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OLG Hamm: Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste sind elektronische Post im Sinne von § 7 UWG und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig

OLG Hamm
Hinweisbeschluss vom 17.05.2023
18 U 154/22


Das OLG Hamm hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass auch Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste elektronische Post im Sinne von § 7 UWG darstellen und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig sind.

Aus den Gründen:
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, nach der die Klägerin aus der Akquise-Vereinbarung keine Rechte herleiten kann, weil der Vertrag nichtig ist.

Gemäß § 134 BGB können Verträge nichtig sein, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, beckonline; Senatsbeschluss vom 25.10.2021- 18 U 110/21, Rn. 46, juris; OLG; Frankfurt/M., Urteil vom 24.01.2018 - 13 U 165/16, NJW-RR 2018, 887, Rn. 43). Dies ist hier der Fall, weil die Akquise-Vereinbarung darauf gerichtet ist, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen und damit zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berufungsbegründung der Klägerin gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

a)

Auch hinsichtlich der Dienstleistung Chiffre-Kontakt liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. vor.

Die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die einzelnen Portale seitens der Mitarbeiter der Klägerin, wie es in § 5 der Akquise-Vereinbarung vorgesehen ist und mit einem Anschreiben über die Kontaktformulare der jeweiligen Immobilienportale geschieht, verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F., weil die Inserenten die für eine solche Kontaktaufnahme per elektronischer Post erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021- 18 U 110/21, Rn. 9, juris).

Die Auffassung der Klägerin, das Anschreiben über ein Internetportal stelle keine elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. dar, weil die Nachrichten nicht direkt an die potenziellen Verkäufer der Immobilien, sondern an die Internetportale verschickt würden, und aus dem gleichen Grund die Verbraucher auch nicht Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. seien, geht fehl; sie ist insbesondere nicht mit dem Schutzzweck der Vorschrift vereinbar.

aa)

Der Begriff der "elektronischen Post" in § 7 Abs. Nr. 3 UWG a.F. ist unionsrechtskonform in Einklang mit Art. 2 S. 2 lit. h der RL 2002/58/EG (EK-DSRL - Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) auszulegen und umfasst daher "jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird". Durch die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG, die den Begriff der elektronischen Post aufgreift und deren Verwendung reglementiert, sollen die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung geschützt werden (vgl. ErwG 40 der RL 2002/58/EG). Angesichts dieses Schutzzwecks befürworten sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof bei Beantwortung der Frage, welche elektronischen Kommunikationsmittel unter elektronische Post zu fassen sind, eine weite und an die Entwicklung der Technologie angepasste Auslegung.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30.01.2020 (Az. I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 - Inbox-Werbung I) dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung von Art. 2 S. 2 lit. h und Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG sowie Nr. 26 des Anh. I der RL 2005/29/EG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. In diesem Zusammenhang hat er auch Ausführungen zum Begriff der elektronischen Post gemacht: Es sei nicht ersichtlich, dass der Richtliniengeber angesichts der absehbar rasch fortschreitenden technischen Entwicklung den Begriff der elektronischen Post statisch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bekannten "klassischen" Formen der E-Mail, der SMS oder der MMS festschreiben wollte. Näherliegend sei, dass er im Interesse des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer einen dynamischen und technikneutralen Begriff gewählt habe (vgl. Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 186), der es beispielsweise ermögliche, auch die erst in jüngerer Zeit relevant gewordenen elektronischen Mitteilungen im Rahmen von sozialen Netzwerken zu erfassen (vgl. Büscher/Büscher, § 7 Rn. 200; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 7 Rn. 65; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, § 7 Rn. 186). Denn die Privatsphäre der Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel könne nicht nur durch im Wege der klassischen Formen der elektronischen Individualkommunikation wie E-Mail, SMS oder MMS übersandten unerbetene Nachrichten beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2020 - I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 Rn. 29, beckonline).

Der Europäische Gerichtshof hat anlässlich der Vorlagefragen durch Urteil vom 25.11.2021 diese Auffassung bestätigt und klargestellt, dass der Begriff der elektronischen Kommunikationsmittel aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das Regelungsziel, dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 25.11.2021 - C-102/20, GRUR 2022, 87 Rn. 38, 39, beckonline).

Daher fallen unter den Begriff der elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. neben E-Mails, SMS und MMS auch sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15.01.2019 - 3 U 724/18, GRUR-RR 2019, 170 Rn. 59, beckonline; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 264; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 86).

Zwar handelt es sich bei dem Nachrichtendienst eines Immobilienportals nicht um einen Social-Media-Dienst. Die Funktionsweise des Postfachs ist jedoch dieselbe. Auch hier werden Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweiligen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten gespeichert, bis dieser sie abruft. Die Nachrichten erreichen den Nutzer in seinem eingerichteten und lediglich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichten-Manager abrufen kann. Dementsprechend handelt es sich gleichermaßen um eine Art elektronischen Briefkasten. Angesichts des oben dargelegten Schutzzwecks des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG kann daher für Nachrichten über Immobilienportale nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social-Media-Dienste (oder per E-Mail).

bb)

Die Verbraucher sind weiter Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. Die Argumentation der Klägerin, das Internetportal, an das die Nachrichten geschickt würden, sei der Adressat ihrer Nachrichten, ist nicht nachvollziehbar.

Adressat im Sinne der Vorschrift ist der Nutzer des Immobilienportals, den die Nachricht erreichen soll. Der Nutzer eines Immobilienportals erhält erst Zugang zu seinem Nachrichtenbereich, nachdem er seine Zugangsdaten und ein Passwort eingeben hat. Ihn erreichen die Nachricht also - wie oben dargelegt - in einem privaten Bereich, der ihm vorbehalten und für die Konsolidierung der privaten Inhalte in der Form der an ihn versandten Nachrichten bestimmt ist. Es ist ohne Belang, dass die Nachricht der Klägerin die Inserenten nicht "direkt", sondern über den Server des jeweiligen Internetportals erreicht.

cc)

Kontaktaufnahmen seitens der Klägerin, die darauf gerichtet sind, den Inserenten Maklerdienste anzubieten, sind auch bei Vorliegen eines grundsätzlichen Interesses des potentiellen Immobilienverkäufers an einer Kontaktaufnahme nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt. Grundsätzlich gilt: Hat ein Verbraucher eine Anzeige geschaltet, in der er eine Eigentumswohnung zum Verkauf anbietet und dabei zur Kontaktaufnahme seine Telefonnummer angibt, erklärt er seine ausdrückliche Einwilligung in Telefonanrufe von Kaufinteressenten, auch in solche von Maklern, die sich für ihre Suchkunden für die angebotene Wohnung interessieren. Telefonanrufe von Maklern, die darauf gerichtet sind, dem Inserenten Maklerdienste anzubieten oder mit diesem gar einen Maklervertrag zu schließen, sind von einer solchen Einwilligung nicht gedeckt (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021 - 18 U 110/21, Rn. 9, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2018 - 8 U 153/17, NJW-RR 2018, 1263, beckonline). Auch die Bestimmungen der jeweiligen Portale sind nicht geeignet, die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.).

b) Die Verschaffung der sog. Opt-Ins erfolgt ebenso unter Verstoß gegen die Vorschriften des UWG. Auch soweit sich auf die - wettbewerbswidrigen - Anschreiben die Inserenten melden und mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden sind, kann sich die Klägerin nicht auf eine vorherige ausdrückliche Einwilligung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. in einen Telefonanruf zur Herbeiführung eines Opt-In berufen. Auf die nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

c) Die in § 14 der Akquise-Vereinbarung enthaltene salvatorische Klausel steht der Gesamtnichtigkeit des Vertrags nach § 139 BGB nicht entgegen. Der nichtige Vertragsteil ist von derart grundlegender Bedeutung, dass die Aufrechterhaltung nur des Restgeschäfts nicht mehr als vom durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien umfasst angesehen werden kann. Denn hier sind gerade die entscheidenden wesentlichen Vertragsbestimmungen unwirksam. Ohne diese verliert der Vertrag seinen Inhalt.


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