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EuGH: Wird Obst und Gemüse in der Westsahara geernet darf auf dem Etikett nicht Marokko als Urspungsland angegeben werden

EuGH
Urteil vom 04.10.2024
C-399/22
Confédération paysanne (Melonen und Tomaten aus der Westsahara)


Der EuGH hat entschieden, dass bei Obst und Gemüse, welches in der Westsahara geernet wird, auf dem Etikett nicht Marokko als Urspungsland angegeben werden darf.

Die Pressmeittelung des EuGH:
Information der Verbraucher: Auf dem Etikett von Melonen und Tomaten, die in der Westsahara geerntet wurden, muss dieses Gebiet und nicht Marokko als Ursprungsland angegeben werden

Jede andere Angabe könnte die Verbraucher irreführen.

Werden Melonen und Tomaten, die in der Westsahara geerntet wurden, in die Europäische Union eingeführt, muss nach der Unionsregelung ihr Ursprungsland angegeben werden. Diese für solche Erzeugnisse vorgeschriebene Angabe darf nicht irreführend sein; deshalb muss auf dem Etikett die Westsahara als Ursprungsland angegeben werden. Diese Pflicht gilt nämlich nicht nur für Erzeugnisse aus einem „Land“ als Synonym für „Staat“, sondern auch für Erzeugnisse aus „Gebieten“, womit andere Einheiten als „Länder“ gemeint sind. Auf solche Gebiete erstreckt sich zwar die Hoheitsgewalt oder die internationale Verantwortung eines Staates, aber sie haben einen eigenen völkerrechtlichen Status. Würde Marokko anstelle der Westsahara als Ursprungsland der in der Westsahara geernteten Melonen und Tomaten angegeben, würde dies die Verbraucher über ihren wahren Ursprung irreführen. Auch wenn die Exporteure von Melonen und Tomaten aus der Westsahara unter Verstoß gegen das genannte Erfordernis Marokko als Ursprungsland dieser Erzeugnisse angeben, dürfen die französischen Behörden nicht einseitig ein Einfuhrverbot für sie verhängen. Für eine solche Maßnahme ist ausschließlich die Union zuständig.

Die Westsahara ist ein Gebiet im Nordwesten Afrikas, das an Marokko, Algerien und Mauretanien grenzt und an dessen Westküste sich der Atlantik befindet. Der größte Teil dieses Gebiets wird derzeit von Marokko kontrolliert, ein kleinerer, sehr dünn besiedelter östlicher Teil vom Front Polisario, einer Bewegung, die sich für die Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung durch das Volk der Westsahara und die Gründung eines souveränen sahrauischen Staates einsetzt.

Die landwirtschaftliche Entwicklung der Westsahara, insbesondere der Anbau von Tomaten und Melonen in Treibhäusern, findet hauptsächlich mittels Infrastruktur für die Bewässerung statt, die von Marokko finanziert wurde. Diese Erzeugnisse werden in die Europäische Union exportiert und dort unter der Angabe von Marokko als Ursprungsland auf ihrem Etikett vermarktet.

Die Confédération paysanne, ein französischer Landwirtschaftsverband, stellte bei der französischen Verwaltung1 den Antrag, die Einfuhr von Melonen und Tomaten mit Ursprung im Gebiet der Westsahara zu verbieten. Sie machte geltend, die dort angebauten Melonen und Tomaten würden zu Unrecht als aus Marokko stammend gekennzeichnet. Um das Völkerrecht zu wahren und die Verbraucher bei ihren Kaufentscheidungen nicht irrezuführen, sei aber eine eindeutige Etikettierung erforderlich, bei der zwischen Erzeugnissen aus der Westsahara und aus Marokko unterschieden werde.

Die Große Kammer des Gerichtshofs kommt zu dem Ergebnis, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, einseitig ein Einfuhrverbot für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse zu erlassen, die durchgängig nicht mit den Rechtsvorschriften der Union über die Angabe des Ursprungslands oder ‑gebiets im Einklang stehen. Der Gerichtshof führt hierzu aus, dass grundsätzlich nur die Union im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen kann. Gegebenenfalls müsste daher die Kommission im Rahmen der im Assoziierungsabkommen EU-Marokko vorgesehenen Kooperationsmechanismen tätig werden.

Auf den in Rede stehenden Melonen und Tomaten ist aber allein die Westsahara als Ursprungsland anzugeben, da sie in diesem Gebiet geerntet wurden.

Das Gebiet der Westsahara stellt nämlich ein vom Gebiet Marokkos gesondertes Gebiet dar und ist ein eigenes Zollgebiet im Sinne des Unionsrechts.

Jede andere Angabe könnte bei den Verbrauchern den Eindruck erwecken, dass die Melonen und Tomaten aus einem anderen Ort stammen als dem Gebiet, in dem sie geerntet wurden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: Bei Werbung mit Sternebewertungsdurchschnitt ist keine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich

BGH
Urteil vom 25.07.2024
I ZR 143/23
durchschnittliche Sternebewertung
UWG aF § 5a Abs. 2 Satz 1; UWG nF § 5a Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Bei Werbung mit Sternebewertungsdurchschnitt unter Angabe von Gesamtzahl und Zeitraum ist keine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich über die Entscheidung berichtet,

Leitsatz des BGH:
Bei der Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung von Kunden stellt die Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen keine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG aF/§ 5a Abs. 1 UWG nF dar, wenn die Gesamtzahl und der Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen angegeben ist.

BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 143/23 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bei Werbung mit Sternebewertungsdurchschnitt unter Angabe von Gesamtzahl und Zeitraum ist keine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich

BGH
Urteil vom 25.07.2024
I ZR 143/23


Der BGH hat entschieden, dass bei der Werbung mit einem Sternebewertungsdurchschnitt unter Angabe von Gesamtzahl und Zeitraum keine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Anforderungen an die Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, ob bei der Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung neben der Angabe der Gesamtzahl und des Zeitraums der zugrundeliegenden Kundenbewertungen eine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich ist.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte bot auf ihrer Internetseite die Vermittlung von Immobilienverkäufern an Immobilienmakler an. Sie warb unter anderem mit durchschnittlichen Sternebewertungen ihrer Kunden, ohne Angaben zur Gesamtzahl der Bewertungen, zum Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen und zur Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen zu machen.

Die Klägerin hält diese Werbung für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, mit Kundenbewertungen unter Angabe einer durchschnittlichen Sternebewertung zu werben, ohne gleichzeitig die Gesamtzahl und den Zeitraum der berücksichtigten Kundenbewertungen zu nennen. Den Antrag auf Unterlassung einer Werbung ohne Aufschlüsselung der Kundenbewertungen nach Sterneklassen hat das Landgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat gemeint, bei der von der Klägerin begehrten Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen handele es sich aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zwar um eine nützliche, nicht aber um eine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG, weil ihr neben der Angabe der durchschnittlichen Sternebewertung kein erhebliches Gewicht für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zukomme.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Unterlassungsantrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei der Aufgliederung nach Sterneklassen handele es sich nicht um eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG, begegnet auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Bedenken. Danach ist dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher aufgrund seiner Erfahrung bekannt, dass einer durchschnittlichen Sternebewertung in aller Regel unterschiedlich gute und schlechte Bewertungen zugrunde liegen und die Bewertungen - zum Teil erheblich - divergieren. Anhand der Gesamtzahl und des Zeitraums der berücksichtigten Bewertungen kann er abschätzen, wie aussagekräftig die angegebene Durchschnittsbewertung ist. Die von der Klägerin begehrte Aufgliederung nach Sterneklassen vermittelt daneben keine wesentliche Information. Insbesondere kann sie keinen Aufschluss über die Gründe geben, die einen Kunden zur Abgabe einer bestimmten Bewertung bewogen haben.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 16. September 2022 - 315 O 160/21

OLG Hamburg - Urteil vom 21. September 2023 - 15 U 108/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. […]

§ 5a UWG

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irre-führt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. […]

§ 8 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […] Frankfurt-Microsoft-haftet-fuer-Setzen-von-Cookies-ohne-Einwilligung-ueber-Websites-Dritter.html


Volltext BGH liegt vor: Bei Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral" muss in der Werbung die konkrete Bedeutung erläutert werden

BGH
Urteil vom 27.06.2024
I ZR 98/23
klimaneutral
UWG § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Bei Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral" muss in der Werbung die konkrete Bedeutung erläutert werden - QR-Code reicht nicht über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Für die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen (hier: "klimaneutral") und -zeichen irreführend ist, gelten - wie für gesundheitsbezogene Werbung - strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - I ZR 219/87, BGHZ 105, 277 [juris Rn. 14] - Umweltengel; Urteil vom 20. Oktober 1988 - I ZR 238/87, GRUR 1991, 546 [juris Rn. 26] = WRP 1989, 163 - Aus Altpapier; Urteil vom 4. Oktober 1990 - I ZR 39/89, GRUR 1991, 550 [juris Rn. 13] = WRP 1991, 159 - Zaunlasur; Urteil vom 14. Dezember 1995 - I ZR 213/93, GRUR 1996, 367 [juris Rn. 33 f.] = WRP 1996, 290 - Umweltfreundliches Bauen; Urteil vom 23. Mai 1996 - I ZR 76/94, GRUR 1996, 985 [juris Rn. 17] = WRP 1996, 1156 - PVC-frei).

b) Aus dem gesteigerten Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt umweltbezogener Angaben folgt, dass an die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise strenge Anforderungen zu stellen sind. Diese Anforderungen werden bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff verwendet, regelmäßig nur dann erfüllt sein, wenn bereits in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutert wird, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist.

c) Eine Erläuterung in der Werbung selbst ist bei der Verwendung des Begriffs "klimaneutral", der sowohl die Vermeidung von CO2-Emissionen als auch die CO2-Kompensation umfasst, insbesondere deshalb erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität sind. Vielmehr gilt der Grundsatz des Vorrangs der Reduktion gegenüber der Kompensation.

BGH, Urteil vom 27. Juni 2024 - I ZR 98/23 - OLG Düsseldorf - LG Kleve

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bei Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral" muss in der Werbung die konkrete Bedeutung erläutert werden - QR-Code reicht nicht

BGH
Urteil vom 27.06.2024
I ZR 98/23


Der BGH hat entschieden, dass bei der Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral" bereits in der Werbung die konkrete Bedeutung erläutert werden muss. Ein QR-Code mit Verlinkung auf eine Website mit Erläuterungen reicht insoweit nicht aus.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet zur Zulässigkeit von Werbung mit dem Begriff "klimaneutral"

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff (hier: "klimaneutral") regelmäßig nur dann zulässig ist, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Produkte aus Fruchtgummi und Lakritz herstellt. Die Produkte sind im Lebensmitteleinzelhandel, an Kiosken und an Tankstellen erhältlich. Die Beklagte warb in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage: "Seit 2021 produziert [die Beklagte] alle Produkte klimaneutral" und einem Logo, das den Begriff "klimaneutral" zeigt und auf die Internetseite eines "ClimatePartner" hinweist. Der Herstellungsprozess der Produkte der Beklagten läuft nicht CO2-neutral ab. Die Beklagte unterstützt indes über den "ClimatePartner" Klimaschutzprojekte.

Die Klägerin hält die Werbeaussage für irreführend. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden diese so, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Zumindest müsse die Werbeaussage dahingehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht war der Auffassung, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG wegen Irreführung zu. Die Leser der Fachzeitung verstünden den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen, da ihnen bekannt sei, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Ein Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 1 und 3 UWG wegen Vorenthaltens der Information, auf welche Weise die "Klimaneutralität" des beworbenen Produkts erreicht werde. Zwar sei diese Information wesentlich. Die erforderliche Aufklärung über Art und Umfang etwaiger Kompensationen lasse sich aber über die Internetseite des Kooperationspartners erlangen, die in der Werbeanzeige angegeben sei und mittels eines in der Werbeanzeige abgedruckten QR-Code aufgerufen werden könne. Dies sei Lesern der Zeitung auch zumutbar.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Beklagte zur Unterlassung der Werbung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verurteilt. Die beanstandete Werbung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG. Die Werbung ist mehrdeutig, weil der Begriff "klimaneutral" nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen von den Lesern der Fachzeitung - nicht anders als von Verbrauchern - sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden kann. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass im Bereich der umweltbezogenen Werbung - ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung - eine Irreführungsgefahr besonders groß ist und ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen besteht. Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie "klimaneutral" verwendet, muss deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind insoweit nicht ausreichend. Eine Erläuterung des Begriffs "klimaneutral" war hier insbesondere deshalb erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig ist. Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant, da die Bewerbung eines Produkts mit einer vermeintlichen Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist.

Vorinstanzen:

LG Kleve - Urteil vom 22. Juni 2022 - 8 O 44/21

OLG Düsseldorf - Urteil vom 6. Juli 2023 - I-20 U 152/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 5 Abs. 1 UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 5a Abs. 1 und 3 UWG

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. [...]

(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:

1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie

2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht. [...]



Volltext BGH veröffentlicht: Wettbewerbswidrige Mogelpackung liegt in der Regel dann vor wenn sie nur bis zu zwei Drittel gefüllt ist

BGH
Urteil vom 29.05.2024
I ZR 43/23
Hydra Energy
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3a, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3; MessEG § 2 Nr. 1, § 43 Abs. 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Wettbewerbswidrige Mogelpackung liegt in der Regel dann vor wenn sie nur bis zu zwei Drittel gefüllt ist über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG, die dem Schutz des Verkehrs vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung ("Mogelpackung") dient, fällt, soweit Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern betroffen sind, in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der in diesem Verhältnis eine Vollharmonisierung bewirkenden Richtlinie 2005/29/EG. Damit ist,weil insoweit die in den übrigen Absätzen des Art. 3 der Richtlinie 2005/29/EG vorgesehenen Ausnahmen nicht betroffen sind, für die lauterkeitsrechtliche Anwendung der Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG kein Raum, soweit sie Tatbestandsmerkmale - hier: das Merkmal der Bereitstellung auf dem Markt - vorsieht, die dem Tatbestand des Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG beziehungsweise des diese Vorschrift umsetzenden § 5 UWG
fremd sind. Die Beurteilung der Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung hat dann allein nach § 5 UWG zu erfolgen (Klarstellung zu BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41] = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße).

b) Eine wettbewerblich relevante Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung ("Mogelpackung") nach § 5 UWG liegt unabhängig von dem konkret beanstandeten Werbemedium - hier: Online-Werbung - vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Fertigpackung nur zu zwei Dritteln gefüllt ist, sofern nicht die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge zuverlässig verhindert oder die gegebene Füllmenge auf technischen Erfordernissen beruht.

BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Wettbewerbswidrige Mogelpackung liegt in der Regel dann vor wenn sie nur bis zu zwei Drittel gefüllt ist

BGH
Urteil vom 29.05.2024
I ZR 43/23


Der BGH hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Mogelpackung in der Regel dann vorliegt, wenn sie nur bis zu zwei Drittel gefüllt ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zu "Mogelpackungen"

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verpackung eines Produkts in der Regel nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht ("Mogelpackung") wenn sie nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein Verbraucherschutzverband. Die Beklagte vertreibt Kosmetik- und Körperpflegeprodukte.

Die Beklagte bewarb auf ihrer Internetseite ein Herrenwaschgel in einer aus Kunststoff bestehenden Tube mit einer Füllmenge von 100 ml. In der Online-Werbung ist die Tube auf dem Verschlussdeckel stehend abgebildet. Sie ist im unteren Bereich des Verschlussdeckels transparent und gibt den Blick auf den orangefarbigen Inhalt frei. Der darüber befindliche, sich zum Falz der Tube stark verjüngende Bereich ist nicht durchsichtig, sondern silbern eingefärbt. Die Tube ist nur im durchsichtigen Bereich bis zum Beginn des oberen, nicht durchsichtigen Bereichs mit Waschgel befüllt.

Die Klägerin hält diese Werbung für unlauter, weil sie eine tatsächlich nicht gegebene nahezu vollständige Befüllung der Tube mit Waschgel suggeriere, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass die Verpackung zwar dann entgegen § 3a UWG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 MessEG ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge als vorhanden vortäusche, wenn der Verbraucher sie im Rahmen des Erwerbs im Laden in Originalgröße wahrnehme. Im Falle des hier vorliegenden Online-Vertriebs fehle es jedoch an der Spürbarkeit eines Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 MessEG, weil dem Verbraucher die konkrete Größe der Produktverpackung im Zeitpunkt der Beschäftigung mit dem Angebot und dem Erwerb des Produkts verborgen bleibe. Auch eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Täuschung über den Hohlraum in der Verpackung liege nicht vor.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hat Erfolg. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 MessEG kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden. Insbesondere täuscht die beanstandete Produktgestaltung entgegen § 43 Abs. 2 MessEG ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vor, als in ihr enthalten ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch eine spürbare Interessenbeeinträchtigung vor. Der für diese Frage entscheidende Schutzzweck des § 43 Abs. 2 MessEG besteht darin, den Verkehr vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung ("Mogelpackung") zu schützen. Dieser Schutzzweck ist unabhängig vom Vertriebsweg stets betroffen, wenn - wie im Streitfall - eine Fertigpackung ihrer Gestaltung und Befüllung nach in relevanter Weise über ihre relative Füllmenge täuscht.

Der Bundesgerichtshof hat in der Sache selbst entschieden und die Beklagte zur Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG verurteilt.



Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob die übrigen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 MessEG erfüllt sind, insbesondere, ob die Werbung für ein Produkt oder das bloße Angebot unter den Begriff der Bereitstellung auf dem Markt im Sinne des § 2 Nr. 1 MessEG fällt. Denn soweit - wie hier - Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern betroffen sind, kommt die Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG aufgrund der vollharmonisierenden Wirkung von Art. 3 und 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken nicht zur Anwendung, und die Beurteilung der Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung hat alleine nach § 5 UWG zu erfolgen.

Die beanstandete Internetwerbung für das Waschgel verstößt gegen § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG. Eine wettbewerblich relevante Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung liegt unabhängig von dem konkret beanstandeten Werbemedium grundsätzlich vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht. Dies ist hier der Fall, da die Waschgel-Tube nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist und weder die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge zuverlässig verhindert noch die gegebene Füllmenge auf technischen Erfordernissen beruht.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 30. November 2021 - 37 O 42/20

OLG Düsseldorf - Urteil vom 23. März 2023 - 20 U 176/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 43 Abs. 2 Mess- und Eichgesetz (MessEG)

Es ist verboten, Fertigpackungen herzustellen, herstellen zu lassen, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, in Verkehr zu bringen oder sonst auf dem Markt bereitzustellen, wenn sie ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäuschen als in ihnen enthalten ist.

§ 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5 UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; (…)

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken

Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts.

Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG

Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr nicht aus Gründen, die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen, einschränken.

Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG

Unlautere Geschäftspraktiken sind insbesondere solche, die a) irreführend im Sinne der Artikel 6 und 7 (…) sind.



LG Magdeburg: Wettbewerbsverstoß durch Anbieten von Dienstleistungen zur Suchmaschinenmanipulation durch das künstliche Erzeugen von Klicks per Clickworker

LG Magdeburg,
Urteil vom 11.10.2022
36 O 26/22 (007)


Das LG Magdeburg hat entschieden, dass das Anbieten von Dienstleistungen zur Suchmaschinenmanipulation durch das künstliche Erzeugen von Klicks per Clickworker wettbewerbswidrig ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die angebotenen Leistungen tatsächlich funktionieren oder nicht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig. Das angerufene Gericht ist gem. § 14 Abs. 1 UWG sachlich und gem. § 14 Abs. 2 UWG örtlich zuständig, weil die Beklagte ihren Sitz gem. § 17 Abs. 1 ZPO und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand in M. hat.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert, weil es sich bei ihm unstreitig um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen handelt, dem eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört und der nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben zur Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen.

Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 3 UWG. Das Anbieten von Klicks zur Verbesserung des Rankings auf der Google-Suchmaschine ist eine irreführende geschäftliche Handlung der Beklagten gem. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG. Die geschäftliche Handlung besteht in dem Anbieten, die von der Beklagten erzeugten Klickvorgänge käuflich zu erwerben. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ist „geschäftliche Handlungen“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezuges von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Indem die Beklagte den zunächst zu Testzwecken kostenlosen, im Übrigen aber entgeltlichen Erwerb von Klickvorgängen angeboten hat, hat sie eine solche geschäftliche Handlung durchgeführt. Sie hat damit den Nutzern ihrer Website in Aussicht gestellt, dass diese durch den Erwerb der Klicks ein besseres Ranking erreichen und dadurch ihren Absatz fördern können.

Diese geschäftliche Handlung ist auch irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG. Denn sie ist geeignet, den Nutzer der Website der Beklagten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Darüber hinaus enthält sie zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften und Befähigungen der Beklagten und die Art ihres Vertriebs. Die Täuschung besteht darin, dass die von der Beklagten verkauften und mit sogenannten Clickworkern erzeugten Klicks nicht von „echten“ Nutzern stammen, sondern ohne ein echtes Interesse an der Nutzung generiert werden. Die für die Bewertung maßgebliche Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers geht dahin, aufgrund des Rankings einer Firma in der Suchmaschine ein entsprechendes Prestige und eine damit verbundene hochwertige Güte des Unternehmens anzunehmen. Die Vorstellung des Nutzers geht dabei davon aus, dass das Ranking durch den Aufruf der Website von real existierenden Nutzern gefördert wird. Der durchschnittliche Verbraucher rechnet indes nicht damit, dass in Wahrheit uninteressierte und nur für die Verbesserung des Rankings speziell beschäftige Mitarbeiter – so wie die Clickworker der Beklagten – die Klicks erzeugt haben.

Das künstliche Erzeugen der Klicks mit dem Versprechen, dadurch das Ranking des Nutzers zu verbessern, ist auch geeignet, Verbraucher über den Stellenwert des Unternehmens zu täuschen. In diesem Zusammenhang kommt es nach Auffassung der Kammer entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht darauf an, dass die Klick-Rate nur einer von mehreren Faktoren ist, die das Ranking bei Google beeinflussen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte sowohl in dem postalisch versandten Schreiben als auch auf ihrer Website die Klick-Rate als einen wichtigen Rankingfaktor beschreibt. Auf Seite 2 der Anlage K3 heißt es hierzu explizit, eine Studie vor einigen Jahren habe belegt, dass Klicks in weniger als 3 Stunden eine Firma von Platz 7 auf Platz 1 katapultiert hätten. Dieselbe Information ist auch auf der Website (K4) enthalten. Damit wird den Nutzern suggeriert, dass die von der Beklagten angebotenen Klicks das Ranking bei Google mit großer Wahrscheinlichkeit verbessern. Ob dieser Erfolg tatsächlich eintritt, kann im Ergebnis dahinstehen, weil es nach § 5 Abs. 1 UWG ausreicht, dass die Angaben zur Täuschung „geeignet“ sind.

Im Ergebnis handelt es sich bei dem Angebot der Beklagten nicht um eine erlaubte Suchmaschinenoptimierung, sondern um eine verbotene Suchmaschinenmanipulation (Ernst, WRP 2004, 278 bis 282, zitiert in juris; OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2009, 4 U 53/09, zitiert in juris, Rn. 29, 30).

Daneben hat der Kläger ebenfalls Anspruch auf Unterlassung aus § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 UWG. Denn das Angebot der Beklagten entspricht nicht der unternehmerischen Sorgfalt und ist dazu geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Der Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt ergibt sich daraus, dass die Beklagte selbst einräumt, der Erfolg der von ihr versprochenen Suchmaschinenoptimierung sei vollkommen ungewiss und wissenschaftlich nicht nachweisbar. Dies vorausgesetzt, dürfte die Beklagte jedoch dem Verbraucher nicht suggerieren, dass der Erwerb von Klicks das Ranking auf der Google-Suchmaschine tatsächlich verbessere.

Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers i.H.v. 374,50 € ist gem. § 13 Abs. 3 UWG begründet. Die Abmahnung vom 09.03.2022 war aus den o.g. Gründen berechtigt und entsprach auch den Voraussetzungen nach § 13 Abs. 2 UWG.

Der Zinsanspruch ist gem. § 291 BGB begründet. Die Klage wurde der Beklagten am 12.05.2022 zugestellt, so dass der Zinslauf am Folgetag beginnt.

Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beklagte hat keinen Aufwendungsersatzanspruch i.H.v. 374,50 €, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 UWG nicht gegeben sind. Danach hat der Abgemahnte einen Aufwendungsersatzanspruch, sofern die ihm gegenüber ausgesprochene Abmahnung unberechtigt war oder nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht. Wie bereits erläutert, war die Abmahnung des Klägers gegenüber der Beklagten vom 09.03.2022 jedoch berechtigt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen für die Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO, für die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 25.000,- €, §§ 3 ZPO, 45 Abs. 1 S. 3 GKG.


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OLG Karlsruhe: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung von Globuli mit "radionisch informiert"

OLG Karlsruhe
Urteil vom 19.03.2024
14 U 63/23


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung von Globuli mit "radionisch informiert" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
bb) Die klägerseits gerügte Produktpräsentation der Globuli „Babytraum Globuli für Ihn“/„Babytraum für den Mann“ und „Babytraum Globuli für Sie“/„Für die Frau“ mit dem Zusatz „radionisch informiert“ ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F., was der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen kann.

(1) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält.

Irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei den Adressaten eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht. Maßgeblich ist auch hier das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.56).

Eine Irreführung des Käufers kann vorliegen, wenn die Etikettierung, die alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen umfasst, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind, unwahre, falsche, mehrdeutige, widersprüchliche oder unverständliche Elemente enthält. In bestimmten Fällen kann das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig ist, gleichwohl nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen, der sich aus den anderen Elementen der Etikettierung dieses Lebensmittels ergibt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.08.2020 - 4 U 214/18, Rn. 26, juris).

(2) Gemessen hieran stellt sich die gerügte Produktpräsentation in Zusammenschau mit dem Zusatz „radionisch informiert“ als irreführend in diesem Sinne dar. Die Präsentation der Globuli erfolgt in einer Weise, die der durchschnittliche Verbraucher mit homöopathischen Mitteln assoziiert, worauf auch der Zusatz „radionisch informiert“ verweist. Dies erweckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck, dass es sich hierbei nicht nur um reine Zuckerkügelchen handelt. Vielmehr wird durch die Aufmachung und den Textzusatz der Eindruck erweckt, es handle sich um ein (zugelassenes) homöopathisches Mittel zur Steigerung der Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit, was nicht der Fall ist. Zwar wird vorliegend offengelassen, womit genau die Globuli „radionisch informiert“ sein sollen bzw. was der Inhalt dieser „Information“ sein soll. Die Präsentation der Globuli enthält auch kein klares Wirkversprechen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der durchschnittliche Verbraucher aufgrund der Aufmachung und Präsentation mehr als reinen Zucker erwartet, worum es sich hier aber handelt. Denn wie auf die Globuli „radionische Informationen“ (welchen Inhalts auch immer) - also etwas, was die Globuli von schlichtem Zucker unterscheiden könnte - aufgebracht worden sein sollen, wird beklagtenseits schon nicht hinreichend dargelegt (vgl. hierzu auch OLG Celle, Beschluss vom 22.08.2022 - 13 U 18/22, Rn. 55, juris).


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LG Koblenz: Online-Anbieter darf Wirksamkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses durch den Kunden nicht von einem Bestätigungstelefonat abhängig machen

LG Koblenz
Urteil vom 27.02.2024
11 O 12/23

Da LG Koblenz hat entschieden, dass ein Online-Anbieter die Wirksamkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses durch den Kunden nicht von einem Bestätigungstelefonat abhängig machen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Erfolgreiche Abmahnung durch eine Verbraucherzentrale wegen unzulässiger Verpflichtung zur Kündigungsbestätigung per Telefon

Ist ein durch eine Verbraucherzentrale geltend gemachter Unterlassungsanspruch begründet, wenn eine Firma die online erklärte Kündigung eines Kunden von einem Bestätigungstelefonat abhängig macht? Diese Frage hatte die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte bietet, auch gegenüber Verbrauchern, den Abschluss von Dienstleistungsverträgen über Dauerschuldverhältnisse unter anderem zur Bereitstellung von Webspeicherplatz, E-Mail-Postfächern und Servern an.

Der Kläger, ein eingetragener Verein (Verbraucherzentrale), begehrt von der Beklagten es zu unterlassen, dass die Beklagte auf eine online erklärte Kündigung gegenüber Verbrauchern behauptet, dass zur Wirksamkeit der Kündigung noch ein Telefonat mit der Beklagten erforderlich sei. Konkret hat ein Kunde seinen Vertrag bei der Beklagten per Internet gekündigt. Der Kunde hat daraufhin von der Beklagten die Mitteilung erhalten, er möge seine Kündigung binnen 14 Tagen telefonisch bestätigen, ansonsten bleibe das Vertragsverhältnis unverändert bestehen.

Der Kläger hat daraufhin die Beklagte abgemahnt und erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert.

Er behauptet, im Fall eines Anrufs nach der Kündigung werde seitens der Beklagten - mittels rhetorischer Kunstfertigkeit oder durch Anbieten anderer Vertragskonditionen - versucht, den Verbraucher zu überzeugen, von seinem Kündigungswillen Abstand zu nehmen.

Der Kläger ist zudem der Ansicht, die Mitteilung der Beklagten gegenüber Verbrauchern, dass nach einer Kündigung eine Rückbestätigung erfolgen müsse, stelle eine unlautere geschäftliche Handlung dar. Sie enthalte unwahre Angaben über Rechte des Verbrauchers.

Der Kläger beantragt der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern der Geschäftsführung, zu untersagen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern diesen nach einer der Beklagten zugegangenen Kündigungserklärung eines Dienstleistungsvertrages in Form eines Dauerschuldverhältnisses mitzuteilen, die telefonische Bestätigung der erklärten Kündigung sei erforderlich.

Die Beklagte ist der Ansicht, ohne die telefonische Rückbestätigung der Kündigung bestünde das Risiko, dass unberechtigte Dritte den Vertrag eines Kunden kündigen könnten. Auch für den Fall einer Kündigung nach § 312k BGB sei es für die Beklagte erforderlich, sich davon zu überzeugen, dass die Kündigung auch vom Erklärenden stammt. Dabei biete ein fernmündliches Gespräch ein Mehr an Sicherheit verglichen etwa mit einem Bestätigungslink innerhalb einer E-Mail. Es finde keine Irreführung des Verbrauchers statt. Außerdem werde eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers nicht beeinflusst.

Die Entscheidung:

Die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage antragsgemäß stattgegeben.

Ein entsprechender Unterlassungsanspruch des Klägers ergebe sich aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG.

Der Kläger als Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, sei aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 4 UKlaG.

Das Vorgehen der Beklagten, den Verbraucher aufzufordern, seine Kündigung innerhalb von 14 Tagen telefonisch zu bestätigen, stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Dazu gehörten auch Verhaltensweisen, die auf eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung oder das Ver-hindern einer Geschäftsbeendigung gerichtet sind.

Diese geschäftliche Handlung der Beklagten sei gem. § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, da sie gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter sei. Danach handele unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornehme, die geeignet sei, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die Kammer hat die Vorgehensweise der Beklagten als irreführend im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG eingestuft. Demnach sei eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthalte. Erfasst seien auch irreführende Angaben über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung bestimmter Rechte, zu denen auch das Kündigungsrecht zähle.

Auch wenn die Beklagte nach Auffassung der Kammer ein grundsätzliches Interesse an einer Authentifizierung haben könne, wäre eine solche vorrangig durch eine Bestätigung über den von dem Verbraucher gewählten Kommunikationskanal zu erreichen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ein an den Verbraucher unter der von ihm hinterlegten E-Mail-Adresse gesendeter Bestätigungslink zur Identifizierung weniger geeignet wäre, als ein Telefonat. Auch während eines Telefonats sei es der Beklagten nicht möglich, sich umfassende Gewissheit über die wahre Person ihres Gesprächspartners zu verschaffen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es einem unbefugten Dritten, der sich Zugang zu der Kundennummer, der Vertragsnummer und dem E-Mail-Konto des wahren Vertragspartners verschafft hat, auch gelänge, in einem Telefonat über seine Identität zu täuschen.

Die Vorgehensweise der Beklagten sei auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Beklagte stelle den Verbraucher nach Zugang seiner Kündigung vor die Wahl, seine Kündigung nicht telefonisch zu bestätigen, und in der Folge das Vertragsverhältnis fortzusetzen, oder innerhalb von 14 Tagen telefonisch Kontakt zu der Beklagten aufzunehmen. Es werde dadurch eine zusätzliche Entscheidung des Verbrauchers verlangt, ob er an der Ausübung seines Kündigungsrechts festhalten will. Ohne die irreführende Aufforderung der Beklagten würde der Verbraucher weder die eine noch die andere Entscheidung treffen.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr ergebe sich daraus, dass die Beklagte eingeräumt habe, dass die beanstandete Vorgehensweise der Beklagten deren übliche Vorgehensweise sei.

Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

§ 5 Irreführende Handlungen
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält ...

§ 8 Beseitigung und Unterlassung
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden ...



LG München: Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung sind nach dem "Strengeprinzip" nur bei gesicherten wissenschaftlichen und dokumentierten Erkenntnissen zulässig

LG München
Urteil vom 19.12.2023
33 O 12090/22

Das LG München hat entschieden, dass Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung nach dem "Strengeprinzip" nur bei gesicherten wissenschaftlichen und dokumentierten Erkenntnissen zulässig sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V. m. § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F. zu.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers als in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG aufgenommener Verbraucherschutzverein folgt aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.

2. § 3 HWG stellt in alter und neuer Fassung eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 41. Auflage, § 3a Rdnr. 1.25).

3. Bei den streitgegenständlichen Äußerungen auf dem Plakat der Beklagten handelt es sich um geschäftliche Handlungen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da die Werbung mit einer bestimmten Wirkungsweise mit der Förderung des Absatzes eines Produkts objektiv zusammenhängt.

4. Das HWG ist nach § 1 des Gesetzes vorliegend anwendbar, da es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Medizinprodukt i. S. d. Art. 2 Nr. 1 der VO (EU) 2017/745 beziehungsweise um ein Arzneimittel nach § 2 AMG handelt. Bei dem Produkt der Beklagten handelt es sich um Lutschpastillen, die der Vorbeugung von grippalen Infekten der oberen Atemwege und von infektiösen und entzündlichen Atemwegserkrankungen, die durch Viren und Bakterien verursacht werden, dienen (vgl. S. 1 der wissenschaftlichen Stellungnahme in Anlage B1_1). Das streitgegenständliche Produkt ist damit für Menschen bestimmt und soll der Verhütung von Krankheiten dienen. Nachdem das HWG nach § 1 Nr. 1 und 1a sowohl auf Arzneimittel als auch auf Medizinprodukte anzuwenden ist, ist eine genauere Abgrenzung beider Alternativen vorliegend entbehrlich.

5. Die beanstandete Werbung der Beklagten verstößt gegen § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F.

a) Gemäß § 3 S. 1 HWG a.F./n.F. ist eine irreführende Werbung unzulässig und liegt nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG a.F. bzw. n.F. eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln bzw. Arzneimitteln, Medizinprodukten i.S.d. § 3 Nr. 4 des MPG in der bis einschließlich 25.05.2021 geltenden Fassung, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

b) Für die Beurteilung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Angabe kommt es allein darauf an, in welchem Sinne die Kreise, an die die Ankündigung sich wendet, die Angabe verstehen (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 1955, 37 – Cupresa-Kunstseide). Angesprochener Verkehrskreis der streitgegenständlichen Äußerungen der Beklagten sind vorliegend Verbraucher, die sich vor dem Coronavirus schützen wollen und damit prinzipiell jedermann. Maßgeblich ist dabei das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der der in Streit stehenden Darstellung eine der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, wobei es auf den Gesamteindruck der beanstandeten Angabe ankommt (BGH GRUR 2013, 1254 Rn. 15 – Matratzen Factory Outlet; BGH GRUR 2022, 925 Rn. 18 – Webshop Awards). Dieses Verständnis kann die Kammer vorliegend selbst feststellen, da deren Mitglieder als Durchschnittsverbraucher zum angesprochenen Verkehr gehören, und da sie aufgrund ihrer ständigen Befassung mit Kennzeichen- und Wettbewerbsstreitsachen in der Lage ist, das Verkehrsverständnis anhand ihrer Erfahrungen selbst zu beurteilen (st. Rspr., vgl. hierzu etwa OLG München GRUR-RR 2016, 270 Rn. 31 – Klosterseer).

c) Von einer Irreführung ist dann auszugehen, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 2020, 1226 Rdnr. 14 – LTEGeschwindigkeit; BGH GRUR 2022, 925 Rdnr. 18 – Webshop Awards). Für die Feststellung, welches Verständnis die streitgegenständliche Werbeaussage bei dem Verbraucher erweckt, ist auf den Gesamteindruck der Werbung und nicht lediglich auf einzelne Elemente abzustellen (vgl. BGH GRUR 2022, 1347 Rdnr. 23 – 7 x mehr). Bei Werbung im Gesundheitsbereich sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen (vgl. BGH GRUR 2002, 182 (185) – Das Beste jeden Morgen).

d) Vorliegend ist eine Irreführung nach § 3 Nr. 1 HWG zu bejahen, da die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen die dem angesprochenen Verkehr suggerierten Wirkungen des streitgegenständlichen Produkts nicht tragen.

aa) Der angesprochene Verkehr, der das beanstandete Werbeplakat der Beklagten bei eher geringem Aufmerksamkeitsgrad im Vorbeigehen nur flüchtig wahrnimmt, versteht die Werbeaussagen „Jetzt zusätzlich vor Viren schützen!“ und „Immer dann, wenn Sie keine Maske tragen, z. B. beim Stadtbummel, Essen gehen, Freunde treffen, Feste feiern, Fitness.“ dahingehend, dass er bei den genannten Aktivitäten, bei denen keine Maske getragen wird, durch die Einnahme des streitgegenständlichen Produkts genauso effektiv vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt werde wie durch das Tragen einer Schutzmaske, und dass durch die Einnahme des streitgegenständlichen Produkts ein absoluter Schutz erreicht werden könne. Den relativierenden Hinweis „Viren- und Bakterienabwehr mit der Natur auf physikalische Weise, ... zeigt in ... eine hemmende Wirkung auf das Eindringen von Coronaviren.“, der schon nicht am Blickfang teilnimmt, nimmt der Verkehr schon nicht wahr, denn dieser ist nur auf dem untersten Abschnitt des Plakats in sehr kleiner Schrift gestaltet, und der durchschnittliche Verbraucher kann diesen mit dem bloßen Auge nur schwer und nur mit einem geringen Abstand zum Plakat vollumfänglich lesen. Eine solche genaue Analyse des Werbeaufstellers wird der angesprochene Verkehr aber nicht vornehmen. Hinzu kommt, dass der angesprochene Durchschnittsverbraucher keine genaue Kenntnis von der Bedeutung des Begriffs „...“ hat. Der angesprochene Verkehr ist damit – selbst bei Wahrnehmung der weiteren Hinweise – nicht in der Lage, die Begrenzung der prominent herausgestellten Wirkaussage „Jetzt zusätzlich vor Viren schützen!“ zu erfassen und versteht diese daher in einem umfassenden Sinne.

bb) Eine solche Wirkung des streitgegenständlichen Produkts lässt sich den vorgelegten Unterlagen aber nicht entnehmen:

i. Ob die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit beziehungsweise für die Unrichtigkeit der Werbeäußerungen der Beklagten auf Seiten des Klägers oder der Beklagten liegt, kann vorliegend dahinstehen, da die Beklagte die Unterlagen, die ihrer Ansicht nach die streitgegenständlichen Behauptungen stützen, vorgelegt hat und der Kläger sich diese zu eigen gemacht hat, sodass diese zur Überprüfung der streitgegenständlichen Werbeaussagen heranzuziehen sind.

ii. Studienergebnisse entsprechen grundsätzlich nur dann den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 19 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

iii. Eine solche „Goldstandard“- Studie liegt nicht vor. Zu beachten ist zunächst, dass es sich bei den in den Anlagen B1_1 und B1_2 vorgelegten Unterlagen um keine Studien handelt und diesen Dokumenten daher nur eine geringe Aussagekraft zuzubilligen ist. Die wissenschaftliche Stellungnahme von Frau Dr. ... in Anlage B1_1 betrifft zwar das streitgegenständliche Produkt und kommt zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit und Verkehrsfähigkeit des streitgegenständlichen Produkts als Medizinprodukt belegt sei. Die Stellungnahme bezieht sich dabei auf eine mit dem Produkt der Beklagten durchgeführte „...“ -Studie, bei der eigene „...“ Zellkulturversuche mit dem streitgegenständlichen Produkt einen signifikanten Hemmeffekt auf das Eindringen von SARS-CoV-2 gezeigt hätten. Unabhängig davon, dass die Aussagekraft der wissenschaftlichen Stellungnahme aufgrund der Tatsache, dass Frau Dr. ... auf Seite 11 der Anlage B2 als Kontaktperson der Beklagten aufgeführt ist und damit wohl ein berufliches Verhältnis zur Beklagten besteht, nochmals eingeschränkt ist, vermag der Verweis auf die durchgeführte „...“ – Studie die Werbeaussage, das Produkt sei gleichsam effektiv wie eine Schutzmaske beziehungsweise schütze absolut vor dem Coronavirus, nicht zu rechtfertigen. Die übrigen in der Anlage B1_1 vorgelegten Artikel beziehen sich schon nicht konkret auf das streitgegenständliche Produkt. Auf Seite 6 des Artikels von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_1) wird sogar ausgeführt, dass es notwendig sei, Labortests „...“, aber auch „...“ bei Tieren und Patienten durchzuführen, um ihre Wirksamkeit gegen das Coronavirus zu bestätigen. Auch in der Anlage B1_2 wurden lediglich Artikel vorgelegt, die sich nicht auf das streitgegenständliche Produkt selbst beziehen und damit die behauptete Wirksamkeit nicht belegen können. Zudem wird in dem Artikel von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_2) auf Seite 12 ausgeführt, dass die Wechselbeziehung zwischen der ACE2-Hemmung, der Entzündungshemmung und den antioxidativen Wirkungen von Flavonoiden noch durch eine umfassende „...“ und „...“ Auswertung geklärt werden müsse. Darüber hinaus müsse eine Entscheidung, die Rezeptoren ACE1 und ACE2 zu verändern, beispielsweise um eine Wirkung gegen COVID-19 zu erzielen, mit Vorsicht vorgenommen werden. Auch in dem Artikel von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_2) wird auf Seite 10 dargelegt, dass sowohl natürliche als auch synthetische Verbindungen funktionelle Validierungen benötigen, die nicht auf „...“ – Tests auf Grundlage rekombinanter Proteine beschränkt werden können. Zudem wird in dem Aufsatz von ... (vgl. Aufsatz in Anlage B1_2) auf Seite 11338 auf die Notwendigkeit weiterer Studien hingewiesen. Auch der Artikel von ... (vgl. Aufsatz in Anlage B1_2) bezieht sich lediglich auf eine durchgeführte „...“ – Untersuchung bezüglich des „...“ und nicht auf das streitgegenständliche Produkt.

In Anlage B2 befindet sich zwar eine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass das streitgegenständliche Produkt „...“ ein starker Hemmstoff gegen eine pseudotypisierte Infektion mit dem Coronavirus gewesen sei (vgl. Seite 4 der Studie in Anlage B2). Die Aussagekraft dieser Studie ist jedoch eingeschränkt, da auf Seite 1 und 11 der Anlage B2 die Beklagte als Sponsor der Studie ausgewiesen ist und damit die Neutralität des Ergebnisses diskussionswürdig ist. Letztendlich kann die Aussagekraft der Studie jedoch dahinstehen, da auch damit jedenfalls nicht belegt ist, dass das Produkt der Beklagten vor einer Infektion mit dem Coronavirus genauso effektiv wie eine Maske beziehungsweise absolut schützen kann. Bei dem in Anlage K5 vorgelegten Dokument handelt es sich lediglich um eine Zusammenfassung der „...“ Studienergebnisse, die die streitgegenständlichen Werbeäußerungen ebenfalls nicht zu belegen vermag.

Im Ergebnis belegen die vorgelegten Unterlagen mithin schon keine „...“- Wirksamkeit und erst recht keine uneingeschränkte Wirksamkeit „...“.

iv. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens kam nicht in Betracht. Denn nach dem „Strengeprinzip“ sind Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, was bedeutet, dass der vom Werbenden in Anspruch genommene Stand bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein muss. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn der Werbende sich erst im Prozess auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft, weil ein erst nachträglich eingeholtes Gutachten den Vorwurf nicht entkräften könnte, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (BGH GRUR 2021, 513 Rdnr. 34 – Sinupret).

e) Die Irreführung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant, da die Werbung mit Äußerungen, nach denen ein bestimmtes Produkt eine Infektion mit dem Coronavirus genauso effektiv verhindern könne wie das Tragen einer Schutzmaske, beziehungsweise nach denen ein bestimmtes Produkt absoluten Schutz vor einer Infektion biete, geeignet ist, potenzielle Kunden zu einer näheren Beschäftigung mit dem Angebot der Beklagten zu verleiten.

6. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG. Die von der Beklagten unterschriebene Unterlassungserklärung (vgl. Erklärung vom 20.01.2022 in Anlage K3) konnte die Wiederholungsgefahr nicht ausräumen, da der Kläger die Annahme dieser Erklärung ablehnte (vgl. Schreiben vom 27.01.2022 in Anlage K6). Zwar genügt für den Wegfall der Wiederholungsgefahr grundsätzlich der Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Schuldners, die sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt. Lehnt der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner jedoch ab, scheitert der Abschluss des Unterlassungsvertrags und es fehlt ab diesem Zeitpunkt an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine (drohende) Vertragsstrafeverpflichtung (vgl. BGH GRUR 2023, 255 Rdnr. 40ff. – Wegfall der Wiederholungsgefahr III). Unabhängig davon, ob es sich bei dem von der Beklagten auf der Unterlassungserklärung vom 20.01.2022 (vgl. Erklärung in Anlage K3) hinzugefügten Zusatz um einen neuen Sachverhalt handelt, fehlte es jedenfalls seit der Ablehnung der Annahme durch den Kläger am 27.01.2022 (vgl. Schreiben in Anlage K6) an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine Vertragsstrafeverpflichtung. Damit ist der endgültige Wegfall der Wiederholungsgefahr zwar von einem Willensakt des Gläubigers abhängig. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Schuldner bis zum Zugang der Ablehnung die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung einer Wiederholungsgefahr durch einen Verweis auf seine einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung sowohl dem Erstgläubiger als auch gegenüber Drittgläubigern widerlegen kann. Ein unbilliges Ergebnis hinsichtlich des Erstgläubigers kann im Übrigen dadurch vermieden werden, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, sich bei einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO der Kostentragung zu entziehen (vgl. BGH GRUR 2023, 255 Rdnr. 43f. – Wegfall der Wiederholungsgefahr III).

II. Der Kläger hat darüber hinaus gegen die Beklagte auch einen Unterlassungsanspruch nach §§ 2 Abs. 1, 3 UKlaG i.V. m. § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F.

1. Der Kläger ist als in die Liste qualifizierter Einrichtungen i. S. d. § 4 UKlaG nach §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 UKlaG aktivlegitimiert.

2. Bei § 3 HWG handelt es sich in alter und neuer Fassung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 UKlaG um eine Verbraucherschutznorm i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG.

3. Ein Verstoß gegen den § 3 Nr. 1 HWG a.F. und n.F. liegt vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die obigen Ausführungen unter A. I. 5 verwiesen.

4. Das Verbraucherschutzinteresse an der Geltendmachung des Anspruchs besteht, vgl. § 2 Abs. 1 UKlaG. Ein Versehen im Einzelfall liegt bei der gezielt gewählten Werbegestaltung nicht vor.

5. Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr ist infolge der festgestellten Verletzungshandlung gegeben. Die von der Beklagten unterschriebene Unterlassungserklärung (vgl. Erklärung vom 20.01.2022 in Anlage K3) konnte die Wiederholungsgefahr aufgrund der Ablehnung des Klägers nicht ausräumen, Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter A. I. 6. verwiesen.

III. Aufgrund des bestehenden Unterlassungsanspruchs hat der Kläger gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung seiner Abmahnkosten nach § 5 UKlaG i.V. m. § 13 Abs. 3 UWG. Einwände gegen die Höhe der geltend gemachten Pauschale wurden nicht erhoben.


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LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung bei Reduzierung der Füllmenge von 500g auf 400g bei gleicher Verpackung ohne aufklärenden Hinweis während der ersten 3 Monate

LG Hamburg
Urteil vom 13.02.2024
406 HKO 121/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch eine Mogelpackung vorliegt, wenn die Füllmenge bei identischer Produktverpackung von 500g auf 400g reduziert wird, ohne dass während der ersten 3 Monate ein aufklärender Hinweis erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die allgemeinen Irreführungstatbestände des $ 5 UWG auch bei Irreführungen hinsichtlich einer Packungsgröße anwendbar. Gerade wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass § 43 Abs. 2 MessEG nur objektiv aus der Gestaltung und Befüllung von Fertigpackungen resultierende Täuschungen erfasst, ist kein Grund ersichtlich, warum § 43 Abs. 2 MessEG aus anderen Umständen resultierende Irreführungen betreffend die Füllmenge von Fertigpackungen in der Art privilegieren sollte, dass die allgemeinen Irreführungstatbestände hierauf nicht anwendbar wären. Erfasst § 43 Abs. 2 MessEG hingegen auch aus anderen Umständen resultierende Täuschungen, ist ebenfalls kein Grund für eine Unanwendbarkeit der allgemeinen Irreführungsverbote ersichtlich.

Vorliegend ist der Vertrieb der hier streitigen 400 g-Packung ohne deutlich sichtbaren aufklärenden Hinweis über die geänderte Füllmenge jedenfalls für einen Zeitraum von 3 Monaten irreführend, wenn „Sanella“ zuvor in einer bis auf die Füllmengenangabe identischen Produktverpackung in 500 g-Packungen vertrieben worden ist. Die auf der Produktseite angegebene Füllmenge wird dem situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbraucher vielfach entgehen. Er wird vielmehr regelmäßig auf Grund des übereinstimmenden Erscheinungsbildes der Verpackungen davon ausgehen, ein auch hinsichtlich der Füllmenge unverändertes Produkt zu erwerben und die geringere Füllmenge erst im Nachhinein bemerken.

Insoweit ist auch nicht etwa die Wiederholungsgefahr durch Zeitablauf entfallen. Zwar sind seit der im Sommer 2022 erfolgten Produktumstellung bereits deutlich mehr als 3 Monate vergangen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass die Beklagte die hier streitgegenständliche Produktumstellung zu einem späteren Zeitpunkt erneut vornimmt, also nach zwischenzeitlichem Vertrieb einer 500 g-Packung die Füllmenge wiederum auf 400 g reduziert. Dies auch deshalb, weil die Beklagte ihr Streichfett „Sanella* in der Vergangenheit im Laufe der Zeit in einer ganzen Reihe verschiedener Packungsgrößen und Füllmengen angeboten hat.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Vertrieb der 400 g-Packung unabhängig von dem Zeitablauf seit Umstellung der Füllmengen von 500 g auf 400 g irreführend wäre. Die zu 80 % mit Streichfett gefüllte 400 g-Packung „Sanella“ täuscht jedenfalls nicht unabhängig von der zuvor vertriebenen 500 g-Packung eine größere Füllmenge vor als in ihr enthalten ist. Dies kann auch unter Berücksichtigung des wettbewerblichen Umfeldes nicht festgestellt werden, so dass offen bleiben kann, ob bei der Feststellung eines Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 MessEG auch auf außerhalb der konkret streitgegenständlichen Verpackung liegende Umstände abgestellt werden kann oder nur § 5 UWG bzw. Art 7 LMIV einschlägig sind. Streichfette werden zwar vielfach weiterhin in 500 g-Packungen vertrieben, daneben aber auch in einer ganzen Reihe von Packungsgrößen mit unterschiedlichen Füllmengen. Auch ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt, dass die farblich sehr unterschiedlich gestalteten 500 g-Packungen dem Verbraucher ein optisch einheitliches Bild vermitteln, wie es als Grundlage einer Irreführung hinsichtlich der Befüllung der hier streitigen Packung erforderlich wäre. Die von der identisch ausgestalteten 500 g-Packung „Sanella“ ausgehende Irreführung besteht hingegen nur innerhalb einer gewissen Übergangszeit, die 3 Monate nach der Umstellung noch nicht abgelaufen ist, jedoch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in dieser Sache ihr Ende gefunden hat.


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OLG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit 0%-Finanzierung im Online-Shop von Saturn und Mediamarkt wenn zugleich Rahmenkreditvertrag abgeschlossen wird

OLG München
Urteil vom 19.10.2023
6 U 3908/22


Das OLG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "0%-Finanzierung" im Online-Shop von Saturn und Mediamarkt vorliegt, wenn zugleich ein Rahmenkreditvertrag abgeschlossen wird

Aus den Entscheidungsgründen:
2) Indem die Beklagte eine 0%-Finanzierung zum Erwerb im Rahmen ihrer Online-Shops unter www.s...de und www.m...de blickfangmäßig beworben und lediglich im Rahmen eines nur schwer leserlichen und inhaltlich nicht hinreichend klaren auflösenden Hinweises zu einem Sternchenvermerk darauf hingewiesen hat, dass über die Finanzierung des Produkts hinaus ein zeitlich unbefristeter Rahmenkreditvertrag bis zu einem Nettodarlehensvertrag von EUR 10.000,00 mit dem Kreditinstitut BNP P. mit einer veränderlichen Sollzinsbelastung von 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz) abgeschlossen wird, hat sie gegen das Irreführungsverbot gemäß § 5 Abs. 1 UWG verstoßen.

a) Gemäß § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

aa) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Tatsachen oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 UWG genannten Umstände enthält. Hierzu zählen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG insbesondere die wesentlichen Merkmale der fraglichen Ware oder Dienstleistung einschließlich deren Art, Risiken und Zusammensetzung. Zur Täuschung im Sinne von § 5 Abs. 2 Alt. 2 UWG geeignet und damit irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei den angesprochenen Kunden eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht, wobei es für die Beurteilung auf den Gesamteindruck ankommt, den die geschäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 12.05.2022, Az. I ZR 203/20, GRUR 2022, 925 Tz. 18 – Webshop Awards; BGH, Urt. v. 04.07.2019, Az. I ZR 161/18, GRUR 2020, 299 Tz. 10 – IVD-Gütesiegel; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.56). Wird dabei eine Angabe blickfangmäßig herausgestellt, darf diese für sich genommen nicht unrichtig oder für den Verkehr missverständlich sein (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 16 – All Net Flat; BGH, Urt. v. 18.12.2014, Az. I ZR 129/13, GRUR 2015, 698 Tz. 16 – Schlafzimmer komplett; BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 23 – 150% Zinsbonus). Vermittelt eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung, kann der dadurch veranlasste Irrtum nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der seinerseits selbst am Blickfang teilhaben muss, was nur dann der Fall ist, wenn der situationsadäquat aufmerksame Verbraucher die aufklärenden Hinweise auch wahrnimmt (BGH, Urt. v. 18.12.2014, Az. I ZR 129/13, GRUR 2015, 698 Tz. 16 – Schlafzimmer komplett; BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 23 – 150% Zinsbonus). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Zweck des Irreführungsverbotes der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (Richtlinie Nr. 2005/29/EG) entsprechend darin besteht, den Verbraucher in seiner Fähigkeit zu einer freien und informationsgeleiteten Entscheidung zu schützen (BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 18 – All Net Flat).

bb) Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ist eine Irreführung über die Art und Zusammensetzung der von der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb verschiedener Elektrogeräte angebotenen Dienstleistung einer 0%-Finanzierung im vorliegenden Fall zu bejahen, § 5 Abs. 2 Alt. 2 Nr. 1 UWG.

(1) Dabei sieht sich der Senat im Rahmen der vorzunehmenden rechtlichen Würdigung an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden. Insbesondere mit Blick auf den vom Landgericht auf Seiten 3 und 4 des angegriffenen Urteils festgestellten Inhalt der klarstellenden Hinweise ist daher davon auszugehen, dass die von der Beklagten im Rahmen ihrer Online-Shops verwendeten Hinweistexte jeweils übereinstimmen. Dass ausweislich der Anlage K 3 betreffend das im Online-Shop www.s...de angebotene Produkt LG OLED55CX9LA OLED TV der Sternchenvermerk (***) nicht die eigentliche 0%-Finanzierung näher erläutert, sondern zunächst darauf hinweist, dass das Angebot „nur für direkt von Saturn angebotene Produkte“ gilt, mit der H. Bank GmbH & Co KG, …, im Fortfolgenden ein weiterer Finanzierungspartner genannt wird und auch der Satz, wonach der Partner für den Onlineshop der MMS E-C. GmbH die BNP P. S.A. …, … sei, fehlt, war im Rahmen der Irreführungsprüfung daher nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich des im Online-Shop www.m. .de angebotenen Produkts LG OLED65CX9LA OLED TV, bei dem ebenfalls der weitere Finanzierungspartner H. Bank …, genannt ist und der Hinweis, wonach der Partner für den Onlineshop der MMS E-C. GmbH die BNP P. S.A. sei, fehlt (Anlage K 4). Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils weist insoweit keine Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten auf und wurde von den Parteien auch nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen. Ein Rückgriff auf die von der Klägerin vorgelegten Anlagen und den sich hieraus ergebenden tatsächlichen Text der Hinweise ist dem Senat daher verwehrt (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2021, Az. I ZR 137/20, WRP 2022, 48 Tz. 27 f. – Kaffeebereiter).

(2) Ungeachtet dessen stellt sich aber die streitgegenständlich beworbene 0%-Finanzierung unter Berücksichtigung des vom Landgericht festgestellten Hinweistextes als irreführend dar (nachfolgend (a)). Die zu den Sternchenvermerken von der Beklagten abgedruckten Hinweise genügen nicht, um eine Irreführung im vorliegenden Fall auszuschließen. Dem Verbraucher wird die entgegen der beworbenen 0%-Finanzierung tatsächlich mögliche Zinsbelastung in den in der Fußzeile der jeweiligen Homepage abgedruckten Hinweisen nicht hinreichend klar und unmissverständlich erläutert (nachfolgend (b)).

(a) Die streitgegenständliche 0%-Finanzierung wurde von der Beklagten blickfangmäßig in einem Kästchen unmittelbar unterhalb der Preisangabe des jeweils zu erwerbenden Produkts beworben und herausgestellt. Mit der blickfangmäßigen Herausstellung der 0%-Finanzierung einschließlich der mit der Höhe und Anzahl der Raten klar bezeichneten wesentlichen Konditionen weckt die Beklagte bei dem angesprochenen Verbraucher die Erwartungshaltung, im Zusammenhang mit dem Erwerb der jeweiligen Ware keine, auch keine potentielle weitere Zinsbelastung tragen zu müssen. Dieser Verbrauchervorstellung entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse nicht. Denn tatsächlich wird dem Verbraucher bei einem Einkauf über die Online-Shops der Beklagten unter www.s. .de und www.m. .de mit der Wahl der ihm angebotenen 0%-Finanzierung nicht nur eine entsprechende zinsfreie Finanzierung des tatsächlich erworbenen Produkts in Form eines Ratenkredits ermöglicht, sondern darüber hinaus ein zeitlich unbefristeter Rahmenkreditvertrag über einen Nettodarlehensbetrag bis zu EUR 10.000,00 mit dem Kreditinstitut BNP P.vermittelt und hierzu eine Mastercard zugesandt, bei deren Gebrauch dem Verbraucher erhebliche weitere Kosten in Höhe eines veränderlichen Sollzinssatzes von 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz) entstehen können.

Ihrem Inhalt nach richtet sich die streitgegenständliche Werbung an Endverbraucher. Maßgeblich ist damit die Sichtweise des durchschnittlich informierten, verständigen und der Situation, in der er mit der Aussage konfrontiert wird, entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 20 – 150% Zinsbonus; BGH, Urt. v. 24.10.2022, Az. I ZR 50/500, GRUR 2003, 163, 164 – Computerwerbung II). Da die Mitglieder des erkennenden Senats zu den von der streitgegenständlichen Werbung angesprochenen Verkehrskreisen zählen, können diese die mit der von der Beklagten angebotenen 0%-Finanzierung erzeugte Vorstellung aus eigener Anschauung selbst beurteilen. Angesichts der dem Wortlaut nach auf eine Finanzierung zu 0% Zinsen gerichteten Werbung und der zugleich angegebenen Anzahl und Höhe der zu bezahlenden Raten versteht der angesprochene Durchschnittsverbraucher die ihm dargebotene Finanzierungsmöglichkeit dahingehend, das fragliche Produkt gegen Zahlung der nach Anzahl und Höhe benannten Raten ohne jede zusätzliche Zinsbelastung erwerben zu können.

Dabei ist zwar entgegen dem Landgericht davon auszugehen, dass der durchschnittliche Verbraucher die fragliche Werbung nicht lediglich flüchtig wahrnehmen wird. Denn bei den streitgegenständlichen Produkten, hier Fernseher der Marken Sony und LG mit OLED-Technologie, handelt es sich um hochpreisige Güter, die nicht Gegenstand alltäglicher Erwerbsgeschäfte sind, sondern typischerweise auf einer überlegten und geplanten Kaufentscheidung beruhen. Daher wird der Durchschnittsverbraucher im Grundsatz den unmittelbar in dem unterhalb der Preisangabe des jeweiligen Produkts blickfangmäßig hervorgehobenen Kästchen als solchen erkennbaren Sternchenvermerk zu der dort angebotenen 0%-Finanzierung wahrnehmen und diesem auch nachgehen. Da dem Verbraucher aber die zum Zwecke der Finanzierung primär relevanten Informationen betreffend die Höhe und Anzahl der von ihm zu zahlenden Raten bereits aus der eigentlichen Blickfangwerbung bekannt sind, wird er im Rahmen des Sternchenvermerks allenfalls ergänzende Informationen zur Abwicklung des Ratenkredits, insbesondere zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Raten und den zur Zahlungsabwicklung benötigten Bank- und Kontodaten des Zahlungsempfängers, erwarten. Stattdessen enthält der Sternchenvermerk aber neben der Angabe verschiedener in Betracht kommender Zahlungsdienstleister den Hinweis auf einen im Falle des Einkaufs über den jeweiligen Online-Shop mit dem Finanzierungspartner BNP P. zustande kommenden Rahmenkreditvertrag sowie auf eine in diesem Zusammenhang dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Mastercard, bei deren Gebrauch ihm möglicherweise Zinszahlungspflichten in Höhe von bis zu 15,9% effektiver Jahreszins des aus dem Kreditrahmen in Anspruch genommenen Betrages entstehen können. Der Inhalt des streitgegenständlichen Sternchenvermerks begründet mithin einen angesichts der aus dem Blickfang heraus klaren Verbrauchervorstellung einer vollständig zinsfreien Finanzierung eines spezifischen Erwerbsgeschäfts überraschenden Widerspruch zu der dem Verbraucher letztlich bei Gebrauch der im Zusammenhang mit der 0%-Finanzierung übersandten Mastercard möglicherweise entstehenden Zinszahlungspflicht und belegt somit das für die Annahme der Irreführung entscheidende Auseinanderfallen von Verbrauchervorstellung einerseits und tatsächlicher Situation andererseits.

Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang das mit Schriftsatz vom 29.08.2023 sowie in der mündlichen Verhandlung von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten vertiefte Argument, wonach dem relevanten Durchschnittsverbraucher aus verschiedenen Internetveröffentlichungen bekannt sei, dass auch im Falle von 0%-Finanzierungen alles seinen Preis habe und insoweit verschiedene Geschäftsmodelle einschließlich des zugleich mit dem Warenerwerb erfolgenden Verkaufs von Kreditkarten praktiziert würden. Von Verbraucherschutzorganisationen und Anbietern von Verbraucherinformationen veröffentlichte Hinweise und Warnungen vor versteckten Kostenfallen sind insoweit bereits im Ansatz nicht geeignet, das Vorstellungsbild des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers dahingehend zu prägen, dass dieser im Hinblick auf die im Einzelfall zu beurteilende Werbung keiner Fehlvorstellung unterliegt. Die von der Beklagten vorgelegten Internetpublikationen zeigen im Gesamtbild vielmehr, wie unklar und heterogen sich die Gestaltung von 0%-Finanzierungen darstellt. Hieraus folgt aber gerade nicht, dass eine Irreführung mangels entsprechender Fehlvorstellung des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers per se ausgeschlossen ist. Vielmehr ist damit im Gegenteil umso mehr belegt, dass der Anbieter einer 0%-Finanzierung gerade unmissverständlich und hinreichend klar erläutern muss, mit welchen möglichen Zusatzkosten ein Verbraucher gegebenenfalls rechnen muss, um in dem jeweiligen Einzelfall eine Irreführung auszuschließen.

(b) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung sind die zu den Sternchenvermerken vorgehaltenen Hinweise weder nach Art noch nach Inhalt hinreichend klar, um die dargelegte Irreführung zu beseitigen. Die in der Fußzeile der streitgegenständlichen Internet-Webseiten von der Beklagten abgedruckten Hinweise genügen den Anforderungen an einen dem Bundesgerichtshof zufolge im Falle einer durch eine blickfangmäßige Werbung verursachten Fehlvorstellung notwendigen klarstellenden Hinweis nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der angesprochene Verbraucher auf Grund der wortlautgemäß eindeutigen Blickfangwerbung für die streitgegenständliche 0%-Finanzierung keinerlei Anlass hat, damit zu rechnen, dass ihm aus oder im Zusammenhang mit dieser Finanzierung weitere Zinsbelastungen entstehen können. Im Gegenteil darf der Verbraucher aufgrund der seitens der Beklagten erfolgten Werbung gerade berechtigter Weise davon ausgehen, mit keinerlei Zinszahlungspflichten belastet zu werden, sodass entsprechend der auch vom Landgericht im Ergebnis zu Recht vertretenen Auffassung strenge Anforderungen an den im Streitfall erforderlichen klarstellenden Hinweis zu stellen sind.

Die streitgegenständlichen Hinweise sind bereits der Art ihrer Darstellung nach nicht hinreichend klar. Selbst wenn man – was der Senat im vorliegenden Fall zugunsten der Beklagten unterstellt – im Hinblick auf die streitgegenständlichen hochpreisigen Produkte davon ausgeht, dass der angesprochene Verbraucher angesichts der wirtschaftlichen Tragweite der entsprechenden Kaufentscheidung dem Sternchenvermerk nachgeht, kann dessen Inhalt von dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher innerhalb der ohne erkennbare Absätze aneinandergereihten Liste verschiedener Klarstellungen nicht hinreichend klar zur Kenntnis genommen werden. Angesichts der eindeutigen blickfangmäßigen Bewerbung der 0%-Finanzierung und der daraus resultierenden Erwartung einer auch im Übrigen nicht bestehenden Zinsbelastung ist insoweit zu erwarten, dass die Beklagte, die als verantwortliche Anbieterin einem Kunden mit der 0%-Finanzierung zugleich eine dessen Erwartungshaltung kontrastierenden Rahmenkreditvertrag mit potentiell erheblicher Zinsbelastung vermitteln will, einen Hinweis so gestaltet, dass sich dieser seiner Darstellung nach der blickfangmäßig beworbenen 0%-Finanzierung entsprechend dem Kunden leicht erkennbar und klar erschließt. Diesen Anforderungen wird der streitgegenständliche Hinweis aber nicht gerecht. Schriftart und -größe sind im Vergleich zu der im Übrigen erfolgten Gestaltung der jeweiligen Online-Shops ersichtlich unauffällig und nur schwer leserlich gestaltet. Gleiches gilt für die von der Beklagten im Vergleich zu den sonstigen Textdarstellungen gewählte magere Schriftstärke. In ausgedruckter Form sind die Hinweise, wie aus Anlagen K 3 und K 4 ersichtlich, allenfalls bei höchster Konzentration unter Zuhilfenahme von Seh- oder Lesehilfen entzifferbar.

Nichts anderes ergibt sich insoweit auch aus dem Argument der Beklagten, dass der Verbraucher seinerseits den Text über die sogenannte Zoomfunktion vergrößern und jedenfalls sodann klar wahrnehmen könne. Hierzu hat der Verbraucher im vorliegenden Fall angesichts der durch die eindeutige Blickfangwerbung geweckten Erwartung, keinerlei Zinsbelastungsrisiken ausgesetzt zu sein, bereits keinen Anlass. Will der verantwortliche Betreiber eines Online-Shops einem Kunden einen Vertragsschluss vermitteln, der ihn zu einer Leistung verpflichtet (hier: mögliche Zinsbelastung), welche gerade im Gegensatz zu der durch eine Blickfangwerbung geweckten Erwartungshaltung (hier: keinerlei Zinsbelastung) steht, hat vielmehr der Anbieter selbst dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Hinweise hardwareunabhängig mittels geeigneter Voreinstellungen des von ihm gestalteten Online-Shops leicht zur Kenntnis genommen werden können. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Vielmehr geht der Hinweis auf den zusätzlichen Abschluss eines Rahmenkreditvertrages samt möglicher zusätzlicher Zinsbelastung dem Gesamteindruck der Gestaltung der streitgegenständlichen Online-Shops nach in dem einheitlichen Textblock verschiedenster Hinweise unter, sodass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Durchschnittsverbraucher diesen nicht zur Kenntnis nehmen wird (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 20 – All Net Flat).

Darüber hinaus sind auch die Umstände der 0%-Finanzierung und der in diesem Zusammenhang erfolgten Kreditvergabe durch das Kreditinstitut BNP P. ihrem Inhalt nach nicht hinreichend klar und unmissverständlich erläutert. Ergänzend zu den insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (Bl. 88/89 d. Akte, dort: Ziff. 2.2.4) ist insoweit darauf hinzuweisen, dass insbesondere auch die Formulierung, dass „danach und für alle weiteren Verfügungen“ der veränderliche Sollzinssatz „(jährlich) 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz)“ betrage, missverständlich ist. Die Beklagte trägt zwar gemäß Rn. 33 ihrer Berufungsbegründung vom 12.09.2022 (Bd. 2, Bl. 22 d. Akte) vor, dass die 0%-Finanzierung auch für alle weiteren Produktangebote ihres Online-Shops gälte, sofern diese ebenfalls mit „0% Finanzierung“ beworben würden. Dem Wortlaut des von der Beklagten verwendeten Hinweises zufolge ist aber eine Auslegung gerade nicht ausgeschlossen, wonach im Falle einer Finanzierung eines jeden weiteren über den jeweiligen Online-Shop der Beklagten getätigten Erwerbsgeschäfts der vorstehende genannte veränderliche Sollzinssatz fällig wird. Hinzu kommt, dass jedwede nähere Erläuterung zu den Nutzungsbedingungen der dem Hinweis zu Folge einem Verbraucher zur Verfügung gestellten MasterCard fehlt. Insoweit bleibt es für den Verbraucher insbesondere unklar, ob er den veränderlichen Sollzinssatz schon bei jeder weiteren Bestellung über den fraglichen Online-Shop der Beklagten zu bezahlen hat oder ob dies nur bei gesonderter Inanspruchnahme der Master-Card zur Finanzierung von Produkten dritter Anbieter der Fall ist.

Die Beklagte kann dem auch nicht entgegenhalten, mit den Angaben zum Abschluss des Rahmenkreditvertrages lediglich gesetzliche Informationspflichten erfüllt zu haben. Diese von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten als solche bezeichnete Dilemmasituation ist aber unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbotes bereits aus dem Grund in rechtlicher Hinsicht unbeachtlich, weil die vermeintliche Pflichtenkollision gerade nicht unvermeidlich ist, sondern allein auf die von der Beklagten selbst getroffene geschäftliche Entscheidung zurückgeht, dem Kunden eine Warenfinanzierung in Verbindung mit einem mit dem Finanzierungspartner zusätzlich abzuschließenden Rahmenkreditvertrag anzubieten. Wie der streitgegenständliche Hinweis der Beklagten selbst auf die weiteren Finanzierungspartner zeigt, ist eine 0%-Finanzierung dagegen zweifellos auch in der Gestaltung eines auf das entsprechende Erwerbsgeschäft beschränkten Ratenkredits möglich und wird so von der Beklagten selbst in anderen Fällen wie etwa beim Erwerb in physischen Ladengeschäften auch praktiziert. Vor diesem Hintergrund kann der Senat die Frage offenlassen, ob die mit Blick auf den dem Verbraucher mit dem Abschluss einer 0%-Finanzierung zugleich vermittelten Rahmenkreditvertrag in dem streitgegenständlichen Hinweis enthaltenen Informationen überhaupt den sich insbesondere aus § 491a BGB i.V.m. Art. 247 § 3 EGBGB ergebenden strengen gesetzlichen Anforderungen entsprechen (zur Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB auf Zahlungsinstrumente mit Rahmenkreditabrede siehe etwa Jungmann, in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 57).

Darüber hinaus ist auch der auf Homepage des Online-Shops der Beklagten enthaltene Link „0%-Finanzierung“ nicht geeignet, die Irreführung zu beseitigen. Zwar ist der Text insoweit zumindest leicht leserlich. Ungeachtet dessen ist aber der nach dem insoweit unstreitigen Parteivortrag mit den streitgegenständlichen Sternchenvermerken identische Text – wie ausgeführt – seinem Inhalt nach nicht hinreichend klar und verständlich. Letztlich kommt es hierauf aber gar nicht an. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in Fällen, in denen eine blickfangmäßige Werbung bei isolierter Betrachtung eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig nur durch einen solchen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der seinerseits selbst am Blickfang teilhat (BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, Tz. 16 m.w.N. – All Net Flat). Diese Voraussetzung ist indes hinsichtlich des in der Titelleiste der Homepage der Online-Shops der Beklagten enthaltenen Links „0%-Finanzierung“ nicht erfüllt. Denn der fragliche Link ist in der Titelzeile der Online-Shops der Beklagten enthalten und nimmt somit aufgrund der sich daraus ergebenden klaren optischen Trennung nicht an der unterhalb der jeweiligen Preisangabe enthaltenen blickfangmäßigen Bewerbung der für das konkrete Produkt angebotenen 0%-Finanzierung teil.

bb) Die nach alledem vorliegende Irreführung ist wettbewerblich relevant. Die wettbewerbliche Relevanz ergibt sich – wie das Landgericht zutreffend ausführt – bereits aus der mit der streitgegenständlichen Blickfangwerbung verbundenen Anlockwirkung. Denn eine wie hier blickfangmäßig beworbene 0%-Finanzierung veranlasst den angesprochenen Durchschnittsverbraucher gerade dazu, sich mit dem Erwerb der entsprechenden hochpreisigen Waren näher auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 28.04.2016, Az. I ZR 23/15, MMR 2015, 680 Tz. 35 – Geo-Targeting; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.09.2021, Az. 6 U 133/20, GRUR-RR 2022, 94 Tz. 20; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.195 m.w.N.).


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OLG Düsseldorf: Keine Irreführung und kein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 HGB durch Bennungen einer privatwirtschaftlichen GmbH mit "Institut für Einfachheit"

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 15.08.2023
3 Wx 104/23


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, das keine Irreführung und kein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 HGB durch Benennung einer privatwirtschaftlichen GmbH mit "Institut für Einfachheit" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die gemäß §§ 382 Abs. 3, 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Gemäß § 18 Abs. 1 HGB muss die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Gemäß § 18 Abs. 2 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Eine ersichtliche Irreführung durch die Verwendung der Firma „Institut für Einfachheit“ im Sinne der Vorschrift lässt sich nicht feststellen.

Zu den bedeutsamen Angaben über die gesellschaftlichen Verhältnisse gehören Angaben zu Art, Größe und Tätigkeit der Gesellschaft, zu ihrem Alter, ihrer Zusammensetzung oder ihren sonstigen Verhältnissen (Senat, Beschluss vom 16.04.2004 – I-3 Wx 107/04, Rn. 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.04.2001 – 20 W 84/2001, Rn. 2, juris). Die durch die mögliche Täuschung in Betracht kommende Irreführung muss von einer gewissen Bedeutung für die angesprochenen Verkehrskreise sein, wobei ein objektiver Maßstab aus der Sicht der durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises und deren verständiger Würdigung anzulegen ist (Senat, a.a.O., Rn. 16, juris).

Da es heutzutage zahlreiche in privater Rechtsform gewerblich tätige Organisationen gibt, die das Wort „Institut“ in ihrer Firma führen (z.B. Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut, Kosmetikinstitut, Bestattungsinstitut, Reinigungsinstitut), führt - wie von der älteren Rechtsprechung angenommen - alleine die Bezeichnung „Institut“ für sich betrachtet den angesprochenen Verkehr nicht mehr zu der Vorstellung, es handele sich um eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht oder Förderung stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlichem Personal, nicht aber um einen privaten Gewerbebetrieb oder um eine private Vereinigung (so noch BGH, Urteil vom 16.10.1986 – I ZR 157/84, Rn. 23, juris zu § 3 UWG a.F., jetzt § 5 UWG; zu § 18 Abs. 2 HGB a.F. BayObLG, Beschluss vom 26.04.1990 – BReg 3 Z 167/89, Rn. 25, juris, zu § 18 Abs. 2 HGB n.F. noch Senat, a.a.O., Rn. 17; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 26.10.2011 – 25 W 23/11, Rn. 10, juris). Dies gilt, obwohl der Begriff „Institut“ nach wie vor als Bezeichnung für eine wissenschaftliche Betriebseinheit einer Hochschule verwendet wird (vgl. z.B. BayObLG, a.a.O., Rn. 18; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4). So findet sich bei google zu den Stichworten „Institut“ und „GmbH“ zahlreiche Verweise auf Institute für Moderation und Management, für Facility Management, für Mitbestimmung, für Innovation und Transfer, ein Institut für Führungskräfte, das IST Studieninstitut, das Zukunftsinstitut und vieles mehr. Letztlich kann die Frage, ob und inwieweit vor dem dargestellten Hintergrund die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht fortentwickelt werden müssen, auf sich beruhen.

Denn auch bei Anwendung der bisherigen Rechtsgrundsätze folgt aus der Verwendung des Worts „Institut“ in der Firma vorliegend keine Irreführung. Danach muss die Bezeichnung "Institut" für ein Privatunternehmen zur Vermeidung von Irreführungen mit klaren Hinweisen versehen werden, die einen solchen Charakter außer Zweifel stellen. Dabei kommt es stets auf die konkrete Art des Gebrauchs, insbesondere die im Zusammenhang mit dem Begriff "Institut" verwendeten weiteren Bestandteile der Bezeichnung oder auf sonstige im Zusammenhang damit benutzte Angaben an (BGH, a.a.O. Rn. 23 zu § 3 UWG a.F.; zu § 18 Abs. 2 HGB BayObLG, a.a.O., Rn. 25; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4; KG Berlin, a.a.O., Rn. 11, juris). Dabei reicht die Angabe des Rechtsformzusatzes, z.B. GmbH in der Regel nicht aus, um die Täuschungseignung auszuschließen (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 3. Akademie, Institut, Anstalt, Seminar, Kolleg, Rn. 50 f., OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4; vgl. Senat, a.a.O., Rn. 17 zu e.K.; KG Berlin, a.a.O., Rn. 12 zu e.V.).

Eindeutig als nicht täuschungsgeeignet und somit zulässig sind Bezeichnungen wie z.B. Beerdigungs-, Detektiv-, Eheanbahnungs- und Meinungsforschungsinstitut sowie Institut für Schönheitspflege beurteilt worden (vgl. BayObLG, a.a.O., Rn. 23, juris). Etwas anderes wurde angenommen, wenn die Tätigkeitsangabe im Zusammenhang mit der Bezeichnung „Institut“ den Eindruck wissenschaftlicher Betätigung erweckt, z.B. bei Deutsches Vorsorgeinstitut, Kardiologisches Institut, Institut für Marktanalysen, Institut für Zelltherapie, Institut für physikalische Therapie, Institut für steuerwissenschaftliche Information, Institut für Politik und Wirtschaftswissenschaften, Dolmetscher-Institut (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 3. Akademie, Institut, Anstalt, Seminar, Kolleg, Rn. 50 mit Nachweisen zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung).

Nach diesen Grundsätzen ist - bei der im Hinblick auf die Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gebotenen grundrechtskonformen Auslegung des § 18 Abs. 2 HGB - eine Irreführung durch die Firma „Institut für Einfachheit“ nicht ersichtlich. Der Namenszusatz „für Einfachheit“ ist weder identisch mit universitären Studiengängen oder Forschungszweigen, noch weist er auf eine bestimmte Fachrichtung hin. Er ist auch nicht geeignet, die Vorstellung einer wissenschaftlichen Einrichtung, die mit dem Wort „Institut“ verbunden werden könnte, zu verstärken (vgl. KG Berlin, a.a.O., Rn. 12).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung durch Slogan" Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" für Produkt "Wick Daynait"

OLG Frankfurt
Urteil vom 14.12.2023
6 U 197/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung durch Werbung für das Erkältungsmittel "Wick Daynait" mit dem Slogan "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" vorliegt. Bei Erkältungsmitteln belegt das Produkt nicht den Spitzenplatz. Der Slogan ist so zu verstehen, dass das Produkt das meistverkaufte Erkältungsmittel ist und sich die Werbeaussage nicht auf ausschließlich auf spezielle "Tag und Nacht"-Erkältungsmittel bezieht. Daher liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.