Skip to content

BGH: Verletzung eines inländischen Urheberrechts durch Verhalten mit Schwerpunkt im Ausland setzt hinreichenden Inlandsbezug voraus

BGH
Urteil vom 05.12.2024
I ZR 50/24
Produktfotografien
UrhG § 15 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 19a


Der BGH hat entschieden, dass die Verletzung eines inländischen Urheberrechts durch Verhalten mit Schwerpunkt im Ausland einen hinreichenden Inlandsbezug voraussetzt.

Leitsatz des BGH:
Die Verletzung eines inländischen Urheberrechts durch ein Verhalten, das seinen
Schwerpunkt im Ausland hat, setzt voraus, dass das Verhalten einen hinreichenden Inlandsbezug aufweist (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. Juni 1994 - I ZR 24/92, BGHZ 126, 252 [juris Rn. 17 bis 20] - Folgerecht bei Auslandsbezug; Urteil vom 15. Februar 2007 - I ZR 114/04, BGHZ 171, 151 [juris Rn. 31] - Wagenfeld-Leuchte I).

BGH, Urteil vom 5. Dezember 2024 - I ZR 50/24 - OLG Hamburg - LG Hamburg

LG München: E-Mail-Anbieter muss nach § 21 Abs. 2 TDDDG Auskunft über Bestandsdaten eines Nutzers geben auch wenn rechtswidrige Inhalte nicht über diesen Dienst verbreitet wurden

LG München
Beschluss vom 19.02.2025
25 O 9210/24


Das LG München hat entschieden, dass ein E-Mail-Anbieter nach § 21 Abs. 2 TDDDG Auskunft über Bestandsdaten eines Nutzers geben muss, auch wenn die streitgegenständlichen rechtswidrigen Inhalte nicht über diesen Dienst verbreitet wurden.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Gericht ist der Ansicht dass § 21 TDDDG auf die Beteiligte und den von ihr betriebenen E-Mail-Dienst „G...“ Anwendung findet. Bei der Beteiligten handelt es sich um einen Anbieter digitaler Dienste im Sinne von § 21 Abs. 2 Satz 1 TDDDG.

Der Begriff „digitaler Dienst“ ist in § 2 Abs. 2 TDDDG selbst nicht definiert. Allerdings finden gemäß § 2 Abs. 1 TDDDG die Bestimmungen des Digitalen-Dienste-Gesetzes (DDG) auch für das TDDDG Anwendung. In § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG findet sich zwar auch keine selbstständige Definition des Begriffs „digitaler Dienst“, es erfolgt aber erneut eine Verweisung dahingehend, dass ein „digitaler Dienst“ ein Dienst im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1) sein soll. In der besagten Richtlinie wird „Dienst“ als eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft definiert, d.h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck „Dienst“ unter anderem auch eine „elektronisch erbrachte Dienstleistung“, d.h. eine Dienstleistung, die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird.

Nach dieser Definition ist auch der Dienst „G...“ zweifellos eine elektronisch erbrachte Dienstleistung. Denn ein E-Mail-Dienst dient naturgemäß dem Empfangen und Versenden von elektronischen Nachrichten, es werden Daten von einem Ausgangspunkt zu einem anderen vollständig elektronisch gesendet bzw. empfangen und dies erfolgt auch ausschließlich mittels Geräten für elektronische Verarbeitung, seien dies normale Computer, Tablets oder Smartphones. Dieser Dienst wird von der Beteiligten auch regelmäßig gegen Entgelt erbracht, was auch von der Beteiligten nicht in Abrede gestellt wird. Es ist allgemein bekannt, dass sämtliche E-Maildienste ihre Leistungen entweder gegen monetäre Bezahlung erbringen (dann zumeist im Rahmen von sog. „Premium-Modellen“, die exklusive Zusatzfunktionen erhalten und zumeist werbefrei sind) oder aber die Nutzer den Dienst dadurch bezahlen, dass sie ihre Daten dem Betreiber zum Zwecke der Auswertung (insbesondere für Werbezwecke) zur Verfügung stellen. Bei dem Dienst der Beteiligten handelt es somit um einen digitalen Dienst im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG und in der Folge auch um einen solchen im Sinne von §§ 2 Abs. 1, 21 Abs. 2 TDDDG. Keiner weiteren Erläuterung bedarf es, dass die Beteiligte in Bezug auf den digitalen Dienst auch Anbieter gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 TDDDG ist, das sie selbst den E-Mail-Dienst betreibt und daher eigene digitale Dienste erbringt.

Das Gericht vermag auch nicht der Ansicht der Beteiligten zu folgen, wonach § 21 TDDDG auf die Beteiligte keine Anwendung finden soll, weil es sich bei ihr um einen „interpersoneller Telekommunikationsdienst“ i.S.d. § 3 Nr. 61 lit. b) TKG i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG sowie i.S.d. Art. 2 Nr. 5 Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (auch EKEK genannt, nachfolgend: „EECC-Richtlinie“) handelt. Es mag sein, dass die Beteiligte auch ein Telekommunikationsdienst in diesem Sinne ist, das Gericht kann aber nicht erkennen, warum ein Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG nicht auch gleichzeitig ein Anbieter digitaler Dienste im Sinne des TDDDG sein können solle. Das insoweit von der Beteiligten konstruierte Exklusivverhältnis dieser Begriffe ist weder dem TKG noch dem TDDDG zu entnehmen. Dies erschließt sich auch bereits deswegen unmittelbar, weil beide Gesetze völlig unterschiedliche Regelungsfunktionen haben. Ziel des TKG ist gemäß § 1 Abs. 1 TKG, durch technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Das TKG ist mithin ein Aufsichtsgesetz, es dient der Regulierung des Wettbewerbs durch den Hoheitsträger und schafft in diesem Rahmen Regulierungsvorgabe und Rahmenbedingungen zum Schutze der Kunden. Dies deckt sich auch mit dem Auskunftsrecht aus § 174 Abs. 1, 3, TKG, dass ein Auskunftsrecht für Behörden zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten schafft. Demgegenüber enthält das TDDDG nicht nur Aufsichts- und Regulierungsbestimmungen und regelt auch nicht nur Rechte von Kunden der betroffenen digitalen Dienste, sondern schafft durch § 21 TDDDG ein Auskunftsrecht für jede Person, die in einem absolut geschützten Recht verletzt wurde. Es geht dabei nicht um eine Regulierung von Telekommunikationsdiensten, sondern allgemein um die Erleichterung der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche jedes Verletzten, ein Aspekt, der gerade nicht Bestandteil der Regelungen des TKG ist. Ersichtlich handelt es sich bei dem Anspruch aus § 21 TDDDG um einen Hilfsanspruch zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, ein derartiger Anspruch war und ist niemals Gegenstand des TKG gewesen und fügt sich in dieses auch gar nicht ein. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit § 21 TDDDG einen weiteren Anspruch geschaffen, der nach Einschätzung des Gerichts selbstständig neben den Bestimmungen des TKG besteht. Es ist auch kein Widerspruch, dass die Beteiligte insofern potentiell zwei Ansprüchen ausgesetzt ist, einmal einem solchen der Strafverfolgungsbehörden aus § 174 TKG und dann einem solchen des Verletzten aus § 21 TDDDG. Vielmehr stehen beide selbstständig nebeneinander, was schon deswegen einleuchtet, weil straf- und zivilrechtliche Verfolgung nicht zwingend parallel erfolgen müssen. So kann es etwa vorkommen, dass die Strafverfolgungsbehörden ein Verfahren wegen bestimmten Delikten aus Opportunitätsgesichtspunkten einstellen, die verletzte Privatperson aber dennoch zivilrechtliche Ansprüche geltend machen kann und will. Insofern vermag sich das Gericht daher auch nicht der von der Beteiligten in Bezug genommenen Rechtsprechung anzuschließen. Dies umso weniger, als diese noch zu dem alten § 21 TTDSG erging, der Gesetzgeber aber nunmehr die Definitionen dahingehend geändert hat, dass nicht mehr jeder „Anbieter von Telemedien“, sondern jeder „Anbieter digitaler Dienste“ verpflichtet wird. Das Gericht geht nicht davon aus, dass hier nur eine „redaktionelle Änderung“ des TDDDG erfolgt ist, sondern vielmehr eine bewusste begriffliche Klarstellung dahingehend, dass die Verbindung zum TKG und zur Telekommunikation bewusst abgeschwächt wurde, um zu verdeutlichen, dass allgemein „digitale Dienste“ verpflichtet werden sollen. Dies ergibt sich gerade auch aus den von der Beteiligten zitierten Ausführungen im Rahmen der Gesetzesbegründung. Es mag sein, dass der Begriff „Telemedien“ in dem Begriff „digitaler Dienst“ aufgeht, dass bedeutet aber nicht, dass damit keine Klarstellung verbunden sein soll, anderenfalls man den alten Begriff auch nicht hätte ersetzen müssen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber gerade nicht aufgeführt, dass Telekommunikationsdienste nicht von § 21 TDDDG erfasst sein sollen, wovon aber auszugehen gewesen wäre.

B. Das Gericht folgt auch nicht der Ansicht der Beteiligten, eine Kettenauskunft sei nicht zulässig und ein Auskunftsanspruch gemäß § 21 TDDDG setzte zwingend voraus, dass die Äußerung, die Grundlage für das Auskunftsersuchen ist, über den Dienst der Beteiligten veröffentlicht wurde. Eine solche „Verbindung zwischen dem Anbieter des digitalen Dienstes und der Verbreitung des rechtsverletzenden Inhalts in dem digitalen Dienst“ lässt sich § 21 TDDDG weder dem Wortlaut nach, noch systematisch, noch historisch entnehmen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Gesetzgeber ganz bewusst, gerade keine solche Verbindung aufgenommen hat. Denn Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist es, dem Anspruchsteller eine effektive Möglichkeit zur Verfolgung seiner zivilrechtlichen Ansprüche zu schaffen. Es ist aber allgemein bekannt, dass viele Plattformen, auf denen rechtsverletzende Äußerungen getätigt werden, nur rudimentäre Nutzungsdaten erheben, vorrangig mit dem Argument, den Nutzern müsse eine anonyme Äußerung ermöglicht werden. Wollte man, wie die Beteiligte, davon ausgehen, ein Anspruch bestehe nur bei einer Verbindung zwischen Äußerung und Dienst, wäre der Anspruch aus § 21 TDDDG aber regelmäßig wertlos, weil als Nutzerdaten häufig (ganz bewusst) nur Fantasie-Daten hinterlegt sind und einziges weiteres hinterlegte Detail eine zumeist zur Authentifizierung verwendete E-Mail-Adresse ist. Der Verletzte würde also in den meisten Fällen für ihn nutzlose Daten erhalten, die ihm eine Verfolgung seiner Ansprüche gerade nicht ermöglichen. Für eine effektive Verfolgung muss es dem Verletzen daher möglich sein, die Datenkette bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen und die erforderlichen Daten auch von Anbietern zu verlagern, bei denen die maßgeblichen Inhalte nicht unmittelbar verbreitet wurden. Auch diesem Anbieter entstehen hierdurch im Übrigen keine Nachteile, da die Kosten des Auskunftsverfahrens gemäß § 21 Abs. 3 Satz 7 TDDDG in jedem Fall durch den Antragsteller zu tragen sind.

Nicht stichhaltig ist auch der Einwand der Beteiligten, die Antragstellerin sei auf eine Auskunft nicht angewiesen, da sie sich an die Strafverfolgungsbehörden wenden könne, die ihrerseits Auskünfte gemäß § 174 TKG einholen könnten. Es wurde oben bereits ausgeführt, dass straf- und zivilrechtliche Verfolgung nicht notwendigerweise parallel laufen und die Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Umständen (ggf. auch ohne Durchführung weiterer Ermittlungen) von der Verfolgung absehen können, trotzdem aber zivilrechtliche Ansprüche bestehen können.

C. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 TDDDG sind im Hinblick auf die beiden verfahrensgegenständlichen Bewertungen erfüllt. Es handelt sich um rechtswidrige Inhalte, die den Tatbestand der §§ 185-187 StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

AA. Die Sternebewertungen als solche stuft das Gericht mit der ganz herrschenden Meinung in der Rechtsprechung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung ein (vgl. hierzu OLG Köln Urt. v. 26.6.2019 – 15 U 91/19, GRUR-RS 2019, 51308 Rn. 25, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Bewertung mit Sternen ist ihrer Natur nach von Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Daran ändert sich auch nicht deswegen etwas, wenn die Sternebewertungen, wie hier, in Bezug auf Unterkategorien wie „Karriere/Weiterbildung“, „Arbeitsatmosphäre“, „Work-Life-Balance“ usw. verteilt werden. Denn es bleibt dabei, dass auch hinsichtlich dieser Unterkategorien keine Tatsachen behauptet werden, sondern lediglich eine Meinung geäußert wird. Das wird schon daraus ersichtlich, dass die Einschätzung, wie eine Arbeitsatmosphäre, Arbeitsbedingungen oder der Umgang mit bestimmten Themen zu bewerten sind, der Sache nach höchst subjektiv sind; es gibt diesbezüglich keine allgemeingültigen Parameter, die eines Wahrheitsbeweises zugänglich wären. Entgegenzutreten ist insofern auch der Ansicht der Antragstellerin, die Bewertung mit nur einem Stern bei Unterkategorien wie „Karriere/Weiterbildung“, „Umwelt-/Sozialbewusstsein“, „Vorgesetztenverhalten“, „Kommunikation“ usw. bringe zum Ausdruck, für diese Themen gebe es bei der Antragstellerin generell kein Bewusstsein. Nach dem Verständnis des Gerichts wird damit vielmehr lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Verfasser der Bewertung diese Aspekte für sich (subjektiv) als unzureichend erlebt hat.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Sternebewertungen auch einen Tatsachenkern dahingehend enthalten, dass die Ersteller der Bewertungen angeben, sie seien (Ex-) Angestellte/Arbeitnehmer bei der Antragstellerin gewesen und somit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit der Antragstellerin in Kontakt gekommen. Dies ändert nach Einschätzung des Gerichts aber nichts daran, dass bei den Bewertungen das Element der Meinungsäußerungen deutlich überwiegt. Das Tatsachenelement tritt hier hinsichtlich die der Meinungsäußerung unterfallende wertende Meinungsäußerung völlig zurück (MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 186 Rn. 13).

BB. Inhaltlich enthalten die beiden Bewertungen Anmerkungen, die zumindest teilweise die Tatbestände der §§ 185, 186 StGB verwirklichen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH liegt vor: Birkenstock-Sandalen sind nicht als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt

BGH
Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 16/24
Birkenstocksandale
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Birkenstock-Sandalen sind nicht als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann. Die ästhetische Wirkung der Gestaltung kann einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt. Für die Gewährung urheberrechtlichen Schutzes muss eine gestalterische Freiheit bestehen, die in künstlerischer Weise ausgenutzt wird. Eine persönliche geistige Schöpfung ist ausgeschlossen, wo für eine künstlerische Gestaltung kein Raum besteht, weil die Gestaltung durch technische Erfordernisse vorgegeben ist. Mit einer künstlerischen Leistung ist nicht mehr und nicht weniger als eine schöpferische, kreative, originelle, die individuelle Persönlichkeit ihres Urhebers widerspiegelnde Leistung auf dem Gebiet der Kunst gemeint.

b) Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist - wie für alle anderen Werkarten auch - eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität überhaupt erkennen lässt.

c) Die Klägerseite trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung. Sie hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll. Bei Gebrauchsgegenständen muss genau und deutlich dargelegt werden, inwieweit sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind.

BGH, Urteil vom 20. Februar 2025 - I ZR 16/24 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Birkenstock-Sandalen sind nicht als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt

BGH
Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 16/24
Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 17/24
Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 18/24


Der BGH hat entschieden, dass Birkenstock-Sandalen nicht als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sind.

DIe Pressemitteilung des BGH:
Kein Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren über den Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen entschieden.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Teil der Birkenstock-Gruppe. Sie vertreibt verschiedene Sandalenmodelle. Die Beklagten bieten über das Internet ebenfalls Sandalen an oder stellen Sandalen als Lizenznehmer her.

Die Klägerin ist der Auffassung, bei ihren Sandalenmodellen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst. Die Angebote und Produkte der Beklagten verletzten das an ihren Sandalenmodellen bestehende Urheberrecht. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der Sandalen in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Klagen jeweils stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klagen dagegen abgewiesen und einen urheberrechtlichen Schutz der Sandalenmodelle der Klägerin als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG verneint.

Mit den vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revisionen der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Die geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet, weil die Sandalenmodelle der Klägerin keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind.

Das Oberlandesgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden ist. Ein freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst ist - wie für alle anderen Werkarten auch - eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt. Wer urheberrechtlichen Schutz beansprucht, trägt die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen.

Das Oberlandesgericht hat sich mit sämtlichen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung der Klägerin den Urheberrechtsschutz ihrer Sandalenmodelle begründen. In rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht festgestellt werden kann, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden ist, das den Sandalenmodellen der Klägerin urheberrechtlichen Schutz verleiht.

Vorinstanzen:

im Verfahren I ZR 16/24

LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 39/22

OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 86/23

und

im Verfahren I ZR 17/24

LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 41/22

OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 85/23

und

im Verfahren I ZR 18/24

LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 121/22

OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 89/23

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: […]

4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; […]

(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.


LG Köln: Copyright-Strike bei YouTube macht eine Abmahnung nach § 97a UrhG nicht entbehrlich was zur Kostentragungspflicht nach § 93 ZPO führen kann

LG Köln
Urteil vom 22.07.2024
14 O 197/24


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Copyright-Strike bei YouTube eine Abmahnung nach § 97a UrhG nicht entbehrlich macht, was zur Kostentragungspflicht nach § 93 ZPO (Sofortiges Anerkenntnis) führen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Tenorziffer zu 1) beruht auf dem Anerkenntnis des Verfügungsbeklagten. Insoweit sind keine rechtlichen Ausführungen angezeigt, §§ 307, 313b ZPO.

Im Übrigen hat die Kosten des Rechtsstreits die Verfügungsklägerin gem. § 93 ZPO zu tragen, weil der Verfügungsbeklagte sofort anerkannt hat und keine Veranlassung für dieses einstweilige Verfügungsverfahren gegeben hat.

Es muss zunächst ein sofortiges Anerkenntnis vorliegen. Ein Anerkenntnis erfolgt grundsätzlich dann "sofort", wenn der Beklagte die erste sich bietende prozessuale Möglichkeit zum Anerkenntnis gegenüber dem Gericht und dem Gegner wahrnimmt (MüKo ZPO/Schulz, 6. Aufl., § 93, Rn. 12). So liegt der Fall hier. Der Verfügungsbeklagte hat nach Zuleitung des Verfügungsantrags fristgemäß den Verfügungsanspruch anerkannt.

Der Beklagte gibt Veranlassung zur Klage, wenn er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger davon ausgehen muss, er werde nur durch Klageerhebung zu seinem Recht kommen. Eine Veranlassung zur Klageerhebung in den Fällen des gewerblichen Rechtsschutzes liegt regelmäßig vor, wenn auf eine nicht entbehrliche und ordnungsgemäße Abmahnung keine ausreichende Unterwerfungserklärung erfolgt. Eine Berechtigungsanfrage oder Austausch von unterschiedlichen Rechtsansichten statt Abmahnung sind nicht ausreichend. Eine Abmahnung ist dann nicht erforderlich bzw. dem Antragsteller sogar unzumutbar, wenn zum einen die Gefahr besteht, dass der Antragsgegner aufgrund der Abmahnung eine Besichtigung des Gegenstandes durch Veränderung oder Beiseiteschaffen vereiteln würde, und/oder (2) dass die Abmahnung und die entsprechende Fristsetzung soviel Zeit in Anspruch nehmen würden, dass der Gegenstand dem Besichtigungszugriff entzogen würde; dies ist regelmäßig bei Besichtigungsansprüchen der Fall (vgl. Cepl/Voß/Rüting, 3. Aufl. 2022, ZPO § 93 Rn. 18 f., 32, jeweils mwN).

Soweit ersichtlich ist die Rechtsfrage, ob ein „M.“ bei B. einer Abmahnung gleich steht oder diese entbehrlich macht, noch nicht entschieden worden. Die Kammer ist der Ansicht, dass ein solcher „M.“ grundsätzlich nicht einer urheberrechtlichen Abmahnung im Sinne von § 97a UrhG gleichsteht und diese auch grundsätzlich nicht entbehrlich macht. Zwar mag dies in gegebenen Einzelfällen möglich sein, jedoch ist der hiesige Einzelfall jedenfalls nicht geeignet, durch den „B.-M.“ die urheberrechtliche Abmahnung obsolet zu machen. Auch die hier unstreitige Counter Notification des Verfügungsbeklagten führt nicht zur Annahme, dass der Verfügungsbeklagte hinreichend Veranlassung zur Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen ihn gegeben hat.

Zunächst geht die Kammer davon aus, dass eine Abmahnung vor der Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich notwendig ist, um die Kostenfolge des § 93 ZPO abzuwenden. Dies folgt zunächst aus der gesetzgeberischen Wertung des § 97a Abs. 1 UrhG, der sich nicht nur auf Hauptsacheverfahren, sondern auf „gerichtliche Verfahren auf Unterlassung“ bezieht. Zwar handelt es sich dabei um eine „Soll-Vorschrift“ und keine gesetzliche Pflicht. Jedoch ergibt sich auch aus dieser „Soll-Vorschrift“ die vom Gesetzgeber gewünschte Funktion der Abmahnung, ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Davon soll nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Denn weder war vorliegend aus zeitlichen, noch aus sachlichen Gründen, ein Fall gegeben, in dem die Durchführung der Abmahnung zu einem unzumutbaren Nachteil der Verfügungsklägerin führen könnte.

Das System von „M.s“ und „Counter Notifications“ bei B., das den gesetzlichen Anforderungen etwa von § 14 UrhDaG bzw. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 UrhDaG oder Art. 16 DSA entspricht, hat einen gänzlich anderen Sinn und Zweck als das grundsätzliche Abmahnerfordernis. Deshalb ist die Beschwerdemöglichkeit von Rechteinhabern nach Ansicht der Kammer grundsätzlich nicht gleichwertig oder sogar vorrangig zu einer Abmahnung. Denn die oben genannten Normen betreffen Anforderungen an Plattformen, mit denen sie etwa im Fall des UrhDaG eine eigene urheberrechtliche Haftung für die auf ihren Diensten sich ereignenden Urheberrechtsverletzungen abwenden können. Das System dient sicherlich auch der Unterbindung von Rechtsverletzungen im Interesse der Rechtsinhaber. Jedoch sind die Plattformbetreiber, hier B., kein Ersatz- oder Spezialgericht für Rechtsverletzungen im Internet. Demnach wies B. nach Eingang der Counter Notification des Verfügungsbeklagten zu Recht die Verfügungsklägerin darauf hin, dass sie binnen 10 Tagen gerichtlich gegen die öffentliche Zugänglichmachung vorzugehen hat. Denn die Frage, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, bleibt den Gerichten, konkret den spezialisierten Spruchkörpern wie der hiesigen Kammer vorbehalten. Dann wiederum ist eine Abmahnung nach § 97a Abs. 1 UrhG aber der Regelfall. Die von B. gewährten 10 Tage genügen auch ohne Weiteres für eine Abmahnung mit einer angemessenen Frist und danach der Einreichung eines Verfügungsantrags. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der vorliegende Sachverhalt keine maßgeblichen Schwierigkeiten tatsächlicher Art aufweist, vielmehr die Rechtsverletzung maßgeblich durch Vergleich der streitgegenständlichen Videos rechtlich bewertet werden kann.

Das Beschwerdeverfahren von Online-Plattformen steht auch deshalb nicht der Abmahnung gleich, weil die „M.s“ nicht darauf gerichtet sind, dass die Plattformnutzer (hier der Verfügungsbeklagte) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber dem „M.er“ abgeben. Damit wird der Plattformnutzer und vermeintliche Urheberrechtsverletzer aber auch nicht in eine Situation versetzt, in der er ohne weitere rechtliche Hilfe die rechtlich gebotene Handlung zur Abwendung eines gerichtlichen Verfahrens vornehmen kann. Dies umso mehr, wenn wie hier, eine natürliche Person in Anspruch genommen wird.

Auch zu beachten ist, dass die Sperrung von Inhalten durch Plattformen regelmäßig grenzüberschreitend wirkt, sich die Rechtslage in den verschiedenen Staaten jedoch unterscheidet. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der in Deutschland notwendigen Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zur Abwendung der Wiederholungsgefahr, die es so in anderen Rechtssystemen nicht gibt. Wenn nun also nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens bei einer Plattform der Rechtsweg beschritten werden soll, dient die Abmahnung dem Abgemahnten auch zur Aufklärung darüber, nach welchen Gesetzen und vor welchen staatlichen Gerichten ein Verfahren stattfinden soll. Dies zeigt gerade der hiesige Fall, bei dem es um Videos in albanischer Sprache mit Vorgängen in Q. geht, der aber vor einem deutschen Gericht ausgetragen werden soll. Gerade im Urheberrecht stellen sich angesichts des Standes der Harmonisierung teils schwierige Fragen der Anwendung des Rechts in verschiedenen Mitgliedsstaaten; dies gilt erst recht für die Rechtslage außerhalb der EU. Hinzu kommt die Problematik bei der Bewertung von Schrankenregelungen, die wie hier Grundrechte der Verfahrensbeteiligten, etwa das Recht der freien Meinungsäußerung und/oder der Pressefreiheit tangieren.

Im konkreten Fall ist sodann zu beachten, dass die Verfügungsklägerin nicht den konkreten Wortlaut des „B. M.s“ vorlegt, sondern nur das grundsätzliche Vorgehen der Verfügungsklägerin beim „M.“ glaubhaft macht. Vor diesem Hintergrund mag zwar der Streitgegenstand hinreichend konkretisiert sein, die oben dargestellte notwendige Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung lässt sich hieraus aber nicht entnehmen. Demnach kommt der Counter Notification auch keine gleiche Wirkung zu wie der ausdrücklichen Zurückweisung von Unterlassungsansprüchen nach einer Abmahnung. Hierin ist insbesondere keine eindeutige Zurückweisung von Ansprüchen nach deutschem Urheberrecht verbunden, die eine sofortige gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nahelegt. Vielmehr eröffnet eine Abmahnung, insbesondere auch durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, eine weitere Eskalationstufe, auf die der Abgemahnte ggf. anders reagiert als auf die bloße Beschwerde über eine Plattform. Letztere steht eher dem Austausch von divergierenden Rechtsansichten gleich, die noch keine Veranlassung zur Klageerhebung gibt (so zum Markenrecht: OLG P. GRUR 2006, 616).

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Der Unterlassungsstreitwert für die Verwendung von Laufbildern kann sich je nach Art des in Rede stehenden Schutzgegenstandes im Bereich von 10.000,00 EUR bis 50.000,00 EUR oder sogar höher belaufen. Dabei ist - wie auch etwa bei Lichtbildern - eine wertende Betrachtung geboten, ob es sich bei den Laufbildern um hochwertige, aufwändig hergestellte und ggf. mit besonderer Schöpfungshöhe ausgestattete Werken handelt, was zur Annahme eines hohen Unterlassungsstreitwerts führen kann. Vorliegend erkennt die Kammer aber eher einfache Laufbilder, die nicht besonders aufwändig produziert worden sind und eine Aufbereitung von Archivmaterial darstellen. Deshalb ist der Ansatz von 15.000,00 EUR im vorliegenden Fall angemessen und ausreichend.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Köln: Grundsätze der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung sind auf unberechtigte Copyright-Strikes auf Streamingplattformen übertragbar

LG Köln
Urteil vom 09.01.2025
14 O 387/24


Das LG Köln hat entschieden, dass die Grundsätze der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung auf unberechtigte Copyright-Strikes auf Streamingplattformen übertragbar sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Verfügungskläger hat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verfügungsbeklagten in der Widerspruchsbegründung hinreichend glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund vorliegen, §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO. Auch im Übrigen stehen der Bestätigung der einstweiligen Verfügung keine Umstände entgegen. Der auf Antrag des Verfügungsklägers ergangenen Entscheidung liegen prozessual die Regelungen der §§ 935 ff., 922 ZPO zugrunde. Der Verbots- bzw. Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 S. 1 BGB analog, die Androhung der Ordnungsmittel aus § 890 ZPO.

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Köln gem. § 32 ZPO örtlich zuständig. Wie bereits in der Beschlussverfügung ausgeführt, liegt der Erfolgsort der hier gegenständlichen unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO in Form der unberechtigten Rechteberühmung durch die Verfügungsbeklagte gegenüber U. angesichts der damit bezweckten weltweiten Sperrung des online verfügbaren Musikstücks an jedem Ort, an dem das Musikstück ohne die Sperrung hätte abgespielt werden können. Demnach liegt der Erfolgsort der gerügten Rechteberühmung auch im hiesigen Gerichtsbezirk.

Die dagegen erhobenen Einwände mit Blick auf die allgemeinen Gerichtsstände der Verfügungsbeklagten bzw. des Unternehmens, das den Dienst U. verantwortet, greifen nicht durch. Dem Verfügungskläger steht gemäß § 35 ZPO das Recht zu, den besonderen Gerichtsstand aus § 32 ZPO zu wählen.

Im Übrigen ist der Unterlassungsantrag – wie bereits in der Beschlussverfügung ausgeführt und von der Verfügungsbeklagten nicht in Zweifel gezogen – hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das begehrte abstrakte Verbot der Rechteberühmung an dem konkret genannten Musikstück „I.“ mit einer „insbesondere“-Verknüpfung für die konkrete Verletzungsform des „Copyright-Strikes“ bei U. ist hinreichend klar abgegrenzt und lässt keine Zweifel an der Reichweite der Unterlassungspflicht.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

1. Es besteht ein Verfügungsanspruch. Dieser folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB. Die Kammer hat auch nach der Widerspruchsbegründung und der mündlichen Verhandlung keine Zweifel daran, dass die Verfügungsbeklagte in das Recht des Verfügungsklägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in rechtswidriger Weise eingegriffen hat.

Die Kammer hat dazu in der Beschlussverfügung vom 18.11.2024 wie folgt ausgeführt:

„a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, dass die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition des Gewerbetreibenden darstellen kann, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGH Beschluss vom 15. 7. 2005 - GSZ 1/04NJW 2005, 3141 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).

Nun liegt dieser Fall hier zwar mit Blick auf die beteiligten Personen anders, jedoch sind die obigen Erwägungen auch auf die hier erfolgte unberechtigte Rechteberühmung gegenüber einem Verwertungskanal des tatsächlich berechtigten Urhebers bzw. Leistungsschutzrechtsinhabers übertragbar. Denn durch den Aufstieg der Internetplattformen, die überdies regelmäßig die Anforderungen des UrhDaG erfüllen müssen, ist die Rechtebeschwerde gegenüber der Plattform, hier U., funktional mit einer Schutzrechtsverwarnung gegenüber Abnehmern vergleichbar. Die Kammer beobachtet insoweit auch, dass „Copyright-Strikes“ zum Teil alleine ohne flankierende Abmahnung vorgenommen werden (vgl. zu diesem Themenkreis das Urteil der Kammer vom 22.7.2024 – 14 O 197/24, ZUM 2024, 757). Faktisch verschiebt sich damit der Fokus der Auseinandersetzungen bei Rechteberühmungen weg von den oben bereits angesprochenen hergekommenen rechtsförmlichen außergerichtlichen Schreiben (z.B. Berechtigungsanfragen und Abmahnungen) hin zur Nutzung der Beschwerdeverfahren der Plattformen. Diese „Strikes“ – seien sie bei U. oder RU. oder anderen Plattformen – zeigen oft unmittelbare Wirkung wie im vorliegenden Fall. Zur Abwendung einer eigenen Haftung der Plattform durch die Regeln des UrhDaG (siehe insbesondere § 1 Abs. 1 und 2 UrhDaG) werden dabei regelmäßig vorsorglich Inhalte blockiert. Diese „Copyright-Strikes“ sind deshalb noch erheblich effektiver als eine bloße Schutzrechtsverwarnung, weil sie durch die zu erwartende Sperrreaktion des Plattformbetreibers unmittelbar und ohne ein notwendiges Zutun der zu Unrecht abgemahnten Person Wirkungen entfalten. Demnach ist in einer unberechtigten, pauschalen und nicht nachvollziehbar begründeten Urheberrechtsbeschwerde gegenüber einer Online-Plattform erst recht ein Verstoß in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Urheber, Rechteinhaber bzw. Content-Creator anzunehmen.

b) Die Antragsgegnerin hat mit ihrer aus Anlagen ASt 7 und 8 zur Akte gereichten Beschwerde gegenüber U. durch ihren Mitarbeiter X. V. eine solche unberechtigte und pauschale Urheberrechtsbeschwerde eingereicht.

Die Antragsgegnerin verfügt nach der Glaubhaftmachung des Antragstellers (Anlage ASt 5) sowie nach dem gerichtsbekannten Sachverhalt zur Beendigung früherer Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander über keine Rechte an dem hier gegenständlichen Musikstück „I.“.

Dabei hat der Antragsteller zunächst glaubhaft gemacht, dass das Lied „I.“ im November 2023 geschaffen und aufgenommen worden ist. Die Antragsgegnerin war dabei auch jedenfalls nicht als Tonträgerherstellerin beteiligt.

Die Kammer nimmt im Übrigen Bezug auf ihre eigenen Ausführungen im Urteil im vorangegangenen Verfahren der Parteien vor der Kammer zum Aktenzeichen 14 O 354/23 sowie das dazugehörige Berufungsurteil des OLG Köln zum Aktenzeichen 6 U 167/23. Eine Wiederholung ist nicht geboten. Aus den Urteilen ergibt sich, dass das frühere Vertragsverhältnis Ende des Jahres 2022 durch wirksame außerordentliche Kündigung des Antragstellers beendet worden ist. Bei dieser Wertung bliebt die Kammer. Der Antragsgegnerin stehen deshalb jedenfalls für die hier gegenständlichen neuen Werke bzw. Darbietungen des Antragstellers keine Rechte zu.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der direkten zeitlichen Nähe der Urheberrechtsbeschwerde zur Erstveröffentlichung liegt eine Handlung mit Schädigungsabsicht vor. Wie der Antragsteller nachvollziehbar darstellt, wurden durch die Sperre bei U. die ersten Tage der wichtigen ersten Auswertungsphase des neuveröffentlichten Musikstücks behindert. Demnach dürften neben dem oben bereits bejahten Verstoß gegen § 823 Abs. 1 BGB auch die Verwirklichung von § 826 BGB anzunehmen sein, was hier jedoch nicht vertieft werden muss.“

An diesen Ausführungen hält die Kammer weiterhin fest. Die Verfügungsbeklagte wendet gegen diese rechtlichen Ausführungen im Kern nichts ein, sodass es keiner Ergänzungen bedarf.

Soweit die Verfügungsbeklagte der Ansicht ist, dass die Kündigungen des Verfügungsklägers betreffend den Künstlerexklusivvertrag zwischen den Parteien unwirksam sind und das entsprechende Vertragsverhältnis nicht beendet ist, so tritt die Kammer dieser Rechtsansicht der Verfügungsbeklagten weiterhin und nach erneuter Prüfung nicht bei. Folglich ist die Kündigung des Vertragsverhältnisses der Parteien zueinander, wie sie im Vorprozess vor der Kammer ausführlich behandelt worden sind, auch weiterhin als wirksam anzusehen, sodass der Kläger jedenfalls in der Zeit seit seiner wirksamen Kündigung frei neue Musik schaffen und verwerten (lassen) kann. So liegt der Fall hier. Dass das von dem „copyright claim“ bei U. betroffene Musikstück „I.“ in der Zeit nach den Kündigungserklärungen des Verfügungsklägers geschaffen worden ist, bestreitet die Verfügungsbeklagte nicht.

Die Passivlegitimation, die die Verfügungsbeklagte in ihrem Widerspruch von sich weist, liegt nach Ansicht der Kammer vor. Unmittelbare Täterin für die unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde gegenüber U. ist ausweislich der zur Akte gereichten Informationen über den Einreicher der Beschwerde die Firma der Verfügungsbeklagten. Dass hier ergänzend der Name des Mitarbeiters angegeben ist, ändert daran nach Ansicht der Kammer nichts, weil die Beklagte als juristische Person zwingenderweise durch natürliche Personen handeln muss. Dabei hat der namentlich genannte Mitarbeiter auch ersichtlich im üblichen Interessenkreis der gewerblich handelnden Verfügungsbeklagten gehandelt. Ob dies – wie in der mündlichen Verhandlung nur am Rande behauptet und nicht im Protokoll festgehalten – ohne Absprache mit dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten erfolgt ist, ist im Ergebnis unerheblich, weil die Verfügungsbeklagte als arbeitsteilig organisierte GmbH nicht nur für Verhalten ihrer Organe haftet. Soweit man hier gleichwohl auf § 831 BGB als Zurechnungsnorm zurückgreifen müsste, wäre hier jedenfalls nichts zur Exkulpation vorgetragen, sodass sich auch insoweit nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand eine Haftung der Verfügungsbeklagten ergibt.

Der Verfügungskläger hätte sich auch nicht primär (gerichtlich) an U. wenden müssen. Denn der deliktische Vorwurf einer unberechtigten Urheberrechtsbeschwerde trifft allein die Verfügungsbeklagte. Nichts anderes wird durch Antrag und Begehren des Verfügungsklägers abgebildet.

Die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers für allgemein deliktische Anspruchsgrundlagen folgt schon aus der Betroffenheit in seinen eigenen Rechtsgütern, hier primär seines eigenen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als professioneller Musiker. Außerdem ist seine hier nicht streitentscheidende urheberrechtliche Position, zumindest als einer der Ausübenden Künstler, in Anlage AST5 glaubhaft gemacht und nicht bestritten. Ob der Verfügungskläger anderweitig über seine Verwertungsrechte verfügt hat, ist für die hier gegenständliche Anspruchsgrundlage aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB unerheblich. Denn es liegt auf der Hand, dass der Verfügungskläger durch eine beeinträchtigte Erstverwertung des gegenständlichen Titels zumindest mittelbar in seinen Beteiligungsansprüchen negativ beeinflusst worden ist.

Das Verhalten der Verfügungsbeklagten ist rechtswidrig. Es ist durch keinen rechtlich triftigen Grund gerechtfertigt.

Die Wiederholungsgefahr für die erfolgte konkrete Verletzung ist indiziert und nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt worden. Die Abgabe einer solchen Erklärung hat die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich abgelehnt. Wie bereits in der Beschlussverfügung ergänzend ausgeführt, besteht auch für das begehrte abstrakte Verbot auch eine weitergehende Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr. Es ist unstreitig geblieben, dass eine Urheberrechtsbeschwerde mit folgender Sperre auch bei dem Musikstreamingdienst von T. erfolgt ist. Insoweit ist es nicht fernliegend, dass die Verfügungsbeklagte bei anderen neueren Titeln des Verfügungsklägers und/oder anderen Plattformen entsprechende Urheberrechtsbeschwerden einreichen könnte, wenn sie insoweit nicht zur Unterlassung verpflichtet wird. Der als konkrete Verletzungsform in Bezug genommene Vorgang bei U. ist dabei durch die „insbesondere“-Verknüpfung eine beispielhafte Ausprägung des tenorieren Verbots, auf das sich die Unterlassungspflicht jedoch nicht beschränkt. Nach den obigen Ausführungen besteht keinerlei Berechtigung der Verfügungsbeklagten – jedenfalls – an Musikstücken des Verfügungsklägers aus der Zeit nach der wirksamen Kündigung, sodass unter das abstrakt formulierte Verbot keine erlaubten Handlungsweisen fallen.

2. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Der Verfügungskläger hat dabei die Sache zunächst hinreichend dringlich betrieben. Angesichts der in Urheberrechtsstreitsachen – eine solche liegt auch hier vor (vgl. Wortlaut des § 104 Abs. 1 S. 1 UrhG) – bestehenden Interessenlage, ist der Verfügungsgrund bei zügiger Behandlung regelmäßig zu bejahen. Der Verfügungskläger hat das Verfahren zügig betrieben, insbesondere innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von der konkreten Rechteberühmung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereicht. Insoweit hat der Verfügungskläger – unbestritten – glaubhaft gemacht, erstmals am 17.10.2024 Kenntnis von der Person erhalten zu haben, die den „Copyright-Strike“ bei U. eingereicht hat (siehe Anlagen ASt 5, 7 und 8). Dass der Verfügungskläger zuvor angesichts der gerichtsbekannten Vorgeschichte entsprechende Vermutungen angestellt hat, genügt nicht dafür, eine frühere Kenntnis vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt anzunehmen. Denn dafür ist die Frage der Passivlegitimation und der Person des deliktisch Handelnden unabdingbar.

Es ist auch im Wege der Interessenabwägung im Einzelfall notwendig, zukünftige gleichartige Rechteberühmungen und „Strikes“ der Verfügungsbeklagten bei Internetplattformen einstweilig zu unterbinden. Das Interesse des Verfügungsklägers an einer ungestörten Werkauswertung überwiegt insoweit die aus dem Sach- und Streitstand ersichtlichen Interessen der Verfügungsbeklagten. Dem Verfügungskläger ist es nicht zumutbar auf das zeitlich erheblich länger dauernde Hauptsacheverfahren verwiesen zu werden. Dies gilt vorliegend umso mehr, weil die Verfügungsbeklagte trotz der deutlichen rechtlichen Ausführungen der hiesigen Kammer als auch des Berufungssenats wiederholt eine Feststellungsklage zur Klärung der Wirksamkeit der Kündigung ankündigt und sich insgesamt als berechtigte Rechteinhaberin für das musikalische Schaffen des Verfügungsklägers ansieht. Die Kammer geht – wie bereits in der Beschlussverfügung zum Verfügungsgrund ausgeführt – davon aus, dass die Verfügungsbeklagte die fehlende Begründungsnotwendigkeit bei der Beschwerde gegenüber U. dazu genutzt hat, um die ersten Tage der Auswertung des neuen Musikstücks u.a. des Verfügungsklägers zu behindern. Auch erfolgte keine Reaktion auf die Abmahnung des Verfügungsklägers, was den obigen Befund noch bekräftigt. Die darin und auch in dem Prozessverhalten während des Widerspruchsverfahrens zum Ausdruck kommende Gleichgültigkeit gegenüber Gerichtsentscheidungen u.a. der hiesigen Kammer und die Bereitschaft den Verfügungskläger und dessen Mitmusiker zu schädigen, lassen keinen Grund erkennen, der in einer wertenden Interessenabwägung für die Verfügungsbeklagte Gewicht entfalten kann.

III. Die durch §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO vorgesehene Vollziehungsfrist von einem Monat ab Zustellung der einstweiligen Verfügung beim Verfügungskläger ist durch die Zustellung der Beschlussverfügung am 21.11.2024 gewahrt. Zustellungsmängel werden nicht gerügt.

IV. Auch war die Beschlussverfügung nicht wegen eines Gehörsverstoßes der Kammer aufzuheben. Es genügt, wenn der Gegenseite vorprozessual ermöglicht wird, sich zu einer vorgeworfenen Rechtsverletzung zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass entsprechende Äußerungen dem Gericht vollständig vorliegen. Die Verfügungsbeklagte hatte nach der Abmahnung des Verfügungsklägers Kenntnis von der ihr vorgeworfenen Rechtsverletzung und reagierte hierauf nicht. Unter diesen Umständen konnte die Kammer von einer Anhörung der Verfügungsbeklagten vor Erlass der Beschlussverfügung absehen.

Im Übrigen würde sich ein etwaiger Gehörsverstoß angesichts der nunmehr durchgeführten mündlichen Verhandlung und der damit einhergehenden umfassenden Möglichkeit zur Stellungnahme nicht mehr auf dieses Urteil auswirken.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie
href="https://nrwe.justiz.nrw.de/lgs/koeln/lg_koeln/j2025/14_O_387_24_Urteil_20250109.html"> hier:

OLG Hamburg: Hoster Uberspace haftet als Teilnehmer für Urheberrechtsverletzungen durch Hosting des YouTube-Downloaders youtube-dl

OLG Hamburg
Entscheidung vom 21.11.2024
5 U 54/23


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass der Hoster Uberspace ab Inkenntnissetzung als Teilnehmer für Urheberrechtsverletzungen durch Hosting des YouTube-Downloaders youtube-dl haftet (siehe zur Vorinstanz: LG Hamburg: Host-Provider haftet als Teilnehmer für Urheberrechtsverletzungen durch youtube-dl wenn der Hoster den Zugriff trotz Inkenntnissetzung nicht sperrt).

LG Hamburg: Host-Provider haftet als Teilnehmer für Urheberrechtsverletzungen durch youtube-dl wenn der Hoster den Zugriff trotz Inkenntnissetzung nicht sperrt

LG Hamburg
Urteil vom 31.03.2023
5 U 54/23


Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Host-Provider als Telinehmer für Urheberrechtsverletzungen durch youtube-dl haftet, wenn dieser trotz konkretem Hinweis auf Rechtsverletzungen untätig bleibt und den Zugriff nicht sperrt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Auch die Verantwortlichkeit des Beklagten ist gegeben.

Der Beklagte haftet zwar nicht als Täter, da es ihm an der hierfür erforderlichen Tatherrschaft betreffend die konkreten Umgehungen fehlt (vgl. auch BGH, Urteil vom 05.03.2020, I ZR 32/19 – Internet-Radiorecorder, juris). Er haftet jedoch als Teilnehmer im Sinne der Beihilfe.

a) Die objektive Beihilfehandlung des Beklagten liegt in dem Zurverfügungstellen von Speicherplatz für die Internetseite, die offenbar allein bezweckt, für die Software youtube-dl zu werben und Links zum Download und zu Bedienungsanleitungen betreffend die Software zu setzen.

b) Auch die subjektive Voraussetzung, Gehilfenvorsatz, ist gegeben.

Gehilfenvorsatz setzt voraus, dass der Gehilfe die Tatumstände jedenfalls in ihren groben Zügen kennt; die Einzelheiten der Tat (wann, wo, wem gegenüber und unter welchen Umständen) muss er ebenso wenig kennen, wie die Person des Haupttäters (u.a. BGH, Urteil vom 05.03.2020, I ZR 32/19, Rn. 47, juris – Internet-Radiorecorder).

Nach dem Abmahnschreiben der Klägerseite vom 22.09.2020, Anlage K 10, hatte der Beklagte Kenntnis davon, dass die Software youtube-dl über die von ihm gehostete Internetseite beworben wird und heruntergeladen werden kann. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass YouTube technische Maßnahmen implementiert habe, die ein Herunterladen geschützter Inhalte verhindern sollen. Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Software youtube-dl nach Ansicht der Klägerinnen allein zu dem Zweck entwickelt worden sei, diese technischen Maßnahmen zu umgehen. Die tatsächlichen Umstände betreffend „Rolling Cipher“ und youtube-dl sind dem Beklagten damit bekannt gegeben worden. Dennoch hostet er weiterhin die Internetseite mit der Werbung / Linksetzung betreffend youtube-dl.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe darauf vertraut, die Verwendung von youtube-dl sei rechtlich zulässig. Der Beklagte muss erkannt haben, dass sich der Einsatz von youtube-dl zumindest in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt (u.a. BGH, Urteil vom 05.03.2020, I ZR 32/19, Rn. 48, juris – Internet-Radiorecorder), so dass ihm (zumindest) vorzuwerfen ist, dass er eine Widerrechtlichkeit billigend in Kauf genommen hat.

c) Auf die Haftungsprivilegierung des § 10 Satz 1 TMG beruft sich der Beklagte ebenfalls ohne Erfolg.

(1) Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG gilt nicht für Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben (BGH, Urteil vom 9. August 2022, VI ZR 1244/20, Rn. 21, juris – Hotelbewertungsportal; BGH, Urteil vom 1. März 2016, VI ZR 34/15, Rn. 19, juris – jameda II).

(2) Zudem setzt der Ausschluss der Verantwortlichkeit des Diensteanbieters für fremde Informationen, die er für einen Nutzer speichert, gem. § 10 S. 1 TMG voraus, dass der Diensteanbieter entweder keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information hat und ihm im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird (§ 10 S. 1 lit. a TMG), oder er unverzüglich tätig geworden ist, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald er diese Kenntnis erlangt hat (§ 10 S. 1 lit. b TMG). Betreffend die subjektiven Voraussetzungen reicht im vorliegenden Fall eine abstrakte Kenntnis des Beklagten, dass von ihm zur Verfügung gestellte Speicherplätze für Rechtsverletzungen genutzt werden, zwar nicht aus (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2021, C-683/18, Rn. 111 - Peterson/, beck-online).

Nach Kenntnisnahme und Würdigung des Schreibens der Klägervertreter vom 22. September 2020, Anlage K 10, hätte der Beklagte den Zugang zu der Internetseite https://youtube-dl.org für den Abruf durch Internetnutzer jedoch sperren müssen. Er hatte danach konkrete Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung, nämlich der Ermöglichung der widerrechtlichen Umgehung technischer Schutzmaßnahmen von YouTube über die von ihm gehostete Internetseite. Ihm war damit bekannt, dass die Internetseite für die Software youtube-dl wirbt und einen Link zum Herunterladen der Software enthält. Auch war ihm mitgeteilt worden, dass bei YouTube eine technische Maßnahme implementiert ist, die ein Herunterladen von Inhalten verhindern soll, und dass youtube-dl der Umgehung dieser Maßnahme dient. Kenntnis der Widerrechtlichkeit der Handlung war damit ebenfalls gegeben; der Beklagte hat die Widerrechtlichkeit jedenfalls billigend in Kauf genommen.

4. Der Klageantrag Ziffer II, mit dem die Klägerinnen einen Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG geltend machen, ist ebenfalls begründet, und zwar gemäß § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 95a Abs. 3 UrhG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf: Keine freie Bearbeitung nach § 23 UrhG durch plagiieren eines Gemäldes wenn der Gesamteindruck mit dem Original übereinstimmt

LG Düsseldorf
Urteil vom 14.08.2024
12 O 156/23


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass keine freie Bearbeitung nach § 23 UrhG durch plagiieren eines Gemäldes vorliegt, wenn der Gesamteindruck mit dem Original übereinstimmt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet. Die zulässige Widerklage ist ebenfalls teilweise begründet.

I.) Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 26.000 EUR aus § 97 Abs. 2 UrhG zu.

1.) Der Beklagte hat das Urheberrecht des Klägers an den drei streitgegenständlichen Bildern in schuldhafter Weise verletzt.

a) Der Kläger ist unstreitig Urheber (§ 7 UrhG) der drei Werke „C“, „M“ und „I“.

Die Gemälde sind als Werke der bildenden Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich schutzfähig. Es handelt sich um persönliche geistige Schöpfungen des Klägers, die ohne weiteres auch die erforderliche Schöpfungshöhe erreichen. Sie weisen ein hohes Maß an Originalität und Individualität auf.

b) Der Beklagte hat das Urheberrecht des Klägers verletzt, indem er ohne dessen Erlaubnis Vervielfältigungsstücke hiervon angefertigt (§ 16 Abs. 1 UrhG), diese verkauft und damit verbreitet (§ 17 Abs. 1 UrhG) und indem er Fotos dieser Werke auf seinem Instagram-Kanal öffentlich zugänglich gemacht hat (§ 19a UrhG).

aa) Bei den drei Bildern, von denen der Beklagte auf seinem Instagram-Kanal Fotos veröffentlicht hat, handelt es sich um Vervielfältigungsstücke der drei streitgegenständlichen Original-Gemälde des Klägers. Eine Vervielfältigung jede körperliche Festlegung eines Werkes, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen (BGH GRUR 1991, 449, 453 - Betriebssystem).

Bei den von dem Beklagten geschaffenen Bildern handelt es sich auch nicht um freie Bearbeitungen der klägerischen Vorlage im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG. Dies setzt eine wesentliche Veränderung der verwendeten Vorlage dergestalt voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (BGH GRUR 1994, 191 [193] – Asterix-Persiflagen). Das neue Werk muss aufgrund seiner Eigenart selbstständig urheberrechtlich schutzfähig sein und zwar unabhängig von den anregenden Elementen des Originals (vgl. BGH GRUR 1961, 631 [632] – Fernsprechbuch). Auch bei der Bearbeitung und Umgestaltung iSd § 23 UrhG handelt es sich um besondere Fälle der Vervielfältigung eines Werkes (BGH GRUR 2014, 65 - Beuys-Aktion). Ein Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers liegt dann vor, wenn die Werkumgestaltung ohne eigene schöpferische Ausdruckskraft geblieben ist und sich daher – trotz der vorgenommenen Umgestaltung – noch im Schutzbereich des Originals hält, bei dessen Eigenart auch in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (BGH GRUR 1988, 533 [535] – Vorentwurf II; GRUR 1965, 45 [47] - Stadtpläne).

Letzteres ist hier der Fall. Der Gesamteindruck der Bearbeitungen des Beklagten stimmt mit den Originalen des Klägers überein. Die Bearbeitungen bleiben trotz der vorhandenen Unterschiede gegenüber den Originalen des Klägers ohne eigene schöpferische Ausdruckskraft und lassen die Züge des Originals gerade nicht verblassen. Der Beklagte verwendete jeweils ein zur Vorlage des Klägers identisches Motiv, welches er in der gleichen Art und Weise, insbesondere unter überwiegender Beibehaltung der Linienführung und der Farbgebung, umsetzte.

Hiervon ausgehend, werden die Werke im Einzelnen nachfolgend erörtert, wobei jeweils das Original des Klägers links und die Bearbeitung des Beklagten rechts dargestellt sind.

Hinsichtlich des Bildes „C“ ist ersichtlich, dass der Beklagte in seiner Bearbeitung nur leicht andere Rottöne und insgesamt im Hintergrund eine geringere Anzahl von Farben verwendet. Zudem sind das dargestellte Gesicht und die Gesamtkomposition der abgebildeten Figur leicht anders. Der Gesamteindruck des Werkes, der Darstellung eines überwiegend in Gelb gehaltenen menschlichen Kopfes bzw. Oberkörpers, der in Linien vor einem überwiegend Burgunderrot gestalteten Hintergrund abgebildet ist, ist jedoch in der Bearbeitung des Beklagten erhalten geblieben, ohne dass ein eigener, schöpferischer Ausdruck hinzugetreten wäre.

Im Falle von „I“ ist erkennbar, dass der Beklagte für den Hintergrund in der unteren Bildhälfte im Vergleich zur klägerischen Vorlage einen leicht unterschiedlichen, kräftigeren Rotton verwendete. Ferner erscheinen die neben den beiden abgebildeten Figuren dargestellten „Blasen“ oder „Punkte“ in der Arbeit des Beklagten dunkler als beim Original zu sein. Auch insoweit überwiegt aber der übereinstimmende Gesamteindruck. Die beiden, überwiegend in grün, gelb sowie einem dunkleren Farbton gestalteten Figuren in der Mitte des Bildes sowie die sich daneben befindlichen „Punkte“ weisen in beiden Fällen eine nahezu exakt gleiche Anordnung auf. Ferner ist die Komposition und Linienführung der Figuren überwiegend identisch. Hinzu kommt der das Werk prägende, über die Mitte des Bildes hinausgehende, rote Hintergrund.

Bei „M“ können nach dem Gesamteindruck als wesentliche Unterschiede zum einen festgestellt werden, dass für die im oberen Bilddrittel dargestellten Köpfe bzw. Gesichter in der Bearbeitung des Beklagten ein hellerer, kräftigerer Rotton im Vergleich zur Vorlage des Klägers verwendet wurde. Ferner scheint das das vom Betrachter aus gesehen linke der beiden Gesichter in der Bearbeitung des Beklagten den Betrachter direkt anzusehen, wohingegen es im Original an dem Betrachter rechts vorbeischaut. Diese Unterschiede verleihen der Bearbeitung des Beklagten jedoch keinen eigenschöpferischen Ausdruck. Es überwiegt jedoch erneut der das klägerische Original prägende Gesamteindruck, der durch die Wahl des Motivs (zwei Köpfe über einem Ozean, in dem Fische schwimmen, um das ein Rahmen mit überwiegend roter, beigegebener und grüner Farbgebung gesetzt ist) der Linienführung und Farbauswahl geprägt ist.

bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich nicht um Privatkopien im Sinne des § 53 Abs. 1 UrhG. Denn dies würde voraussetzen, dass die Kopien weder mittelbar noch unmittelbar Erwerbszwecken dienten. Dem steht jedoch entgegen, dass der Beklagte die Gemälde nach seinem eigenen Vortrag zum Preis von 1.600,00 EUR, 2.000,00 EUR und 1.000,00 EUR an einen Bekannten veräußerte. Damit hat der Beklagte durch Veräußerungen ohne weiteres einen Gewinn erzielt, selbst wenn man seinem Vortrag, die Materialkosten hätten 650 EUR betragen, zugrundelegt. Die erzielten Preise stellen sich damit als mehr als bloße Aufwandsentschädigungen dar.

b) In der Veräußerung der Werke liegt zugleich eine Verletzung des Urheberrechts des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Verbreitens im Sinne des § 17 UrhG.

c) Schließlich hat der Beklagte das Urheberrecht des Klägers dadurch verletzt, dass er Fotos der plagiierten Werke bei Instagram veröffentlichte und sich damit das Recht des Klägers als Urheber zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG angemaßt hat.

d) Diese Urheberrechtsverletzungen erfolgten schuldhaft im Sinne des § 97 Abs. 2 UrhG. Angesichts der oben dargestellten Vielzahl an Übereinstimmungen zwischen den Bearbeitungen des Beklagten und den Originalen des Klägers ist vorsätzlichen Verletzungshandlungen des Beklagten auszugehen. Dieser hat selbst eingeräumt, sich die klägerischen Werke zum Vorbild genommen zu haben. Hinsichtlich der Verletzungshandlung des öffentlich Zugänglichmachens (§ 19a UrhG) durch die Veröffentlichung auf Instagram überzeugt die Argumentation des Beklagten, diese sei aus reiner „Unachtsamkeit“ geschehen, unabhängig davon nicht, dass auch eine solche Unachtsamkeit zumindest ein Fahrlässigkeitsvorwurf (§ 276 Abs. 2 BGB) begründen würde. Auf den bei Instagram veröffentlichten Lichtbildern sind die plagiierten Werke jeweils eindeutig und im Bildmittelpunkt zuerkennen. Damit liegt es fern, dass die Gemälde nur zufällig und aus Unachtsamkeit vom Bild erfasst wurden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es gerade das Ziel des Beklagten war, diese zu fotografieren und zu veröffentlichen. Hierfür spricht auch die Bildunterschrift der Instagram-Veröffentlichung „Q.“ (Deutsch: „Q“). Dies deutet darauf hin, dass die Präsentation der Bilder auf den Fotos gerade Ziel des Instagram-Posts war.

e) Der Beklagte ist dem Kläger demnach zum Schadenersatz verpflichtet. Der Kläger berechnet den Schadenersatz vorliegend im Wege der Lizenzanalogie, § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG. Insoweit ist danach zu fragen, welche Lizenzzahlung der Rechtsinhaber zu erwarten gehabt hätte, wenn die Verwertung seines Schutzrechts mit seiner Zustimmung erfolgt wäre (BGH GRUR 1993, 899 - Dia-Duplikate). Dies zugrundegelegt, ist weder maßgeblich, welchen Marktwert die Originale der streitgegenständlichen Gemälde des Klägers erzielen, noch, zu welchem Preis der Beklagte die Plagiate weiterveräußerte.

Da feststeht, dass ein Schadenersatz dem Grunde nach geschuldet ist, ist die Kammer gemäß § 287 ZPO berechtigt, die Höhe desselben zu schätzen. Hier liegen auch ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine solche Schätzung vor. Denn der Beklagte trägt selbst vor, dass der Kläger sogenannte „Editionen“ bzw. „Multiples“ seiner Werke anfertigt und verkauft, welche Preise von 9.600 bzw. 9.900 EUR erzielen. Diese „Editionen“, bei welchen ein Druck des Originals auf Papier erfolgt, der dann vom Kläger nochmals von Hand übermalt wird, erscheinen durchaus mit einer Lizenzierung für eine Kopie des Originals vergleichbar. Demnach erscheint der vom Kläger pro Bild angesetzte Preis für eine Lizenz von 10.000 EUR angemessen, weshalb der Schadensersatz mit 30.000 EUR zu bemessen ist.

Abzüglich der vom Beklagten vorgerichtlich bereits gezahlten 4.000 EUR verbleibt eine Summe von 26.000 EUR.

f) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB. Der Kläger kann indes keine Zinsen in Höhe von neun, sondern lediglich in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz beanspruchen. Der von dem Kläger begehrte Verzugszins ist gemäß § 288 Abs. 2 BGB nur dann anzusetzen, wenn es sich um eine Entgeltforderung handelt. Gemeint hiermit ist das Entgelt für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag (Lorenz in: BeckOK BGB, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 286 Rn. 40). Eine Schadensersatzforderung, wie der Kläger sie hier geltend macht, stellt hingegen keine Entgeltforderung dar.

2.) Allerdings hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 97a Abs. 3 UrhG. Zwar lag eine Urheberrechtsverletzung des Beklagten, wie ausgeführt, vor, weshalb die Abmahnung durch das anwaltliche Schreiben vom 09.05.2023 dem Grunde nach berechtigt war. Diese erfüllte aber nicht die Voraussetzungen des § 97a Abs. 2 Nr. 1-4 UrhG. Voraussetzung einer formal wirksamen Abmahnung ist nach § 97 Abs. 2 Nr. 4 UrhG insbesondere, dass, sofern in die Abmahnung eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthält, anzugeben ist, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Dem wird die streitgegenständliche Abmahnung des Klägers nicht gerecht. Grundlage für die Abmahnung war die Kopie der klägerischen Werke „C“, „I“ und „M“. Die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtungserklärung (Bl. 24 Anlagenband KV) bezieht sich jedoch unterschiedslos auf „Kunstwerke, welche von M hergestellt wurden und/oder an welchen M die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen“. Sie erfasst damit auf sämtliche Kunstwerke des Klägers und geht über die abgemahnte Rechtsverletzung an lediglich dreien hiervon hinaus. Auf diesen Umstand ist indes in der Abmahnung nicht hingewiesen.

Andere Anspruchsgrundlagen, aufgrund derer der Kläger Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gegen den Beklagten hätte, sind nicht ersichtlich.

II.) Die Widerklage ist teilweise begründet.

Dem Beklagten steht gegen den Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 367,23 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG zu. Ein weitergehender Anspruch besteht hingegen nicht.

Nach der soeben genannten Vorschrift kann der Abgemahnte die Kosten seiner Rechtsverteidigung ersetzt verlangen, soweit die Abmahnung unwirksam war. Letzteres war hier, wie soeben unter I.2.) ausgeführt, der Fall. Dem Beklagten sind für das anwaltliche Schreiben vom 17.05.2023, durch welches die klägerischen Ansprüche abgewehrt wurden, seinerseits Rechtsanwaltskosten entstanden.

Entgegen der Auffassung des Beklagten waren diese Rechtsanwaltskosten jedoch nicht aus dem Gegenstandswert der Abmahnung in Höhe von 80.000 EUR zu berechnen, sondern lediglich aus demjenigen Wert, der sich aufgrund der Unwirksamkeit der Abmahnung ergab. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG, wonach der Abgemahnte Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen kann soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist. Erforderlich sind damit nur diejenigen Rechtsanwaltskosten, die auf den unberechtigten Teil der Abmahnung entfallen (vgl. BGH GRUR 2019, 82, Rn. 38 – Jogginghosen; GRUR 2016, 516, Rn. 45 - Wir helfen im Trauerfall). Dies waren nach den vorstehenden Ausführungen allein die klägerseits geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.293,25 EUR. Denn die klägerische Forderung war lediglich insoweit unbegründet, da aufgrund der Formunwirksamkeit der Abmahnung ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nicht bestand.

Aus dem für die Rechtsverteidigung zugrunde zu legenden Gegenstandswert von 2.293,25 EUR betragen die für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen des Beklagten an Rechtsanwaltskosten 367,23 EUR.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: Luftbildaufnahmen per Drohne sind nicht von der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG gedeckt

BGH
Urteil vom 23.10.2024
I ZR 67/23
Über alle Berge
UrhG §§ 15, 16, 17, 59 Abs. 1 Satz 1, §§ 97, 97a Abs. 3 Satz 1; Richtlinie 2001/29/EG Art. 2, Art. 3, Art. 5 Abs. 3 Buchst. h und Abs. 5


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Aufnahmen aus der Luft per Drohne sind nicht von der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG gedeckt über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz
Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG geregelte Panoramafreiheit bezweckt die Freistellung der Nutzung von Werken, wenn und soweit sie Teil des von der Allgemeinheit wahrnehmbaren Straßen- oder Landschaftsbildes sind. Mit Hilfe einer Drohne angefertigte Luftaufnahmen unterfallen nicht der Panoramafreiheit.

BGH, Urteil vom 23. Oktober 2024 - I ZR 67/23 - OLG Hamm - LG Bochum

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Grundsätze der Haftung von Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen gelten auch für Haftung von Online-Marktplätzen

BGH
Urteil vom 23.10.2024 - I ZR 112/23
Manhattan Bridge
UrhG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, § 16, § 19a; Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass die Grundsätze der Haftung von Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen auch für die Haftung von Online-Marktplätzen gelten.

Leitsätze des BGH:
a) Die unionsrechtlichen Grundsätze der Haftung von Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen für eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - C-682/18 und C-683/18, GRUR 2021, 1054 = WRP 2021, 1019 - YouTube und Cyando; BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 53/17, BGHZ 233, 373 [juris Rn. 17 f.] - uploaded II; BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 140/15, BGHZ 234, 56 [juris Rn. 70 f.] - Youtube II) sind auf die Haftung von Online-Marktplätzen übertragbar.

b) Der Betreiber eines Online-Marktplatzes ist - wie der einer Video-Sharing- und Sharehosting-Plattform - grundsätzlich verpflichtet, nach einem klaren Hinweis auf eine Rechtsverletzung die dort eingestellten Angebote im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren auf gleichartige Verletzungen zu überprüfen und rechtsverletzende Inhalte zu sperren oder zu löschen. Bei Übertragung der für Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen geltenden Rechtsprechung muss den Besonderheiten von Online-Marktplätzen jedoch Rechnung getragen werden. Soweit nicht der angebotene Gegenstand selbst urheberrechtsverletzend ist, sondern das Angebot lediglich in einer urheberrechtsverletzenden Weise präsentiert wird, erstreckt sich die Prüfungspflicht des Plattformbetreibers im Regelfall allein auf gleichartig präsentierte Angebote, nicht aber auf jegliche Darstellungen des urheberrechtlich geschützten Werks.

c) Die Grundsätze der Haftung von Plattformen für eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke sind nicht auf eine Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf den Servern einer solchen Plattform übertragbar. Es verbleibt insoweit bei einer Haftung nach den strafrechtlichen Grundsätzen der Täterschaft und Teilnahme.

BGH, Urteil vom 23. Oktober 2024 - I ZR 112/23 - OLG Nürnberg LG Nürnberg-Fürth

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Gemeinnützer Verein LAION darf Fotos für die Erstellung von KI-Traingsdaten nach § 60d UrhG herunterladen und verwenden

LG Hamburg
Urteil vom 27.09.2024
310 O 227/23


Das LG Hamburg hat entschieden, dass der gemeinnütze Verein LAION Fotos für die Erstellung von KI-Traingsdaten nach § 60d UrhG herunterladen und verwenden darf.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beklagte hat durch die Vervielfältigung der streitgegenständlichen Fotografie zwar in die Verwertungsrechte des Klägers eingegriffen. Dieser Eingriff ist aber durch die Schrankenregelung des § 60d UrhG gedeckt. Ob sich der Beklagte ergänzend auf die Schrankenregelung des § 44b UrhG berufen kann, bedarf vor diesem Hintergrund keiner abschließenden Beurteilung.

Die streitgegenständliche Fotografie ist jedenfalls als Lichtbild nach § 72 Abs. 1 UrhG geschützt. Das Gericht hat nach Inaugenscheinnahme der auf dem Laptop des Klägers befindlichen Rohdaten auch keinen Zweifel an der Lichtbildnereigenschaft des Klägers, § 72 Abs. 2 UrhG. Der Kläger ist auch zur Geltendmachung von Verletzungsansprüchen nach § 97 UrhG aktiv legitimiert, so auch für den Unterlassungsanspruch nach Abs. 1 der Vorschrift; dass der Kläger der Bildagentur ... weitergehende als (unterlizenzierbare) einfache Nutzungsrechte eingeräumt hat, hat der Beklagte nicht dargelegt. Die Bildagentur ... hat das Foto mit einem Wasserzeichen versehen; das war eine unfreie Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG, so dass auch zu deren Verwertung grundsätzlich die Zustimmung des Klägers als des Urhebers erforderlich war. Im Rahmen des durchgeführten Downloads hat der Beklagte diese Fassung vervielfältigt i.S.d. § 16 Abs. 1 UrhG, ohne dafür eine Zustimmung des Klägers eingeholt zu haben.

Allerdings war der Beklagte hierzu aufgrund gesetzlicher Erlaubnis berechtigt. Die Vervielfältigung war zwar nicht durch die Schrankenregelung des § 44a UrhG gedeckt (im Folgenden 1.), und ob sich der Beklagte auf die Schrankenregelung des § 44b UrhG berufen kann, erscheint als zweifelhaft (im Folgenden 2.). Letzteres bedarf aber vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, da die Vervielfältigungshandlung jedenfalls durch die Schrankenregelung des § 60d UrhG gedeckt war (im Folgenden 3.).

1. Die erfolgte Vervielfältigung ist nicht durch die Schrankenregelung des § 44a UrhG gedeckt.

Danach sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen zulässig, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.

Die vorliegend erfolgte Vervielfältigung war bereits weder flüchtig noch begleitend.

a) Flüchtig i.S.d. § 44a UrhG ist eine Vervielfältigung dann, wenn ihre Lebensdauer auf das für das ordnungsgemäße Funktionieren des betreffenden technischen Verfahrens Erforderliche beschränkt ist, wobei dieses Verfahren derart automatisiert sein muss, dass es diese Handlung automatisch, d.h. ohne Beteiligung einer natürlichen Person löscht, sobald ihre Funktion, die Durchführung eines solchen Verfahrens zu ermöglichen, erfüllt ist (EuGH, Urt. v. 16.07.2009, Az. C-5/08 – Infopaq/Danske Dagblades Forening, Rn. 64 (juris) zu Art. 5 Abs. 1 DSM-RL).

Soweit sich der Beklagte insoweit darauf beruft, dass im Rahmen des von ihm durchgeführten Analyseverfahrens die Dateien "automatisch" gelöscht worden seien, vermag dies eine Flüchtigkeit der Vervielfältigung im vorgenannten Sinne nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass der Beklagte nichts zu der konkreten Dauer der Speicherung vorgetragen hat, erfolgte die Löschung gerade nicht "nutzerunabhängig", sondern aufgrund einer entsprechenden bewussten Programmierung des Analyseprozesses durch den Beklagten.

b) Begleitend i.S.d. § 44a UrhG ist eine Vervielfältigung dann, wenn sie gegenüber dem technischen Verfahren, dessen Teil sie ist, weder eigenständig ist noch einem eigenständigen Zweck dient (EuGH, Urt. v. 05.06.2014, Az. C-360/13, Rn. 43 (juris)).

Im vorliegenden Fall erfolgte ein gezieltes Herunterladen der Bilddateien, um sie mittels einer spezifischen Software zu analysieren. Damit ist das Herunterladen kein bloß begleitender Prozess zu der durchgeführten Analyse, sondern ein der Analyse vorgelagerter bewusster und aktiv gesteuerter Beschaffungsprozess.

2. Ob sich der Beklagte auf die Schrankenregelung des § 44b UrhG berufen kann, erscheint im vorliegenden Fall durchaus als zweifelhaft. Zwar unterfällt der von dem Beklagten vorgenommene Download grundsätzlich der Schrankenregelung des § 44b Abs. 2 UrhG, insbesondere erfolgte er zum Zwecke des Text und Data Mining im Sinne des § 44b Abs. 1 UrhG (im Folgenden lit. a). Allerdings spricht ‒ ohne dass dies vorliegend einer abschließenden Entscheidung bedürfte ‒ Einiges dafür, dass aufgrund eines wirksam erklärten Nutzungsvorbehalts im Sinne des § 44b Abs. 3 die Vervielfältigungshandlung nicht bereits nach § 44b Abs. 2 UrhG zulässig war (im Folgenden lit. b).

a) Die streitgegenständliche Vervielfältigungshandlung unterfällt grundsätzlich der Schrankenregelung des § 44b Abs. 2 UrhG.

(1) Der streitgegenständliche Download erfolgte zum Zwecke des Text und Data Mining im Sinne des § 44b Abs. 1 UrhG. Danach ist Text und Data Mining die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. Jedenfalls für die vorliegend streitgegenständliche Vervielfältigungshandlung ist dies zu bejahen (nachfolgend (a)); eine teleologische Reduktion des Schrankentatbestands kommt insofern nicht in Betracht (unten (b)).

Vorliegend keiner Entscheidung bedarf daher die weitere, im Schrifttum eingehend diskutierte Frage, ob das Training von Künstlicher Intelligenz in seiner Gesamtheit der Schrankenregelung des § 44b UrhG unterfällt oder nicht (eingehend zum Meinungsstand BeckOK UrhR/Bomhard, 42. Ed. 15.2.2024, UrhG § 44b Rn. 11a-11b m.w.N.; dazu auch eingehend die als Anlage K11 vorgelegte, im Auftrag der Initiative Urheberrecht erstellte Studie "Urheberrecht & Training generativer KI-technologische und rechtliche Grundlagen").

(a) Der Beklagte hat die Vervielfältigungshandlung zum Zwecke der Gewinnung von Informationen über "Korrelationen" im Wortsinn des § 44b Abs. 1 UrhG vorgenommen. Der Beklagte hat das streitgegenständliche Lichtbild von seinem ursprünglichen Speicherort heruntergeladen, um mittels einer bereits verfügbaren Software ‒ offenbar der Anwendung ... von ... ‒ den Bildinhalt mit der zu dem Text bereits hinterlegten Bildbeschreibung abzugleichen. Diese Analyse der Bilddatei zum Abgleich mit einer vorbestehenden Bildbeschreibung stellt ohne Weiteres eine Analyse zum Zwecke der Gewinnung von Informationen über "Korrelationen" (nämlich der Frage der Nicht-/Übereinstimmung von Bildern und Bildbeschreibungen) dar. Dass der Beklagte die in den Datensatz ... aufgenommenen Bilder auf diese Art und Weise analysiert hat, wurde klägerseits als solches nicht bestritten.

Die Anwendbarkeit von § 44b Abs. 1 UrhG ist ‒ entgegen der Auffassung des Klägers (Replik S. 13 f., Bl. 47 f. d.A.) ‒ auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte den von ihm erstellten Datensatz ... ausweislich eines zu diesem Datensatz ausgesprochenen "Disclaimers" nicht "kuratiert" habe. Der klägerseits wiedergegebene Disclaimer bezieht sich allein auf eine Warnung, dass der Datensatz nicht nach "verstörenden Inhalten" o.Ä. durchsucht worden sei. Eine solche ‒ zusätzliche ‒ Filterung des zu erstellenden Datensatzes ist aber nicht Anwendungsvoraussetzung für § 44b Abs. 1 UrhG und steht nicht der Annahme entgegen, dass die heruntergeladenen Bilder ‒ wie ausgeführt ‒ auf ihre Korrelation zwischen Bildinhalt und Bildbeschreibung hin analysiert wurden.

(b) Die streitgegenständliche Vervielfältigungshandlung ist auch nicht im Wege der teleologischen Reduktion der Schrankenregelung des § 44b UrhG aus dieser auszuschließen.

Soweit eine Herausnahme der Vervielfältigung von Daten zum Zwecke des KI-Trainings im Wege der teleologischen Reduktion im Schrifttum vereinzelt mit der Begründung befürwortet wird, dass § 44b UrhG nur die Erschließung "in den Daten verborgener Informationen", nicht aber die Nutzung "des Inhalts der geistigen Schöpfung" erfasse (Schack, NJW 2024, 113; in diese Richtung auch Dormis/Stober, Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle, Anlage K11, S. 67 ff. mit einer Differenzierung zwischen Semantik und Syntax), bestehen Zweifel, ob dies zu überzeugen vermag; denn dabei wird nicht ausreichend deutlich, worin bei digitalisierten Werken der Unterschied zwischen "in den Daten verborgenen Informationen" und "dem Inhalt der geistigen Schöpfung" liegen soll.

Soweit ergänzend angeführt wird, dass es beim "KI-Webscraping" um den geistigen Inhalt der zu Trainingszwecken genutzten Werke und "letztlich" um die Schaffung inhaltsgleicher oder ähnlicher Konkurrenzerzeugnisse gehe (Schack, a.a.O.), unterscheidet diese Argumentation nach Auffassung der Kammer nicht streng genug zwischen

- zum einen der (hier allein streitgegenständlichen) Erstellung eines ‒ auch ‒ für KI-Training nutzbaren Datensatzes,

- zum anderem dem nachfolgenden Training des künstlichen neuronalen Netzes mit diesem Datensatz und

- zum dritten der nachfolgenden Nutzung der trainierten KI zum Zwecke der Erstellung neuer Bildinhalte.

Diese letztere Funktionalität mag zwar bereits bei der Erstellung des Trainingsdatensatzes angestrebt sein. Jedoch ist im Zeitpunkt der Zusammenstellung des Trainingsdatensatzes weder absehbar, in welcher Weise der zweite Schritt (das Training) erfolgreich sein wird, noch, welche konkreten Inhalte im dritten Schritt (bei der KI-Anwendung) durch die trainierte KI werden generiert werden können. Die konkreten Anwendungsmöglichkeiten bei einer sich rasant entwickelnden Technologie wie der KI sind zum Zeitpunkt der Erstellung des Trainingsdatensatzes daher nicht abschließend absehbar und mithin nicht rechtssicher feststellbar. Wegen dieser Rechtsunsicherheit ist die bei der Erstellung des Trainingsdatensatzes zunächst allein bestehende nur allgemeine Absicht, zukünftige KI-generierte Inhalte erlangen zu wollen, kein taugliches Kriterium für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit der Erstellung des Trainingsdatensatzes als solchen.

Soweit für eine teleologische Reduktion der Schrankenregelung des § 44b UrhG schließlich angeführt wird, dass der europäische Gesetzgeber 2019 bei Schaffung der zugrundeliegenden Richtlinienbestimmung (Art. 4 DSM-RL) "das KI-Problem" "schlicht noch nicht auf dem Schirm" gehabt habe (Schack, a.a.O.; ebenso für das Training von KI-Modellen Dormis/Stober, a.a.O., S. 71 ff., 87 ff.), genügt allein dieser Befund für eine teleologische Reduktion ersichtlich nicht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die technische Fortentwicklung im Bereich der sog. Künstlichen Intelligenz seit 2019 weniger Art und Umfang des (streitgegenständlichen) Data Mining zur Beschaffung von Trainingsdaten betrifft, sondern die Leistungsfähigkeit der mit den Daten trainierten künstlichen neuronalen Netze (dementsprechend gehen Dormis/Stober, a.a.O., S. 95 gleichfalls davon aus, dass die reine Erstellung von Trainingsdatensätzen "im Vorfeld des eigentlichen Trainings" durchaus der TDM-Schranke unterfallen dürfte). Zu beachten wäre außerdem, dass die beklagtenseits abgerufene Datenbank der Common Crawl Foundation bereits seit dem Jahr 2008 (!) erstellt wird, vgl. https://commoncrawl.org/overview.

Davon abgesehen hat jedenfalls der aktuelle europäische Gesetzgeber der KI-Verordnung (Verordnung (EU) 2024/1689 vom 13.06.2024, ABl. L v. 12.07.2024 S. 1) unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass auch die Erstellung von zum Training von künstlichen neuronalen Netzen bestimmten Datensätzen der Schrankenregelung des Art. 4 DSM-RL unterfällt. Denn nach Art. 53 Abs. 1 lit. c KI-Verordnung sind Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck verpflichtet, eine Strategie insbesondere zur Ermittlung und Einhaltung eines gemäß Art. 4 Abs. 3 DSM-RL geltend gemachten Rechtsvorbehalts vorzusehen.

Dass auch die Erstellung von zum Training von künstlichen neuronalen Netzen bestimmten Datensätzen der Schrankenregelung des Art. 4 DSM-RL unterfalle, entspricht im Übrigen auch der Einschätzung des deutschen Gesetzgebers im Rahmen der Umsetzung der vorgenannten Schrankenbestimmung im Jahr 2021 (Begr. RegE BT-Drs. 19/27426, S. 60).

(c) Auch der in Art. 5 Abs. 5 InfoSoc-RL (i.V.m. Art. 7 Abs. 2 S. 1 DSM-RL) verankerte sog. 3-Stufen-Test rechtfertigt letztlich keine andere Beurteilung. Danach dürfen die normierten Ausnahmen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden. Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Die vorliegend urheberrechtlich relevante Vervielfältigung ist auf den Zweck der Analyse der Bilddateien auf ihre Übereinstimmung mit einer vorbestehenden Bildbeschreibung nebst anschließender Einstellung in einen Datensatz beschränkt. Dass durch diese Nutzung die Verwertungsmöglichkeiten der jeweils betroffenen Werke beeinträchtigt werden würden, ist nicht ersichtlich und wird auch klägerseits nicht behauptet.

Zwar mag der auf diese Weise erstellte Datensatz nachfolgend zum Trainieren künstlicher neuronaler Netze genutzt werden können und die dabei entstehenden KI-generierten Inhalte mögen in Konkurrenz zu den Werken (menschlicher) Urheber treten können. Das allein rechtfertigt es jedoch noch nicht, bereits in der Erstellung der Trainingsdatensätze eine Beeinträchtigung auch der Verwertungsrechte an Werken i.S.v. Art. 5 Abs.5 InfoSoc-RL zu erblicken. Dies hat schon allein deshalb zu gelten, weil die Berücksichtigung bloß zukünftiger, derzeit noch gar nicht im Einzelnen absehbarer technischer Entwicklungen keine rechtssichere Abgrenzung zulässiger von unzulässigen Nutzungen erlaubt (vgl. ähnlich oben (b)).

Da eine Verwendung von im Wege des Text und Data Mining gewonnenen Erkenntnissen zum Trainieren künstlicher neuronaler Netze, die dann in Konkurrenz zu Urhebern treten können, auf Grundlage der aktuellen technologischen Entwicklung im Zweifel nie ausgeschlossen werden kann, würde die Gegenauffassung in letzter Konsequenz sogar dazu nötigen, das Text und Data Mining i.S.d. § 44b UrhG letztlich in seiner Gänze zu untersagen; eine solche vollständige Außerkraftsetzung der Schrankenregelung liefe aber der gesetzgeberischen Intention offenkundig zuwider und kann daher kein tragbares Auslegungsergebnis darstellen.

(2) Die von dem Beklagten heruntergeladene Bilddatei war auch ‒ was der Kläger im Übrigen auch nicht in Abrede stellt ‒ rechtmäßig zugänglich i.S.d. § 44b Abs. 2 S. 1 UrhG.

"Rechtmäßig zugänglich" in diesem Sinne ist ein Werk insbesondere dann, wenn es frei im Internet zugänglich ist (Begr. RegE BT-Drucks. 19/27426, S. 88).

Hiervon ist für das von dem Beklagten heruntergeladene Bild auszugehen. Anders als klägerseits zunächst vorgetragen, hat der Beklagte nicht das in dem in der Klageschrift zunächst formulierten Unterlassungsantrag wiedergegebene "Originalbild" ‒ das von der Bildagentur ... nur bei Erwerb einer Lizenz zur Verfügung gestellt worden wäre ‒, sondern eine mit einem Wasserzeichen der Bildagentur versehene Fassung des Bildes heruntergeladen. Hierbei handelte es sich ersichtlich um das auf der Agenturseite quasi zu Werbezwecken eingestellte Vorschaubild. Dieses mit dem Wasserzeichen versehene Vorschaubild wurde von der Agentur aber gerade frei zugänglich ins Internet gestellt.

b) Allerdings spricht einiges dafür, dass vorliegend die Schrankenregelung des § 44b Abs. 2 UrhG ‒ ohne dass dies einer abschließenden Entscheidung bedürfte ‒ nicht eingreift, da ein wirksam erklärter Nutzungsvorbehalts im Sinne von Abs. 3 der Vorschrift vorlag; insbesondere dürfte der auf der Webseite ...com unstreitig erklärte Nutzungsvorbehalt wohl den Anforderungen an eine Maschinenlesbarkeit i.S.d. § 44b Abs. 3 S. 2 UrhG genügen.

(1) Es spricht manches dafür, dass der auf der Webseite der Agentur ausgesprochene Nutzungsvorbehalt durch eine hierzu berechtigte Person ausgesprochen wurde und der Kläger sich hierauf auch zum Schutz seiner eigenen Rechte berufen kann.

Nach dem Wortlaut des § 44b Abs. 3 UrhG kann "der Rechtsinhaber" den Nutzungsvorbehalt aussprechen. Zu beachten sind also nicht allein Vorbehaltserklärungen des Urhebers selbst, sondern auch nachfolgender Rechteinhaber, seien sie Rechtsnachfolger oder Inhaber von vom Urheber abgeleiteten Rechten. Nach dem ohne Weiteres schlüssigen Vortrag des Klägers (Protokoll v. 11.07.2024 S. 3, Bl. 122 d.A.) hatte er der Bildagentur ... weiterlizenzierbare einfache Nutzungsrechte an dem Originalbild eingeräumt. Die Bildagentur war danach selbst Rechteinhaberin an den auf ihrer Seite eingestellten Bildern und konnte daher ohne Weiteres einen Nutzungsvorbehalt nach § 44b Abs. 3 UrhG aussprechen; dass insofern dinglich wirkende Vereinbarungen im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Bildagentur entgegengestanden hätten, ist weder ersichtlich noch geltend gemacht worden.

Der Kläger ist wohl auch berechtigt, sich auf diese Vorbehaltserklärung seiner Lizenznehmerin zu berufen. Wirtschaftlich betrachtet fand hier die Auswertung des streitgegenständlichen Originalfotos über die Agentur statt. Damit lag in der Praxis die konkrete Entscheidung, welcher Dritte die Berechtigung zu welcher Nutzung erhalten sollte, bei der Agentur; Abschlusszwang bestand für diese nicht. In einer solchen Situation spricht aus Sicht der Kammer vieles dafür, dass sich der Urheber bei der Geltendmachung bei ihm verbliebener Verbietungsrechte auf einen von seinem Lizenznehmer erklärten Vorbehalt nach § 44b Abs. 3 UrhG berufen darf.

(2) Auch der Einwand des Beklagten, dass das in den AGB der Agentur gegenüber deren Kunden ausgesprochene Nutzungsverbot für Webcrawler schon in zeitlicher Hinsicht nicht "in Bezug auf § 44b Abs. 3 UrhG" formuliert sein könne, ist unerheblich. Für die Rechtswirkungen der Erklärung ist es keine Voraussetzung, dass sie bewusst mit Blick auf eine bestimmte Gesetzesfassung erklärt wird.

(3) Der Vorbehalt ist auch hinreichend klar formuliert. Art. 4 Abs. 3 DSM-RL verlangt eine ausdrückliche Erklärung des Nutzungsvorbehalts. Dieses Ausdrücklichkeitserfordernis ist mithin bei richtlinienkonformer Auslegung des § 44b Abs. 3 UrhG mitzuberücksichtigen (so auch Begr. RegE BT-Drs. 19/27426, 89). Der erklärte Vorbehalt muss damit sowohl expressis verbis (nicht konkludent) als auch so zielgenau (konkret-individuell) erklärt werden, dass er zweifelsfrei einen bestimmten Inhalt und eine bestimmte Nutzung erfasst (Hamann, ZGE 16 (2024), S. 134). Diesen Anforderungen genügt der auf der Webseite der Bildagentur ... formulierte Nutzungsvorbehalt ohne Weiteres.

Soweit darüber hinaus argumentiert wird, dass ein für sämtliche auf einer Webseite eingestellte Werke erklärter Nutzungsvorbehalt dem Ausdrücklichkeitserfordernis des § 44b Abs. 3 UrhG widerspreche (so in Erweiterung der eigenen abstrakten Herleitung Hamann, a.a.O., S. 148), vermag dies nicht zu überzeugen. Denn auch der explizit für sämtliche auf einer Webseite eingestellte Werke erklärte Vorbehalt ist in seiner Reichweite und seinem Inhalt nach zweifelsfrei bestimmbar und damit ausdrücklich erklärt.

(4) Schließlich dürfte auch Einiges dafür sprechen, dass der Nutzungsvorbehalt den Anforderungen an eine Maschinenlesbarkeit i.S.d. § 40b Abs. 3 S. 2 UrhG genügt.

Dabei wird man zwar den Begriff der Maschinenlesbarkeit im Hinblick auf den ihm zugrunde liegenden gesetzgeberischen Willen, eine automatisierte Abfrage durch Webcrawler zu ermöglichen (vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 19/27426, S. 89), durchaus im Sinne einer "Maschinenverständlichkeit" auszulegen haben (eingehend zum Meinungsstand Hamann, a.a.O., S. 113, 128 ff.).

Die Kammer neigt allerdings dazu, als "maschinenverständlich" auch einen allein in "natürlicher Sprache" verfassten Nutzungsvorbehalt anzusehen (anders als die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum, s. Hamann, a.a.O., S. 131 ff., 146 ff. m.w.N. zum Meinungsstand, wobei dort auf einen Beitrag der hiesigen Beklagtenvertreter, nämlich auf Akinci/Heidrich, IPRB 2023, 270, 272 verwiesen wird, die offenbar ebenfalls die Auffassung der Kammer vertreten; der Beitrag war der Kammer allerdings bis zur Urteilsabfassung nicht unmittelbar zugänglich). Allerdings wird man die Frage, ob und unter welchen konkreten Voraussetzungen ein in "natürlicher Sprache" erklärter Vorbehalt auch als "maschinenverständlich" angesehen werden kann, stets in Abhängigkeit von der zum jeweils relevanten Werknutzungszeitpunkt bestehenden technischen Entwicklung beantworten müssen.

Dementsprechend hat auch der europäische Gesetzgeber im Rahmen der KI-Verordnung festgelegt, dass Anbieter von KI-Modellen eine Strategie insbesondere zur Ermittlung und Einhaltung eines gemäß Art. 4 Abs. 3 DSM-RL geltend gemachten Rechtsvorbehalts "auch durch modernste Technologien" vorzuhalten haben (Art. 53 Abs. 1 lit. c KI-Verordnung). Zu diesen "modernsten Technologien" gehören aber unzweideutig gerade auch KI-Anwendungen, die in der Lage sind, in natürlicher Sprache geschriebenen Text inhaltlich zu erfassen (so offenbar insbesondere auch die hiesigen Beklagtenvertreter Akinci/Heidrich in dem der Kammer nicht unmittelbar zugänglichen Beitrag IPRB 2023, 270, 272, hier zit. nach Hamann, a.a.O. S. 148, dieser im Übrigen diese Möglichkeit in technischer Hinsicht grds. bejahend, a.a.O.). Es spricht insoweit alles dafür, dass der Gesetzgeber der KI-Verordnung mit seinem Hinweis auf "modernsten Technologien" gerade solche KI-Anwendungen im Blick hatte.

Gegen eine solche Sichtweise wird teilweise eingewandt, sie führe zu einem Zirkelschluss: Wenn gefordert werde, der Betreiber des Text und Data Mining müsse mittels KI-Anwendungen überprüfen, ob ein Nutzungsvorbehalt erklärt worden sei, dann erfordere doch diese KI-gestützte Suche ihrerseits eine Musteranalyse, die bereits den Tatbestand des Text und Data Mining i.S.d. § 44b Abs. 1 UrhG erfülle; mit anderen Worten: Erst die Anwendung der Schranke entscheide über die Zulässigkeit ihrer Anwendung (so Hamann, a.a.O., S. 148). Die Kammer teilt diese Bewertung nicht: Die urheberrechtlich relevante, rechtfertigungsbedürftige Nutzungshandlung ist entgegen vorgenannter Ansicht nicht die Durchführung einer "Musteranalyse" als solche, sondern die Vervielfältigung des urheberrechtlich geschützten Werks i.S.d. § 16 UrhG. Dass das vorausgehende Auffinden solcher Werke im Netz und deren Überprüfung, ob Vorbehalte i.S.d. § 44b Abs. 3 S. 2 UrhG erklärt sind, zwingend ein quasi vorgeschaltetes weiteres Text und Data Mining i.S.v. § 44b Abs. 1 UrhG erfordere, erscheint nicht als zwingend, denn zu denken ist insbesondere an Prozessierungen des Webseiteninhalts durch den Einsatz von Webcrawlern, bei denen lediglich flüchtige und beiläufige Vervielfältigungen entstehen, die ihrerseits bereits unter § 44a UrhG gerechtfertigt sind.

Ferner wird gegen das von der Kammer erwogene, weitere Verständnis des Begriffes der "Maschinenlesbarkeit" auch eingewandt, dieser Begriff werde vom europäischen Gesetzgeber in anderem Zusammenhang enger verstanden. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf den Erwägungsgrund 35 der PSI-Richtlinie (RL (EU) 2019/1024), der für eine "Maschinenlesbarkeit" im Sinne dieser Richtlinie u.a. eine "einfache" Erkennbarkeit verlange (so BeckOK UrhR/Bomhard, 42. Ed. 15.2.2024, UrhG § 44b Rn. 31 m.w.N.); dies könne für einen nur in natürlicher Sprache formulierten Vorbehalt nicht angenommen werden. Eine solche Argumentation setzt allerdings voraus, dass die Begrifflichkeiten beider Richtlinien in gleicher Weise verstanden werden müssen. Die Kammer hat Zweifel, ob eine solche Gleichsetzung der Begrifflichkeiten überzeugen kann, denn die Richtlinien haben unterschiedliche Zielrichtungen: Während die PSI-Richtlinie den rein einseitigen Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen bzw. die rein einseitige Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Veröffentlichung bestimmter Informationen zum Gegenstand hat, geht es im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 DSM-RL um einen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer des Text und Data Mining (dieses möglichst einfach und möglichst rechtssicher betreiben zu können) und den Interessen der Rechteinhaber (ihre Rechte möglichst einfach und möglichst effektiv zu sichern). Dieser Interessenausgleich kann nach Auffassung der Kammer nicht einseitig zugunsten der Nutzer des Text und Data Mining gelöst werden, indem allein die für diese denkbar einfachste technische Lösung als ausreichend für die Wirksamkeit eines ausgesprochenen Nutzungsvorbehalts erachtet wird. Gegen ein solches Verständnis spräche auch die Wertung des Gesetzgebers der DSM-RL, der im Erwägungsgrund 18 gerade nicht die Erklärung eines Vorbehalts "in möglichst einfach auszulesender Weise" fordert, sondern lediglich "in angemessener Weise". Und auch der deutsche Umsetzungsgesetzgeber verlangt lediglich eine Erklärung in einer Weise, die "den automatisierten Abläufen beim Text und Data Mining angemessen" ist (Begr. RegE BT-Drucks. 19/27426, S. 89).

Es wäre zudem aus Sicht der Kammer ein gewisser Wertungswiderspruch, den Anbietern von KI-Modellen einerseits über die Schranke in § 44b Abs. 2 UrhG die Entwicklung immer leistungsfähigerer textverstehender und -kreierender KI-Modelle zu ermöglichen, ihnen aber andererseits im Rahmen der Schranken-Schranke von § 44b Abs. 3 S. 2 UrhG die Anwendung bereits bestehender KI-Modelle nicht abzuverlangen.

Ob und in welchem Maße zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Vervielfältigungshandlung im Jahr 2021 eine ausreichende Technologie zur automatisierten inhaltlichen Erfassung des streitgegenständlichen Nutzungsvorbehalts bereits zur Verfügung stand, ist zwar klägerseits bislang nicht dargetan; der Kläger hat insoweit nur auf im Jahr 2023 verfügbare Dienste verwiesen (Replik S. 14 ff., Bl. 48 ff. d.A.). Allerdings bestehen Anzeichen dafür, dass der Beklagte bereits über geeignete Technologie verfügte. Denn nach eigenem Vortrag des Beklagten erforderte die im Rahmen der Erstellung des Datensatzes ... durchgeführte Analyse in Form eines Abgleichs von Bildinhalten mit vorbestehenden Bildbeschreibungen ersichtlich auch und gerade eine inhaltliche Erfassung dieser Bildbeschreibungen durch die eingesetzte Software. Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass – insbesondere auch dem Beklagten – bereits im Jahr 2021 Systeme zur Verfügung standen, die in der Lage waren, einen in natürlicher Sprache formulierten Nutzungsvorbehalt in automatisierter Weise zu erfassen.

3. Der Beklagte kann sich hinsichtlich der streitgegenständlichen Vervielfältigung jedoch auf die Schrankenregelung des § 60d UrhG berufen.

Danach sind Vervielfältigungen für Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung durch Forschungsorganisationen zulässig.

a) Die Vervielfältigung erfolgte – wie dargelegt – für den Zweck des Text und Data Mining i.S.d. § 44b Abs. 1 UrhG. Sie erfolgte darüber hinaus auch zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung i.S.d. § 60d Abs. 1 UrhG.

Wissenschaftliche Forschung bezeichnet allgemein das methodisch-systematische Streben nach neuen Erkenntnissen (Spindler/Schuster/Anton, 4. Aufl. 2019, UrhG § 60c Rn. 3; BeckOK UrhR/Grübler, 42. Ed. 1.5.2024, UrhG § 60c Rn. 5; Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 60c Rn. 1). Der Begriff der wissenschaftlichen Forschung ist, indem er bereits das methodisch-systematische "Streben" nach neuen Erkenntnissen ausreichen lässt, nicht so eng zu verstehen, dass er nur die unmittelbar mit der Gewinnung von Erkenntnisgewinn verbundenen Arbeitsschritte erfassen würde; vielmehr genügt es, dass der in Rede stehende Arbeitsschritt auf einen (späteren) Erkenntnisgewinn gerichtet ist, wie es z.B. bei zahlreichen Datensammlungen der Fall ist, die zunächst durchgeführt werden müssen, um anschließend empirische Schlussfolgerungen zu ziehen. Insbesondere setzt der Begriff der wissenschaftlichen Forschung auch keinen späteren Forschungserfolg voraus.

Danach kann – entgegen der Auffassung des Klägers – auch bereits die Erstellung eines Datensatzes der streitgegenständlichen Art, der Grundlage für das Trainieren von KI-Systemen sein kann, durchaus als wissenschaftliche Forschung im vorstehenden Sinne anzusehen sein. Zwar mag die Erstellung des Datensatzes als solche noch nicht mit einem Erkenntnisgewinn verbunden sein; sie ist aber grundlegender Arbeitsschritt mit dem Ziel, den Datensatz zum Zwecke späteren Erkenntnisgewinns einzusetzen. Dass eine solche Zielsetzung auch im vorliegenden Fall bestand, kann bejaht werden. Dafür genügt es, dass der Datensatz – unstreitig – kostenfrei veröffentlicht und damit gerade (auch) auf dem Gebiet künstlicher neuronaler Netze Forschenden zur Verfügung gestellt wurde. Ob der Datensatz – wie es der Kläger hinsichtlich der Dienste ... und ... behauptet – daneben auch von kommerziellen Unternehmen zum Training bzw. zur Weiterentwicklung ihrer KI-Systeme genutzt wird, ist schon deshalb unerheblich, weil auch die Forschung kommerzieller Unternehmen noch Forschung – wenn auch nicht als solche nach §§ 60c f. UrhG privilegiert – ist.

Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Beklagte über die Erstellung entsprechender Datensätze hinaus auch wissenschaftliche Forschung in Gestalt der Entwicklung eigener KI-Modelle tätigt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

b) Der Beklagte verfolgt auch nicht kommerzielle Zwecke i.S.d. § 60d Abs. 2 Nr. 1 UrhG.

Für die Frage, ob Forschung nicht kommerziell ist, kommt es allein auf die konkrete Art der wissenschaftlichen Tätigkeit an, während Organisation und Finanzierung der Einrichtung, in der die Forschung erfolgt, unbeachtlich sind (ErwGr 42 InfoSoc-Rl).

Die nicht-kommerzielle Zweckverfolgung des Beklagten in Bezug auf die streitgegenständliche Erstellung des Datensatzes ... ergibt sich dabei bereits daraus, dass der Beklagte diesen unstreitig kostenfrei öffentlich zur Verfügung stellt. Dass die Entwicklung des streitgegenständlichen Datensatzes darüber hinaus zumindest auch der Entwicklung eines eigenen kommerziellen Angebots des Beklagten dienen würde (vgl. zu diesem Kriterium BeckOK IT-Recht/Paul, 14. Ed. 1.4.2024, UrhG § 60d Rn. 10), ist weder klägerseits vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der streitgegenständliche Datensatz auch von kommerziell tätigen Unternehmen zum Training bzw. zur Weiterentwicklung ihrer KI-Systeme genutzt werden mag, ist für die Einordnung der Tätigkeit des Beklagten hingegen ohne Relevanz. Allein der Umstand, dass einzelne Mitglieder des Beklagten neben ihrer Tätigkeit für den Verein auch bezahlten Tätigkeiten bei solchen Unternehmen nachgehen, genügt nicht, die Tätigkeit dieser Unternehmen dem Beklagten als eigene zuzurechnen.

c) Dem Beklagten ist eine Berufung auf die Schrankenregelung des § 60d UrhG auch nicht nach Abs. 2 S. 3 der Vorschrift verwehrt.

Danach können sich Forschungsorganisationen, die mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeiten, das einen bestimmenden Einfluss auf die Forschungsorganisation und einen bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung hat, nicht auf die Schrankenregelung des § 60d UrhG berufen. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenausschlusses nach § 60d Abs. 2 S. 3 UrhG obliegt dabei nach dem Wortlaut der Norm dem Kläger.

(1) Soweit der Kläger mit der Replik zunächst darauf verwiesen hat, dass das Unternehmen ... über die Finanzierung des gegenständlichen Datasets und die Besetzung "relevanter Posten" beim Beklagten durch eigene Mitarbeiter unmittelbaren Einfluss auf den Beklagten habe (Replik S. 18, Bl. 52 d.A.), so entbehrt dieser Vortrag der Substanz.

Der Kläger verweist insoweit lediglich darauf, dass einer der Mitbegründer des Beklagten, Herr ..., bei ... als "Head of Machine Learning Operations" angestellt sei, ferner ein Mitglied des Beklagten, Herr ..., ebendort als "Research Scientist" (Replik S. 4 f., Bl. 38 f. d.A.). Allein diese Tätigkeit von zwei Vereinsmitgliedern für das Unternehmen ... belegt aber keinen bestimmenden Einfluss dieses Unternehmens auf die Forschungsarbeit des Beklagten.

Davon abgesehen hat der Kläger noch nicht einmal behauptet, dass der Beklagte dem Unternehmen ... auch bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen seiner wissenschaftlichen Forschung, namentlich dem streitgegenständlichen Datensatz, gewährt habe. Vielmehr wird insoweit nur vorgetragen, dass ... seinen Dienst ... mithilfe des streitgegenständlichen Datensatzes trainiert habe (Replik S. 8 f., Bl. 42 f. d.A.).

(2) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 03.07.2024 auf einen im Jahr 2021 erfolgten Chat auf der Plattform ... verweist, wonach sich der Mitbegründer des Beklagten, Herr ..., dazu bereit erklärt haben soll, dem Unternehmen ... aufgrund eines von diesem geleisteten Finanzierungsbeitrags von 5.000,- $ einen vorzeitigen Zugang zu dem (damaligen kleineren) Datensatz zu gewähren, erfüllt auch dieser Vortrag nicht den Ausnahmetatbestand in § 60d Abs. 2 S. 3 UrhG.

Dabei kann dahinstehen, ob dieser – von dem Beklagten als solcher nicht bestrittene (vgl. Schriftsatz vom 09.07.2024 S. 3, Bl. 112 d.A.) – Chatverlauf die vom Kläger gezogene Interpretation überhaupt trägt. Gleichfalls kann dahinstehen, ob die Erklärung einer solchen Bereitschaft zur Gewährung eines vorzeitigen Zugangs – ob dieser tatsächlich gewährt wurde, hat der Kläger nicht vorgetragen – für das Innehaben eines bevorzugten Zugangs zu den Forschungsergebnissen i.S.d. § 60d Abs. 2 S. 2 UrhG ausreichen kann.

Denn es ist jedenfalls weder klägerseits dargetan noch sonst ersichtlich, dass das Unternehmen ... einen bestimmenden Einfluss auf den Beklagten hätte. Soweit überhaupt personelle Verflechtungen zwischen dem Beklagten und Unternehmen der KI-Branche dargetan sind, handelt es sich um die Unternehmen ... und ... (Replik S. 4 ff., Bl. 38 ff. d.A.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: EU-Mitgliedstaaten müssen Designklassikern die als Werk der angewandten Kunst gelten unabhängig von der Herkunft urhberrechtlichen Schutz gewähren

EuGH
Urteil vom 24.10.2024
C-227/23
Kwantum Nederland BV, Kwantum België BV gegen Vitra Collections AG


Der EuGH hat entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten Designklassikern, die als Werk der angewandten Kunst gelten, unabhängig von der Herkunft urhberrechtlichen Schutz gewähren müssen.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Geistiges Eigentum: Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Kunstwerke im Gebiet der Union zu schützen – unabhängig vom Ursprungsland dieser Werke oder der Staatsangehörigkeit ihres Urhebers

Vitra, eine schweizerische Gesellschaft, die Designermöbel herstellt, ist Inhaberin von Rechten des geistigen Eigentums an Stühlen, die von den inzwischen verstorbenen Eheleuten Charles und Ray Eames, Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika, entworfen wurden. Unter diesen Möbeln befindet sich u. a. der Dining Sidechair Wood, der im Rahmen eines vom Museum of Modern Art in New York (Vereinigte Staaten) ausgeschriebenen Wettbewerbs für Möbeldesign geschaffen und ab dem Jahr 1950 in diesem Museum ausgestellt wurde.

Die Gesellschaft Kwantum, die in den Niederlanden und in Belgien eine Kette von Geschäften für Innenmobiliar betreibt, vermarktete einen Stuhl mit der Bezeichnung „Paris-Stuhl“ und missachtete dabei vorgeblich Urheberrechte von Vitra am Dining Sidechair Wood. Vitra rief die niederländischen Gerichte an, um u. a. die Unterlassung dieser Vermarktung zu erreichen. Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof der Niederlande beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zum Schutz nach der Richtlinie 2001/291 , Art. 17 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen vorzulegen, der in der Union einem Werk der angewandten Kunst, das aus einem Drittstaat stammt und dessen Urheber nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, zugutekommen kann.

Im Völkerrecht sieht die Berner Übereinkunft2 vor, dass Urheber, die Staatsangehörige der Unterzeichnerländer sind, in den anderen Unterzeichnerländern grundsätzlich die gleichen Rechte genießen wie inländische Urheber. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz betrifft jedoch den Schutz von Werken der angewandten Kunst. Insoweit haben die Vertragsparteien eine Klausel der materiellen Gegenseitigkeit geschaffen, nach der Werke der angewandten Kunst mit Ursprung in Ländern, in denen solche Werke nur als Muster oder Modelle geschützt werden, in den anderen Unterzeichnerländern keinen Anspruch auf Kumulierung dieses Schutzes mit dem Urheberrechtsschutz haben.

Insofern möchte der Oberste Gerichtshof der Niederlande mit seiner dem Gerichtshof vorgelegten Frage wissen, ob es den Mitgliedstaaten noch freisteht, die in der Berner Übereinkunft enthaltene Klausel der materiellen Gegenseitigkeit auf Werke der angewandten Kunst mit Ursprung in Drittstaaten anzuwenden, die diese Werke lediglich aufgrund einer besonderen Regelung schützen, auch wenn der Unionsgesetzgeber eine solche Einschränkung nicht vorgesehen hat.

In seinem Urteil verneint der Gerichtshof dies: Im Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/29 sind die Mitgliedstaaten nicht mehr für die Umsetzung der einschlägigen Vorschriften der Berner Übereinkunft zuständig.

Hierzu weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass eine Situation, in der eine Gesellschaft urheberrechtlichen Schutz eines in einem Mitgliedstaat vermarkteten Gegenstands der angewandten Kunst beansprucht, in den ateriellen Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, sofern dieser Gegenstand als „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden kann.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass dieser Richtlinie zwangsläufig sämtliche Werke berücksichtigt hat, deren Schutz im Gebiet der Union begehrt wird, und dass die Richtlinie im Übrigen kein Kriterium hinsichtlich des Ursprungslandes dieser Werke oder der Staatsangehörigkeit ihres Urhebers enthält. Der Gerichtshof führt weiter aus, dass die Anwendung der in der Berner Übereinkunft enthaltenen Klausel der materiellen Gegenseitigkeit das Ziel der Richtlinie 2001/29, das in der Harmonisierung des Urheberrechts im Binnenmarkt liegt, untergraben würde, da durch die Anwendung dieser Klausel Werke der angewandten Kunst mit Ursprung in Drittstaaten in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt werden könnten.

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass, da die in Rede stehenden Rechte des geistigen Eigentums durch Art. 17 Abs. 2 der Charta geschützt sind, jede Einschränkung dieser Rechte gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen sein muss. Es ist aber allein Sache des Unionsgesetzgebers, zu bestimmen, ob die Zuerkennung der in der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Rechte in der Union einzuschränken ist.

Unter diesen Umständen kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf die Berner Übereinkunft berufen, um von den Verpflichtungen aus der Richtlinie freigestellt zu werden.

Ein Mitgliedstaat kann daher nicht abweichend von den Bestimmungen des Unionsrechts die in der Berner Übereinkunft enthaltene Klausel der materiellen Gegenseitigkeit auf ein Werk anwenden, dessen Ursprungsland die Vereinigten Staaten von Amerika sind.


Tenor der Entscheidung:
1.Eine Situation, in der eine Gesellschaft urheberrechtlichen Schutz eines in einem Mitgliedstaat vermarkteten Gegenstands der angewandten Kunst beansprucht, fällt in den materiellen Anwendungsbereich des Unionsrechts, sofern dieser Gegenstand als „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft eingestuft werden kann.

2. Art. 2 Buchst. a und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts den Mitgliedstaaten verwehren, das in Art. 2 Abs. 7 Satz 2 der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der Fassung der Änderung vom 28. September 1979 vorgesehene Kriterium der materiellen Gegenseitigkeit im nationalen Recht auf ein Werk der angewandten Kunst anzuwenden, dessen Ursprungsland ein Drittstaat und dessen Urheber ein Drittstaatsangehöriger ist. Es ist allein Sache des Unionsgesetzgebers, gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte durch Rechtsvorschriften der Union vorzusehen, ob die Zuerkennung der in Art. 2 Buchst. a und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Rechte in der Union einzuschränken ist.

3. Art. 351 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, abweichend von den Bestimmungen des Unionsrechts das in Art. 2 Abs. 7 Satz 2 der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der Fassung der Änderung vom 28. September 1979 enthaltene Kriterium der materiellen Gegenseitigkeit auf ein Werk anzuwenden, dessen Ursprungsland die Vereinigten Staaten von Amerika sind.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Aufnahmen aus der Luft per Drohne sind nicht von der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG gedeckt

BGH
Urteil vom 23.10.2024
I ZR 67/23


Der BGH hat entschieden, dass Aufnahmen aus der Luft per Drohne nicht von der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG gedeckt sind.

Die Pressmeiteilung des BGH:
Urheberrechtliche Unzulässigkeit von Luftbildaufnahmen mittels einer Drohne

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass unter Zuhilfenahme einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken nicht der Panoramafreiheit unterfallen.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte und Ansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im visuellen Bereich wahrnimmt. Die Beklagte betreibt einen Buchverlag, in dem sie Führer zu Halden des Ruhrgebiets veröffentlicht. Darin enthalten sind mittels einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen verschiedener Kunstinstallationen auf Bergehalden. Die Schöpfer dieser Installationen haben Wahrnehmungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Publikationen der Beklagten verletzten die an den Installationen bestehenden Urheberrechte, weil die Luftbildaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit gedeckt seien. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den zu zahlenden Schadensersatz herabgesetzt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat durch die Abbildung der als urheberrechtliche Werke geschützten Kunstinstallationen in das den Urhebern zustehende Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung der Werke eingegriffen. Die Vervielfältigung und Verbreitung von mit Hilfe einer Drohne angefertigten Luftaufnahmen sind keine nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG erlaubten Nutzungen der dargestellten Werke. Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG geregelte Panoramafreiheit bezweckt die Freistellung der Nutzung von Werken, wenn und soweit sie Teil des von der Allgemeinheit wahrnehmbaren Straßen- oder Landschaftsbildes sind. Die bei der Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG vor seinem unionsrechtlichen Hintergrund vorzunehmende Abwägung zwischen der Informations- und Kommunikationsfreiheit der Werknutzer mit dem berechtigten Interesse der Urheber, an der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke tunlichst angemessen beteiligt zu werden, geht im Falle der Nutzung von mit Hilfe von Drohnen aus der Luft angefertigten Lichtbildern in Buchveröffentlichungen zugunsten des Interesses der Urheber der fotografierten Werke aus. Diese Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG schöpft in zulässiger Weise den bei Anwendung der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. h der Richtlinie 2001/29/EG bestehenden Spielraum aus.

Vorinstanzen:

LG Bochum - Urteil vom 18. November 2021 - I-8 O 97/21

OLG Hamm - Urteil vom 27. April 2023 - I-4 U 247/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: [...]

4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; [...]

§ 16 UrhG

(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. [...]

§ 17 UrhG

(1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. [...]

§ 59 UrhG

(1) Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. [...]

§ 97 UrhG

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. [...]

Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

(...)

(3) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 [Anm.: Vervielfältigungsrecht] und 3 [Anm.: Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken] vorgesehenen Rechte vorsehen: (...)

h) für die Nutzung von Werken wie Werken der Baukunst oder Plastiken, die dazu angefertigt wurden, sich bleibend an öffentlichen Orten zu befinden; (...)

(4) Wenn die Mitgliedstaaten gemäß Absatz 2 oder 3 eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht vorsehen können, können sie entsprechend auch eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Verbreitungsrecht im Sinne von Artikel 4 zulassen, soweit diese Ausnahme durch den Zweck der erlaubten Vervielfältigung gerechtfertigt ist.

(5) Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.

EuGH zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen - Vertrieb von Cheat-Software/-Hardware zulässig sofen keine unzulässige Vervielfältigung ermöglicht wird

EuGH
Urteil vom 17.10.2024
C-159/23
Sony Computer Entertainment Europe ./. Datel Design and Development Ltd, Datel Direct Ltd, JS


Der EuGH hat sich zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen geäußert und entschieden, dass der Vertrieb von Cheat-Software/-Hardware zulässig ist, sofen durch die Produkte keine unzulässigen Vervielfältigungen der Software erstellt werden können.

Tenor der Entscheidung:
Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ist dahin auszulegen, dass der durch diese Richtlinie gewährte Schutz nicht den Inhalt von variablen Daten erfasst, die ein geschütztes Computerprogramm im Arbeitsspeicher eines Computers angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet, soweit dieser Inhalt nicht die Vervielfältigung oder spätere Entstehung eines solchen Programms ermöglicht.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen erlaubt es dem Schutzberechtigten nicht, einem Dritten den Vertrieb einer Software zu untersagen, die nur den Inhalt von vorübergehend im Arbeitsspeicher einer Spielkonsole angelegten Variablen verändert

Sony vertreibt PlayStation-Videospielkonsolen und Spiele für diese Konsolen. Bis zum Jahr 2014 bot sie u. a. die Konsole PlayStationPortable und das Spiel „MotorStorm: Arctic Edge“ zum Kauf an.

Sony verklagte vor deutschen Gerichten das Unternehmen Datel, das Software und ein Gerät anbietet , die mit dieser PlayStation kompatibel sind und dem Benutzer in einer bestimmten Phase des Spiels von Sony nicht vorgesehene Spieloptionen bieten. Sony ist der Ansicht, dass die ihrem Spiel zugrunde liegende Software mit diesen Produkten von Datel umgearbeitet und so ihr ausschließliches Recht verletzt werde, derartige Umarbeitungen zu gestatten. Sie beantragte daher bei den deutschen Gerichten, Datel den Vertrieb der fraglichen Produkte zu untersagen und Datel zum Ersatz des Schadens, der ihr entstanden sein soll, zu verurteilen.

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ersucht.

Der BGH weist darauf hin, dass die Software von Datel vom Benutzer auf der PlayStation installiert werde und gleichzeitig mit der Spielsoftware ablaufe. Sie verändere oder vervielfältige weder den Objekt- noch den Quellcode noch die innere Struktur und Organisation der Software von Sony. Sie beschränke sich darauf, den Inhalt von Variablen, die die Computerspiele von Sony vorübergehend im Arbeitsspeicher der Konsole angelegt hätten und während des Ablaufs des Spiels verwendeten, zu verändern. Das Spiel laufe so auf Basis dieses veränderten Inhalts der Variablen ab.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass der durch die Richtlinie spezifisch gewährte Schutz nicht den Inhalt von variablen Daten erfasst, die ein Computerprogramm im Arbeitsspeicher eines Computers angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet, soweit dieser Inhalt nicht die Vervielfältigung oder spätere Entstehung eines solchen Programms ermöglicht. Die Richtlinie schützt nämlich nur die geistige Schöpfung, wie sie sich im Text des Quellcodes und des Objektcodes des Computerprogramms widerspiegelt. Hingegen schützt sie nicht die Funktionalitäten des Programms und auch nicht die Elemente, mittels deren die Benutzer solche Funktionalitäten nutzen, wenn diese keine Vervielfältigung oder spätere Entstehung dieses Programms ermöglichen.


Den Volltext der Entscheidung finden SIe hier: