Durch die Verordnung (EU) 2024/3228 wird die Online-Streitschlichtungsplattform (OS-Plattform) der EU am 20.07.2025 eingestellt. Die entsprechende Hinweispflicht und Pflicht zur Verlinkung entfällt dann und ist mit Einstellung der Plattsform auch nicht mehr zulässig.
Die Einstellung überrascht nicht, da die Plattform außer zahlreicher Abmahnungen in Deutschlande keine praktische Relevanz hatte. Wer in der Vergangenheit eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, sollte diese vorsorglich zum Einstellungstermin kündigen auch wenn gute Gründe dafür sprechen, dass eine Unterlassungsverpflichtung aufgrund der Änderung auch ohne Kündigung mit Einstellung der Plattform entfällt.
Aus der Verordnung: Mit der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) wurde die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung (im Folgenden „OS-Plattform“) auf Unionsebene eingerichtet und die Kommission mit der Entwicklung und Pflege dieser Plattform beauftragt, die eine zentrale Anlaufstelle für Verbraucher und Unternehmer darstellt, die aus Online- Kaufverträgen oder Online-Dienstleistungsverträgen entstandene Streitigkeiten außergerichtlich beilegen möchten.
(2) Die OS-Plattform besteht in Form einer interaktiven Website, auf der Verbraucher Unternehmer auffordern können, der Inanspruchnahme einer auf der OS-Plattform aufgeführten Stelle für alternative Streitbeilegung (AS) zuzustimmen, die der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (4) entspricht.
(3) Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 müssen Online-Unternehmer und Online-Marktplätze auf ihrer Website einen leicht zugänglichen Link zur OS-Plattform bereitstellen. Diese Verpflichtung hat zusammen mit den Informationskampagnen der Kommission und der nationalen Interessenvertreter jedes Jahr zwischen zwei und drei Millionen Besucher auf die OS-Plattform gebracht.
(4) Allerdings nutzt nur eine Minderheit der Besucher die OS-Plattform, um eine Beschwerde einzureichen, und nur 2 % dieser Beschwerden erhalten eine positive Antwort von Unternehmern, sodass ihr Antrag an eine auf der OS-Plattform aufgeführte AS-Stelle weitergeleitet werden kann. Insgesamt entspricht dies etwa 200 Fällen pro Jahr in der gesamten Union.
(5) Die Kommission veröffentlichte eine Aufforderung zur Stellungnahme zur Anpassung der außergerichtlichen Streitbeilegung an digitale Märkte, die vom 28. September bis zum 21. Dezember 2022 lief. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die OS-Plattform nur von 5 % der Verbraucher, die auf die Aufforderung zur Stellungnahme geantwortet hatten, genutzt wurde, und die Mehrheit der Befragten der Ansicht war, dass die OS-Plattform aufgrund mangelnder Kosteneffizienz erheblich verbessert oder eingestellt werden sollte. Die Sachlage deutet stark darauf hin, dass aufgrund der Tatsache, dass nicht mehr als 200 Fälle pro Jahr an eine AS-Stelle weitergeleitet werden, das weitere Betreiben der OS-Plattform nicht den Grundsätzen der Effizienz und Wirksamkeit gemäß der Verordnung (EU, Euratom) 2024/2509 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) entspricht.
(6) Die OS-Plattform sollte eingestellt werden, und die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 sollte daher aufgehoben werden. Dabei sollte ein ausreichender Zeitraum für die angemessene Beendigung laufender Fälle vorgesehen werden.
[...]
Artikel 1
Die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 wird mit Wirkung vom 20. Juli 2025 aufgehoben.
Artikel 2
(1) Die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung (im folgenden „OS-Plattform“) wird eingestellt.
(2) Die Einreichung von Beschwerden auf der OS-Plattform wird am 20. März 2025 eingestellt.
(3) Die Kommission unterrichtet die Nutzer der OS-Plattform mit laufenden Fällen bis zum 20. März 2025 über die Einstellung der OS-Plattform und bietet diesen Nutzern auf Wunsch Unterstützung beim Abruf von Daten zu ihren Fällen an, zu denen sie Zugang haben.
(4) Spätestens ab dem 20. Juli 2025 werden alle Informationen, einschließlich personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Fällen, auf der OS-Plattform gelöscht.
Das AG München hat entschieden, dass die Bewerbung einer Autofelge bei eBay als "Neu, aus Demontage" nicht "neu" im Sinne von "völlig unbenutzt" bedeutet.
Pressemitteilung des Gerichts: Streit um BMW-Felge
Eine Felge, die bei eBay als „Neu, aus Demontage“ verkauft wird, ist nicht gleichwertig mit einer neuen, vollkommen unbenutzten Felge.
Eine Felge, die bei eBay als „Neu, aus Demontage“ verkauft wird, ist nicht gleichwertig mit einer neuen, vollkommen unbenutzten Felge. Der Kläger erwarb über eBay im November 2023 von dem Beklagten, einem gewerblichen Händler, eine original BMW-Felge zum Preis von 199,11 Euro. Der Verkäufer versandte in der Folge die Felge jedoch nicht, sondern erstattete den Kaufpreis zurück. Der Kläger setzte dem Verkäufer dennoch eine Frist zur Lieferung der Felge. Nachdem die Frist verstrichen war, kaufte sich der Kläger bei einem BMW-Vertragshändler eine neue Felge zu einem höheren Preis und verlangte von dem Beklagten die Erstattung der Mehrkosten in Höhe von 154,26 €.
In eBay war die Felge mit dem Artikelzustand „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“ eingestellt. In der Artikelbeschreibung hieß es „eine neue Felge, aus der Demontage - Felge ist NEU“. In den allgemeinen Artikelzustandsbeschreibungen hieß es zur gewählten Kategorie weiterführend u.a.: „Ein Artikel in hervorragendem Zustand, wie neu und ohne Gebrauchsspuren.“
Das Gericht wies die Klage ab. Ein Schadensersatzanspruch wegen der Mehrkosten könne nur dann bestehen, wenn der nachträglich erworbene Gegenstand gleichwertig sei. Dies war nach Einschätzung des Gerichts jedoch nicht der Fall:
„Hier liegt kein gleichwertiges Deckungsgeschäft vor. […]
Die Parteien [wurden sich] hier über eine neuwertige Felge einig, die – wie ausdrücklich im Angebot bezeichnet – aus einer Demontage stammte, mithin bereits montiert und demontiert wurde. […] Gerade nicht geeinigt haben sich die Parteien hingegen, wie der Kläger meint, über eine neue, vollkommen unbenutzte Felge. Dies schließt bereits die Formulierung „aus der Demontage“ in der Artikelbeschreibung aus. Zudem war die Felge nicht in der Kategorie „Neu“ eingestellt, die auf der Plattform eBay ebenfalls zur Verfügung steht, sondern in der Kategorie „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“, in der neuwertige Waren gehandelt werden, bei denen es sich jedoch nicht um Neuware im engeren Sinne handelt. Dass auf der Plattform eBay auch (wenn nicht sogar weit überwiegend) gebrauchte Waren zum Kauf angeboten werden, ist für den durchschnittlichen Nutzer auch nicht überraschend, sondern dürfte im Regelfall gerade der Grund sein, warum die Plattform - u.a. für die Suche nach einem „Schnäppchen“ im Vergleich zum sonstigen Preis - überhaupt genutzt wird. […]
Neue Felgen und Felgen aus der Demontage fallen ersichtlich nicht in die gleiche Warenkategorie. Neue Felgen werden zu Neupreisen gehandelt, es handelt sich um völlig unbenutzte Neuware, in der Regel mit der entsprechenden Verkäufer- bzw. Herstellergarantie. Felgen aus der Demontage wurden - wie die eindeutige Bezeichnung verrät - bereits einmal montiert und demontiert, was auch bei sonstiger Neuwertigkeit einer Felge deren Marktwert bereits erheblich senkt.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 28.02.2024
Aktenzeichen: 161 C 23096/23
Das Urteil ist rechtskräftig.
LAG Niedersachsen
Beschluss vom 18.07.2024 8 Sa 688/23
Das LAG Niedersachsen hat dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Verarbeitung und Berücksichtigung rechtswidrig erlangter Daten im Prozess mit den Vorgaben der DSGVO vereinbar ist.
Die Pressemitteilung des Gerichts: LAG Niedersachsen legt dem EuGH Fragen zur Auslegung der DSGVO bei deren Anwendung auf die Tätigkeit der Gerichte vor
In einem vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen anhängigen Fall (Aktenzeichen: 8 Sa 688/23) verlangt die klagende Arbeitgeberin von einer ausgeschiedenen Arbeitnehmerin Schadenersatz in Höhe von rd. 46.000 Euro. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe unbefugt Gegenstände aus dem privaten Firmeneigentum an Dritte veräußert und sich am Erlös bereichert. Die Klägerin stützt ihre Erkenntnisse über die Veräußerungsvorgänge auf eine ohne Wissen und Willen der Beklagten erfolgte Einsichtnahme in deren privates ebay-Konto. Auf welche Weise die Klägerin die Kenntnis der ebay-Benutzerkennung der Beklagten und des zugehörigen Passwortes erlangt hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hat in dieser Rechtssache beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig gemacht. Der Gerichtshof hat in seinen Urteilen vom 24. März 2022 - C-245/20 - (Autoriteit Persoonsgegevens) in Rn. 25 und vom 2. März 2023 – C-268/21 – (Norra Stockholm Bygg AB) in Rn. 26 deutlich gemacht, dass auch justizielle Tätigkeit, soweit dabei Daten verarbeitet werden, in den Geltungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) fällt. Mit der ersten Vorlagefrage soll Klarheit darüber geschaffen werden, ob die Regelungen des deutschen Zivilprozessrechts bestimmt genug sind - d.h., die erforderliche Regelungstiefe aufweisen -, um den Anforderungen der DSGVO zu genügen. Des Weiteren wird der Gerichtshof - kurz zusammengefasst - gefragt, welche der Normen der DSGVO auf gerichtliche Datenverarbeitungstätigkeit Anwendung finden und welche Rechtsgrundsätze hierbei von den Gerichten zu beachten sind. Die Beantwortung der Fragen durch den Gerichtshof kann über die konkrete Rechtssache hinaus in allen Fällen hilfreich sein, in denen die nationalen Gerichte zu beurteilen haben, ob und unter welchen Voraussetzungen möglicherweise rechtswidrig erlangte Kenntnisse und Beweismittel, die eine Partei in den Rechtsstreit einführt, von ihnen verwertet werden können.
Das Verfahren wird von dem Gerichtshof der Europäischen Union unter dem Aktenzeichen C-484/24 geführt.
Online-Shop-Betreiber müssen eine Vielzahl von rechtlichen Vorgaben beachten. Wir bieten umfassende Rechtsberatung und maßgeschneiderte Lösungen, um Ihnen dabei zu helfen, Ihr Online-Geschäft erfolgreich zu betreiben.
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OLG Brandenburg
Beschluss vom 24.04.2023 6 W 28/23
Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass ein Streitwert von 15.000 EURO für das Verfahren eines Abmahnvereins gegen einen eBay-Händler wegen diverser Wettbewerbsverstöße angemessen ist.
Aus den Entscheidungsgründen: Die gegen die landgerichtliche Festsetzung des Gebührenstreitwerts mit dem Ziel der Heraufsetzung des festgesetzten Wertes eingelegte Beschwerde ist als aus eigenem Recht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erhobenes Rechtsmittel gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 €, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet, der Gebührenstreitwert ist auf 15.000 € festzusetzen.
Der Gebührenstreitwert eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, in welchem ein Unterlassungsanspruch verfolgt wird, ist gemäß § 51 Abs. 2, 4 GKG nach dem Ermessen des Gerichts ausgehend von der sich aus dem Antrag des Antragstellers/Verfügungsklägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen, wobei dieser Wert unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen ist.
Wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Ermessensausübung ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers/Antragstellers an der Anspruchsverwirklichung, welches objektiv, nicht nach seinen subjektiven Vorstellungen zu bestimmen ist (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 41. Aufl., § 12 Rn 4.3b, 4.3b). Streitwertangaben der Parteien zu Beginn des Verfahrens haben indizielle Bedeutung (vgl. Köhler/Feddersen a.a.O. Rn 4.3a). Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten/Antragsgegner erheblich geringer zu bewerten, ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG der nach der Bedeutung der Sache für den Kläger/Antragsteller ermittelte Wert angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1.000 € anzunehmen. Unter Ansatz dieses Maßstabs ist im Streitfall der Gebührenstreitwert auf 15.000 € festzusetzen.
Der Kläger ist ein in der gemäß § 8b UWG bei dem Bundesamt für Justiz geführten Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragener Verband. Er hat den Beklagten auf Unterlassung wegen verschiedener vermeintlicher Verstöße gegen Informationspflichten im Onlinehandel mit Briefmarken, wegen vermeintlichen Verstoßes gegen das Verpackungsgesetz, wegen vermeintlichen Inverkehrbringens falscher oder verfälschter Briefmarken ohne Hinweis auf die Fälschung oder Verfälschung sowie wegen Verwendung vermeintlich unwirksamer Geschäftsbedingungen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat u.a. geltend gemacht, er handele bei dem in Rede stehenden Verkauf von Briefmarken auf der Handelsplattform eBay als Verbraucher und nicht - wie vom Kläger behauptet - im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit. Er habe im Laufe mehrerer Jahrzehnte mehr als 700.000 Briefmarken privat erworben und minimiere durch die ca. 650 bis 700 aktuell auf eBay angebotenen Verkäufe seine Privatsammlung. Unter diesen Gegebenheiten ist das Verbandsinteresse des Klägers an der Unterbindung künftiger Verstöße so zu bewerten, wie das eines gewichtigen Mitbewerbers im Handel von Briefmarken zu Sammlungszwecken (vgl. Köhler/Feddersen a.a.O. Rn 4.8). Die Bedeutung der Sache für den Beklagten richtet sich im Wesentlichen danach, in dem von ihm für sich in Anspruch genommenen privaten Rahmen Briefmarkenverkäufe weiter durchzuführen, ohne den vom Kläger geltend gemachten Pflichten eines Gewerbetreibenden unterworfen zu werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Beklagte jedenfalls über einen Bestand an potentiell zu verkaufenden Briefmarken in einem einem kleineren Händler vergleichbaren Umfang verfügt.
Aufgrund dieser Gegebenheiten und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger vorliegend eine Vielzahl unterschiedlicher Verstöße verfolgt hat, hält der Senat mit Blick auf die geringere Bedeutung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Hauptsache eine Wertfestsetzung in Höhe von 15.000 € für sachgerecht. Das steht im Einklang mit der Festsetzungspraxis des Senats, in Streitigkeiten wegen Verletzung von Informationspflichten im Onlinehandel betreffend kleine Unternehmen bei dem Vertrieb von Wirtschaftsgütern von nicht beträchtlichem Wert den Streitwert in der Regel auf bis zu 6.000 € im Verfügungsverfahren und auf bis zu 9.000 € im Hauptsacheverfahren festzusetzen, wobei eine Mehrzahl geltend gemachter Verstöße mit einer maßvollen Erhöhung berücksichtigt wird.
Das LG Lübeck hat entschieden, dass ein Privatverkauf und kein gewerbliches Angebot vorliegt, wenn der Verkäufer zuvor rein privat von ihm genutzte Fahrzeuge zum Verkauf anbietet.
Aus den Entscheidungsgründen: Unternehmer ist nach § 14 BGB jede natürliche oder juristische Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Dies setzt ein selbständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus. Ob die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird, ist irrelevant. Ist der Abschluss eines Vertrags weder der gewerblichen noch der selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Verkäufers zuzuordnen, liegt rein privates Handeln vor.(BGH, BGHZ 167, 40 = NJW 2006, 2250 Rdnrn. 14 ff.; MüKoBGB/Micklitz, 9. Aufl. 2021, BGB § 14 Rn. 19). Das rechtsgeschäftliche Handeln einer – wie hier – natürlichen Person ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes mit Rücksicht auf den Wortlaut des § 13 BGB grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen. Eine Zuordnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck kommt nur in Betracht, wenn die dem Vertragspartner bei Vertragsschluss erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
Speziell im Hinblick auf den An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen ist dabei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgeblich auf den bisherigen Nutzungszweck des Verkäufers abzustellen. Der Verkauf eines zuvor ausschließlich privat genutzten Fahrzeugs ist danach in der Regel nicht als Unternehmergeschäft zu klassifizieren (BGH, Urteil vom 13. 3. 2013 – VIII ZR 186/12-, NJW 2013, 2107: OLG Celle, NJW-RR 2004, 1645; ähnl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2012, 289; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 13 Rdnr. 4; Micklitz, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 14 Rdnr. 19; vgl. auch Reinking/Eggert, Rdnrn. 1973 ff.).
Diesen Maßstäben entsprechend liegt hier kein unternehmerischer Verkauf des streitgegenständlichen Jetskis vor. Zum einen ist schon kein planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen festzustellen. Ausweislich der vom Kläger selbst eingereichten Screenshots des eBay-Profils des Beklagten agierte dieser als „Privater Nutzer“. Die unterschiedlichen von ihm zum Verkauf angebotenen Gegenstände, wie etwa ein Boot, ein Jetski, Anker, eine Uhr oder ein Auto Marke Porsche ließen zudem auch keine Anhaltspunkte auf ein irgendwie planmäßig angelegtes Anbieten erkennen und ließen daher auch keine zwingenden und eindeutigen Rückschlüsse auf ein gewerbliches Handeln (zumal entgegen des Auftritts als „privater Nutzer“) zu. Auch war der bisherige Nutzungsweck des verkauften Jetskis unstreitig rein privater Natur.
(c) Der Gewährleistungsausschluss ist auch nicht unwirksam nach § 444 BGB. Nach dieser Bestimmung kann sich ein Verbraucher nicht auf einen Gewährleistungsausschluss berufen, soweit er den fraglichen Mangel arglistig verschwiegen hat. Arglist setzt dabei voraus, dass der Käufer beweist, dass der Käufer entweder positiv Kenntnis von dem Mangel hatte oder zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte, also den Mangel mindestens für möglich hält oder mit ihm rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer ihn übersieht (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, BGB § 438 Rn. 28, 29).
OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 09.03.2023 6 U 36/22
Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass es genügt, wenn der Unterlassungsschuldner nach Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen eines nicht klickbaren Links auf die OS-Plattform die Funktionsfähigkeit des Links einmal pro Monat kontrolliert.
Aus den Entscheidungsgründen: cc) Aus der Aussage der Zeugin K1 hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte alles Erforderliche unternommen hat, um ihrer Verpflichtung aus der Unterlassungsvereinbarung nachzukommen.
aaa) Die Beklagte ist zunächst nach der Abmahnung im erforderlichen Umfang tätig geworden. Wie die Zeugin bekundet hat, hat sie für die Beklagte am 19.08.2021 einen klickbaren Link auf der über E-Bay aufrufbaren Website der Beklagten eingerichtet und auf seine Funktionsfähigkeit überprüft. Sie habe, so hat sie ausgesagt, diese Prüfung danach noch einmal von einem Mobilgerät aus über ihr privates E-Bay-Konto vorgenommen.
Der Senat glaubt der Zeugin. Die Zeugin hat nachvollziehbar erklärt, weshalb sie nach über 1 1/2 Jahren noch mit Sicherheit bekunden konnte, dass und wann genau sie entsprechend tätig geworden ist. Sie hat erläutert, dass sie dergleichen gewohnheitsmäßig notiere. Nachvollziehbar war auch ihre Erklärung, dass die Beklagte zur Vermeidung von Vertragsstrafenzahlungen die Unterlassungserklärung erst abgegeben habe, nachdem die Beanstandungen abgearbeitet worden seien.
Die Beklagte hat es nicht bei der Einrichtung des Links bewenden lassen, sondern seine Funktionstüchtigkeit auch später noch einmal von der Zeugin überprüfen lassen. Auch dies hat die Zeugin bekundet. Ihrer Aussage zufolge werden die Angaben auf der Website etwa alle zwei bis sechs Wochen überprüft. Sie könne definitiv sagen, dass sie auch die Funktionsfähigkeit des Links in der Zeit zwischen 19.08.2021 und dem 23.09.2021 noch einmal überprüft habe. Wann dies gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Sie sei sicher, dass sie dies auch hier jedenfalls vor Antritt ihres Urlaubs am 22.09.2021 getan habe.
Der Senat glaubt der Zeugin auch insoweit. Es spricht für ihre Glaubwürdigkeit, dass sie eingeräumt hat, das Datum der Überprüfung nicht mehr zu erinnern. Zugleich ist ihre Begründung dafür, weshalb sie gleichwohl mit Sicherheit eine Überprüfung bestätigen könne, nachvollziehbar und glaubhaft. Sie konnte hierfür nicht nur allgemein auf die routinemäßigen Kontrollabstände verwiesen. Sie konnte vielmehr eine Kontrolle vor dem 23.09.2021 auch damit plausibel machen, dass sie vor ihrem Urlaub noch habe sicherstellen wollen, dass währenddessen alles reibungslos funktioniere und sie nicht zwischendurch tätig werden müsse oder die Shops offline geschaltet werden müssten. Dass die Zeugin berechtigt diese Sorge haben konnte, zeigt der weitere Verlauf. Nach der neuerlichen Beanstandung erhielt sie tatsächlich im Urlaub einen Anruf des Geschäftsführers der Beklagten. Auch wurde die Website offline genommen.
bbb) Mehr als das Einrichten eines klickbaren Links, dessen anschließende Überprüfung und eine weitere Überprüfung im Rahmen routinemäßiger Kontrollen konnte von der Beklagten nicht verlangt werden. Auch die Kontrolldichte war ausreichend. Da die Zeugin nur von einer einmaligen Kontrolle im Zeitraum zwischen dem 19.08. und dem 23.09.2021 berichtet hat, ist allerdings nur ein einmonatiger Kontrollrhythmus erwiesen. Dies war hinsichtlich der betreffenden Angabe aber auch ausreichend.
Der Senat legt dieser Bewertung im Ausgangspunkt zugrunde, dass die Beklagte ernsthaft dafür Sorge tragen musste, einen klickbaren Link einzurichten und dessen Funktionstüchtigkeit zu überwachen. Dies folgt schlicht daraus, dass sie sich vertraglich dazu verpflichtet hatte, auf ihrer Website einen klickbaren Link zur Verfügung zu stellen. In welchem Umfang die Beklagte Maßnahmen zur Umsetzung und Kontrolle der Verpflichtung tätig zu treffen hatte, muss sich maßgeblich danach bemessen, welche Bedeutung die Verpflichtung für den lauteren Geschäftsverkehr, dessen Durchsetzung die Unterlassungsvereinbarung dient, und für den Schutz der Verbraucher hat, ferner welche Gefahr von einer pflichtwidrigen Unterlassung ausginge und nicht zuletzt, wie hoch die Gefahr eines nachträglichen Funktionsverlusts des Links einzuschätzen war.
Im Hinblick auf die Bedeutung der Linksetzung ist einerseits zu berücksichtigen, dass das Fehlen des klickbaren Links im Rahmen einer wettbewerblichen Unterlassungsklage als spürbarer Wettbewerbsverstoß i. S. d. § 3a UWG hätte gelten müssen, weil die Verpflichtung unionsrechtlich geregelt ist. Andererseits teilt die Beklagte anlässlich der Information zur Online-Streitbeilegung ausdrücklich mit, dass sie zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren nicht verpflichtet und nicht bereit sei (Anl. K 2 Bl. 3). Diese Mitteilung ist zulässig und wurde von dem Kläger dementsprechend auch nicht angegriffen. Die Bereitstellung des Link ist zwar verpflichtend (Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 524/2013), die Teilnahme an der Online-Streitbeilegung aber nicht (vgl. Erwägungsgrund 26 ebd.). Angesichts der unmissverständlichen Positionierung der Beklagten erscheint es schon fraglich, dass Verbraucher in nennenswerter Zahl den Link überhaupt anklicken. Es käme jedenfalls auch dann aller Voraussicht nach nicht zu dem gewünschten Ziel der außergerichtlichen Streitbelegung. Insofern sind im vorliegenden Fall die Bedeutung des funktionstüchtigen Links nicht zu hoch. Entsprechend gering ist der Nachteil zu gewichten, der dem Verbraucher durch die Funktionsuntüchtigkeit des Links entsteht.
Entscheidend fällt vor Allem aber ins Gewicht, dass die Beklagte nicht mit Änderungen an den von ihr gemachten Angaben rechnen musste. Auch der Kläger trägt keine Anhaltspunkte dafür vor, weshalb sie mit einem nachträglichen Wegfall der Funktionalität hätte rechnen müssen. Die Zeugin K1 hat anschaulich beschrieben, dass sie die bei Einrichtung eines Online-Shops auf E-Bay notwendigen Händlerangaben gemacht habe, nachdem sie sich auf der Plattform für die Beklagte angemeldet habe. Es ist nicht erkennbar, wer außer der Beklagten Zugriff auf diese Angaben nehmen und sie verändern könnte. Dies unterscheidet den Fall grundlegend von demjenigen, den das Landgericht Berlin in dem von dem Kläger in Bezug genommenen Urteil zu entscheiden hatte (Schriftsatz vom 12.01.2022 S. 2 f mit Anl. K 11). Das Landgericht Berlin vertrat die Auffassung, dass bei E-Bay gemachte Angaben mehrmals täglich überprüft werden müssten. Streitgegenständlich dort war aber die Überprüfung der eingestellten Angebote im Hinblick auf inhaltliche Änderungen an Angaben, die von Dritten vorgenommen werden konnten. Konkret ging es um die Gestaltung von Grundpreisangaben. Insoweit hatte die dortige Beklagte eine Überprüfungspflicht nicht einmal bestritten und sich auf tägliche Kontrollen berufen. Hier aber steht nicht die inhaltliche Gestaltung der Angebote in Rede, sondern die Funktionstüchtigkeit eines nach Anmeldung namens der Beklagten gesetzten Links. Auch bei einer solchen Angabe besteht zwar eine Kontrollpflicht. Es kann nie ausgeschlossen werden, dass der Link durch nicht vorhersehbare nicht vorhersehbare äußere Einflüsse seine Funktionstüchtigkeit verliert. Da aber keine konkrete Gefährdungssituation bestand und zudem die Bedeutung der Angabe aus den dargestellten Gründen eher gering zu veranschlagen ist, erscheint eine routinemäßige monatliche Kontrolle als noch ausreichend.
BGH
Urteil vom 26.01.2023 I ZR 111/22
Mitgliederstruktur
UWG aF § 8 Abs. 3 Nr. 2
Der BGH hat entschieden, dass der Abmahnverein IDO nach UWG aF § 8 Abs. 3 Nr. 2 zur Abmahnung befugt war und nicht rechtsmissbräuchlich handelte.
Leitsatz des BGH:
Für die Klagebefugnis eines Verbands kommt es grundsätzlich nicht darauf an, über welche mitgliedschaftlichen Rechte dessen - mittelbare oder unmittelbare - Mitglieder verfügen. Wie bei mittelbaren Mitgliedern kommt es auch bei unmittelbaren Mitgliedern auf deren Stimmberechtigung nur an, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihre Mitgliedschaft allein bezweckt, dem Verband die Klagebefugnis zu verschaffen (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 218/03, GRUR 2007, 610 [juris
Rn. 21] = WRP 2007, 778 - Sammelmitgliedschaft V).
BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22 - OLG Düsseldorf - LG Krefeld
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Verstoß gegen die Buchpreisbindung durch die Adventsrabattaktion von eBay vorlag, da die Buchhändler den vollen Ladenpreis erhielten.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Kein Verstoß gegen Buchpreisbindung durch Rabattaktion von eBay u.a. auf Bücher
Die Verkaufsplattform eBay unterfällt selbst nicht den Vorgaben des Buchpreisbindungsgesetzes. Ihre einmalige Adventsrabattaktion, bei der u.a. beim Kauf von Büchern die Letztabnehmer lediglich 90% des Kaufpreises zahlen mussten, während eBay 10% an den Buchhändler entrichtete, führte auch nicht zu einem Verstoß der Buchhändler gegen das BuchPrG. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung bestätigt, dass dem Kläger keine Unterlassungsansprüche gegen eBay zustehen.
Satzungsgemäße Aufgabe des Klägers ist die Sicherung der Preisbindung u.a. von Büchern. Nach dem deutschen Buchpreisbindungsgesetz (i.F.: BuchPrG) dürfen Buchhändler gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer in Deutschland nur zu den von den Verlagen festgelegten (= gebundenen) Ladenpreisen verkaufen.
Die Beklagte betreibt einen Internet-Marktplatz. Nach Abschluss des Kaufvertrags können Zahlungsoptionen gewählt werden. Dazu zählt u.a. die Möglichkeit, Gutscheine einzulösen. Die Beklagte bot ihren Kunden im Dezember 2019 für einige Stunden einen 10%-igen Adventsrabatt an. Dieser wurde neben vielen anderen Produkten wie Spielzeug, Uhren, DVDs auch beim Verkauf von Büchern gewährt. Käufer, die beim Buchkauf den Adventsrabatt einlösten, schlossen einen Kaufvertrag mit den Buchhändlern über den vollen Preis. Nach Eingabe des Gutscheincodes zahlten sie lediglich 90% des Kaufpreises, die restlichen 10% zahlte die Beklagte an die Verkäufer.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung wegen Verstoßes gegen die Buchpreisbindung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Kläger stehe unter keinem Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu, bestätigte das OLG. Die Beklagte unterfalle nicht unmittelbar den Vorgaben des BuchPrG, da sie selbst nicht gewerbsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkaufe. Die Kaufverträge würden unmittelbar zwischen den auf ihrer Plattform präsenten Buchhändlern und den Käufern geschlossen. Da die Buchhändler nicht gegen das BuchPrG verstießen, komme auch keine mittelbare Täterschaft der Beklagten in Betracht. Die Buchhändler erhielten den vollen gebundenen Ladenpreis. Ohne Erfolg vertrete der Kläger die Ansicht, die von den Buchhändlern an die Beklagte zu zahlenden Provision stehe im preisbindungsrechtlichen Zusammenhang mit dem Rabatt. Die Provision falle vielmehr grundsätzlich an und diene dem Ausgleich allgemeiner Vermittlungsleistungen. Die Rabattaktion sei davon unabhängig; die Buchhändler seien in die Aktion auch nicht eingebunden gewesen.
Die Rabattaktion führe auch weder zur Umgehung des BuchPrG noch sei eine entsprechende Anwendung der Vorschriften vorzunehmen. Soweit durch die Rabattaktion einmalig und nur für wenige Stunden in den Preiswettbewerb eingegriffen worden sei, sei nicht von einer ernsthaften Bedrohung der durch das Gesetz geschützten Vielfalt an Buchhändlern durch kleine und mittlere Anbieter auszugehen.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.3.2023, Az. 11 U 20/22
(vorausgehend LG Wiesbaden, Urteil vom 25.1.2022, Az. 11 O 790/20)
Erläuterungen:
§ 3 BuchPrG Preisbindung
1Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer in Deutschland verkauft, muss den nach § 5 festgesetzten Preis einhalten. 2Dies gilt nicht für den Verkauf gebrauchter Bücher.
Das LG Bonn hat entschieden, dass kein Kaufvertrag über eine Küche für 1 EURO-Sofortkaufpreis bei eBay zustande gekommen ist, wenn in der Artikelbezeichnung bzw. Artikelbeschreibung als Preis "20.000 EURO VB" angegeben ist und darauf hingewiesen wird, dass der Sofortkaufpreis von 1 EURO nur zum Zwecke der Gebührenersparnis angegeben wird.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Beklagte hat die Einbauküche nicht für 1 €, sondern für 20.000 € an den Kläger verkauft.
Die Auslegung des Angebots kann sich im vorliegenden Fall nicht darauf beschränken, dass die Küche aufgrund der Wahl der Verkaufsform (Sofort-Kaufen) und des neben dem Sofortkauf-Button angegebenen Festpreises auf den ersten Blick für einen Preis von 1 € zum (Sofort-)Kauf stehen sollte. Zwar mag ein Kaufinteressent aufgrund der Gestaltung der Angebotsseite hiervon nach seinem Empfängerhorizont zunächst ausgehen. Dabei darf er jedoch nicht stehenbleiben. Vielmehr muss er zur Bestimmung des wirklichen Erklärungstatbestands stets die insgesamt abgegebenen Erklärungen berücksichtigen und darf nicht nur einzelne Erklärungsbestandteile als vermeintlich maßgebend herausgreifen (vgl. BGH, U. v. 15.02.2017, ZIP 2017, 928 ff., zitiert nach juris). So wird in der Artikelbezeichnung ausdrücklich – durch Fettdruck hervorgehoben – darauf hingewiesen, den Artikeltext zu lesen. In diesem Text heißt es dann u.a., dass der „Preis … bei 20.000 € VB!“ liegt. Da ausdrücklich vom „Preis“ der Küche die Rede ist und in diesem Zusammenhang auch die in Verkaufsangeboten übliche Abkürzung „VB“ (= Verhandlungsbasis) verwendet wird, ist deutlich erkennbar, dass es hier – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht um den (ursprünglichen) Wert der Küche, sondern um deren (tatsächlichen) Verkaufspreis geht.
Dass ein sich erst aus der Artikelbeschreibung bzw. aus dem Artikeltext ergebender anderer, insbesondere höherer, Verkaufspreis als der neben dem Sofortkauf-Button angegebene Festpreis im Widerspruch zu den Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers eBay steht, vermag an dem genannten Auslegungsergebnis schon deshalb nichts zu ändern, weil das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander von ihrem Rechtsverhältnis zu eBay unabhängig und abweichenden Regelungen mit der Folge zugänglich ist, dass in dieser Rechtsbeziehung das individuell Vereinbarte gilt (vgl. BGH, a.a.O.).
Das auf einen Kaufpreis in Höhe von 20.000 € lautende Angebot hat der Kläger auch angenommen. Die Beklagte durfte zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der den Vertragsschluss vollendenden Annahmeerklärung des Klägers mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach ihrem Empfängerhorizont davon ausgehen, dass der Kläger den Artikeltext mit der Angabe eines Kaufpreises in Höhe von 20.000 € gelesen hatte und die Einbauküche auch zu diesem Preis erwerben wollte.
2. Der danach aufgrund des wirksam geschlossenen Kaufvertrags zunächst entstandene, wenn auch von der Beklagten gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 20.000 € zu erfüllende, Anspruch des Klägers auf Übergabe und Übereignung der Einbauküche (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist jedoch erloschen (§ 142 Abs. 1 BGB), da der Kläger seine auf einen Kaufpreis von 20.000 € lautende Annahmeerklärung wirksam wegen eines Inhaltsirrtums angefochten hat (§§ 119 Abs. 1, 121 Abs. 1, 143 Abs. 1, Abs. 2 BGB). Dass er nur den neben dem Sofortkauf-Button angegebenen Kaufpreis in Höhe von 1 € bieten und sich an einen Vertrag mit einem Kaufpreis von 20.000 € nicht gebunden wissen wollte, hat er in der im Anschluss an das Zustandekommen des Kaufvertrages geführten E-Mail-Korrespondenz unmissverständlich im Sinne einer Anfechtung gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu auch BGH, a.a.O.).
3. Aber auch dann, wenn man der Auffassung ist, dass sich der vorliegende Sachverhalt insofern maßgeblich von demjenigen unterscheidet, der der zitierten Entscheidung des BGH zugrunde lag, als dort in der Artikelbeschreibung - anders als hier - ausdrücklich und unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass der im Eingang genannte (niedrigere) Angebotspreis nur zwecks Einsparung von Verkaufsgebühren genannt, in Wirklichkeit aber nicht gewollt war, sondern auf einen höheren Betrag lauten sollte, und dass das Angebot bei einer Betätigung des Buttons zu diesem höheren Preis angenommen würde, führt dies im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch wenn mangels einer solchen Klarstellung wie in dem vom BGH entschiedenen Fall vorliegend von einem nicht aufgelösten Widerspruch zwischen dem ins Auge springenden Sofortkauf-Angebot von 1 € und der nachfolgend in der Beschreibung enthaltenen Erklärung, dass der „Preis … 20.000 € VB!“ beträgt, auszugehen ist, steht dem Kläger kein Anspruch gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Die Willenserklärung der Beklagten ist nämlich vor diesem Hintergrund zumindest objektiv mehrdeutig und widersprüchlich, weshalb die Parteien über einen wesentlichen Punkt, nämlich über die Höhe des Kaufpreises, keine Einigung erzielt haben. Dies gilt umso mehr, als der in dem Artikeltext enthaltene Zusatz „VB“, wonach der Preis also noch verhandelbar ist, mit der Festpreis-Funktion „Sofort-Kaufen“ überhaupt nicht kompatibel ist. Damit besteht zwischen den Parteien ein offener Einigungsmangel im Sinne des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Folge, dass der Kaufvertrag im Zweifel als nicht geschlossen anzusehen ist (vgl. hierzu LG Stuttgart, U. v. 21.12.2007, NJW-RR 2008, 1592 ff., zitiert nach juris).
4. Ob der Beklagten bei einem wirksamen Zustandekommen des Kaufvertrages (ebenfalls) ein Anfechtungsrecht gemäß § 119 Abs. 1 BGB zusteht, weil sie bei der Abgabe ihres Angebots zum Verkauf der Küche einem Irrtum unterlegen ist, kann nach alledem dahingestellt bleiben.
Das OLG Braunschweig, hat sich in dieser Entscheidung mit der Abgrenzung von zulässiger Schnäppchenjagd und rechtsmissbräuchlicher Abbruchjagd bei eBay befasst. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erfüllung noch auf Schadensersatz. Hierbei kann es letztlich offenbleiben, ob zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen ist und – falls ja – dem Beklagten die Erfüllung unmöglich geworden ist. Einem etwaigen Anspruch der Klägerin steht nämlich der Einwand des Rechtsmissbrauches entgegen, § 242 BGB.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten eines Bieters bei Internetauktionen in Betracht kommen, wenn seine Absicht von vornherein nicht auf den Erfolg des Vertrages, sondern auf dessen Scheitern gerichtet ist, er also den angebotenen Gegenstand gar nicht erwerben will, sondern auf den Abbruch der Auktion abzielt, um daraufhin Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Ob ein solches als „Abbruchjagd“ bezeichnetes Verhalten vorliegt, lässt sich nicht nach abstrakten, verallgemeinerungsfähigen Kriterien bestimmen, sondern hängt vielmehr von der dem Tatrichter obliegenden Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände ab (vgl. BGH NJW 2019, 2475 Rdn. 24 u. 25).
Die Abgrenzung zwischen einer zulässigen „Schnäppchenjagd“ und einer rechtsmissbräuchlichen „Abbruchjagd“ ist danach sehr schwierig, so dass der Vollständigkeit des Parteivortrages (vgl. § 138 Abs. 1 ZPO) eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Dieser darf sich daher nicht auf die schlichte Abgabe des Gebotes beschränken, sondern muss sich ggf. auch auf weitere Aspekte der Nutzung von Internet-Auktionen erstrecken, wozu u. a. die Auswahl von Angeboten, aber auch die Beobachtung von Anbietern gehört. Steht die Behauptung im Raum, ein Nutzer trete nur als „Strohmann“ für einen gesperrten „Abbruchjäger“ auf, ist auch insoweit Vortrag zum Nutzungsverhalten der beteiligten Personen erforderlich. Hierbei hat der Käufer, dem eine „Abbruchjagd“ vorgeworfen wird, eine sekundäre Darlegungslast. Eine solche sekundäre Darlegungslast trifft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat auch insoweit anschließt, den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Die sekundäre Darlegungslast führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Genügt der Gegner aber seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des primär Darlegungsbelasteten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BGH NJW 2020, 1962 Rdn. 37).
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin lediglich eine „Strohfrau“ ihres bei Ebay gesperrten Bruders … sei, der als sogenannter „Ebay-Abbruchjäger“ handele. Dieser Vortrag war auch beachtlich, denn im Hinblick auf die vom Beklagten in der Klagerwiderung bereits angeführten Indizien kann seine Behauptung nicht als willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ (vgl. dazu BGH BeckRS 2022, 1468 Rdn. 18) aufgestellt angesehen werden. Folglich hatte sich die Klägerin zu diesem Vortrag zu äußern. Da es dem Beklagten naturgemäß nicht möglich ist, Angaben dazu zu machen, nach welchen Kriterien die Klägerin bzw. ihr Bruder … Angebote abgibt, in welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung Anbieter beobachtet werden (insbesondere im Hinblick auf Indizien für unberechtigte Abbrüche) und inwieweit das eigene Bieterverhalten davon abhängig gemacht wird, trifft die Klägerin insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Dies gilt auch zu den Umständen des konkreten Kaufes und zur Nutzung des Accounts der Klägerin durch Dritte, die selbst bei Ebay gesperrt sind, da dies Aspekte zu einem etwaigen „Strohmannverhältnis“ betreffen und vom Beklagten nicht recherchiert werden können. Das Oberlandesgericht Schleswig hat sich in seinem Urteil vom 23.8.2021 (Az. 16 U 119/20) umfassend mit den Fragen der „Ebay-Abbruchjagd“ und der Umgehung des eigenen Ausschlusses von Ebay durch Nutzung eines fremden Accounts auseinandergesetzt. Diese Entscheidung betrifft, wie der Klägervertreter bestätigt hat, die hiesige Klägerin und ihren Bruder. Letzterer hatte vor dem Oberlandesgericht Schleswig eingeräumt, monatlich auf 300 bis 350 Artikel, in der Regel in den Segmenten hochpreisiger Uhren und Autos, geboten zu haben und dies durchaus in der Hoffnung getan zu haben, dass der Anbieter die Auktion ungerechtfertigt abbreche oder in sie eingreife, was die Möglichkeit biete, entweder Schadensersatz oder Erfüllung zu einem weit unter dem Markpreis liegenden Preis zu verlangen. Auch hatte der Bruder der Klägerin vor dem OLG Schleswig beiläufig erklärt, zur Steigerung der Wahrscheinlichkeit eines derartigen unerlaubten Verkäuferverhaltens die Bieterhistorien auf derartige Vorgänge oder andere Auffälligkeiten zu beobachten (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 23. August 2021 – 16 U 119/20 –, Rdn. 54, juris).
Da dem Beklagten zu derartigen Handlungen kein eigener Vortrag möglich ist und somit von einer sekundären Darlegungslast der Klägerin auszugehen war, war ihr persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung am 6.9.2022 angeordnet worden. In diesem Termin ist die Klägerin jedoch absichtlich nicht erschienen. Der Klägervertreter hat dazu auf Frage des Senats angegeben, dass die Klägerin davon ausgehe, dass ihr Vortrag ausreichend sei. Eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin ist von ihm verneint worden.
Da der Senat aber nach dem vorstehend Ausgeführten gerade von einer solchen sekundären Darlegungslast ausgeht und der erforderliche Vortrag der Klägerin ausgeblieben ist, ist die Behauptung des Beklagten, die Klägerin handele als „Strohfrau“ ihres als „Abbruchjäger“ tätigen Bruders, als zugestanden anzusehen. Dann aber ist das Verhalten der Klägerin als rechtsmissbräuchlich anzusehen (vgl. auch OLG Schleswig, Urteil vom 23. August 2021 – 16 U 119/20 –, Rdn. 43, juris), so dass die Klägerin keine Erfüllung verlangen kann.
Folglich bestehen auch keine Schadensersatzansprüche und Ansprüche auf Erstattung von außergerichtlichen Anwaltskosten.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 23.9.2022 gibt keinen Anlass, wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten. Soweit es dort heißt, dass sich aus den Ausführungen des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht habe entnehmen lassen, ob zu irgendwelchen weiteren Gesichtspunkten noch weiterer Sachvortrag erforderlich sein könnte, und dass der Senat [nur] recht allgemein die sekundäre Darlegungslast der Klägerin sowie die Entscheidung des OLG Schleswig angesprochen habe, trifft dies nicht zu. Die Problematik ist vom Senat eingehend dargestellt worden, jedoch war der Klägervertreter nicht in der Lage, nähere Angaben zu machen. Dies ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2022, wonach der Klägervertreter erklärt hat, zum konkreten Fall und insbesondere auch dazu, von welchem Computer die Gebote abgegeben worden seien, nichts sagen zu können. Er hat dann lediglich wiederholt, dass es sich bei der Klägerin um eine leidenschaftliche Schnäppchenjägerin handele. Musste der Klägervertreter aber in der mündlichen Verhandlung feststellen, Fragen des Senats zum Sachverhalt nicht beantworten zu können, so konnte er noch im Termin erkennen, dass der Senat noch weiteren Vortrag für erforderlich hielt. Auch hat er im Termin nicht etwa um Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gebeten, sondern ist bei seiner Rechtsauffassung geblieben.
Wie sich ferner aus dem Protokoll ergibt, hat der Klägervertreter sogar eingeräumt, dass der Klägerin möglicherweise auch bewusst gewesen sei, dass sie zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen sollte. Sie sei aber nicht erschienen, weil sie davon ausgegangen sei, dass schon ausreichend vorgetragen sei (vgl. Seite 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2022, Bl. 297 d. A.). Folglich ist von Klägerseite bewusst das Risiko eingegangen worden, dass der eigene Vortrag nicht ausreichen könnte. Der neue Tatsachenvortrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 23.9.2022 war daher nicht mehr zu berücksichtigen, § 296a ZPO.
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 23.9.2022 die Auffassung vertritt, dass eine „Strohfraueigenschaft“ nicht ausreiche, um einen Rechtsmissbrauch anzunehmen, und dazu auf Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG Hamm verweist, geht auch der Senat nicht etwa davon aus, dass jedes Bieten eines „Strohmannes“ für eine andere Person als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Ein Rechtsmissbrauch ist jedoch dann gegeben, wenn ein „Abbruchjäger“ formal nicht selbst auf „Abbruchjagd“ geht, sondern dafür einen Dritten vorschiebt. Genau dies war aber der Beklagtenvortrag, zu dem die Klägerin eine (von ihr nicht erfüllte) sekundäre Darlegungslast traf.
Dass der Einwand unzulässiger Rechtsausübung eingreifen kann, wenn sich feststellen lässt, dass es dem Teilnehmer an der Auktion nicht um den erfolgreichen Abschluss eines Kaufgeschäftes, sondern um die „Generierung“ von Schadensersatzansprüchen geht, wird vom Kammergericht und vom OLG Hamm in den von der Klägerin genannten Entscheidungen nicht etwa in Abrede gestellt, sondern ebenfalls bejaht (vgl. KG Beschl. v. 14.4.2020 – 18 U 19/19, BeckRS 2020, 9312 Rdn. 20; OLG Hamm Urt. v. 30.7.2020 – I-34 U 125/19, BeckRS 2020, 18650 Rdn. 68) und entspricht auch der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
Auch die Tatsache, dass die Klägerin zunächst Erfüllung des Vertrages verlangt hat, die Klage also nicht von vornherein auf Schadensersatz gerichtet war, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie bereits ausgeführt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Frage, ob eine „Abbruchjagd“ vorliegt, nicht nach abstrakten, verallgemeinerungsfähigen Kriterien zu beantworten. Es ist vielmehr eine dem Tatrichter obliegende Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände vorzunehmen. Daher kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass hinter einer auf Erfüllung gerichteten Klage keine „Abbruchjagd“ steht. Abgesehen davon, dass ein „erfahrener Abbruchjäger“ dann bereits aus taktischen Gründen regelmäßig zunächst Erfüllung verlangen und erst später im Wege einer zulässigen Klageänderung auf Schadensersatz übergehen würde, ist zu berücksichtigen, dass eine „Abbruchjagd“ auch dann wirtschaftlich attraktiv sein kann, wenn der vom Verkäufer zu leistende Gegenstand für den Käufer/„Abbruchjäger“ einfach zu verwerten ist. Kann eine „Abbruchjagd“ aber gerade nicht schematisch an fixen Kriterien festgestellt werden, sind die einzelnen Umstände, Hintergründe und Details wichtig, da nur dann eine wirkliche Gesamtwürdigung möglich ist. Dies setzt aber voraus, dass der Sachverhalt umfassend vorgetragen wird, weshalb der sekundären Darlegungslast eine besondere Bedeutung zukommt. Diese ihr obliegende sekundäre Darlegungslast hat die Klägerin jedoch – wie bereits ausgeführt – nicht erfüllt.
Das AG Frankenthal hat entschieden, dass kein Anscheinsbeweis dafür besteht, dass eine eBay-Auktion durch den Accountinhaber erstellt wurde, wenn Umstände auf eine rechtswidrige Nutzung durch einen Dritten hindeuten.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Entscheidung des Monats Oktober
Leitsatz:
Ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass eine Ebay-Versteigerung durch den Accountinhaber initiiert wurde, greift jedenfalls dann nicht, wenn sich dem Käufer aufgrund anderer Umstände der Verdacht aufdrängen musste, der Account könnte von Dritten rechtswidrig genutzt worden sein. (Hier: Email mit ungewöhnlichem, zweifelhaften Abwicklungsvorschlag)
Sachverhalt:
Der Beklagte unterhielt einen eBay Account unter dem Namen „m.“. Unter diesem Account und unter der Auktionsnummer # 294163479699 wurde ein Rennrad „Cervelo s5 2019 — RH 56 cm — Gr. L / 1,75-1,85 zum Preise von 2.765,00 € zum Kauf angeboten. Der Kläger macht geltend, er sei zum Zeitpunkt des Auktionsende Höchstbietender gewesen, sodass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Gleichwohl habe der Beklagte das Fahrrad trotz mehrfacher Aufforderungen nicht ausgeliefert, sondern es vielmehr ab dem 11.5.2021 erneut anderweitig angeboten. Mit der weiteren Behauptung, das Fahrrad habe angesichts der sehr geringen Laufleistung einen Zeitwert von mindestens 4.500 € gehabt, macht der Kläger einen Nichterfüllungsschaden in Höhe von 1.735 € geltend.
Der Beklagte bringt vor, er habe keine entsprechende Auktion gestartet, sodass zwischen den Parteien auch kein Kaufvertrag zustande gekommen sein könne. Sein Account sei von einem unbekannten Dritten gehackt worden. Die eBay GmbH habe ihm mitgeteilt, sein Konto sei bereits am 19.5.2021 (Anmerkung: also nach der oben genannten Versteigerungsaktion) geschlossen worden. Aus dem aufgrund seiner Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft E. unter Aktenzeichen (…) geführten Ermittlungsverfahren ergebe sich, dass der wahre Vertragspartner des Klägers ein Herr J. sei.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist unbegründet. Das Gericht kann nicht zu seiner Überzeugung feststellen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB zustande gekommen wäre, dessen Erfüllung der Kläger verlangen könnte. Der Kläger blieb hierfür beweisfällig. Andere zugunsten des Klägers streitende Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Beweislast für das Zustandekommen eines Vertrages, aus dem Ansprüche hergeleitet werden sollen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Kläger. Beweis dafür, dass der Beklagte selbst das Verkaufsangebot bei eBay eingestellt hatte oder dieses mit dessen Kenntnis und Willen dort von einem Dritten eingestellt wurde, bietet der Kläger nicht an. Zu seinen Gunsten streitet auch nicht deshalb ein Anscheinsbeweis, weil ein eBay-Account des Beklagten verwendet wurde. Es fehlt insoweit bereits an einem typischen Geschehensablauf, weil der Sicherheitsstandard im Internet derzeit nicht ausreichend ist. Für eine Zurechnung reicht es nicht bereits aus, dass der Kontoinhaber evtl. die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem unberechtigten Zugriff des Handelnden geschützt hat. Auch eine von eBay gestellte und von jedem registrierten Nutzer akzeptierte Formularklausel, wonach Mitglieder grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden, begründet keine Haftung des Kontoinhabers gegenüber Auktionsteilnehmern (BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 289/09, juris; OLG Hamm, Urteil vom 16.11.2006, Az. 28 U 84/06, NJW 2007,611; Neubauer/Steinmetz, Handbuch des Multimediarechts, 2022, Teil 14, Internetauktionen, Rn. 58 f.). Selbst wenn zu Vorstehendem eine andere Auffassung vertreten würde, wäre ein zugunsten des Kläger in Betracht kommender Anscheinsbeweis jedenfalls erschüttert. Der Kläger selbst legt nämlich mit der Anlage zur Anspruchsbegründung auch eine Nachricht vor, die zwar die Absenderkennung des Beklagten trägt, jedoch den Empfänger mit dem fadenscheinigen Zusatz, der Absender der Nachricht habe „auf die letzte Auszahlung über drei Wochen (…) warten müssen“ darum bittet, „nicht direkt an eBay zu zahlen“, sondern eine Telefonnummer „[...]“ anzurufen. Bereits hier drängt sich der Verdacht eines Betrugsversuchs auf. Der Beklagte hat darüber hinaus unter Hinweis auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens dargelegt, nicht Inhaber der genannten Telefonnummer zu sein.
Das LG Magdeburg hat entschieden, dass die fehlerhafte Eingabe des Startpreises bei einer eBay-Auktion einen Erklärungsirrtum darstellen kann, der zur Anfechtung berechtigt.
Aus den Entscheidungsgründen: Die zulässige Klage auf Erfüllung des Kaufvertrages nach § 433 BGB bzw. auf Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 280, 281 BGB ist nicht erfolgreich. Die Beklagte hat zu Recht ihre Kaufvertragserklärung nach § 119 BGB als Erklärungsirrtum angefochten. Diese Anfechtung ist auch unverzüglich erfolgt, nämlich am selben Tage der Bestellung des Klägers. Bei elektronischen Erklärungen liegt in der fehlerhaften Bedienung oder Eingabe eines falschen Buchcodes in der Regel ein Irrtum in der Erklärungshandlung vor, die Verwendung von falschem Datenmaterial, aus dem dann die Eingabe heraus durchgeführt wird, stellt lediglich ein Irrtum bei der Erklärungsvorbereitung dar und begründet kein Anfechtungsrecht (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 119, Rz. 10).
Danach ist nach den Angaben des Zeugen ..., der verantwortlichen Person bei der Beklagten, von einem Erklärungsirrtum auszugehen. Dieser hat erläutert, dass nicht von einem vorliegenden Material heraus jeweils der individuelle Preis in die Angebote auf der eBay-Plattform eingestellt werden und hier etwa diese Listen oder Preisangaben falsch gewesen wäre, sondern dass nach festgelegten Parametern automatisch die Preise bestimmten Artikeln zugeordnet werden, wobei die Zuordnung anhand von Kriterien, wie eine Artikel-Identnummer, bestimmten Herstellerangaben, wie auch des Versandstatus, geschieht. Danach habe das System die Preise nicht zutreffend den jeweiligen Artikeln zugeordnet, sondern aufgrund bestimmter Umstände völlig fernliegende Preise einer Reihe von Artikeln beigegeben. Es habe sich nicht etwa um Rabatt- oder sonstige Eingabeprobleme gehandelt. Angaben, warum es zu diesen Veränderungen gekommen sei, könne man im Einzelnen heute nicht mehr machen, da die Beklagte sofort nach Auffallen der falschen Preisangaben diese komplett gelöscht habe und ihr gesamtes Angebot von der Plattform bei eBay genommen habe. Es seien dann auch sofort die Mails an die Kunden gesandt worden mit der Anfechtungserklärung. Man habe die Fehlerhaftigkeit auch sofort bemerkt, da die Verkäufe angezogen hätten aber keinen Deckungsbeitrag angesichts des geringen Kaufpreises im Vergleich zu dem realistischen ausgewiesen hätten, so dass sofort aufgefallen sei, dass etwas falsch sein müsse in der einzelnen Angabe.
Die Angaben des Zeugen sind überzeugend und plausibel. Er hat auch die technischen Abläufe nachvollziehbar dargestellt, so dass zu erkennen ist, dass nicht das Material, was als Grundlage zur Eingabe dient, den Fehler aufgewiesen hat, sondern das die Eingabe selbst fehlerhaft war, so dass hier ein Anfechtungsgrund vorliegt.
Damit hat der Kläger aus den abgeschlossenen Kaufverträgen keine Erfüllungsansprüche und auch keine Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung. Soweit Schadensersatzansprüche nach § 122 BGB in Betracht kommen, hat der Kläger entsprechende Schäden nicht substantiiert. Das gilt auch für die Anwaltskosten, die sich auf einen Schadensersatzanspruch in vollem Umfang erstreckt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Kläger einen Schaden von 15.412,00 € bei einer Gesamtkaufsumme von 987,45 € geltend macht.
Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass auch ein im Binnenschiffsregister eingetragenes Schiff rechtswirksam bei eBay an den Höchstbietenden den versteigert wird. Vorliegend ging es um das Schiff "MS Stadt Düsseldorf" der "Weiße Flotte GmbH".
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Rheinschiff bei eBay ersteigert
Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (8 O 321/20) hat am 12. April 2022 entschieden, dass das Fahrgastschiff « MS Stadt Düsseldorf » wirksam über die Internetplattform eBay gekauft worden ist. Die Veräußerin hat das Schiff Zug-um-Zug gegen Zahlung von 75.050,-- € an den klagenden Ersteigerer herauszugeben. Im August 2020 hatte die Weiße Flotte GmbH das Fahrgastschiff « MS Stadt Düsseldorf », das im Binnenschiffsregister des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort eingetragen ist, bei eBay zum Kauf gegen Höchstgebot bis zum 29.08.2020 angeboten. Das Höchstgebot zum Ende der Auktion gab der Kläger mit 75.050,- - € ab. Die beklagte Weiße Flotte aus Düsseldorf verweigerte jedoch die Herausgabe des Schiffs. Sie meint, die eBay-Auktion sei nicht ordnungsgemäß abgelaufen. Wegen einer Sicherheitsfunktion bei eBay, die bei Geboten von über 50.000,-- € zu einer Verifizierung auffordere, hätten potentielle Bieter ihre Gebote nicht abgeben können. Ebenso wie ein Grundstück, dürfe auch ein Schiff, das im Binnenschiffsregister eingetragen sei, nicht über eBay versteigert werden. Die Versteigerung sei unwirksam, weil die Schiffshypothek über 1,4 Mio EUR bei der Artikelbeschreibung nicht angegeben worden sei.
Die 8. Zivilkammer hält die Versteigerung bei eBay für wirksam und verurteilt die beklagte Weiße Flotte GmbH zur Herausgabe. Denn der Kaufvertrag eines eingetragenen Binnenschiffes – anders als ein Grundstückskaufvertrag – könne ohne Einhaltung von Formvorschriften geschlossen werden. Der Kaufvertrag sei mit dem Kläger als Höchstbietendem zustande gekommen. Die beklagte Weiße Flotte könne sich nicht nachträglich durch eine Anfechtung wegen Irrtums, nämlich wegen der angeblich vergessenen Angabe der Schiffshypothek, von dem Vertrag lösen. Schließlich sei auch eine Störung der Auktion nicht ersichtlich. Soweit einzelne Bieter kein Gebot über 50.000,-- € abgeben konnten, beruhe dies auf einer von eBay vorgesehenen Verifizierungsfunktion.
Update: Das OLG Köln hat die Entscheidung des LG Köln mit Urteil vom 09.12.2022 - 6 U 40/22 im Berufungsverfahren aufgehoben und den Rechtsstreit zu Gunsten von IDO entschieden. Gleiches gilt für weitere Parallelverfahren.
Das LG Köln hat entschieden, dass der Abmahnverein IDO rechtsmissbräuchlich handelt. Das Gericht führt u.a. aus, dass die Abmahntätigkeit primär dazu dient, den im bzw. für den Verein tätigen Personen unangemessen hohe Vergütungen zukommen zu lassen.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Zur rechtlichen Beurteilung hat die Kammer im Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 03.05.2021 folgende Hinweise erteilt:
„1) Die rechtliche Beurteilung, insbesondere die Frage des Rechtsmissbrauchs, richtet sich nicht nach § 8c UWG n.F., sondern nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020, da es vorliegend um das angeblich rechtsmissbräuchliche Vorgehen des Beklagten aus der Zeit vor Inkrafttreten des o.g. Gesetzes geht. Maßgeblich ist daher insbesondere § 8 Abs. 4 UWG a.F. sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung. Relevante rechtliche Unterschiede dürften sich daraus aber nicht ergeben.
2) Hinsichtlich der Möglichkeit, eine Unterlassungsvereinbarung wegen Rechtsmissbrauchs zu kündigen, verweist die Kammer auf das Urteil des BGH vom 14.02.2019 – I ZR 6/17 – Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung.
3) Die Klägerseite macht vorliegend in erster Linie Ansprüche auf Rückzahlung der von ihr an den Beklagten gezahlten Abmahnkostenpauschale geltend. Darüber hinaus wird in einigen bei der Kammer anhängigen Verfahren zusätzlich die Rückzahlung einer an den Beklagten gezahlten Vertragsstrafe geltend gemacht.
a) Diese Ansprüche können - auch bei unterstelltem Rechtsmissbrauch des Beklagten – nicht auf § 812 Abs. 1 BGB gestützt werden. Die Parteien haben eine Unterlassungsvereinbarung getroffen. Die Kündigung der Klägerseite wirkt allenfalls ex nunc (vgl. BGH Urteil vom 14.02.2019 – I ZR 6/17 – Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung), so dass für die (damaligen) Zahlungen vor Ausspruch der Kündigung ein Rechtsgrund besteht. Dies gilt auch, wenn die Verpflichtung zur Zahlung der Abmahnkosten nicht ausdrücklich in die Unterlassungsvereinbarung aufgenommen worden ist. Auch die Zahlung einer Vertragsstrafe findet ihren Rechtsgrund in der damals noch nicht gekündigten Unterlassungsvereinbarung.
b) Wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Rückzahlung (z.B. § 4 Nr. 4 UWG i.V.m. § 9 UWG) scheiden aus, da zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis besteht (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, § 12 UWG Rn. 1.89).
c) Denkbar sind daher allenfalls Ansprüche aus § 8 Abs. 4 S. 3 UWG a.F. i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB, § 826 BGB und/oder § 678 BGB, vgl. (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, § 12 UWG Rn. 1.87 bis 1.89 und Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, § 8 UWG Rn. 4.6 und 4.7a).
Ob die (engen) Voraussetzungen dieser Normen vorliegen, wird die Kammer zu prüfen haben, vgl. II.
d) Aus den oben c) genannten Normen lässt sich ggf. auch ein Anspruch auf Erstattung der eigenen Rechtsverteidigungskosten der Klägerseite herleiten.
3) Die Frage der Aktivlegitimation des Beklagten im Zeitpunkt der Abmahnung (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F.), insbesondere ob der Beklagte über eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern im fraglichen Warenbereich verfügte, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr zu klären.
Die 4. Kammer für Handelssachen hat hierzu in ihrem Urteil vom 11.11.2020 (84 O 55/20) ausgeführt:
„Die Beklagte (Anm. des Verf.: der Unterlassungsschuldner) darf zwar in zulässiger Weise bestreiten, dass der Kläger (Anm. des Verf.: J) zum Zeitpunkt der Abmahnung über eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern im hier fraglichen Warenbereich Kosmetikartikel verfügte. Auch hat der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgetragen, ob und welche Mitglieder ihm zum Zeitpunkt der Abmahnung im hier fraglichen Warenbereich angehörten.
Dies rechtfertigt aber nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB. Aus dem Schreiben vom 03.12.2015 folgt, dass die Beklagte durch ihre hiesigen Prozessbevollmächtigten, die der Kammer als versierte Fachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt sind, anwaltlich beraten war und die Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgegeben hat. Daraus folgt, dass die Beklagte sich unabhängig davon unterworfen hat, ob der Kläger überhaupt aktivlegitimiert war und/oder ob der Unterlassungsanspruch materiell-rechtlich begründet war. Daher muss sich die Beklagte an dem Unterlassungsvertrag vom 03.12.2015/10.12.2015 festhalten lassen. Ihr ist es verwehrt, nun im Nachhinein einzuwenden, dass ein Unterlassungsanspruch mangels Aktivlegitimation des Klägers tatsächlich nicht bestanden habe. ... Einen Vorbehalt hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers hat die Beklagte eben nicht erklärt.“
II. Die Kammer ist im Wege des Freibeweises nach Wertung der umfangreichen Ausführungen der Parteien zu dem Ergebnis gelangt, dass das wettbewerbsrechtliche Vorgehen des Beklagten gegen die Klägerseite insgesamt als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist. Im Einzelnen:
1) Grundsätzliches
a) Maßgeblich ist – wie ausgeführt - § 8 Abs. 4 UWG a.F., da vorliegend Wettbewerbshandlungen vor dem 02.12.2020 und damit vor Inkrafttreten des § 8c UWG n.F. im Raum stehen.
b) Ein derartiger Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv des Verfahrens erscheint (vgl. BGH GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2012, 286 Tz. 13 – Falsche Suchrubrik; BGH GRUR 2015, 694 Tz. 16 – Bezugsquellen für Bachblüten; OLG Köln, Urteil vom 21.08.2015 – 6 U 41/15 – S. 6; Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c UWG Rn. 11 f.).
Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände, wobei vor allem auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße abzustellen ist. Wenn nach dieser Prüfung der Schluss gerechtfertigt ist, dass der klagende Gläubiger neben dem Interesse an einer Untersagung des Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgt, den Schuldner beispielsweise durch eine – der Sache nach unnötige – Belastung mit Kosten und Gebühren zu schädigen und ihn dadurch im Wettbewerb zu behindern, ist sein Verhalten als rechtsmissbräuchlich zu bewerten (BGHZ 144, 165 = GRUR 2000, 1089, 1091 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Dabei setzt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht voraus, dass die Rechtsverfolgung ohne jedes wettbewerbsrechtliche Interesse betrieben wird. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter die vom Gesetzgeber missbilligten Ziele ist nicht zu verlangen (BGH, GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld I; GRUR 2012, 286 Tz. 13 – Falsche Suchrubrik).
Neben dem im Gesetz ausdrücklich genannten Fall, dass die Rechtsverfolgung vorwiegend der Gebührenerzielung dient, stellt sich die Rechtsverfolgung auch dann als missbräuchlich dar, wenn sie maßgeblich von der Absicht getragen ist, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern (KG, GRUR-RR 2010, 22, 23 – JACKPOT!; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2011, 20 – Behinderungsabsicht; Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c UWG Rn. 11 f.; vgl. auch BGH, GRUR 2006, 243 Tz. 19 – MEGA SALE). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es dem Anspruchsberechtigten zwar nicht ausschließlich, aber doch überwiegend darum geht, den Verletzer mit möglichst hohen Prozesskosten und Risiken zu belasten und seine personellen und finanziellen Kräfte zu binden (BGH, GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld; Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c UWG Rn. 11 f.).
c) Das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs ist im Wege des Freibeweises zu prüfen. Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Klägerseite, die sich auf einen Rechtsmissbrauch des Beklagten beruft und hieraus Ansprüche herleitet, Tatsachen für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzubieten. Dies gilt auch für das Vorgehen eines Verbandes, zumal für diesen die Vermutung spricht, dass er seinen satzungemäßen Zwecken nachgeht. Ist allerdings durch entsprechenden Tatsachenvortrag die für die Anspruchsberechtigung sprechende Vermutung erschüttert, so trifft den Verband eine zumindest sekundäre Darlegungslast. Er muss durch substantiierten Tatsachenvortrag den Einwand des Rechtsmissbrauchs entkräften. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist für den Rechtsmissbrauch nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. zum Vorstehenden: OLG Köln, Beschluss vom 25.08.2021 – 6 U 67/21).
d) Im vorliegenden Fall tragen die von der Klägerseite detailliert dargelegten Umstände (vgl. die Aufzählung im Tatbestand) in der Gesamtbetrachtung die Feststellung, dass der Beklagte mit seinem wettbewerbsrechtlichen Vorgehen gegen die Klägerseite überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv für sein Vorgehen gegen die Klägerseite erscheinen. Vor diesem Hintergrund ist der Beklagte gehalten, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu entkräften. Hierzu bedarf es substantiierten Vortrags zu seiner Rechtsdurchsetzungstätigkeit, zu seiner Einnahmen- und Ausgabenstruktur, zu seiner Mitgliederstruktur, zu seinem Arbeitsapparat (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 25.08.2021 – 6 U 67/21) und zu allen anderen von der Klägerseite für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs vorgetragenen Indizien.
2) zum vorliegenden Fall
a) Der unstreitige Sachverhalt lässt vorliegend den Schluss zu, dass die gesamte Tätigkeit des Beklagten als angeblicher Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen in erster Linie darauf ausgerichtet ist, Personen, die für den Verband tätig sind, nämlich seinen Vorstandsmitgliedern, einem Teil seiner Mitarbeiter und auch der J Management GmbH, dort deren Geschäftsführern und Mitarbeitern, unangemessen hohe Vergütungen und andere Zuwendungen insbesondere aus den Einnahmen aus Abmahnkosten und Vertragsstrafen zukommen zu lassen. Bereits dies rechtfertigt die Annahme des Rechtsmissbrauchs nach § 8 Abs. 4 UWG a.F. (vgl. nunmehr in §§ 8b Abs. 2 Nr. 3 b) und Nr. 4 UWG n.F. gesetzlich normiert).
Die Klägerseite hat die Zahlungen an die Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter des Beklagten anhand dessen Angaben im Schriftsatz vom 14.06.2021 wie folgt zutreffend zusammengefasst:
2. Zahlungen
a) an Vorstandsmitglieder
fest steht, dass der Vorstand des Beklagten bis 25.06.2018 aus den nachfolgend genannten 5 Personen bestand, die unstreitig folgende Verfügungen erhalten haben:
T (1. Vorsitzende, Vorstand), Angestellte in Vollzeit
2017 48.705,79 € brutto
2018 71.419,00 € brutto
2019 54.806,05 € brutto
2020 112.029,46 € brutto
Im Schriftsatz vom 04.11.2021 hat der Beklagte zudem offengelegt, dass Frau T zusätzlich noch von der J Management GmbH als deren Geschäftsführerin ein Gehalt von monatlich 5.000,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer bezieht.
Bei den folgenden Zahlungen an die weiteren Vorstandsmitglieder handelt es sich um Nettobeträge zuzüglich Mehrwertsteuer aufgrund freier Mitarbeiterverträge:
M, freier Mitarbeiter
200 EUR netto pro Stunde
2017 131.100,00 EUR
2018 55.799,16 EUR
2019 37.800,00 EUR
2020 72.163,87 EUR
Dr. T1 (Vorstand
250 EUR netto pro Stunde
2017 119.470,25 EUR
2018 114.404,80 EUR
2019 16.973,38 EUR
2020 200.378,29 EUR
W (Vorstand)
250 EUR netto pro Stunde
2017 84.538,12 EUR
2018 49.146,53 EUR
2019 40.627,16 EUR
2020 54.642,11 EUR
F1 (freie Mitarbeiterin) – ausgeschieden am 25.06.2018
5.500,00 EUR netto monatlich
Ehemalige Präsidentin des Beklagten, Ehefrau des Herrn F(Geschäftsführer der J Management GmbH)
2017 66.000,00 EUR netto
2018 33.000,00 EUR netto
b) an Mitarbeiter
Der Beklagte nach die nachfolgenden Mitarbeiter nach seinen Angaben wie folgt vergütet:
T2 (Kauffrau für Bürokommunikation) – Schwester der 1. Vorsitzenden Frau T, rechnet nach Stundensatz 90 EUR netto ab
2017 192.013,02 EUR netto
2018 160.920,00 EUR netto
2019 130.671,64 EUR netto
2020 112.446,05 EUR netto
X (Finanzwirt)
rechnet nach Stundensatz 90 EUR netto ab
2017 43.710,00 EUR netto
2018 59.670,00 EUR netto
2019 53.220,42 EUR netto
2020 60.918,72 EUR netto
T4 (freie Mitarbeiterin)
Rechnet nach Stundensatz 90 EUR netto ab
2018 4.230,00 EUR netto (vermutlich monatlich)
2019 44.565,00 EUR netto
2020 27.765,00 EUR netto
F (freier Mitarbeiter)
Ehemann der ehemaligen Präsidentin Frau F1
2017 148.350,00 EUR netto
2018 104.250,00 EUR netto
2019 93.600,00 EUR netto
2020 123.654,20 EUR netto
Im Schriftsatz vom 04.11.2021 hat der Beklagte zudem offengelegt, dass Herr F bis zu seinem Ausscheiden zum 31.12.2020 zusätzlich von der J Management GmbH als deren Geschäftsführer einen Pauschalbetrag von monatlich 5.000,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer bezogen hat.
Einen Teil ihrer Dienstleistungen hat der Beklagte auf die J Management GmbH ausgegliedert. Es handelt sich um eine Organgesellschaft. 52% der Gesellschaftsanteile hält der Beklagte, 48% der Anteile hält Herr F . Zwischen dem Beklagten und der J Management GmbH besteht ein entsprechender Dienstleistungsvertrag. Geschäftsführerin sind Frau T und – bis 31.12.2020 – Herr F . Frau T bezieht als deren Geschäftsführerin ein Gehalt von monatlich 5.000,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Herr F bezog bis zu seinem Ausscheiden zum 31.12.2020 als deren Geschäftsführer einen Pauschalbetrag von monatlich 5.000,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer.
Der Beklagte hat für die ausgelagerten Dienstleistungen folgende Zahlungen an die J Management GmbH erbracht:
- 2017: 801.809,74 € netto
- 2018: 686.455,56 € netto
- 2019: 633.600,00 € netto
- 2020: 792.900,00 € netto.
Die Dienstleistungen der J Management GmbH werden unstreitig von folgenden freien Mitarbeitern erbracht:
- M , gleichzeitig Vorstand/ freier Mitarbeiter des
Beklagten;
- Dr. T1 , gleichzeitig Vorstand/ freier Mitarbeiter des
Beklagten;
- W , gleichzeitig Vorstand/ freier Mitarbeiter des
Beklagten;
- F , gleichzeitig bis 31.12.2020 Geschäftsführer und
Gesellschafter der J Management GmbH sowie freier Mitarbeiter
des Beklagten;
- X , gleichzeitig freier Mitarbeiter des Beklagten.
Es ist also festzustellen, dass sowohl die Geschäftsführer der J Management (T, F ) als auch die o.g. (anderen) freien Mitarbeiter der J Management GmbH gleichzeitig Vorstände/freie Mitarbeiter des Beklagten sind und insoweit sowohl von dem Beklagten als auch von der J Management GmbH vergütet werden.
Von den Einnahmen des Beklagten sind folgende Zahlungen entweder direkt oder mittelbar über die J Management GmbH an den o.g. Personenkreis geflossen, wobei sich die Kammer auf das (Beispiels-) Jahr 2020 beschränkt:
- T
a) als Angestellte des Beklagten 112.029,46 € brutto
b) als Geschäftsführerin J M. GmbH 71.400,00 € brutto
- M
a) als Vorstand/freier Mitarbeiter des Beklagten 85.875,00 € brutto
b) als freier Mitarbeiter J M. GmbH siehe unten
- Dr. T1
a) als Vorstand/freier Mitarbeiter des Beklagten 238.450,16 € brutto
b) als freier Mitarbeiter J M. GmbH siehe unten
- W
a) als Vorstand/freier Mitarbeiter des Beklagten 65.024,11 € brutto
b) als freier Mitarbeiter J M. GmbH siehe unten
- F
a) als freier Mitarbeiter des Beklagten 147.148,49 € brutto
b) als Geschäftsführer J M. GmbH 71.400,00 € brutto
c) als freier Mitarbeiter J M. GmbH siehe unten
- X
a) als freier Mitarbeiter der Beklagten 72.493,28 € brutto
b) als freier Mitarbeiter J M. GmbH siehe unten
zu „siehe unten“:
In der von dem Beklagten vorgelegten BFA hat die J Management GmbH für das Jahr 2020 Fremdleistungen in Höhe von 467.837,77 € netto = 556.726,94 € brutto ausgewiesen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Betrag die Vergütung der o.g. freien Mitarbeiter der J Management GmbH für die von dem Beklagten „ausgelagerten“ Aufgabenbereiche beinhaltet, da der Beklagte selbst vorgetragen hat, dass sonstige Ausgaben der J Management GmbH nur für Miete, Raumkosten, Energieversorgung, Kommunikation, EDV, Geschäftsführervergütungen (T und F ), Steuerberatung und Projekte der GmbH angefallen sind.
Addiert man die von dem Beklagten unmittelbar oder über die J Management GmbH gezahlten Vergütungen an die o.g. sechs (!) Personen ergibt sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 1.420.547,40 € brutto.
Die Einnahmen des Beklagten beliefen sich im Jahr 2020 auf 3.225.880,32 € brutto. Mithin sind 44% der Einnahmen des Beklagten unmittelbar oder mittelbar über die J Management GmbH an die o.g. (nur) sechs Personen geflossen.
Darüber hinaus erscheinen die Vergütungen für die bei der Beklagten angestellte Mitarbeiterin C (Jahr 2020: 106.297,29 € brutto) sowie insbesondere der freien Mitarbeiterin der Beklagten T2 , Schwester von T , (Jahr 2020: 133.811,33 € brutto) auch in Anbetracht der von dem Beklagten vorgetragenen Qualifikationen dieser Mitarbeiter ungewöhnlich hoch. Bereits das Oberlandesgericht Köln hat in seinem Beschluss vom 25.08.2021 (6 U 67/21) ausgeführt, dass die Vergütung der freien Mitarbeiterin des Beklagten T2 in keinem Verhältnis zu ihrer geschilderten Tätigkeit stehe und die Höhe dieser Vergütung auch Fragen bezüglich der Höhe des Gehaltes der Geschäftsführung des Beklagten und der von ihm anderweitig gezahlten Gehälter aufwerfe.
Addiert man diese Beträge zu dem o.g. Betrag von 1.420.547,40 € hinzu, ergibt sich ein Betrag von 1.660.656,02 € = 51,48 % der Einnahmen der Beklagten.
Nach alledem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die o.g. Personen mit dem Beklagten und der J Management GmbH ein Konstrukt geschaffen haben und unterhalten, das in erster Linie dazu dient, Einnahmen insbesondere aus Abmahnkosten und Vertragsstrafen zu generieren, um den o.g. Personen eine fortlaufende und lukrative Einnahmequelle zu verschaffen. Jedenfalls hat der Beklagte es nicht vermocht, den sich insoweit aufdrängenden Verdacht auszuräumen. Wie ausgeführt, ist ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Interessen für den Rechtsmissbrauch nicht erforderlich. Daher ist es unschädlich, dass der Beklagte bzw. die für ihn handelnden Personen auch das Ziel des lauteren Wettbewerbs verfolgen mögen.
b) Darüber hinaus steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte auf der einen Seite seine eigenen aktiven und passiven Mitglieder systematisch verschont und deren Marktauftritt, insbesondere deren Online-Auftritt, nicht auf seine Wettbewerbskonformität überprüft (hat), während er auf der anderen Seite gleichzeitig identische und/oder gleichgelagerte Wettbewerbsverstöße gegenüber Nichtmitgliedern abgemahnt und ggf. gerichtlich verfolgt hat.
Das selektive Handeln eines Verbandes gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, nur gegen Außenstehende und nicht gegen eigene Mitglieder vorzugehen und deren Wettbewerbsverstöße planmäßig zu dulden, begründet die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (BGH GRUR 1997, 681 – Produktwerbung; BGH GRUR 2012, 411 - Glücksspielverband; KBF/Feddersen, UWG, § 8c, Rn. 38).
So liegt der Fall hier:
Bei der 4. Kammer für Handelssachen waren unter den AZ 84 O 235/19 und 84 O 126/20 zwei Klageverfahren gegen zwei bedeutende Kölner Unternehmen wegen Verstößen gegen die Preisangabenverordnung rechtshängig, die beide am 10.03.2021 gemeinsam verhandelt worden sind. In beiden Klageverfahren hat eine Überprüfung der von dem hiesigen Beklagten (dortiger Kläger) zur Frage der Aktivlegitimation vorgelegten Mitgliederlisten ergeben, dass ein Großteil der von dem hiesigen Beklagten (dortiger Kläger) angeführten Mitglieder (nach Erinnerung des Vorsitzenden ca. 30-40%) in gleicher Weise gegen die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises verstoßen hatten wie die in Anspruch genommenen Kölner Unternehmen. Der Beklagte (dortiger Kläger) musste auf Befragen der Kammer einräumen, dass die von ihm angeführten Mitglieder vor Einreichung der Mitgliederliste nicht auf die Einhaltung der Preisangabenverordnung hin überprüft worden seien. Nach Hinweis des Kammervorsitzenden, die Klagen als rechtsmissbräuchlich abweisen zu wollen, hat der Beklagte (dortiger Kläger) beide Klagen zurückgenommen.
Im einstweiligen Verfügungsverfahren 81 O 102/20 hat sich im Widerspruchsverfahren herausgestellt, dass 33 der zunächst von dem Beklagten benannten 48 Mitglieder – wie der dortige Antragsgegner – ebenfalls gegen die Verpflichtung zur Grundpreisangabe verstoßen hatten. Erst nach Bekanntwerden dieses Umstandes hat der Beklagte die betreffenden Mitglieder auf die Verstöße hingewiesen und Gelegenheit zur Korrektur gegeben, diese aber nicht abgemahnt. Auch dieses Vorgehen belegt die systematische Ungleichbehandlung zwischen Mitgliedern des Beklagten und Außenstehenden (einerseits kein Vorgehen gegen Mitglieder, allenfalls Hinweis; Abmahnung andererseits). Die 1. Kammer für Handelssachen hat daher die zunächst erlassene Beschlussverfügung wegen Rechtsmissbrauchs mit Urteil vom 22.04.2021 aufgehoben. Im Berufungsverfahren ist das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 25.08.2021 (6 U 67/21) ebenfalls u.a. wegen des selektiven Vorgehens des Beklagten von Rechtsmissbrauch ausgegangen.
In Anbetracht dessen erscheint der Vortrag des Beklagten
- Verfahren gegen passive Mitglieder seien nur in seltenen Fällen erforderlich, da diese beiträten, um ihre Webauftritte mit Unterstützung des Beklagten rechtskonform zu gestalten,
- jedes neue Mitglied werde von dem Beklagten grundsätzlich überprüft, erhalte einen Web-Check mit Fehleranalyse, die Fehlerbeseitigung werde von der Beklagten überwacht,
- weitere Shop-Prüfungen erfolgten in bestimmten Zeitabständen,
und insbesondere
- eine weitere Überprüfung erfolge, wenn ein Mitglied auf eine Liste komme, die zum Nachweis der Aktivlegitimation verwendet werde,
widerlegt.
Soweit der Beklagte im vorliegenden Verfahren Fälle vorträgt, in denen gegen eigene Mitglieder vorgegangen worden sei, handelt es sich ersichtlich um Einzelfälle, die das systematische Verschonen der eigenen Mitglieder nicht zu entkräften vermag.
c) In Anbetracht dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob auch andere von der Klägerseite angeführten Umstände (vgl. Tatbestand) den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründen.
III. Der Höhe nach sind die Zahlungen unstreitig, bis auf das Bestreiten der Umsatzsteuer.
Soweit die Klageforderungen Umsatzsteuer enthalten, so wird diese nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 22.12.2016 – XI R 27/14) geschuldet.
IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
V. Dem Antrag des Beklagten im Schriftsatz vom 06.01.2022, den Schluss der mündlichen Verhandlung aufzuheben, hilfsweise zu verlegen, war nicht zu entsprechen.
Der Schriftsatz der Klägerseite vom 04.01.2022 ist identisch mit dem Schriftsatz der Klägerseite vom 30.09.2021, zu dem der Beklagte seinerseits mit Schriftsatz vom 04.11.2021 bereits Stellung genommen hat. Die beantragte Auskunft des Bundesamtes für Justiz ist bis zum Termin zur Verkündung einer Entscheidung nicht eingegangen, so dass auch insoweit eine Stellungnahme der Parteien entbehrlich ist.