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OLG Frankfurt: Kein Nachvergütungsanspruch gemäß § 32a UrhG für Urheber der Abbildung des europäischen Kontinents auf Euro-Banknoten

OLG Frankfurt
Urteil vom 29.2.2024
11 U 83/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass dem Urheber der Abbildung des europäischen Kontinents, der sich auf den Euro-Banknoten befindet, kein Nachvergütungsanspruch gemäß § 32a UrhG zusteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Klage abgewiesen - Kein Nachvergütungsanspruch wegen Darstellung der europäischen Landmasse auf den Euro-Banknoten

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung sog. Nachvergütungsansprüche wegen der Darstellung der europäischen Landmasse auf den Euro-Banknoten zurückgewiesen. Die Darstellung der europäischen Landmasse fußt auf einer von der Firma des Klägers lizenzierten Foto-Kollage aus zahlreichen Satellitenbildern. Die vom Kläger begehrte Beteiligung an den der Beklagten jährlich zugewiesenen so genannten Seigniorage-Einkünften scheidet nach Auffassung des OLG bereits deshalb aus, da diese Einkünfte nicht „aus der Nutzung des Werks“, sondern unabhängig von der optischen Gestaltung der Banknoten entstehen.

Der Kläger begehrt Nachvergütung wegen der Abbildung der europäischen Landmasse auf den Euro-Banknoten der ersten (2002) und der zweiten Serie (2019).

Die beklagte EZB ist allein berechtigt, Euro-Banknoten zu genehmigen und sie gemeinsam mit den nationalen Notenbanken auszugeben. Die Gestaltung der Euro-Banknoten war das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, der mit einem Gestaltungswettbewerb begonnen hatte. Diesen hatte ein österreichischer Designer gewonnen. Seine Entwürfe sahen als eines der Gestaltungselemente eine Abbildung der europäischen Landmasse vor. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten beauftragte die vom Kläger geführte Firma, ihr dafür eine „satellite projection of Europe“ herzustellen und die Rechte an der Nutzung dieser Abbildung für damals 25.000 österreichische Schillinge zu übertragen.

Der Kläger behauptet, er selbst habe auftragsgemäß die streitgegenständliche Bilddatei aus einer Vielzahl von Satellitenbildern als Foto-Collage zusammengesetzt und bearbeitet. Er errechnet sich einen Nachvergütungsanspruch für die überlassene Bilddatei u.a. auf Basis der sog. Seigniorage-Einkünfte. Diese werden der Beklagten jährlich in Höhe von 8% des Werts aller im Euro-Währungsgebiet umlaufenden Geldscheine zugewiesen. Im Wege der Teilklage begehrt er Zahlung von 25.000,00 €. Widerklagend hat die Beklagte beantragt feststellen, dass dem Kläger kein weiterer Anspruch in Höhe von rund 5,5 Mio. € zustehe.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

Mit der Berufung verfolgte der Kläger erfolglos seinen Zahlungsanspruch in Höhe von 25.000 € weiter. Der für Urheberrecht zuständige 11. Zivilsenat kommt zu dem Ergebnis, dass dem Kläger auch bei einer zu seinen Gunsten unterstellten Urheberschaft an der Datei und der Annahme eines urheberrechtsschutzfähigen Werks kein Nachvergütungsanspruch zusteht. Der urheberrechtliche Nachvergütungsanspruch solle sicherstellen, dass der Schöpfer eines Werkes angemessen an der wirtschaftlichen Werknutzung beteiligt werde. Der Anspruch beziehe sich auf die Erträge und Vorteile „aus der Nutzung des Werkes“. Die vom Kläger angeführten Seigniorage-Einkünfte seien keine derartige wirtschaftliche Nutzung des vom Kläger reklamierten Werks. Sie entstünden ohne jede wirtschaftliche Verwertungshandlung des Werks allein aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für die Geldpolitik. „Der Wert der Banknoten - und damit verbunden die Höhe der Seigniorage-Einkünfte - bestimmt sich allein nach ihrem zahlenmäßigen Aufdruck/der Stückelung. Ihre optische Gestaltung wirkt sich weder auf den aufgedruckten Wert noch den Umfang des Umlaufvermögens aus“, vertieft das OLG. Der Umfang des umlaufenden Barvermögens werde rein ökonomisch ermittelt. Auch ohne Verwendung einer Abbildung der Landmasse Europas auf den Banknoten wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, Banknoten im jeweils erforderlichen Umfang und den erforderlichen Größen zu genehmigen und auszugeben. Sie hätte in diesem Fall Seigniorage-Einkünfte in identischer Höhe erhalten.

Darüber hinaus seien die geldwerten Vorteile der Beklagten auch deshalb nicht „aus der Nutzung des Werkes“ entstanden, da die auf den Banknoten dargestellte europäische Landmasse als so genannte freie Benutzung anzusehen sei. Die eigentümlichen Bestandteile des Werkes des Klägers, das sich u.a. durch eine naturgetreue und in den Farben an der Farbskala eines Atlasses orientierten Darstellung auszeichne, träten hinter die eigenschöpferischen Veränderungen der Beklagten zurück. Prägend für die Banknoten sei insbesondere die einheitliche, an der Stückelungsgröße orientierte farbliche Gestaltung. „Der Betrachter nimmt keine naturgetreue Abbildung Europas war, sondern ein grafisches Element mit den Umrissen Europas“, begründet der Senat weiter.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.2.2024, Az. 11 U 83/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.5.2024, Az. 2-06 52/21)

Erläuterungen
§ 32a UrhG Weitere Beteiligung des Urhebers
Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung sich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes erweist, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.



LG Frankfurt: Kunstfreiheit kann Aufgreifen charakteristischer Merkmale markenrechtlich geschützter weltweit bekannter Luxushandtaschen durch fremdes Modelabel rechtfertigen

LG Frankfurt
Beschluss vom 19.09.2023 - 2-06 O 532/23
und
Beschluss vom 19.09.2023 - 2-06 O 533/23

Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Kunstfreiheit das Aufgreifen charakteristischer Merkmale markenrechtlich geschützter und weltweit bekannter Luxushandtaschen durch ein fremdes Modelabel rechtfertigen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kunstfreiheit zieht - Markenrechtlicher Schutz von Luxus-Handtaschen
Eine für das Markenrecht zuständige Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat Eilanträge der Herstellerin einer markenrechtlich geschützten und weltweit bekannten Luxus-Handtasche zurückgewiesen.

Ein Berliner Modelabel stellt unter anderem Kleider, Röcke, Tops und Taschen her, die charakteristische Merkmale der besagten Luxus-Handtasche aufweisen. Das Label führte diese Modekreationen auf einer Fashionshow vor und bewarb die dortigen Darbietungen im Internet sowie auf sozialen Netzwerken.

Die Herstellerin der Luxus-Tasche hat vor dem Landgericht Frankfurt am Main verlangt, dem Berliner Modelabel diese Darstellungen zu untersagen. Die Designerinnen des Berliner Labels haben sich demgegenüber auf ihre Kunst- und Meinungsfreiheit berufen. Ihre Modekreationen, in denen die prägenden Merkmale der Luxus-Handtasche aus dem Modekonzern der Antragstellerin gespiegelt werden, seien Teil einer Inszenierung. Es solle damit unter anderem auf weibliche Klischees hingewiesen werden, wonach sich Frauen diese Luxus-Handtaschen von sog. „Sugar Daddys“ schenken ließen. Die Akzeptanz dieses Vorurteils sei eine Form von Feminismus.

Die Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main entschied in zwei Beschlüssen vom 19.09.2023, die Antragstellerin könne sich nicht mit Erfolg auf europäischen Markenrechtsschutz berufen.

Es sei im vorliegenden Fall eine Abwägung erforderlich zwischen dem Eigentumsrecht der Herstellerin der Luxus-Handtasche und der Kunstfreiheit der Antragsgegnerin. „Auch die Beschäftigung mit einer Marke kann von der Kunstfreiheit erfasst sein“, so die Richterinnen und Richter. Und weiter: „Das in der Kunstfreiheit wurzelnde Interesse der Antragsgegnerin an der Darbietung ihrer Fashionshow überwiegt im vorliegenden Fall“.

Die Antragsgegnerin wolle mit ihren Kleidern und Taschen darauf hinweisen, dass Frauen von Männern zum Objekt degradiert und als gesellschaftliche Accessoires angesehen würden. Nach ihrer Ansicht würden sich Frauen emanzipieren, indem sie genau diese Rolle einnähmen. Sie würden Männer als „menschliche Bank“ für ihre Zwecke nutzen, wenn sie sich von ihnen Luxus-Taschen schenken ließen. „In dieser überspitzten gesellschaftlichen Darstellung tragen Frauen die Kleidungsstücke, die an die Luxus-Tasche der Antragstellerin erinnern, in aufreizender und lasziver Art an der Grenze zu Kitsch und Geschmacklosigkeit. (…) Hierbei ist das Spiel zwischen primitiver Direktheit und ultimativen Luxusgütern essenzieller Bestandteil der Darbietung“, erklärte die Kammer in ihrem Beschluss.

„Auch wird die Marke der Antragstellerin nicht verunglimpft oder herabgesetzt. Vielmehr dient sie als ein gesellschaftlich angestrebter Bezugspunkt von Luxusgütern“, stellten die Richter weiter fest. Die Anlehnung an die Luxus-Handtasche der Antragstellerin sei dabei nur ein Teil der gesamten Inszenierung.

Die Entscheidungen sind rechtskräftig. Die Aktenzeichen der Beschlüsse vom 19.9.2023 lauten 2-06 O 532/23 und 2-06 O 533/23.


Den Volltext der Entscheidung 2-06 O 533/23 finden Sie hier:


LG Frankfurt: Unwirksame Klausel in Mietwagenanbieter-AGB wenn Kunden Betriebsflüssigkeiten und Reifendruck prüfen sowie ggf. korrigieren müssen

LG Frankfurt
Urteil vom 06.04.2023
2-24 O 133/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine Klausel in des AGB eines Mietwagenanbieters unwirksam ist, wenn Kunden danach die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck prüfen sowie ggf. korrigieren müssen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, liegt eine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung vor, die mit deren wesentlichen Grundgedanken dieser Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - VII ZR 170/16 Rn. 17, BauR 2017, 1202). Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und damit für die Bestimmung der für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung heranzuziehenden wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 - VIII ZR 344/13 Rn. 31 m.w.N., BGHZ 201, 363). Entscheidend sind die durch die Klausel konkret verdrängten gesetzlichen Vorschriften, die im Streitfall auf das vertraglich begründete Rechtsverhältnis anwendbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41, juris Rn. 20). Die "gesetzlichen Regelungen" im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfassen dabei nicht nur Gesetze im materiellen Sinn, sondern auch ungeschriebenes Recht, wozu auch das Richterrecht sowie die von der Rechtsprechung und Rechtslehre durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung aus den allgemeinen Grundgedanken eines Rechtsgebiets oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus der Natur eines Schuldverhältnisses erarbeiteten und anerkannten Rechtssätze gehören (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269, juris Rn. 23). Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessensabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021 - XI ZR 26/20 Rn. 24 m.w.N., BGHZ 229, 344; BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 27, juris).

Nach diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten verwendete Klausel in § 9 ihrer AGB, soweit sie den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, unwirksam.

Gemäß § 535 Abs. 1 BGB obliegt es dem Vermieter, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Von dieser Pflicht entledigt sich die Beklagte, wenn sie dem Mieter eines Fahrzeuges auferlegt, den Reifendruck und die Betriebsflüssigkeiten zu prüfen und zu korrigieren. Nach dem Wortlaut der Klausel obliegt dem Mieter die Pflicht ab dem Zeitpunkt, in dem er das Fahrzeug anmietet und mit dem Fahrzeug losfährt. Dies bedeutet, dass der Mieter eines Fahrzeuges, um der Pflicht aus § 9 der AGB zu genügen, vor Fahrtantritt zu überprüfen hat, ob der Reifendruck in Ordnung ist und ob das Fahrzeug über genügend Motoröl, Getriebeöl und Bremsflüssigkeit verfügt und ob genügend Kraftstoff vorhanden ist. Ein Mieter wird sich dabei nicht auf Anzeigen im Cockpit verlassen dürfen, weil er nicht weiß, ob die Anzeigen ordnungsgemäß funktionieren. Die Beklagte beschränkt in ihrer Klausel die Pflicht zur Prüfung auch nicht auf die Kontrolle („Sichtprüfung“) der Anzeigen im Cockpit.

Die Pflicht zu Prüfung und Korrektur stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil sich ein Mieter eines Fahrzeuges darauf verlassen darf, dass der Vermieter die für den Gebrauch des Fahrzeuges notwendige Voraussetzungen geschaffen hat.

Der Einwand der Beklagten unter Hinweis auf § 23 StVO, dass die Pflicht dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug vorschriftsgemäß ist, auch den Fahrer trifft, entledigt die Beklagte nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen des Mietverhältnisses mit dem Mieter den gebrauchsgemäßen Zustand der Sache zu schaffen. Nach dem Wortlaut der Klausel tritt zudem die Pflicht zur Prüfung und Korrektur der Betriebsflüssigkeiten und des Reifendrucks nicht erst bei längerem Gebrauch des Fahrzeuges ein. Denn eine Beschränkung der Verpflichtung nach Zeit oder Entfernung sieht die Klausel nicht vor. Nach dem Grundsatz der sog. kundenfeindlichsten Auslegung können Klauseln nicht eingeschränkt zugunsten des Verwenders ausgelegt werden. Vielmehr ist die Auslegung zugrunde zu legen, die für den Verbraucher am ungünstigsten ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 30, juris). Hiernach ist maßgeblich, dass einem Mieter die Pflicht zur Prüfung und Korrektur bereits ab dem Mietbeginn obliegt.

Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge die Pflicht auferlegt, die Fahrzeuge gemäß den Anweisungen in den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen sowie wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen zu lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 - VIII ZR 42/20, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 22 mwN). Bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 23 mwN). Die Transparenzanforderungen dürfen aber nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grads an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 11. März 2021 - III ZR 96/20, NJW-RR 2021, 839 Rn. 25; BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 212/20 –, Rn. 47, juris; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2022 – IV ZR 185/20 –, Rn. 24, juris).

Nach diesen Grundsätzen ist auch die Regelung in § 9 der AGB, soweit der Mieter die Fahrzeuge gemäß den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen hat, unwirksam. Erkennbare Intention der Klausel, insbesondere im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung (s.o.), ist die Auferlegung der Verantwortung des Mieters für eine Betriebsstörung, wenn diese durch eine Nutzung des Fahrzeuges entgegen einer Angabe in den genannten Unterlagen verursacht wurde. Die Beklagte wird einem Mieter eine in diesem Sinn sachwidrige Nutzung vorhalten und ihn für Schäden haftbar machen. Ein Mieter wird deshalb gehalten sein, „die Handbücher, Fahrzeugunterlagen und Herstellerangaben“ vor Antritt einer Fahrt zu studieren, um nicht in die Gefahr einer sachwidrigen Nutzung zu gelangen. Dabei bleibt es nach der Klausel offen, um welche konkreten Unterlagen es sich handelt. Die Verwendung des Plurals bei den Handbüchern lässt vermuten, dass es für Fahrzeuge mehrere Handbücher gibt, die es zu studieren gilt. Auch bei den Fahrzeugunterlagen verwendet die Beklagte den Plural, wobei offenbleibt, was die Beklagte zu den „Unterlagen“ im Einzelnen zählt. Gleiches gilt für die Herstellerangaben. Es bleibt auch offen, wie ein Mieter in den Besitz der genannten Bücher Unterlagen und Angaben gelangen kann. Denn nach der Klausel beschränkt sich die Lektüre nicht auf diejenigen Dokumente, die sich in dem Fahrzeug ggf. befinden, sondern auch auf solche Dokumente, die darüber hinaus zu diesem Fahrzeug existieren. Ein Mieter wird deshalb vor Fahrtantritt zu recherchieren haben, welche Bücher, Unterlagen und Herstellerangaben zu dem anzumietenden Fahrzeug vorhanden sind und wie er in den Besitz dieser Dokumente gelangen kann, um sie zur Vermeidung eines Haftungsrisikos zu studieren.

Auf der Grundlage der kundenfeindlichsten Auslegung benachteiligt eine solche Verpflichtung einen Mieter, der Verbraucher ist, unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Altersgrenze von 47 Jahren für Schiedsrichter im Profifußball ist unzulässige Altersdiskriminierung - Manuel Gräfe gegen DFB - 48.500 Euro Entschädigung aus § 15 AGG

LG Frankfurt
Urteil vom 25.01.2023
2-16 O 22/21

Das LG Frankfurt hat im Rechtsstreit zwischen Manuel Gräfe gegen den DFB entschieden, dass die Altersgrenze von 47 Jahren für Schiedsrichter im Profifußball einer unzulässige Altersdiskriminierung darstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Altersdiskriminierung - Altersgrenze von Schiedsrichtern im Profifußball

Einem Schiedsrichter steht eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung zu, wenn er aufgrund des Erreichens der Altersgrenze von 47 Jahren nicht mehr in die Schiedsrichterliste des Deutschen Fußballbundes (DFB) aufgenommen worden ist. Das hat das Landgericht Frankfurt am Main heute entschieden.

Der DFB hat die Hoheit über den Arbeitsmarkt und den Einsatz von Schiedsrichtern im deutschen Fußball (sog. „Ein-Platz-Prinzip“). In seinen Regularien ist eine Altersgrenze für die Aufnahme in die Schiedsrichterlisten im Profifußball nicht vorgesehen. Jedoch scheiden Elite-Schiedsrichter regelmäßig im Alter von 47 Jahren aus. Davon wurde in den letzten fast vier Jahrzehnten keine Ausnahme gemacht.

Der Kläger war seit vielen Jahren Schiedsrichter im Auftrag des DFB. Seit 2004 leitete er Spiele der ersten Bundesliga. Nachdem der Kläger 47 Jahre alt geworden war, nahm ihn der DFB ab der Saison 2021/2022 nicht mehr in seine Schiedsrichterliste auf. Vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat der Kläger von dem DFB eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung und den potentiellen Verdienstausfall für die Saison 2021/2022 verlangt sowie die Feststellung, dass der DFB auch künftige Schäden (z.B. Verdienstausfall) zu ersetzen habe.

In einem heute verkündeten Urteil hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 48.500 Euro wegen einer Diskriminierung aufgrund seines Alters nach dem sog. Antidiskriminierungsgesetz zugesprochen. Für diesen Entschädigungsanspruch sei es ausreichend, wenn das Alter mitursächlich für die Beendigung der Schiedsrichterlaufbahn war. Ob auch andere Gründe eine Rolle spielten, sei rechtlich nicht maßgeblich.

Wenngleich in den Regelwerken des DFB eine Altersgrenze für Schiedsrichter nicht schriftlich fixiert sei, bestehe aber tatsächlich eine praktizierte Altersgrenze von 47 Jahren. Denn die Bewerber würden ab diesem Lebensjahr nahezu ausnahmslos nicht mehr berücksichtigt und der DFB habe die Bedeutung dieses Alters für das Ende einer Schiedsrichtertätigkeit auch öffentlich bekundet.

Es sei im Ergebnis willkürlich und daher nach den Regeln des Antidiskriminierungsgesetzes nicht gerechtfertigt, auf eine feste Altersgrenze von 47 Jahren abzustellen. „Zwar hat das Alter aus biologischen Gründen eine statistische Relevanz für die Eignung als Schiedsrichter, weil mit ihm die Leistungsfähigkeit nachlässt und das Verletzungsrisiko steigt“, so die Kammer. „Warum gerade das Alter von 47 Jahren für die Leistungsfähigkeit eines Elite-Schiedsrichters ausschlaggebend sein soll, wurde nicht dargelegt, etwa durch einen wissenschaftlichen Nachweis oder einen näher begründeten Erfahrungswert.“ Und weiter: „Es ist nicht ersichtlich, weshalb die individuelle Tauglichkeit der relativ geringen Anzahl von Bundesligaschiedsrichtern nicht in einem an Leistungskriterien orientierten transparenten Bewerbungsverfahren festgestellt werden könnte.“ Adäquate und gegebenenfalls wiederholte Leistungstests und -nachweise seien gegenüber einer starren Altersgrenze vorzugswürdig.

Für die Höhe der Entschädigung war nach der Urteilsbegründung unter anderem maßgeblich, dass das Antidiskriminierungsgesetz Sanktionscharakter hat. Die Richter bzw. die Richterin befanden zudem: „Die Benachteiligung des Klägers wiegt grundsätzlich schwer, weil sie von dem wirtschaftsstarken und eine Monopolstellung innehabenden Beklagten bewusst, (…) und ohne Rechtfertigungsansatz erfolgte.“

Ohne Erfolg blieb jedoch die Forderung des Klägers auf Ersatz von materiellen Schäden, insbesondere auf Zahlung von Verdienstausfall. Insoweit wurde seine Klage gegen den DFB abgewiesen. „Der Kläger hat nicht dargetan, dass er ohne die Altersgrenze tatsächlich bei der Listenaufstellung berücksichtigt worden wäre“, befanden die Richter. Dafür hätte er nicht nur erklären und unter Umständen beweisen müssen, „dass er nicht nur für die Stelle geeignet, sondern vielmehr der ,bestgeeignetste‘ Bewerber war.“ Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht.

Das heutige Urteil (Az.: 2-16 O 22/21) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Die Entscheidung wird in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar sein.

Auszug aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 1 AGG
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

§ 15 Abs. 1 und 2 AGG
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. (…)

§ 8 Abs. 1 AGG
(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

§ 10 AGG
Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein (…)



LG Frankfurt: Twitter muss wie Facebook bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Tweets und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen

LG Frankfurt
Urteil vom 14.12.2022
2-03 O 325/22

Das LG Frankfurt hat wie erwartet entschieden, dass Twitter wie Facebook bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Tweets und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Persönlichkeitsrecht - Ehrverletzung durch herabwürdigenden Tweet

Twitter muss bei einem konkreten Hinweis auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auch kerngleiche Äußerungen entfernen.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat heute entschieden: Betroffene können von Twitter verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets über sie gelöscht werden. Auch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern muss Twitter entfernen, sobald es von der konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzung Kenntnis erlangt.

Im September 2022 erschienen auf Twitter diverse Kommentare, in denen wahrheitswidrig behauptet wurde, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg habe „eine Nähe zur Pädophilie“ und er habe „einen Seitensprung gemacht“. Außerdem wurde über ihn verbreitet, er sei in „antisemitische Skandale“ verstrickt und er sei „Teil eines antisemitischen Packs“.

Die zuständige Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main stellte in einem Eilverfahren fest, dass diese ehrenrührigen Behauptungen unwahr sind. Die Bezeichnung als Antisemit sei zwar zunächst eine Meinungsäußerung. Sie sei aber jedenfalls in dem gewählten Kontext rechtswidrig, denn sie trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ziele erkennbar darauf ab, in emotionalisierender Form Stimmung gegen den Antisemitismusbeauftragten zu machen.

Nachdem der Antisemitismusbeauftragte die Entfernung dieser Kommentare verlangt hat, hätte Twitter ihre Verbreitung unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Darüber hinaus entschied die Kammer: „Das Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Unter weiter: „Die Äußerungen werden nicht in jeglichem Kontext untersagt. Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“

Twitter werde damit auch keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Mio. Nutzer auferlegt. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung. „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Twitter befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn eine bestimmte Rechtsverletzung gemeldet wird. Auch in diesem Fall muss Twitter prüfen, ob diese Rechtsverletzung eine Löschung bedingt oder nicht“, so die Vorsitzende in der Urteilsbegründung.

Als zulässig erachtete die Kammer indes die Äußerung eines Nutzers, wonach der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg in die jährlich vom Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles veröffentlichte Liste der größten Antisemiten weltweit aufgenommen worden ist. Unabhängig davon, ob die Aufnahme in diese Liste gerechtfertigt sei, dürfe darüber informiert werden. Dagegen müsse sich der Antisemitismusbeauftragte im öffentlichen Meinungskampf zur Wehr setzen.

Das Urteil (Az. 2-03 O 325/22) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Die Entscheidung wird in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar sein.

Ergänzender Hinweis:
Dieselbe Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 8.4.2022 (Az.: 2-03 O 188/21) entschieden, dass in einer Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) unterge-schobene Falschzitate auf Facebook auch ohne erneuten Hinweis gelöscht werden müssen, wenn sie einen kerngleichen Inhalt aufweisen. Geklagt hatte dort MdB Renate Künast.



LG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung in der Werbung für Erkältungsmittel Wick Daynait - "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel"

LG Frankfurt
Urteil vom 01.11.2022
3-06 O20/2


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung in der Werbung für das Erkältungsmittel "Wick Daynait" durch den Slogan "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" vorliegt. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlicher Verbraucher die Aussage so versteht, dass das Produkt das meistverkaufte Erkältungsmittel ist und sich die Aussage nicht auf spezielle "Tag und Nacht"-Erkältungsmittel bezieht. Bei Erkältungsmitteln belegt das Produkt nur den 7. Platz. Daher liegt nach Ansicht des Gerichts eine Irreführung vor. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


LG Frankfurt: Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig - Klausel in AGB der Commerzbank wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam

LG Frankfurt
Urteil vom 18.11.2022
2-25 O 228/21


Auch das LG Frankfurt hat entschieden, dass Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig sind. Die entsprechende Klausel in den AGB der Commerzbank ist wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam.

LG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit Preisempfehlung des Herstellers wenn diese vom Hersteller selbst dauerhaft unterschritten wird

LG Frankfurt
Urteil vom 05.08.2022
3-10 O 58/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers vorliegt, wenn diese vom Hersteller selbst dauerhaft unterschritten wird. Geklagte hatte die Wettbewerbszentrale.

LG Frankfurt: Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern sind Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG

LG Frankfurt
Beschluss vo 19.05.2022
2-03 O 94/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG sind.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit ist nach § 98 ZPO auf Antrag der Antragsgegnerin an die Kammer für Handelssachen zu verweisen.

Der Antrag gehört nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG (ggf. in analoger Anwendung) vor die Kammer für Handelssachen. Handelssachen sind nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in denen durch die Klage ein Anspruch aus den „Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz der Marken und sonstigen Kennzeichen sowie der eingetragenen Designs beziehen“, geltend gemacht wird. Es ist davon auszugehen, dass auch Ansprüche, die ihre Grundlage auf ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach der VO (EG) Nr. 6/2002 (nachfolgend: GGV) haben, als Handelssachen anzusehen sind. Der Wortlaut steht dem nicht entgegen. Denn die Begriffe „Design“ und „Geschmacksmuster“ sind synonym zu verstehen. Dies ergibt bereits die Gegenüberstellung der entsprechenden Definitionen in § 1 DesignG und Art. 3 Buchst. a) GGV. In § 1 DesignG (bzw. § 1 GeschmMG a.F.) wird bzw. wurde in Nr. 1 ein „Design“ (bzw. ein „Muster“) als „die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt“, definiert. Nach Art. 3 Buchst. a) GGV ist ein Geschmacksmuster „die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt“. Dass es zwischen den beiden Begriffen einen Unterschied geben soll, ist nicht ersichtlich. So gesehen kann auch ein Anspruch aus einem eingetragen Gemeinschaftsgeschmacksmuster grundsätzlich als ein Anspruch aus einem Rechtsverhältnis, das sich auf den Schutz der eingetragenen Designs bezieht, subsumiert werden. Denn der Wortlaut des GVG stellt nicht auf die Begrifflichkeiten wie „Designstreitsache“ oder „Gemeinschaftsgeschmacksmusterstreitsache“ ab. Im Übrigen wird – insbesondere zur historischen Auslegung – auf den Beitrag Bomba, GRUR-Prax 2014, 452 ff. verwiesen, den sich die Kammer zu eigen macht.

Der Verweisungsantrag ist nach § 101 GVG rechtzeitig gestellt worden. Da die Antragsgegnerin bei Erlass der einstweiligen Verfügung nicht angehört worden ist, ist der Verweisungsantrag mit dem Widerspruch rechtzeitig.




LG Frankfurt: Kein Nachvergütungsanspruch aus § 32a UrhG für Urheber der Abbildung des europäischen Kontinents auf Euro-Banknoten

LG Frankfurt
Urteil vom 18.05.2022
2-06 O 52/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass dem Urheber der Abbildung des europäischen Kontinents, der sich auf den Euro-Banknoten befindet, kein Nachvergütungsanspruch aus § 32a UrhG zusteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Abbildung des europäischen Kontinents auf Euro-Banknoten - Urheber der Bilddatei steht keine Nutzungsvergütung zu

Das Landgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass der Urheber des Bildes von Europa, das auf allen Euro-Banknoten in abgewandelter Form verwendet wird, keine Vergütung für die Nutzung verlangen kann.

Der Kläger ist Geograf und Karthograph. Er hatte eine Abbildung des europäischen Kontinents erstellt und dafür verschiedene Satellitenbilder und digitale Dateien verwendet, bearbeitet und verändert, Küstenlinien, Fjorde und Inseln verschoben und Oberflächenstrukturen und Farben überarbeitet. Das so geschaffene Bild wurde im Rahmen eines 1996 ausgetragenen Wettbewerbs um die Gestaltung der Euro-Banknoten in dem letztlich als Sieger auserkorenen Entwurf verwendet. Der Kläger übertrug einer europäischen Institution die Nutzungsrechte an der bearbeiteten Satellitenaufnahme und erhielt dafür 2.180 €. Später wurde die Lizenz zur Nutzung des Bildes auf die Europäische Zentralbank übertragen.

Der Kläger hat verlangt, dass die Europäische Zentralbank ihm eine sog. angemessene Vergütung bzw. Nachvergütung nach dem Urhebergesetz zahlt. Für die Vergangenheit hat er 2,5 Mio. Euro gefordert und zusätzlich jährlich 100.000 Euro für die Dauer von weiteren 30 Jahren.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Eine Vergütung nach dem Urhebergesetz sei ausgeschlossen, weil ein Werk des Klägers tatsächlich nicht genutzt werde. Die Richterinnen und Richter erklärten in ihrem Urteil: „Zwar wird die Bilddatei des Klägers als Ausgangsprodukt für die Gestaltung verwendet, indem die Satellitenansicht Europas in ihren Umrissen übernommen wird.“ Jedoch weiche die Darstellung auf den Euro-Banknoten so stark von dem Satellitenbild des Klägers ab, dass ein selbständiges, neues Werk geschaffen worden sei. Maßgeblich sei, ob „die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge im neuen Werk zurücktreten, sodass die Benutzung des älteren Werkes durch das neue nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint.“ Das sei vorliegend der Fall: „Bei einem Gesamtvergleich der Bilddatei mit den Euro-Banknoten ist ein Verblassen der eigenschöpferischen Merkmale der Bilddatei anzunehmen.“ Denn der europäische Kontinent werde nur auf einem verhältnismäßig geringen Teil der Banknoten dargestellt. Auf dem Bild des Klägers seien die Landmassen Europas außerdem in naturtypischer Darstellung in grün und dunkelbraun gehalten, während der Kontinent auf den Euro-Banknoten in der jeweiligen Grundfarbe der Stückelung nur einfarbig mit Linienreliefs gestaltet werde. Schließlich sei auf den Geldscheinen von der für eine Satellitenaufnahme prägenden Darstellung der Lebensumwelt, insbesondere der Höhen und Tiefen der Landschaftselemente, vollständig Abstand genommen worden.

Das Urteil vom 18.5.2022 (Aktenzeichen: 2-06 O 52/21) ist nicht rechtskräftig.
Zur Erläuterung
§ 32 Absatz 1 Urhebergesetz:
„Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. (…)“

§ 32a Absatz 1 Urhebergesetz:
„Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung sich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes erweist, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. (…)“

§ 23 Absatz 1 Urhebergesetz:
„Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes (…) dürfen nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht werden. Wahrt das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk, so liegt keine Bearbeitung oder Umgestaltung im Sinne des Satzes 1 vor.“



LG Frankfurt: Facebook muss bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Inhalte und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen

LG Frankfurt
Urteil vom 08.04.2022
2-03 O 188/21

Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Betreiber eines sozialen Netzwerks (hier: Facebook / Meta) bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Inhalte und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Ehrverletzung durch Falschzitat in sozialem Netzwerk

Diensteanbieter muss Varianten mit kerngleichem Inhalt ohne erneuten Hinweis sperren.
Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast kann verlangen, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf Facebook gesperrt wird. Auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt muss das soziale Netzwerk ohne erneuten Hinweis auf die jeweilige URL löschen. Renate Künast steht wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerdem ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Betreiberin von Facebook zu.

Auf Facebook erschien ein Bild von Renate Künast, dem folgendes Zitat beigefügt war: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ Dieses Zitat ist falsch. Renate Künast hat die Äußerung nicht getätigt. Sie verlangte von Meta als Betreiberin von Facebook die Löschung des Eintrages. Der Post wurde außerdem in verschiedenen Varianten veröffentlicht, etwa mit verändertem Layout oder durch Erweiterung oder Weglassen von Textinhalten, durch Tippfehler oder durch Veränderung für das Auge nicht wahrnehmbarer Pixel. Diese Varianten haben eine andere URL als das ursprüngliche, von Renate Künast zunächst beanstandete Meme.

Vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat Renate Künast darauf geklagt, dass Meta es unterlässt, Memes mit kerngleichem Inhalt auf Facebook öffentlich zugänglich machen zu lassen. Mit Urteil vom heutigen Tage hat eine Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main ihrer Klage stattgegeben.

Durch das Falschzitat werde Renate Künast in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Ein Diensteanbieter müsse zwar nicht ohne einen Hinweis alle ins Netz gestellten Beiträge auf eine eventuelle Rechtsverletzung prüfen. „Nachdem Renate Künast aber konkret darauf hingewiesen hatte, dass die ihr zugeschriebene Äußerung ein falsches Zitat ist, muss sie diesen Hinweis nicht für jeden weiteren Rechtsverstoß unter Angabe der URL wiederholen,“ erklärte die Vorsitzende der Kammer in der Urteilsbegründung. „Denn für die Beklagte ist unschwer erkennbar, dass es sich bei Varianten mit kerngleichem Inhalt um Falschzitate handelt.“ Und weiter: „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Das gilt auch in diesem Fall.“

Die Kammer stellte weiter fest: „Die Beklagte hat nicht dargetan, dass es ihr technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ohne konkrete Bezeichnung der URL identische und ähnliche Memes zu erkennen und zwar auch, wenn für die Beurteilung eines abgewandelten Textes in einem Eintrag eine menschliche Moderationsentscheidung notwendig wird“.

In seinem Urteil billigte die Pressekammer Renate Künast außerdem eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu. Meta treffe aufgrund der Veröffentlichung der persönlichkeitsrechts-verletzenden Posts eine Mitverantwortung. Denn Meta sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, ihre Plattform von weiteren Falschzitaten zu befreien. Die Schwere der Rechtsverletzungen rechtfertige das Schmerzensgeld. Renate Künast sei aufgrund der Falschzitate Anfeindungen ausgesetzt gewesen.

Die Kammer erklärte: „Die Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines jeden Menschen, besonders einer Politikerin. Diese Glaubwürdigkeit wird durch das Zuschreiben von Falschzitaten beschädigt. Dies ist ehrenrührig und beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Falschzitierten. Falschzitate verzerren auch den Meinungskampf und sie schaden der Allgemeinheit.“

Das heutige Urteil (Aktenzeichen 2-03 O 188/21) ist nicht rechtskräftig.


LG Frankfurt: Stromanbieter darf keine höheren Preise für Neukunden bei Grundversorgung oder Ersatzversorgung verlangen - wettbewerbswidriger Verstoß gegen §§ 36 Abs. 1 S. 1, 38 Abs. 1 EnWG

LG Frankfurt
Beschluss vom 14.02.2022
3-06 O 6/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass Stromanbieter keine höheren Preise für Neukunden bei Grundversorgung oder Ersatzversorgung verlangen dürfen. Es liegt ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen §§ 36 Abs. 1 S. 1, 38 Abs. 1 EnWG vor.

Die Entscheidung:

Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,-- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihrem Vorstand, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,

für das Netzgebiet, in die Antragsgegnerin zu 1) die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführt,

a) Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung öffentlich bekannt zu machen und / oder anzubieten, deren Höhe je nach Beginn der Grund- oder Ersatzversorgung unterschiedlich ist und / oder

b) für Kunden in der Grund- oder Ersatzversorgung in Niederspannung Arbeitspreise abzurechnen und /oder zu verlangen, die je nach Beginn der Grund- oder Ersatzversorgung abweichen von den Arbeitspreisen anderer Kunden in der Grund- oder Ersatzversorgung in Niederspannung.

Die Kosten des Eilverfahrens werden den Antragsgegnern auferlegt.

Der Streitwert wird auf EUR 35.000,- festgesetzt (Hauptsachestreitwert abzgl. 30%). Dieser Beschluss beruht auf den §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 3a, 12 Abs. 1, 14 UWG in Verbindung mit §§ 36 Abs. 1 S. 1, 38 Abs. 1 EnWG, §§ 3,32, 91, 890, 935 ff. ZPO.

Die Schutzschrift vom 31.1.2022 lag vor und wurde bei der Entscheidung berücksichtigt.


LG Frankfurt: Abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß durch Setzen technisch nicht notwendiger Cookies ohne Einwilligung des Nutzers

LG Frankfurt
Urteil vom 19.10.2021
3-06 O 24/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß durch Setzen technisch nicht notwendiger Cookies ohne vorherige rechtskonforme Einholung der Einwilligung des Nutzers vorliegt. Insofern liegt ein Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m § 15 Abs. 3 TMG vor. Ein Website-Betreiber haftet dabei für etwaige Fehler seines Cookie-Banner-Dienstleisters. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


LG Frankfurt: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 3 HWG durch Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für ästhetische Behandlung der Nase durch Unterspritzung

LG Frankfurt
Urteil vom 03.08.2021
3-06 O 16/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Marktverhaltensregel § 11 Abs. 1 S. 3 HWG durch Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern u.a. auf Instagram für ästhetische Behandlungen der Nase durch Unterspritzung vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG zu.

Der Kläger ist klagebefugt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Unstreitig handelt es sich bei dem Kläger um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne dieser Norm.

Der Beklagten liegt eine unlautere Handlung nach § 3 Abs. 1 UWG zur Last, da sie durch die streitgegenständliche geschäftliche Handlung gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG verstoßen hat.

Das in § 11 Abs. 1 S. 3 HWG normierte Werbeverbot ist im Sinne von § 3a UWG auch dazu bestimmt, im Interesse der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ziel der dem Gesundheitsschutz dienenden Regelung ist es zu vermeiden, dass sich die Verbraucher unnötigen Risiken aussetzen, die ihre Gesundheit gefährden können (OLG Koblenz, GRUR-RR 2017, 32, Rn. 4).

Bei der Vorher-Nachher-Werbung der Beklagten wie aus Anlage K 2 ersichtlich handelt es sich um eine Werbung für einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG. Ein solcher liegt vor bei einem instrumentellen Eingriff am oder im Körper des Menschen, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (Meyer, Das Verbot von Vorher-Nachher-Bildern bei Schönheitsoperationen, GRUR 2006, 1007). Ein solcher Eingriff setzt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus, dass eine Operation vorgenommen wird in dem Sinne, dass mit einem Skalpell die gewünschte Form- oder Gestaltveränderung des Körpers herbeigeführt wird. Vielmehr ist ein instrumenteller Eingriff auch dann gegeben, wenn die Formveränderung durch eine Unterspritzung vorgenommen wird. Auch dabei handelt es sich um einen instrumentellen Eingriff am Körper eines Menschen, da die Unterspritzung unter die Haut vorgenommen wird – anders als bei einer kosmetischen Behandlung an der Hautoberfläche. Eine solche Einordnung trägt dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung, mit dem Werbeverbot solche Eingriffe zu erfassen, bei denen das Risiko einer ernsthaften Gesundheitsgefährdung gegeben ist (Meyer, a.a.O). Mit vergleichenden Darstellungen vor und nach dem Eingriff darf nicht geworben werden, weil dies insbesondere bei jüngeren Menschen einen erheblichen Anreiz auslösen kann, sich unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken ebenfalls solchen Eingriffen zu unterziehen, obwohl der Erfolg möglicherweise nicht der Gleiche sein wird (Fritzsche, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 11 HWG Rn. 51).

Dass auch der von der Werbung angesprochene Verkehr von einem instrumentellen und nicht rein kosmetischen Eingriff ausgeht, zeigen die Kommentare zu den Vorher-Nachher-Fotos der Anlage K 2, bei denen die Nutzer nach dem Preis der „OP“ fragen.

Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen, da die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dient.

Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist aus § 13 Abs. 3 UWG begründet, der Höhe nach ist er unstreitig.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Düsseldorf erneut: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ist einschränkend auszulegen

LG Düsseldorf
Urteil vom 21.05.2021
38 O 3/21


Das LG Düsseldorf hat abermals entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG einschränkend auszulegen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die angegriffenen Handlungen sind im Bezirk des Landgerichts Düsseldorf begangen worden.

a) Unter dem von § 14 Abs. 2 S. 2 UWG erfassten Begehungsort ist nach dem zu § 32 ZPO entwickelten und für § 14 Abs. 2 S. 1 UWG a.F. gleichermaßen geltenden überkommenen deutschen zivilprozessualen Verständnis ebenso wie nach den für die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO, Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 5 Nr. 3 LugÜ I und LugÜ II anzuwenden Maßstäben (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Juni 2016 – C-12/15 – Universal Music International Holding/Schilling u.a. [Rn. 28]; Urteil vom 30. November 1976 – 21/76, Handelskwekerij G. J. Bier B.V. u.a. ./. Mines de potasse d'Alsace S.A. [Rn. 8/12 bis 24/25]; BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 24/03 – Arzneimittelwerbung im Internet [unter II 1]; Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09 [unter II 1]) sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gemeint (vgl. auch §§ 9 Abs. 1 StGB; 7 Abs. 1 OWiG). Letzterer ist bei unlauteren Wettbewerbshandlungen überall dort belegen, wo sich die Handlung bestimmungsgemäß (zumindest auch) auswirken soll und wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Marktteilnehmer verletzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2019 – I ZR 222/17 – Club Hotel Robinson [unter B III 2 a]; Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 1/11 – Parfumflakon III [unter II 3 b, c und e aa und bb]; Urteil vom 12. Dezember 2013 – I ZR 131/12 – englischsprachige Pressemitteilung [unter B II 2 und 3]; EuGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – C-360/12, Coty Germany GmbH/First Note Perfumes NV [Rn. 56 ff.]). Demgemäß ist bei im Internet begangenen unlauteren Wettbewerbshandlungen – bei gerügten Verletzungen etwa von Urheber-, Kennzeichen- und Persönlichkeitsrechten kann das anders liegen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 – C-509/09 und C-161/10, eDateAdvertisingGmbH/X und Martinez/MGN Ltd [Rn. 48 ff.]; BGH, Urteil vom 7. November 2019 – I ZR 222/17 – Club Hotel Robinson [unter B III 1 a bb (2)]; Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16 [unter B I 1]; s.a. Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09 [unter II 2 b und c]) – die gerichtliche Zuständigkeit an einem bestimmten Ort nicht schon deshalb gegeben, weil dort der rechtsverletzende Inhalt über das Internet abgerufen werden kann.

b) Der in diesem Sinne zu verstehende Begehungsort liegt unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsorts für alle von der Antragstellerin angegriffenen Handlungen im Bezirk des von ihr angerufenen Landgerichts. Sämtliche Handlungen der Antragsgegnerin sind bestimmungsgemäß an hier ansässige Verbraucher gerichtet. Beide Parteien sind bundesweit tätig und bieten ihre Leistungen im hiesigen Gerichtsbezirk an. Dementsprechend sollen die angegriffenen Handlungen (unter anderem) die hier ansässigen Verbraucher in ihrer Willensbildung bei Marktentscheidungen beeinflussen und wirken sich auf diese Weise auf die hiesigen Wettbewerbsbedingungen der Parteien aus.

2. Der Gerichtsstand des Begehungsortes ist wegen der über das Internet verbreiteten Werbemaßnahmen nicht nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für einige der angegriffenen Handlungen ausgeschlossen. Das Youtube-Video und die Darstellungen in der Internetpräsenz der Antragsgegnerin werden von ihr zwar über das Internet verbreitet. Bereitstellen und Verfügbarhalten dieser Inhalte sind aber keine „Zuwiderhandlung im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG.

a) Unter den von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG erfassten Zuwiderhandlungen sind nach dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht sämtliche online begangenen Rechtsverstöße zu verstehen.

aa) Diese Sichtweise hat die Kammer bereits in mehreren Verfahren eingenommen und in zwei – beiden Parteien bekannten – Entscheidungen näher begründet. Auf die dort entfaltete Argumentation (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 38 O 3/21, WRP 2021, 395 = GRUR-RS 2021, 402 und bei juris [unter I 1 b aa = Rn. 8 ff.] und Beschluss vom 26. Februar 2021 – 38 O 19/21, WRP 2021, 688 = GRUR-RS 2021, 4044 [unter I 1 = Rn. 3 ff.]) wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

bb) Die Antragsgegnerin sieht in dem Kammerbeschluss vom 15. Januar 2021 und weiteren gegen sie ergangenen Entscheidungen, in denen die Kammer unter Verweis auf diesen Beschluss ihre Zuständigkeit ebenfalls angenommen hat, den Versuch, sie unter Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ihrem gesetzlichen Richter zu entziehen. In diesem Zusammenhang ist das von ihr in diesem Verfahren mehrfach – zuletzt mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 – geäußerte Fazit zu sehen, es gebe „niemanden, der dogmatisch argumentativ die vorläufige Auffassung des Gerichts zur Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 UWG teilt“. Tatsächlich deckt sich dieses von der Antragsgegnerin wiederholt gezogene Resümee nicht mit dem sich aus der derzeit verfügbaren Rechtsprechung und Literatur ergebenden Befund.

Schon vor Erlass des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 wurden Äußerungen mit Tendenzen zu einer Einschränkung des Anwendungsbereiches von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG veröffentlicht. Diese beziehen sich nicht nur auf in diesem Verfahren nicht einschlägige Problemstellungen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, § 14 UWG Rn. 21, der unter Berufung auf nur rein „virtuelle“ Verstöße erfassende Schutzzweckerwägungen den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Rechtsverletzungen beschränkt sieht, die ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden), sondern gehen bereits in die Richtung des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 (vgl. Rätze, WRP 2020, 1519 [1524 Rn. 69], der in der Neuregelung eine nicht nachvollziehbare „Einschränkung auf Verstöße gegen Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien“ sieht). Ferner wurden – zeitlich parallel zu dem Erlass des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 – Argumente für eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG in Richtung eines Gleichklangs mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG diskutiert (vgl. Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 [158 Rn. 36 f. und 159 Rn. 41], die eine solche Auslegung für „sicherlich wünschenswert“ halten [Rn. 37]).

Die Kammerbeschlüsse vom 15. Januar und 26. Februar 2021 selbst sind bald nach ihrem Erlass Gegenstand einer kontrovers geführten Diskussion geworden. Darin sind sie einerseits auf unterschiedlich stark akzentuierte Ablehnung gestoßen (wohl am deutlichsten OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 20 W 11/21, GRUR-RS 2021, 2043 [unter III]; Beyer, jurisPR-ITR 6/2021 Anm. 5; Rüther, WRP 2021, 726 [727 ff.] und Wettig/Kiparski, CR 2021, 177; ebenfalls kritisch, aber auf die abzuwartende Meinungsbildung der Landgerichte verweisend Feddersen, WRP 2021, 713 [717 f. Rn. 28 ff. und 34 f.] und Motejl/Rosenow, WRP 2021, 699 [704 Rn. 39 f.]; in der Tendenz eher kritisch, aber ohne abschließende eigene Festlegung Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 Fn. 79]; kritische Anmerkungen finden sich ferner bei Alber, IPRB 2021, 112, der allerdings der Sache nach den in den Kammerbeschlüssen vertretenen Gleichklang von § 13 Abs. 4 Nr. 1 und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für einen „praktikablen und wirkungsvollen Kompromiss zwischen effektivem Rechtsschutz und Verhinderung von Rechtsmissbrauch“ hält [116] und ebenfalls auf die abzuwartende Entwicklung der erstinstanzlichen Spruchpraxis verweist [117]). Auf der anderen Seite haben die Kammerbeschlüsse ausdrückliche Zustimmung erfahren, die – was die Antragsgegnerin in ihrem schriftsätzlichen Vortrag freilich konsequent ausblendet – mehrfach argumentativ unterlegt ist (vgl. LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11. Mai 2021 – 3-06 O 14/21 [bislang n.v.]; Dissmann, GRUR-Prax 2021, 268; Isele, MMR 2021, 334; Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II]; ders., jurisPR-WettbR 2/2021 Nr. 5 [unter C II bis IV]; Löffel, GRUR-Prax 2021, 158; Sosnitza, GRUR 2021, 671 [678]; Spoenle, jurisPK-UWG, § 14 UWG [Stand: 8. Februar 2021] Rn. 51; ders., jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5; vgl. außerdem Hohlweck, WRP 2021, 719 [725 Rn. 42], der selbst zur Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht abschließend Position bezieht, sondern es bei der Feststellung belässt, dass der Kammer keine willkürliche Annahme ihrer Zuständigkeit vorgehalten werden könne, und hierzu anmerkt, dass sich die systematische Begründung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zwar schlüssig lese, die Auslegung anhand der Systematik aber, da sie einen logischen Aufbau des Gesetzes voraussetze, angesichts des wenig stringent formulierten UWG in seiner seit dem 2. Dezember 2020 geltenden Fassung nur von eingeschränkter Überzeugungskraft sei).

cc) Die gegen eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vorgebrachten Argumente schlagen, wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 26. Februar 2021 festgestellt hat, nicht durch (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2021, a.a.O. Rn. 3 ff.; ebenso Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]; Sosnitza, GRUR 2021, 671 [678]; Spoenle, jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5 sowie – jeweils vertiefend und anschaulich zur Auslegungsbedürftigkeit des Wortlauts von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, der Regelungssystematik, in die sie eingebettet ist, und dem von ihr verfolgten Zweck – Isele, MMR 2021, 334 [unter 1 bis 3 und 5] und Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II]; vgl. in diesem Zusammenhang auch Hohlweck, a.a.O. Rn. 42). Diese Feststellung bezog sich naturgemäß auf den damaligen Stand der Diskussion. Sie hat aber vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich erschienenen Veröffentlichungen weiterhin Bestand.

Alber (IPRB 2021, 112) hält, wie bereits erwähnt, der Sache nach einen Gleichklang von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für sinnvoll, meint aber, einen solchen dem Gesetz nicht entnehmen zu können. Die hierfür vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. So bezweifelt Alber, „dass der Gesetzgeber sich bei der Neugestaltung der Zuständigkeitsregeln im UWG über die Tragweite insbesondere der weitgehenden Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands für die besonders häufig im elektronischen Geschäftsverkehr begangenen Wettbewerbsverstöße im Klaren gewesen ist“ (vgl. Alber, IPRB 2021, 112 [116]), möchte den Gesetzgeber aber gleichwohl an dem (verunglückten) Wortlaut festhalten. Insoweit erkennt Alber an (vgl. Alber, IPRB 2021, 112 [115]), dass eine wortlautgetreue Anwendung von § 14 UWG „deutlich über das hinausgeht, was für eine wirksame Eindämmung […] der […] Missbrauchsauswüchse erforderlich gewesen wäre“, bezieht sich zur Ermittlung des (nach seiner Sicht wohl mit dem Wortlaut übereinstimmenden) Willens des Gesetzgebers aber auf die Begründung für die ursprünglich geplante, nahezu vollständige Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands. Diese Begründung freilich ist durch die Änderung des Gesetzentwurfs überholt und bezieht sich nicht auf die erst später im Gesetzgebungsverfahren entwickelte und verabschiedete, nun lediglich noch eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands für bestimmte Fälle vorsehende Regelung. Die Begründung des Regierungsentwurfs für den ursprünglichen Regelungsansatz gibt deshalb keinen Aufschluss darüber, wie die am Ende des Gesetzgebungsverfahrens verabschiedete Regelung auszulegen ist. Sie kann allenfalls als Beleg dafür angeführt werden, welches Ergebnis letztlich vermieden werden sollte.

Eine solche, die Gefahr von Fehlschlüssen hervorrufende Vermengung der während des Gesetzgebungsverfahrens für grundsätzlich verschiedene Regelungsziele gegebenen Begründungsansätze (die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung betonen auch Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 f. Rn. 72 f.], ziehen daraus Schlüsse allerdings nur für „gemischte“ Fallgestaltungen) findet sich ebenso bei den beiden weiteren, sich gleichfalls ausschließlich mit der Neuregelung der örtlichen Zuständigkeit befassenden Aufsätzen von Rüther und Wettig/Kiparski (vgl. Rüther, WRP 2021, 726 [727 Rn. 9]; Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 25]). Davon – und von den in sie eingestreuten, mehr oder weniger verbrämten bzw. subtilen unsachlichen Anwürfen und Unterstellungen (vgl. Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 24]; Rüther, WRP 2021, 726 [726 Rn. 1 und 729 Rn. 19]) – abgesehen, verbleibt in diesen beiden Aufsätzen eine Argumentationslinie, die inhaltlich in den Kernpunkten nicht über diejenige hinausgeht, die von dem Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 16. Februar 2021 vertreten und von der Antragsgegnerin in diesem Verfahren ausführlich vorgetragen worden ist. Wesentliche neue oder bislang unberücksichtigt gebliebene Gesichtspunkte zeigen beide Aufsätze nicht auf (vgl. zu Wettig/Kiparski auch Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]). Das in ihnen und in dem von der Antragsgegnerin in diesem Verfahren gehaltenen Vortrag zum Ausdruck kommende tiefe Misstrauen gegenüber dem Gerichtsstand des Begehungsortes und die verzerrte Darstellung von dessen Reichweite lassen es allerdings angezeigt erscheinen, den Gesamtkontext, in dem die zu betrachtende Vorschrift des § 14 Abs. 2 UWG steht, noch einmal in Erinnerung zu rufen.

Festzuhalten ist zunächst, dass die Reichweite des Gerichtsstands des Begehungsortes für im Internet begangene Wettbewerbsverletzungen keineswegs so groß und uferlos ist, wie das die Antragsgegnerin und die beiden Aufsätze nahelegen (vgl. Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [Rn. 3]: „Erfolgsort das gesamte Bundesgebiet“; Rüther, WRP 2021, 726 [728 Rn. 13] sieht für „Zuwiderhandlungen im Zusammenhang mit Internet“ grundsätzlich keine besonderen Gründe um „für jeden Gerichtsstandort in Deutschland“ eine Zuständigkeit anzunehmen). Wie bereits eingangs unter I 1 a aufgezeigt, genügt alleine die Abrufbarkeit einer Wettbewerbsrechtsverletzung über das Internet nicht zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit. Deshalb begründen beispielsweise Wettbewerbsrechtsverletzungen im Internetauftritt eines lokalen Pizzabringdienstes mit Angabe eines beschränkten Liefergebietes oder eines sonstigen Anbieters von Leistungen, die typischerweise nur an dessen Sitz oder unweit davon erbracht werden, allein wegen ihrer bundesweiten Abrufbarkeit keinen bundesweiten Gerichtsstand (vgl. Mühlberger, WRP 2008, 1419 [1423]; LG Karlsruhe, Beschluss vom 13. März 2020 – 18 O 23/20, GRUR-RS 2020, 4592). Liegen hingegen Anknüpfungspunkte für eine Relevanz der Rechtsverletzung am Ort eines abseits der Niederlassung des Unternehmers angerufenen Gerichts vor, ist es sachgerecht, dessen örtliche Zuständigkeit anzunehmen (so lag es im Übrigen in den Fällen, die Rüther, WRP 2021, 726 [728 Rn. 13 bei und in Fn. 37 und 38] lobend als Versuche einer Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung anführt, die allerdings durchweg nicht das Wettbewerbsrecht betrafen und bei denen in der Berufungsinstanz jeweils die örtliche Zuständigkeit mit überzeugender Begründung bejaht worden ist, vgl. LG Hamburg, Urteil vom 19. September 2014 – 324 S 1/14, bei juris, und LG Berlin, Urteil vom 7. April 2011 – 27 S 20/10, bei juris, jeweils für Persönlichkeitsrechtsverletzungen sowie LG Frankfurt/Main, Urteil vom 5. November 2009 – 2/3 S 7/09, bei juris, für eine Urheberrechtsverletzung). Das entspricht im Übrigen – worauf sogleich noch zurückzukommen ist – international anerkannten Grundsätzen.

Historisch gesehen bedeutet das Inkrafttreten von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG einen Schritt in die Vergangenheit. Die Vorschrift fällt – und das ausgerechnet für den gesamten „modernen“ Bereich des Handelns in der „virtuellen“ Welt, sofern man in ihr einen generellen Ausschluss des fliegenden Gerichtsstands für die „Internet-Fälle“ erblickt (so Fritzsche, WRP 2020, 1367 [1375 Rn. 55 f.]) – noch hinter den durch das UWG von 1896 geschaffenen Zustand zurück. Mit § 2 UWG 1896 wurde eine (als § 24 in das UWG 1909 übernommene) Sondervorschrift geschaffen, durch welche die an sich gegebene Zuständigkeit der Gerichte des Begehungsortes nach § 32 CPO (heute § 32 ZPO) verdrängt und wettbewerbswidrig handelnde Unternehmer in gewissem Maße vor einer gerichtlichen Inanspruchnahme auch durch Mitbewerber geschützt wurden. Die so bewirkte Konzentration der Zuständigkeit am Ort der gewerblichen Niederlassung schloss allerdings – und insoweit reicht § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG noch weiter – den Gerichtsstand des Begehungsortes nur für Hauptsacheklagen aus, während gemäß § 3 S. 2 UWG 1896 (= § 25 S. 2 UWG 1909) Anträge auf einstweilige Verfügungen am Gericht des Begehungsortes erwirkt werden konnten. Außerdem hatte das Reichsgericht schon 1931 in ständiger Rechtsprechung die Privilegierung des wegen wettbewerbswidrigen Handelns in Anspruch genommenen Unternehmers – deren Sinn der Bundesgerichtshof später vornehmlich darin sah, den Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht auf die nach Wettbewerbsrecht klagebefugten Verbände auszudehnen (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1964 – Ib ZR 73/63 – Lavamat, GRUR 1964, 567 [unter 2]) – bei einer Inanspruchnahme durch Mitbewerber zurückgedrängt und in solchen Fällen einen Rückgriff auf Vorschriften des UWG durch das nach § 32 ZPO zuständige Gericht zugelassen (vgl. RG, Urteil vom 18. September 1931 – II 462/30, MuW 1931, 571; Urteil vom 6. Oktober 1931 – II 495/30, GRUR 1931, 1299 [unter 1]). Diese Rechtsprechung des Reichsgerichts setzte der Bundesgerichtshof fort (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1954 – I ARZ 233/54, NJW 1954, 1932; Urteil vom 30. November 1954 – I ZR 143/52 – GEMA, GRUR 1955, 351 [unter B III b]; Urteil vom 14. Mai 1974 – VI ZR 48/73, GRUR 1975, 150 [unter II 1]; s.a. Urteil vom 20. März 1956 – I ZR 162/55 – Olivin, GRUR 1956, 297 [unter II und unter III 1]; Urteil vom 24. April 1964 – Ib ZR 73/63 – Lavamat, GRUR 1964, 567 [unter 1]; zu der Frage, ob und inwieweit neben § 14 Abs. 2 UWG in der seit dem 2. Dezember 2020 geltenden Fassung auf § 32 ZPO zurückgegriffen werden kann vgl. Feddersen, WRP 2021, 713 [718 Rn. 33]; Hohlweck, WRP 2021, 719 [725 Rn. 43]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C III]). Die auf diese Weise für Mitbewerberklagen in der Wettbewerbsrechtspraxis schon mehrere Jahrzehnte gelebte Rückkehr zum Prinzip des § 32 ZPO wurde 1969 allgemein in das UWG übernommen, und zwar durch die Einfügung von § 24 Abs. 2 („Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.“, s. dazu OLG Köln, Beschluss vom 17. Dezember 1969 – 6 W 73/69, NJW 1970, 476). Diese Regelung ist seit dem UWG 2004 inhaltsgleich in § 14 Abs. 2 S. 1 UWG in der bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung enthalten und findet sich nunmehr – mit leichten Änderungen im Wortlaut – in § 14 Abs. 2 S. 2 UWG.

Die zum 2. Dezember 2020 mit § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für Mitbewerber erstmals (für Verbände wurde der Gerichtsstand des Begehungsortes schon 1994 erneut ausgeschlossen) seit mehr als 100 Jahren wieder eingeführte Beschneidung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten greift nun abermals in den – vielen Rechtsordnungen bekannten und als wichtiger Pfeiler neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten stehenden – deliktischen Gerichtsstand ein. 1877 wurde das forum delicti, das seinerzeit „den meisten Gesetzgebungen“ entsprach (vgl. Entwurf einer Civil-Prozeß-Ordnung für das Deutsche Reich, Vorlage für den Reichstag mit Motiven und Anlagen, 1874, S. 414), in § 32 CPO übernommen. Seit 1968 ist der dem besonderen Gerichtsstand des Tatorts zugrundeliegende einfache Gedanke, dass der durch eine unerlaubte Handlung Verletzte die Gerichte dort anrufen kann, wo das entsprechende Unrecht begangen wurde, sich ausgewirkt hat oder sich auszuwirken droht, im europäischen Justizraum verankert und steht dort dem Kläger als Regelung der internationalen und zugleich örtlichen Zuständigkeit gleichrangig neben dem beklagtenfreundlichen allgemeinen Gerichtsstand zur Wahl (vgl. Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr/Paulus, Art. 7 EuGVVO Rn. 138, 142 und 144; s.a. EuGH, Urteil vom 30. November 1976 – 21/76, Handelskwekerij G. J. Bier B.V. u.a. ./. Mines de potasse d'Alsace S.A. [Rn. 8/12 bis 24/25]), wobei sich die europarechtlichen Normen (zunächst Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und heute Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 5 Nr. 3 LugÜ) nicht auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit beschränken, sondern die örtliche Zuständigkeit mit einschließen („vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“; ob sich daraus, wie Fritzsche, WRP 2020, 1367 [1375 Rn. 56] meint, eine durch § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bewirkte Inländerdiskriminierung ergibt, erscheint allerdings fraglich, da für die Anwendbarkeit von Art. 7 EuGVVO mit Blick auf den einleitenden Wortlaut der Vorschrift ein qualifizierter Auslandsbezug dergestalt erforderlich sein dürfte, dass der Beklagte außerhalb seines Wohnsitzstaates verklagt werden soll, vgl. Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr/Paulus, Vorbemerkung zu Art. 7 ff. EuGVVO Rn. 11; Art. 7 EuGVVO Rn. 12 und 152).

Der von der Bundesregierung im Sommer 2019 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs sah vor, von diesem Rechtsregime und dem sich aus ihm – im Einklang mit den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 Rom II VO zur Ermittlung des anwendbaren Sachrechts – ergebenden allgemeinen Grundsatz, wonach ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich wettbewerbswidrig verhält, vernünftigerweise damit rechnen muss, vor den Gerichten des Ortes verklagt zu werden, an dem seine Verhaltensweisen die Regeln eines gesunden Wettbewerbs verfälscht haben (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 – C-451/18, Tibor-Trans Fuvarozó és Kereskedelmi Kft. / DAF Trucks NV [Rn. 34 f.]; Urteil vom 9. Juli 2020 – C-343/19, Verein für Konsumenteninformation/VW AG [Rn. 36 ff. und 39]; s.a. Urteil vom 5. September 2019 – C-172/18, AMS Neve Ltd., Barnett Waddingham Trustees, Mark Crabtree ./. Heritage Audio SL, Pedro Rodriguez Arribas [Rn. 47 ff. und 57 ff.]), für das deutsche Wettbewerbsrecht nahezu vollständig abzurücken. Die dafür angeführten Gründe (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 35 f.) konnten im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens allerdings nicht überzeugen. Der Rechtsausschuss des Bundestages wollte den im Regierungsentwurf beabsichtigten weitgehenden historischen Rückschritt (sozusagen über die Grenzen von zwei Jahrhunderten hinweg zurück in das Jahr 1896) nach intensiven Beratungen nicht mitgehen. Stattdessen schlug er vor, den Gerichtsstand des Begehungsortes mit der für Verbände seit 1994 wieder geltenden Einschränkung beizubehalten und um eine weitere Einschränkung für die „besonders missbrauchsanfälligen Verstöße“ zu ergänzen.

Diese besonders missbrauchsanfälligen Konstellationen aber sind genau jene, die in einem früheren Stadium des Gesetzgebungsverfahrens für die Kodifizierung des Abmahnkostenausschlusses in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG identifiziert worden waren. Eine andere (größere) Fallgruppe wurde im weiteren Verlauf der Beratungen nicht herausgearbeitet und wird in der Beschlussempfehlung nicht benannt. Vielmehr sprechen die Gesetzgebungsmaterialien für einen von der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gewollten Gleichlauf zwischen Abmahnkostenausschluss einerseits und Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes andererseits (oder, mit anderen Worten, zwischen § 13 Abs. 4 Nr. 1 und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG). Vor diesem Hintergrund stellen sich die Unterschiede im Wortlaut beider Vorschriften als das Ergebnis eines Redaktionsversehens dar. Wie, wenn nicht durch einen unbeabsichtigten Missgriff bei der Formulierung, soll eine zuvor von den Gesetzgebungsorganen nicht diskutierte, im reinen Normvergleich scheinbar verschiedene Fallgruppen in den Blick nehmende Regelung zur Eindämmung eines einheitlichen, während des Gesetzgebungsverfahrens zunächst im Zusammenhang mit der Einschränkung des Abmahnkostenersatzes diskutierten und später vom Rechtsausschuss in seiner Beschlussempfehlung mit dem Ziel der Übernahme für eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands in Bezug genommenen Missbrauchsphänomens in das Gesetz gelangt sein (vgl. auch Isele, MMR 2021, 334; Laoutoumai, CR 2021, 343 [345]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II 2 b cc]; ders., jurisPR-WettbR 2/2021 Nr. 5 [unter C III]; Spoenle, jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5)? Für die von Motejl/Rosenow vertretene gegenteilige These, der Gesetzgeber sei ausdrücklich von einer allgemeinen Missbrauchsanfälligkeit von Rechtsverstößen im Internet ausgegangen, wie die vergleichbare Vorschrift des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG zeige (vgl. Motejl/Rosenow, WRP 2021, 699 [704 Rn. 39]), geben die Gesetzgebungsmaterialien jedenfalls nichts her, da der in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG vorgesehene Ausschluss des Abmahnkostenersatzes auf einen Teilbereich des virtuellen Handelns (nämlich Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten) beschränkt ist und die Gesetzesbegründung hierzu auf die einfache und automatisierte Feststellbarkeit dieser Verstöße verweist. Enthalten aber die Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit einer Neuregelung eine Rechtsänderung beabsichtigt, können Sinn und Zweck einer Vorschrift auch eine von ihrem Wortlaut abweichende Anwendung des Gesetzes rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2002 – VIII ZR 253/99 [unter B I 4]). Entsprechendes gilt für § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, zumal die dort verwandte, dem Vertrags- und Telemedienrecht entnommene, tautologische Begrifflichkeit ihrem Wortlaut nach nicht eindeutig ist.

dd) Vor diesem Hintergrund geht es bei einer den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gegenüber dem Wortlaut – sei er nun für sich betrachtet missverständlich oder nicht – einschränkenden Auslegung entgegen den Befürchtungen der Antragsgegnerin nicht darum, die Vorschrift praktisch leerlaufen zu lassen (in diese Richtung auch Rüther, WRP 2021, 726 [731 Rn. 24] und Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 28 f.]) und die Antragsgegnerin ihrem gesetzlichen Richter zu entziehen. Es steht außer Frage, dass bei der Gesetzesauslegung die Entscheidung des Gesetzgebers, einen Sachverhalt in bestimmter Weise zu regeln, hinzunehmen ist, mag man diese auch für unzweckmäßig halten. Dementsprechend ist es nicht das Ziel der hier vertretenen Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, den Anwendungsbereich der Vorschrift so weit zu verengen, dass sie ihren Regelungszweck nicht mehr erfüllen kann, und auf diese Weise die in ihr zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers gleichsam zu korrigieren, selbst wenn diese bei genauerer Betrachtung geeignet sein dürfte, die Aufdeckung von Abmahnmissbrauch nicht zu fördern, sondern eher zu erschweren (vgl. zur insoweit gegebenen Leistungsfähigkeit des Gerichtsstands des Begehungsortes Hohlweck, WRP 2021, 719 [722 Rn. 20 ff., insbes. Rn. 22; s.a. S. 725 Rn. 45 f.]; zu einem denkbaren Alternativmodell siehe Rätze, WRP 2020, 1519 [1524 Rn. 74] und Föhlisch, CR 2020, 796 [801]).

32
Rechnung zu tragen ist der von einer gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecksetzung aber nur so weit, wie sie reicht. Da eine über die identifizierten missbrauchsanfälligen Fälle hinausreichende Abschaffung des Gerichtsstands des Begehungsortes für alle Formen online begangener geschäftlicher Handlungen weder beabsichtigt war noch von dem auf eine Einschränkung des Gerichtsstands des Begehungsortes (nur) für besonders missbrauchsanfällige Konstellationen abzielenden Regelungszweck gedeckt ist, verbietet sich eine an dem weiten, nur vermeintlich eindeutigen Wortlaut ausgerichtete Auslegung. Diese nämlich würde der geschaffenen Einschränkung über die adressierte Fallgruppe hinaus eine Vielzahl von Sachverhalten unterwerfen, auf die die Vorschrift weder zugeschnitten ist noch von ihrer Zwecksetzung her passt, und damit ihrerseits zu Ergebnissen führen, die weit außerhalb des von der Norm verfolgten Regelungszwecks liegen. So lassen sich alle von § 4 UWG erfassten Handlungen online – oder, anders gewendet, „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ – begehen. Im Bereich des wettbewerblichen Leistungsschutzes gilt das bei nicht körperlichen Produkten über das in § 4 Nr. 3 UWG genannte „Anbieten“ hinaus sogar für deren „Auslieferung“ als letztem Akt des Inverkehrbringens (beispielsweise bei der elektronischen Übermittlung eines Downloadcodes oder der Freischaltung bestimmter Inhalte zum Abruf von einer Webseite). Ebenso erfasst wäre der gemäß § 3a UWG unlautere, nach Jugendschutzrecht unzulässige online durchgeführte Vertrieb jugendgefährdender Computerspiele. Diese und die weiteren in Rn. 11 des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 angeführten Beispiele zu den § 4a bis § 6 UWG weisen das von der Beschlussempfehlung in den Blick genommene Missbrauchspotential nicht ansatzweise auf.


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