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LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung bei Reduzierung der Füllmenge von 500g auf 400g bei gleicher Verpackung ohne aufklärenden Hinweis während der ersten 3 Monate

LG Hamburg
Urteil vom 13.02.2024
406 HKO 121/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch eine Mogelpackung vorliegt, wenn die Füllmenge bei identischer Produktverpackung von 500g auf 400g reduziert wird, ohne dass während der ersten 3 Monate ein aufklärender Hinweis erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die allgemeinen Irreführungstatbestände des $ 5 UWG auch bei Irreführungen hinsichtlich einer Packungsgröße anwendbar. Gerade wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass § 43 Abs. 2 MessEG nur objektiv aus der Gestaltung und Befüllung von Fertigpackungen resultierende Täuschungen erfasst, ist kein Grund ersichtlich, warum § 43 Abs. 2 MessEG aus anderen Umständen resultierende Irreführungen betreffend die Füllmenge von Fertigpackungen in der Art privilegieren sollte, dass die allgemeinen Irreführungstatbestände hierauf nicht anwendbar wären. Erfasst § 43 Abs. 2 MessEG hingegen auch aus anderen Umständen resultierende Täuschungen, ist ebenfalls kein Grund für eine Unanwendbarkeit der allgemeinen Irreführungsverbote ersichtlich.

Vorliegend ist der Vertrieb der hier streitigen 400 g-Packung ohne deutlich sichtbaren aufklärenden Hinweis über die geänderte Füllmenge jedenfalls für einen Zeitraum von 3 Monaten irreführend, wenn „Sanella“ zuvor in einer bis auf die Füllmengenangabe identischen Produktverpackung in 500 g-Packungen vertrieben worden ist. Die auf der Produktseite angegebene Füllmenge wird dem situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbraucher vielfach entgehen. Er wird vielmehr regelmäßig auf Grund des übereinstimmenden Erscheinungsbildes der Verpackungen davon ausgehen, ein auch hinsichtlich der Füllmenge unverändertes Produkt zu erwerben und die geringere Füllmenge erst im Nachhinein bemerken.

Insoweit ist auch nicht etwa die Wiederholungsgefahr durch Zeitablauf entfallen. Zwar sind seit der im Sommer 2022 erfolgten Produktumstellung bereits deutlich mehr als 3 Monate vergangen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass die Beklagte die hier streitgegenständliche Produktumstellung zu einem späteren Zeitpunkt erneut vornimmt, also nach zwischenzeitlichem Vertrieb einer 500 g-Packung die Füllmenge wiederum auf 400 g reduziert. Dies auch deshalb, weil die Beklagte ihr Streichfett „Sanella* in der Vergangenheit im Laufe der Zeit in einer ganzen Reihe verschiedener Packungsgrößen und Füllmengen angeboten hat.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Vertrieb der 400 g-Packung unabhängig von dem Zeitablauf seit Umstellung der Füllmengen von 500 g auf 400 g irreführend wäre. Die zu 80 % mit Streichfett gefüllte 400 g-Packung „Sanella“ täuscht jedenfalls nicht unabhängig von der zuvor vertriebenen 500 g-Packung eine größere Füllmenge vor als in ihr enthalten ist. Dies kann auch unter Berücksichtigung des wettbewerblichen Umfeldes nicht festgestellt werden, so dass offen bleiben kann, ob bei der Feststellung eines Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 MessEG auch auf außerhalb der konkret streitgegenständlichen Verpackung liegende Umstände abgestellt werden kann oder nur § 5 UWG bzw. Art 7 LMIV einschlägig sind. Streichfette werden zwar vielfach weiterhin in 500 g-Packungen vertrieben, daneben aber auch in einer ganzen Reihe von Packungsgrößen mit unterschiedlichen Füllmengen. Auch ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt, dass die farblich sehr unterschiedlich gestalteten 500 g-Packungen dem Verbraucher ein optisch einheitliches Bild vermitteln, wie es als Grundlage einer Irreführung hinsichtlich der Befüllung der hier streitigen Packung erforderlich wäre. Die von der identisch ausgestalteten 500 g-Packung „Sanella“ ausgehende Irreführung besteht hingegen nur innerhalb einer gewissen Übergangszeit, die 3 Monate nach der Umstellung noch nicht abgelaufen ist, jedoch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in dieser Sache ihr Ende gefunden hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Ansbach: Betroffener kann nach 3 Monaten Untätigkeit Leistungsklage gegen Datenschutzbehörde erheben - Kosten trägt § 161 Abs. 3 VwGO analog die Behörde

VG Ansbach
Beschluss vom 03.08.2023
AN 14 K 19.01313

Das VG Ansbach hat entschieden, dass ein Betroffener nach 3 Monaten Untätigkeit Leistungsklage gegen die zuständige Datenschutzbehörde erheben kann. Die Kosten trägt § 161 Abs. 3 VwGO analog die Datenschutzbehörde.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Kosten des Verfahrens trägt vorliegend analog § 161 Abs. 3 VwGO der Beklagte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin war für die Kostenentscheidung § 161 Abs. 3 VwGO nicht direkt anwendbar, da es sich vorliegend nicht um eine Untätigkeitsklage i.S.d. § 161 Abs. 3, § 75 VwGO gehandelt hat. Denn das Klagebegehren der Klägerin richtete sich nicht auf eine bestimmte, als Verwaltungsakt zu qualifizierende Maßnahme seitens den Beklagten, sondern auf ein Tätigwerden des Beklagten im Rahmen ihrer Datenschutzbeschwerde nach Art. 77 f. DS-GVO. Daher war nicht die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO die hier statthafte Klageart, sondern die allgemeine Leistungsklage.

§ 161 Abs. 3 VwGO ist auf den hier vorliegenden Fall aber analog anzuwenden, da es sich um eine Interessenlage handelt, welche der einer Untätigkeitsklage vergleichbar ist, für welche aber eine planwidrige Regelungslücke besteht.

Für den Fall einer Klage nach Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 VwGO besteht hinsichtlich der Kostenentscheidung eine planwidrige Regelungslücke, da die §§ 154 ff. VwGO, welche über § 20 Abs. 2 BDSG auch im Fall einer Klage nach Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 VwGO zur Anwendung kommen, keine spezielle Kostenregelung für diese Klagekonstellation enthalten. Die Interessenlage ist in dieser Konstellation aber insgesamt mit der einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO vergleichbar, da beiden Fällen zugrunde liegt, dass eine Behörde pflichtwidrig nicht (rechtzeitig) tätig geworden ist.

Daher ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Beklagte den Beschwerdeführer entgegen der Vorschrift des Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand der Beschwerde in Kenntnis gesetzt hatte und der Beschwerdeführer daraufhin deswegen Klage erhoben hat, § 161 Abs. 3 VwGO analog anzuwenden.

Die Voraussetzungen des § 161 Abs. 3 VwGO liegen hier vor. Die Klägerin durfte grundsätzlich aufgrund der Vorschrift des Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 VwGO damit rechnen, dass der Beklagte sie innerhalb von drei Monaten über den Stand ihrer Datenschutzbeschwerde vom 5. April 2019 in Kenntnis setzt. Entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei dieser E-Mail der Klägerin auch um eine Beschwerde i.S.d. Art. 77, 78 DS-GVO, denn die Voraussetzungen an die bloße Einleitung eines Beschwerdeverfahrens dürfen im Sinne des hier bezweckten effektiven Rechtsbehelfs nicht überspannt werden. Die Klägerin hat in dieser E-Mail ausdrücklich einen Verstoß gegen das Kopplungsverbot (Art. 7 Abs. 4 DS-GVO) gerügt, sodass die Behandlung ihrer E-Mail als Beschwerde i.S.d. Art. 77, 78 DS-GVO mit der entsprechenden Unterrichtungspflicht aus Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO angezeigt gewesen wäre.

Da die inhaltlichen Anforderungen an ein Inkenntnissetzen i.S.d. Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO wohl nicht allzu hoch sind, dürfte sich auch der behördliche Zeitaufwand hierfür in Grenzen halten und in der Regel innerhalb von drei Monaten umsetzbar sein. Es sind im vorliegenden Fall auch keine außergewöhnlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die möglicherweise eine Verlängerung der starren Frist des Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO rechtfertigen könnten. Daher durfte die Klägerin analog § 161 Abs. 3 VwGO mit einem Tätigwerden des Beklagten vor Klageerhebung rechnen.

Deswegen waren die Kosten des Verfahrens vorliegend analog § 161 Abs. 3 VwGO dem Beklagten aufzuerlegen.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 2 GKG. Da das Begehren der Klägerin allein auf die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gerichtet war und somit hinter einem Begehren auf eine solche Durchführung eines Beschwerdeverfahrens einschließlich einer bestimmten behördlichen Entscheidung zurückbleibt, erscheint nach dem Ermessen des Gerichts die Festsetzung eines Streitwerts in Höhe des hälftigen Auffangstreitwerts aus § 52 Abs. 2 GKG angemessen (§ 52 Abs. 1 GKG) (vgl. VG Ansbach, U.v. 12.10.2022 – AN 14 K 19.01728 – juris Rn. 48-50).


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