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OLG München: Unterlassungsverfügung verpflichtet Websitebetreiber auch zur Löschung der wettbewerbswidrigen Inhalte aus dem Google-Cache

OLG München
Beschluss vom 26.04.2023
29 W 1697/21


Das OLG München hat entschieden, dass eine Unterlassungsverfügung den Websitebetreiber auch zur Löschung der wettbewerbswidrigen Inhalte aus dem Google-Cache verpflichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die gemäß § 793, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der Einwand der fehlenden Vollziehung greift nicht. Zwar wurde das Verfügungsurteil nicht innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb zugestellt, obwohl auch ein Verfügungsurteil zu seiner Vollziehung gemäß § 929 Abs. 2 ZPO der Zustellung im Parteibetrieb bedarf und die amtswegige Zustellung nicht genügt (vgl. BGH NJW 1993, 1076, 1077 ff; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 929 Rn. 18; MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl., 2020, § 938 Rn. 47 u 49). Die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO gilt gleichwohl nicht als versäumt, weil der Ordnungsmittelantrag vom 17.09.2020 noch innerhalb der Vollziehungsfrist zugestellt (vgl. Empfangsbekenntnis des Schuldnervertreters vom 25.09.2020, nach Bl. 82 d.A.) und der Vollstreckungswille damit deutlich zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. BGH WRP 1989, 514, 517; Feddersen in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., § 55 Rn. 42 m.w.N.).

2. Einwendungen gegen den Titel dem Grunde nach wie die Argumente, die Antragstellerin sei nicht am Wettbewerb mit einem Umsatz beteiligt, der sie zu Abmahnungen berechtigen würde, sie mache wenig bis keinen Umsatz, sie sei weder technisch noch rechtlich in der Lage, die angeblich vertriebenen Waren selbst herzustellen, sind im Vollstreckungsverfahren unbeachtlich. Die materiell-rechtliche Berechtigung ist dort nicht mehr zu prüfen (vgl. BGH GRUR 2015, 1248 Rn. 21-23 – Tonerkartuschen). Der Schlussfolgerung, die Gläubigerin sei nicht berechtigt, Ordnungsmittel zu beantragen, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Unklar ist auch, welche Schutzrechte der Gläubigerin vermeintlich nicht zustehen sollen und welche Relevanz dies für einen Titel wegen unlauterer irreführender Werbung haben soll.

3. Das Landgericht hat zu Recht eine natürliche Handlungseinheit durch Unterlassen der vollständigen Löschung der Verstöße auf der Webseite der Schuldnerin (einschließlich des Caches) und auf dem Facebookauftritt der Schuldnerin angenommen. Es ist von einem einheitlichen Nichthandeln bzw. einem einheitlichen unzureichenden Beseitigen auszugehen (vgl. zur natürlichen Handlungseinheit beim Unterlassen BGH GRUR 2022, 1379 Rn. 33 – Außerstrafrechtliches Doppelahndungsverbot). Doch können, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, zu einer natürlichen Handlungseinheit nur solche Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen, nicht hingegen Verstöße gegen unterschiedliche Verbotsaussprüche (vgl. BGH GRUR 2021, 767 Rn. 34 – Vermittler von Studienplätzen), so dass drei Zuwiderhandlungen vorliegen.

4. Die Ahndung der drei Zuwiderhandlungen – also jeweils das Unterlassen einer vollständigen Löschung (auch im Cache) auf der Webseite und dem Internetauftritt und dies jeweils in Bezug auf die drei Verstöße (nämlich Ziff. 1, Ziff. 3 und Ziff. 4 der Beschlussverfügung) – mit jeweils 5.000 € ist mit Blick auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls, wie vom Landgericht ausgeführt, angemessen.

5. Die Einwendungen gegen die Verantwortlichkeit und die Höhe des Ordnungsgeldes verfangen nicht.

a) Insofern wird eingewandt, das Ordnungsgeld sei zu hoch und die eigene Verantwortung allenfalls gering. Die Schuldnerin habe sich umgehend darum bemüht, die Beseitigung von Presseveröffentlichungen zu bewerkstelligen. Dies sei innerhalb eines Zeitraumes von 14 Tagen gelungen. Es habe sich „serverseitig“ um ein sog. Caching gehandelt. Der betroffene und geschützte Marktteilnehmerkreis werde durch die Aufbewahrung von Daten im Caching überhaupt nicht betroffen. Frau P. habe den Cache nicht willentlich angelegt, sie habe davon nichts gewusst. Es sei Sache des Serverbetreibers, der auch die Zustimmung zur Löschung des „Coaching-Inhaltes“ erteilen müsse. Gleichwohl hätte die Schuldnerin unverzüglich Frau P. angewiesen, auch den Zugang zum Pufferspeicher zu löschen, nachdem dieser jetzt erstmals entdeckt worden sei. Es seien deshalb nicht so drastische Ordnungsmittel veranlasst. Denn die Schuldnerin sei von Anfang an bereit und willens gewesen, den Gerichtsauflagen zu entsprechen.

b) Ein Unterlassungstitel verpflichtet den Schuldner indes auch, etwaige gegen den Titel verstoßende Cache-Inhalte zu löschen bzw. auf Dritte entsprechend einzuwirken, um sicherzustellen, dass die zu unterlassenden Aussagen auch durch die gängigen Internetsuchmaschinen nicht weiter – auch nicht über eine Cache-Speicherung – erreichbar bzw. abrufbar sind (BGH GRUR 2018, 1183 Rn. 13 – Wirbel um Bauschutt). Diese im Bereich der Unterlassungstitel in Bezug auf bestimmte Internetinhalte bestehende Pflicht, auch Cache-Inhalte zu prüfen und ggfs zu löschen bzw. dies durch Dritte zu veranlassen, entspricht ständiger Rechtsprechung. Ein Titelschuldner muss sich insofern auch darüber informieren, wie er seinen Pflichten aus einem Titel vollständig nachkommt. Er hat für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen. Auf einen vermeidbaren Verbotsirrtum kann sich der Schuldner nicht berufen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 5.7).


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LG Karlsruhe: 90.000 EURO Ordnungsgeld gegen YouTube wenn trotz gerichtlicher Entscheidung ein zu Unrecht gelöschtes Video nicht wieder zugänglich gemacht wird

LG Karlsruhe
Beschluss vom 19.12.2022
22 O 11/22


Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 90.000 EURO gegen YouTube angemessen ist, wenn der Betreiber der Videoplattform trotz gerichtlicher Entscheidung ein zu Unrecht gelöschtes Video nicht wieder zugänglich macht.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der unstreitige Sachverhalt rechtfertigt Grund und Höhe des von der Kammer verhängten Ordnungsgelds von 90.000,00 € entsprechend drei Tagessätzen.

a) Der Beschluss der Kammer vom 23.03.2022 verpflichtete die Schuldnerin, es zu unterlassen, das von dem Antragsteller (jetzt: Gläubiger) auf der Plattform YouTube eingestellte und unter https://www.youtube.com/watch… abrufbare Video zu löschen und/oder den Antragsteller wegen der Einstellung dieses Inhalts mit einer Verwarnung zu versehen und/oder das Video zu löschen oder für dieses eine Verwarnung auszusprechen, soweit dem Antragsteller nicht, z.B. mit Timecode, mitgeteilt wird, welche Passagen oder sonstigen Inhalte gegen welche Regelung verstoßen haben sollen.

Der Beschluss wurde der Schuldnerin am 05.05.2022 zugestellt. Die Schuldnerin schaltete das streitgegenständliche Video am 12.05.2022 wieder frei, um es sodann am 16.05.2022 wieder zu löschen. Am selben Tag verwarnte die Schuldnerin den Gläubiger zum zweiten Mal. Eine dreimalige Verwarnung binnen 90 Tagen geht bei der Schuldnerin mit einer Kanal-Löschung einher. Ferner bedeutet die zweimalige Verwarnung für den Nutzer, dass er zwei Wochen lang keine Videos hochladen, Beiträge posten oder Inhalte live streamen kann. Eine Mitteilung an den Gläubiger, welche Passagen oder sonstigen Inhalte seines Videos gegen welche Regelung der Schuldnerin verstoßen haben sollen, insb. unter Angabe eines Timecodes, erfolgte bei der erneuten Löschung und zweiten Verwarnung (wieder) nicht. Die Beschwerde des Gläubigers gegen die erneute Löschung wies die Schuldnerin am 17.05.2022 zurück. Zugunsten der Schuldnerin ist ihr Vortrag (zu dem der Gläubiger noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte) zu unterstellen, dass sie das Video am 19.05.2022 wieder eingestellt hat. Die Schuldnerin ist nach unstreitigem Vortrag des Gläubigers ohne weiteres in der Lage, Videos innerhalb von 48 Stunden wiederherzustellen.

b) Danach hat die Schuldnerin in mehrfacher Weise gegen den Unterlassungstitel verstoßen, als sie das Video um mehrere Tage verspätet wieder einstellte, es sodann erneut löschte und den Gläubiger wieder ohne Angabe, inwiefern sein Video regelwidrig sei, verwarnte. Insbesondere ist es nicht hinnehmbar, dass die Schuldnerin für die Befolgung des Unterlassungstitels eine volle Woche benötigte, obwohl ihr ein weitaus schnelleres Tätigwerden möglich wäre. Das gesamte Vorgehen der Schuldnerin im vorliegenden Fall offenbart einen laxen Umgang mit dem gerichtlichen Titel. Unterstellt man zu ihren Gunsten, dass die erneute Löschung und Verwarnung nicht vorsätzlich erfolgten, so liegt ein erheblicher Grad von Fahrlässigkeit jedenfalls darin, dass die Schuldnerin ihr Unternehmen offensichtlich nicht so organisiert hat, dass ihr eine zügige Befolgung gerichtlicher Entscheidungen verlässlich gelingt. Das Zusammentreffen dieser Säumigkeit mit den weiteren genannten Fehlleistungen der Schuldnerin rechtfertigt bereits ein nennenswertes Ordnungsgeld.

Für den Gläubiger bedeutete die zweite Verwarnung ein erhebliches Risiko einer Kanal-Löschung und unmittelbare negative Folgen in der Nutzbarkeit seines Kanals. Nachdem die Schuldnerin sogar die Beschwerde des Gläubigers gegen die erneute Löschung zurückgewiesen hatte, musste der Gläubiger befürchten, für beachtliche Zeit nicht mehr auf YouTube hochladen und posten zu können, also – unter Verstoß gegen einen von ihm erwirkten Titel – vorübergehend insoweit mundtot gemacht zu werden.

c) Zu Unrecht versucht die Schuldnerin, die Bemessung des Ordnungsgelds unter dem Gesichtspunkt einer nicht ausreichenden Darlegung ihrer Finanzstärke anzugreifen. Dahinstehen kann, ob – wie die Schuldnerin meint – nicht auf ihre Konzernzugehörigkeit, sondern nur auf sie als (Tochter-)Unternehmen abzustellen ist, was nach Auffassung der Kammer schon deswegen nicht zutrifft, weil etwa im Fall von Gewinnverlagerungen bzw. Gewinnabführungsverträgen Titelverstöße in einem Tochterunternehmen vorkommen können, welches nur aus konzerninternen/steuerlichen Gründen finanzschwach ist. Allgemeinbekannt generiert die Schuldnerin jedenfalls immense Werbeeinnahmen, was etwa die französische Datenschutzbehörde dazu veranlasste, wegen erheblicher Datenschutzverstöße Bußgelder von 60 Mio. Euro im Januar 2022 und von 40 Mio. Euro im Dezember 2020 zu verhängen. Die Gelegenheit, zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen ihrer Beschwerdeschrift vorzutragen, hat die Schuldnerin nicht genutzt.

d) Nachdem es sich auf der anderen Seite um einen Erstverstoß handelt, war das Ordnungsgeld nicht auf den oder in der Nähe des Höchstbetrags festzusetzen, sondern bei Gesamtabwägung wie mit dem angegriffenen Beschluss geschehen.



BGH: Für Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 ZPO gilt das außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot aus Art. 20 Abs. 3 GG

BGH
Beschluss vom 21.04.2022
I ZB 56/21
GG Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 3; ZPO § 890 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 und Abs. 2, § 927 Abs. 1, § 929 Abs. 2


Der BGH hat entschieden, dass für die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 ZPO das außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot gilt, welches aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG folgt.

Leitsätze des BGH:
a) Für die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 ZPO gilt nicht das allein auf Kriminalstrafgesetze anwendbare Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GG, sondern das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot. Dieses ist verletzt, wenn die Gegenstände der früheren und späteren Festsetzung von Ordnungsmitteln nach Anlass, Ziel und Zweck in allen Einzelheiten identisch sind (Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 3. August 1989 - 1 BvR 1194/88, BeckRS 1989, 6919 [juris Rn. 11]).

b) Hat der Schuldner gegen ein im Wege der einstweiligen Verfügung ergangenes Verbot der Produktkennzeichnung verstoßen, weil er seine Abnehmer nicht aufgefordert hat, das in beanstandeter Weise gekennzeichnete Produkt vorläufig nicht weiterzuvertreiben, und ist der Schuldner auch nach Zustellung eines gleichlautenden, in der Hauptsache ergangenen Unterlassungstitels nicht tätig geworden, so liegt in der zweifachen Verhängung von Ordnungsmitteln wegen des vor Vollstreckbarkeit des Hauptsachetitels begangenen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung und wegen nachfolgenden Verstoßes gegen den Hauptsachetitel kein Verstoß gegen das außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot.

BGH, Beschluss vom 21. April 2022 - I ZB 56/21 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Kammer für Handelssachen muss in voller Besetzung und nicht durch den Vorsitzenden allein über Ordnungsmittelantrag entscheiden

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 03.05.2022
20 W 20/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Kammer für Handelssachen in voller Besetzung und nicht durch den Vorsitzenden allein über einen Ordnungsmittelantrag entscheiden muss, auch wenn der Vorsitzende allein die einstweilige Verfügung erlassen hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
Zwar hätte über den Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin die Kammer für Handelssachen in voller Besetzung und nicht der Vorsitzende allein entscheiden müssen. Gemäß §§ 890, 802 ZPO ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges für die Entscheidung über Ordnungsmittelanträge ausschließlich zuständig. Dies ist auch im Verfahren der einstweiligen Verfügung die vollbesetzte Kammer für Handelssachen, nicht der Vorsitzende allein. Auch die Entscheidung über einen Ordnungsmittelantrag wegen Verstoßes gegen eine allein vom Vorsitzenden auf der Grundlage von § 944 ZPO erlassene einstweilige Verfügung obliegt der Kammer unter Mitwirkung der Handelsrichter (OLG Hamburg, WRP 2010, 421; OLG Frankfurt, Beschluss v. 6. Juli 1999, Az. 13 W 20/99; a.A. BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 41. Edition, Stand: 1. Juli 2021, § 349 Rdnr. 22; MüKo-Stackmann, ZPO, 6. Auflage 2020, § 349 Rdnr. 24). Zwar ist der Katalog der in § 349 Abs. 2 ZPO genannten Entscheidungsbefugnisse grundsätzlich nicht abschließend. Aus § 349 Abs. 2 Nr. 10 ZPO lässt sich jedoch im Wege des Gegenschlusses folgern, dass im Bereich der Zwangsvollstreckung – zu der auch Entscheidungen nach § 890 ZPO gehören – eine Alleinzuständigkeit des Vorsitzenden nur für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, nicht jedoch für die Verhängung von Ordnungsmitteln, also Entscheidungen in der Hauptsache, besteht (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.). Zudem handelt es sich bei der Verhängung von Ordnungsmitteln um strafähnliche Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf den Betroffenen haben können. Daher liegt die Annahme nahe, dass der Gesetzgeber es hätte ausdrücklich regeln müssen, wenn er dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen ein Alleinentscheidungsrecht über Ordnungsmittelanträge hätte einräumen wollen (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es Ordnungsmittelverfahren gibt, bei denen es auch auf die Sachkunde der Handelsrichter ankommt, so z.B. bei der Verletzung von Organisationspflichten, bei der interne Unternehmensstrukturen und Entscheidungsabläufe von Relevanz sind.

Trotz dieses Verfahrensfehlers kann der Senat als Beschwerdegericht jedoch selbst entscheiden (Heßler in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 572 Rdnr. 27). Zwar kann auch eine Aufhebung und Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren geboten sein, wenn sich die fehlerhafte Besetzung des Erstgerichts auf die Besetzung des Beschwerdegerichts auswirkt (OLG Celle, Beschluss vom 27. September 2002, Az. 6 W 118/02), jedoch liegt ein solcher Fall hier nicht vor, weil der Senat sowohl über eine Beschwerde gegen eine Entscheidung der vollbesetzten Kammer für Handelssachen als auch gegen eine Entscheidung des Vorsitzenden allein in voller Besetzung zu entscheiden hat. Denn der Vorsitzende einer Kammer für Handelssachen ist nicht Einzelrichter im Sinne des § 568 Satz 1 ZPO (BGH NJW 2004, 856).


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LG Halle: 1.000 EURO Ordnungsgeld bei Verstoß gegen Unterlassungsverfügung wegen fehlender Information über Muster-Widerrufsformular bei eBay

LG Halle
Beschluss vom 28.12.2021
8 O 15/17


Das LG Halle hat entschieden, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 EURO bei Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung wegen fehlender Information über das Muster-Widerrufsformular bei eBay angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das verhängte Ordnungsgeld ist nach § 890 Abs. 1 ZPO gerechtfertigt.

Durch Anerkenntnisurteil der Kammer vom 08.03.2017 im einstweiligen Verfügungsverfahren wurde dem Schuldner unter Androhung von Ordnungsmitteln in Ziff. I.1.(2) untersagt,

im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im Fernabsatz betreffend Kraftfahrzeug- und/oder Motorradzubehör Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten, bei denen eine Widerrufsbelehrung ohne Information über das Muster-Widerrufsformular gemäß dem amtlichen Muster zur Verfügung gestellt wird.

Das Anerkenntnisurteil wurde den Parteien von Amts wegen und dem Schuldner darüber hinaus im Parteibetrieb jeweils am 15.03.2017 zugestellt.

Gegen dieses Unterlassungsgebot hat der Schuldner objektiv zuwidergehandelt, indem er am 21.07.2020 bei eBay Angebote aus dem Bereich Kraftfahrzeug-/Motorradzubehör eingestellt hat, ohne das Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB beizufügen (Anlagenkonvolut G 2 (Anlagenband)).

Den Verstoß gegen diese Unterlassungsverpflichtung stellt der Schuldner nicht in Abrede.

Die Zuwiderhandlung ist schuldhaft begangen worden. Soweit der Schuldner einwendet, der Textbaustein "Muster-Widerrufsformular" sei im Rahmen der Programmierungsstruktur bei eBay "auf bis heute unbekannten Weg verloren gegangen" ist ihm jedenfalls vorzuwerfen, daß er nach Einstellung seiner Angebote diese nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft hat.

Bei der Bemessung der Höhe eines Ordnungsmittels sind Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners in die Erwägung einzustellen (vgl. BGH GRUR 2017, 318 - bei juris Rdnr. 17). Vorliegend ist zwar zu berücksichtigen, daß es sich bei der Informationspflicht nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1EGBGB um die Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 (lit.) h der Richtlinie 2011/83/EU handelt. Diese Richtlinie hat nach Art, 1 den Zweck, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen (vgl. BGH BB 2019, 1873 - bei juris Rdnr. 24). Anderseits kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß inzwischen in Deutschland der durchschnittliche Internetkäufer über die Art und Weise der Ausübung seines Widerrufsrechts informiert ist. Darüber hinaus scheint es sich bei den streitgegenständlichen Angeboten vom 21.07.2020 um einmalige Vorfälle zu handeln. Gleichwohl ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Schuldner durch ein empfindliches Übel zur künftigen Einhaltung des gerichtlichen Verbots angehalten wird. Verstöße gegen gerichtliche Verbote dürfen wirtschaftlich nicht lohnend sein. Insgesamt wird daher ein Ordnungsgeld von 1.000,- EUR für angemessen erachtet.

Die Ersatzfreiheitsstrafe hat ihre Rechtsgrundlage in § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 Abs. 1 ZPO.

3. Der Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers auf Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit ist nach § 33 Abs. 1 und 2 RVG zulässig, da sich die gerichtlichen Gebühren über die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO nicht nach einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten, sondern nach Nr. 2111 GKG-KV lediglich eine Festgebühr anfällt.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG a.F. am Wert einer Hauptsacheklage auf Unterlassung auszurichten. Der Wert des Vollstreckungsverfahrens nach § 890 ZPO richtet sich damit nach dem Interesse, daß der Unterlassungsgläubiger an der Einhaltung des ausgesprochenen Verbots hat.

Der für das einstweilige Verfügungsverfahren festgesetzte Wert von 10.000,- EUR betraf 4 Anträge im Hinblick auf unterlassene Informationspflichten, die ungefähr gleich zu bewerten sind. Da der Wert des einstweiligen Verfügungsverfahrens in der Regel nur mit etwa 2/3 des Hauptsacheverfahrens angesetzt wird und es vorliegend um den Verstoß gegen eines der insgesamt 4 Verbote geht, erscheint ein Gegenstandswert von 3.750,- EUR als angemessen.


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OLG Frankfurt: Verstoß gegen Unterlassungsverfügung durch Weiterbetreiben der untersagten Angebote auf zwei Websites nur ein Verstoß und keine zwei selbstständige Zuwiderhandlungen

OLG Frankfurt
Beschluss vom 12.01.2022
6 W 106/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung durch Weiterbetreiben der untersagten Angebote auf zwei Websites nur einen Verstoß und keine zwei selbstständige Zuwiderhandlungen darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Vollstreckung ist nicht verjährt. Der Eintritt der Verjährung ist von Amts wegen zu prüfen (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 890 Rn 23). Für die Ordnungsmittel des § 890 ZPO gilt die Regelung des Art. 9 EGStGB. Hinsichtlich der hier allein in Frage stehenden Verfolgungsverjährung bestimmt Art. 9 Abs. 1 EGStGB, dass die - in der Regel - zweijährige Verjährungsfrist beginnt, sobald die Handlung beendet ist, und dass die Verjährung die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft ausschließt. Die mit dem Ordnungsmittelantrag vom 17.10.2019 angegriffenen Handlungen in Gestalt des Betreibens eines auf das Generieren von "gekauften" Amazon-Bewertungen gerichteten Geschäftsmodells waren nicht zwei Jahre vor dem Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts vom 18.11.2021 bereits beendet. Der Antragsgegner hat die Internetportale "E" und "F" bis ins Jahr 2021 weiterbetrieben (vgl. Anlagen ZV 27 - 30). Nach dem Vortrag in der Beschwerdeschrift hat er seine Anteile an der F GmbH am 31.5.2021 veräußert.

2. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Das Ordnungsmittel wurde angedroht (§ 890 Abs. 2 ZPO).

3. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner dem Verbot nach Ziff. 1 des Tenors, das durch den Zusatz im Berufungsurteil lediglich konkretisiert, nicht inhaltlich geändert wurde, schuldhaft zuwidergehandelt hat.

a) Die Antragstellerin hat mit dem Ordnungsmittelantrag vom 17.10.2019 dargelegt, der Antragsgegner betreibe die verbotenen Handlungen, die bislang über das Internetportal der B LLC abgewickelt wurden, nach Zustellung der einstweiligen Verfügung über das Internetportal der E LLC weiter. Außerdem betreibe er das Geschäftsmodell auch über die F GmbH und deren Webseiten.

b) Tatsächlich wurde das Geschäftsmodell, zu dem die dem Antragsgegner mit der einstweiligen Verfügung verbotenen Handlungen gehören, nach Zustellung der einstweiligen Verfügung fortgesetzt. Der Antragsgegner hat selbst vorgetragen, dass die Seite b.com seit dem 28.5.2019, also in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung, von der Fa. E LLC übernommen wurde (vgl. Berufungsurteil, S. 11). Auf Facebook hat E ausdrücklich damit geworben, "B" werde zu "E". Zahlreiche Inhalte bei E entsprechen jenen, die zuvor bei B verfügbar waren (Anlagen ZV 3-7). Im Herbst 2019 wurden Interessenten, die sich als Tester oder Drittanbieter auf der Website f.deals registrieren lassen wollten, automatisch zu der Website e.com geleitet (Anlage ZV 15). Auch nach Entfernung dieser Weiterleitung fanden sich dort weiterhin teilweise identische Texte (Anlage ZV 33). In den Nutzungsbedingungen von "E" hieß es sogar, sie regelten das Verhältnis zwischen dem Anbieter und Plattformbetreiber "F" und dem Nutzer (Anlage ZV 16). Ohne Erfolg bestreitet der Antragsgegner, dass auch über F Amazon-Rezensionen verkauft wurden. F ist jedenfalls Bestandteil eines einheitlichen Geschäftsmodells, das über die genannten Internetportale betrieben wurde. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob nach Zustellung der einstweiligen Verfügung auf F für Tester noch die grüne Schaltfläche mit dem Text "Jetzt Deine Bewertung kopieren und auf Amazon veröffentlichen" zugänglich war.

c) Der Antragsgegner ist für die über die Internetplattformen "e.com" und "f.de" generierten "bezahlten" Kundenbewertungen als Mittäter verantwortlich. Die Mittäterschaft ergibt sich aus einer Gesamtschau der Umstände. Sie führt zu dem Schluss, dass er das Geschäftsmodell der B LLC, der E LLC und der F GmbH aktiv gesteuert hat. Die Internetplattformen der B LLC, der E LLC und der F GmbH weisen zahlreiche Verbindungen zueinander auf und sind letztlich als ein und dasselbe Geschäftsmodell anzusehen, das fortgesetzt betrieben und aus einer Hand gesteuert wurde. Dies hat der Senat bereits im Berufungsurteil festgestellt. Dort heißt es, viele textliche Elemente und Fotos des von der F GmbH betriebenen Portals seien mit dem Portal B identisch (BU S. 9). Die F GmbH und die G GmbH, die 100% der Anteile der B LLC halte, haben ihren Geschäftssitz an derselben Adresse. Der Antragsgegner sei Geschäftsführer beider Gesellschaften (F und G). Es sei bereits 2018 geplant gewesen, dass der Service von B von F übernommen werde. Es sei davon auszugehen, dass beide Portale aus einer Hand gesteuert werden (BU S. 10). Seit dem 28.5.2019 sei die Seite der b.com von der Fa. E LLC übernommen worden (BU S. 11). An diesen Ausführungen, die Grundlage des vom Senat bestätigten Verbots sind, ist festzuhalten. Der Antragsgegner hat den Vortrag der Antragstellerin im Ordnungsmittelverfahren, der zahlreiche Indizien enthält, auch nicht im Einzelnen bestritten. Danach ist der Antragsgegner Geschäftsführer der F GmbH. Ausweislich des Impressums betreibt er die Websites f.de und f.deals (Anlage ZV 11). Sein pauschaler Vortrag, in Wahrheit betreibe er die Websites nicht selbst, ist nicht ausreichend. Der Antragsgegner ist auch für das Portal "e.com" verantwortlich. Dagegen spricht nicht der Umstand, dass er weder Teilhaber noch Organ der E LLC ist. Zahlreiche Indizien weisen darauf hin, dass er die Fortsetzung der Geschäfte über dieses Portal ins Werk gesetzt und weiter gesteuert hat. Dafür spricht, dass es sich bei der E LLC ebenfalls um eine ... Gesellschaft handelt, bei der formal die gleiche ... Geschäftsführerin eingesetzt ist, wie bei der B LLC. Das Portal war weiterhin auf den deutschen Markt ausgerichtet. Es bestanden zahlreiche inhaltliche Überschneidungen der Portale und die Verlinkung mit dem Portal B. Bei dieser Sachlage bestand für den Antragsgegner eine erhebliche sekundäre Darlegungslast, der er nicht nachgekommen ist.

4. Das Landgericht ist allerdings zu Unrecht von zwei Zuwiderhandlungen im Hinblick auf die beiden Portale F und E ausgegangen. Gegenstand des Verbots nach Ziff. 1 des Tenors ist nicht der Betrieb von Internetportalen, über die "bezahlte" Produkt- und Verkäuferbewertungen auf der Handelsplattform Amazon generiert werden können, sondern das Veröffentlichen von Bewertungen, deren kommerzieller Zwecks entgegen § 5a Abs. 6 UWG nicht kenntlich gemacht wird. Die Bewertungen werden von den auf den Plattformen registrierten Testern veröffentlicht. Der Antragsgegner ist Mittäter. Eine Zuwiderhandlung setzt damit voraus, dass nach Zustellung der einstweiligen Verfügung Produktrezensionen von Testern veröffentlicht wurden, die bei den Portalen von E bzw. F registriert waren, und an denen der Antragsgegner ebenfalls mittäterschaftlich beteiligt war.

a) Der Verweis auf das Urteil des Landgerichts Stadt2 im Hauptsacheverfahren führt insoweit nicht weiter (Urteil vom 7.10.2021 - ..., Anlage ZV 35). Das LG Stadt2 ist vorrangig von einer Erstbegehungsgefahr für die dem Unterlassungsanspruch entsprechenden Handlungen ausgegangen (S. 17). Soweit es ergänzend eine im Rahmen eines Testkaufs generierte Bewertung ins Feld führte, bezog sich diese auf das Portal B, also auf die Zeit vor Zustellung der einstweiligen Verfügung. Soweit es ergänzend auf Bewertungen der Tester "C" bzw. "D" abstellte, hat das LG Stadt2 nicht festgestellt, wann und über welches Portal diese Bewertungen generiert wurden (S. 20).

b) Die Antragstellerin hat jedoch mit Schriftsatz vom 22.3.2021 unwidersprochen vorgetragen, dass über die Seite e.com wie aus den Screenshots vom 18.11.2019, 14.7.2020, 18.9.2020 und 11.2.2021 ersichtlich (Anlagen ZV 27 - 30), Amazon-Rezensionen angeboten wurden, die ohne Hinweis auf den kommerziellen Hintergrund veröffentlicht werden. Sie hat ebenfalls dargelegt, dass ein Tester in einem YouTube-Video schilderte, wie er eine Rezension vom 8.5.2020 zu einem über E bezogenen Produkt veröffentlichte (Anlage ZV 31). Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens hätte der Antragsgegner darlegen müssen, warum ausnahmsweise trotzdem keine dem Geschäftsmodell entsprechenden Amazon-Bewertungen veröffentlicht worden sein sollen. Daran fehlt es.

c) Das Weiterbetreiben der Geschäfte von B über die Portale von E bzw. F stellt sich als mittäterschaftlicher Beitrag zu den auf diesem Weg generierten "bezahlten" Rezensionen dar, die unter Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG veröffentlicht wurden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann allerdings nicht "pro Portal" (E und F) von einer selbstständigen Zuwiderhandlung ausgegangen werden. Es ist vielmehr von einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen. Zu einer natürlichen Handlungseinheit können Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen und die aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (BGH GRUR 2021, 767 Rn 21, 34). So liegt es im Streitfall. Das Weiterbetreiben der Geschäfte der B unter "neuer Flagge" stellt sich als einheitliches, zusammengehörendes Tun dar. Es bildet einen mittäterschaftlichen Beitrag zu den seitens der Tester veröffentlichten Rezensionen.

5. Ein Verstoß gegen die Unterlassungspflichten nach Ziff. 2. und 3. des Tenors der einstweiligen Verfügung kann nicht festgestellt werden. Danach ist es dem Antragsgegner verboten, Amazon-Drittanbietern zu ermöglichen, ihre Produkte mit gekauften Kundenbewertungen zu bewerben (Tenor zu 2.) und Amazon-Drittanbietern zu ermöglichen, ihre Produkte mit gekauften Verkäuferrezensionen zu bewerben (Tenor zu 3.). Diese Verpflichtungen sind ausdrücklich auf "Vertragspartner der B LLC, Straße1, Stadt1, Land1" beschränkt. Der Kernbereich eines derart beschränkten Verbots erstreckt sich nicht ohne weiteres auf die Vertragspartner anderer Unternehmen, die mit dem im Tenor bezeichneten Unternehmen vertraglich, personell oder gesellschaftsrechtlich verbunden sind. Die Antragstellerin hat auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die vertraglichen Beziehungen zwischen den Drittanbietern und der B noch Bestand hatten, als das Geschäftsmodell nach Zustellung der einstweiligen Verfügung über die Plattformen E bzw. F weitergeführt wurde und dieselben Drittanbieter entsprechende Vertragsbeziehungen mit den Nachfolgeunternehmen eingingen.

6. Das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld ist - da nicht zwei, sondern nur ein Verstoß anzunehmen ist - auf 10.000 € zu ermäßigen. Eine weitergehende Ermäßigung im Hinblick darauf, dass nur gegen Ziff. 1. des Tenors verstoßen wurde, kommt nicht in Betracht. Bei der Bemessung der Höhe eines Ordnungsmittels sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen den Verbotstitel soll sich für den Schuldner nicht lohnen (BGH Beschluss vom 23.10.2003 - I ZB 45/02, juris Rn 12). Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner das beanstandete Verhalten über einen längeren Zeitraum fortsetzte und dabei erheblichen Aufwand betrieb, um seine Beteiligung zu verschleiern. Er wickelte die Geschäfte zum Teil über eine (weitere) ... Gesellschaft ab. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheint damit ein Ordnungsgeld von 10.000 € als angemessen.

7. An die Stelle eines nicht beitreibbaren Ordnungsgeldes tritt die Ordnungshaft (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO). In entsprechender Anwendung strafrechtlicher Vorschriften kann das Ordnungsgeld durch Festsetzung eines Tagessatzes und der zur Ahndung erforderlichen Tagessatzanzahl bestimmt werden (BGH GRUR 2017, 318 Rn 19 ff - Dügida). Im vorliegenden Fall erscheint die Verhängung von zehn Tagessätzen angemessen, wobei ein Tagessatz 1.000 € beträgt. Dementsprechend ist die Höhe der Ersatzordnungshaft auf einen Tag Ordnungshaft für jeweils 1.000 € Ordnungsgeld festzusetzen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.6.2017 - 6 W 49/17, juris).


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OLG Nürnberg: Zahlung der Sicherheitsleistung zur rechtzeitigen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung bei erstinstanzlichem Urteil mit vorläufiger Vollstreckbarbarkeit gegen Sicherheitsleistung

OLG Nürnberg
Urteil vom vom 21.12.2021
3 U 3716/21


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass auch die Zahlung der Sicherheitsleistung zur rechtzeitigen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung bei erstinstanzlicher Entscheidung mit vorläufiger Vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung erforderlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"2. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass zu einer rechtzeitigen Vollziehung in Fällen, in denen im erstinstanzlichen Endurteil die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheit abhängig gemacht wurde, ebenfalls die Leistung dieser Sicherheit zur Wahrung der Vollziehungsfrist erforderlich ist (ebenso OLG Celle Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409; sie zitierend G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10, wenn auch verbal zur abhängig gemachten „Vollziehung“).

a) Soweit in Literatur und Rechtsprechung die Sicherheitsleistung in dieser Sachverhaltsgestaltung als entbehrlich angesehen wird, wird dies im Wesentlichen damit begründet, dass zwischen Vollziehung und Vollstreckung zu unterscheiden sei und die Monatsfrist nur für die erstgenannte gelte (OLG Hamm, Urteil vom 23. März 1982, 4 U 7/82, MDR 1982, 763; Seiler, in: Thomas/Putzo, 40. Auflage 2019 § 938 Rn. 7; Burkhardt, in: Wenzel, das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., § 11 Rn. 277).

Gegen diese Argumentation spricht allerdings, dass unter „Vollziehung“ allgemein die Zwangsvollstreckung aus dem einstweiligen Titel zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, BGHZ 131, 141 = NJW 1996, 198 (198); BeckOK ZPO/Mayer, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 928 Rn. 1). Der Umstand, dass § 928 ZPO die Regeln für die Zwangsvollstreckung auf die Vollziehung für nur „entsprechend“ anwendbar erklärt, beruht ausschließlich darauf, dass Arrest und einstweilige Verfügung regelmäßig nur auf eine Sicherung, nicht eine Befriedigung angelegt sind (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1077); MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 928 Rn. 1; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2; für eine mit dem vorliegenden Sachverhalt identische Konstellation OLG Celle, Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409). Die terminologische Unterscheidung besitzt daher keine weitergehende Bedeutung (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 928 Rn. 1). Die Vollziehung verlangt daher grundsätzlich, die jeweils gebotene Vollstreckungshandlung vorzunehmen.

b) Der Sinn und Zweck des Erfordernisses, die erlangte Verfügung innerhalb der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO zu vollziehen, gebieten ebenfalls das Verständnis, dass eine angeordnete Sicherheitsleistung erbracht sein muss, wenn die Vollziehung vor Eintritt der Rechtskraft des Verfügungsurteils unternommen wird.

aa) Die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO ist ein Merkmal des Eilcharakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und wirkt als eine immanente zeitliche Begrenzung des dem Gläubiger gewährten Rechtsschutzes. Sie verhindert, dass die Arrestvollziehung unter Umständen erfolgt, die sich von denen zur Zeit der Arrestanordnung wesentlich unterscheiden, und dient so dem Schutz des Schuldners. Sie stellt zudem sicher, dass der Arrestgrund im Zeitpunkt der Vollziehung noch fortwirkt, und bildet damit eine Sperre für eine Inanspruchnahme des Arrestverfahrens auf Vorrat (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, § 929 Rn. 1; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 1; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 4, je m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 15). Das Erfordernis einer alsbaldigen Vollziehung entspricht dabei auch dem Zweck des Arrest- und Verfügungsverfahrens, dem Gläubiger schnell eine Vollstreckungsmöglichkeit zu verschaffen, um die Verwirklichung materieller Rechte nicht durch den Zeitablauf zu gefährden (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, Vorbemerkung zu §§ 916-945 b Rn. 3 u. 4).

bb) Zur Vollziehung bedarf es einer aktiven Tätigkeit des Gläubigers, die ein Gebrauchmachen vom erwirkten Titel zum Ausdruck bringt (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 14).

cc) Vom erfolgreichen Verfügungskläger wird daher grundsätzlich gefordert, dass er innerhalb der Vollziehungsfrist den (i.d.R. erforderlichen) Antrag auf Durchführung der jeweils vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahme stellt (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10; Hertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 4). Etwaige Verzögerungen der Zwangsvollstreckung aus dem Arrest/der Verfügung dürfen nicht vom Gläubiger zu verantworten sein (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 5). Der Vollstreckungsantrag muss somit rechtzeitig gestellt sein und alle weiteren Voraussetzungen erfüllen, damit seiner Ausführung und Erledigung keine Hindernisse entgegenstehen, d.h. die Vollstreckungsakte sofort vorgenommen werden können (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 11).
17
Dies ist dahingehend zu verallgemeinern, dass der Vollstreckungsgläubiger innerhalb der Vollziehungsfrist alles unternehmen muss, um eine Zwangsvollstreckung - deren Ermöglichung gerade Ziel und Rechtfertigung des Arrest- und Verfügungsverfahrens ist - zu bewirken bzw. bewirken zu können.

dd) Im Bereich der Ordnungsmittelvollstreckung muss der Gläubiger zwar zunächst keinen Bestrafungsantrag stellen, sondern lediglich die Zustellung der anordnenden Entscheidung und einer Ordnungsmittelandrohung gem. § 890 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb bewirken. Diese Reduzierung des von ihm Vorzunehmenden beruht jedoch ausschließlich auf den Besonderheiten der Ordnungsmittelvollstreckung gem. § 890 ZPO, bei der auf eine eingetretene Zuwiderhandlung sanktionierend reagiert wird. Der Vollstreckungsgläubiger kann daher innerhalb der Vollziehungsfrist typischerweise noch nicht mehr unternehmen, als Titel und Androhung zustellen zu lassen, weil ein Verstoß noch nicht eingetreten ist und deshalb der Bestrafungsantrag zurückgewiesen werden müsste (siehe nur Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2). Statt dessen wird eine Zustellung des Urteils im Parteibetrieb für erforderlich gehalten, auch wenn der Unterlassungsschuldner die Pflicht bereits mit Erlass eines entsprechenden Urteils zu beachten hat (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078)), weil dies eine geeignete Maßnahme darstellt, mit der der Gläubiger wie von § 929 Abs. 2 ZPO gefordert seinen Vollziehungswillen betätigen und manifestieren kann (vgl. BeckOK ZPO/Mayer, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 936 Rn. 18; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14).

ee) Aus diesen Gründen erscheint es konsequent, vom Verfügungskläger auch die Leistung einer - wenn auch zu Unrecht - geforderten Sicherheit vorauszusetzen, um die Vollziehungsfrist zu wahren.

Wie ausgeführt, könnte bei der Geldvollstreckung einem entsprechenden Vollstreckungsantrag, der dort essentiell ist, kein Erfolg beschieden sein, wenn eine erforderliche Sicherheitsleistung nicht erbracht ist, und zwar unabhängig davon, ob von dieser die Vollziehung des Arrestbefehls oder nur die Zwangsvollstreckung aus dem Arresturteil abhängig gemacht wurde. Dem Antrag könnte nämlich erkennbar, solang die Sicherheit nicht geleistet ist, nicht entsprochen werden, weshalb er auch nicht als Vollziehung ausreichen kann. Dann spricht aber auch alles dafür, es bei der Vollstreckung von Unterlassungspflichten nicht anders zu handhaben.

Zudem stellt die Leistung einer Sicherheit ein dem Gläubiger mögliches und objektiv aussagekräftiges Mittel dar, um den eigenen Vollziehungswillen zu manifestieren. Durch sie belegt der Gläubiger, dass er von der Vollstreckungsbefugnis Gebrauch machen und dazu die verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung aus § 945 ZPO, wegen der die Sicherheit zu leisten ist, in Kauf nehmen will. Ein Gläubiger, der die Sicherheitsleistung nicht erbringt, zeigt umgekehrt, dass er zumindest aktuell noch nicht bereit ist, alles erforderliche zu unternehmen.

Bestätigt wird dies dadurch, dass der Gläubiger dann, wenn die Ordnungsmittelandrohung noch nicht im verkündeten Urteil enthalten war, auch diese zustellen lassen muss, um eine Vollziehung zu bewirken (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199); G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 18; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 7; Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 16). Erst die Androhung macht einen Verstoß strafbewehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078); BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199)) und ist daher der Beginn der Zwangsvollstreckung (Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2). Der Gläubiger wird somit auch in dieser Hinsicht für verpflichtet gehalten, innerhalb der Vollziehungsfrist alle Schritte zu unternehmen, damit der Unterlassungsschuldner im Fall eines Verstoßes später geahndet werden kann.

ff) Auch im Übrigen spricht der Zweck der Sicherheitsleistung dafür, sie auch in Fällen der vorliegenden Art zu fordern, wenn der Schuldner das auferlegte Verbot beachten soll.

Müsste der Schuldner zunächst nicht nur das Verbot beachten, sondern er auch mit einem späteren Ordnungsmittelantrag und einer deswegen erfolgenden Verurteilung zu rechnen haben, muss er auch Gewähr haben, einen bei späterer Aufhebung der Verfügung ihm zustehenden Schadensersatz gem. § 717 ZPO oder § 945 ZPO realisieren zu können. Die Schadensersatzpflicht aus § 717 ZPO bzw. § 945 ZPO darf daher jeweils nicht später einsetzen als die strafbewehrte Verbindlichkeit des Unterlassungsgebots für den Schuldner; dieser muss geschützt sein, sobald er das Verbot beachten und im Fall einer Zuwiderhandlung mit der Verhängung von Ordnungsmitteln rechnen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 16, BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397 (398), je m.w.N.). Könnte der Verfügungskläger einerseits davon absehen, die Sicherheit zu leisten, aber andererseits strafbewehrt Beachtung beanspruchen (und deshalb später Sanktionen erwirken), worauf die Vollziehung ihrem Wesen nach abzielt, wäre das vom Gesetzgeber intendierte ausgewogene System gestört.

Dies deckt sich damit, dass die Verhängung von Ordnungsmitteln allgemein, d.h. auch außerhalb des Verfügungsverfahrens, voraussetzt, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung unter Beachtung von § 751 Abs. 2 ZPO über die Leistung der erforderlichen Sicherheit unterrichtet war und daher wusste, dass er mit Ordnungsmitteln zu rechnen hat, wenn er sich weiterhin nicht an das gegen ihn erlassene Gebot hält. Der Schuldner soll Klarheit darüber haben, von wann ab er mit der Verhängung von Ordnungsmitteln rechnen muss, wenn er sich nicht an das gegen ihn erlassene Gebot hält (BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397 (398); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2018 - 2 W 13/18, GRUR-RS 2018, 54694, Rn. 5). Der Verfügungsklägerin kommt insoweit nicht zugute, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 750 ZPO noch nicht bei der Ordnungsmittelandrohung, sondern erst bei der Beantragung einer Ordnungsmittelfestsetzung gegeben sein müssen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 14), da die Sicherheitsleistung nicht in § 750 ZPO, sondern in § 751 ZPO geregelt ist.

gg) Die Argumentation der Verfügungsklägerin, dem Verfügungsbeklagten entstünden keine Nachteile, wenn das auferlegte Verbot zwar mit der Verkündung beachtlich wird, aber keine Sanktionierung erfolgen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078); BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199)), übersieht, dass die ZPO dem Verfügungskläger mit § 929 Abs. 2 ZPO auferlegt, binnen Monatsfrist die Zwangsvollstreckung zu initiieren oder zumindest eine äquivalente Handlung vorzunehmen, um auszudrücken, dass von der erwirkten Entscheidung Gebrauch gemacht werden soll. Wie dargestellt, kann dabei zwar aufgrund der Besonderheiten der Ordnungsmittelvollstreckung nicht auf den Ordnungsmittelantrag (der eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung voraussetzen würde) abgestellt werden, sondern muss an die Bekanntgabe der Entscheidung samt Ordnungsmittelandrohung angeknüpft werden. Für die Frage, was zu einer Vollziehung erforderlich ist, um den Vollziehungswillen ausreichend zum Ausdruck zubringen, hilft der Hinweis darauf, dass sich eine von der Vollziehung unabhängige Beachtenspflicht bereits mit der Verkündung ergibt, nicht weiter. Wenn jedoch das Gesetz fordert, dass der Gläubiger eine Vollziehung unternimmt, kann dies nichts anders bedeuten, als dass er die Voraussetzungen schaffen muss, damit der Schuldner das Verbot nicht nur überhaupt, sondern gerade auch strafbewehrt zu beachten hat (weil nur dies als Vollstreckungsmaßnahme begriffen werden kann), was wiederum bedeutet, dass alle Voraussetzungen einer späteren Ahndung eines Verstoßes geschaffen werden müssen.

Aus diesem Grund verfängt auch der Hinweis nicht, der Verfügungskläger sei lediglich zur Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft berechtigt, aber nicht verpflichtet. Die Verpflichtung zur Vollziehung besteht ungeachtet dessen. Aufgrund § 929 Abs. 2 ZPO gilt der im Bereich der vorläufigen Vollstreckbarkeit herrschende Satz, dass der erfolgreiche Kläger bis zur Rechtskraft zuwarten darf und sich nicht dem Risiko einer Haftung gem. § 717 Abs. 2 ZPO aussetzen muss (BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397), für das Verfügungsverfahren mit Rücksicht auf die oben dargestellten Gründe gerade nicht.

hh) Für die klägerseits vertretene Auffassung lässt sich nach alledem auch nicht anführen, dass die Zwangsvollstreckung wegen einer Zuwiderhandlung gegen ein Verbot unabhängig von der Vollziehungsfrist sei (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 18 m.w.N.). Danach kann zwar die Ahndung auch noch später, d.h. nach Fristablauf, erfolgen, wenn dann ein Antrag gestellt und die Voraussetzungen für eine Stattgabe vorliegen. Dafür, was innerhalb der Frist bewirkt sein muss, sagt dies nichts.

c) Der Verfügungskläger, dessen Antrag in einem Verfügungsurteil zwar in der Sache positiv verbeschieden wurde, dessen Vollstreckung aber - irrtümlich - von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde, befindet sich auch nicht in einer Situation, in der ihm unzumutbar wäre, die Voraussetzung zu erfüllen.

aa) Der Antragsteller muss wegen § 921, § 936 ZPO stets damit rechnen, dass ihm das Gericht eine Sicherheit auferlegt, und er später, will er nicht ein Unwirksamwerden der Verfügung wegen Nichtleistung riskieren, eine solche beibringen muss.

bb) Zudem kann sich der Verfügungskläger nach Auffassung des Senats in einem solchen Fall gegen die Teil-Zurückweisung des Verfügungsantrags mit der Berufung wenden. Die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens wird zwar nicht einheitlich beurteilt (tendenziell kritisch etwa Giers/Scheuch, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 718 Rn. 2; BeckOK ZPO/Jaspersen, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 108 Rn. 21; für eine Zulässigkeit dagegen OLG Nürnberg, Urteil vom 10. November 1988, 8 U 3100/88, NJW 1989, 842; Schmidt, in: Anders/Gehle, ZPO, 80. Auflage 2022, Vorbemerkung zu § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit Rn. 8). Das dort jeweils angeführte Hauptargument, mit Ablauf der Berufungsfrist entfalle die Beschwer und dem Beschwerten sei zumutbar, die Monatsfrist abzuwarten, da eine vorherige Entscheidung ohnehin nicht erreichbar sei (BeckOK ZPO/Jaspersen, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 108 Rn. 21; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 4. September 2007 - 9 U 46/07, BeckRS 2007, 17929; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 31. März 2005 - 20 U 32/05, NJW-RR 2006, 66), greift aber in Konstellationen der vorliegenden Art gerade nicht (zutreffend OLG Rostock, Urteil vom 28. August 2008, 1 U 173/08, NJW-RR 2009, 498 (499); für eine Zulässigkeit in einem solchen Fall wohl auch MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 520 Rn. 31). Zum einen ist das Abwarten wegen der gesetzlich auferlegten Notwendigkeit, die erwirkte Verfügung zu vollziehen, nicht zumutbar. Zum anderen ist eine Entscheidung über den Berufungsantrag vor Ablauf der für den Gegner laufenden Berufungsfrist und der Vollziehungsfrist möglich (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 28. August 2008, 1 U 173/08, NJW-RR 2009, 498 (499)), wenn der beschwerte Verfügungskläger sein Rechtsmittel alsbald einlegt und in der geboten knappen Weise mit der Verkennung des Umstands begründet, dass stattgebende Entscheidungen im Verfügungsverfahren kraft Natur der Sache stets aus sich heraus und ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind (siehe dazu nur MüKoZPO/Götz, 6. Aufl. 2020, § 704 Rn. 15; § 708 Rn. 3; BeckOK ZPO/Ulrici, 42. Ed. 1.9.2021, § 704 Rn. 19; Giers/Scheuch, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 704 Rn. 11).

cc) Jedenfalls wäre dem Verfügungskläger möglich, in einem vom Verfügungsbeklagten deswegen initiierten Berufungsverfahren im Wege der Anschlussberufung einen Neuerlass der Verfügung zu beantragen (vgl. jeweils OLG Celle, Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409); einem solchen Antrag dürfte ein Wegfall der Dringlichkeit nicht entgegengehalten werden können, wenn er aufzeigt, nur durch die auferlegte Sicherheitsleistung an der Vollziehung gehindert gewesen zu sein.

dd) Derartiges hat die Verfügungsklägerin vorliegend jeweils nicht unternommen.

d) Auch das Rechtsanwaltsgebührenrecht gebietet nicht ein anderes Ergebnis. Unabhängig von der grundlegenden Frage, wann sich überhaupt belastbare Folgerungen aus dem Kostenrecht für das Verfahrensrecht ziehen lassen (da grundsätzlich das Gebührenrecht an das Prozessrecht anknüpft und nicht umgekehrt), ist aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG und § 19 Abs. 1 Nr. 16 RVG lediglich abzuleiten, dass die Zustellung der erwirkten Verfügung keine Gebühr auslöst, auch wenn sie deren Vollziehung dient und dazu notwendig ist. Hieraus lässt sich aber nichts dafür gewinnen, ob es ggf. auch der Sicherheitsleistung bedarf. Fraglich könnte daher nur sein, ob die Mitwirkung des Rechtsanwalts bei einer Sicherheitsleistung, wenn diese zur Vollziehung notwendig ist, bereits eine 0,3-Gebühr auslöst oder nicht; da eine klare Einordnung im Gebührenrecht fehlt, lässt sich jedenfalls kein aussagekräftiger Rückschluss für die Frage der Erforderlichkeit ziehen.

Nur ergänzend ist daher anzumerken, dass die ratio legis des § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG darin gesehen wird, dass der Zusammenhang zwischen dem Erlass der Verfügung und deren Zustellung so eng ist, dass die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Zustellung noch zum Rechtszug gehört (HK-RVG/Christian Rohn, 8. Aufl. 2021, RVG § 18 Rn. 39; BeckOK RVG/v. Seltmann, 54. Ed. 1.9.2021, RVG § 18 Rn. 9; Hinne, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, RVG § 18 Rn. 5, alle m.w.N.).

3. Der Senat sieht auch keine andere Möglichkeit, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Erstgericht die Sicherheitsleistung offenbar deshalb angeordnet hat, weil es übersehen hat, dass stattgebende Entscheidungen im Verfügungsverfahren kraft Natur der Sache stets aus sich heraus und ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind. Selbst wenn eine Berichtigung des Urteilstenors - der aber das Fehlen der erforderlichen Offensichtlichkeit entgegenstehen dürfte, weil auch die Entscheidungsgründe Ausführungen enthalten - möglich gewesen wäre, hätte dies die Verfügungsklägerin von der Last erst befreit, wenn die Berichtigung erfolgt wäre.

Die Berufung hat daher Erfolg, weshalb das Verfügungsurteil aufzuheben und der Antrag ohne weitere Prüfung seiner Begründetheit abzuweisen war."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Dresden: Ordnungsgeld über 100.000 EURO gegen YouTube bzw Google wegen verspäteter Freischaltung eines zu Unrecht gesperrten Videos

OLG Dresden
Beschluss vom 29.06.2021
4 W 396/21


Das OLG Dresden hat gegen YouTube bzw. Google ein Ordnungsgeld über 100.000 EURO wegen verspäteter Freischaltung eines zu Unrecht gesperrten Videos verhängt. Zuvor war gegen den Videoportalbetreiber eine entsprechende Unterlassungsverfügung ergangen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses nach § 890 ZPO liegen vor. Die Verfügungsbeklagte hat - was sie selbst auch nicht in Abrede stellt - gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Senatsurteil vom 20. April 2021 zuwidergehandelt. Allerdings ist das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld auf 100.000,00 € zu erhöhen.

Ordnungsmittel sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie - präventiv - der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie - repressiv - eine strafähnliche Funktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbotes dar. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung der Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (vgl. zu Vorstehendem nur: BGH, Beschluss vom 08. Dezember 2016, Az.: I ZB 118/15 - juris; BGH, Urteil vom 30. September 1993, Az.: I ZR 54/91 - juris); daneben soll die Bemessung bewirken, dass - wiederum aus Schuldnersicht - die Titelverletzung wirtschaftlich nicht lohnend erscheint, so dass weitere Zuwiderhandlungen auch deshalb unterbleiben (vgl. BGH, a.a.O.). Die Höhe des Streitwertes des Ausgangsverfahrens hat dagegen neben den vorgenannten, für die Höhe des Ordnungsgeldes maßgeblichen Bemessungsfaktoren keine unmittelbare Aussagekraft (vgl. BGH, a.a.O.).

Die dargestellten Maßstäbe für die Bemessung eines Ordnungsgeldes sind vom Landgericht
in der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Verfügungsbeklagte hatte die durch Urteil erlassene Verbotsverfügung bereits mit ihrer
Verkündung zu beachten. Darüber hinaus ist ihr diese im Parteibetrieb bereits am 23. April
2021 zugestellt worden. Dennoch war das streitgegenständliche Video nach ihrem eigenen
Vorbringen erst am 14. Mai 2021 wieder im xxx-Kanal des Verfügungsklägers abrufbar und
hat sie erst zu dem vorgenannten Zeitpunkt die ihm gegenüber ausgesprochene Verwarnung
zurückgenommen. Die verzögerte Umsetzung der Unterlassungsverfügung ist nach ihrer
eigenen Darstellung auch nicht, wie jedoch vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unzutreffend angeführt, aus technischen Gründen erst am 14. Mai 2021 erfolgt, sondern weil sie in dem streitgegenständlichen Video - anders als in der Senatsentscheidung vom 20. April 2021 im Einzelnen dargelegt - einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ gesehen hat und deshalb „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen“ wollte bevor sie „das Videomaterial für den Abruf durch Dritte wieder bei xxx einstellte“. Dass eine solche Abwägung vor dem Hintergrund der Senatsentscheidung jedoch weder veranlasst noch geboten war, erschließt sich, zumal die Verfügungsbeklagte anwaltlich beraten war, von selbst. Vor dem Hintergrund ist in der Zuwiderhandlung ein vorsätzlicher und - aufgrund der Zeitdauer - auch schwerer Verstoß seitens der Verfügungsbeklagten gegen die Unterlassungsverfügung zu sehen, der - auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsbeklagten - die Verhängung eines deutlich höheren Ordnungsgeldes als vom Landgericht angenommen rechtfertigt. Nachdem es sich jedoch auf der anderen Seite um den Erstverstoß seitens der Verfügungsbeklagten handelt, hat der Senat davon abgesehen, das Ordnungsgeld auf den Höchstbetrag festzusetzen, sondern hält im Ergebnis der Gesamtabwägung die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000,00 € (noch) für ausreichend.




OLG Frankfurt: Kein Streitwert-Abschlag im einstweiligen Verfügungsverfahren wenn Abgemahnter auf Abmahnung hin erklärt einstweilige Verfügung als endgültige Regelung zu akzeptieren

OLG Frankfurt
Beschluss vom 22.07.2019
6 W 52/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Streitwert-Abschlag im einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgt, wenn der Abgemahnte auf die Abmahnung hin erklärt, die drohende einstweilige Verfügung als endgültige Regelung zu akzeptieren, da in einem solchen Fall von einer endgültigen Befriedung des Unterlassungsanspruchs auszugehen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Streitwertbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Erwirkung der Unterlassungsverfügung erscheint mit dem festgesetzten und bereits in der Antragsschrift beantragten Wert von 30.000,- € angemessen berücksichtigt.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. WRP 2017, 719) kommt den eigenen Streitwertangaben des Unterlassungsgläubigers zu Beginn des Verfahrens in der Regel indizielle Bedeutung für das verfolgte Interesse zu; etwas anderes gilt dann, wenn diese Angaben nach den Gesamtumständen offensichtlich übersetzt erscheinen. Von letzterem kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Informationen über den Energieausweis in der Immobilienwerbung sind für den angesprochenen Verkehr von erheblicher Bedeutung. Das Interesse des antragstellenden Verbandes an der Beachtung dieser Informationspflicht kann ebenfalls als hoch eingeschätzt werden. Dies rechtfertigt den vom Antragsteller beantragten Streitwert von 30.000,- €.

Obwohl der Antragsteller in der Antragsschrift selbst den Wert von 30.000,- € als Hauptsachestreitwert bezeichnet hat, ist für das vorliegende Eilverfahren ein Abschlag von diesem Hauptsachestreitwert ausnahmsweise nicht geboten. Eine Ermäßigung des Streitwerts für das Eilverfahren gegenüber dem Wert der Hauptsache ist nach § 51 IV GKG lediglich „in der Regel“ vorzunehmen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist hier deshalb gerechtfertigt, weil die Antragsgegnerin - vertreten durch einen von ihr beauftragten Verband - auf die Abmahnung hin sich gegen den Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes nicht in der Sache verteidigt, sondern „ausdrücklich und rechtsverbindlich“ erklärt hat, eine etwaige auf Antrag des Antragstellers ergehende einstweilige Verfügung als endgültige, rechtsverbindliche Regelung anzuerkennen und auch die weiteren für eine Abschlusserklärung erforderlichen Erklärungen abzugeben. Damit konnte der Antragsteller bereits bei Stellung des Eilantrages davon ausgehen, dass die beantragte einstweilige Verfügung im Falle ihres Erlasses zu einer endgültigen Befriedigung seines Unterlassungsanspruchs führen würde. Unter diesen Umständen besteht ausnahmsweise kein Anlass, den Streitwert für das Eilverfahren im Hinblick auf den in der Regel vorläufigen Charakter einer Unterlassungsverfügung geringer zu bewerten als das Hauptsacheinteresse.

Den Volltext der Entscheidung finden sie hier:



OLG Frankfurt: Zur wirksamen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung die auf Anlagen Bezug nimmt müssen auch die Anlagen im Parteibetrieb zugestellt werden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 01.04.2020
6 W 34/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass zur wirksamen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, auch die Anlagen im Parteibetrieb zugestellt werden müssen. Andernfalls ist die einstweilige Verfügung nach Ablauf der Vollziehungsfrist aufzuheben.

Aus den Entscheidungsgründen:

2. In dem Widerspruchsverfahren hätte die Antragsgegnerin obsiegt, da die einstweilige Verfügung innerhalb der Frist des § 929 II ZPO nicht ordnungsgemäß vollzogen wurde. Dies führt dazu, dass die einstweilige Verfügung aufzuheben gewesen wäre. Die Kosten sind daher der Antragstellerin aufzuerlegen (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 1998, 330; Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 3.68).

a) Gemäß §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller die von ihm im Beschlusswege erwirkte einstweilige Verfügung dem Antragsgegner im Parteibetrieb zustellen zu lassen. Dazu hat er das zuzustellende Schriftstück dem mit der Zustellung beauftragten Gerichtsvollzieher zu übergeben (§ 192 Abs. 1 und 2 ZPO). Hierfür kann eine Ausfertigung des Beschlusses (§ 329 Abs. 2 ZPO) oder eine vom Gericht beglaubigte Abschrift (§ 329 Abs. 1 Satz 2, § 317 Abs. 2 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO) verwendet werden (BGH WRP 2019, 767 Rn. 11). Im Streitfall hat die Antragstellerin eine Ausfertigung beantragt. Ausfertigungen enthalten regelmäßig weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe (§ 317 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO). Gleichwohl muss das zugestellte Schriftstück die einstweilige Verfügung vollständig und leserlich wiedergeben (Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 3.62).

b) Die wirksame Vollziehung einer Unterlassungsverfügung, die - wie hier - bereits mit einer Ordnungsmittelandrohung versehen ist, erfordert, dass der Schuldner Umfang und Inhalt des Verbotes zweifelsfrei ermitteln kann. Aus diesem Grund wird eine ohne Begründung versehene Beschlussverfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, nur dann wirksam vollzogen, wenn dem Schuldner neben dem Beschluss selbst auch zumindest diejenigen Anlagen zugestellt werden, die Aufschluss über den Inhalt und die Reichweite des Verbots geben können. Hierzu gehören in jedem Fall Anlagen, auf die im Verbotstenor verwiesen wird, sowie in der Regel auch die Antragsschrift, die in Ermangelung einer Beschlussbegründung zur Ermittlung des Verbotskerns herangezogen werden kann. Ob darüber hinaus die Zustellung weiterer Anlagen für eine wirksame Vollziehung erforderlich ist, hängt davon ab, ob der Schuldner ihnen weitere Anhaltspunkte über Inhalt und Umfang des ausgesprochenen Verbots entnehmen kann (st. Rspr. des Senats, vgl. Urt. v. 8.6.2017 - 6 U 2/17 -, juris; Beschl. v. 1.6.2011 - 6 W 12/11 -, Rn. 7, juris)

c) Die Beschlussverfügung vom 16.8.2019 enthält keine Begründung, sondern verweist auf beigefügte Schriftstücke. Diese Vorgehensweise entspricht der Üblichkeit. Im Streitfall besteht jedoch eine Unklarheit, weil nicht genau bezeichnet wurde, auf welchem konkreten Schriftsatz und wie vielen Anlagen der Beschluss beruht. Im Anschluss an den Tenor heißt es lediglich, der Beschluss beruhe auf dem Sachvortrag „in dem beigefügten Schriftsatz nebst Anlagen“. Es folgt außerdem eine Auflistung der angewandten Vorschriften. Da die Antragstellerin mehrere Schriftsätze zur Begründung des Verfügungsbegehrens eingereicht hat, ist nicht eindeutig erkennbar, auf welche Schriftstücke sich der Beschluss stützt. Bei dieser Sachlage kann von einer wirksamen Vollziehung nur dann ausgegangen werden, wenn die zugestellte Ausfertigung sämtliche Schriftstücke umfasst, auf die sich der Beschluss bei sachgerechter Auslegung bezieht.

d) Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die der Antragsgegnerin im Parteibetrieb zugestellte, mit Band versiegelte Ausfertigung die Antragsschrift nebst Anlagen. Zusätzlich enthielt sie offenbar die Seiten 3 und 4 des Schriftsatzes vom 22.7.2019 nebst der Anlage Ast8. Nicht enthalten war der gerichtliche Hinweis vom 17.7.2019 sowie die ersten beiden Seiten des Schriftsatzes vom 22.7.2019, mit denen zu dem gerichtlichen Hinweis Stellung genommen wurde. Dies erscheint nicht nur merkwürdig, sondern führt auch dazu, dass Inhalt und Umfang des Verbots nicht eindeutig ermittelt werden konnten.

aa) In der Antragsschrift hat die Antragstellerin den Irreführungsvorwurf allein damit begründet, es sei unzutreffend, dass die „Diamant-Blading“ Methode der Antragsgegnerin „einzigartig“ sei. Dieser Vortrag war - auch nach Ansicht des Landgerichts zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Antragsschrift - unzureichend. Denn es fehlte an Darlegungen, warum der Verkehr die streitgegenständliche, zum Gegenstand des Verbots gemachte Werbeangabe

„Die neue Diamant Blading-Methode eröffnet ganz neue, kreative Möglichkeiten, ein wunderbares, einzigartiges Permanent Make up speziell für Augenbrauen zu kreieren“

in dem Sinn versteht, dass gerade die Methode des „Diamant-Blading“ einzigartig ist. Denkbar war auch eine Auslegung, wonach nur das Ergebnis der Anwendung, also der speziell von der Antragsgegnerin erzeugte Behandlungserfolg einzigartig ist. Das Landgericht hat die Antragstellerin daher darauf hingewiesen, dass sich das Adjektiv „einzigartig“ in der angegriffenen Werbung nicht auf die Methode des „Diamant-Blading“, sondern auf das Ergebnis beziehe. Erst daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.7.2019 dargelegt, dass im Kontext der Werbung das „einzigartige Permanent Make up“ als Synonym für die „Diamant-Blading“-Technik verstanden werde, die zu einer besonders feinen und natürlich wirkenden Härchen-Optik führe. Im Tatbestand des angefochtenen Beschlusses hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich durch diese Stellungnahme überzeugen ließ und daher die einstweilige Verfügung erlassen hat.

bb) Demgegenüber war aus den übermittelten Unterlagen für die Antragsgegnerin der Verbotsumfang nicht eindeutig ersichtlich. Der Beschlussverfügung waren weder der der gerichtliche Hinweis noch die ersten beiden Seiten der Stellungnahme der Antragstellerin beigefügt. Stattdessen wurden offenbar neben der Antragschrift die weiteren Seiten der Stellungnahme vom 22.7.2019 übermittelt, die eine Hilfsbegründung des Verfügungsantrags enthielten. Dort berief sich die Antragsgegnerin darauf, auch das Ergebnis der Make-up-Methode sei nicht einzigartig, weil die (unterschiedlichen) Gerätschaften der Parteien letztlich zu ganz ähnlichen Behandlungsergebnissen führen würden. Die Antragsgegnerin musste bei dieser Sachlage davon ausgehen, die Werbeangabe sei verboten worden, weil ein einzigartiges Behandlungsergebnis versprochen werde. Das Landgericht wollte der Antragsgegnerin hingegen verbieten, das neue „Diamant-Blading“ als einzigartige Methode zu bewerben.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




LG Kiel: Nach Abgabe einer Unterlassungserklärung muss vom Unterlassungsschuldner Löschung wettbewerbswidriger Inhalte aus Jameda-Profil und Google-Cache veranlasst werden

LG Kiel
Urteil vom 30.07.2019
15 HK O 1/19


Das LG Kiel hat entschieden, dass nach Abgabe einer Unterlassungserklärung vom Unterlassungsschuldner unverzüglich die Löschung wettbewerbswidriger Inhalte aus dem Jameda-Profil und dem Google-Cache veranlasst werden muss. Andernfalls wird eine Vertragsstrafe fällig.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage hat in der Sache zum überwiegenden Teil erfolgt.

Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 UWG aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Danach können rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen Unterlassungsansprüche nach dem UWG geltend machen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Es ist insbesondere davon auszugehen, dass dem Kläger eine erhebliche Anzahl von Unternehmen als Mitglieder angehört, die Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte. Das ergibt sich hinreichend aus der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers des Klägers vom 3. Juni 2019 in Verbindung mit der Anlage K 12 (Bl. 96 - 129 d.A.). Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung zu zweifeln. Danach gehört zu den Mitgliedern des Klägers unter anderem die Zahnärztekamme Sxxx-Hxxx mit all seinen Mitgliedern, die dem Kläger ebenfalls als Mitglieder zuzurechnen sind (BGH WRP 1999, 1163). Schon dies belegt eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern, die Leistungen gleicher oder verwandter Art vertreiben wie die Beklagte. Es ist insbesondere offenkundig, dass es eine erhebliche Anzahl von Kieferorthopäden in Kxxx und damit auf demselben Markt gibt, den auch die Beklagte bedient.

Der vom Kläger geltend gemachte Wettbewerbsverstoß berührte die Interessen seiner relevanten Mitglieder auch spürbar (zum Kriterium der Spürbarkeit vgl. Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, 37. Auflage, § 8 Rn. 3.51), weil die Bezeichnung „Kieferorthopädin“ bei durchschnittlich informierten Patienten den unzutreffenden Eindruck erwecken konnte, die Beklagte sei Fachärztin für Kieferorthopädie, und eine solche Irreführung zu einem Wettbewerbsvorteil der Beklagten führen konnte, da die Gefahr bestand, dass Patienten ihrem Angebot den Vorzug gaben, weil sie bei einer Fachärztin für Orthopädie besondere Fachkunde auf dem Gebiet der Kieferorthopädie erwarteten.

Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 1 UWG einen Anspruch auf die begehrte Unterlassung gegen die Beklagte. Danach kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Gemäß § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Unlauter handelt gemäß § 5 Abs. 1 UWG, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Im vorliegenden Fall stellte die zu Werbezwecken vorgenommene Bezeichnung der Beklagten als „Kieferorthopädin“ eine irreführende geschäftliche Handlung dar, weil diese Bezeichnung - wie bereits ausgeführt - bei durchschnittlich informierten Patienten den unzutreffenden Eindruck erwecken konnte, die Beklagte sei Fachärztin für Kieferorthopädie. Diese Irreführung war auch geeignet, Patienten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie ohne die Irreführung nicht getroffen hätten. Es war damit zu rechnen, dass eine erhebliche Anzahl durchschnittlich informierter Patienten die Beklagte nur deshalb als Zahnärztin auswählte, weil die Patienten bei einer Fachärztin für Orthopädie besondere Fachkunde auf dem Gebiet der Kieferorthopädie und damit einhergehend die grundsätzlich von jedem Patienten gewünschte bestmögliche Behandlung erwarteten, und dass sie in Kenntnis der wahren Umstände einen Zahnarzt mit einer tatsächlich absolvierten Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie ausgewählt hätten.

Die irreführende Angabe „Kieferorthopädin“ auf der Werbeplattform www.j...de war der Beklagten zuzurechnen, auch wenn sie die Erstellung ihres Profils nicht selbst veranlasst hat. Sie ist mit dem Eintritt in die Praxis des Dr. Sxxx mitverantwortlich für den Internetauftrag der Praxis geworden. Dazu gehörten auch die Angaben auf der Werbeplattform www.j...de. Die Beklagte war - ebenso wie ihr Kollege Dr. Sxxx - verpflichtet, die dort vorhandenen Werbeeinträge auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls Änderungen zu veranlassen. Soweit sie die Überwachung und Pflege des Internetauftritts allein von ihrem Kollegen Dr. Sxxx hat vornehmen lassen, ist ihr Kollege hier als ihr Beauftragter tätig geworden, und sie muss sich dessen Verhalten gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen.

Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zur Unterlassung der Werbung für ihre Tätigkeit als Zahnärztin mit der Angabe „Kieferorthopädin“ dadurch verletzt, dass sie nach der Abgabe ihrer strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 27. April 2018 und deren Annahme durch den Kläger nicht unverzüglich alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um die Werbung im Internet zu löschen oder löschen zu lassen. Dafür reichte es ersichtlich nicht aus, die Streithelferin um die Löschung des Profils zu bitten. Selbst nach dem Vortrag der Beklagten war vielmehr spätestens Ende Juni / Anfang Juli 2018 klar, dass ihr wettbewerbswidriges Profil nach wie vor über Google im Internet abrufbar war, die Aktualisierung bei Google also nicht erfolgt war. Im Hinblick auf diesen langen Zeitraum waren ersichtlich weitere Maßnahmen geboten. Die Beklagte will nach ihrem eigenen Vorbringen ja seinerzeit auch versucht haben, das Profil selbst bei Google zu löschen. Ein solcher - letztlich auch erfolgloser - Eigenversuch der sich selbst als Laiin bezeichnenden Beklagten hätte jedoch ersichtlich nicht ausgereicht. Die Beklagte hätte vielmehr spätestens zu der Zeit bei Google einen Antrag auf Löschung des wettbewerbswidrigen Profils stellen müssen oder - wenn dort mit weiteren Verzögerungen zu rechnen gewesen wäre - eine Fachfirma damit beauftragen müssen, die Löschung unverzüglich zu bewirken. Es ist davon auszugehen, dass die Löschung des wettbewerbswidrigen Profils dann unverzüglich und nicht erst im September 2018 erfolgt wäre. Es ist insbesondere anzunehmen, dass eine entsprechend beauftragte Fachfirma - soweit erforderlich - sofort bei der Streithelferin „insistiert“ und dann sofort erreicht hätte, dass die unterbliebene Löschung des Profils vorgenommen wurde.

Die für den Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr ist wegen der bereits erfolgten Zuwiderhandlung der Beklagten zu vermuten (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage, § 8 Rn. 1.43). Diese Vermutung wird nicht mehr dadurch widerlegt, dass die Beklagte am 27. April 2018 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Die anschließende Nichtbeseitigung des Verletzungszustands ist vielmehr gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung (BGH GRUR 2015, 258), und dadurch ist eine Wiederholungsgefahr erneut begründet worden. Diese Wiederholungsgefahr hätte die Beklagte nur durch die Abgabe einer erneuten strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegen können.

Der Kläger hat gegen die Beklagte ferner einen Anspruch auf eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.000,00 €.

Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Unterlassungsvertrag, der durch die „Unterlassungserklärung“ der Beklagten vom 27. April 2018 und deren Annahme durch den Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 2018 zustande gekommen ist.

Die Beklagte hat die hier vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe dadurch verwirkt, dass sie schuldhaft nicht unverzüglich für eine Löschung des wettbewerbswidrigen Profils Sorge getragen hat.

Nach dem Unterlassungsvertrag war und ist die Beklagte zur Unterlassung der Werbung für ihre Tätigkeit als Zahnärztin mit der Angabe „Kieferorthopädin“ verpflichtet. Die durch einen Vertrag begründete Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen erfasst, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung der Störung (BGH GRUR 2015, 258).

Die Beklagte hat selbst zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gegen ihre Verpflichtung zur Vornahme entsprechender Handlungen verstoßen. Sie hätte bei gehöriger Sorgfalt erkennen können und müssen, dass sie spätestens Ende Juni / Anfang Juli 2018 bei Google einen Antrag auf Löschung des wettbewerbswidrigen Profils hätte stellen müssen oder - wenn dort mit weiteren Verzögerungen zu rechnen gewesen wäre - eine Fachfirma damit hätte beauftragen müssen, die Löschung unverzüglich zu bewirken.

Im Übrigen ist der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag im Rahmen der Erfüllung ihrer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung gemäß § 278 BGB auch ein schuldhaftes Verhalten der Streithelferin bei der Löschung des wettbewerbswidrigen Profils zuzurechnen (zur Anwendbarkeit des § 278 BGB auf Vertragsstrafeversprechen vgl. grundsätzlich BGH GRUR 1987, 648). Danach hat die Streithelferin das Profil zunächst nicht gelöscht, sondern nur ausgeblendet und dadurch bewirkt, dass es über Google weiterhin abrufbar war. Dies stellte einen erheblichen Sorgfaltspflichtverstoß dar, weil die Streithelferin als Betreiberin der Werbeplattform www.j...de darüber informiert sein musste, dass das Ausblenden des wettbewerbswidrigen Profils nicht zu der notwendigen endgültigen Beendigung der Abrufbarkeit des Profils führen und nur eine Löschung des Profils den gewünschten Erfolg herbeiführen würde.

Die vom Kläger begehrte Vertragsstrafe für den schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen ihre vertragliche Unterlassungsverpflichtung (4.000,00 €) ist nach Überzeugung des Gerichts allerdings nicht angemessen.

Die Angemessenheit einer Vertragsstrafe hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art und Größe der betroffenen Unternehmen, vom Umsatz und vom möglichen Gewinn, von der Schwere und dem Ausmaß der Zuwiderhandlung, von deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, vom Grad des Verschuldens des Verletzers, von dessen Interesse an gleichartigen Handlungen, vom Ausmaß der Wiederholungsgefahr und von dem im Zusammenhang mit dem Verstoß auch nachträglich gezeigten Verhalten des Verletzers; dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Vertragsstrafe eine Sanktion für den erfolgten Verstoß sein soll und dass sie als Druckmittel so hoch sein muss, dass ein Verstoß für den Verletzer nicht mehr lohnt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage, § 12 Rn. 1.207 ff m.w.N. aus der Rspr.).

Nach diesen Kriterien erscheint für den besagten Verstoß der Beklagten eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.000,00 € als angemessen.

Dabei hat die Kammer insbesondere berücksichtigt, dass die Beklagte nach ihrem Vortrag vor dem September 2018 mehrfach vergeblich versucht hat, das wettbewerbswidrige Profil zu löschen bzw. löschen zu lassen. Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Darstellung zu zweifeln. Die Beklagte hat den zuvor bereits schriftsätzlich vorgetragenen Sachverhalt während ihrer persönlichen Anhörung noch einmal so anschaulich mit vielen Details am Rande und unter erkennbarem Wiederempfinden ihrer zunehmenden Verzweiflung über die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen geschildert, dass sie das Gericht davon überzeugt hat, etwas wirklich Erlebtes wahrheitsgemäß zu berichten. Für die Richtigkeit ihrer Angaben spricht im Übrigen auch die E-Mail der Streithelferin vom 20. September 2018 (Anlage kwm2 – Bl. 64 d.A.), in der die Streithelferin wesentliche Punkte der Darstellung der Beklagten bestätigt hat. Das Verhalten der Beklagten lässt die Gefahr einer Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes durch sie persönlich als eher gering erscheinen. Das Gericht hat ferner berücksichtigt, dass die Beklagte die Vorgänge bei der Löschung von Einträgen im Internet nach ihrem glaubhaften Vortrag als Laiin nicht beurteilen konnte und kann und dass sie deshalb zunächst auf die von ihr dargelegten Angaben der Streithelferin vertraut und deshalb zunächst keine weiteren Maßnahmen ergriffen hat. Im Hinblick darauf erscheint das eigene Verschulden der Beklagten als vergleichsweise gering. Zu berücksichtigen war aber insbesondere auch, dass sich die Beklagte das Verschulden der Streithelferin zurechnen lassen muss und dass sie nach dem Abschluss des Unterlassungsvertrags mit dem Kläger über einen erheblichen Zeitraum gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen und damit die Gefahr von Wettbewerbsnachteilen für ihre Mitbewerber sowie unzulässigen Irreführungen von Patienten begründet hat.

Unter Abwägung aller Umstände erscheint dem Gericht eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.000,00 € als angemessen.

Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen auf 2.000,00 € folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Vertragsstrafe nebst Zinsen unbegründet.

Der Kläger hat dagegen einen Anspruch auf die begehrten Abmahnkosten in Höhe von 1.171,67 €. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, weil die an die Beklagte gerichtete Abmahnung des Klägers vom 17. September 2018 wegen des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten berechtigt war. Die insoweit geltend gemachten Kosten sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen auf 1.171,67 € folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 101 Abs. 1, 709 ZPO.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Frankfurt: Zur Frage wann ein kerngleicher Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung bei Wortberichterstattung vorliegt

LG Frankfurt
Beschluss vom 28.10.2019
2-03 O 152/19


Das LG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage befasst, wann ein kerngleicher Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung bei Wortberichterstattung vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Anträge auf Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 890 Abs. 1 ZPO waren zurückzuweisen. Die Schuldnerin hat den ihr im Beschluss der Kammer vom 18.04.2019 auferlegten Unterlassungsverpflichtungen nicht zuwidergehandelt.

1. Die Kammer geht hierbei jedoch zunächst davon aus, dass die sogenannte „Kerntheorie“ auf die Wortberichterstattung anwendbar ist. Insoweit folgt die Kammer nicht der Auffassung der Schuldnerin, dass aufgrund einer Nichtanwendbarkeit der Kerntheorie in der Wortberichterstattung ein Ordnungsmittel gemäß § 890 ZPO generell nicht verhängt werden könne.

Zu Recht verweist die Schuldnerin insoweit auf die Entscheidung des BGH in NJW 2019, 1142. Dort heißt es in Rn. 19:

„Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, grundsätzlich zu klären, ob und in welchem Umfang die „Kerntheorie“ auf das Recht der Wortberichterstattung übertragbar ist (ablehnend zur Übertragung der „Kerntheorie“ auf die Bildberichterstattung Senat, NJW 2010, 1454 = AfP 2010, 60 Rn. 7; NJW 2009, 2823 = AfP 2009, 406 Rn. 7; NJW 2008, 3138 = AfP 2008, 507 Rn. 7; BGHZ 174, 262 = NJOZ 2008, 4785 Rn. 11 ff.; vgl. zur Wortberichterstattung Senat, Urt. v. 24.7.2018 – VI ZR 330/17, BeckRS 2018, 32622 Rn. 44; BVerfG, Beschl. v. 9.7.1997 – 1 BvR 730/97, BeckRS 1997, 9994 Rn. 10; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rn. 158; Meyer in Paschke/Berlit/Meyer, Kap. 40 Rn. 36; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, 292 f.; Engels/Stulz-Herrnstadt/Sievers, AfP 2009, 313 [317, 319 f.]).“

Hieraus entnimmt die Kammer jedoch gerade nicht, dass durch jede Veränderung im Text stets ein zuvor ergangener Unterlassungstenor verlassen wird. Das BVerfG hat insoweit ausgeführt (BVerfG, Beschl. v. 09.07.1997 – 1 BvR 730/97, BeckRS 1997, 9994 Rn. 12):

„Das Landgericht und das Oberlandesgericht verstehen als Zuwiderhandlungen im Sinne des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO solche Äußerungen, die der Verkehr als den untersagten Äußerungen gleichwertig ansieht und bei denen etwaige Abweichungen den Äußerungskern unberührt lassen. Dieses Verständnis schränkt die Meinungsfreiheit nicht übermäßig ein. Würden nur völlig identische Äußerungen die Rechtsfolge des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO auslösen, könnte die Unterlassungsverpflichtung leicht umgangen werden; ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit wäre nicht gewährleistet.“

Auch der EuGH geht davon aus, dass – europarechtlich – eine Verpflichtung zur Entfernung von „sinngleichen“ Äußerungen zulässig ist (EuGH, Urt. v. 03.10.2019 – C-18/18 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland, Rn. 45):

„Unter diesen Umständen erscheint eine Verpflichtung wie die oben in den Rn. 41 und 45 beschriebene zum einen, indem sie sich auch auf Informationen sinngleichen Inhalts erstreckt, hinreichend wirksam, um den Schutz der von den diffamierenden Äußerungen betroffenen Person sicherzustellen. Zum anderen wird dieser Schutz nicht durch eine übermäßige Verpflichtung des Hosting-Anbieters gewährleistet, da die Überwachung und das Nachforschen, die sie erfordert, auf die Informationen beschränkt sind, die die in der Verfügung genau bezeichneten Einzelheiten enthalten, und da ihr diffamierender Inhalt sinngleicher Art den Hosting-Anbieter nicht verpflichtet, eine autonome Beurteilung vorzunehmen, so dass er auf automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung zurückgreifen kann.“

Aus diesen Entscheidungen folgert die Kammer, dass durch eine Wortberichterstattung im Grundsatz – auch in veränderter Form – ein Verstoß gegen einen Unterlassungstenor erfolgen kann (ebenso OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2001, 187; KG Berlin AfP 2007, 582; OLG München AfP 2001, 322; LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 24.09.2019 – 2-03 O 35/18; Wenzel/Burkhardt, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 12 Rn. 20, 158 m.w.N.; Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Aufl. 2016, Kap. 40 Rn. 36; Schwartmann/Schulenberg, Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht, 2018, Kap. 9 Rn. 175; differenzierend Engels/Stulz-Herrnstadt, AfP 2009, 313). Denn wenn man generell den Untersagungstenor durch – ggf. geringfügige – Veränderungen verlassen könnte, wäre der Betroffene einer Persönlichkeitsrechtsverletzung in weiten Teilen schutzlos gestellt, so dass – wie das BVerfG ausführt – ein verhältnismäßiger Ausgleich der betroffenen Rechtspositionen nicht mehr gewährleistet wäre.

2. Inhaltlich erfasst die Wirkung des Untersagungstenors daher auch solche Änderungen, die den Kern der Verletzungsform unberührt lassen. Ob diese Voraussetzung im Einzelfall erfüllt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wobei Tatbestand und Gründe der Ausgangsentscheidung einzubeziehen sind (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 12 Rn. 20, 158 m.w.N.; Paschke/Berlit/Meyer, a.a.O., Kap. 40 Rn. 36). Das BVerfG spricht davon, dass „etwaige Abweichungen den Äußerungskern unberührt lassen“ (BVerfG, Beschl. v. 09.07.1997 – 1 BvR 730/97, BeckRS 1997, 9994 Rn. 12). Der EuGH wiederum versteht als „sinngleiche Informationen“ solche, die eine Aussage vermitteln, deren Inhalt im Wesentlichen unverändert bleibt und daher sehr wenig von dem Inhalt abweicht, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt hat (EuGH, Urt. v. 03.10.2019 – C-18/18 - Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland, Rn. 39). Daher müssten die sinngleichen Informationen spezifische Einzelheiten umfassen, die von demjenigen, der die Verfügung erlassen hat, gebührend identifiziert worden sind, wie den Namen der von der zuvor festgestellten Verletzung betroffenen Person, die Umstände, unter denen diese Verletzung festgestellt wurde, und einen Inhalt, der dem für rechtswidrig erklärten Inhalt sinngleich ist (EuGH, Urt. v. 03.10.2019 – C-18/18 – Glawischnig-Piesczek/Facebook Ireland, Rn. 45). Teilweise wird auch vertreten, dass ein Verstoß anzunehmen sei, sofern die Äußerung nur eine Umgehung des Verbots darstellt (Paschke/Berlit/Meyer, a.a.O., Kap. 40 Rn. 36). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen soll der unwahre Informationsgehalt einer Aussage der Kern der tenorierten Äußerung sein (Engels/Stulz-Herrnstadt, AfP 2009, 313, 320).

Nach dem Leitsatz der oben zitierten BGH-Entscheidung soll bei rechtswidrigen Eingriffen in die Privatsphäre durch wahre Tatsachenbehauptungen eine Anwendung der „Kerntheorie“ dergestalt, dass sich ein gerichtliches Unterlassungsgebot auf Äußerungen mit anderem, geringeren Informationsgehalt und geringerer Intensität des Eingriffs erstreckt, nicht in Betracht kommen (BGH NJW 2019, 1142). Der BGH hatte in jenem Verfahren geprüft, ob das Verbot einer identifizierenden Berichterstattung über ein Treffen der dortigen Klägerin, das vom Schutz der Privatsphäre umfasst war, in Anwendung der Kerntheorie auch eine Berichterstattung über das Treffen ohne die Identifizierung der Klägerin erfassen würde (BGH NJW 2019, 1142 Rn. 17). Der BGH sah in diesem Fall bereits keine kerngleiche Berichterstattung, weil die nicht identifizierende Berichterstattung über das Treffen einen anderen, geringeren Informationsgehalt hätte. Auch wäre der Eingriff in die Privatsphäre der Klägerin geringer, weil ein wesentliches Detail des Treffens nicht preisgegeben würde. Damit würden sich nicht unwesentliche abwägungsrelevante Gesichtspunkte für die Beurteilung, ob ein rechtswidriger Eingriff in die Privatsphäre vorliegt, ändern. Dies gelte auch dann, wenn im Ergebnis eine unzulässige Berichterstattung aufgrund eines weiterhin vorhandenen Eingriffs in die Privatsphäre vorliegen würde (BGH NJW 2019, 1142 Rn. 20).

Nach einer Entscheidung des KG Berlin ist ein kerngleicher Verstoß nicht anzunehmen, wenn sich die Umstände einer Berichterstattung derart ändern, dass sich damit zugleich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern der verbotenen Verletzungshandlung ändert. Über eine derart geänderte Berichterstattung sei nicht bereits bei Erlass der Verbotstenors implizit mitentschieden worden (KG Berlin AfP 2007, 528). Das KG Berlin stellt zudem auf den Anlass für eine Berichterstattung ab (KG Berlin AfP 2007, 528). Gehen deshalb zwei Berichterstattungen auf denselben Anlass zurück, stehen Abweichungen bei der Formulierung der einzelnen, zur Identifizierung geeigneten Merkmale der Person des Betroffenen der Annahme eines kerngleichen Verstoßes nicht entgegen (KG Berlin AfP 2007, 582, 583; vgl. insoweit auch LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 24.09.2019 – 2-03 O 35/18). Allerdings könne ein Unterschied auch in einer Veränderung der Sachlage bestehen, z.B. weil nach einer Verdachtsberichterstattung zwischenzeitig Ermittlungen gegen den Betroffenen aufgenommen worden sind, wenn also neue Verdachtsmomente aufgetreten sind, die bei der ursprünglichen Untersagungsentscheidung noch nicht Grundlage des Verbots sein konnten (KG Berlin AfP 2007, 582, 583).

Weiter kann aber zu berücksichtigen sein, dass demjenigen, bei dem eine gerichtlich bindende Verletzungshandlung festgestellt worden ist, eine Zurückhaltung bei künftiger Berichterstattung abverlangt werden kann (BVerfG, Beschl. v. 09.07.1997 – 1 BvR 730/97, BeckRS 1997, 9994 Rn. 13).

3. In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung durch die veränderte Textfassung gemäß dem Vollstreckungsantrag zu 1. (gestützt auf den Tenor der Unterlassungsverfügung zu 2.) hier nicht vor.

a. Die Kammer hat der Schuldnerin untersagt, unter Bezugnahme auf den Antragsteller zu verbreiten:

2. „(Gegen 0.30 Uhr am 23. Juni 2017 schießt ein Unbekannter dem Trainer in die Kniekehle; in der Halbwelt die letzte Warnung. Doch aufklären, was passiert ist, müssen nun nicht die ... Polizisten, die die Leute vom ... seit Jahrzehnten kennen, sondern die Kollegen in ....) Dort führen sie X, den Gym-Besitzer, als Beschuldigten. Sie verdächtigen ihn, etwas mit dem Schuss auf den Trainer zu tun zu haben. […]. X sei es wohl nicht selbst gewesen, er, der Trainer, vermute aber, dass X dahinterstecke. Mehr haben die Ermittler nicht in der Hand. Sie führen unabhängig von X drei weitere Männer als Beschuldigte.“

wenn dies geschieht wie gemäß dem Artikel in Anlagen AST 2/3, Bl. 15 ff. d.A.).

b. Der Gläubiger wirft der Schuldnerin vor, dass sie gegen den Untersagungstenor zu 2. verstoßen habe, indem sie die Äußerung

„Dort führen sie X, den Gym-Besitzer, als Beschuldigten. Sie verdächtigen ihn, etwas mit dem Schuss auf den Trainer zu tun zu haben. […]. X sei es wohl nicht selbst gewesen, er, der Trainer, vermute aber, dass X dahinterstecke. Mehr haben die Ermittler nicht in der Hand. Sie führen unabhängig von X drei weitere Männer als Beschuldigte.““

lediglich abgeändert habe in

„Dort führen sie insgesamt vier Männer als Beschuldigte, natürlich auch aus dem Boxmilieu, in dem der Trainer den Täter oder seiner Auftraggeber vermutet.“

c. Zunächst ist zu beachten, dass der Gläubiger auch durch die abgeänderte Darstellung erkennbar ist.

An die Erkennbarkeit einer Person werden grundsätzlich keine hohen Anforderungen gestellt. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob alle oder ein erheblicher Teil der Leser oder gar die Durchschnittsleser die gemeinte Person identifizieren können. Vielmehr reicht die Erkennbarkeit im Bekanntenkreis aus (BGH GRUR 1979, 732 – Fußballtor; OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2017, 120 Rn. 44 – Dschihadist; OLG Köln NJW-RR 2019, 106 Rn. 20; Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 13 Rn. 53). Ausreichend ist es darüber hinaus, wenn der Betroffene begründeten Anlass zu der Annahme hat, dass über das Medium persönlichkeitsverletzende Informationen auch an solche Empfänger gelangen, die aufgrund ihrer sonstigen Kenntnisse in der Lage sind, anhand der mitgeteilten individualisierenden Merkmale die Person zu identifizieren, auf die sich die Aussagen beziehen (BVerfG NJW 2004, 3619, 3620; BGH GRUR 2010, 940 Rn. 13 f. – Überwachter Nachbar). Hierbei soll eine Erkennbarkeit nicht bestehen, wenn die zusätzlichen Informationen erst durch eine Internetrecherche ermittelt werden können (OLG Köln NJW-RR 2019, 106 Rn. 21 f.).

In Anwendung dieser Grundsätze geht die Kammer von der Erkennbarkeit des Gläubigers aus. Die Schuldnerin bezeichnet den Gläubiger als „...größe in ...“ im Box-Milieu, ferner als „in ... prominenter Boxer und K“. Der Gläubiger trägt vor, dass er die einzige Person in Hamburg sei, auf die dies zutrifft. Zudem trägt er vor, dass er durch vielfältige Berichterstattung in Hamburg bekannt sei, so dass auch eine Vielzahl von Personen das entsprechende Zusatzwissen („prominenter ... Boxer in ...“) haben dürften, was die Schuldnerin wohl in Abrede stellt (S. 2 ihres Schriftsatzes vom 06.06.2019, Bl. 82 d.A.).

d. Die nunmehr angegriffene Äußerung hat jedoch ein anderes Gepräge und verlässt hierdurch den Kernbereich des tenorierten Verbots. Zum einen ist die Intensität der Rechtsverletzung durch den Verzicht auf die Namensnennung reduziert worden, obwohl der Kläger – mit entsprechendem Zusatzwissen und damit für einen kleineren Kreis – noch identifizierbar sein dürfte (vgl. zur geringeren Intensität beim Verzicht auf die Nennung des Nachnamens LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15.10.2019 – 2-03 O 398/19). Darüber hinaus ist die nunmehr angegriffene Äußerung auch im Übrigen verändert worden. Im Ursprungsbericht wurde der Verdacht geäußert, dass es der Gläubiger wohl nicht selbst gewesen sei, er aber dahinter stecke. Lediglich im Nachgang wurde darauf hingewiesen, dass es drei weitere Beschuldigte gebe. Im Gegensatz dazu lässt die nunmehr angegriffene Äußerung offen, welche der vier als Beschuldigte geführten Personen wohl hauptsächlich als Täter in Betracht kommen bzw. gegen wen sich der Verdacht des Trainers berichtet.

4. Auch ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung durch die veränderte Textfassung gemäß dem Vollstreckungsantrag zu 2. (gestützt auf den Tenor der Unterlassungsverfügung zu 3. und 6.) liegt nicht vor.

a. Die Kammer hat der Schuldnerin untersagt, unter Bezugnahme auf den Antragsteller zu verbreiten:

3. „X ist in ... auch deshalb bekannt, weil er 20xx die ... heiratete. In dem Mordfall führt die Polizei ihn ausdrücklich nicht als Beschuldigten, ihr fehlen jegliche Beweise.“

6. „Ein deutsches Gericht hat A jüngst verboten zu behaupten, X habe mit dem Mord zu tun. Womöglich geht es nur darum, X wegen seines mutmaßlichen Engagements für die K zu diskreditieren. X bestreitet sämtliche Vorwürfe.“

wenn dies geschieht wie gemäß dem Artikel in Anlagen AST 2/3, Bl. 15 ff. d.A.).

Die beiden Passagen finden sich in der Printfassung (Anlage AST 2, Bl. 15 d.A.) auf der zweiten Seite am Ende der linken bzw. am Anfang der mittleren Spalte (Äußerung zu 3.) sowie im unteren Bereich der rechten Spalte (Äußerung zu 6.). Vor der Äußerung zu 6. heißt es dort:

„Das regierungsnahe türkische Internetportal H schrieb im Sommer: „Hinter dem Mord an dem ... Boxer steckt die K.“ Das Boulevardblatt „...“ schrieb: ‚Der Verdacht erhärtet sich, dass der K-Anhänger X den Befehl gegeben hat.‘“

b. Der Gläubiger wirft der Schuldnerin vor, dass sie gegen den Untersagungstenor zu 3./6. verstoßen habe, indem sie auf der vierten Seite der Anlage ZV 4 (Bl. 69 d.A.) äußert:

„Das regierungsnahe türkische Internetportal H schrieb im Sommer: „Hinter dem Mord an dem ... Boxer steckt die K.“ Ein Boulevardblatt „...“ geht sogar noch weiter und schreibt ausdrücklich, gegen welchen in Hamburg prominenten Boxer und ... sich der Verdacht richten soll. Gegen den Mann wurde in der Türkei jüngst Haftbefehl erlassen, womöglich geht es aber nur darum, ihn wegen seines mutmaßlichen Engagements für die K zu verfolgen und zu diskreditieren. Er bestreitet sämtliche Vorwürfe und in Deutschland wird er von den zuständigen Ermittlungsbehörden ausdrücklich nicht als Beschuldigter geführt.“

c. Auch insoweit geht die Kammer davon aus, dass der Gläubiger im Gesamtkontext der Äußerung weiterhin – jedenfalls für bestimmte Personen – erkennbar ist.

d. Die Äußerung verlässt jedoch den Kernbereich der Verbotsverfügung. Denn auch hier ist zu beachten, dass durch das Weglassen des Namens und die jedenfalls in geringem Umfang veränderte Struktur der Äußerungen „nicht unwesentliche abwägungsrelevante Gesichtspunkte für die Beurteilung, ob ein rechtswidriger Eingriff ... vorliegt“ (BGH NJW 2019, 1142 Rn. 20) verändert werden.

Die Kammer hat hierbei auch berücksichtigt, dass von der Schuldnerin grundsätzlich auch eine besondere Zurückhaltung bei der Weiterverbreitung der angegriffenen Berichterstattung verlangt werden kann.

5. Gleiches gilt für die veränderte Textfassung gemäß dem Vollstreckungsantrag zu 3. (gestützt auf den Tenor der Unterlassungsverfügung zu 5.).

a. Die Kammer hat der Schuldnerin untersagt, unter Bezugnahme auf den Antragsteller zu verbreiten:

5. „Das Boulevardblatt ‘...‘ schrieb: ‘Der Verdacht erhärtet sich, dass der K-Anhänger X den Befehl gegeben hat.“

wenn dies geschieht wie gemäß dem Artikel in Anlagen AST 2/3, Bl. 15 ff. d.A.).

b. Der Gläubiger wirft der Schuldnerin vor, dass sie gegen den Untersagungstenor zu 5. verstoßen habe, indem sie auf der vierten Seite der Anlage ZV 4 (Bl. 69 d.A.) äußerte:

„Das regierungsnahe türkische Internetportal H schrieb im Sommer: „Hinter dem Mord an dem türkischen Boxer steckt die K.“ Ein Boulevardblatt „...“ geht sogar noch weiter und schreibt ausdrücklich, gegen welchen in Hamburg prominenten Boxer und ... sich der Verdacht richten soll. Gegen den Mann wurde in der Türkei jüngst Haftbefehl erlassen, womöglich geht es aber nur darum, ihn wegen seines mutmaßlichen Engagements für die K zu verfolgen und zu diskreditieren. Er bestreitet sämtliche Vorwürfe und in Deutschland wird er von den zuständigen Ermittlungsbehörden ausdrücklich nicht als Beschuldigter geführt.“

c. Auch hier geht die Kammer davon aus, dass durch das Weglassen des Namens des Gläubigers der Kernbereich der Verbotsverfügung verlassen wird.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Sorgfältig aufräumen - Teure Falle: Haftung für alte Inhalte in Google-Snippets und Google-Cache

In Ausgabe 23/2019, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Sorgfältig aufräumen - Teure Falle: Haftung für alte Inhalte in Google-Snippets und Google-Cache".

Siehe auch zum Thema: OLG Frankfurt: Wer zur Unterlassung irreführender Werbung verpflichtet ist muss gegenüber Google auch auf Löschung aus dem Suchmaschinen-Cache bzw. Suchindex zeitnah hinwirken

OLG Frankfurt: Wer zur Unterlassung irreführender Werbung verpflichtet ist muss gegenüber Google auch auf Löschung aus dem Suchmaschinen-Cache bzw. Suchindex zeitnah hinwirken

OLG Frankfurt
Urteil vom 22.08.2019
6 U 83/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass derjenige, der zur Unterlassung irreführender Werbung verpflichtet ist, auch gegenüber Google auf Löschung aus dem Suchmaschinen-Cache bzw. den Suchindex zeitnah hinwirken muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, nachdem die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag teilweise zurückgenommen hat. Hinsichtlich des noch anhängigen Verfügungsantrages mangelt es weder an einem Verfügungsantrag noch an einem Verfügungsgrund.

1.) Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung einen modifizierten Antrag gestellt hat, ist hierin keine Klageänderung zu sehen. Die Antragstellerin hat schon in ihrer Antragsschrift ihren Verfügungsantrag nicht nur auf ihren vertraglichen Unterlassungsanspruch gestützt, sondern auch auf § 5a UWG unter dem Gesichtspunkt, der Verkehr werde über das Bestehen einer gesetzlichen Garantie in die Irre geführt. Sie hat es aber unterlassen, diesen - in erster Instanz nur hilfsweise - geltend gemachten weiteren Streitgegenstand auch in einer entsprechenden - hilfsweisen - Antragsformulierung abzubilden. Dies hat sie auf einen Hinweis des Senats (§ 139 I 2 ZPO) in der Verhandlung vor dem Senat zulässigerweise nachgeholt.

Aufgrund dessen fehlt es auch nicht an der notwendigen Dringlichkeit. Der Hilfsanspruch war bereits im Verfügungsantrag enthalten; er ist damit nicht erst im Berufungsverfahren geltend gemacht worden.

2.) Die Bewerbung von Stühlen durch die Antragsgegnerin mit einer tatsächlich nicht vorhandenen Herstellergarantie in einem Google-Snippet stellt eine Irreführung über die Rechte des Verbrauchers nach § 5 I 2 Nr. 7 UWG dar, für die die Antragsgegnerin auch verantwortlich ist.

a) § 5 I 2 Nr. 7 UWG untersagt die Irreführung hinsichtlich der Rechte von Verbrauchern, wobei der Begriff der „Rechte des Verbrauchers“ eine weite Bedeutung hat und hiermit, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift („einschließlich“) ergibt, nicht lediglich Gewährleistungsrechte, sondern sämtliche Rechte des Verbrauchers gemeint sind. Daher stellt auch die Werbung mit einer Herstellergarantie in dem streitgegenständlichen Snippet (Anlage LHR 1), die tatsächlich nicht existiert, eine Irreführung über Verbraucherrechte dar.

b) Für diese Irreführung ist die Antragsgegnerin auch verantwortlich, da sie durch ihr vorangegangenes rechtswidriges Tun eine Garantenpflicht innehatte, aufgrund derer sie bei Google auf eine unverzügliche Entfernung der inkriminierten Seite aus dem Index und dem Cache hätte bewirken müssen, was auch das streitgegenständliche Snippet verhindert hätte.

(1) Zwar haftet als Täter grundsätzlich nur, wer eine eigene Handlung vornimmt. Indes kann das Unterlassen dann einem positiven Tun gleichstehen, wenn eine Erfolgsabwendungspflicht besteht. Diese kann sich grundsätzlich aus Gesetz, Vertrag oder vorausgegangenem gefahrerhöhendem Tun (Ingerenz) ergeben (BGH GRUR 2014, 883, Rnr. 16 - Geschäftsführerhaftung; BGH GRUR 2001, 82, 83 - Neu in Bielefeld I). Zwar kann nicht jedes gefahrerhöhende Tun für sich genommen zu wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten führen, da auch erlaubte oder sozial erwünschte Tätigkeiten hierunter fallen können. Jedenfalls aber gesetzlich als unlauter definiertes Handeln löst grundsätzlich die Pflicht aus, diese unlautere Handlung einzustellen.

Ein derartiges gefahrerhöhendes und jedenfalls nach § 3a UWG unlauteres Verhalten liegt hier in der unlauteren Werbung mit einer Herstellergarantie durch die Antragsgegnerin Ende Oktober 2018 (LHR 3), die nicht den Voraussetzungen des § 479 BGB entsprach und in deren Folge die Antragsgegnerin auch eine Unterlassungserklärung abgegeben hat. Nach § 479 Abs. 1 S. 2 BGB muss eine Garantieerklärung den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden enthalten. Außerdem muss die Garantieerklärung den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers enthalten. § 479 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt darüber hinaus eine einfache und verständliche Abfassung der Garantieerklärung. An all diesen Voraussetzungen fehlte es hier.

§ 479 BGB stellt auch eine Marktverhaltensregel nach § 3a UWG dar (BGB GRUR 2011, 638 - Werbung mit Garantie), so dass das Verhalten der Antragsgegnerin unlauter war.

(2) In der Folge war der hierdurch begründeten Ingerenz war die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Verkehrspflicht verpflichtet, den Verstoß unverzüglich abzustellen.

Dieser Pflicht ist sie nicht nachgekommen, da alleine das Entfernen der inkriminierten Seite von der eigenen Homepage hierfür nicht ausreichend ist. Vielmehr hätte sie Google zeitnah nach der Korrektur ihrer wettbewerbswidrigen Internetseite auffordern müssen, die Seite aus dem Suchindex und dem Cache zu entfernen, was die Erzeugung des Snippets - das aufgrund der von der Suchmaschine indizierten Seite des Beklagten noch die „alte“ Fassung der Internetseite wiedergab - am 13.11.2018 durch Google hätte verhindern können. Dies hat sie nicht getan; sie hat erst am 21.11.2018 und damit etwa zwei Wochen nach der Berichtigung ihrer Internet-Seite einen Löschungsantrag für die alte Seite bei Google gestellt.

Analog zum Umfang der Unterlassungsverpflichtung aus einem Unterlassungstitel umfasst die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht auch hier die Pflicht der Antragsgegnerin, i.R.d. ihm Möglichen und Zumutbaren beim Betreiber der Suchmaschine Google auf eine Löschung des streitgegenständlichen Eintrags hinzuwirken, wobei sich diese Verpflichtung auch auf die Entfernung aus dem Cache erstreckt. Zwar hat ein Schuldner für das selbstständige Handeln Dritter grds. nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat (BGH GRUR 2014, 595 - Vertragsstrafenklausel). Die streitgegenständlichen Einträge bzw. Treffer bei Google beruhten letztlich auf der eigenen Internetseite der Antragsgegnerin. Damit, dass eine allseits bekannte und gängige Suchmaschine die Einträge auf ihrer Internetseite auffinden und ihre Angaben bei einer Suchanfrage ausweisen wird, musste die Antragsgegnerin rechnen. Es kam ihr auch wirtschaftlich zugute. Folglich war sie gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die Verwendung des Hinweises durchzuführen und jedenfalls den Betreiber der Suchmaschine Google aufzufordern, den streitgegenständlichen Eintrag zu entfernen (vgl. OLG Düsseldorf, MMR 2016, 114; OLG Celle, WRP 2015, 475, 476, Rnr. 18; OLG Stuttgart, WRP 2016, 773. 775, Rnr. 26; Harte-Bavendamm/Hennig-Goldmann, UWG, 4. Aufl., § 8, Rnr. 16; a.A. OLG Zweibrücken, MMR 2016, 831, sowie bei einem Verstoß im nicht gewerblichen Bereich OLG Frankfurt, 11. ZS, GRUR-RR 2019. 289 – Google Cache; zur Übersicht vgl. Sakowski, NJW 2016, 3623). Da Google zudem ein Webmaster-Tool bereithält, über das die Löschung im Cache gespeicherter veralteter oder gelöschter Informationen beantragt und damit ihre Anzeige verhindert werden kann (wie die Antragsgegnerin es ja am 21.11. selbst vorgenommen hat), war es der Antragsgegnerin auch möglich und zumutbar, die Entfernung des streitgegenständlichen Hinweises aus dem Cache zu beantragen.

(3) Dieses Unterlassen der eigentlich notwendigen Handlung führt dazu, dass die Antragsgegnerin hier auch für das von einem Dritten (Google) erstellte Snippet haftet, obwohl auf der verlinkten Seite der Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt gar keine Werbung mit Herstellergarantie (mehr) auffindbar war.

c) Es fehlt auch nicht an der nach § 5 I UWG notwendigen Geeignetheit, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Im Gegenteil liegt sogar auf der Hand, dass die Werbung mit einer Herstellergarantie einen erheblichen Anlockeffekt hat und den Verkehr dazu veranlassen kann, durch einen Klick auf das Snippet in den Internet-Shop der Antragsgegnerin zu gelangen. Dass er dann dort erkennen mag, dass tatsächlich keine Herstellergarantie angeboten wird, steht der Annahme einer beeinflussbaren geschäftlichen Entscheidung nicht entgegen. Dies liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn tatsächlich ein Kaufvertrag geschlossen wird. Das Verbot des § 5 UWG umfasst vielmehr auch die Irreführung, von der lediglich eine Anlockwirkung ausgeht. In der Rechtsprechung des EuGH wird der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ iSd Art. 2 k UGP-RL, zu deren Vornahme der Verbraucher durch die Irreführung iSd Art. 6 I UGP-RL voraussichtlich veranlasst wird, weit definiert: erfasst ist nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH GRUR 2014, 196 Rnr. 36 - Trento Sviluppo) oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet (BGH GRUR 2017, 1269 Rnr. 19 - MeinPaket.de II). Bereits das Aufsuchen einer Übersichtsseite im Internet, um sich mit einem Produkt im Detail zu beschäftigen, stellt eine geschäftliche Entscheidung in diesem Sinne dar (BGH, GRUR 2019, 746, Rnr. 29 - Energieeffzienzklasse III)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



KG Berlin: Schuldner einer Unterlassungsverfügung haftet auch bei falscher Beratung durch Verfahrensbevollmächtigten - Werbung für Magnetfeldtherapie

KG Berlin
Beschluss vom 19.03.2019
5 W 33/19

Das KG Berlin hat entschieden, dass der Schuldner einer Unterlassungsverfügung auch bei falscher Beratung durch seinen Verfahrensbevollmächtigten haftet. Vorliegend wurde ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.000 EURO verhängt. Es ging um Werbung für eine Magnetfeldtherapie.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, hat der Schuldner schuldhaft gehandelt.

Der Schuldner kann sich zu seiner Entlastung nicht auf einen Verbotsirrtum berufen, dem er nach rechtlicher Beratung durch seinen Verfahrensbevollmächtigten erlegen sein will.

Auch durch die Einholung unrichtigen Rechtsrats wird das Verschulden nicht ausgeschlossen, wenn der Schuldner nach den Umständen des Falles und hinreichender Sorgfaltsanstrengung die Bedenklichkeit seiner Handlung erkennen musste (vgl. Köhler/Feddersen in: Köhler/Feddersen/Bornkamm, UWG, 37. Aufl., § 12, Rn 6.7; Feddersen in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57, Rn 27).

Im vorliegenden Fall geht es um das Verständnis des Verbots, im geschäftlichen Verkehr für eine “Magnetfeldtherapie” mit dem Anwendungsgebiet “Arthrose” zu werben. Es ist auch nach dem Vorbringen des Schuldners nicht nachzuvollziehen, warum ein Mediziner diesen klaren Aussagegehalt nicht nachvollziehen kann und nach Besprechung mit seinem Rechtsanwalt zu dem Ergebnis kommt, er müsse seine Werbung lediglich durch Hinweise auf die Widersprüchlichkeit der Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie ergänzen und Aussagen über Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie mit Quellenangaben, die zu einer unabhängigen Institution führen, versehen.

Zweifel an der Bedeutung des Begriffs “Anwendungsgebiet”, der ihm bei seiner ärztlichen Tätigkeit etwa in Fachinformationen für Arzneimittel regelmäßig begegnen muss, sowie an der Bedeutung des Begriffs “Arthrose” kann der Schuldner schwerlich gehabt haben.

Das Vorgehen des Schuldners deutet auf das Bestreben hin, die Grenzen des Verbotsbereichs auszuloten.

Für die Annahme eines zumindest fahrlässigen Verhaltens reicht es aus, wenn der Schuldner sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und deshalb eine von der eigenen Einschätzung der rechtlichen Zulässigkeit seines Verhaltens abweichende Bewertung in Betracht ziehen muss (vgl. BGH GRUR 2017, 734 – Bodendübel, Rn 73).

2.
Ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.000,- € ist keinesfalls übersetzt.

Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO haben zum einen die Funktion, als zivilrechtliche Beugemaßnahmen künftige Zuwiderhandlungen zu vermeiden, zum anderen aber auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter (vgl. BGH GRUR 2004, 264 – Euro-Einführungsrabatt; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 12, Rn 6.12). Danach sind bei der Festsetzung von Ordnungsmitteln eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (vgl. BGH GRUR 2004, 264 – Euro-Einführungsrabatt; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 12, Rn 6.12).

Angesichts der Bedeutung des Irreführungsgebots im Gesundheitsbereich, das nicht nur darauf abzielt, den Verbraucher vor Behandlungen zu bewahren, die ihm unmittelbar schaden, sondern auch darauf, ihn davor zu bewahren, sich nutzloser Behandlungen zu unterziehen und Schaden deshalb zu erleiden, weil mit einer notwendigen Behandlung nicht rechtzeitig begonnen worden ist, und der in diesem Verfahren zu Tage getretenen Unbedenklichkeit, mit der der Schuldner sich über das klare Verbot hinweggesetzt hat, erscheint danach ein Ordnungsgeld in der festgesetzten Höhe nicht unangemessen.

Hinzu kommt ein langer Zeitraum in dem der Schuldner gegen das Verbot verstoßen hat und mit der Anwendung von Magnetfeldtherapien nicht unerhebliche Umsätze generiert hat."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: