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Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG wurde im Bundesgesetzblatt verkündet

Die Verordnung nach § 26 Absatz 2 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes und zur Änderung der Besonderen Gebührenverordnung Telekommunikation (Einwilligungsverwaltungs-Verordnung - EinwVO) wurde am 06.02.2025 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Sie tritt am 01.04.2025 in Kraft.

Volltext der Fototapeten-Entscheidung des BGH liegt vor - Keine Urheberrechtsverletzung wenn eine Fototapete auf einem Foto von Räumlichkeiten im Internet zu sehen ist

BGH
Urteile vom 11.09.2024
I ZR 140/23
Coffee
UrhG § 13 Satz 1, § 16 Abs. 1, §§ 19a, 57; BGB § 242


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Keine Urheberrechtsverletzung und keine Ansprüche des Fotografen wenn eine Fototapete auf der Abbildung von Räumlichkeiten im Internet zu sehen ist über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Eine wirksame Einwilligung in einen Eingriff in Urheberrechte setzt nicht voraus, dass die Einwilligung gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist vielmehr ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff gestattet.

b) Vertreibt ein Fotograf eine vom ihm angefertigte Fotografie ohne Einschränkungen und insbesondere ohne einen Rechtevorbehalt oder eine Urheberbezeichnung als Fototapete, liegt eine (schlichte) konkludente Einwilligung in alle Nutzungshandlungen vor, die nach den Umständen üblicherweise zu erwarten sind (Fortführung von BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 - Vorschaubilder I).

c) Zu den nach den Umständen üblicherweise zu erwartenden Nutzungen einer Fototapete gehören die Vervielfältigung in Form der Fertigung von Fotografien der mit der Fototapete ausgestatteten Räume sowie die öffentliche Zugänglichmachung dieser Fotografien im Internet durch die Nutzungsberechtigten der Räume selbst sowie durch die von ihnen beauftragten Dienstleister wie beispielsweise Ersteller von Internetseiten oder mit dem Verkauf oder der Vermietung der Räume betraute Makler. Die (schlichte) Einwilligung erstreckt sich insoweit nicht nur auf die öffentliche Zugänglichmachung der Fotografien durch den Dienstleister, die unmittelbar der Erfüllung seines Auftrags dient, sondern umfasst die öffentliche Zugänglichmachung auf Internetseiten des Dienstleisters zum Zwecke der Eigenwerbung wie beispielsweise in Hinweisen auf Referenzprojekte.

d) Die Grundsätze der konkludenten Einwilligung und die Schrankenbestimmung des unwesentlichen Beiwerks gemäß § 57 UrhG sind nebeneinander anwendbar.

e) In dem Umstand, dass ein Fotograf auf seiner als Fototapete vertriebenen Fotografie keine Urheberbezeichnung anbringen lässt, ist regelmäßig ein schlüssiger Verzicht auf sein Urheberbenennungsrecht gemäß § 13 Satz 2 UrhG zu sehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Juni 2023 - I ZR 179/22, GRUR 2023, 1619 = WRP 2023, 1469 - Microstock-Portal).

BGH, Urteil vom 11. September 2024 - I ZR 140/23 - LG Düsseldorf - AG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Keine Urheberrechtsverletzung und keine Ansprüche des Fotografen wenn eine Fototapete auf der Abbildung von Räumlichkeiten im Internet zu sehen ist

BGH
Urteile vom 11.09.2024
I ZR 139/23; I ZR 140/23; I ZR 141/23


Der BGH hat völlig zutreffend entschieden, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt und der Fotograf somit keine Ansprüche hat, wenn eine Fototapete auf der Abbildung von Räumlichkeiten im Internet zu sehen ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Urheberrechtliche Zulässigkeit der Nutzung von Abbildungen einer Fototapete

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren entschieden, dass die Nutzung von Abbildungen einer Fototapete im Internet die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte an den auf der Tapete abgedruckten Fotografien nicht verletzt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein von einem Berufsfotografen gegründetes Unternehmen, das von dem Fotografen angefertigte Lichtbilder als Fototapeten vermarktet.

Die Beklagte im Verfahren I ZR 139/23 erwarb über eine Internetseite eine Fototapete, auf der eine Fotografie abgedruckt ist, an der die Klägerin Rechte beansprucht. Die Beklagte ließ die Tapete an einer Wand in ihrem Haus anbringen. Die Tapete war in mehreren Videobeiträgen auf ihrem Facebook-Auftritt im Hintergrund zu sehen.

Die Beklagte im Verfahren I ZR 140/23 betreibt eine Web- und Medienagentur. Sie stellte ein Bildschirmfoto der von ihr gestalteten Internetseite eines Tenniscenters auf ihrer eigenen Internetseite ein. Auf dem Bildschirmfoto ist der Gastraum des Tenniscenters mit einer Fototapete zu sehen, an deren Bildmotiv die Klägerin die Urheberrechte beansprucht.

Der Beklagte im Verfahren I ZR 141/23 verwendete eine Fototapete mit einem Bildmotiv, an dem die Klägerin Rechte beansprucht, als Wandtapete in einem Zimmer des von ihm betriebenen Hotels. Die Wandtapete ist auf einem Foto erkennbar, mit dem der Beklagte seine Dienstleistungen im Internet bewarb.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Abbildungen der Fototapeten auf Fotos und Videos im Internet verletze die ihr vom Fotografen eingeräumten Nutzungsrechte an den auf den Tapeten abgedruckten Fotografien. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten sowie im Verfahren I ZR 141/23 zusätzlich auf Auskunft über den Umfang der Verwendung der Fotografie in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben. Mit den vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Die Revisionen der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Die auf § 97 Abs. 1 und 2 UrhG, § 97a Abs. 3 UrhG sowie § 242 BGB gestützten Ansprüche auf Schadensersatz, Erstattung der Abmahnkosten und Auskunftserteilung sind unbegründet, weil der durch die Beklagten jeweils vorgenommene Eingriff in das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - aufgrund einer konkludenten Einwilligung des Urhebers gerechtfertigt war.

Ob ein Verhalten des Berechtigten als schlichte Einwilligung in den Eingriff in ein durch das Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht anzusehen ist, hängt von dem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ab. Dabei ist maßgeblich, ob es um nach den Umständen übliche Nutzungshandlungen geht, mit denen der Berechtigte rechnen muss, wenn er sein Werk Nutzern ohne Einschränkungen frei zugänglich macht.

Das Berufungsgericht ist in allen Verfahren in rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung und im Einklang mit der Lebenserfahrung davon ausgegangen, dass die Vervielfältigung durch Anfertigung von Fotografien und Videoaufnahmen in mit Fototapeten dekorierten Räumen sowie das Einstellen dieser Fotografien und Videos im Internet - sowohl zu privaten als auch zu gewerblichen Zwecken - üblich ist und damit im für den Urheber vorhersehbaren Rahmen der vertragsgemäßen Verwendung der Fototapeten lag. Dem Urheber steht es frei, im Rahmen des Vertriebs vertraglich Einschränkungen der Nutzung zu vereinbaren und auf solche Einschränkungen - etwa durch das Anbringen einer Urheberbezeichnung oder eines Rechtsvorbehalts - auch für Dritte erkennbar hinzuweisen. Daran fehlte es in den Streitfällen.

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich auch die im Verfahren I ZR 140/23 in Anspruch genommene Web- und Medienagentur auf eine wirksame konkludente Einwilligung berufen konnte. Die Wirksamkeit einer Einwilligung setzt nicht voraus, dass sie gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff in seinen Rechtskreis gestattet. Nicht nur die Käufer von ohne Einschränkungen veräußerten Fototapeten, die ihre Räumlichkeiten damit dekorieren, Fotografien und Videoaufnahmen dieser Räume fertigen und diese im Internet einstellen, können sich auf eine konkludente Einwilligung des Urhebers in die dabei erfolgende Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der für die Fototapete verwendeten Fotografie berufen. Vielmehr können sich auch Dritte auf eine konkludente Einwilligung des Fotografen stützen, wenn ihre Nutzungshandlungen aus objektiver Sicht als üblich anzusehen sind.

Der Bundesgerichtshof hat außerdem die in allen Verfahren getroffene Annahme des Berufungsgerichts gebilligt, dass Ansprüche wegen Verletzung des Urheberbenennungsrechts gemäß § 13 Satz 2 UrhG nicht bestehen, weil der Urheber im Rahmen des Vertriebs der Fototapeten auf dieses Recht durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat.

Vorinstanzen:

im Verfahren I ZR 139/23

LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 23/22

AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 65/22

im Verfahren I ZR 140/23

LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 24/22

AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 62/22

im Verfahren I ZR 141/23

LG Düsseldorf - Urteil vom 27. September 2023 - 12 S 25/22

AG Düsseldorf - Urteil vom 13. Dezember 2022 - 13 C 64/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 13 UrhG

Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.

§ 16 Abs. 1 UrhG

(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. [...]

§ 19a UrhG

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

§ 97 UrhG

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. [...]

§ 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG

[...]

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. [...]



OVG Schleswig-Holstein: Bei YouTube veröffentlichte Dashcam-Aufnahmen müssen vom Uploader verpixelt werden so dass Personen und KfZ-Kennzeichen nicht zu erkennen sind

OVG Schleswig-Holstein
Urteil vom 07.08.2024
8 A 159/20


Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass bei YouTube veröffentlichte Dashcam-Aufnahmen vom Uploader verpixelt werden müssen, so dass Personen und KfZ-Kennzeichen nicht zu erkennen sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Beklagten ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO in Verbindung mit Art. 12, 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO. Gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO verfügt jede Aufsichtsbehörde – und damit auch die Beklagte – über sämtliche Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit dieser Verordnung zu bringen.

Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 DS-GVO trifft der Verantwortliche geeignete Maßnahmen, um der betroffenen Person alle Informationen gemäß den Artikeln 13 und 14 und alle Mitteilungen gemäß den Artikeln 15 bis 22 und Artikel 34, die sich auf die Verarbeitung beziehen, in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln. Die Übermittlung der Informationen erfolgt schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch.

Entgegen der Ansicht des Klägers folgen die ihn treffenden Informationspflichten bei der Erstellung von Videoaufnahmen aus Art. 13 DS-GVO und nicht aus Art. 14 DS-GVO. Insoweit besteht zwischen Art. 13 und 14 DS-GVO im Hinblick auf den Zeitpunkt der Informationspflichten ein wesentlicher Unterschied. Bei Art. 13 DS-GVO sind die nach der Vorschrift erforderlichen Informationen der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten zu erteilen, während bei Art. 14 DS-GVO die Informationen erst innerhalb einer angemessenen Frist nach Erlangung der personenbezogenen Daten, längstens jedoch innerhalb eines Monats erteilt werden müssen (Art. 14 Abs. 3 DS-GVO).

Art. 13 DS-GVO betrifft die Datenerhebung bei der betroffenen Person, während Art. 14 DS-GVO greift, wenn die Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden. Unter welchen Voraussetzungen von einer Datenerhebung bei der betroffenen Person auszugehen ist, ist Art. 13 und 14 DS-GVO nicht zu entnehmen.

Die Abgrenzung der Datenerhebung nach Art. 13 DS-GVO von derjenigen nach Art. 14 DS-GVO hat nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters nach objektiven Kriterien zu erfolgen, insbesondere anhand des Ortes der Datenerhebung (vgl. Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 14 Rn. 30) oder der Mitwirkung der betroffenen Person. Einer Abgrenzung nach subjektiven Kriterien, insbesondere der Kenntnis der betroffenen Person von der Datenerhebung (vgl. dazu Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO - BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 13 Rn. 4) stehen einerseits Abgrenzungsschwierigkeiten entgegen und der Umstand, dass der Verantwortliche anderenfalls durch offene oder verdeckte Datenerhebung wählen könnte, ob Art. 13 oder 14 DS-GVO eingreift. Letzteres wiederum hätte zur Folge, dass sich der Verantwortliche den Informationspflichten letztendlich vollständig durch verdeckte Datenerhebungen entziehen könnte, weil die betroffenen Personen dem Verarbeitenden oftmals unbekannt sind mit der Folge, dass Informationen im Nachhinein aus tatsächlichen Gründen nicht mehr erteilt werden können und der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO griffe (Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 13 f.). Dies ist mit dem in Erwägungsgrund 6 DS-GVO normierten Ziel der Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus trotz Zunahme des Datenaustausches nicht zu vereinbaren.

Vor diesem Hintergrund sind Videoaufzeichnungen unabhängig von der Frage, ob es sich um offene (mit Hinweisschild oder ähnlichem Hinweis) oder verdeckte Aufzeichnungen handelt, als Datenerhebung bei der betroffenen Person nach Art. 13 DS-GVO anzusehen (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 15; a. A. Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 13 Rn. 11b; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 14 DS-GVO Rn. 31.2).

Die Differenzierung nach offenen und verdeckten Videoaufzeichnungen hätte auch hier zur Folge, dass der Verantwortliche im Ergebnis selbst wählen könnte, ob Art. 13 oder 14 DS-GVO einschlägig ist, indem er die Videoaufzeichnung entweder offen oder verdeckt ausführt. Dies hätte wiederum zur Folge, dass bei verdeckten Videoaufzeichnungen letztendlich oft keine Informationspflichten eingehalten werden müssten, weil die aufgezeichneten Personen dem Verantwortlichen unbekannt sind und deshalb der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO greift (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 13 f.).

Bezogen auf das streitgegenständliche Filmen mittels einer auf das Autodach montierten Kamera hätte die Abgrenzung nach dem subjektiven Merkmal der Kenntnis zudem Abgrenzungsprobleme in der Form zur Folge, dass der Kläger jeweils prüfen müsste, ob die Person die Kamera gesehen und damit Kenntnis von den Videoaufzeichnungen hat. In diesem Fall griffe dann Art. 13 DS-GVO. Im anderen Fall, in dem die betroffene Person die Kamera nicht gesehen hat, griffe Art. 14 DS-GVO ein und der Kläger müsste die darin normierten nachträglichen Informationspflichten erfüllen. Dazu müsste der Kläger bei jeder gefilmten Person prüfen, ob diese die Kamera gesehen beziehungsweise auf irgend eine Art davon Kenntnis erlangt hat. Bei allen anderen Personen müsste er prüfen, ob er die Informationen nachträglich erteilen kann oder der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO greift. Diese Vorgehensweise erscheint nicht praxistauglich.

Der Kläger ist ausgehend von diesen Maßstäben nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO verpflichtet, der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung die berechtigten Interessen mitzuteilen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden, wenn die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO beruht.

Der Kläger hat sich vorliegend insbesondere auf seine Kunstfreiheit und seine Berufsfreiheit und damit auf berechtigte Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO berufen.

Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO erfolgt die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch. Jedenfalls über seine berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO kann der Kläger auch in der von ihm gewählten Form informieren, dass sich auf dem Kraftfahrzeug ein Hinweis auf seine Website befindet, auf der dann wiederum die erforderlichen Informationen nachzulesen sind. Insoweit ist ein Medienbruch zulässig (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 12 Rn. 16). Gewisse Verarbeitungssituationen lassen es schlichtweg nicht zu, sämtliche Transparenzinformationen unmittelbar zur Verfügung zu stellen (vgl. Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSH, 3. Aufl. 2022, Art. 13 DS-GVO Rn. 43).

So ist auch hier zu berücksichtigen, dass beim Vorbeifahren eines Kraftfahrzeuges nur in begrenztem Umfang auf dem Kraftfahrzeug angebrachte Informationen von den betroffenen Personen wahrgenommen werden können und diese deshalb auf die essentiellen Informationen beschränkt werden müssen. Dazu zählen die berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO nicht. Hier ist es ausreichend, wenn die betroffenen Personen die Informationen auf Sekundärebene über eine Website abrufen können.

Vor diesem Hintergrund ist auch Ziffer 4 des Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit sich die Nachweispflicht mittels eines Fotos auf die Pflicht bezieht, bei der Anfertigung von personenbezogenen Filmaufnahmen sichtbar darauf hinzuweisen, welche berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO durch die Anfertigung der Filmaufnahmen verfolgt werden.

Im Übrigen sind Ziffer 3 und 4 des Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die für die betroffenen Personen essentiellen Informationen nach Art. 13 Abs. 1 DS-GVO müssen ohne Medienbruch bei der Verarbeitung mitgeteilt werden (vgl. Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSH, 3. Aufl. 2022, Art. 13 DS-GVO Rn. 43). Dazu zählen jedenfalls die von der Beklagten angenommenen Hinweise darauf, dass Filmaufnahmen für den Zweck der Veröffentlichung im Internet erstellt werden (Art. 12 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO), wer Verantwortlicher der Verarbeitung ist sowie dessen Kontaktdaten (Art. 12 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO).

Diese überschaubare Anzahl an Daten kann bei gefilmten Personen bei einem Hinweis auf dem Kraftfahrzeug des Klägers noch wahrgenommen werden. Gleichzeitig ist die Information über diese Daten für die Wahrung der Rechte der betroffenen Personen notwendig, damit auch Personen mit wenig Medienkompetenz hinreichend informiert sind und ihre Rechte möglichst umfassend ausüben können.

Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides ist hinsichtlich der nicht zu beanstandenden Informationspflichten nach Ziffer 3 des Bescheides ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO. Danach verfügt Jede Aufsichtsbehörde über sämtliche Untersuchungsbefugnisse, die es ihr gestatten, unter anderem den Verantwortliche anzuweisen, alle Informationen bereitzustellen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind.

Das von der Beklagten geforderte Foto ist notwendig, um überprüfen zu können, ob der Kläger die von der Beklagten geforderten Informationspflichten nach Art. 13 DS-GVO beachtet. Dazu ist die Beklagte nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO verpflichtet. Ermessensfehler sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. An der Verhältnismäßigkeit bestehen keine Zweifel.

Im Übrigen ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Zunächst leidet der Bescheid nicht an fehlender Bestimmtheit. Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, Urt. v. 15. Februar 1990 – 4 C 41.87 – juris Rn. 29).

Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts. Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, sodass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 2013 – 8 C 21.12 – juris Rn. 14).

Gemessen an diesen Maßstäben ist der Bescheid hinreichend bestimmt. Für den Kläger ist unter Berücksichtigung von Tenor und Begründung des Bescheides hinreichend klar, unter welchen Voraussetzungen die Aufnahmen so verändert werden müssen, dass Personen, nicht mehr anhand ihrer äußerlichen Erscheinung identifiziert werden können (Ziffer 1 und 2 des Bescheides) und was für ein Foto er einreichen soll (Ziffer 4 des Bescheides).

Dies ist bei Auslegung des Bescheides aus dem objektiven Empfängerhorizont immer dann der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände des Straßenverkehrs nicht mehr die Straße und die sie umgebende Landschaft die Aufnahme prägt. In den vom Kläger bislang veröffentlichten Aufnahmen prägt – im fließenden Verkehr – ganz überwiegend die Straße und die sie umgebende Straßenlandschaft das Bild. Gelegentlich passiert der Kläger dabei Personen, die jedoch im Hintergrund bleiben und kaum zu erkennen sind.

Anders verhält es sich unterdessen, wenn Personen aufgrund der äußeren Umstände der Verkehrssituation dicht an die auf dem Fahrzeugdach montierte Kamera herantreten, insbesondere an Ampeln, bei Verkehrsüberwegen und an Kreuzungen. In diesem Fall gerät die Person – angesichts der geringen Geschwindigkeit eines Fußgängers, Fahrradfahrers etc. über einen längeren Zeitraum – in den Fokus der Aufnahme mit der Folge, dass die Straße und die Straßenlandschaft verdeckt wird und in den Hintergrund gerät.

Zugegebenermaßen verbleiben dabei Abgrenzungsschwierigkeiten, weil nicht anhand fester Kriterien vom Kläger oder einem eingesetzten Algorithmus festgestellt werden kann, wie lange etwa eine Person aufgezeichnet werden muss, welchen Anteil sie vom Bildausschnitt ausfüllen muss beziehungsweise ab welcher Entfernung zur Kamera eine Anonymisierung zu erfolgen hat. Derartige feste Kriterien sind jedoch für die Abgrenzung nicht geeignet, weil anhand festgelegter Werte die Umstände der jeweils gegebenen konkreten Situation der Aufnahme nicht hinreichend gewürdigt werden können. Verbleibende Abgrenzungsschwierigkeiten sind in Kauf zu nehmen.

Dies vorangestellt hat die Beklagte zu Recht die Abgrenzungskriterien der sogenannten Beiwerk-Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG entsprechend herangezogen.

Nach dieser Vorschrift dürfen ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen. Auch hier ist die Abgrenzung zwischen Haupt- und Beiwerk schwierig.

Die Vorschrift stellt in erster Linie auf das Verhältnis des Abgebildeten zu der übrigen Aussage des Bildes, auf seinen Stellenwert im Gesamteindruck des Bildes, nicht auf den Grad seiner Erkennbarkeit ab. Von einem Beiwerk in diesem Sinn kann grundsätzlich dann keine Rede sein, wenn die Person das Bild fast ganz ausfüllt (BGH, Urt. v. 26. Juni 1979 – VI ZR 108/78 – juris Rn. 18). Maßgeblich ist, ob entsprechend dem Gesamteindruck der Veröffentlichung die Landschaft oder die sonstige Örtlichkeit Abbildungsgegenstand ist und die einzelnen Abgebildeten nur "bei Gelegenheit" erscheinen oder ob einzelne aus der Anonymität herausgelöst werden (LG Oldenburg, Beschl. v. 23. uar 1986 – 5 O 3667/85GRUR 1986, 464, 465). Voraussetzung hierfür ist, dass nach dem Gesamteindruck der Veröffentlichung die Landschaft der den Gesamtcharakter des Bildes prägende Abbildungsgegenstand ist und die auf dem Bild erkennbaren Personen derart untergeordnetes Beiwerk darstellen, dass sie auch entfallen könnten, ohne dass Inhalt und Charakter des Bildes sich veränderten (OLG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 14. November 1988 – 13 U 72/88 – juris Rn. 28). Die Personenabbildung muss derart untergeordnet sein, dass sie auch entfallen könnte, ohne dass Gegenstand und Charakter des Bildes sich verändern. Wesentlich ist damit, dass die Personendarstellung untergeordnet und nicht selbst Thema des Bildes ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18. August 1989 – 14 U 105/88 – juris Rn. 27). Der Stellenwert der Personen entsprechend dem Gesamteindruck des Bildes muss gegenüber dem Stellenwert der Landschaft erheblich niedriger sein (OLG München, Urt. v. 13. November 1987 – 21 U 2979/87 – juris Rn. 31).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat die Beklagte zu Recht für maßgeblich im Hinblick auf die Pflicht zur Anonymisierung darauf abgestellt, ob sich eine Person nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befindet.

In Bezug auf die in Ziffer 4 des Bescheides angeordnete Verpflichtung, durch Übersendung eines Fotos die Erfüllung der Informationspflichten nach Ziffer 3 des Bescheides nachzuweisen, bestehen im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz keine Bedenken. Es ist ohne weiteres verständlich, dass ein Foto des klägerischen Kraftfahrzeuges mit den nach Ziffer 3 des Bescheides geforderten Informationen einzureichen ist.

Rechtsgrundlage für Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO. Danach verfügt jede Aufsichtsbehörde über Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, zu verhängen.

Tatbestandsvoraussetzung für die Abhilfemaßnahmen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ist das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO. Ein solcher Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn Daten ohne entsprechende Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Dies war vorliegend der Fall.

Das Veröffentlichen von Aufnahmen, bei denen Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden und Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelesen werden können, stellt eine rechtswidrige Datenverarbeitung dar.

Bei der Veröffentlichung von Filmen, auf denen betroffene Personen zu erkennen sind, handelt es sich um personenbezogene Daten. Dazu zählen nach Art. 4 Nr. 1 Hs. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird nach Art. 4 Nr. 1 Hs. 2 DS-GVO eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt daher unter den Begriff der personenbezogenen Daten, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. EuGH, Urt. v. 11. Dezember 2014 – C-212/13 – juris Rn. 22). Dies ist jedenfalls für Personen anzunehmen, die sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden. Anhand ihrer äußeren Erscheinung können sie zumindest über Fotos sowie durch Personen, denen die äußere Erscheinung bekannt ist, identifiziert werden.

Auch Kraftfahrzeug-Kennzeichen stellen personenbezogene Daten dar, weil sie einem Halter und gegebenenfalls auch einem Fahrer zurechenbar sind (vgl. Schild in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 4 DS-GVO Rn. 21). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Halterabfragen beim Kraftfahrt Bundesamt nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.

Dies gilt uneingeschränkt für alle Kennzeichen, unabhängig davon, ob das Fahrzeug auf eine natürliche oder juristische Person zugelassen ist, weil die Kennzeichen auch bei auf juristische Personen zugelassenen Kraftfahrzeugen Rückschlüsse auf die Fahrer vermitteln können. Die DS-GVO findet nach Erwägungsgrund 14 auf juristische Personen keine Anwendung. Die hinter der juristischen Person stehenden natürliche Personen sind jedoch geschützt, wenn sich die Daten der juristischen Person auch auf sie beziehen (vgl. Gola in: Gola/Heckmann, DS-GVO - BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 4 Rn. 28). Jedenfalls Mitarbeiter oder anderweitig informierte Personen können ein Kraftfahrzeug einer juristischen Person über das Kennzeichen einer natürlichen Person als Fahrer zuordnen. So könnte etwa festgestellt werden, dass der Fahrer eines Fahrzeugs seines Arbeitsgebers (juristische Person) bei einer Dienstfahrt von der vorgegebenen Route abgewichen und in seiner Dienstzeit einer privaten Tätigkeit nachgegangen ist.

Im Einzelfall mag bei auf juristische Personen zugelassenen Fahrzeugen eine Identifizierung des Fahrers selbst unter Auswertung sämtlicher Datenquellen nicht möglich sein. Unter dem Aspekt einer praxistauglichen datenschutzrechtlichen Verfügung ist es jedoch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides diese Fälle nicht vom Anwendungsbereich ihrer Anordnung ausgenommen hat. Es ist in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich, zu erkennen, ob ein Kraftfahrzeug auf eine juristische oder eine natürliche Person zugelassen und deshalb dem Anwendungsbereich der DS-GVO unterfällt oder nicht. Dies ließe sich allenfalls durch eine Halterauskunft ermitteln. Auch Werbeaufschriften oder Ähnliches auf Fahrzeugen lassen keinen sicheren Schluss auf den Halter des Fahrzeugs zu, weil jeder Halter beziehungsweise Eigentümer eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich frei über die äußere Gestaltung seines Fahrzeugs entscheiden kann. Zudem kann der Verantwortliche nicht erkennen, ob über das Kennzeichen etwa mittels eines Fahrtenbuches möglicherweise Rückschlüsse auf den Fahrer als natürliche Person gezogen werden können.

Das von dem Bescheid der Beklagten erfasste Veröffentlichen der Filme auf der Website Youtube stellt eine Datenverarbeitung dar. Nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO bezeichnet „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie unter anderem die Speicherung und die Offenlegung durch Verbreitung.

Die Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der unter den Buchst. a bis f aufgeführten Bedingungen erfüllt ist.

Insbesondere eine Einwilligung der gefilmten Personen liegt nicht vor. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Das Filmen und die Veröffentlichung der Aufnahmen ohne Anonymisierung ist zunächst als Betätigung der von Art. 13 GRCh geschützten Kunstfreiheit, der von Art. 15 Abs. 1 GRCh geschützten Berufsfreiheit und der von Art. 16 GRCh geschützten Unternehmerischen Freiheit einzuordnen und stellt damit ein berechtigtes Interesse dar.

Die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen auch erforderlich. Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn kein anderes, gleich effektives Mittel ersichtlich ist (VG Ansbach, Urt. v. 23. Februar 2022 – AN 14 K 20.00083 – juris Rn. 40). Die Anonymisierung stellt kein gleich effektives Mittel dar, weil sie den Kläger in seiner Kunstfreiheit, Berufsfreiheit und der Unternehmerischen Freiheit beeinträchtigt.

Die Beklagte ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die Abwägung hier zu Lasten des Klägers ausfällt.

Abzuwiegen sind hier die berechtigten Interessen des Klägers als Verantwortlichen einerseits und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, andererseits. Erfasst – wie hier – derselbe Sachverhalt eine Vielzahl von betroffenen Personen, erfolgt die Abwägung anhand einer summarischen Prüfung der Belange der betroffenen Personen unter Zugrundelegung von Erfahrungswerten (Schulz in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 63).

Maßgeblich ist insoweit insbesondere die Eingriffsintensität, die Art der betroffenen Personen, die Zwecke der Datenverarbeitung sowie die Sphäre, in die eingegriffen wird (vgl. Schulz in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 63).

Die gefilmten Personen sind in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG berührt und zwar in erheblicher Weise.

Zunächst handelt es sich angesichts der Vielzahl an veröffentlichten Videos um eine erhebliche Vielzahl an betroffenen Personen, auch wenn je Video abhängig von der gefilmten Straßenlandschaft teilweise nur vereinzelt Personen in den Vordergrund des Bildausschnitts geraten. Die zufällig gefilmten Personen können sich dem Filmen zudem kaum beziehungsweise nur dann entziehen, wenn sie die Kamera bemerkt haben. Dies ist gerade bei größeren Kreuzungen oder unübersichtlicheren Verkehrssituationen oder wenn die gefilmten Personen durch Gespräche, Telefonate etc. abgelenkt sind nicht unbedingt der Fall.

Eingriffsmindernd ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass die Personen lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen sind. Die belastenden Auswirkungen der Verarbeitung auf die betroffenen Personen stellen sich zudem nach allgemeiner Lebenserfahrung und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als eher gering dar.

Dennoch überwiegen diese Interessen der betroffenen Personen die berechtigten Interessen des Klägers. Die Verpflichtung des Klägers, die veröffentlichten Filmaufnahmen aus dem öffentlichen Straßenverkehr so zu verändern, dass Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden, nicht mehr anhand ihrer äußerlichen Erscheinung identifiziert werden können und Kraftfahrzeug-Kennzeichen nicht gelesen werden können, stellt nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters einen Eingriff von geringer Intensität dar. Betroffen sind zunächst nur besondere Situationen, in denen Personen – anders als im fließenden Verkehr – in den Vordergrund geraten. Der ganz überwiegende Anteil der Aufnahmen ist nicht von der Pflicht zur Anonymisierung betroffen. Unter Würdigung der Gesamtumstände werden die vom Kläger erstellten und veröffentlichten Aufnahmen von Straßenlandschaften in ihrer Darstellung und Wirkung durch die Anonymisierung der Personen, die sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden, lediglich geringfügig beeinträchtigt, weil sich der Eindruck der Straßenlandschaft durch die Anonymisierung kaum verändert. Die abgebildete Person ist lediglich nicht mehr zu erkennen.

Erwägungsgrund 47 Satz 4 DS-GVO sieht zudem vor, dass insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen könnten.

Im öffentlichen Straßenverkehr können betroffene Personen grundsätzlich davon ausgehen, dass sie nicht gefilmt werden. Da vorliegend nichts dafür spricht, von diesem Grundsatz abzuweichen, führt auch dies zu einem Überwiegen der Interessen der betroffenen Personen.

Diese Wertung muss erst Recht für Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelten. Es mag für den Kläger zusätzlichen Aufwand bedeuten, die Kennzeichen etwa durch eine Verpixelung zu anonymisieren. Im Übrigen werden die Aufnahmen der Straßenlandschaften durch die Anonymisierung der Kennzeichen jedoch nur sehr geringfügig verändert, so dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG der Halter beziehungsweise Fahrer der gefilmten Kraftfahrzeuge überwiegt.

Rechtsfolge von Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO ist, dass der Aufsichtsbehörde bezüglich der Wahl der konkreten Abhilfemaßnahme ein Ermessen zusteht (vgl. dazu Erwägungsgrund 129 DS-GVO), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, § 114 VwGO. Vorliegend sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die Beklage hat ihr Ermessen ausgeübt, indem sie unter den verschiedenen Möglichkeiten die aus ihrer Sicht am wenigsten einschränkende, lediglich punktuelle Veränderung der Aufnahmen angeordnet hat (vgl. S. 8 des Bescheides).

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OLG Stuttgart: Übersendung von Werbung per Briefpost ohne vorherige Einwilligung auch mit den Vorgaben der DSGVO vereinbar

OLG Stuttgart
Hinweisbeschluss vom 02.02.2024
2 U 63/22


Das OLG Stuttgart hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass die Übersendung von Werbung per Briefpost ohne vorherige Einwilligung des Empfängers auch mit den Vorgaben der DSGVO vereinbar ist

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Das Landgericht hat zutreffend einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz abgewiesen. Auf die überzeugende Begründung des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

I. Insbesondere hat das Landgericht zutreffend und überzeugend herausgearbeitet, dass sowohl die Erhebung der öffentlich zugänglichen Daten als auch die der Übersendung des Werbeschreibens zugrundeliegende Verarbeitung der Daten in Übereinstimmung mit Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f DS-GVO erfolgte.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist für die Rechtmäßigkeit einer Direktwerbung nicht Voraussetzung, dass bereits eine Kundenbeziehung besteht. Bei seiner Auslegung des Artikels 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f DS-GVO hat das Landgericht überzeugend den Erwägungsgrund Nr. 47 herangezogen, der die Direktwerbung beispielhaft als berechtigtes Interesse im Sinne der genannten Norm anerkennt. Unter diesem Begriff versteht die Verordnung – etwa in Artikel 21 Absatz 2 DS-GVO – jede unmittelbare Ansprache der betroffenen Person, etwa durch Zusendung von Briefen (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO, 4. Aufl. 2024, Artikel 21 DS-GVO Rn. 26). Weder aus Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f DS-GVO noch aus den Erwägungsgründen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Direktwerbung nur innerhalb einer bestehenden Kundenbeziehung als berechtigtes Interesse anerkannt wird. Unter dem Begriff der berechtigten Interessen sind vielmehr sämtliche rechtlichen, wirtschaftlichen oder ideellen Interessen zu verstehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 11 LA 16/20, juris Rn. 16), die auch außerhalb oder im Vorfeld einer Kundenbeziehung liegen können. Zutreffend hat das Landgericht auch gesehen, dass das berechtigte Interesse eines Dritten – hier das Interesse der X. Lebensversicherung AG an der Verteilung der Werbebotschaft – dem Interesse des Beklagten als Verantwortlichen gleichsteht.

Weiter hat das Landgericht überzeugend herausgearbeitet, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten erforderlich war. Insbesondere steht der Erforderlichkeit nicht der Einwand der Berufung entgegen, dass auch eine Übersendung der Werbung per elektronischer Post möglich wäre. Zwar sollen personenbezogene Daten nicht verarbeitet werden, wenn der Zweck der Verarbeitung in zumutbarer Weise durch andere Mittel erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen eingreifen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, Rn. 108). Dabei kann der Kläger die Beklagte allerdings nicht darauf verweisen, die Zusendung elektronischer Nachrichten sei weniger belastend für Betroffene. Nach der Wertung der deutschen Rechtsordnung stellt die Versendung elektronischer Nachrichten ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung vielmehr eine unzumutbare Belästigung dar (vgl. § 7 Absatz 2 Nr. 2 UWG), während die Zusendung eines Briefes mit einer sofort als Werbung erkennbaren Botschaft als zulässig bewertet wird (BGH, Urteil vom 30. April 1992 – I ZR 287/90, juris Rn. 14 – Briefwerbung; BGH, Urteil vom 3. März 2011 – I ZR 167/09, juris Rn. 19 – Kreditkartenübersendung).

Weiter hat das Landgericht auch überzeugend die Interessen der Streitparteien miteinander abgewogen und ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Klägers die Interessen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin jedenfalls nicht überwiegen. Alleine das Interesse des Klägers, keine Werbung zu erhalten, führt nicht zu einer ihm günstigen Interessenabwägung. Erst wenn er einen Widerspruch erhebt, ist die künftige Direktwerbung unzulässig (Artikel 21 Absatz 2 DS-GVO).

II. Zutreffend hat das Landgericht auch die weiteren gerügten Handlungen nicht als Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung bewertet. Insbesondere wurde der Kläger ganz offenkundig nicht im Sinne von Artikel 22 Absatz 1 DS-GVO einer ihm gegenüber verbindlichen oder erheblich beeinträchtigenden Entscheidung unterworfen, die auf einer automatisierten Verarbeitung seiner Daten getroffen wurde (sog. Profiling). Eine derartige beeinträchtigende Entscheidung legt der Kläger schon nicht dar.

Auch die Behauptung, dass die Beklagte dem Kläger eine unvollständige Auskunft über die Verarbeitung seiner Daten erteilt habe, kann nicht festgestellt werden. Vorgerichtlich wurde danach nicht gefragt, und in der ersten Instanz hat die Beklagte ausgeführt, die personenbezogenen Daten des Klägers nicht mit zusätzlichen Informationen verknüpft zu haben. Auf die Frage, ob eine unvollständige Auskunft überhaupt zu einem Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 DS-GVO führen kann, kommt es nicht mehr an (zum Streitstand: OLG Stuttgart, Urteil vom 22. November 2023 – 4 U 20/23, juris Rn. 381 ff.).

III. Unabhängig davon, dass datenschutzrechtliche Verstöße nicht feststellbar sind, hat der Kläger auch nicht ausreichend dargelegt, einen Schaden erlitten zu haben. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht erforderlich, dass der Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit überschreitet. Gleichwohl löst der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der Verordnung einen Schadensersatzanspruch noch nicht aus. Es muss vielmehr festgestellt werden, dass tatsächlich ein Schaden entstanden ist (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 – C-300/21, Rn. 42, 51). Insoweit beruft sich der Kläger auf eine mit dem Verlust der Daten seelisch belastende Ungewissheit über das Schicksal der Daten. Dieser Vortrag genügt nicht für die Darlegung eines Schadens, denn es muss festgestellt werden können, ob die Befürchtung einer künftigen missbräuchlichen Datenverwendung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2023 – C-340/21, Rn. 85). Dies ist jedoch nicht ersichtlich auf der Grundlage der überzeugenden und unangefochtenen Feststellung des Landgerichts, dass die Beklagte die personenbezogenen Daten nicht an Dritte übermittelt hat. Zudem hat die Beklagte die Daten gelöscht bzw. intern mit einem Sperrvermerk versehen, um künftige Werbesendungen zu verhindern.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Microsoft haftet für Setzen von Cookies ohne Einwilligung über Websites Dritter

OLG Frankkfurt
Urteil vom 27.06.2024
6 U 192/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Microsoft für das Setzen von Cookies ohne Einwilligung über Websites Dritter haftet.

Die Pressemitteilung des Gericht:
Cookie-Speicherung: Microsoft haftet für einwilligungsfreie Cookie-Speicherung über Webseiten Dritter

Willigen Endnutzer nicht in die Speicherung von Cookies auf ihren Endgeräten gegenüber den Webseiten-Betreibern ein, die Cookies verwenden, haftet die hier beklagte Microsoft-Tochter für die mit ihrer Unternehmenssoftware begangene Rechtsverletzung. Es entlastet sie nicht, dass nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Webseiten-Betreiber für die Einholung der Einwilligung verantwortlich sind. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung Microsoft verpflichtet, es zu unterlassen, ohne Einwilligung Cookies auf Endeinrichtungen der Klägerin einzusetzen.

Die Klägerin wendet sich gegen die Speicherung und das Auslesen sog. Cookies zu werblichen Zwecken auf ihren Endgeräten ohne ihre Einwilligung. Die Beklagte gehört zur Microsoft Corporation (i.F: „Microsoft“). Ihr Dienst „Microsoft Advertising“ ermöglicht es Webseiten-Betreibern, Anzeigen in den Suchergebnissen des „Microsoft Search Network“ zu schalten und den Erfolg ihrer Werbekampagnen zu messen. Über Microsoft Advertising können u.a. Informationen über die Besucher einer Webseite gesammelt und für die Besucher zielgerichtete Anzeigen geschaltet werden. Für die Erfassung der Onlineaktivitäten und Interessen der Nutzer verwendet die Beklagte sog. Cookies. Webseiten-Betreibern wird von der Beklagten ein Code zur Verfügung gestellt, den diese in ihre eigene Webseite bzw. dortige Anwendungen integrieren. Sobald die Seite aufgerufen wird, wird der Cookie gesetzt bzw. ein schon vorhandener ausgelesen. Das Setzen von Cookies wird ausschließlich von den Betreibern der Webseiten durch eine entsprechende Programmierung der Seite veranlasst. Microsoft verpflichtet die Betreiber der Webseiten vertraglich, für die erforderlichen Einwilligungen zu sorgen.

Die Klägerin besuchte Webseiten Dritter. Sie behauptet, dass ohne ihre Einwilligung Cookies auf ihrem Gerät gesetzt worden seien und begehrt von der Beklagten, es zu unterlasen, auf ihren Endgeräten ohne ihre Einwilligung Cookies einzusetzen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die vor dem OLG Erfolg hatte. Der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch zu. Durch das Setzen von Cookies habe die Beklagte gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen. Die Klägerin habe substantiiert vorgetragen, dass auf ihren Geräten Cookies beim Besuch mehrerer Internetseiten ohne ihre Einwilligung gespeichert worden seien. Das Gesetz verpflichte auch die Beklagte. Es verbiete „jedermann den Zugriff auf vernetzte Endeinrichtungen ohne die Einwilligung des Endnutzers“, betont der Senat. Damit erfasse es jeden Akteur, der eine konkrete Speicher- oder Zugriffshandlung beabsichtige. Die Beklagte hafte auch als Täterin für diese Rechtsverletzung. Sie speichere die Informationen in Form von Cookies auf den Endeinrichtungen der Nutzer, sobald die entsprechende Anforderung durch den von ihr bereit gestellten Programmcode auf der vom Nutzer besuchten Internetseite ausgelöst werde. Zudem greife sie auf die hinterlegten Informationen zu, in dem sie sich diese von den Betreibern der Internetseiten zur Verfügung stellen lasse, nachdem diese die Informationen ausgelesen haben. Sie habe damit die Speicherung der Cookies ohne Einwilligung adäquat kausal verwirklicht.

Soweit die Beklagte sich darauf verlasse, dass die jeweiligen Webseiten-Betriebe die erforderliche Einwilligung einholten, entlaste sie dies nicht. Sie bleibe darlegungs- und beweisbelastet für den Umstand, dass die Endnutzer vor der Speicherung von Cookies auf ihren Endgeräten eingewilligt haben. Wie sie diesen Nachweis führe, obliege ihr. Sie müsste aber sicherstellen, dass diese Einwilligung vorliege. Das Gesetz gehe zu Recht davon aus, dass dieser Nachweis der Beklagten sowohl technisch - als auch rechtlich - möglich sei.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27.6.2024, Az. 6 U 192/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 3.11.2023, Az. 2-02 O 217/22)


Erläuterungen:
§ 2 TTDSG Begriffsbestimmungen
(1) Die Begriffsbestimmungen des Telekommunikationsgesetzes, des Digitale-Dienste-Gesetzes
und der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) gelten auch für dieses Gesetz, soweit in Absatz 2 keine abweichende Begriffsbestimmung getroffen wird.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind

1.„Anbieter von digitalen Diensten“ jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde digitale Dienste erbringt, an der Erbringung mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung von eigenen oder fremden digitalen Diensten vermittelt,
...

§ 25 TTDSG Schutz der Privatsphäre bei Endeinrichtungen
(1) 1Die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, sind nur zulässig, wenn der Endnutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen eingewilligt hat. 2Die Information des Endnutzers und die Einwilligung haben gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 zu erfolgen.

(2) Die Einwilligung nach Absatz 1 ist nicht erforderlich,

1.wenn der alleinige Zweck der Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der alleinige Zweck des Zugriffs auf bereits in der Endeinrichtung des Endnutzers gespeicherte Informationen die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein öffentliches Telekommunikationsnetz ist oder
2.wenn die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf bereits in der Endeinrichtung des Endnutzers gespeicherte Informationen unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines digitalen Dienstes einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten digitalen Dienst zur Verfügung stellen kann.


BMDV: Entwurf der Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG - Stand 07.03.2024

Der Regierungsentwurf der Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG (Einwilligung zum Speichern von Informationen nach § 25 Abs.1 TTDSG) liegt nunmehr mit Stand vom 07.03.2024 vor.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel
§ 26 Absatz 1 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1982; 2022 I S. 1045) (TTDSG) bestimmt, dass eine unabhängige Stelle Dienste anerkennen kann, die unter anderem nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren bereitstellen, um die nach § 25 Absatz 1 TTDSG erforderliche Einwilligung von Endnutzern zu verwalten. Viele Anbieter von Telemedien greifen auf die Endeinrichtungen der Endnutzer (§ 2 Absatz 2 Nummer 6 TTDSG) zu, um hier Informationen zu speichern oder bereits gespeicherte Informationen abzurufen. Dies geschieht häufig durch den Einsatz von Cookies oder ähnlich funktionierenden Trackingtechnologien. Anhand der im Cookie oder durch ähnliche Trackingtechnologien gespeicherten Informationen kann der Webserver unter anderem den Endnutzer wiedererkennen, benutzerspezifische Einstellungen wiederherstellen, Reichweitenmessungen vornehmen, Aktivitäten nachverfolgen (sog. Tracking) oder individuelle Werbung einblenden. Nach § 25 Absatz 1 TTDSG dürfen Anbieter von Telemedien nur dann Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers speichern oder auf dort bereits gespeicherte Informationen zugreifen, wenn der Endnutzer nach Maßgabe der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1, L 314 vom 22.11.2016, S. 72, L 127 vom 23.5.2018, S. 2, L 74 vom 4.3.2021, S. 35) eingewilligt hat. Eine Ausnahme vom Erfordernis einer Einwilligung in den Einsatz von Cookies oder ähnlichen Trackingtechnologien besteht nach § 25 Absatz 2 TTDSG nur, wenn der alleinige Zweck hierfür die Übertragung einer Nachricht über ein öffentliches Telekommunikationsnetz ist oder wenn der Einsatz unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Telemediendienstes einen vom Endnutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen kann. Für das Erfordernis einer Einwilligung nach § 25 Absatz 1 TTDSG kommt es nicht darauf an, dass personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b bis f der Verordnung (EU) 2016/679 vorgesehenen Möglichkeiten, Daten ohne Einwilligung zu verarbeiten, finden hier keine Anwendung. Deshalb müssen Anbieter von Telemedien die Endnutzer bei jeder Inanspruchnahme ihres Dienstes nach einer Einwilligung in den Einsatz der unterschiedlichen Arten von Cookies oder ähnlicher Trackingtechnologien fragen. In der Praxis erfolgt dies mittels sogenannter Einwilligungsbanner. Einwilligungsbanner dienen den Anbietern von Telemedien auch dazu, Einwilligungen in die weitere Verarbeitung personenbezogener Daten nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679 einzuholen, sodass Endnutzer häufig mit einer Vielzahl von Einwilligungsbannern im Internet Anerkannte Dienste zur Einwilligungsverwaltung sollen eine anwenderfreundliche Alternative zu der Vielzahl zu treffender Einzelentscheidungen für Endnutzer schaffen. Sie verwalten die vom Endnutzer getroffene Entscheidung darüber, ob er eine Einwilligung gegenüber einem Anbieter von Telemedien erteilt oder nicht erteilt, und sie übermitteln diese Entscheidung dem Anbieter von Telemedien, wenn dieser sie nachfragt. Bekommen die Anbieter von Telemedien die Einwilligung oder die Nichterteilung der Einwilligung auf diese Weise übermittelt, sind sie nicht mehr auf eine eigene Nachfrage beim Endnutzer nach § 25 Absatz 1 Satz 1 TTDSG angewiesen. Die Endnutzer werden durch die Reduzierung von Einwilligungsanfragen entlastet.

§ 26 Absatz 2 TTDSG ermächtigt die Bundesregierung, durch eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates Folgendes zu regeln:

- die Anforderungen an nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren, die ein Dienst zur Einwilligungsverwaltung anbieten muss, um anerkannt zu werden,

- das Verfahren der Anerkennung und

- die technischen und organisatorischen Maßnahmen, damit Software zum Abrufen und Darstellen von Informationen aus dem Internet und Anbieter von Telemedien die über einen eingebundenen anerkannten Dienst zur Einwilligungsverwaltung verwalteten Einstellungen der Endnutzer hinsichtlich der Einwilligung nach § 25 Absatz 1 TTDSG berücksichtigen können.

Mit dieser Rechtsverordnung soll diese Ermächtigung umgesetzt werden.

B. Lösung
Durch die Einbindung eines anerkannten Dienstes zur Einwilligungsverwaltung soll den Endnutzern ein transparentes Werkzeug zur Verfügung stehen, mittels dessen sie ihre Einwilligungen erteilen oder nicht erteilen und ihre Entscheidungen jederzeit nachvollziehen und überprüfen können. Die Anerkennung durch eine unabhängige Stelle soll für die Endnutzer und die Anbieter von Telemedien einen Anreiz bieten, solche Dienste zur Einwilligungsverwaltung zu nutzen, und das Vertrauen in ein rechtssicheres Verfahren stärken. Für Anbieter von Telemedien bietet dieses Verfahren eine Möglichkeit, die Einwilligungen der Endnutzer nach § 25 Absatz 1 TTDSG nutzerfreundlich zu erfragen, ohne den Endnutzer bei der Inanspruchnahme ihres Dienstes durch die Einblendung ihres Einwilligungsbanners stören zu müssen. Neben der Verwaltung von erteilten und nicht erteilten Einwilligungen nach § 25 Absatz 1 TTDSG, die sich auf das Speichern und das Auslesen von Informationen auf Endeinrichtungen des Endnutzers beziehen, können die anerkannten Dienste zur Einwilligungsverwaltung auch, soweit es mit den Vorgaben von § 26 TTDSG und dieser Rechtsverordnung vereinbar ist, weitere Dienste für die Endnutzer übernehmen. Hierzu zählen beispielsweise die Geltendmachung von Datenschutz-Betroffenenrechten oder die Verwaltung von Einwilligungen in die Verarbeitung personenbezogener Daten. Letzteres kann insbesondere dann für Endnutzer und Anbieter von Telemedien vorteilhaft sein, wenn der Einsatz eines Cookies oder einer ähnlichen Trackingtechnologie die einwilligungsbedürftige Verarbeitung personenbezogener Daten zur Folge hat.


Den vollständigen Entwurf finden Sie hier:

EuGH: TC-Strings der IAB Europe sind personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO - Zur Zulässigkeit von Werbung per Real Time Bidding

EuGH
Urteil vom 07.03.2024
C-604/22
IAB Europe gegen Gegevensbeschermingsautoriteit


Der EuGH hat entschieden, dass die TC-Strings der IAB Europe personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO sind.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass eine aus einer Kombination von Buchstaben und Zeichen bestehende Zeichenfolge wie der TC‑String (Transparency and Consent String), die die Präferenzen eines Internetnutzers oder Nutzers einer Anwendung in Bezug auf dessen Einwilligung in die Verarbeitung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten durch Anbieter von Websites oder Anwendungen sowie durch Datenbroker und Werbeplattformen enthält, ein personenbezogenes Datum im Sinne dieser Bestimmung darstellt, soweit sie, wenn sie mit vertretbarem Aufwand einer Kennung wie insbesondere der IP‑Adresse des Geräts dieses Nutzers zugeordnet werden kann, es erlaubt, die betreffende Person zu identifizieren. Unter diesen Umständen schließt der Umstand, dass eine Branchenorganisation, die im Besitz dieser Zeichenfolge ist, ohne einen Beitrag von außen weder Zugang zu den Daten hat, die von ihren Mitgliedern im Rahmen der von ihr aufgestellten Regeln verarbeitet werden, noch diese Zeichenfolge mit anderen Elementen kombinieren kann, nicht aus, dass diese Zeichenfolge ein personenbezogenes Datum im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2. Art. 4 Nr. 7 und Art. 26 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 sind dahin auszulegen, dass

– zum einen eine Branchenorganisation, soweit sie ihren Mitgliedern einen von ihr aufgestellten Regelungsrahmen in Bezug auf die Einwilligung im Bereich der Verarbeitung personenbezogener Daten anbietet, der nicht nur verbindliche technische Vorschriften enthält, sondern auch Vorschriften, die detailliert festlegen, wie personenbezogene Daten, die diese Einwilligung betreffen, gespeichert und verbreitet werden müssen, als „gemeinsam Verantwortlicher“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen ist, wenn sie unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles aus Eigeninteresse auf die betreffende Verarbeitung personenbezogener Daten Einfluss nimmt und damit gemeinsam mit ihren Mitgliedern die Zwecke der und die Mittel zur betreffenden Verarbeitung festlegt. Der Umstand, dass eine solche Branchenorganisation selbst keinen unmittelbaren Zugang zu den von ihren Mitgliedern innerhalb dieses Regelungsrahmens verarbeiteten personenbezogenen Daten hat, schließt nicht aus, dass sie ein gemeinsam Verantwortlicher im Sinne dieser Bestimmungen sein kann;

– zum anderen sich die gemeinsame Verantwortlichkeit dieser Branchenorganisation nicht automatisch auf die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten durch Dritte, wie beispielsweise Anbieter von Websites oder Anwendungen, erstreckt, was die Nutzerpräferenzen für gezielte Online-Werbung betrifft.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Versteigerung von personenbezogenen Daten für Werbezwecke: der Gerichtshof stellt die Regeln auf der Grundlage der DSGVO klar

Wenn ein Nutzer eine Website oder eine Anwendung mit einem Werbeplatz aufruft, können Werbeunternehmen, Datenbroker und Werbeplattformen, die Tausende von Werbetreibenden vertreten, anonym in Echtzeit Gebote abgeben, um diesen Werbeplatz zu erhalten und dort auf das Profil des Nutzers abgestimmte Werbung anzuzeigen (Real Time Bidding).

Bevor jedoch eine solche gezielte Werbung angezeigt wird, muss die vorherige Einwilligung des Nutzers zur Erhebung und Verarbeitung seiner Daten (insbesondere seinen Standort, sein Alter, den Verlauf seiner Suchanfragen und seine zuletzt getätigten Einkäufe betreffend) für bestimmte Zwecke, wie u. a. Marketing oder Werbung, oder zum Austausch dieser Daten mit bestimmten Anbietern eingeholt werden. Der Nutzer kann dem auch widersprechen.

IAB Europe ist ein Verband ohne Gewinnerzielungsabsicht mit Sitz in Belgien, der Unternehmen der digitalen Werbe- und Marketingindustrie auf europäischer Ebene vertritt. IAB Europe hat eine Lösung entwickelt, die dieses Versteigerungssystem mit der DSGVO in Einklang bringen können soll. Die Nutzerpräferenzen werden in einem aus einer Kombination von Buchstaben und Zeichen bestehenden String kodiert und gespeichert, der als „Transparency and Consent String“ (TC-String) bezeichnet wird und der mit Brokern für personenbezogene Daten und Werbeplattformen geteilt wird, damit diese wissen, worin der Nutzer eingewilligt oder wogegen er Widerspruch eingelegt hat. Auf dem Gerät des Nutzers wird auch ein Cookie gespeichert. Miteinander kombiniert, können der TC-String und das Cookie der IP-Adresse dieses Nutzers zugeordnet werden.

Im Jahr 2022 stellte die belgische Datenschutzbehörde fest, dass der TC-String ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstelle und dass IAB Europe als Verantwortlicher aufgetreten sei, ohne die Vorschriften der DSGVO vollständig einzuhalten. Die Behörde verhängte gegen IAB Europe mehrere Abhilfemaßnahmen sowie eine Geldbuße. IAB Europe focht diese Entscheidung an und wandte sich an den Appellationshof Brüssel, der dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

Mit seinem Urteil bestätigt der Gerichtshof, dass der TC-String Informationen über einen identifizierbaren Nutzer enthält und somit ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstellt. Anhand der in einem TC-String enthaltenen Informationen kann nämlich, wenn sie einer Kennung wie insbesondere der IP-Adresse des Geräts des Nutzers zugeordnet werden, ein Profil dieses Nutzers erstellt und die betreffende Person identifiziert werden.

Darüber hinaus ist IAB Europe als „gemeinsam Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO anzusehen. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen scheint diese Organisation nämlich bei der Speicherung der Einwilligungspräferenzen der Nutzer in einem TC-String auf die Verarbeitungen personenbezogener Daten Einfluss zu nehmen und gemeinsam mit ihren Mitgliedern sowohl die Zwecke dieser Verarbeitungen als auch die ihnen zugrunde liegenden Mittel festzulegen. Allerdings kann, unbeschadet einer etwaigen im nationalen Recht vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung, IAB Europe für Datenverarbeitungen, die nach der Speicherung der Einwilligungspräferenzen der Nutzer in einem TC-String erfolgen, nur dann als im Sinne der DSGVO verantwortlich angesehen werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser Verband Einfluss auf die Festlegung der Zwecke und Modalitäten dieser Weiterverarbeitungen ausgeübt hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Cookie-Banner muss so gestaltet sein dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist - Schließen des Cookie-Banners mit "X" ist keine wirksame Einwilligung

OLG Köln
Urteil vom 19.01.2024
6 U 80/23


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Cookie-Banner so gestaltet sein muss, dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist. Zudem hat das Gericht entschieden, dass das Schließen des Cookie-Banners mit "X" keine wirksame Einwilligung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Durch eine Gestaltung der Cookie-Banner wie in der vom Kläger in Bezug genommenen konkreten Verletzungsform wird dem Verbraucher weder auf der ersten noch auf der zweiten Ebene eine gleichwertige, mithin auf klaren und umfassenden Informationen beruhende, Ablehnungsoption angeboten, weshalb er – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – zur Abgabe der Einwilligung hingelenkt und von der Ablehnung der Cookies abgehalten wird, so dass die erteilte Einwilligung nicht als freiwillig und hinreichend aufgeklärt im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art. 4 Nr. 11 DSGVO angesehen werden kann. Die erste Ebene enthält überhaupt keine Ablehnungsoption für den Verbraucher. Vielmehr kann dieser durch den Button „Einstellungen“ lediglich auf die zweite Ebene gelangen. Hier hat der Verbraucher dann die Auswahl zwischen dem Button „Alles Akzeptieren“ und dem Button „Speichern“. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, erschließt sich dem Durchschnittsnutzer aber bereits nicht, welche Funktion sich konkret hinter dem jeweiligen Button verbirgt bzw. mit welchem Button er nunmehr tatsächlich die Ablehnung der Cookies erreichen kann. Die Beklagte hat in erster Instanz selbst wiederholt ausgeführt, dass für den Verbraucher eine echte Wahlmöglichkeit gegeben sein müsse. Dies ist indes bei der hier aufgezeigten Gestaltung der Cookie-Banner gerade nicht der Fall.

Die Zurückweisung des Antrages zu b) – den der Kläger in der Berufungsinstanz in unveränderter Form gestellt hat – ist durch das Landgericht zu Unrecht erfolgt. Auch wenn der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung zunächst dahingehend positioniert hat, dass es ihm gerade auf den Einschub zu a) ankomme und daher allenfalls dieser von dem beantragten Verbot isoliert erfasst sein solle, hat er letztlich den Antrag wie angekündigt gestellt und demgemäß hieran gerade nicht festgehalten. Durch die Verknüpfung und/oder bestand zwischen den Anträgen zu a) und b) ein echtes Alternativverhältnis, weshalb das Landgericht auch isoliert über den Antrag zu b) hätte entscheiden müssen. Eine andere Auslegung lässt entgegen der Auffassung der Beklagten auch das den Antrag zu b) einleitende Wort „dabei“ nicht zu, da dies ohne weiteres auch Sinn ergibt, wenn dieser Antrag nur isoliert geltend gemacht wird.

Dieser hinreichend bestimmte Antrag hat in der Sache ebenfalls Erfolg. Die Gestaltung der Cookie-Banner mit dem verlinkten Button „Akzeptieren & Schließen X“ in der rechten oberen Ecke verstößt gegen die Grundsätze von Transparenz und Freiwilligkeit der Einwilligung und führt zu deren Unwirksamkeit. Insoweit kann wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Das „X“-Symbol ist Nutzern bekannt als Möglichkeit, um ein Fenster zu schließen, nicht aber, um in die Verwendung von Cookies und anderen Technologien durch den Websitebetreiber einzuwilligen. Dass hiermit eine Einwilligung erklärt wird, wird dem durchschnittlichen Nutzer nicht bewusst sein. Zwar steht unmittelbar neben dem „X“- Symbol „Akzeptieren & Schließen“. Die Verknüpfung dieser beiden Funktionen ist aber irreführend und intransparent für die Nutzer. Auch wird für die Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei „Akzeptieren & Schließen“ und dem „X“-Symbol um ein und denselben Button handelt. Vor diesem Hintergrund kann die Einwilligung mithilfe des „X“-Symbols weder als unmissverständlich oder eindeutig bestätigend, noch als freiwillig im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art 4 Nr. 11 DSGVO bewertet werden


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Karlsruhe: Fernsehbeitrag „MAKE BORIS R!CH AGAIN“ von Oliver Pocher verletzt allgemeines Persönlichkeitsrecht von Boris Becker

OLG Karlsruhe
Urteil vom 28.11.2023
14 U 620/22


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass der Fernsehbeitrag „MAKE BORIS R!CH AGAIN“ von Oliver Pocher das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Boris Becker verletzt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Berufungssache Becker gegen Pocher – Oberlandesgericht Karlsruhe untersagt die Veröffentlichung von Bildsequenzen aus der Sendung „Pocher – gefährlich ehrlich“

Anlass der zivilrechtlichen Streitigkeit zwischen dem Kläger (Boris Becker) und dem Beklagten (Oliver Pocher) ist ein am 29.10.2020 ausgestrahlter etwa 15-minütiger Beitrag in der vom Beklagten moderierten RTL-Fernsehsendung „Pocher – gefährlich ehrlich“. In dem Beitrag wird dem Kläger ein „Fake“-Modepreis („Fashion Brand Award“) einer frei erfundenen Zeitschrift für eine vom Kläger betriebene Modelinie verliehen.

Der Kläger sieht durch die Verwendung der durch Täuschung erlangten Videoaufnahmen sein Persönlichkeitsrecht verletzt und hatte den Beklagten beim Landgericht Offenburg auf Unterlassung der Verbreitung sowie auf Löschung der aufgezeichneten Film- und Bildaufnahmen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hatte die Klage mit Urteil vom 15. November 2022 abgewiesen, weil im konkreten Fall die Meinungs- und Rundfunkfreiheit, auf die sich der Beklagte berufen könne, gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers Vorrang genieße.

Der Kläger hatte gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht Karlsruhe Berufung eingelegt und hat durch ein heute verkündetes Urteil Recht bekommen. Dem Beklagten ist es nun untersagt, die strittigen Bildsequenzen weiterhin zu verbreiten. Außerdem muss er die Bildsequenzen löschen, soweit sie im Rahmen seiner eigenen Internetpräsenz veröffentlicht sind.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ausgeführt, dass keine wirksame Einwilligung des Klägers zur Verwendung der angefertigten Bildsequenzen vorgelegen habe, weil der Kläger vom Beklagten bewusst über den Zweck der Aufnahmen getäuscht worden sei. Während dem Kläger vorgespiegelt worden sei, einen ernst gemeinten, echten Preis für sein Modelabel zu erhalten, habe der tatsächliche Zweck darin bestanden vorzuführen, wie der Kläger ohne sein Wissen zur Annahme einer in die Trophäe eingearbeiteten „Spendensumme“ veranlasst wird.

Eine Verwendung der Bildsequenzen ohne Einwilligung des Klägers wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die strittigen Aufnahmen dem Bereich der „Zeitgeschichte“ zuzuordnen wären. Dies sei – nach einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungs- und Rundfunkfreiheit des Beklagten – allerdings nicht anzunehmen.

Zwar sei bei Ausstrahlung der Sendung aufgrund des Insolvenzverfahrens und der Berichte über die strafrechtlichen Ermittlungen das öffentliche Interesse an der persönlichen und wirtschaftlichen Situation des Klägers erheblich gewesen. Dieses Informationsinteresse habe jedoch nicht dazu geführt, dass der Kläger jede Form der Verwendung seines Bildes – gleich, auf welche Weise es gewonnen wurde – habe hinnehmen müssen. Die Herstellung und Präsentation der Bildsequenzen sei durch die breit vom Beklagten in den Vordergrund gestellte Täuschung des Klägers geprägt gewesen. Der Kläger sei durch die Täuschung zu einem Objekt degradiert und zugleich dahingehend manipuliert worden, aktiv daran mitzuwirken, seine eigene Person ins Lächerliche zu ziehen. Da sich der Sendungsinhalt zudem nur ganz am Rande mit der Insolvenz und ihrer Folgen für den Kläger befasst habe, müsse dem Persönlichkeitsrecht des Klägers der Vorrang eingeräumt werden.

Der Senat hat keine Revision gegen sein Urteil zugelassen. Dennoch ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Binnen eines Monats könnte beim Bundesgerichtshof Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt werden.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Zivilsenate in Freiburg, Urteil vom 28.11.2023, Aktenzeichen: 14 U 620/22



OLG Nürnberg: Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig nicht dringlichkeitsschädlich

OLG Nürnberg
Urteil vom 24.10.2023
3 U 965/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass das Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig nicht dringlichkeitsschädlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG.

1. Ein Werbeanruf gegenüber einem Verbraucher ist bei den unstreitig im November 2022 und am 08.12.2022 erfolgten Anrufen jeweils zu bejahen. Dazu genügt es, wenn im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses die Fortsetzung oder Erweiterung der Vertragsbeziehung (vgl. BGH GRUR 1995, 220 – Telefonwerbung V; OLG Frankfurt GRUR-RR 2013, 74 (75)) angestrebt wird; ferner, wenn ein Kunde abgeworben oder ein abgesprungener Kunde zur Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung bestimmt werden soll (und sei es auch nur durch Befragen nach den Gründen seines Wechsels; vgl. BGH GRUR 1994, 380 (382) – Lexikothek) oder ein Kunde von der Ausübung eines Vertragsauflösungsrechts (Widerruf, Rücktritt, Kündigung, Anfechtung) abgehalten oder abgebracht werden soll (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 151).

2. Die Verfügungsbeklagte bleibt bei beiden Anrufen glaubhaftmachungsbelastet für das Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trägt der Werbende (BGH GRUR 2004, 517 (519) – E-Mail-Werbung I; BGH WRP 2013, 1579 Rn. 24 – Empfehlungs-E-Mail), im vorliegenden Fall somit die Verfügungsbeklagte. Wer mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher wirbt, hat nach § 7a UWG ab dem 01.10.2021 sogar dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß § 7a Abs. 2 S. 1 UWG aufzubewahren.

Hinsichtlich des Anrufs Anfang November 2022 behauptet die Verfügungsbeklagte eine Einwilligung nicht. Vielmehr ist unstreitig, dass Frau B. gegenüber der Verfügungsbeklagten – nachdem sie die Riesterrente im Oktober 2022 beitragsfrei stellte – am 18.10.2022 per E-Mail (Anlage ASt 6) eine etwaig von ihr erteilte Einwilligung zur Kontaktaufnahme widerrief, was der Verfügungsbeklagten auch zuging (Anlage ASt 7). Auf die Anfrage der Verfügungsbeklagten vom 31.10.2022 zur Vereinbarung eines Termins (Anlage AG 1) reagierte Frau B. nicht.

In Bezug auf den zweiten Anruf vom 08.12.2022 steht eine Einwilligung von Frau B. zwischen den Parteien im Streit. Während die Verfügungsbeklagte durch eidesstattliche Versicherung von Frau N. (Anlage AG 3) glaubhaft machte, dass Frau B. beim ersten Anruf im November ihr mitgeteilt habe, dass sie sich im Augenblick des Telefonats in der Arbeit befinde und deshalb um einen weiteren Anruf „in den nächsten Tagen“ bat, machte der Verfügungskläger durch eidesstattliche Versicherung von Frau B. (Anlage ASt 8) glaubhaft, dass ein derartiger Wunsch von ihr nicht geäußert worden sei. Vielmehr habe sie in diesem Telefonat mitgeteilt, dass sie – wie beim letzten Telefonat bereits erwähnt – kein Interesse an einem Termin habe und jetzt nur ran gegangen sei, um nochmal klar zu kommunizieren, dass die Verfügungsbeklagte aufhören solle, sie zu kontaktieren. Aufgrund der sich widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen bleibt die Verfügungsklägerin für eine Einwilligung glaubhaftmachungsbelastet, zumal eine hinreichende Dokumentation i.S.v. § 7a UWG von ihr nicht behauptet wird.

II.Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG ist nicht widerlegt.

1. Die Vermutung der Dringlichkeit gilt als widerlegt, wenn der Verfügungskläger durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“. Das ist der Fall, wenn er längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Entscheidend ist dabei allein der Zeitpunkt, zu welchem der Verfügungsklagepartei die maßgeblichen Tatsachen bekannt geworden sind (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2019, 131, Rn. 46 – Schnupfenmittel; OLG Nürnberg WRP 2021, 944 Rn. 38).

2. Im vorliegenden Fall ist die Vermutung der Dringlichkeit nicht durch zögerliche Antragstellung (selbst) widerlegt. Der Verfügungskläger führte auf den gerichtlichen Hinweis in der Terminsladung aus, dass er von den beiden Telefonanrufen vom November 2022 und 08.12.2022 am 21.12. oder 22.12. Kenntnis erlangt habe und dass am 23.12. Frau B. dann die Belege (Anlagen ASt 6, 7, 9 sowie den in ihrer eidesstattlichen Versicherung wiedergegebenen Screenshot des Telefonanrufs) übersandt habe. Nachdem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.01.2023 datiert, erfolgte die Antragstellung innerhalb der Monatsfrist.

Dass die Verfügungsbeklagte den Zeitpunkt der Kenntniserlangung bestreitet, führt zu keiner anderen Beurteilung. Grundsätzlich ist es Sache der Verfügungsbeklagten, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen, also eine frühere Kenntnis auf Seiten des Verfügungsklägers darzulegen und glaubhaft zu machen (OLG Hamburg, MDR 2002, 1026, juris-Rn. 26). Nur wenn objektive, darauf hindeutende Umstände vorliegen, dass der Verletzte bereits vor mehr als einem Monat vor Einleitung des Verfügungsverfahrens Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt hat, obliegt es ihm, vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass dies nicht zutrifft (OLG München, GRUR 1994, 670 [Leitsatz], MDR 1993, 688, juris-Rn. 5). Derartige objektive Umstände sind im vorliegenden Fall weder von der Verfügungsbeklagten dargetan noch ersichtlich. Zwar erfolgten die streitgegenständlichen Telefonanrufe bereits im November 2022 und 08.12.2022. Es ist jedoch keineswegs unplausibel, dass die Kundin des Verfügungsklägers, Frau S. B., diesen anlässlich eines Kundengesprächs erst am 21.12. oder 22.12.2022 über die Anrufe informierte. Dieses Datum passt auch in den vom Verfügungskläger geschilderten weiteren zeitlichen Ablauf (Übersendung der Belege durch Frau B. am 23.12.2022, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Frau B. am 28.12.2022).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund der eidesstattlichen Versicherung von Frau N. vom 16.03.2023 veranlasst, in welcher Frau N. ausführte,
„dass Frau B. mir erklärte, dass sie sich unterdessen mit ihrem Berater besprochen hätte, der ihr gesagt habe, dass sie den Riestervertrag beitragsfrei gestellt lassen solle und dass sie sich auf kein Gespräch einlassen solle.“

Zum einen bestätigt Frau B. eine derartige Äußerung in ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht. Zum anderen ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung nicht, ob Frau B. mit Berater den Verfügungskläger meinte. Schließlich kann den Ausführungen nicht entnommen werden, ob Frau B. ihren Berater auch über die unzulässigen Telefonanrufe informierte.

3. Das Ausschöpfen der zur Einlegung und Begründung der Berufung gesetzlich vorgesehenen Fristen (§ 517, § 520 Abs. 2 ZPO) ist im vorliegenden Fall nicht dringlichkeitsschädlich.

Zwar haben die gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen mit der Dringlichkeit an sich nichts zu tun (Teplitzky, WRP 2013, 1414 Rn. 10 ff.). Die Funktion der Rechtsmittelfristen ist es, in Zivilverfahren einen für beide Parteien verlässlichen zeitlichen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen ein Rechtsmittel zulässig ist. Diese Funktion wird vom Ergebnis der Dringlichkeitsprüfung nicht berührt, da das Rechtsmittel auch dann zulässig bleibt, wenn der Verfügungsgrund verneint wird.

Dennoch schließt sich der Senat der im Wettbewerbsrecht weit überwiegend vertretenen Auffassung an, wonach das volle Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen in der Regel nicht dringlichkeitsschädlich ist (MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 89; Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 12 Rn. 2.16; OLG Bremen, GRUR-RR 2015, 345 – rent a rentner; OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 77 – Verkaufsaktion für Brillenfassungen; OLG Hamburg, GRUR-RR 2018, 27 Rn. 36 – HSA FREI). Die Ausschöpfung der Berufungsbegründungsfrist ist den Berufungsführern gesetzlich zugestanden; im Hinblick auf die Länge dieser Fristen differenziert das Gesetz – was man rechtspolitisch kritisieren können mag – nicht zwischen Hauptsache- und Eilverfahren. Der Gesetzgeber gibt damit zu erkennen, dass er die Zeit von insgesamt 2 Monaten für ausreichend, aber auch erforderlich hält, um das Rechtsmittel in der gebotenen Weise zu begründen, was sich mittelbar auch auf die Frage der Dringlichkeitsschädlichkeit auswirkt. Solange die Partei nur die ihr gesetzlich eingeräumten Fristen wahrnimmt, dürfen aus dem damit in Zusammenhang stehenden (zulässigen) prozessualen Verhalten auch aus Rechtssicherheitsgründen grundsätzlich keine Rückschlüsse für die Frage gezogen werden, wie eilig es ihr damit ist, ihr Ziel im einstweiligen Rechtsschutz zu erreichen.

Entgegen der Argumentation des Vertreters der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung liegt darin auch kein Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Senats, dass die Beantragung und Ausnutzung einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist regelmäßig dringlichkeitsschädlich ist. Eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist setzt nach § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO besondere Umstände voraus, insbesondere das Fehlen einer Verzögerung oder erhebliche Gründe. Die Verlängerung stellt damit nach der Gesetzessystematik einen begründungsbedürftigen Ausnahmefall dar. Es gilt in diesem Fall daher nicht mehr die Wertung des Gesetzgebers, dass die in prozessualer Hinsicht zur Berufungsbegründung zur Verfügung stehende Frist auch im Hinblick auf die Dringlichkeit in der Regel als unbedenklich angesehen werden kann.

Lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen kann eine Selbstwiderlegung durch verzögertes Betreiben des Verfahrens auch bei der Einhaltung der Rechtsmittelfristen entfallen. Ein solcher Sonderfall kommt im Rahmen der Gesamtwürdigung allenfalls in Betracht, wenn zum einen eine tatsächlich und rechtlich äußerst einfache Fallgestaltung gegeben ist, bei der keinerlei weitere tatsächliche Ermittlungen anzustellen und keine weiteren Glaubhaftmachungsmittel zu beschaffen sind, und wenn zum anderen der Verfügungskläger auch durch sein sonstiges Verhalten zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist. Vorliegend handelt es sich weder um eine äußerst einfache Fallgestaltung, da das Landgericht die erlassene einstweilige Verfügung wegen des Nichteinhaltens der Vollziehungsfrist aufhob, noch sind weitere Aspekte dargetan oder ersichtlich, die demonstrieren würden, dass der Verfügungskläger das Verfahren in der Berufungsinstanz nicht mit der gebotenen Zügigkeit betreibt. Insbesondere musste sich die Verfügungsklägerin nach dem die Verfügung aufhebenden Ersturteil erstmals mit den tatsächlichen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Wahrung der Vollziehungsfrist befassen.

III. Die Beschlussverfügung wurde innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß zugestellt.

1. Nach § 929 Abs. 2, § 936 ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Arrestbefehl/das Verfügungsurteil verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt wurde, ein Monat verstrichen ist. Bei einer Anordnung durch Beschluss wird diese Frist mit dessen Amtszustellung an den Gläubiger (vgl. § 329 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 ZPO) in Gang gesetzt. In dem Falle, dass der Antragsgegner bereits einen Prozessbevollmächtigten bestellt hatte, kann wirksam nur an diesen zugestellt werden (§ 191, § 172 Abs. 1 ZPO).

Grundsätzlich liegt in dem Umstand, dass ein Anwalt eine Partei im vorgerichtlichen Abmahnverfahren vertritt, nicht automatisch eine Bestellung für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren, auch wenn vorprozessual mitgeteilt wurde, dem Anwalt sei Zustellungsvollmacht erteilt (OLG Düsseldorf, GRUR 2005, 102 – Elektronischer Haartrockner; OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 355 – Stadtkartenausschnitt). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn sich ein Prozessvertreter (nur) für das Hauptsacheverfahren angezeigt hat, im Regelfall Zustellungen im Verfügungsverfahren wirksam an die Partei selbst vorgenommen werden können (OLG Nürnberg, NJOZ 2002, 1175).

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs genügt die nicht näher spezifizierte Mitteilung im anwaltlichen Schreiben vom 09.01.2023 nicht, damit wirksam nur an den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zugestellt werden konnte. Das Schreiben erfolgte in Reaktion auf die vorgerichtliche Abmahnung, darin wurde lediglich die (außergerichtliche) anwaltliche Vertretung der Verfügungsbeklagten und die (allgemeine) Zustellungsbevollmächtigung angezeigt.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht wegen des pauschalen Vortrags der Verfügungsbeklagten veranlasst, wonach eine Vielzahl von Parallelverfahren zwischen den Parteien bestünde, bei denen die Verfügungsbeklagte immer von den hiesigen Prozessbevollmächtigten außergerichtlich und gerichtlich vertreten worden sei. Denn der Verfügungskläger trägt unwidersprochen vor, dass es sich bei dem Streitfall um den ersten Aktivprozess handele, den er über seine Prozessbevollmächtigten gegen die hiesige Verfügungsbeklagte eingeleitet habe. Alle vorangehenden Gerichtsverfahren – darunter lediglich zwei Verfügungsverfahren – seien hingegen von der Verfügungsbeklagten eingeleitet worden. Eine tatsächliche Übung, wonach bei einer Anzeige der Bevollmächtigung in einem anwaltlichen Schreiben, die als Reaktion auf eine vorgerichtliche Abmahnung erfolgte, auch eine Prozessvertretung im gerichtlichen Verfahren einschließlich Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes umfasst ist, konnte damit nicht entstehen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste sind elektronische Post im Sinne von § 7 UWG und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig

OLG Hamm
Hinweisbeschluss vom 17.05.2023
18 U 154/22


Das OLG Hamm hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass auch Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste elektronische Post im Sinne von § 7 UWG darstellen und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig sind.

Aus den Gründen:
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, nach der die Klägerin aus der Akquise-Vereinbarung keine Rechte herleiten kann, weil der Vertrag nichtig ist.

Gemäß § 134 BGB können Verträge nichtig sein, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, beckonline; Senatsbeschluss vom 25.10.2021- 18 U 110/21, Rn. 46, juris; OLG; Frankfurt/M., Urteil vom 24.01.2018 - 13 U 165/16, NJW-RR 2018, 887, Rn. 43). Dies ist hier der Fall, weil die Akquise-Vereinbarung darauf gerichtet ist, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen und damit zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berufungsbegründung der Klägerin gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

a)

Auch hinsichtlich der Dienstleistung Chiffre-Kontakt liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. vor.

Die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die einzelnen Portale seitens der Mitarbeiter der Klägerin, wie es in § 5 der Akquise-Vereinbarung vorgesehen ist und mit einem Anschreiben über die Kontaktformulare der jeweiligen Immobilienportale geschieht, verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F., weil die Inserenten die für eine solche Kontaktaufnahme per elektronischer Post erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021- 18 U 110/21, Rn. 9, juris).

Die Auffassung der Klägerin, das Anschreiben über ein Internetportal stelle keine elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. dar, weil die Nachrichten nicht direkt an die potenziellen Verkäufer der Immobilien, sondern an die Internetportale verschickt würden, und aus dem gleichen Grund die Verbraucher auch nicht Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. seien, geht fehl; sie ist insbesondere nicht mit dem Schutzzweck der Vorschrift vereinbar.

aa)

Der Begriff der "elektronischen Post" in § 7 Abs. Nr. 3 UWG a.F. ist unionsrechtskonform in Einklang mit Art. 2 S. 2 lit. h der RL 2002/58/EG (EK-DSRL - Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) auszulegen und umfasst daher "jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird". Durch die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG, die den Begriff der elektronischen Post aufgreift und deren Verwendung reglementiert, sollen die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung geschützt werden (vgl. ErwG 40 der RL 2002/58/EG). Angesichts dieses Schutzzwecks befürworten sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof bei Beantwortung der Frage, welche elektronischen Kommunikationsmittel unter elektronische Post zu fassen sind, eine weite und an die Entwicklung der Technologie angepasste Auslegung.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30.01.2020 (Az. I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 - Inbox-Werbung I) dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung von Art. 2 S. 2 lit. h und Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG sowie Nr. 26 des Anh. I der RL 2005/29/EG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. In diesem Zusammenhang hat er auch Ausführungen zum Begriff der elektronischen Post gemacht: Es sei nicht ersichtlich, dass der Richtliniengeber angesichts der absehbar rasch fortschreitenden technischen Entwicklung den Begriff der elektronischen Post statisch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bekannten "klassischen" Formen der E-Mail, der SMS oder der MMS festschreiben wollte. Näherliegend sei, dass er im Interesse des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer einen dynamischen und technikneutralen Begriff gewählt habe (vgl. Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 186), der es beispielsweise ermögliche, auch die erst in jüngerer Zeit relevant gewordenen elektronischen Mitteilungen im Rahmen von sozialen Netzwerken zu erfassen (vgl. Büscher/Büscher, § 7 Rn. 200; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 7 Rn. 65; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, § 7 Rn. 186). Denn die Privatsphäre der Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel könne nicht nur durch im Wege der klassischen Formen der elektronischen Individualkommunikation wie E-Mail, SMS oder MMS übersandten unerbetene Nachrichten beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2020 - I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 Rn. 29, beckonline).

Der Europäische Gerichtshof hat anlässlich der Vorlagefragen durch Urteil vom 25.11.2021 diese Auffassung bestätigt und klargestellt, dass der Begriff der elektronischen Kommunikationsmittel aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das Regelungsziel, dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 25.11.2021 - C-102/20, GRUR 2022, 87 Rn. 38, 39, beckonline).

Daher fallen unter den Begriff der elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. neben E-Mails, SMS und MMS auch sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15.01.2019 - 3 U 724/18, GRUR-RR 2019, 170 Rn. 59, beckonline; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 264; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 86).

Zwar handelt es sich bei dem Nachrichtendienst eines Immobilienportals nicht um einen Social-Media-Dienst. Die Funktionsweise des Postfachs ist jedoch dieselbe. Auch hier werden Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweiligen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten gespeichert, bis dieser sie abruft. Die Nachrichten erreichen den Nutzer in seinem eingerichteten und lediglich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichten-Manager abrufen kann. Dementsprechend handelt es sich gleichermaßen um eine Art elektronischen Briefkasten. Angesichts des oben dargelegten Schutzzwecks des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG kann daher für Nachrichten über Immobilienportale nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social-Media-Dienste (oder per E-Mail).

bb)

Die Verbraucher sind weiter Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. Die Argumentation der Klägerin, das Internetportal, an das die Nachrichten geschickt würden, sei der Adressat ihrer Nachrichten, ist nicht nachvollziehbar.

Adressat im Sinne der Vorschrift ist der Nutzer des Immobilienportals, den die Nachricht erreichen soll. Der Nutzer eines Immobilienportals erhält erst Zugang zu seinem Nachrichtenbereich, nachdem er seine Zugangsdaten und ein Passwort eingeben hat. Ihn erreichen die Nachricht also - wie oben dargelegt - in einem privaten Bereich, der ihm vorbehalten und für die Konsolidierung der privaten Inhalte in der Form der an ihn versandten Nachrichten bestimmt ist. Es ist ohne Belang, dass die Nachricht der Klägerin die Inserenten nicht "direkt", sondern über den Server des jeweiligen Internetportals erreicht.

cc)

Kontaktaufnahmen seitens der Klägerin, die darauf gerichtet sind, den Inserenten Maklerdienste anzubieten, sind auch bei Vorliegen eines grundsätzlichen Interesses des potentiellen Immobilienverkäufers an einer Kontaktaufnahme nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt. Grundsätzlich gilt: Hat ein Verbraucher eine Anzeige geschaltet, in der er eine Eigentumswohnung zum Verkauf anbietet und dabei zur Kontaktaufnahme seine Telefonnummer angibt, erklärt er seine ausdrückliche Einwilligung in Telefonanrufe von Kaufinteressenten, auch in solche von Maklern, die sich für ihre Suchkunden für die angebotene Wohnung interessieren. Telefonanrufe von Maklern, die darauf gerichtet sind, dem Inserenten Maklerdienste anzubieten oder mit diesem gar einen Maklervertrag zu schließen, sind von einer solchen Einwilligung nicht gedeckt (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021 - 18 U 110/21, Rn. 9, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2018 - 8 U 153/17, NJW-RR 2018, 1263, beckonline). Auch die Bestimmungen der jeweiligen Portale sind nicht geeignet, die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.).

b) Die Verschaffung der sog. Opt-Ins erfolgt ebenso unter Verstoß gegen die Vorschriften des UWG. Auch soweit sich auf die - wettbewerbswidrigen - Anschreiben die Inserenten melden und mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden sind, kann sich die Klägerin nicht auf eine vorherige ausdrückliche Einwilligung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. in einen Telefonanruf zur Herbeiführung eines Opt-In berufen. Auf die nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

c) Die in § 14 der Akquise-Vereinbarung enthaltene salvatorische Klausel steht der Gesamtnichtigkeit des Vertrags nach § 139 BGB nicht entgegen. Der nichtige Vertragsteil ist von derart grundlegender Bedeutung, dass die Aufrechterhaltung nur des Restgeschäfts nicht mehr als vom durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien umfasst angesehen werden kann. Denn hier sind gerade die entscheidenden wesentlichen Vertragsbestimmungen unwirksam. Ohne diese verliert der Vertrag seinen Inhalt.


LG Berlin: Werbecookies nur mit vorheriger ausdrücklicher Einwilligung des Nutzers zulässig - Verwendung von Cookies auf welt.de rechtswidrig

LG Berlin
Urteil vom 27.04.2023
93 O 167/20


Das LG Berlin hat entschieden, dass das Setzen von Werbecookies nur mit vorheriger ausdrücklicher Einwilligung des Nutzers zulässig ist. Insbesondere dürfen die Cookies nicht automatisch mit Aufruf der Website gesetzt werden. Die hier streitgegenständliche Verwendung von Cookies auf welt.de war - so das Gericht - wettbewerbswidrig.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BMDV: Entwurf der Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG - Einwilligung zum Speichern von Informationen nach § 25 Abs.1 TTDSG

Das BMDV hat am 01.06.2023 die Beteiligung von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden zum Entwurf der Einwilligungsverwaltungs-Verordnung (EinwVO) nach § 26 Abs. 2 TTDSG - Einwilligung zum Speichern von Informationen nach § 25 Abs.1 TTDSG eingeleitet.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel § 26 Absatz 1 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) bestimmt, dass eine zuständige unabhängige Stelle Dienste anerkennen kann, die nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren bereitstellen, um die nach § 25 Absatz 1 TTDSG erforderliche Einwilligung von Endnutzern zu verwalten.

Viele Anbieter von Telemedien greifen auf die Endeinrichtungen der Endnutzer zu, um hier Informationen zu speichern oder bereits gespeicherte Informationen abzurufen. Dies geschieht häufig durch den Einsatz von Cookies. Anhand der im Cookie gespeicherten Informationen kann der Webserver u. a. den Endnutzer wiedererkennen, benutzerspezifische Einstellungen wiederherstellen, Reichweitenmessungen vornehmen, Aktivitäten nachverfolgen (sog. Tracking) oder individuelle Werbung einblenden. Nach § 25 Absatz 1 TTDSG dürfen Anbieter von Telemedien nur dann Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers speichern oder auf dort bereits gespeicherte Informationen zugreifen, wenn der Endnutzer nach Maßgabe der Verordnung (EU) 216/679 eingewilligt hat. Eine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis in Cookies besteht nach § 25 Absatz 2 TTDSG nur, wenn der alleinige Zweck hierfür die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein öffentliches Telekommunikationsnetz ist oder ein Cookie unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Telemediendienstes einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen kann. Für das Erfordernis einer Einwilligung nach § 25 Absatz 1 TTDSG kommt es nicht darauf an, ob personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die Möglichkeiten der Verordnung (EU) 216/679, Daten ohne Einwilligung zu verarbeiten, finden hier keine Anwendung. Deshalb müssen Anbieter von Telemedien die Endnutzer bei jeder Inanspruchnahme ihres Dienstes nach den Einwilligungen der Endnutzer in die unterschiedlichen Arten von Cookies fragen. In der Praxis erfolgt dies häufig mittels sogenannter Cookie-Einwilligungs-Banner.

Anerkannte Dienste zur Einwilligungsverwaltung sollen eine anwenderfreundliche Alternative zu der Vielzahl zu treffender Einzelentscheidungen für Endnutzer schaffen. Sie verwalten die vom Endnutzer getroffenen Entscheidungen, ob sie eine Einwilligung nach § 25 Absatz 1 TTDSG gegenüber einem Anbieter von Telemedien erteilen oder nicht, und übermitteln die Entscheidung an den Anbieter von Telemedien, wenn dieser sie nachfragt. Bekommen die Anbieter von Telemedien die Einstellungen des Endnutzers zur Einwilligung auf diese Weise übermittelt, sind sie nicht mehr auf eine eigene Abfrage der Einwilligung nach § 25 Absatz 1 TTDSG angewiesen.

§ 26 Absatz 2 TTDSG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung zu regeln:

- die Anforderungen an die Nutzerfreundlichkeit und Wettbewerbskonformität, die ein Dienst zu Einwilligungsverwaltung erfüllen muss, um anerkannt werden zu können,
- das Anerkennungsverfahren und
- die technischen und organisatorischen Maßnahmen, die Software zum Abrufen und Darstellen von Informationen aus dem Internet und Anbietern von Telemedien ergreifen können, damit diese die Einstellungen, die ein Endnutzer über einen anerkannten Dienst zur Einwilligungsverwaltung vornimmt, befolgen und sie die Einbindung des anerkannten Dienstes bei der Abfrage der Einwilligung nach § 25 TTDSG berücksichtigen.

Mit dieser Verordnung soll diese Ermächtigung umgesetzt werden.

B. Lösung
Die EinwV regelt die erforderlichen Anforderungen für nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren zur Verwaltung der von den Endnutzern erteilten Einwilligungen nach § 25 Absatz 1 TTDSG. Durch die Einbindung eines anerkannten Dienstes zur Einwilligungsverwaltung wird den Endnutzern ein transparentes Werkzeug zur Verfügung gestellt, durch das sie Einstellungen zur Einwilligung vornehmen, jederzeit nachvollziehen und überprüfen können. Die Anerkennung durch eine zuständige Stelle soll für die Endnutzer und Anbieter von Telemedien einen Anreiz bieten, solche Dienste zur Einwilligungsverwaltung zu nutzen und das Vertrauen in ein rechtssicheres Verfahren stärken. Für Anbieter von Telemedien bietet dieses Verfahren eine Möglichkeit, die Einwilligungen nach § 25 Absatz 1 TTDSG nutzerfreundlich zu erfragen, ohne die Inanspruchnahme ihres Dienstes durch die Einblendung eines Cookie-Einwilligungs-Banner stören zu müssen.



LG Köln: Unterlassungsanspruch gegen Deutsche Telekom wegen Datenweitergabe an Google durch Nutzung von Google Analytics ohne ausreichende Einwilligung

LG Köln
Urteil vom 23.03.2023
33 O 376/22


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch gegen die Deutsche Telekom wegen der Datenweitergabe an Google durch Nutzung von Google Analytics ohne ausreichende Einwilligung besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der bezeichneten Datenübermittlung in die USA nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG iVm §§ 8, 3 Abs. 1, 3a UWG iVm Art. 44 ff. DSGVO.

Die klägerseits vorgetragene Übermittlung von IP-Adressen sowie Browser- und Geräteinformationen an Google LLC als Betreiberin von Google Analyse- und Marketingdiensten mit Sitz in den USA ist als unstreitig zu behandeln und ist nicht von den Rechtfertigungstatbeständen der DSGVO gedeckt.

a. Die Übermittlung von IP-Adressen an die Google LLC in den USA gilt nach § 138 Abs. 2, 3 ZPO als zugestanden. Der Kläger hat substantiiert zu der Übermittlung vorgetragen. Das darauffolgende Bestreiten der Beklagten im Schriftsatz vom 02.02.2023 ist hingegen nicht hinreichend substantiiert. Vielmehr erschöpft es sich trotz des Aufgreifens einzelner Punkte im Ergebnis in einem pauschalen Bestreiten bzw. Anzweifeln.

Die Substantiierungslast des Bestreitenden hängt davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Je detaillierter das Vorbringen des Darlegungsbelasteten ist, desto höher sind die Substantiierungsanforderungen gem. § 138 Abs. 2 ZPO. Substantiiertes Vorbringen kann danach grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden. Vorausgesetzt ist dabei, dass der bestreitenden Partei substantiierter Gegenvortrag möglich und zumutbar ist, wovon in der Regel auszugehen ist, wenn die behaupteten Tatsachen in ihrem Wahrnehmungsbereich gelegen haben (BeckOK ZPO/von Selle ZPO § 138 Rn. 18; BGH NJW-RR 2019, 1332 Rn. 23 mwN).

So liegt der Fall hier. Die Übertragung und Verarbeitung von Daten liegt im Wahrnehmungs- und Organisationsbereich der Beklagten. Der Beklagten wäre es daher möglich gewesen, substantiiert dazu vorzutragen, unter welchen Voraussetzungen welche Daten an die Google LLC übertragen werden und wo diese verarbeitet werden. Daher genügt es insbesondere nicht, lediglich in Zweifel zu ziehen, ob der Standort der IP-Adresse „142.250.185.228“ in den USA befindlich ist oder ob der Sitz des Unternehmens unabhängig von dem Standort des Servers der IP-Adresse ist. Ebenso wenig genügt es, den Aussagegehalt der Registrierung der IP-Adresse und der Anlagen K11 und K12 in Frage zu stellen.

b. Die übermittelten IP-Adressen stellen sowohl für die Beklagte als auch Google LLC als Verantwortliche der Datenübermittlung personenbezogene Daten dar.

Dynamische IP-Adressen stellen dann personenbezogene Daten dar, wenn dem Verantwortlichen rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, die er vernünftigerweise einsetzen könnte, um mit Hilfe Dritter (zB der zuständigen Behörde und des Internetanbieters) die betroffene Person anhand der gespeicherten IP-Adresse bestimmen zu lassen (BGH ZD 2017, 424 = MMR 2017, 605).

Dies ist sowohl hinsichtlich der Beklagten als auch hinsichtlich Google LLC der Fall. Beiden stehen die rechtlichen Mittel zur Verfügung, über Zusatzinformationen von der IP-Adresse einen Rückschluss auf die natürliche Person zu ziehen.

Als Telekommunikationsanbieterin und Websitebetreiberin kann die Beklagte, soweit es sich bei den Besuchern um ihre Kunden handelt, ohne großen Aufwand InternetNutzer identifizieren, denen sie eine IP-Adresse zugewiesen hat, da sie in der Regel in Dateien systematisch Datum, Zeitpunkt, Dauer und die dem Internet-Nutzer zugeteilte dynamische IP-Adresse zusammenführen kann. In Kombination können die eingehenden Informationen dazu benutzt werden, um Profile der natürlichen Personen zu erstellen und sie (sogar ohne Heranziehung Dritter) zu identifizieren (vgl. BeckOK DatenschutzR/Schild DS-GVO Art. 4 Rn. 20).

Gleiches gilt für Google LLC, die als Anbieterin von Online-Mediendiensten ebenso über die Mittel verfügt Personenprofile zu erstellen und diese auszuwerten. Dabei kann gerade die IP-Adresse als personenspezifisches Merkmal dienen (vgl. LG München I, Urteil vom 20.1.2022 – 3 O 17493/20) und etwa in der Kombination mit der Nutzung anderer Onlinedienste zur Identifizierung herangezogen werden (Feldmann, in: Forgó/Helfrich/Schneider, Betrieblicher Datenschutz, 3. Auflage 2019, Kapitel 4. Datenschutzkonformer Einsatz von Suchmaschinen im Unternehmen, Rn. 12).

Ob an die Dienste Heap und Xandr ebenfalls Daten in das Ausland übermittelt worden sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

c. In den USA ist kein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet (vgl. EuGH Urt. v. 16.7.2020 – C-311/18 – Facebook Ireland u. Schrems, im Folgenden: Schrems II).

Der EuGH hat ausgesprochen, dass der EU-US Angemessenheitsbeschluss („Privacy Shield“) – ohne Aufrechterhaltung seiner Wirkung – ungültig ist. Die gegenständliche Datenübermittlung findet daher keine Deckung in Art. 45 DSGVO.

d. Auch etwaige Standarddatenschutzklauseln vermögen die Datenübermittlung in die USA nicht zu rechtfertigen, da sie nicht geeignet sind ein der DSGVO entsprechendes Datenschutzniveau zu gewährleisten, insbesondere da solche Verträge nicht vor einem behördlichen Zugriff in den USA schützen.

Die Beklagte trägt vor, dass sie Standarddatenschutzklauseln in der bis zum 27.12.2022 gültigen Version mit ihren Dienstleistern und diese wiederum mit ihren Sub-Dienstleistern abgeschlossen hatte. Obschon der Kläger dies bestreitet, würde der Vortrag der Beklagten selbst bei Wahrunterstellung nicht genügen, um eine Rechtfertigung der Datenübermittlung zu begründen.

In Schrems II hat der EuGH zwar ausgeführt, dass Standarddatenschutzklauseln als Instrument für den Internationalen Datenverkehr dem Grunde nach nicht zu beanstanden sind, allerdings hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass Standarddatenschutzklauseln ihrer Natur nach ein Vertrag sind und demnach Behörden aus einem Drittstaat nicht binden können:

„Demnach gibt es zwar Situationen, in denen der Empfänger einer solchen Übermittlung in Anbetracht der Rechtslage und der Praxis im betreffenden Drittland den erforderlichen Datenschutz allein auf der Grundlage der Standarddatenschutzklauseln garantieren kann, aber auch Situationen, in denen die in diesen Klauseln enthaltenen Regelungen möglicherweise kein ausreichendes Mittel darstellen, um in der Praxis den effektiven Schutz der in das betreffende Drittland übermittelten personenbezogenen Daten zu gewährleisten. So verhält es sich etwa, wenn das Recht dieses Drittlands dessen Behörden Eingriffe in die Rechte der betroffenen Personen bezüglich dieser Daten erlaubt.“ (Schrems II, Rn. 126).

Der EuGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der EU-US Angemessenheitsbeschluss aufgrund des einschlägigen Rechts der USA und der Durchführung von behördlichen Überwachungsprogrammen kein angemessenes Schutzniveau für natürliche Personen gewährleistet (Schrems II, Rn. 180 ff).

Wenn sogar der EU-US Angemessenheitsbeschluss aufgrund der Rechtslage in den USA für ungültig erklärt wurde, so kann erst recht nicht davon ausgegangen werden, dass vertragliche Bindungen zwischen privaten Rechtssubjekten ein angemessenes Schutzniveau nach Art. 44 DSGVO für die gegenständliche Datenübermittlung in die USA gewährleisten können. Denn diese können schon ihrer Natur nach ausländische Behörden nicht in ihrer Handlungsmacht beschränken.

Dies entspricht auch der Wertung des EuGH:

„Da diese Standarddatenschutzklauseln ihrer Natur nach keine Garantien bieten können, die über die vertragliche Verpflichtung, für die Einhaltung des unionsrechtlich verlangten Schutzniveaus zu sorgen, hinausgehen, kann es je nach der in einem bestimmten Drittland gegebenen Lage erforderlich sein, dass der Verantwortliche zusätzliche Maßnahmen ergreift, um die Einhaltung dieses Schutzniveaus zu gewährleisten.“ (Schrems II, Rn. 133).

Zu solchen – nach den „Empfehlungen 01/2020 zu Maßnahmen zur Ergänzung von Übermittlungstools zur Gewährleistung des unionsrechtlichen Schutzniveaus für personenbezogene Daten“ der EDSA wohl vertraglichen, technischen oder organisatorischen Maßnahmen – hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Solche Maßnahmen müssten geeignet sein, die im Rahmen des Schrems II Urteils des EuGH aufgezeigten Rechtsschutzlücken – also die Zugriffs- und Überwachungsmöglichkeiten von US-Nachrichtendiensten – zu schließen. Dies ist hier nicht gegeben.

e. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Einwilligung iSd Art. 49 Abs. 1 lit. a) DSGVO berufen.

Eine „ausdrückliche Einwilligung“ iSd Art. 49 Abs. 1 lit. a) DSGVO auf hinreichender Informationserteilung u.a. über den Empfänger der Informationen wurde schon nicht dargelegt.

Nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO ist eine Einwilligung eine unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in der Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung. Für die nach Art. 49 Abs. 1 lit. a) DSGVO erforderliche Einwilligung ist es schon dem Wortlaut nach darüber hinaus erforderlich, dass die Erklärung „ausdrücklich“ abgegeben wird. Angesichts dieser unterschiedlichen Wortwahl sind an die Einwilligung zu Übermittlungen in Drittländer höhere Anforderungen als an sonstige Einwilligungen zu stellen. Insbesondere setzt Art. 49 Abs. 1 lit. a DSGVO schon dem Wortlaut nach eine besondere Informiertheit voraus.

Der Einwilligende muss u.a. darüber informiert worden sein, an welche Drittländer und an welche Empfänger seine Daten übermittelt werden (BeckOK DatenschutzR/Lange/Filip DS-GVO Art. 49 Rn. 7; Klein/Pieper in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, Artikel 49 Ausnahmen für bestimmte Fälle Rn. 6).

Hier sind die Website-Besucher aber keineswegs über eine Datenübermittlung an Google LLC unterrichtet worden. In den ehemaligen Datenschutzhinweisen wurde lediglich über eine Übermittlung von Daten an Xandr und Heap informiert worden, was ersichtlich nicht den Empfänger Google LLC erfasst.

Dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Datenübertragung an Google LLC am 03.01.2023 geänderte Datenschutzhinweise verwendet hat, die den o.g. Anforderungen genügen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es ist aber gemäß Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 DSGVO an der Beklagten die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung darzulegen und zu beweisen (vgl. BeckOK DatenschutzR/Stemmer DS-GVO Art. 7 Rn. 89-91.1; Diekmann, in: Koreng/Lachenmann, Formularhandbuch Datenschutzrecht, 3. Auflage 2021, 4. Einwilligung der betroffenen Personen, Anm. 1.-12.). Dies ist für den relevanten Zeitpunkt am 03.01.2023 nicht erfolgt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: