LG Frankfurt: Unwirksame Klausel in Mietwagenanbieter-AGB wenn Kunden Betriebsflüssigkeiten und Reifendruck prüfen sowie ggf. korrigieren müssen
LG Frankfurt
Urteil vom 06.04.2023
2-24 O 133/22
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine Klausel in des AGB eines Mietwagenanbieters unwirksam ist, wenn Kunden danach die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck prüfen sowie ggf. korrigieren müssen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, liegt eine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung vor, die mit deren wesentlichen Grundgedanken dieser Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - VII ZR 170/16 Rn. 17, BauR 2017, 1202). Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und damit für die Bestimmung der für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung heranzuziehenden wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 - VIII ZR 344/13 Rn. 31 m.w.N., BGHZ 201, 363). Entscheidend sind die durch die Klausel konkret verdrängten gesetzlichen Vorschriften, die im Streitfall auf das vertraglich begründete Rechtsverhältnis anwendbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41, juris Rn. 20). Die "gesetzlichen Regelungen" im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfassen dabei nicht nur Gesetze im materiellen Sinn, sondern auch ungeschriebenes Recht, wozu auch das Richterrecht sowie die von der Rechtsprechung und Rechtslehre durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung aus den allgemeinen Grundgedanken eines Rechtsgebiets oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus der Natur eines Schuldverhältnisses erarbeiteten und anerkannten Rechtssätze gehören (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269, juris Rn. 23). Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessensabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021 - XI ZR 26/20 Rn. 24 m.w.N., BGHZ 229, 344; BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 27, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten verwendete Klausel in § 9 ihrer AGB, soweit sie den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, unwirksam.
Gemäß § 535 Abs. 1 BGB obliegt es dem Vermieter, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Von dieser Pflicht entledigt sich die Beklagte, wenn sie dem Mieter eines Fahrzeuges auferlegt, den Reifendruck und die Betriebsflüssigkeiten zu prüfen und zu korrigieren. Nach dem Wortlaut der Klausel obliegt dem Mieter die Pflicht ab dem Zeitpunkt, in dem er das Fahrzeug anmietet und mit dem Fahrzeug losfährt. Dies bedeutet, dass der Mieter eines Fahrzeuges, um der Pflicht aus § 9 der AGB zu genügen, vor Fahrtantritt zu überprüfen hat, ob der Reifendruck in Ordnung ist und ob das Fahrzeug über genügend Motoröl, Getriebeöl und Bremsflüssigkeit verfügt und ob genügend Kraftstoff vorhanden ist. Ein Mieter wird sich dabei nicht auf Anzeigen im Cockpit verlassen dürfen, weil er nicht weiß, ob die Anzeigen ordnungsgemäß funktionieren. Die Beklagte beschränkt in ihrer Klausel die Pflicht zur Prüfung auch nicht auf die Kontrolle („Sichtprüfung“) der Anzeigen im Cockpit.
Die Pflicht zu Prüfung und Korrektur stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil sich ein Mieter eines Fahrzeuges darauf verlassen darf, dass der Vermieter die für den Gebrauch des Fahrzeuges notwendige Voraussetzungen geschaffen hat.
Der Einwand der Beklagten unter Hinweis auf § 23 StVO, dass die Pflicht dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug vorschriftsgemäß ist, auch den Fahrer trifft, entledigt die Beklagte nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen des Mietverhältnisses mit dem Mieter den gebrauchsgemäßen Zustand der Sache zu schaffen. Nach dem Wortlaut der Klausel tritt zudem die Pflicht zur Prüfung und Korrektur der Betriebsflüssigkeiten und des Reifendrucks nicht erst bei längerem Gebrauch des Fahrzeuges ein. Denn eine Beschränkung der Verpflichtung nach Zeit oder Entfernung sieht die Klausel nicht vor. Nach dem Grundsatz der sog. kundenfeindlichsten Auslegung können Klauseln nicht eingeschränkt zugunsten des Verwenders ausgelegt werden. Vielmehr ist die Auslegung zugrunde zu legen, die für den Verbraucher am ungünstigsten ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 30, juris). Hiernach ist maßgeblich, dass einem Mieter die Pflicht zur Prüfung und Korrektur bereits ab dem Mietbeginn obliegt.
Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge die Pflicht auferlegt, die Fahrzeuge gemäß den Anweisungen in den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen sowie wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen zu lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 - VIII ZR 42/20, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 22 mwN). Bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 23 mwN). Die Transparenzanforderungen dürfen aber nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grads an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 11. März 2021 - III ZR 96/20, NJW-RR 2021, 839 Rn. 25; BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 212/20 –, Rn. 47, juris; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2022 – IV ZR 185/20 –, Rn. 24, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist auch die Regelung in § 9 der AGB, soweit der Mieter die Fahrzeuge gemäß den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen hat, unwirksam. Erkennbare Intention der Klausel, insbesondere im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung (s.o.), ist die Auferlegung der Verantwortung des Mieters für eine Betriebsstörung, wenn diese durch eine Nutzung des Fahrzeuges entgegen einer Angabe in den genannten Unterlagen verursacht wurde. Die Beklagte wird einem Mieter eine in diesem Sinn sachwidrige Nutzung vorhalten und ihn für Schäden haftbar machen. Ein Mieter wird deshalb gehalten sein, „die Handbücher, Fahrzeugunterlagen und Herstellerangaben“ vor Antritt einer Fahrt zu studieren, um nicht in die Gefahr einer sachwidrigen Nutzung zu gelangen. Dabei bleibt es nach der Klausel offen, um welche konkreten Unterlagen es sich handelt. Die Verwendung des Plurals bei den Handbüchern lässt vermuten, dass es für Fahrzeuge mehrere Handbücher gibt, die es zu studieren gilt. Auch bei den Fahrzeugunterlagen verwendet die Beklagte den Plural, wobei offenbleibt, was die Beklagte zu den „Unterlagen“ im Einzelnen zählt. Gleiches gilt für die Herstellerangaben. Es bleibt auch offen, wie ein Mieter in den Besitz der genannten Bücher Unterlagen und Angaben gelangen kann. Denn nach der Klausel beschränkt sich die Lektüre nicht auf diejenigen Dokumente, die sich in dem Fahrzeug ggf. befinden, sondern auch auf solche Dokumente, die darüber hinaus zu diesem Fahrzeug existieren. Ein Mieter wird deshalb vor Fahrtantritt zu recherchieren haben, welche Bücher, Unterlagen und Herstellerangaben zu dem anzumietenden Fahrzeug vorhanden sind und wie er in den Besitz dieser Dokumente gelangen kann, um sie zur Vermeidung eines Haftungsrisikos zu studieren.
Auf der Grundlage der kundenfeindlichsten Auslegung benachteiligt eine solche Verpflichtung einen Mieter, der Verbraucher ist, unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 06.04.2023
2-24 O 133/22
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine Klausel in des AGB eines Mietwagenanbieters unwirksam ist, wenn Kunden danach die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck prüfen sowie ggf. korrigieren müssen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, liegt eine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung vor, die mit deren wesentlichen Grundgedanken dieser Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - VII ZR 170/16 Rn. 17, BauR 2017, 1202). Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und damit für die Bestimmung der für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung heranzuziehenden wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 - VIII ZR 344/13 Rn. 31 m.w.N., BGHZ 201, 363). Entscheidend sind die durch die Klausel konkret verdrängten gesetzlichen Vorschriften, die im Streitfall auf das vertraglich begründete Rechtsverhältnis anwendbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41, juris Rn. 20). Die "gesetzlichen Regelungen" im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfassen dabei nicht nur Gesetze im materiellen Sinn, sondern auch ungeschriebenes Recht, wozu auch das Richterrecht sowie die von der Rechtsprechung und Rechtslehre durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung aus den allgemeinen Grundgedanken eines Rechtsgebiets oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus der Natur eines Schuldverhältnisses erarbeiteten und anerkannten Rechtssätze gehören (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269, juris Rn. 23). Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessensabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021 - XI ZR 26/20 Rn. 24 m.w.N., BGHZ 229, 344; BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 27, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten verwendete Klausel in § 9 ihrer AGB, soweit sie den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, unwirksam.
Gemäß § 535 Abs. 1 BGB obliegt es dem Vermieter, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Von dieser Pflicht entledigt sich die Beklagte, wenn sie dem Mieter eines Fahrzeuges auferlegt, den Reifendruck und die Betriebsflüssigkeiten zu prüfen und zu korrigieren. Nach dem Wortlaut der Klausel obliegt dem Mieter die Pflicht ab dem Zeitpunkt, in dem er das Fahrzeug anmietet und mit dem Fahrzeug losfährt. Dies bedeutet, dass der Mieter eines Fahrzeuges, um der Pflicht aus § 9 der AGB zu genügen, vor Fahrtantritt zu überprüfen hat, ob der Reifendruck in Ordnung ist und ob das Fahrzeug über genügend Motoröl, Getriebeöl und Bremsflüssigkeit verfügt und ob genügend Kraftstoff vorhanden ist. Ein Mieter wird sich dabei nicht auf Anzeigen im Cockpit verlassen dürfen, weil er nicht weiß, ob die Anzeigen ordnungsgemäß funktionieren. Die Beklagte beschränkt in ihrer Klausel die Pflicht zur Prüfung auch nicht auf die Kontrolle („Sichtprüfung“) der Anzeigen im Cockpit.
Die Pflicht zu Prüfung und Korrektur stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil sich ein Mieter eines Fahrzeuges darauf verlassen darf, dass der Vermieter die für den Gebrauch des Fahrzeuges notwendige Voraussetzungen geschaffen hat.
Der Einwand der Beklagten unter Hinweis auf § 23 StVO, dass die Pflicht dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug vorschriftsgemäß ist, auch den Fahrer trifft, entledigt die Beklagte nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen des Mietverhältnisses mit dem Mieter den gebrauchsgemäßen Zustand der Sache zu schaffen. Nach dem Wortlaut der Klausel tritt zudem die Pflicht zur Prüfung und Korrektur der Betriebsflüssigkeiten und des Reifendrucks nicht erst bei längerem Gebrauch des Fahrzeuges ein. Denn eine Beschränkung der Verpflichtung nach Zeit oder Entfernung sieht die Klausel nicht vor. Nach dem Grundsatz der sog. kundenfeindlichsten Auslegung können Klauseln nicht eingeschränkt zugunsten des Verwenders ausgelegt werden. Vielmehr ist die Auslegung zugrunde zu legen, die für den Verbraucher am ungünstigsten ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 34/20 –, Rn. 30, juris). Hiernach ist maßgeblich, dass einem Mieter die Pflicht zur Prüfung und Korrektur bereits ab dem Mietbeginn obliegt.
Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge die Pflicht auferlegt, die Fahrzeuge gemäß den Anweisungen in den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen sowie wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen zu lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 - VIII ZR 42/20, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 22 mwN). Bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, NJW-RR 2021, 1096 Rn. 23 mwN). Die Transparenzanforderungen dürfen aber nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grads an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 11. März 2021 - III ZR 96/20, NJW-RR 2021, 839 Rn. 25; BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 212/20 –, Rn. 47, juris; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2022 – IV ZR 185/20 –, Rn. 24, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist auch die Regelung in § 9 der AGB, soweit der Mieter die Fahrzeuge gemäß den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen hat, unwirksam. Erkennbare Intention der Klausel, insbesondere im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung (s.o.), ist die Auferlegung der Verantwortung des Mieters für eine Betriebsstörung, wenn diese durch eine Nutzung des Fahrzeuges entgegen einer Angabe in den genannten Unterlagen verursacht wurde. Die Beklagte wird einem Mieter eine in diesem Sinn sachwidrige Nutzung vorhalten und ihn für Schäden haftbar machen. Ein Mieter wird deshalb gehalten sein, „die Handbücher, Fahrzeugunterlagen und Herstellerangaben“ vor Antritt einer Fahrt zu studieren, um nicht in die Gefahr einer sachwidrigen Nutzung zu gelangen. Dabei bleibt es nach der Klausel offen, um welche konkreten Unterlagen es sich handelt. Die Verwendung des Plurals bei den Handbüchern lässt vermuten, dass es für Fahrzeuge mehrere Handbücher gibt, die es zu studieren gilt. Auch bei den Fahrzeugunterlagen verwendet die Beklagte den Plural, wobei offenbleibt, was die Beklagte zu den „Unterlagen“ im Einzelnen zählt. Gleiches gilt für die Herstellerangaben. Es bleibt auch offen, wie ein Mieter in den Besitz der genannten Bücher Unterlagen und Angaben gelangen kann. Denn nach der Klausel beschränkt sich die Lektüre nicht auf diejenigen Dokumente, die sich in dem Fahrzeug ggf. befinden, sondern auch auf solche Dokumente, die darüber hinaus zu diesem Fahrzeug existieren. Ein Mieter wird deshalb vor Fahrtantritt zu recherchieren haben, welche Bücher, Unterlagen und Herstellerangaben zu dem anzumietenden Fahrzeug vorhanden sind und wie er in den Besitz dieser Dokumente gelangen kann, um sie zur Vermeidung eines Haftungsrisikos zu studieren.
Auf der Grundlage der kundenfeindlichsten Auslegung benachteiligt eine solche Verpflichtung einen Mieter, der Verbraucher ist, unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
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