das zwar durchaus denkbar, wenn etwa ein mögliches Verfahren nach § 890 ZPO gegen fortbestehende Verletzungen nicht oder nicht zeitnah betrieben wird (vgl. etwa OLG Köln v. 07.04.2017 – 6 U 135/16, GRUR-RR 2018, 95 sowie OLG Frankfurt v. 25.03.2010 - 6 U 219/09, BeckRS 2010, 16885; KG v. 08.04.2011 – 5 U 140/10, BeckRS 2011, 09414). Ein solcher Fall liegt aber hier ersichtlich nicht vor: Mit Blick auf die konkrete „Erstverletzung“ hat der Verfügungskläger die einstweilige Verfügung unstreitig zeitnah vollzogen. Soweit es allein um spätere - sei es inhaltlich vergleichbare - Äußerungen des Verfügungsbeklagten geht, die zu der gesonderten Einleitung eines eigenständigen gerichtlichen Verfahrens in Hamburg geführt haben, hat der Senat bereits im Beschluss vom 24.06.2021 - 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte) ausgeführt, dass schon wegen des doch etwas anderen Kontextes dieser Äußerung erhebliche Zweifel an einer „Kerngleichheit“ angebracht waren, weswegen gerade auch keine rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung im Raum steht. Mit den gleichen Erwägungen kann das Unterlassen des Versuchs des Erwirkens eines Ordnungsmittelbeschlusses über § 890 ZPO hier aber auch nicht als dringlichkeitsschädliches Verhalten eingeordnet werden, zumal der Verfügungskläger durch sein Vorgehen mit dem zeitnahen Antrag auf Erlass einer weiteren einstweiligen Verfügung in Hamburg gerade deutlich belegt hat, dass ihm an einer umfassenden und zeitnahen Sicherung stets gelegen war.

4. Auch ein Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers (jedenfalls) aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ist hier hinreichend glaubhaft gemacht (§§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

a) Zur Meidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf den - seinerzeit nach Anhörung des Verfügungsbeklagten sowie nach Einsichtnahme durch den Senat in das zwar von den Parteien bisher nicht vollständig zu den Akten gereichte, damals im Internet gemäß dem Hinweis des Landgerichts vom 19.05.2021 (Bl. 52 d.A.) aber noch frei abrufbare (§ 291 ZPO) Video mit einem ca. 13-minütigen Statement des Verfügungsbeklagten zum Verfügungskläger ergangenen - Beschluss vom 24.06.2021 - 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte). Dies gilt auch mit Blick auf die Fassung des Tenors und die mit Blick auf die beAVolumenbegrenzungen hier noch mögliche Einbettung der Datei (dazu allg. auch Senat v. 12.07.2021 – 15 W 45/21, GRUR-RS 2021, 26526 Rn. 29).

b) Das weitere Vorbringen des Verfügungsbeklagten in der Widerspruchsbegründung (Bl. 138 ff. d.A.) und im Berufungsverfahren rechtfertigt nur noch nachstehende ergänzende Ausführungen des Senats:

aa) Soweit der Senat bei dem Erlass der einstweiligen Verfügung im genannten Beschluss in der Tat noch keine näheren Ausführungen zur Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) gemacht hat, kann dem Video-Posting zwar ein gewisser satirischer Charakter nicht abgesprochen werden, mag das an der konkret streitgegenständlichen Stelle auch weniger zum Ausdruck kommen. Indes ist die Kunstfreiheit anerkanntermaßen nicht schrankenlos gewährt und findet in kollidierenden Grundrechtspositionen Dritter – hier dem Recht der persönlichen Ehre des Verfügungsklägers – ihre Grenzen, wobei die kollidierenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz zum schonenden Ausgleich zu bringen sind. Letztlich geht es damit aber auch hier (nur) um eine Abwägungsentscheidung (vgl. etwa OLG Hamburg v. 15.05.2018 - 7 U 34/17, BeckRS 2018, 8374 Rn. 19; dazu BVerfG v. 26.01.2022 – 1 BvR 2026/19, BeckRS 2022, 1484), zu der sogleich näher auszuführen ist; auch Art 5 Abs. 3 GG trägt hier im Ergebnis keine andere Gewichtung. Wegen der eindeutigen Teilbarkeit der streitgegenständlichen Passagen vom Rest des Beitrages (als „Gesamtkunstwerk“) bestehen auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG keine durchgreifenden Bedenken an einem – gegenüber einem sonst alleindenkbaren sog. Gesamtverbot immerhin „milderen“ – Teilverbot eben nur der hier konkret angegriffenen Passage (allg. dazu auch OLG Hamburg a.a.O. Rn. 21 selbst zu einem Gedicht). Die hier fragliche Passage zeichnet sich auch nicht durch ganz besondere satirische Elemente aus, was ggf. die Frage nach einer Trennung von Aussagegehalt und nur satirischer Einkleidung aufwerfen könnte; anderes behauptet auch der Verfügungsbeklagte nicht.

bb) Der Senat lässt mit Blick auf die weiteren Ausführungen des Verfügungsbeklagten zur popkulturellen bzw. im allgemeinen Sprachgebrauch heutzutage üblichen Nutzung des in der Tat vielschichtigen Begriffs „Schwein“ in Fällen mit sexueller Konnotation bzw. egoistischer Triebbefriedigung nunmehr ausdrücklich offen, ob tatsächlich bereits von einer Formalbeleidigung und/oder einer Schmähkritik mit der Folge eines Abwägungsausfalls auszugehen ist; auch die vorgelegte Entscheidung des LG Hamburg im Urt. v. 20.08.2021 – 324 O 265/21 (Bl. 179 ff. d. Senatshefts) hat dies ersichtlich in Frage gestellt. Denn darauf kommt es – wie auch im Termin erörtert – hier nicht entscheidend an: Denn der Senat hat schon bei Erlass der einstweiligen Verfügung ausgeführt, dass ungeachtet der (formalen) Einordnung der Äußerung als Formalbeleidigung oder Schmähkritik (die man deswegen offenlassen könnte) jedenfalls in der Abwägung – diese nur bezogen auf die konkrete Äußerung als konkrete Verletzungsform im hier fraglichen Kontext - die schutzwürdigen Persönlichkeitsrechte des Verfügungsklägers – mag dieser auch nur in seiner sog. Sozialsphäre betroffen sein – ebenfalls überwiegen. Ein solches – mehr oder weniger „vorsorgliches“ - Abstellen auf eine Abwägungsentscheidung (unter Offenlassen eines sonst denkbaren „Abwägungsausfalls“ wegen der Annahme einer Formalbeleidigung/Schmähkritik) entspricht – dies entgegen der im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 23.02.2021 zum Ausdruck Gebrachten - auch der zuletzt u.a. in der sog. „D“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (v. 19.12.2021- 1 BvR 1073/20, juris Rn. 30 und 42 ff.) vorgezeichneten Möglichkeit eines gerichtlichen Vorgehens in Fällen wie dem Vorliegenden.

cc) Zu der Abwägungsentscheidung kann zunächst dann ebenfalls auf den o.a. Beschluss des Senats und die in dem Parallelverfahren gemachten und gleichlaufenden Erwägungen des Landgerichts Hamburg Bezug genommen werden. Zusammenfassend sei (noch einmal) betont, dass der Senat nicht in Frage stellen will, dass auch eine polemische und „überzogene“ Auseinandersetzung mit dem strafbaren Verhalten des Verfügungsklägers, der nicht nur wegen seiner Rolle als ehemaliger Nationalspieler, sondern gerade auch wegen des greifbaren Kontrastes seines Verhaltens zu seinem früheren sozialen Engagement für Kinderrechte keinesfalls pauschal zu sanktionieren wäre. Ganz im Gegenteil muss sich der Verfügungskläger die kritische Würdigung im Grundsatz gefallen lassen. Auch steht außer Frage, dass die aus Anlass der Verurteilung versuchte „Selbstinszenierung“ des Verfügungsklägers als ein „Medienopfer“– ungeachtet aller möglichen Auswüchse von manchen Presseorganen – ebenso Anlass zu Kritik bieten mag wie die auch aus den Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers im Termin vor dem Senat wieder ableitbaren, eher durchschaubaren Versuche, das Verhalten des Verfügungsklägers in Ansehung der inhaltlich nicht bestrittenen Chatverläufe „schönzufärben“ oder gar den damals beteiligten Zeuginnen eine Schuld am Gesamtgeschehen zuzuweisen bzw. entsprechende Mutmaßungen über deren Geltendmachung von Zeugnisverweigerungsrechten im Strafverfahren anzustellen. Auch der von einem „agent provocateur“ – sei es auch unter dem behaupteten Einfluss von Bekannten, Polizei und/oder gar Presseorganen – zu einer Straftat veranlasste Straftäter ist und bleibt im Zweifel ein Straftäter bzw. muss sich – selbst wenn es strafrechtliche Bedenken gegen eine Verurteilung gegeben hätte (wie nicht) – zumindest dennoch der kritischen Würdigung seines tatsächlichen Verhaltens stellen, für das eine Rechtfertigung zu finden auch dem Senat ausdrücklich nicht möglich ist. Indes bedeutet dies – dies entgegen den engagierten Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten im Termin und im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.02.2022 – keinen „Freibrief“ auch für grenzenlos übersteigerte und die Person des Betroffenen in ihrem sozialen Geltungsanspruch tief treffende Äußerungen; genau um eine solche geht es aber hier.

(1) In der Abwägung bedarf es dabei stets einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (vgl. etwa BVerfG v. 19.12.2021- 1 BvR 1073/20, juris Rn. 30 m.w.N.). Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (BVerfG a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Treten so etwa selbst bei einem Politiker etwaige Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen einer öffentlichen Debatte zurück, wenn es um eine ins Persönliche gehende Beschimpfung und eine auf die Person abzielende öffentlichen Verächtlichmachung geht (BVerfG a.a.O. Rn. 34), sind ganz allgemein kritische Äußerungen umso weniger schutzwürdig, je mehr sie sich von einem Meinungskampf in die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen wegbewegen und die Herabwürdigung der betreffenden Personen in den Vordergrund tritt (BVerfG a.a.O. Rn. 34). Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann nach den Umständen des Falles dann insbesondere auch erheblich sein, ob sie ad hoc in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist. Denn für die Freiheit der Meinungsäußerung wäre es abträglich, wenn vor einer mündlichen Äußerung jedes Wort auf die Waagschale gelegt werden müsste. Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit impliziert - in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung – durchaus die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit auch von Emotionalität und Erregbarkeit (BVerfG a.a.O. Rn. 36). Ebenfalls bei der Abwägung in Rechnung zu stellen ist stets auch die konkrete Verbreitung und Wirkung einer Äußerung, wobei Form und Begleitumstände der Kommunikation maßgeblich sind und der Adressatenkreis, die Frage der Perpetuierung eines Eingriffs und auch die Breitenwirkung einer Internetpublikation (BVerfG a.a.O. Rn. 37).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Prämissen bleibt es auch mit Blick auf das weitere Vorbringen des Verfügungsbeklagten und auch das oben zu Art. 5 Abs. 3 GG Gesagte bei dem bereits aufgezeigten Abwägungsergebnis.

(a) Selbst wenn man zu Gunsten des Verfügungsbeklagten in Rechnung stellt, dass er in einem bundesweit für Aufsehen sorgenden und gesetzliche Reformen im Strafrecht beeinflussenden Strafverfahren tagesaktuell kritisch Position bezogen haben mag und – wie aufgezeigt – der Verfügungskläger selbst hinreichenden Anlass für eine solche Kritik gegeben hat, wurden an der hier fraglichen Stelle des Postings - auch nach Mimik, Gestik und Ausdruck, wobei eben Wort-/Bildberichterstattungen anerkanntermaßen in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind – sprichwörtlich „alle Hemmungen fallengelassen“ und der Bogen schlichtweg „überspannt.“ Es geht dabei – dies entgegen dem Standpunkt der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten – nicht darum, dass die Ausführungen des Senats zum „virtuellen Marktplatz“ eigentlich doch dazu führen müssten, das - konsequent zu Ende gedacht – das gesamte ca. 13-minütige Statement des Verfügungsbeklagten insgesamt zu verbieten sei. Die Widerspruchsbegründung (S. 30 = Bl. 167 d.A.) sieht nämlich selbst den Unterschied gerade im Duktus der angegriffenen Stelle („Was allein bleibt, ist der - so man es so betrachten will - vermeintlich schärfere Wortlaut.“); genau dies ist aber – wie ausgeführt – das Problem.

(b) Da dem durchschnittlichen „Follower“ des Verfügungsbeklagten die vorangegangenen öffentlichen Auseinandersetzungen unter den Parteien auch schwerlich verborgen geblieben sein können, fällt dabei aber gerade die (erneute) Verwendung (ausgerechnet) des Terminus „krankes Schwein“, der in anderem Kontext bereits zu Lasten des Verfügungsbeklagten streitentscheidend gewesen ist (Senat v. 13.10.2020 – 15 W 46/20, GRUR-RS 2020, 46637 Rn. 12), deutlich ins Gewicht. Es geht hier nicht etwa um eine in einer emotionalen Situation möglicherweise aufgrund einer verständlichen Erregung (nur) im Einzelfall entgleisende scharfe Formulierung, sondern vielmehr um das ganz bewusstes Kalkül eines offenkundig Uneinsichtigen, der mit dem schon damals plakativ genutzten, einprägsamen und in die Öffentlich getragenen Passus offenbar hier nur (erneut) „Stimmung machen“ wollte, um auf dem „virtuellen Marktplatz“ vor dem Gerichtsgebäude zur Stimmungsmache unter seinen Anhängern nochmals mit deutlich abschätzender Mimik und Gestik den Stab über dem Verfügungskläger zu brechen. Dass der Verfügungsbeklagte gerade um die ihm im Zusammenhang mit einer Verdachtsäußerung bereits einmal vom Senat untersagte Bezeichnung als „krankes Schwein“ ringt und mit der damaligen prozessualen „Niederlage“ offenbar hadert, zeigt plastisch das „Nachtatverhalten“ zum hiesigen Vorfall, welches zu dem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Hamburg geführt hat und in dem auch die dortige Kammer nur eine überzogene und in der Abwägung nicht hinnehmbare (wiederholte) Kränkung mit der bewussten und öffentlich bekannt gewordenen Formulierung gesehen hat.

(c) Verstärkt wird das Vorgenannte im konkreten Zusammenhang zudem dadurch, dass sich der Verfügungsbeklagte zusätzlich noch aus dem Nichts heraus in haltlosen Spekulationen (auch) über angeblich mögliche Missbrauchshandlungen des Verfügungsklägers (auch) im Ausland („Osteuropa, Asien“) verliert, zu denen weder das Strafverfahren noch sonstige tatsächliche Umstände Anlass boten. Dies kann man möglicherweise in Abgrenzung zu einer Auseinandersetzung (nur) mit den abstoßenden Inhalten der im Termin vor dem Senat inhaltlich nicht bestrittenen „Chatverläufe“ des Verfügungsklägers sehen, die möglicherweise Rückschlüsse zumindest auf ein „Weiter-Denken“ des Verfügungsklägers im Hinblick auch auf körperliche Missbrauchshandlungen von Kindern bieten mögen (vgl. dazu auch S. 7 ff. des Schriftsatzes vom 23.06.2021 = Bl. 163 ff. der Beschwerdeakte sowie Anlage ASt 5, Bl. 192 ff. d.A. und den nachgelassenen Schriftsatz vom 23.02.2022, Bl. 226 ff. d. Senatshefts). Jedenfalls dieser weitere (haltlose) Angriff mit dem Vorwerfen etwaiger Auslandsstraftaten zeigt aber, dass es im vorliegenden Kontext mit dem darin liegenden Bedienen üblicher „Klischee-Vorstellungen“ zu „Triebtätern“ und deren Verhalten etwa im asiatischen Ausland nur um eine besondere Herabsetzung des damals frisch verurteilten Verfügungsklägers ging, hinter der das öffentliche Interesse an einer (unbestreitbar möglichen) kritischen Würdigung von Tat, Täter, Gerichtsverfahren und Umgang des Täters mit der Strafe (nur) im vorliegenden Einzelfall zurücktritt. Diese Umstände lassen den Begriff „krankes Schwein“ - ungeachtet des sonst vom Verfügungsbeklagten reklamierten Bedeutungswandels dieses Begriffs – jedenfalls hier weiterhin als übermäßigen Eingriff in die Rechte des Verfügungsklägers erscheinen, den dieser im konkreten Kontext in der Gesamtabwägung nicht mehr hinzunehmen hat. Ob man sonst das Schwein in der christlichen Lehre mit der Unzucht, Völlerei und den sog. Todsünden in Verbindung gebracht hat und es zu einer kulturell-religiös gewachsenen Symbolfigur für das Triebhafte geworden ist, spielt insofern dann auch keine entscheidende Rolle mehr.

(d) Dem Verfügungsbeklagten soll – was der Senat a.a.O. bereits zum Ausdruck gebracht hat - ansonsten auch ausdrücklich nicht die Möglichkeit genommen werden, sich kritisch mit dem Verfügungsklägers und seinem strafbaren Verhalten bzw. seinem Umgang mit der Verurteilung auseinanderzusetzen. Dass in anderem sprachlichen Duktus und anderer Einkleidung u.U. dann auch ähnlich scharfe Begrifflichkeiten bzw, „schweinisches“ oder „krankes“ Verhalten vorgeworfen werden könnten, ist Frage des Einzelfalles und hier nicht allgemein zu entscheiden. Vorliegend jedenfalls tritt das sachliche Anliegen des Verfügungsbeklagten aber – ungeachtet des tagesaktuellen Anlasses seiner Äußerungen und dem möglicherweise im Kern auch berechtigten Sachanliegen jedenfalls derart in den Hintergrund, dass sich die Äußerung letztlich in einer persönlichen Kränkung erschöpft.

5. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 23.02.2022 (Bl. 226 ff. d. Senatshefts) rechtfertigt keine andere Sichtweise und trägt keine – im Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohnehin regelmäßig ausgeschlossene (Feddersen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 55 Rn. 19) – Wiedereröffnung nach § 525 S. 1, 156 Abs. 1 oder 2 ZPO.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Schleswig-Holstein: Instagram muss dem Geschädigten bei Persönlichkeitsrechtsverletzung Auskunft über E-Mail und Telefonnummer des Nutzers geben

OLG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 23.03.2022
9 Wx 23/21


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Instagram dem Geschädigten bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung Auskunft über E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers geben muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Auskunftsanspruch gegen Betreiberin einer Social-Media-Plattform bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Die Betreiberin der Plattform www.instagram.com ist verpflichtet, über den Namen, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer eines Nutzers Auskunft zu erteilen, wenn durch den Inhalt des Nutzer-Accounts eine strafrechtlich relevante Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgt. Dem Auskunftsantrag einer verletzten Person hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in dieser Woche stattgegeben.

Zum Sachverhalt: Eine der Antragstellerin unbekannte Person eröffnete zu einem unbekannten Zeitpunkt einen Account auf der Social-Media-Plattform „Instagram“ mit einem Nutzernamen, der den Vornamen der Antragstellerin und die Angabe „wurde gehackt“ enthielt. In den Account wurden Bilder eingestellt, die eine lediglich mit Unterwäsche bekleidete junge Frau zeigten, deren Gesicht jeweils durch ein Smartphone verdeckt war. Auf den Fotos waren Äußerungen zu lesen, die den Eindruck erweckten, die abgebildete Person sei an einer Vielzahl von sexuellen Kontakten interessiert. Nachdem die Antragstellerin von anderen Personen erkannt und auf den Inhalt des Accounts angesprochen worden war, meldete sie das Konto bei der Plattformbetreiberin und es wurde gesperrt. Das Landgericht hat ihren Antrag, Auskunft über die Nutzungsdaten zu erteilen, abgelehnt. Die gegen diese Ablehnung gerichtete Beschwerde vor dem 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte im Hinblick auf den Namen, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer des Nutzers Erfolg.

Aus den Gründen: Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Auskunftserteilung über Bestandsdaten gegenüber der Betreiberin der Social-Media-Plattform „Instagram“ nach § 21 Abs. 2, Abs. 3 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG). Ein solcher Auskunftsanspruch besteht, soweit die Auskunft zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Vorliegend erfüllen die Schaffung des Fake-Accounts und das Einstellen der Fotos mit Kommentaren im Zusammenhang gesehen den Tatbestand der Beleidigung im Sinne des § 185 StGB. Durch das Erstellen des Fake-Accounts und Hochladen der Fotos nebst Kommentaren wird suggeriert, die Antragstellerin wolle sich auf diese Weise zur Schau stellen und den Besuchern der Seite ihr sexuelles Interesse mitteilen. Dadurch, dass ihr diese unsittliche Verhaltensweise zugeordnet wird, wird der soziale Geltungswert der Antragstellerin gemindert. Dies stellt eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB dar. Um ihre Rechte gegenüber dem unbekannten Ersteller des Fake-Accounts zivilrechtlich geltend machen zu können, ist die Antragstellerin auf die Auskunft der Betreiberin der Plattform angewiesen. Eine andere Möglichkeit, den Ersteller des Nutzerkontos zu ermitteln, hat sie nicht.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.03.2022, Az. 9 Wx 23/21).


IHK-Magazin - Ostwestfälische Wirtschaft - Interview mit Rechtsanwalt Marcus Beckmann zur BGH-Rechtsprechung zum Influencer-Marketing bei Instagram und Co.

In Ausgabe Januar/Februar 2022, Seiten 36-37 des IHK-Magazins - Ostwestfälische Wirtschaft erschien ein Interview mit Rechtsanwalt Marcus Beckmann zur BGH-Rechtsprechung zum Influencer-Marketing bei Instagram und Co.

BGH: Unzulässige Schleichwerbung durch Instagram-Influencerin - Tap Tags mit Verlinkung auf andere Unternehmen bei werblichem Überschuss sind Werbung

BGH
Urteil vom 13.01.2022
I ZR 9/21


Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Pflicht zur Werbekennzeichnung von Instagram-Beiträgen mit dieser Entscheidung weiter präzisiert und nochmals entschieden, dass Tap Tags mit Verlinkung auf andere Unternehmen bei werblichem Überschuss des jeweiligen Beitrags Werbung sind und die jeweiligen Beiträge als Werbung zu kennzeichnen sind.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Werbung bzw. kommerzielle Kommunikation auch dann wenn Influencer die von ihm vorgestellten Produkte lediglich kostenlos zur Verfügung gestellt wurden

BGH
Urteil vom 13. Januar 2022
I ZR 35/21
Influencer III
Richtlinie 2000/31/EG Art. 2 Buchst. f, Art. 6 Buchst. a; Richtlinie 2010/13/EU Art. 11; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 und 4, § 5a Abs. 6, § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2; TMG § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Satz 1 Nr. 1 und 5, § 6 Abs. 1 Nr. 1; RStV § 58 Abs. 1 Satz 1; MStV § 22 Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entscheiden, dass auch dann Werbung bzw. kommerzielle Kommunikation vorliegt, wenn einem Influencer die von ihm vorgestellten Produkte lediglich kostenlos zur Verfügung gestellt werden und keine weitere Vergütung erfolgt.

Leitsatz des BGH:
Fördert eine Influencerin durch einen Bericht über Waren oder Dienstleistungen in sozialen Medien (hier: Instagram) den Absatz eines fremden Unternehmens, so handelt es sich um kommerzielle Kommunikation im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG und Werbung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV, wenn ihr die Waren oder Dienstleistungen von dem
durch den Bericht begünstigten Unternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt wurden (Fortführung von BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 90/20, GRUR 2021, 1400 = WRP 2021, 1415 - Influencer I; Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 125/20, GRUR 2021, 1414 = WRP 2021, 1429 - Influencer II).

BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 35/21 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: