Skip to content

VG Ansbach: Betroffener kann nach 3 Monaten Untätigkeit Leistungsklage gegen Datenschutzbehörde erheben - Kosten trägt § 161 Abs. 3 VwGO analog die Behörde

VG Ansbach
Beschluss vom 03.08.2023
AN 14 K 19.01313

Das VG Ansbach hat entschieden, dass ein Betroffener nach 3 Monaten Untätigkeit Leistungsklage gegen die zuständige Datenschutzbehörde erheben kann. Die Kosten trägt § 161 Abs. 3 VwGO analog die Datenschutzbehörde.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Kosten des Verfahrens trägt vorliegend analog § 161 Abs. 3 VwGO der Beklagte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin war für die Kostenentscheidung § 161 Abs. 3 VwGO nicht direkt anwendbar, da es sich vorliegend nicht um eine Untätigkeitsklage i.S.d. § 161 Abs. 3, § 75 VwGO gehandelt hat. Denn das Klagebegehren der Klägerin richtete sich nicht auf eine bestimmte, als Verwaltungsakt zu qualifizierende Maßnahme seitens den Beklagten, sondern auf ein Tätigwerden des Beklagten im Rahmen ihrer Datenschutzbeschwerde nach Art. 77 f. DS-GVO. Daher war nicht die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO die hier statthafte Klageart, sondern die allgemeine Leistungsklage.

§ 161 Abs. 3 VwGO ist auf den hier vorliegenden Fall aber analog anzuwenden, da es sich um eine Interessenlage handelt, welche der einer Untätigkeitsklage vergleichbar ist, für welche aber eine planwidrige Regelungslücke besteht.

Für den Fall einer Klage nach Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 VwGO besteht hinsichtlich der Kostenentscheidung eine planwidrige Regelungslücke, da die §§ 154 ff. VwGO, welche über § 20 Abs. 2 BDSG auch im Fall einer Klage nach Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 VwGO zur Anwendung kommen, keine spezielle Kostenregelung für diese Klagekonstellation enthalten. Die Interessenlage ist in dieser Konstellation aber insgesamt mit der einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO vergleichbar, da beiden Fällen zugrunde liegt, dass eine Behörde pflichtwidrig nicht (rechtzeitig) tätig geworden ist.

Daher ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Beklagte den Beschwerdeführer entgegen der Vorschrift des Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand der Beschwerde in Kenntnis gesetzt hatte und der Beschwerdeführer daraufhin deswegen Klage erhoben hat, § 161 Abs. 3 VwGO analog anzuwenden.

Die Voraussetzungen des § 161 Abs. 3 VwGO liegen hier vor. Die Klägerin durfte grundsätzlich aufgrund der Vorschrift des Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 VwGO damit rechnen, dass der Beklagte sie innerhalb von drei Monaten über den Stand ihrer Datenschutzbeschwerde vom 5. April 2019 in Kenntnis setzt. Entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei dieser E-Mail der Klägerin auch um eine Beschwerde i.S.d. Art. 77, 78 DS-GVO, denn die Voraussetzungen an die bloße Einleitung eines Beschwerdeverfahrens dürfen im Sinne des hier bezweckten effektiven Rechtsbehelfs nicht überspannt werden. Die Klägerin hat in dieser E-Mail ausdrücklich einen Verstoß gegen das Kopplungsverbot (Art. 7 Abs. 4 DS-GVO) gerügt, sodass die Behandlung ihrer E-Mail als Beschwerde i.S.d. Art. 77, 78 DS-GVO mit der entsprechenden Unterrichtungspflicht aus Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO angezeigt gewesen wäre.

Da die inhaltlichen Anforderungen an ein Inkenntnissetzen i.S.d. Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO wohl nicht allzu hoch sind, dürfte sich auch der behördliche Zeitaufwand hierfür in Grenzen halten und in der Regel innerhalb von drei Monaten umsetzbar sein. Es sind im vorliegenden Fall auch keine außergewöhnlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die möglicherweise eine Verlängerung der starren Frist des Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO rechtfertigen könnten. Daher durfte die Klägerin analog § 161 Abs. 3 VwGO mit einem Tätigwerden des Beklagten vor Klageerhebung rechnen.

Deswegen waren die Kosten des Verfahrens vorliegend analog § 161 Abs. 3 VwGO dem Beklagten aufzuerlegen.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 2 GKG. Da das Begehren der Klägerin allein auf die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gerichtet war und somit hinter einem Begehren auf eine solche Durchführung eines Beschwerdeverfahrens einschließlich einer bestimmten behördlichen Entscheidung zurückbleibt, erscheint nach dem Ermessen des Gerichts die Festsetzung eines Streitwerts in Höhe des hälftigen Auffangstreitwerts aus § 52 Abs. 2 GKG angemessen (§ 52 Abs. 1 GKG) (vgl. VG Ansbach, U.v. 12.10.2022 – AN 14 K 19.01728 – juris Rn. 48-50).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamm: Für karitative Tätigkeit der evangelischen Kirche (hier: Betrieb eines Krankenhauses) gilt kirchliches Datenschutzrecht und nicht die DSGVO

OLG Hamm
Beschluss vom 23.09.2022
26 W 6/22


Das OLG Hamm hat entschieden, dass für die karitative Tätigkeit der evangelischen Kirche (hier: Betrieb eines Krankenhauses) gilt kirchliches Datenschutzrecht und nicht die DSGVO.

Aus den Entscheidungsgründen:
(3) In der Sache selbst hat das Landgericht mit zutreffender und ausführlicher Begründung - welcher sich der Senat anschließt - dargelegt, dass der Klägerin gegen die Beklagte keine Ansprüche gem. Art. 15, 82 DS-GVO zugestehen, da die DS-GVO vorliegend nicht anwendbar ist. Auf die entsprechenden Ausführungen wird insoweit vorab Bezug genommen.

Gem. Art. 91 DS-GVO dürfen, wenn eine Kirche oder eine religiöse Vereinigung oder Gemeinschaft in einem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung umfassende Regeln zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung anwendet, diese Regeln weiter angewandt werden, sofern sie mit dieser Verordnung in Einklang gebracht werden.

Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, folgt hieraus, dass die kirchenrechtlichen Datenschutzregeln vorrangig anwendbar sind, wenn sie mit der DS-GVO in Einklang gebracht werden können und bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO bestanden. Dies ist bei dem DSG-EKD der Fall (vgl. BeckOK DatenschutzR/Mundil, 41. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 18a; Gola DS-GVO/Gola, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 91 Rn. 11). Die Beklagte als Trägerin von diakonischen Krankenhäusern fällt aufgrund ihres Bezugs zur Evangelischen Kirche unter das Merkmal „Kirche“, auch wenn es sich bei ihr um eine selbständige, privatrechtlich (nämlich als GmbH) organisierte Einrichtung der Kirche handelt.

Der Senat schließt sich hierbei der Ansicht des Landgerichts an, dass von den zahlreichen vertretenen Auffassungen (vgl. nur: Preuß ZD 2015, 217, 222) vorliegend mit der differenzierenden Ansicht darauf abzustellen ist, ob es sich bei der Tätigkeit der Beklagten um eine solche aus dem Kernbereich der Kirche handelt, was vorliegend zu bejahen ist. Hierfür spricht, dass sich zunächst aus Art. 91 DS-GVO selbst keine Einschränkung ableiten lässt. Der Anwendungsbereich ist entsprechend weit auszulegen (BeckOK DatenschutzR/Mundil, 41. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 15). Dementsprechend wird vertreten, dass auch Tätigkeiten von Religionsgemeinschaften von Art. 17 Abs. 1 AEUV umfasst sind, wenn auch nur in sehr restriktivem Maße. Eine typische Tätigkeit von Religionsgemeinschaften ist bspw. der Betrieb von karitativen Krankenhäusern. Träger dieser kirchlichen Krankenhäuser ist jedoch zumeist eine GmbH. Folglich handelt es sich um privatrechtliche Einrichtungen einer Religionsgemeinschaft. Es lässt sich demnach vertreten, dass auch privatrechtliche Einrichtungen von Religionsgemeinschaften in den Schutzbereich des Art. 17 AEUV fallen und damit auch nach Art. 91 vom Anwendungsbereich der DS-GVO ausgenommen und dem kirchlichen Datenschutz unterstellt sind (vgl. Paal/Pauly/Pauly, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 10).

Der vorliegende karitative Betrieb des Krankenhauses der Beklagten unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der DS-GVO. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hierbei zu berücksichtigen, ob nach kirchlichem Selbstverständnis durch den Betrieb des Krankenhauses eine dem religiösen Auftrag der Kirche entsprechende und dem Zweck kirchlicher Fürsorge gegenüber den Menschen dienende Aufgabe erfüllt werden soll. Dabei ist nicht nur dann der Kernbereich kirchlicher Aufgaben betroffen, wenn es um direkte Seelsorge geht. Entscheidend ist, ob die Kirche mit der Einrichtung ihren Aufgaben gerecht werden will. Hierzu gehören nach dem Selbstbild der Kirche insbesondere auch karitative und fürsorgliche Aufgaben, wozu nicht nur ehrenamtliche bzw. unentgeltliche Betreuungsaufgaben zählen, sondern auch der notwendigerweise wirtschaftliche Betrieb von Betreuungsangeboten für hilfsbedürftige Menschen, wie z.B. von Kindergärten, Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern. Dies ist vorliegend der Fall. Zutreffend hat das Landgericht insoweit auch darauf verwiesen, dass sich der karitative Aspekt der kirchlichen Trägerschaft auch aus den eigenen Ausführungen der Beklagten auf ihrer Krankenhaus-Homepage ergibt. Dort wird unter der Rubrik „über uns“ die persönliche Zuwendung als eine ihrer besonderen Stärken bezeichnet, wobei sich aus dem grundlegenden christlichen Selbstverständnis – dem Dienst am Menschen – die hohe Qualität von Pflege und Medizin ableite. Als evangelische Einrichtung sei das Unternehmen fest in einem christlichen Weltbild verankert.

4) Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss von 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19, NJW 2021, 1005) der Ansicht ist, die vorliegende Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung für das vollvereinheitliche europäische Datenschutzrecht und bedürfe damit letztlich einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof, hält der Senat eine Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht für geboten. Im dortigen Fall ging es um die Auslegung des Schadensbegriffs aus Art. 82 I DS-GVO. Vorliegend ist die DS-GVO jedoch bereits aufgrund tatsächlicher Umstände nicht anwendbar.

5) Schließlich hat das Landgericht auch zutreffend ausgeführt, dass das Begehren der Klägerin auch nicht als ein Auskunftsbegehren nach § 19 DSG-EKD ausgelegt werden konnte. Zum einen steht dem bereits der Wortlaut der Anträge entgegen, in denen sie ihr Begehren nur auf die DS-GVO stützt, zum anderen hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie eine Auskunft nach dem DSG-EKD ausdrücklich nicht begehrt.

Entsprechend war der Klägerin mangels Erfolgsaussicht die begehrte weitere Prozesskostenhilfe zu verweigern.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



VG Hannover: Selbstständige Evangelisch-lutherische Kirche unterliegt den Vorgaben der DSGVO und der Aufsicht durch Landesdatenschutzbehörde

VG Hannover
Urteil vom 30.11.2022
10 A 1195/21


Das VG Hannover hat entschieden, dass die Selbstständige Evangelisch-lutherische Kirche den Vorgaben der DSGVO und der Aufsicht durch die Landesdatenschutzbehörde unterliegt.

SELK unterliegt der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der Aufsicht durch die Nds. Landesdatenschutzbeauftragte

10. KAMMER WEIST KLAGE EINER KIRCHE GEGEN LANDESBEAUFTRAGTE FÜR DEN DATENSCHUTZ NIEDERSACHSEN AB

Die 10. Kammer hat auf die mündliche Verhandlung vom heutigen Tage die auf die Feststellung gerichtete Klage, dass die Klägerin zum einen nicht der Datenschutzgrundverordnung unterfalle, sondern eigene Datenschutzvorschriften erlassen dürfe, und zum anderen nicht der Aufsicht durch die Landesdatenschutzbeauftragte in Niedersachsen unterliege, abgewiesen.

Die Klägerin ist eine Kirche in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bundesweit gehören ihr 150 Kirchengemeinden mit ca. 32.000 Mitgliedern an.

Bereits 1993 setzte sie die "Richtlinie über den Datenschutz in der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche" mit Teilregelungen zum Datenschutz in Kraft. 2018 beschloss die Klägerin eine neue Richtlinie, die im Wesentlichen dem Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland entspricht.

In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Anwendbarkeit der eigenen Datenschutzregeln und die Datenschutzaufsicht zwischen den Beteiligten, infolge derer die Klägerin Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhob.

Die Klägerin begründete ihre Klage damit, dass sie aufgrund von Art. 91 Abs. 1 DSGVO berechtigt sei, eigene Datenschutzvorschriften in Kraft zu setzen und daher nicht der Anwendung der DSGVO unterliege. Infolgedessen sei sie nach Art. 91 Abs. 2 DSGVO berechtigt, eine eigene Aufsichtsbehörde einzurichten. Die Landesdatenschutzbeauftragte sei nicht zur Aufsicht berechtigt.

Das Gericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien nicht gegeben. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der DSGVO, auf den es maßgeblich ankomme, lediglich rudimentäre Regelungen zum Datenschutz in Kraft gehabt, die die Anforderungen an umfassende Datenschutzvorschriften i.S.d. Art. 91 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllten. Art. 91 Abs. 1 DSGVO sei als Bestandsvorschrift ausgestaltet. Angesichts des klaren Wortlaut und des Sinns und Zwecks der Norm sei sie auch abschließend zu verstehen. Darin liege kein Verstoß gegen Unionsrecht. Der EuGH habe in ständiger Rechtsprechung deutlich gemacht, dass die Anwendung der Vorschriften des Unionsrechts über den Datenschutz keinen Eingriff in die organisatorische Autonomie der Religionsgemeinschaften, Art. 17 AEUV, darstelle. Soweit die Klägerin aber bereits nach Art. 91 Abs. 1 DSGVO nicht berechtigt sei, eigene Datenschutzregeln weiter anzuwenden, sei sie nach Art. 91 Abs. 2 DSGVO auch nicht berechtigt, eine eigene Aufsichtsbehörde einzurichten. Sie unterfalle damit der Aufsicht der Beklagten.

Gegen das Urteil kann vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg binnen eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Entscheidungsgründe die Zulassung der Berufung beantragt werden.

Urteil vom 30.11.2022 - Az. 10 A 1195/21



LG Flensburg: Anrufung der Datenschutzbehörde hemmt Verjährung nicht da es sich nicht um eine Streitbeilegungsstelle i.S.v. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB handelt

LG Flensburg
Urteil vom 19.11.2021
3 O 227/19


Das LG Flensburg hat entschieden, dass Anrufung der Datenschutzbehörde die Verjährung etwaiger Ansprüche gegen die verarbeitende Stelle nicht hemmt, da es sich dabei nicht um eine Streitbeilegungsstelle i.S.v. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB handelt.

Aus den Entscheidungsgründen:

bb) Ein etwaiger, hieraus folgender Schadensersatzanspruch des Klägers wäre nämlich verjährt und deshalb nicht durchsetzbar (§ 214 Abs. 1 BGB).

(1) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers unterläge der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB).

(2) Diese Verjährungsfrist hätte mit dem Schluss des Jahres 2015 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2018 geendet. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Dies wäre hier der Schluss des Jahres 2015 gewesen:

Der Anspruch wäre im Jahr 2015 entstanden, weil die als gerügten Zugriffe auf die Patientendaten des Klägers im Mai 2015 stattfanden. Der Kläger hätte durch das Gespräch mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Beklagten, dem Zeugen O. F., und der nachfolgenden Übersendung der Stellungnahmen der vier Mitarbeiter der Beklagten, jeweils im Jahr 2015, auch Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt.

Anlässlich der Vernehmung des Zeugen F. hat der Kläger persönlich in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass das Gespräch mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten, in welchem die fraglichen Zugriffe identifiziert worden seien, bereits im Jahr 2015 stattgefunden habe. Der Kläger hat ebenfalls bestätigt, die in dem E-Mails vom 14.12.2015 und 15.12.2015 erwähnte Post mit den Stellungnahmen der Beschäftigten erhalten zu haben. Hiermit hatte der Kläger bereits 2015 die hinreichende Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen. Der Kläger wusste von den erfolgten Zugriffen auf seine Patientendaten, hat die Berechtigung für die vier streitgegenständlichen Zugriffe als zweifelhaft erkannt und er kannte die Stellungnahmen der vier Beschäftigten und damit deren Begründungen für die Zugriffe. Dies genügt, um die Verjährungsfrist beginnen zu lassen.

Entgegen der Auffassung des Klägers begann die Verjährung nicht erst dann zu laufen, als die internen Ermittlungen der Beklagten zu den Berechtigungen der Zugriffe abgeschlossen waren oder als das ULD Feststellungen hierzu getroffen hat. Die erforderliche Kenntnis von den Anspruchsvoraussetzungen und der Person des Ersatzpflichtigen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände (statt vieler BGH, Urteil vom 27.05.2008 – XI ZR 132/07, juris Rn. 32 mwN). Hier hatte der Kläger bereits im Jahr 2015 Kenntnis aller tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage zumindest – wenn auch nicht risikolos – eine Feststellungsklage hätte erhoben werden können. Die Kenntnis von den gerügten Zugriffen auf seine Patientendaten, von bestehenden Zweifeln an der Berechtigung hierzu und von den Stellungnahmen der Beschäftigten, aufgrund derer er die Berechtigung der Beschäftigten hätte beurteilen können, genügte hierfür. Dies wird durch den vorliegenden Rechtsstreit bestätigt: Der Kläger gründet seine Klage letztlich auf die Umstände und Zweifel, die seinem Informationsstand im Jahr 2015 entsprechen. Der Umstand, dass das ULD mit Schreiben vom 10.08.2018 festgestellt hat, dass die Zugriffe einen Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO darstellten, ändert hieran nichts; insoweit handelt es sich um die rechtliche Bewertung der bereits bekannten Umstände durch einen Dritten, auf die es für die Bestimmung des Verjährungsbeginns nicht ankommt.

(3) Die Verjährung wäre auch nicht gehemmt worden (§ 209 BGB).

(11) Die Verjährung wäre zunächst nicht durch Verhandlungen der Parteien gehemmt worden (§ 203 BGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Begriff der „Verhandlungen“ im Sinne des § 203 Satz 1 BGB weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Partei die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (statt vieler BGH, Urteil vom 14.07.2009 – XI ZR 18/08, juris Rn. 16 mwN).

An diesem Maßstab gemessen haben Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB zwischen den Parteien in unverjährter Zeit nicht stattgefunden. Anders als der Kläger bewertet die Kammer die Kommunikation zwischen ihm und der Beklagten in der Zeit von 2015 bis 2018 nicht als Verhandlungen iSd. § 203 BGB. Die Parteien mögen dabei über Umstände gesprochen haben, die dem streitgegenständlichen Anspruch zugrunde liegen, etwa die gerügten Zugriffe auf die Patientendaten des Klägers, deren Berechtigungen etc. Erkennbar ist das Ziel des Klägers, Aufklärung zu erlangen und Vorsorge gegen zukünftige vermeintliche Datenschutzverstöße zu treffen. Auch forderte der Kläger die Beklagte immer wieder zu Stellungnahmen zu den gerügten und vermeintlichen weiteren Datenschutzverstößen auf. Weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus der gesamten zur Akte gereichten Korrespondenz bis einschließlich 2018 ergibt sich aber, weder ausdrücklich noch konkludent, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch geltend machen will. Dies aber ist Mindestvoraussetzung für ein „Verhandeln“ iSd. § 203 BGB, auch wenn dann anschließend jeder Meinungsaustausch hierüber, d.h. auch über die tatsächlichen Grundlagen, genügt. Soweit ersichtlich, begehrt der Kläger erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2019 (Anlage K6, Blatt 18 der Akte) Schadensersatz in Form der Erstattung seiner Rechtsanwaltskosten und behält sich „etwaige Schadensersatzansprüche gemäß Art. 82 DSGVO“ vor. Dies geschah allerdings bereits in verjährter Zeit und vermochte eine Hemmung nicht mehr herbeizuführen.

(22) Die Anrufung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein durch den Kläger mit Schreiben vom 16.03.2018 führte ebenfalls nicht zu einer Hemmung der Verjährung. Der Landesbeauftragte ist nicht als staatliche oder staatlich anerkannte Streitbeilegungsstelle iSd. § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a BGB oder als andere Streitbeilegungsstelle iSd. § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b BGB tätig geworden. Trotz der fehlenden zeitlichen Anwendbarkeit der DSGVO (dazu oben) ist das ULD, dokumentiert etwa im Schreiben des ULD vom 16.07.2018 (Sonderband), aufgrund der Beschwerde des Klägers nach Art. 77 DSGVO im Rahmen eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens gemäß § 74 LVwG tätig geworden, in dessen Ergebnis gemäß Art. 58 Abs. 2 DSGVO Abhilfebefugnisse wie etwa eine Verwarnung, Beschränkungen oder Geldbußen hätten ausgesprochen bzw. verhängt werden können, wovon das ULD letztlich aber absah. Dieses Verwaltungsverfahren ist auf die Überprüfung etwaiger Datenschutzverstöße, deren Sanktionierung und zukünftige Verhinderung gerichtet, nicht aber auf die Beilegung eines Streits zwischen Parteien über einen erhobenen, individuellen Anspruch. Im Übrigen muss für einen wirksam hemmenden Streitbeilegungsantrag - wie bei allen in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungshandlungen und Verfahren - ein bestimmter Anspruch bezeichnet werden. Nur im Umfang des geltend gemachten Anspruchs erfolgt eine Hemmung. Antragsgegner, Streitbeilegungsstelle und einem ggf. später befassten Gericht muss es möglich sein, Art, Umfang und Tatsachenbasis einer Forderung zu identifizieren (zum Ganzen BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, Stand 01.09.2021, § 204 BGB Rn. 176 mwN). Einen solchen individualisierten (Schadensersatz-) Anspruch hat der Kläger bei Anrufung des ULD weder geltend gemacht noch ist ein solcher Gegenstand des Verwaltungsverfahrens vor dem ULD. Auch dies zeigt, dass dieses Verwaltungsverfahren nicht auf Beilegung eines Streits zwischen Parteien über einen erhobenen Anspruch ausgerichtet und deshalb kein Streitbeilegungsverfahren ist, das ULD ist keine Streitbeilegungsstelle.

(33) Die Klage ist am 03.07.2019 und damit in verjährter Zeit bei Gericht eingegangen, so dass die Erhebung der Klage die Verjährung ebenfalls nicht mehr zu hemmen vermochte (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Landesdatenschutzbeauftragter RLP: Datenschutzrechtliches Aufsichtsverfahren wegen Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft Mainz

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz hat ein datenschutzrechtliches Aufsichtsverfahren wegen Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft Mainz eingeleitet.

Die Pressemitteilung des Landesdatenschutzbeauftragten RLP

Nach Erhebung und Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft – Datenschutzbeauftragter leitet aufsichtsrechtliche Verfahren ein

Nachdem der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz davon Kenntnis erlangte, dass die Staatsanwaltschaft Mainz zusammen mit der lokalen Polizeibehörde und dem örtlichen Gesundheitsamt über die LUCA-App erfasste Kontaktdaten von Besuchern einer Mainzer Gastwirtschaft zu Ermittlungszwecken erhoben und genutzt hat, hat er umgehend aufsichtsrechtliche Verfahren eingeleitet. Dabei sollen insbesondere die Umstände geklärt werden, die ungeachtet der eindeutigen Rechtslage zu der datenschutzrechtlich unzulässigen Abfrage und Nutzung der ausschließlich zu Infektionsschutzzwecken erfassten Kontaktdaten geführt haben. Entsprechende Informationsersuchen wurden bereits versendet.

Hintergrund ist ein Vorfall aus dem November 2021. Nachdem vor einer Mainzer Gastwirtschaft ein 39-jähriger Mann mit schwersten Kopfverletzungen aufgefunden wurde, ersuchten die zuständigen Strafermittlungsbehörden das Gesundheitsamt um Bereitstellung der über die LUCA-App von dem Betreiber der Gastwirtschaft zu dem vermuteten Tatzeitpunkt erfassten Kontaktdaten. Das Gesundheitsamt kam der Aufforderung nach und übermittelte die Daten von 21 Personen, die der Behörde auf Anfrage von dem App-Betreiber zur Verfügung gestellt wurden. Die Betroffenen wurden dann von der Polizei kontaktiert und zu dem Vorfall befragt. Mittlerweile haben die beteiligten Behörden die Unzulässigkeit der erfolgten Datenverarbeitung eingeräumt.

„Für mich ist es zunächst einmal besorgniserregend, dass sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gesundheitsamt die bereits vor einiger Zeit geänderte Rechtslage im Infektionsschutzgesetz und damit zusammenhängende datenschutzrechtliche Bestimmungen offensichtlich nicht kannten oder sich darüber hinweg gesetzt haben“, kommentiert der Landesbeauftragte Prof. Dr. Kugelmann den Vorfall. Aus § 28a Abs. 4 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes geht eindeutig hervor, dass zum Zwecke des Infektionsschutzes erfasste Kontaktdaten lediglich zur Kontaktnachverfolgung verarbeitet werden dürfen und eine anderen Zwecken dienende Datenverwendung unzulässig ist. „Das Vorgehen erschüttert das Vertrauen der Bürger in die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns und ist gerade in Zeiten einer die Gesellschaft als Ganzes herausfordernden Pandemie das völlig falsche Signal.“ Kugelmann kündigt an, nach Aufklärung des Sachverhaltes die Ausübung sämtlicher ihm datenschutzrechtlich zur Verfügung stehender Befugnisse zu prüfen.

VG Berlin: Nach DSGVO kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen

VG Berlin
Beschluss vom 21.04.2021
1 K 360.19


Das VG Berlin hat entschieden, dass nach der DSGVO kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist voraussichtlich unbegründet. Der Antragsteller und künftige Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner (Beklagte) über seine Beschwerde vom 1. August 2019 erneut entscheidet. Mögliche Anspruchsgrundlage ist Art. 57 Abs. 1 lit. f) DS-GVO. Erhebt eine betroffene Person eine Beschwerde im Sinne von Art. 77 DS-GVO, muss sich die Aufsichtsbehörde nach Art. 57 Abs. 1 lit. f) DS-GVO mit der Beschwerde befassen, den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang untersuchen und den Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung unterrichten. Die Aufsichtsbehörde ist hiernach verpflichtet, die Beschwerde mit der gebotenen Sorgfalt und in angemessenem Umfang zu prüfen. Maßstab für den Umfang der Ermittlungen ist insbesondere die Schwere des in Rede stehenden Verstoßes, aber auch alle weiteren relevanten Aspekte sind zu berücksichtigen, insbesondere die in Art. 83 Abs. 2 DS-GVO genannten (Bergt, in: Kühling/Buchner, Datenschutz-Grundverordnung BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 77 DS-GVO, Rn. 16). Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Antragsgegner seine Pflichten bei der Bearbeitung der Beschwerde des Antragstellers erfüllt. Er hat den Sachverhalt ermittelt, indem er das Beschwerdevorbringen zur Kenntnis genommen und die D... zur Stellungnahme aufgefordert hat. Er hat den Sachverhalt anschließend bewertet und dem Antragsteller das Ergebnis seiner Prüfung mit Abschlussbescheid der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 25. September 2019 mitgeteilt. Weiter hat er den Antragsteller auf die Möglichkeit gerichtlichen Rechtschutzes gegen die Beschwerdeentscheidung nach Art. 78 Abs. 1 DS-GVO hingewiesen und der Mitteilung eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung beigefügt (siehe hierzu Art. 77 Abs. 2 DS-GVO).

Umstritten ist zwar, ob eine weitergehende gerichtliche Überprüfung zum Inhalt der Beschwerdeentscheidung vorzunehmen ist. Dies hat die Kammer in einer Eilentscheidung verneint, weil das Beschwerderecht als Petitionsrecht ausgestaltet sei (Beschluss vom 28. Januar 2019, VG 1 L 1.19, juris, Rn. 5; so nunmehr auch OVG Koblenz, Urteil vom 26. Oktober 2020 – 10 A 10613/20, juris, Rn. 37 ff.; a.A. Halder, jurisPR-ITR 16/2020 Anm. 6; Bergt, a.a.O., Rn. 17, jeweils mwN). Ausgehend hiervon ist der Anspruch des Antragstellers erfüllt, weil dessen Beschwerde zur Kenntnis genommen, geprüft und beschieden worden ist. Selbst unter Zugrundelegung der Gegenmeinung wäre der Anspruch hier erfüllt. Nach der Gegenauffassung steht der betroffenen Person ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zu, welche gerichtlich überprüfbar und durchsetzbar sein soll (Halder, jurisPR-ITR 16/2020 Anm. 6); eine konkrete Maßnahme kann die betroffene Person hingegen nicht verlangen (vgl. Urteil der Kammer vom 18. Januar 2021 – VG 1 K 206.19; Bergt, a.a.O., Rn. 17). Auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabs gilt im Ergebnis nichts anderes. Der Anspruch des Antragstellers auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Einschreiten des Beklagten gegen die D... ist erfüllt. Der Abschlussbescheid der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 25. September 2019 führt aus, dass die D... wegen ihrer unvollständigen Auskunft gegen Art. 15 DS-GVO verstoßen habe und sie deshalb verwarnt worden sei. Den datenschutzrechtlichen Belangen des Antragstellers ist damit ausreichend Rechnung getragen. Warum der Antragsteller gleichwohl meint, der Abschlussbescheid sei für ihn nicht positiv, bleibt unklar. Ein Anspruch auf Verhängung eines Bußgeldes gegen die D... steht ihm dagegen nicht zu, weil er eine konkrete Maßnahme nicht verlangen kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Koblenz: Kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen nach DSGVO

OVG Koblenz
Urteil vom 26.10.2020
10 A 10613/20.OVG


Das OVG Koblenz hat entschieden, dass kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen besteht. Die DSGVO enthält keine entsprechende Anspruchsgrundlage.

Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann: Wenn der Datenschützer klingelt - Tipps und Hinweise zum Umgang mit Aufsichtsverfahren durch Landesdatenschutzbehörden

In Ausgabe 11/20, S. 48-49 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Wenn der Datenschützer klingelt". Der Beitrag gibt Tipps und Hinweise zum Umgang mit datenschutzrechtlichen Aufsichtsverfahren durch die Landesdatenschutzbehörden.


VG Mainz: Datenschutzrechtliche Beschwerde muss alle Informationen enthalten so dass datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde die Sache prüfen kann

VG Mainz
Urteil vom 22.07.2020
1 K 473/19.MZ


Das VG Mainz hat entschieden, dass eine datenschutzrechtliche Beschwerde alle Informationen enthalten muss, so dass die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde die Sache prüfen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

II. Die Klage hat ungeachtet dessen auch in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 26. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beendigung des vom Kläger erhobenen Beschwerdeverfahrens durch den Beklagten ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger keine prüffähige Beschwerde beim LFDI erhoben hat. Dabei hat der Beklagte das Beschwerdeverfahren nicht etwa deshalb eingestellt – wie der Kläger wohl meint –, weil der Kläger nur die aus seiner Sicht bestehenden Missstände und seine Rechtsauffassung mitteilt, sondern weil die Beschwerde des Klägers mangels konkreter Informationen zu einem Datenschutzrechtsverstoß vom LFDI nicht geprüft werden konnte.

1. Eine Beschwerde kann gemäß Art. 77 Abs. 1 DSGVO bei der Aufsichtsbehörde – hier: LFDI – eingelegt werden, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt. Der Beschwerdeführer hat nicht nur – wie es bei einer Petition der Fall wäre – ein Recht auf Beantwortung und Bescheidung seiner Beschwerde, sondern einen darüberhinausgehenden Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null einen Anspruch auf ein konkretes Einschreiten der Aufsichtsbehörde (vgl. VG Mainz, Urteil vom 16. Januar 2020 – 1 K 129/19.MZ –, juris, Rn. 35; VG Ansbach, Urteil vom 8. August 2019 – AN 14 K 19.272 –, BeckRS 2019, 30069, Rn. 25; Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU, 1. Aufl. 2017, Teil 8, Rn. 6 f., beck-online; Mundil, in Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 30. Ed. Stand: 1. Februar 2017, Art. 78 DSGVO, Rn. 7). Eine Beschwerde kann formlos eingereicht werden, da Art. 77 Abs. 1 DSGVO keine ausdrücklichen Formerfordernisse regelt. Inhaltlich dürfen an die Beschwerde zwar keine zu strengen Anforderungen gestellt werden, damit das Beschwerderecht grundsätzlich einfach und unbürokratisch ausgeübt werden kann (vgl. Bergt, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 77, Rn. 10; Körffer, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 77, Rn. 3). Gleichwohl muss die Beschwerde zumindest alle Informationen enthalten, die erforderlich sind, dass die Aufsichtsbehörde den Sachverhalt erfassen und gegebenenfalls weiter aufklären und etwaige Datenschutzrechtsverstöße prüfen kann. Die Beschwerde muss daher Angaben über die betroffene Person und den Verantwortlichen aufweisen und zumindest ansatzweise zum Ausdruck bringen, welcher Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften gerügt wird (vgl. Mundil, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 31. Edition, Stand: 1. Februar 2020, Art. 77, Rn. 7). Schließlich kann der Beschwerdeführer keine Ermittlungen ins Blaue hinein durch den LFDI beantragen. Dabei kann von der betroffenen Person zwar keine rechtliche Analyse erwartet werden, allerdings muss die Behauptung eines Rechtsverstoßes substantiiert durch Tatsachen dargelegt werden. Sofern die Beschwerde noch nicht hinreichend substantiiert ist, ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörde den Beschwerdeführer hierauf hinzuweisen und auf eine Konkretisierung der Beschwerde hinzuwirken (vgl. Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 77, Rn. 8).

2. Unter Anwendung des dargestellten Rechtsmaßstabs fehlt es hier an einer hinreichend substantiierten, überprüfbaren Beschwerde des Klägers. Der Kläger hat mit seiner Beschwerde vom 5. Februar 2019 zwar mitgeteilt, dass er Unterstützung bei seinem Auskunftsbegehren nach Art. 15 DSGVO benötige. Er habe verschiedene Behörden um Auskunft gebeten und verweise insofern auf seine beigefügten Anfrageschreiben an die jeweiligen Behörden sowie die Rückantworten des Sozialgerichts Mainz, des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz, der Staatskanzlei und der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz. Aus seinem Beschwerdeschreiben und auch der weiteren Korrespondenz mit dem LFDI sowie aus seinem Vortrag im Klageverfahren ergibt sich jedoch nicht, ob und warum er überhaupt von einer Datenverarbeitung durch die angefragten Stellen ausgeht (a)), ob ihm alle angefragten Behörden geantwortet haben bzw. welche Behörden sich nicht zurückgemeldet haben (b)) und warum die Rückantworten, die er erhalten und seiner Beschwerde beigefügt hat, nicht ausreichen (c)).

a) Sofern der Kläger nicht erklärt, dass (und warum) er von einer Datenverarbeitung durch die verantwortliche Behörde ausgeht und sich dies auch nicht aus den Umständen ergibt, kann der LFDI teilweise bereits seine Zuständigkeit nicht prüfen.

Art. 55 Abs. 3 DSGVO regelt, dass die Aufsichtsbehörden – hier: der LFDI – nicht zuständig sind für die Aufsicht über die von den Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommenen Verarbeitungen von personenbezogenen Daten (vgl. insofern auch Erwägungsgrund 20 der DSGVO). Das bedeutet, dass der LFDI keine Aufsichtsbefugnisse über Gerichte hat, sofern diese Tätigkeiten ausüben, die mit der gerichtlichen Entscheidungsfindung in Zusammenhang stehen (vgl. Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 55 Rn. 12). Damit soll der verfassungsrechtlich gebotenen Unabhängigkeit der Justiz Rechnung getragen werden (vgl. Schaar, „Datenschutz und Rechtspflege“, DRiZ 2018, 166, beck-online). Die Gerichtsverwaltung ist von der Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden hingegen nicht ausgenommen. Damit unterliegen die Verarbeitung personenbezogener Daten der Mitarbeiter der Justizverwaltung, die Datenverarbeitung bei der Mittelbeschaffung für die Gerichte sowie bei Justizverwaltungsakten und Rechtspflegetätigkeiten der Kontrolle des LFDI (vgl. Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 55, Rn. 14). In Bezug auf die Gerichte (Sozialgericht Mainz, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz), an die der Kläger ein Auskunftsersuchen adressiert hat, konnte der LFDI mangels substantiierten Vortrags durch den Kläger nicht prüfen, ob sich die betroffene Datenverarbeitung – über die der Kläger eine Auskunft begehrt – auf die justizielle Tätigkeit der Gerichte oder die Gerichtsverwaltung bezieht. In seinem Schreiben vom 7. März 2019 führt der Kläger zwar aus, dass die jeweiligen Gerichtsverwaltungen Stellung zu seinen Anfragen genommen hätten. Es kommt für eine Überprüfung durch den LFDI jedoch nicht darauf an, wer das Auskunftsersuchen beantwortet, sondern wer die personenbezogenen Daten verarbeitet hat.

Ebenso war es dem LFDI nicht möglich, seine Zuständigkeit hinsichtlich der Beschwerde des Klägers in Bezug auf sein Auskunftsbegehren gegenüber dem Petitionsausschuss des Rheinland-Pfälzischen Landtags zu prüfen und positiv festzustellen. Gemäß § 2 Abs. 3 LDSG unterliegen der Landtag, seine Gremien, seine Mitglieder, die Fraktionen sowie deren Verwaltungen und deren Beschäftigte nicht den Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit sie in Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben personenbezogene Daten verarbeiten. Der Landtag erlässt insoweit unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Stellung, der DSGVO und der Grundsätze des Landesdatenschutzgesetzes eine Datenschutzordnung. Soweit das Auskunftsersuchen des Klägers also eine Verarbeitung personenbezogener Daten betrifft, die im Rahmen parlamentarischer Aufgaben erfolgt ist, ist der LFDI als Aufsichtsbehörde nicht zuständig. Ob und inwieweit vorliegend eine Datenverarbeitung des Klägers im Bereich parlamentarischer Aufgaben von seinem Auskunftsersuchen betroffen ist, konnte der LFDI jedoch gar nicht erst prüfen, weil ihm insofern nicht hinreichende Informationen übermittelt wurden.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der LFDI in seinen Schreiben vom 15. Februar 2019 und vom 1. April 2019 auf seine eingeschränkte Zuständigkeit hingewiesen und mitgeteilt hat, dass aus den Schreiben des Klägers ein Datenschutzverstoß nicht substantiiert erkennbar sei und deshalb um Konkretisierung der Beschwerde gebeten werde. Der Kläger wurde auf seine nicht prüffähige Beschwerde hingewiesen und hat zwei Mal die Möglichkeit erhalten, seine Beschwerde zu konkretisieren.

b) Aus der Beschwerde wird weiterhin nicht erkennbar, ob der Kläger von allen Behörden, an die er ein Auskunftsersuchen adressiert hat, eine Rückantwort erhalten hat. Er hat jedenfalls nur von manchen der angeschriebenen Behörden eine Antwort seiner Beschwerde beigelegt (Sozialgericht Mainz, Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Generalstaatsanwaltschaft Koblenz). In dem Schreiben des Sozialgerichts Mainz wird der Kläger nur darüber informiert, dass die Beschwerde zur Bearbeitung an die Gerichtsverwaltung weitergeleitet wurde, sodass nicht erkennbar ist, ob und in welcher Weise eine inhaltliche Beantwortung des Auskunftsersuchens später noch erfolgt ist und den rechtlichen Anforderung entspricht. In dem Schreiben des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 2019 wird nur Bezug genommen auf eine mit Schreiben vom 8. Januar 2019 wohl vom Landessozialgericht erteilte Antwort. Dieses Antwortschreiben hat der Kläger nicht seiner Beschwerde beigelegt, sodass ein etwaiger Verstoß gegen das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO nicht überprüfbar ist. Ob es Rückantworten des Petitionsausschusses des Landtags, des Justizministeriums und der Staatsanwaltschaft Mainz gab, wird aus der Beschwerde nicht erkennbar. Etwaige fehlende Antworten werden vom Kläger auch nicht ausdrücklich gerügt.

c) Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Kläger zwar an, dass aus den ihm zugegangenen Antworten (mit Ausnahme der Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz) nicht erkennbar sei, welche Dokumente er löschen lassen könne. Allerdings ist vom Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 lit. e) DSGVO allein umfasst, dass die betroffene Person über das Bestehen ihres Rechts auf Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gemäß Art. 17 DSGVO informiert werden muss – wie es die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz in ihrem Auskunftsschreiben (dem einzigen Schreiben, das der Kläger neben der Antwort der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vorgelegt hat) im Übrigen auch in rechtlich hinreichender Weise getan hat. Ein Anspruch auf Mitteilung, welche konkreten Dokumente mit personenbezogenen Daten vorhanden sind und gegebenenfalls gemäß Art. 17 DSGVO gelöscht werden müssen, lässt sich aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht ableiten. Aus seinem Auskunftsbegehren („ich nehme hiermit mein Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO wahr und bitte um Rückantwort innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Fristsetzung.“) ergibt sich auch weder, dass der Kläger etwa gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO Kopien der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung bei dem jeweiligen Verantwortlichen sind, bekommen wollte, noch, dass er die Löschung seiner personenbezogenen Daten verlangt. Jedenfalls wäre es dem Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten zuzumuten gewesen, im Falle einer aus seiner Sicht unzureichenden Beantwortung gegenüber der Behörde sein Auskunftsersuchen zu präzisieren und beispielsweise ausdrücklich eine Kopie zu verlangen. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass eine betroffene Person für die Ausübung ihres Löschungsrechts nach Art. 17 DSGVO die Kenntnis bestimmter Dokumente benötigt; vielmehr dürfte es ausreichen die Löschung bestimmter personenbezogener Daten, die bei dem Verantwortlichen vorhanden sind, zu verlangen.

Darüber hinaus verlangt der Kläger aufgrund seiner Beschwerde offenbar, dass der LFDI Schulungen bei den verschiedenen Behörden durchführt. Hierauf hat der Kläger jedoch keinen durchsetzbaren Anspruch. Ebenso wenig kann er im Beschwerde- oder Klageverfahren eine einheitliche Rechtsanwendung durchsetzen, wobei insofern auch unklar ist, worin er anhand der verschiedenen, ihm zugegangenen Rückantworten der Behörden eine uneinheitliche Rechtsanwendung sieht.

Hinsichtlich der vom Kläger gerügten vermeintlich unvollständig und fehlerhaft geführte Verwaltungsakte ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die Akte manipuliert sein soll und sich dieser Vorwurf auf das streitgegenständliche Verfahren auswirken könnte. In der Anpassung des Datums auf dem Bescheid vom 26. April 2019 (S. 77 der Verwaltungsakte) ist keine rechtswidrige Manipulation zu erkennen. Es ist offensichtlich, dass es sich bei dem Schreiben auf S. 77 der Verwaltungsakte um den finalen Entwurf des Bescheids handelte. Dies wird dadurch deutlich, dass der Landesdatenschutzbeauftragte Herr L. nur mit seinem Kürzel unterzeichnet hat und auf der Rückseite (S. 76 der Verwaltungsakte) eine interne Verfügung vermerkt ist. Dabei wurde in dem Schreiben das Datum der finalen Erstellung des Schreibens (Freitag, der 26. April 2019) über dem ursprünglich vermerkten Datum (24. April 2019) handschriftlich korrigiert. Diese Vorgehensweise wurde von dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2020 auch bestätigt (vgl. Protokoll über die öffentliche Sitzung der 1. Kammer am 18. Juni 2020). Aus einer Datumskorrektur kann nicht ohne weitere Anhaltspunkte auf eine Aktenmanipulation geschlossen werden, zumal es auf das genaue Datum, an dem der Bescheid verfasst wurde, hier nicht ankommt. Die Verwaltungsakte ist allein dahingehend unvollständig, als sie eine Kopie des originalen, an den Kläger abgesendeten Bescheids über die finale Entwurfsfassung hinaus nicht zusätzlich in Kopie enthält. Wenngleich es wünschenswert wäre, dass der Beklagte auch den Originalbescheid in Kopie in die Verwaltungsakte aufnimmt, lässt sich aus der bisherigen Verwaltungspraxis des Beklagten für den Kläger keine Rechtsverletzung ableiten, zumal das Schreiben auf S. 77 – bis auf das handschriftlich korrigierte Datum – inhaltlich identisch ist mit dem Bescheid, den der Kläger nachweislich (Bl. 1 (Rückseite) der Gerichtsakte) erhalten hat. Entgegen der Auffassung des Klägers muss die Verwaltungsakte auch nicht die innere Entscheidungsbildung der Behördenmitarbeiter im Einzelnen abbilden.

Dem Kläger wurde auch Akteneinsicht im Sinne von § 100 VwGO gewährt. Er ist zwei Mal im Verwaltungsgericht erschienen, um Einsicht in die Akte zu nehmen; ihm wurden weitere Möglichkeiten zur Akteneinsicht angeboten, die er nicht wahrgenommen hat. Darüber hinaus wurde dem Kläger zwar verwehrt Fotografien oder Kopien von der Verwaltungsakte selbst zu erstellen, ihm wurde aber angeboten, dass auf seine Kosten Kopien durch die Geschäftsstelle angefertigt werden. Von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebrauch gemacht.

Im Übrigen geht der Verweis des Klägers auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Mainz vom 5. April 2017 (– 3 K 569/16.MZ –) fehl, da es darin nicht um eine Akteneinsicht in Gerichts- und Verwaltungsakten nach § 100 VwGO ging, sondern um die Gebührenfreiheit bei der Einsichtnahme in amtliche Informationen vor Ort nach § 13 Abs. 1 Satz 2 Landesinformationsfreiheitsgesetz – LIFG –.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Mainz: Keine einstweilige Anordnung mit Ziel der Wiederaufnahme und Fortsetzung eines Beschwerdeverfahrens nach Art. 77 DSGVO zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche

VG Mainz
Beschluss vom 29.08.2019
1 L 605/19.MZ


Das VG Mainz hat in diesem Fall den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Wiederaufnahme und Fortsetzung eines Beschwerdeverfahrens nach Art. 77 DSGVO zur Vorbereitung der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche abgelehnt.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz – BDSG – eröffnet. Das Verwaltungsgericht Mainz ist zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich hier entweder aus § 52 Nr. 5, Nr. 3 Sätze 3 und 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – oder aus der spezielleren Regelung des § 20 Abs. 3 BDSG (so z.B. Neun/Lubitzsch, BB 2017, 2563 (2564); Pötters/Werkmeister, DS-GVO, 2. Aufl. (2018), Art. 78 Rn. 19). Nach § 52 Nr. 5, Nr. 3 Sätze 3 und 5 VwGO ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Sitz hat. Entsprechend der Regelung in § 52 Nr. 3 Satz 3 VwGO, der auch bei Verpflichtungsklagen Anwendung findet (vgl. W.-R. Schenke, VwGO, 24. Aufl. (2018), § 52 Rn. 12, VG Würzburg, Urteil vom 18. März 2010 – W 1 K 09.1244 –, juris, Rn. 14 f.; ebenso VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2011 – 6 K 4205/10 –, juris, Rn. 19), fehlt es der Antragstellerin an einem Sitz oder Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners, denn sie gibt an in Spanien zu wohnen. Auch nach § 20 Abs. 3 BDSG ist hier das Verwaltungsgericht Mainz als das Gericht, in dessen Bezirk der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – LfDI – als Aufsichtsbehörde seinen Sitz hat, örtlich zuständig.

Der Antrag der Antragstellerin, der auf eine Fortsetzung des Verfahrens gerichtet ist, ist statthaft gemäß § 123 Abs. 1 VwGO. Da hier die Fortsetzung des Verfahrens Antragsziel ist, könnte die besondere Form der Untätigkeitsklage nach Art. 78 Abs. 2 DSGVO statthaft sein. Danach kann ein gerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt werden, wenn sich die Aufsichtsbehörde nicht mit einer Beschwerde befasst oder die betroffene Person nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der nach Art. 77 DSGVO erhobenen Beschwerde in Kenntnis gesetzt hat. Allerdings hat der LfDI als Aufsichtsbehörde hier das Verfahren bereits durch einen rechtsverbindlichen Beschluss, der auch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, abgeschlossen. Spezieller und damit vorrangig ist vorliegend der gerichtliche Rechtsbehelf gegen die Abschlussverfügung des LfDI nach Art. 78 Abs. 1 DSGVO. Der Antrag ist hier allerdings nicht nur auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts bzw. die Anfechtung eines rechtsverbindlichen Beschlusses der Aufsichtsbehörde gerichtet, sondern zumindest auch auf ein Tätigwerden des Antragsgegners. Art. 78 Abs. 1 DSGVO ist aber nicht nur auf Anfechtungsklagen gegen die rechtsverbindlichen Beschlüsse (in der Regel Verwaltungsakte) der Aufsichtsbehörde beschränkt, sondern umfasst darüber hinaus auch Verpflichtungs- und Leistungsklagen zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes für die betroffene Person (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG –), was sich auch aus dem unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile (Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union – EUV –) folgern lässt (vgl. auch Mundil, in: BeckOK DatenschutzR, 28. Ed. (2017), DS-GVO, Art. 78 Rn. 7).

Es ist vorliegend bereits fraglich, ob die Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung hat. Dies kann aber im Ergebnis offenbleiben, da ihr Antrag jedenfalls unbegründet ist (dazu II.). Das Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung für den Antragsteller offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. nur W.-R. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. (2016), Vorb. § 40 Rn. 38). Dies könnte hier der Fall sein, da die Antragstellerin mit dem von ihr gestellten Antrag (nur) eine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens erzielen könnte, dessen Ausgang aber offen wäre. Die von der Antragstellerin eigentlich begehrte Auskunft würde sie bei einem Erfolg des Antrags auf Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht – jedenfalls nicht unmittelbar und nicht mit Gewissheit – erhalten. Der Antragsgegner selbst kann die begehrte Auskunft nicht erteilen, da er über sie nicht verfügt. Der Umfang der – gerichtlich gegebenenfalls durchsetzbaren – Pflichten der Auskunftsbehörde ist umstritten: So wird die Auffassung vertreten, dass von der Aufsichtsbehörde gemäß Art. 77 Abs. 1 DSGVO und Art. 57 Abs. 1 lit. f) DSGVO nur eine Bearbeitung der Beschwerde bzw. eine zeitnahe Unterrichtung über den Stand und das Ergebnis der Untersuchungen verlangt werden kann, andererseits gibt es aber auch die Rechtsmeinung, dass die Aufsichtsbehörde zu konkreten Maßnahmen verpflichtet werden kann (vgl. zum Meinungsstand Neun/Lubitzsch, BB 2017, 2563 (2564)). Es spricht nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nach Auffassung der Kammer einiges dafür, dass der Aufsichtsbehörde ein (weiter) Ermessensspielraum zusteht, ob und welche Maßnahmen sie ergreift, um einen etwaigen Verstoß gegen die DSGVO festzustellen oder einen Auskunftsanspruch des Beschwerdeführers durchzusetzen (so auch SG Frankfurt (Oder), Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2019 – S 49 SF 8/19 – openjur; Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl. (2018), Art. 77, Rn. 17; Pötters/Werkmeister, in: Gola, DS-GVO, Art. 77 Rn. 7). Danach kann eine betroffene Person nur Ermessensfehler rügen. Hier begehrt die Antragstellerin aber nicht den Erlass einer ermessensfehlerfreien Entscheidung und etwa einen Anspruch auf behördliches Einschreiten des Antragsgegners gegen die B. GmbH, sondern sie hat nur eine Fortsetzung des Verfahrens beantragt, die ihr keinen unmittelbaren Vorteil bringen kann.

II. Nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann das Verwaltungsgericht einstweilige Anordnungen in Bezug auf den Streitgegenstand oder zur Regelung eines vorläufigen Zustandes hinsichtlich eines streitigen Rechtsverhältnisses treffen, wenn entweder die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO), oder wenn die Regelung notwendig ist, um vom Antragsteller wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der durch die begehrte einstweilige Anordnung vorläufig zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) müssen jeweils glaubhaft gemacht worden sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO –). Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist dabei grundsätzlich unzulässig. Sie kommt mit Blick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – nur dann in Betracht, wenn ansonsten kein effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die begehrte einstweilige Anordnung nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu erlassen. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund (1.) nicht glaubhaft gemacht. Es kann damit offenbleiben, ob ein Anordnungsanspruch besteht (2.).

1. Es liegt bereits kein Anordnungsgrund vor, da die Antragstellerin schon nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass ihr ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie führe einen Rechtsstreit mit ihrem früheren Anwalt, der sie gegen die B. GmbH vertreten habe. Der Anwalt sei später als Zeuge von der B. GmbH angeboten worden, was dafür spreche, dass er einen Geheimnisverrat begangen habe. Um dies feststellen zu können, benötige sie nunmehr die Auskunft von der B. GmbH. Ansonsten würden „erste“ Ansprüche zum 31. Dezember 2019 verjähren.

Dieser Vortrag der Antragstellerin genügt nicht den Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Die von der Antragstellerin überreichte Anlage SWM 15, die einen Auszug aus einem Schriftsatz der B. GmbH aus einem anderen, nicht näher bezeichneten Gerichtsverfahren enthält, gibt allein die Behauptung der B. GmbH wieder, dass diese vom früheren Anwalt der Antragstellerin bestimmte Informationen erhalten habe, die eine „Briefkastenfirma“ der Antragstellerin in Spanien belegten. Es bleibt gleichwohl unklar und ist von der Antragstellerin nicht ansatzweise substantiiert worden, welche konkreten Ansprüche die Antragstellerin gegen ihren früheren Prozessbevollmächtigten geltend macht oder geltend machen möchte, welche Pflichtverletzungen sie ihm vorwirft, ob und welcher Schaden ersetzt werden soll und aufgrund welcher Vorschriften diese etwaigen zivilrechtlichen Ansprüche ihrer Auffassung nach bis Ende des Jahres 2019 verjähren.

Insofern ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Verjährungseintritt gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – durch Klageerhebung gehemmt werden kann. Dies hat gemäß § 209 BGB zur Folge, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt wird, nicht in die Verjährung einberechnet wird. Für die Klageerhebung reicht es aus, dass sie den gemäß § 253 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO – notwendigen Inhalt aufweist, also insbesondere die Parteien und das Gericht bezeichnet sowie den Klagegegenstand, den Klagegrund und einen bestimmten Klageantrag enthält. Weiterhin muss die Klage schlüssig sein. Mit einem schlüssigen Tatsachenvortrag wird der Darlegungslast grundsätzlich bereits genügt. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass bereits mit der Klageerhebung Beweismittel vorgelegt werden. Diese werden schließlich in der Regel nur dann erforderlich, wenn die Gegenpartei den Vortrag des Klägers bestreitet und der Kläger auch die Beweislast trägt (vgl. etwa Saenger, ZPO, 8. Aufl. (2019), § 253 Rn. 12, beck-online). Die von der Antragstellerin angeführte, vorgeblich drohende Verjährung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche ließe sich somit durch eine Klageerhebung hemmen, ohne dass im Zeitpunkt der Klageerhebung die von der Antragstellerin gegenüber der B. GmbH beanspruchten Auskünfte zur Substantiierung ihrer zivilrechtlichen Klage bereits vorliegen.

Aus der von der Antragstellerin vorgebrachten Anlage SWM 15 ergibt sich ferner, dass – nach dem genannten Aktenzeichen zu schließen – im Jahr 2016 gegen den vormaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin bereits ein Gerichtsverfahren beim Landgericht D. anhängig gemacht wurde. Ob und wie dieses Verfahren bereits abgeschlossen ist, ob eine etwaige Verjährung etwaiger Ansprüche nun überhaupt noch eintreten kann oder derzeit noch weitere Gerichtsprozesse anhängig sind, hätte die Antragstellerin ebenfalls näher darlegen müssen, um den Anordnungsgrund ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft zu machen.

Es sind damit keinerlei Gründe ersichtlich, aufgrund derer es der Antragstellerin nicht zugemutet werden könnte, den Ausgang des Hauptsachverfahrens abzuwarten.

2. Wegen des Fehlens eines Anordnungsgrundes kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch geltend gemacht hat. Es kann daher insbesondere offenbleiben und dem Hauptsacheverfahren vorbehalten werden, welche Pflichten die nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO angerufene und mit einer Beschwerde befasste Aufsichtsbehörde hat, ob ein (weiter) Ermessensspielraum besteht oder ob sie zum Erlass bestimmter Maßnahmen verpflichtet ist bzw. verpflichtet werden kann. Nicht zu entscheiden ist somit auch, wie weitgehend das Auskunftsrecht betroffener Personen nach Art. 15 DSGVO ist, insbesondere ob und wie das Auskunftsrecht beschränkt werden kann und inwieweit sich die B. GmbH auf etwaige solcher Ausnahmen vom Auskunftsrecht der Antragstellerin berufen kann (vgl. zu Reichweite und Ausnahmen etwa Franck, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. (2018), Art. 15, Rn. 5 ff., 33 ff.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




VG Ansbach: Kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen - keine Anspruchsgrundlage in DSGVO

VG Ansbach
Urteil vom 08.08.2019
AN 14 K 19.00272

Auch das VG Ansbach hat entschieden, dass kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen besteht. Die DSGVO enthält keine entsprechende Anspruchsgrundlage.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1.2. Die Klage ist als Leistungsklage statthaft. Der Kläger hat einen sehr umfassenden Klageantrag gestellt, und zwar im Schriftsatz vom 9. Februar 2019, ergänzt um sein Begehren im Schriftsatz vom 18. Februar 2019. Letztlich geht es ihm dabei um die Reichweite der inhaltlichen Befassung der Aufsichtsbehörde mit seiner Beschwerde sowie um aufsichtliches Einschreiten des staltung er ins Ermessen des Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes stellt.

Der Erwägungsgrund 143 zur DS-GVO besagt, dass ein Verfahren gegen eine Aufsichtsbehörde „im Einklang mit dem Verfahrensrecht“ des Mitgliedstaats durchzuführen ist. Die unionsrechtlichen Grundlagen haben zu den Sondervorgaben des § 20 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) geführt, der aber zunächst auf die allgemeinen Vorschriften der VwGO verweist, § 20 Abs. 2 BDSG.

Beim streitgegenständlichen Schreiben des Beklagten vom 21. Januar 2019 handelt es sich um eine vom Verwaltungsgericht gemäß Art. 78 DS-GVO überprüfbare Maßnahme mit Außenwirkung, jedoch nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG mit Regelungscharakter, so dass nicht die Anfechtungsklage, sondern die allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Der Antrag des Klägers in der Klageschrift ist dahingehend auszulegen, § 88 VwGO.

Ein Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG setzt eine einseitige Maßnahme eines Hoheitsträgers auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts für einen konkreten Einzelfall voraus, die Regelungswirkung mit Außenwirkung entfaltet. Vorliegend fehlt es am Regelungscharakter der Abschlussmitteilung vom 21. Januar 2019.

Das Schreiben des Beklagten vom 21. Januar 2019 ist auch kein sog. feststellender Verwaltungsakt, also ein Bescheid mit der verbindlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder sich daraus ergebender Rechte und Pflichten, die mit Rechtsbeständigkeit festgestellt werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2002 - 24 ZB 01.592 -, juris). Hier sollte dem Kläger eine Rechtsauskunft erteilt werden, es sollten aber nicht mit verbindlicher Feststellung i.S. des Art. 35 BayVwVfG strittige Rechte oder Pflichten geregelt werden.

Zwar kommt es dafür, ob ein behördliches Schreiben eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt enthält, auf eine Auslegung nach den im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Normen der §§ 133, 157 BGB an. Maßgeblich ist also nicht der innere Wille der Behörde, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, wobei Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen. Hier hat der Beklagte lediglich Auskunft darüber gegeben, dass er das Verhalten der Kreissparkasse für Rechtens erachtet und keinen Anlass für ein datenschutzaufsichtliches Einschreiten erkennt, aber nicht zu erkennen gegeben, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage in diesem Einzelfall durch eine verbindliche Feststellung mit Bindungswirkung als bestehend oder nicht bestehend festgestellt, konkretisiert bzw. individualisiert wird (s. OVG NRW, B.v. 29.9.2016 - 14 B 1056/16 -, juris).

Mangels eines Verwaltungsaktes ist die Rechtsbehelfsbelehrung:des Beklagten im Schreiben vom 21. Januar 2019 unrichtig. Es ist zwar korrekt und durch Art. 77 Abs. 2 DS-GVO sogar geboten, den Kläger auf seine Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels hinzuweisen. Die in der Rechtsbehelfsbelehrung:enthaltene Monatsfrist würde aber einen Verwaltungsakt voraussetzen, der nicht vorliegt. Der Antrag des Klägers indes ist nicht auf einen bestimmten Verwaltungsakt des Beklagten, sondern auf ein allgemein aufsichtliches Einschreiten gerichtet (auch im Hilfsantrag), kennzeichnend für eine Leistungsklage. Hätte der Kläger eine ganz konkrete Maßnahme im Sinne eines Verwaltungsaktes vom Beklagten verlangt, hätte er also seine Beschwerde gemäß Art. 77 DS-GVO in diesem Sinne an die Aufsichtsbehörde gerichtet, und hätte der Beklagte diese so gestaltete Beschwerde abgelehnt, wäre die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage in Frage gekommen. Dann wäre die Ablehnung der Beschwerde als ein Verwaltungsakt zu qualifizieren, der den Erlass eines Verwaltungsaktes ablehnen würde.

Für den Fall, dass es sich bei einer Abschlussmitteilung einer Aufsichtsbehörde nach der DSGVO - wie hier - um keinen Verwaltungsakt handelt, ist die Leistungsklage nach Art. 78 DSGVO statthaft. Das Klagerecht aus Art. 78 Abs. 1 DS-GVO erfasst damit umfassend auch die Ablehnung oder Zurückweisung einer Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO (vgl. 143. Erwägungsgrund zur DS-GVO zur Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden). Wird eine Maßnahme von der Aufsichtsbehörde erbeten, die ein schlichtes Verwaltungshandeln zum Gegenstand hat, ist die allgemeine Leistungsklage die statthafte Klageart, so dass umfassender Rechtsschutz besteht. Zulässige Streitgegenstände können sämtliche rechtsverbindliche Maßnahmen einer Aufsichtsbehörde sein. Unter rechtsverbindlich i.d.S. sind nicht nur Verwaltungsakte zu verstehen, sondern sämtliche Handlungen, die Außenwirkung besitzen, also Auswirkungen auf die Rechte des Betroffenen oder des Verantwortlichen i.S.d. DS-GVO haben können. Solche Auswirkungen sind auf allen Ebenen eines Verwaltungsverfahrens denkbar.

Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Januar 2019 (AZ. VG 1 L 1.19), das bei Beschwerden nach der DS-GVO von Petitionen ausgeht, geht dabei zu weit. Ein eine Petition beantwortendes Schreiben wäre jedenfalls kein Verwaltungsakt im Sinne von § 42 VwGO (BVerwG, B.v. 1.9.1976 - VII B 101.75 -, juris; unstreitig, keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung, sondern nur die tatsächliche Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 17 GG; kein Gebot der Möglichkeit einer Anfechtungsklage aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Nach der DS-GVO indes hat der Bürger nicht nur einen Anspruch auf Verbescheidung, sondern ggf. einen Anspruch auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde (bei Ermessenreduzierung auf Null, sonst Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung), die aufgrund Art. 58 DS-GVO umfassende Eingriffskompetenzen hat (i.d.R. im Gegensatz zum Petitionsadressaten). Das Schreiben des Beklagten vom 21. Januar 2019 ist nicht lediglich die Beantwortung einer Petition.

1.3. Es besteht für den Kläger eine Klagebefugnis aus Art. 78 Abs. 1 DS-GVO gegen die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers nach Art. 77 DS-GVO. Der Kläger ist ebenso klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, denn § 42 Abs. 2 VwGO ist für die Klagebefugnis nach herrschender Ansicht analog auf die Leistungsklage anzuwenden, da die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG dann greift, wenn ein Bürger durch die öffentliche Gewalt in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Es ist aber fragwürdig, ob neben Art. 78 DS-GVO (Unionsrecht mit Anwendungsvorrang) § 42 VwGO insoweit überhaupt noch anwendbar ist, da die Betroffenheit in subjektivöffentlichen Rechtspositionen eine namentlich deutsche Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage darstellt. Da im Hinblick auf Maßnahmen des Art. 58 DS-GVO der Kläger aber auch im Hinblick auf § 42 VwGO möglicherweise in seinen Rechten tangiert sein könnte, wären auch die Voraussetzungen des § 42 VwGO erfüllt, so dass der Kläger jedenfalls klagebefugt ist.

1.4. Aufgrund des Vorliegens einer Leistungsklage war im gegebenen Verfahren keine Klagefrist zu wahren. Die auf eine Monatsfrist hinweisende Rechtsbehelfsbelehrung:in der Abschlussmitteilung des Beklagten vom 21. Januar 2019 ist insofern unrichtig.

1.5. Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 BDSG sind die Beteiligten eines Verfahrens nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG die natürliche Person als Kläger sowie die Aufsichtsbehörde als Beklagter. Der Kläger ist Beteiligter gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BDSG. Beklagter ist das Bayerische Landesamt … … Zwar wäre gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Klage gegen den Rechtsträger des Landesamtes zu richten, hier also gegen den Freistaat Bayern. Vorrangig vor § 78 VwGO ist aber § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BDSG als lex specialis, wonach die Aufsichtsbehörde direkt als Beklagte beteiligt ist. Mithin liegt eine unionsrechtlich durch die Selbstständigkeit der Aufsichtsbehörde bedingte abweichende bundesrechtliche Spezialregelung vor (so auch Mundil, in BeckOK, Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 28. Edition, 1.5.2018, Rn. 5 zu § 20 BDSG, Lapp, in Gola/Heckmann, BDSG, Kommentar, 13. Auflage 2019, Rn 12 zu § 20 BDSG, Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Auflage 2018, Rn 10 zu § 20 BDSG, a. A. wohl nur Frenzel in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Rn. 10 zu § 20 BDSG, ohne Begründung hierfür). Die hier zum Ausdruck kommende unionsrechtlich vorgegebene Selbstständigkeit der Aufsichtsbehörde würde im Übrigen, falls es sich beim Schreiben vom 21. Januar 2019 um einen Verwaltungsakt gehandelt hätte, dazu führen, dass gem. § 20 Abs. 6 BDSG kein Vorverfahren stattfindet.

1.6. Im vorliegenden Fall hat das Gericht von einer Beiladung der Kreissparkasse … … … abgesehen. § 20 Abs. 5 BDSG bestimmt, dass natürliche oder juristische Personen Kläger oder Antragsteller (§ 20 Abs. 5 Satz 1 Nummer 1 BDSG) sind und die Aufsichtsbehörden Beklagte oder Antraggegner (§ 20 Abs. 5 Satz 1 Nummer 2 BDSG). In § 20 Abs. 5 Satz 2 BDSG ist aber festgelegt, dass § 63 Nummer 3 und 4 VwGO nicht tangiert wird, was zur Folge hat, dass Beiladungen möglich sind. Zwar ist der Zweck einer Beiladung der der Prozessökonomie und Rechtseinheitlichkeit, wobei hier durch die Schaffung verwaltungsrechtlicher Rechtsbehelfe in den Art. 78 DS-GVO und gleichzeitig der Möglichkeit, gegen den Verantwortlichen selbst gerichtlich vorzugehen, die Existenz sich widersprechender gerichtlicher Entscheidungen für denselben Sachverhalt vom Normgeber in Kauf genommen wird. Der Prozess des Betroffenen gegen die Aufsichtsbehörde, der Prozess ggf. des Verantwortlichen (hier wäre das die Kreissparkasse … … …) gegen die Aufsichtsbehörde sowie der Prozess des Betroffenen gegen den Verantwortlichen haben unterschiedliche Streitgegenstände, da zum Beispiel der Klageantrag gegen die Aufsichtsbehörde aufgrund des weiten Entschließungs- und Auswahlermessens der Aufsichtsbehörde normalerweise nur auf ein aufsichtliches Einschreiten - wie hier - gerichtet ist, wohingegen regelmäßig ein Anfechtungsantrag im Prozess des Verantwortlichen gegen eine Anordnung der Aufsichtsbehörde eine ganz konkrete Maßnahme betrifft.

Es liegt hier kein Fall der notwendigen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO vor, da der für eine notwendige Beiladung erforderliche unmittelbare Eingriff in die Rechtsposition der Kreissparkasse … … … nicht schon durch eine gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zum aufsichtlichen Einschreiten gegeben wäre, sondern erst durch dieses Einschreiten selbst, also die Umsetzung durch die Aufsichtsbehörde, die Kreissparkasse … … … unmittelbar betroffen wäre. Die Kreissparkasse … … … ist deshalb an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung darüber auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann, wie § 65 Abs. 2 VwGO es fordert. Vergleichbar ist dies etwa mit der Verpflichtungsklage eines Bauherrn gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Einschreiten gegen den Nachbarn, wo gefestigter Rechtsprechung zufolge der Nachbar nicht notwendig beizuladen ist, auch falls er bereits gegen das Bauvorhaben im Verwaltungsverfahren Einwendungen erhoben haben sollte (vgl. statt vieler BVerwG, B.v. 20.5.1992 - 1 B 22.92 -, NVwZ-RR 1993, 18).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer einfachen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO sind allerdings gegeben, da hier rechtliche Interessen der Kreissparkasse … … … tangiert werden können, und sich die Entscheidung in dieser Verwaltungsstreitsache auf die rechtlichen Interessen der Kreissparkasse auswirken kann. Das Gericht sah von einer Beiladung, die im Ermessen des Gerichts steht, ab, da zum einen beide Beteiligte (Kläger und Beklagter) in der mündlichen Verhandlung eine Beiladung der Kreissparkasse … … … abgelehnt haben, da das Gericht die mögliche Verletzung von Rechten der Kreissparkasse ohnehin von Amts wegen zu prüfen hatte und prüfte, und vor allen Dingen, weil das Gericht in keinem Stadium des Verfahrens davon auszugehen hatte, dass der Beklagte zu einer Maßnahme i.S.d. Art. 58 DS-GVO gegen die Kreissparkasse … … … zu verurteilen ist.

1.7. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Ansbach ergibt sich sachlich aus § 45 VwGO und örtlich aus § 20 Abs. 3 BDSG als Sondervorschrift zu § 52 VwGO. Gemäß § 20 Abs. 3 BDSG (vgl. auch Art. 78 Abs. 3 DS-GVO) ist für Verfahren nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG - wie hier - das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat, mithin das Verwaltungsgericht Ansbach.

2. Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger weder einen Anspruch gegen den Beklagten auf weitere Befassung und Überprüfung seiner Beschwerde nach Art. 78 Abs. 2 DS-GVO i.V.m. Art. 57 DS-GVO hat noch einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegenüber der Kreissparkasse … … … gemäß Art. 58 DS-GVO.

2.1. Der Aufgabenbereich des Art. 57 DS-GVO ist eröffnet. Der Beklagte hat gemäß Art. 78 Abs. 2 DS-GVO in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO die Beschwerde des Klägers in angemessenem Umfang geprüft und dem Kläger rechtzeitig Bescheid gegeben. Ein darüber hinaus gehender Anspruch des Klägers ist nicht ersichtlich.

Mit dem Bayerischen Landesamt … hat die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde gehandelt. Der Anwendungsbereich der DS-GVO war eröffnet. Die Kreissparkasse … … … war sog. Verantwortlicher im Rahmen der Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten des Klägers (Art. 4 Nr. 2 DS-GVO) im Rahmen einer seit dem Jahre 1985 währenden Geschäftsbeziehung. Es handelt sich durchweg auch um personenbezogene Daten des Klägers, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. In diese Datenverarbeitung und -speicherung hatte der Kläger eingewilligt, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO (vgl. Art. 7 und Art. 4 Nr. 11 DSGVO). Die Einwilligung war freiwillig.

Art. 57 Absatz 1 Buchst. a und f DS-GVO, wonach der Beklagte die Anwendung dieser Verordnung überwachen und durchsetzen muss sowie sich mit Beschwerden einer betroffenen Person befassen muss, den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang untersuchen und den Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung unterrichten muss, wurde vom Beklagten nach Überzeugung des Gerichts beachtet. Zwar können sich aus Art. 57 DS-GVO allein, einer reinen Aufgabennorm, keine subjektivöffentlichen Rechte des Betroffenen ergeben. Art. 57 Abs. 1 Buchst f DS-GVO ist ausschließlich an die Aufsichtsbehörde gerichtet und schafft per se keine subjektivöffentlichen Rechte der Betroffenen. Die Untersuchungspflicht des Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO ist aber im Gesamtzusammenhang der DS-GVO von hohem Gewicht. Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO enthält dezidierte Vorgaben zum Verfahren und dessen Umfang, die über Art. 78 Abs. 2 DSGVO zu einem Rechtsanspruch des Betroffenen führen können (so wohl auch Kühling/Buchner/Boehm, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 57 Rn. 12: „dem Bestehen eines Rechtsanspruchs ähnlich“, „weil die Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 78 Abs. 2“ zu sehen ist), demzufolge jede betroffene Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtbehelfs das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf hat, wenn die nach den Art. 55 f. DS-GVO zuständige Aufsichtsbehörde sich nicht mit einer Beschwerde befasst oder die betroffene Person nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der gemäß Art. 77 DS-GVO erhobenen Beschwerde in Kenntnis gesetzt hat. Gemäß Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO hat der Beklagte den Kläger innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung mit Schreiben vom 21. Januar 2019 unterrichtet, und zwar unter Beachtung von Art. 78 Abs. 2 DS-GVO, wonach der Beschwerdeführer spätestens innerhalb von drei Monaten über den Sachstand informiert werden muss.

Die Unterscheidung der DS-GVO von Aufgabennorm, Art. 57 DS-GVO, und Befugnisnorm, Art. 58 DS-GVO, ähnelt der Aufteilung im Sicherheits- und Polizeirecht. Im Bereich der DS-GVO besteht aber eine Besonderheit: Art. 57 DS-GVO, der ohnehin nicht abschließend Aufgaben normiert (vgl. Art. 57 Abs. 1 Buchst. v) ist in seiner Umfassendheit zum Beispiel nicht vergleichbar mit Art. 2 Bayerisches Polizeiaufgabengesetz (BayPAG), weil er bei der Aufgabenzuweisung dezidiert auf eine „Angemessenheit“ abstellt. Die Behandlung von individuellen Beschwerden wie hier ist unionsrechtlich restriktiv geregelt (vgl. auch Erwägungsgrund 141 Satz 2 zur DSGVO). Zwar ist es eine der vorrangigsten Aufgaben des Beklagten, Beschwerden von Betroffenen nach Art. 77 DS-GVO zu bearbeiten, zumal für die Aufsichtsbehörden (ähnlich wie für die Polizei) Hinweise und Beschwerden von Bürgern zur Erfüllung ihrer Aufgaben unverzichtbar sind. Allerdings nimmt Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO unzweifelhaft mit der Formulierung „in angemessenem Umfang“ auf die Ressourcen und Möglichkeiten der Aufsichtsbehörden Rücksicht. Die Angemessenheit der Untersuchung richtet sich auch nach der Schwere des Eingriffs in Rechte des Betroffenen.

2.2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf behördliches Einschreiten nach Art. 58 DS-GVO. Ein solches scheidet bereits deshalb aus, weil sich nach Befassung und Prüfung im Rahmen des Art. 57 DS-GVO keine Anhaltspunkte ergeben haben, die ein Einschreiten nach Art. 58 DS-GVO nahelegten. Ein Datenschutzrechtsverstoß des Verantwortlichen hat sich nicht aufgedrängt. Die Abschlussmitteilung des Beklagten vom 21. Januar 2019 ist damit inhaltlich nicht zu beanstanden.

Art. 58 DS-GVO regelt das Verhältnis Aufsichtsbehörde zu Datenverantwortlichem. Ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten des Betroffenen ist ähnlich wie im Sicherheits- und Polizeirecht (vgl. BVerwGE 11, 95, 97) grundsätzlich anzuerkennen, jedoch nur im Falle einer (möglichen) Verletzung von eigenen Rechten sowie (kumulativ) einer Reduktion des Ermessens auf Null, so dass mithin allenfalls regelmäßig nur ein subjektivöffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung besteht.

Neben dem Auswahlermessen besteht für den Beklagten auch hinsichtlich des Entschlusses zum Tätigwerden ein Entschließungsermessen (vgl. das Wort „gestattet“ in Art. 58 Abs. 1 und 2 DS-GVO). Zwar sieht Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ein Bündel verschiedener, zum Teil weitreichender Maßnahmen vor, das dem Beklagten zu Gebote steht. Die Aufsichtsbehörde entscheidet dann, ob sie beispielsweise von dem Verantwortlichen gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a eine Stellungnahme einfordert, eine Kontrolle vor Ort gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. f vornimmt, oder wie hier über den Sachverhalt bereits aufgrund der vom Kläger vorgelegten Informationen und Abschriften entscheidet. Der Kläger hat grundsätzlich einen Anspruch auf Wahrung des Transparenzgebotes des Art. 12 DS-GVO, auf Auskunft gemäß Art. 15 DS-GVO, darauf, dass gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO seine personenbezogenen Daten auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für ihn nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden.

Der Kläger hätte im Übrigen selbst bei Vorliegen eines festgestellten oder wahrscheinlichen Verstoßes gegen die DS-GVO indes nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich einer Maßnahme des Beklagten nach Art. 58 DS-GVO, aber keinen Anspruch auf bestimmte aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Kreissparkasse (so auch Gola/Nguyen, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 57 Rn. 10 m.w.N.; außer im Fall der Ermessensreduzierung auf Null), wobei dann im Rahmen des Art. 58 DS-GVO die Aufsichtsbehörde wie erwähnt ein weites Entschließungs- und Auswahlermessen hat und Art. 58 Abs. 2 DS-GVO mit den unterschiedlich gestuften Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht wird (vgl. Art. 58 Abs. 2 Buchst. a, b, d als mildere Maßnahmen im Vergleich zu Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO, so Ingold JuS 2018, 1214, 1217).

Eine Ermessensreduktion auf Null kommt nur in Betracht, wenn ein Datenschutzrechtsverstoß naheliegt bzw. sich aufdrängen muss, d.h. es müssen Tatsachen vorliegen, die einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften als wahrscheinlich erscheinen lassen und wenn dieser Verstoß von einer Schwere ist, die ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde als erforderlich erscheinen lässt. Vor dem Hintergrund dieses Maßstabes ist hier von keinem Anspruch auf Einschreiten nach Art. 58 DS-GVO auszugehen: Die Einwände des Klägers gegen die Vorgehensweise des Beklagten in den Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung greifen in der Sache nicht durch. Die Kreissparkasse … … … hat ausführlich auf die Anfragen des Klägers reagiert, alle erdenklichen Auskünfte erteilt und ebenso ihre Bereitschaft zu weiteren Auskünften zugesagt. Daher ist es nicht so, dass der Kläger, wie behauptet, seine Daten nicht vollständig erhält. Auf seine Bitte um eine Vervollständigung der Auskunft vom 30. Juli 2017 hat die Kreissparkasse … … … ihm mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 wunschgemäß weitere Angaben gemacht, wobei die Auskunft vom 30. Juli 2018 bereits den gesetzlichen Anforderungen genügte. Es ist nicht erkennbar, worin hier ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des Art. 12 DS-GVO vorliegen sollte. Die Vorgehensweise und Praxis der Kreissparkasse … … … entsprechen dem Erwägungsgrund 39 zur DS-GVO, da die Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgte sowie die Auskunft an den Kläger gemäß Art. 15 DS-GVO korrekt war. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO sind seine personenbezogenen Daten auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für ihn nachvollziehbaren Weise verarbeitet worden. Die falsche Berufsbezeichnung des Klägers wurde seitens der Kreissparkasse in Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO sofort berichtigt. Die Abspeicherung des abgelaufenen Passes des Klägers von 1988, der bei Begründung des Vertragsverhältnisses 1985 die gültige, vom Kläger vorgelegte, Legitimation war, ist insbesondere kein Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO, sondern gerechtfertigt durch Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO, da die Kreissparkasse … … … zum Zugang des Klägers auf seine Daten dessen Legitimationsgrundlage verfügbar haben muss(te). Nichts anderes ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 39 zur DS-GVO. Es ist auch nicht notwendig, dass die Kreissparkasse … … … durch ihre eigenen Bediensteten Kenntnisse von der Verarbeitung von elektronischen Kundenunterschriften hat. Es ist üblich und datenschutzrechtlich sowohl korrekt als auch unbedenklich, wenn sich Unternehmen weiterer Dienstleistungen Dritter bedienen, solange sie datenschutzrechtlich - wie hier - die Datensicherheit gewährleisten können; zumindest bestehen für eine gegenteilige Annahme keinerlei Anhaltspunkte."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Datenschutzkonferenz zur DSGVO: Konzept der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zur Bußgeldzumessung in Verfahren gegen Unternehmen

Die Datenschutzkonferenz hat ihr Konzept der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zur Bußgeldzumessung in Verfahren gegen Unternehmen veröffentlicht.