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OLG Frankfurt: Wer zur Unterlassung irreführender Werbung verpflichtet ist muss gegenüber Google auch auf Löschung aus dem Suchmaschinen-Cache bzw. Suchindex zeitnah hinwirken

OLG Frankfurt
Urteil vom 22.08.2019
6 U 83/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass derjenige, der zur Unterlassung irreführender Werbung verpflichtet ist, auch gegenüber Google auf Löschung aus dem Suchmaschinen-Cache bzw. den Suchindex zeitnah hinwirken muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, nachdem die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag teilweise zurückgenommen hat. Hinsichtlich des noch anhängigen Verfügungsantrages mangelt es weder an einem Verfügungsantrag noch an einem Verfügungsgrund.

1.) Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung einen modifizierten Antrag gestellt hat, ist hierin keine Klageänderung zu sehen. Die Antragstellerin hat schon in ihrer Antragsschrift ihren Verfügungsantrag nicht nur auf ihren vertraglichen Unterlassungsanspruch gestützt, sondern auch auf § 5a UWG unter dem Gesichtspunkt, der Verkehr werde über das Bestehen einer gesetzlichen Garantie in die Irre geführt. Sie hat es aber unterlassen, diesen - in erster Instanz nur hilfsweise - geltend gemachten weiteren Streitgegenstand auch in einer entsprechenden - hilfsweisen - Antragsformulierung abzubilden. Dies hat sie auf einen Hinweis des Senats (§ 139 I 2 ZPO) in der Verhandlung vor dem Senat zulässigerweise nachgeholt.

Aufgrund dessen fehlt es auch nicht an der notwendigen Dringlichkeit. Der Hilfsanspruch war bereits im Verfügungsantrag enthalten; er ist damit nicht erst im Berufungsverfahren geltend gemacht worden.

2.) Die Bewerbung von Stühlen durch die Antragsgegnerin mit einer tatsächlich nicht vorhandenen Herstellergarantie in einem Google-Snippet stellt eine Irreführung über die Rechte des Verbrauchers nach § 5 I 2 Nr. 7 UWG dar, für die die Antragsgegnerin auch verantwortlich ist.

a) § 5 I 2 Nr. 7 UWG untersagt die Irreführung hinsichtlich der Rechte von Verbrauchern, wobei der Begriff der „Rechte des Verbrauchers“ eine weite Bedeutung hat und hiermit, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift („einschließlich“) ergibt, nicht lediglich Gewährleistungsrechte, sondern sämtliche Rechte des Verbrauchers gemeint sind. Daher stellt auch die Werbung mit einer Herstellergarantie in dem streitgegenständlichen Snippet (Anlage LHR 1), die tatsächlich nicht existiert, eine Irreführung über Verbraucherrechte dar.

b) Für diese Irreführung ist die Antragsgegnerin auch verantwortlich, da sie durch ihr vorangegangenes rechtswidriges Tun eine Garantenpflicht innehatte, aufgrund derer sie bei Google auf eine unverzügliche Entfernung der inkriminierten Seite aus dem Index und dem Cache hätte bewirken müssen, was auch das streitgegenständliche Snippet verhindert hätte.

(1) Zwar haftet als Täter grundsätzlich nur, wer eine eigene Handlung vornimmt. Indes kann das Unterlassen dann einem positiven Tun gleichstehen, wenn eine Erfolgsabwendungspflicht besteht. Diese kann sich grundsätzlich aus Gesetz, Vertrag oder vorausgegangenem gefahrerhöhendem Tun (Ingerenz) ergeben (BGH GRUR 2014, 883, Rnr. 16 - Geschäftsführerhaftung; BGH GRUR 2001, 82, 83 - Neu in Bielefeld I). Zwar kann nicht jedes gefahrerhöhende Tun für sich genommen zu wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten führen, da auch erlaubte oder sozial erwünschte Tätigkeiten hierunter fallen können. Jedenfalls aber gesetzlich als unlauter definiertes Handeln löst grundsätzlich die Pflicht aus, diese unlautere Handlung einzustellen.

Ein derartiges gefahrerhöhendes und jedenfalls nach § 3a UWG unlauteres Verhalten liegt hier in der unlauteren Werbung mit einer Herstellergarantie durch die Antragsgegnerin Ende Oktober 2018 (LHR 3), die nicht den Voraussetzungen des § 479 BGB entsprach und in deren Folge die Antragsgegnerin auch eine Unterlassungserklärung abgegeben hat. Nach § 479 Abs. 1 S. 2 BGB muss eine Garantieerklärung den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden enthalten. Außerdem muss die Garantieerklärung den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers enthalten. § 479 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt darüber hinaus eine einfache und verständliche Abfassung der Garantieerklärung. An all diesen Voraussetzungen fehlte es hier.

§ 479 BGB stellt auch eine Marktverhaltensregel nach § 3a UWG dar (BGB GRUR 2011, 638 - Werbung mit Garantie), so dass das Verhalten der Antragsgegnerin unlauter war.

(2) In der Folge war der hierdurch begründeten Ingerenz war die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Verkehrspflicht verpflichtet, den Verstoß unverzüglich abzustellen.

Dieser Pflicht ist sie nicht nachgekommen, da alleine das Entfernen der inkriminierten Seite von der eigenen Homepage hierfür nicht ausreichend ist. Vielmehr hätte sie Google zeitnah nach der Korrektur ihrer wettbewerbswidrigen Internetseite auffordern müssen, die Seite aus dem Suchindex und dem Cache zu entfernen, was die Erzeugung des Snippets - das aufgrund der von der Suchmaschine indizierten Seite des Beklagten noch die „alte“ Fassung der Internetseite wiedergab - am 13.11.2018 durch Google hätte verhindern können. Dies hat sie nicht getan; sie hat erst am 21.11.2018 und damit etwa zwei Wochen nach der Berichtigung ihrer Internet-Seite einen Löschungsantrag für die alte Seite bei Google gestellt.

Analog zum Umfang der Unterlassungsverpflichtung aus einem Unterlassungstitel umfasst die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht auch hier die Pflicht der Antragsgegnerin, i.R.d. ihm Möglichen und Zumutbaren beim Betreiber der Suchmaschine Google auf eine Löschung des streitgegenständlichen Eintrags hinzuwirken, wobei sich diese Verpflichtung auch auf die Entfernung aus dem Cache erstreckt. Zwar hat ein Schuldner für das selbstständige Handeln Dritter grds. nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat (BGH GRUR 2014, 595 - Vertragsstrafenklausel). Die streitgegenständlichen Einträge bzw. Treffer bei Google beruhten letztlich auf der eigenen Internetseite der Antragsgegnerin. Damit, dass eine allseits bekannte und gängige Suchmaschine die Einträge auf ihrer Internetseite auffinden und ihre Angaben bei einer Suchanfrage ausweisen wird, musste die Antragsgegnerin rechnen. Es kam ihr auch wirtschaftlich zugute. Folglich war sie gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die Verwendung des Hinweises durchzuführen und jedenfalls den Betreiber der Suchmaschine Google aufzufordern, den streitgegenständlichen Eintrag zu entfernen (vgl. OLG Düsseldorf, MMR 2016, 114; OLG Celle, WRP 2015, 475, 476, Rnr. 18; OLG Stuttgart, WRP 2016, 773. 775, Rnr. 26; Harte-Bavendamm/Hennig-Goldmann, UWG, 4. Aufl., § 8, Rnr. 16; a.A. OLG Zweibrücken, MMR 2016, 831, sowie bei einem Verstoß im nicht gewerblichen Bereich OLG Frankfurt, 11. ZS, GRUR-RR 2019. 289 – Google Cache; zur Übersicht vgl. Sakowski, NJW 2016, 3623). Da Google zudem ein Webmaster-Tool bereithält, über das die Löschung im Cache gespeicherter veralteter oder gelöschter Informationen beantragt und damit ihre Anzeige verhindert werden kann (wie die Antragsgegnerin es ja am 21.11. selbst vorgenommen hat), war es der Antragsgegnerin auch möglich und zumutbar, die Entfernung des streitgegenständlichen Hinweises aus dem Cache zu beantragen.

(3) Dieses Unterlassen der eigentlich notwendigen Handlung führt dazu, dass die Antragsgegnerin hier auch für das von einem Dritten (Google) erstellte Snippet haftet, obwohl auf der verlinkten Seite der Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt gar keine Werbung mit Herstellergarantie (mehr) auffindbar war.

c) Es fehlt auch nicht an der nach § 5 I UWG notwendigen Geeignetheit, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Im Gegenteil liegt sogar auf der Hand, dass die Werbung mit einer Herstellergarantie einen erheblichen Anlockeffekt hat und den Verkehr dazu veranlassen kann, durch einen Klick auf das Snippet in den Internet-Shop der Antragsgegnerin zu gelangen. Dass er dann dort erkennen mag, dass tatsächlich keine Herstellergarantie angeboten wird, steht der Annahme einer beeinflussbaren geschäftlichen Entscheidung nicht entgegen. Dies liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn tatsächlich ein Kaufvertrag geschlossen wird. Das Verbot des § 5 UWG umfasst vielmehr auch die Irreführung, von der lediglich eine Anlockwirkung ausgeht. In der Rechtsprechung des EuGH wird der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ iSd Art. 2 k UGP-RL, zu deren Vornahme der Verbraucher durch die Irreführung iSd Art. 6 I UGP-RL voraussichtlich veranlasst wird, weit definiert: erfasst ist nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH GRUR 2014, 196 Rnr. 36 - Trento Sviluppo) oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet (BGH GRUR 2017, 1269 Rnr. 19 - MeinPaket.de II). Bereits das Aufsuchen einer Übersichtsseite im Internet, um sich mit einem Produkt im Detail zu beschäftigen, stellt eine geschäftliche Entscheidung in diesem Sinne dar (BGH, GRUR 2019, 746, Rnr. 29 - Energieeffzienzklasse III)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



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