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LG Hamburg: Gemeinnützer Verein LAION darf Fotos für die Erstellung von KI-Traingsdaten nach § 60d UrhG herunterladen und verwenden

LG Hamburg
Urteil vom 27.09.2024
310 O 227/23


Das LG Hamburg hat entschieden, dass der gemeinnütze Verein LAION Fotos für die Erstellung von KI-Traingsdaten nach § 60d UrhG herunterladen und verwenden darf.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beklagte hat durch die Vervielfältigung der streitgegenständlichen Fotografie zwar in die Verwertungsrechte des Klägers eingegriffen. Dieser Eingriff ist aber durch die Schrankenregelung des § 60d UrhG gedeckt. Ob sich der Beklagte ergänzend auf die Schrankenregelung des § 44b UrhG berufen kann, bedarf vor diesem Hintergrund keiner abschließenden Beurteilung.

Die streitgegenständliche Fotografie ist jedenfalls als Lichtbild nach § 72 Abs. 1 UrhG geschützt. Das Gericht hat nach Inaugenscheinnahme der auf dem Laptop des Klägers befindlichen Rohdaten auch keinen Zweifel an der Lichtbildnereigenschaft des Klägers, § 72 Abs. 2 UrhG. Der Kläger ist auch zur Geltendmachung von Verletzungsansprüchen nach § 97 UrhG aktiv legitimiert, so auch für den Unterlassungsanspruch nach Abs. 1 der Vorschrift; dass der Kläger der Bildagentur ... weitergehende als (unterlizenzierbare) einfache Nutzungsrechte eingeräumt hat, hat der Beklagte nicht dargelegt. Die Bildagentur ... hat das Foto mit einem Wasserzeichen versehen; das war eine unfreie Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG, so dass auch zu deren Verwertung grundsätzlich die Zustimmung des Klägers als des Urhebers erforderlich war. Im Rahmen des durchgeführten Downloads hat der Beklagte diese Fassung vervielfältigt i.S.d. § 16 Abs. 1 UrhG, ohne dafür eine Zustimmung des Klägers eingeholt zu haben.

Allerdings war der Beklagte hierzu aufgrund gesetzlicher Erlaubnis berechtigt. Die Vervielfältigung war zwar nicht durch die Schrankenregelung des § 44a UrhG gedeckt (im Folgenden 1.), und ob sich der Beklagte auf die Schrankenregelung des § 44b UrhG berufen kann, erscheint als zweifelhaft (im Folgenden 2.). Letzteres bedarf aber vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, da die Vervielfältigungshandlung jedenfalls durch die Schrankenregelung des § 60d UrhG gedeckt war (im Folgenden 3.).

1. Die erfolgte Vervielfältigung ist nicht durch die Schrankenregelung des § 44a UrhG gedeckt.

Danach sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen zulässig, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.

Die vorliegend erfolgte Vervielfältigung war bereits weder flüchtig noch begleitend.

a) Flüchtig i.S.d. § 44a UrhG ist eine Vervielfältigung dann, wenn ihre Lebensdauer auf das für das ordnungsgemäße Funktionieren des betreffenden technischen Verfahrens Erforderliche beschränkt ist, wobei dieses Verfahren derart automatisiert sein muss, dass es diese Handlung automatisch, d.h. ohne Beteiligung einer natürlichen Person löscht, sobald ihre Funktion, die Durchführung eines solchen Verfahrens zu ermöglichen, erfüllt ist (EuGH, Urt. v. 16.07.2009, Az. C-5/08 – Infopaq/Danske Dagblades Forening, Rn. 64 (juris) zu Art. 5 Abs. 1 DSM-RL).

Soweit sich der Beklagte insoweit darauf beruft, dass im Rahmen des von ihm durchgeführten Analyseverfahrens die Dateien "automatisch" gelöscht worden seien, vermag dies eine Flüchtigkeit der Vervielfältigung im vorgenannten Sinne nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass der Beklagte nichts zu der konkreten Dauer der Speicherung vorgetragen hat, erfolgte die Löschung gerade nicht "nutzerunabhängig", sondern aufgrund einer entsprechenden bewussten Programmierung des Analyseprozesses durch den Beklagten.

b) Begleitend i.S.d. § 44a UrhG ist eine Vervielfältigung dann, wenn sie gegenüber dem technischen Verfahren, dessen Teil sie ist, weder eigenständig ist noch einem eigenständigen Zweck dient (EuGH, Urt. v. 05.06.2014, Az. C-360/13, Rn. 43 (juris)).

Im vorliegenden Fall erfolgte ein gezieltes Herunterladen der Bilddateien, um sie mittels einer spezifischen Software zu analysieren. Damit ist das Herunterladen kein bloß begleitender Prozess zu der durchgeführten Analyse, sondern ein der Analyse vorgelagerter bewusster und aktiv gesteuerter Beschaffungsprozess.

2. Ob sich der Beklagte auf die Schrankenregelung des § 44b UrhG berufen kann, erscheint im vorliegenden Fall durchaus als zweifelhaft. Zwar unterfällt der von dem Beklagten vorgenommene Download grundsätzlich der Schrankenregelung des § 44b Abs. 2 UrhG, insbesondere erfolgte er zum Zwecke des Text und Data Mining im Sinne des § 44b Abs. 1 UrhG (im Folgenden lit. a). Allerdings spricht ‒ ohne dass dies vorliegend einer abschließenden Entscheidung bedürfte ‒ Einiges dafür, dass aufgrund eines wirksam erklärten Nutzungsvorbehalts im Sinne des § 44b Abs. 3 die Vervielfältigungshandlung nicht bereits nach § 44b Abs. 2 UrhG zulässig war (im Folgenden lit. b).

a) Die streitgegenständliche Vervielfältigungshandlung unterfällt grundsätzlich der Schrankenregelung des § 44b Abs. 2 UrhG.

(1) Der streitgegenständliche Download erfolgte zum Zwecke des Text und Data Mining im Sinne des § 44b Abs. 1 UrhG. Danach ist Text und Data Mining die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. Jedenfalls für die vorliegend streitgegenständliche Vervielfältigungshandlung ist dies zu bejahen (nachfolgend (a)); eine teleologische Reduktion des Schrankentatbestands kommt insofern nicht in Betracht (unten (b)).

Vorliegend keiner Entscheidung bedarf daher die weitere, im Schrifttum eingehend diskutierte Frage, ob das Training von Künstlicher Intelligenz in seiner Gesamtheit der Schrankenregelung des § 44b UrhG unterfällt oder nicht (eingehend zum Meinungsstand BeckOK UrhR/Bomhard, 42. Ed. 15.2.2024, UrhG § 44b Rn. 11a-11b m.w.N.; dazu auch eingehend die als Anlage K11 vorgelegte, im Auftrag der Initiative Urheberrecht erstellte Studie "Urheberrecht & Training generativer KI-technologische und rechtliche Grundlagen").

(a) Der Beklagte hat die Vervielfältigungshandlung zum Zwecke der Gewinnung von Informationen über "Korrelationen" im Wortsinn des § 44b Abs. 1 UrhG vorgenommen. Der Beklagte hat das streitgegenständliche Lichtbild von seinem ursprünglichen Speicherort heruntergeladen, um mittels einer bereits verfügbaren Software ‒ offenbar der Anwendung ... von ... ‒ den Bildinhalt mit der zu dem Text bereits hinterlegten Bildbeschreibung abzugleichen. Diese Analyse der Bilddatei zum Abgleich mit einer vorbestehenden Bildbeschreibung stellt ohne Weiteres eine Analyse zum Zwecke der Gewinnung von Informationen über "Korrelationen" (nämlich der Frage der Nicht-/Übereinstimmung von Bildern und Bildbeschreibungen) dar. Dass der Beklagte die in den Datensatz ... aufgenommenen Bilder auf diese Art und Weise analysiert hat, wurde klägerseits als solches nicht bestritten.

Die Anwendbarkeit von § 44b Abs. 1 UrhG ist ‒ entgegen der Auffassung des Klägers (Replik S. 13 f., Bl. 47 f. d.A.) ‒ auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte den von ihm erstellten Datensatz ... ausweislich eines zu diesem Datensatz ausgesprochenen "Disclaimers" nicht "kuratiert" habe. Der klägerseits wiedergegebene Disclaimer bezieht sich allein auf eine Warnung, dass der Datensatz nicht nach "verstörenden Inhalten" o.Ä. durchsucht worden sei. Eine solche ‒ zusätzliche ‒ Filterung des zu erstellenden Datensatzes ist aber nicht Anwendungsvoraussetzung für § 44b Abs. 1 UrhG und steht nicht der Annahme entgegen, dass die heruntergeladenen Bilder ‒ wie ausgeführt ‒ auf ihre Korrelation zwischen Bildinhalt und Bildbeschreibung hin analysiert wurden.

(b) Die streitgegenständliche Vervielfältigungshandlung ist auch nicht im Wege der teleologischen Reduktion der Schrankenregelung des § 44b UrhG aus dieser auszuschließen.

Soweit eine Herausnahme der Vervielfältigung von Daten zum Zwecke des KI-Trainings im Wege der teleologischen Reduktion im Schrifttum vereinzelt mit der Begründung befürwortet wird, dass § 44b UrhG nur die Erschließung "in den Daten verborgener Informationen", nicht aber die Nutzung "des Inhalts der geistigen Schöpfung" erfasse (Schack, NJW 2024, 113; in diese Richtung auch Dormis/Stober, Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle, Anlage K11, S. 67 ff. mit einer Differenzierung zwischen Semantik und Syntax), bestehen Zweifel, ob dies zu überzeugen vermag; denn dabei wird nicht ausreichend deutlich, worin bei digitalisierten Werken der Unterschied zwischen "in den Daten verborgenen Informationen" und "dem Inhalt der geistigen Schöpfung" liegen soll.

Soweit ergänzend angeführt wird, dass es beim "KI-Webscraping" um den geistigen Inhalt der zu Trainingszwecken genutzten Werke und "letztlich" um die Schaffung inhaltsgleicher oder ähnlicher Konkurrenzerzeugnisse gehe (Schack, a.a.O.), unterscheidet diese Argumentation nach Auffassung der Kammer nicht streng genug zwischen

- zum einen der (hier allein streitgegenständlichen) Erstellung eines ‒ auch ‒ für KI-Training nutzbaren Datensatzes,

- zum anderem dem nachfolgenden Training des künstlichen neuronalen Netzes mit diesem Datensatz und

- zum dritten der nachfolgenden Nutzung der trainierten KI zum Zwecke der Erstellung neuer Bildinhalte.

Diese letztere Funktionalität mag zwar bereits bei der Erstellung des Trainingsdatensatzes angestrebt sein. Jedoch ist im Zeitpunkt der Zusammenstellung des Trainingsdatensatzes weder absehbar, in welcher Weise der zweite Schritt (das Training) erfolgreich sein wird, noch, welche konkreten Inhalte im dritten Schritt (bei der KI-Anwendung) durch die trainierte KI werden generiert werden können. Die konkreten Anwendungsmöglichkeiten bei einer sich rasant entwickelnden Technologie wie der KI sind zum Zeitpunkt der Erstellung des Trainingsdatensatzes daher nicht abschließend absehbar und mithin nicht rechtssicher feststellbar. Wegen dieser Rechtsunsicherheit ist die bei der Erstellung des Trainingsdatensatzes zunächst allein bestehende nur allgemeine Absicht, zukünftige KI-generierte Inhalte erlangen zu wollen, kein taugliches Kriterium für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit der Erstellung des Trainingsdatensatzes als solchen.

Soweit für eine teleologische Reduktion der Schrankenregelung des § 44b UrhG schließlich angeführt wird, dass der europäische Gesetzgeber 2019 bei Schaffung der zugrundeliegenden Richtlinienbestimmung (Art. 4 DSM-RL) "das KI-Problem" "schlicht noch nicht auf dem Schirm" gehabt habe (Schack, a.a.O.; ebenso für das Training von KI-Modellen Dormis/Stober, a.a.O., S. 71 ff., 87 ff.), genügt allein dieser Befund für eine teleologische Reduktion ersichtlich nicht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die technische Fortentwicklung im Bereich der sog. Künstlichen Intelligenz seit 2019 weniger Art und Umfang des (streitgegenständlichen) Data Mining zur Beschaffung von Trainingsdaten betrifft, sondern die Leistungsfähigkeit der mit den Daten trainierten künstlichen neuronalen Netze (dementsprechend gehen Dormis/Stober, a.a.O., S. 95 gleichfalls davon aus, dass die reine Erstellung von Trainingsdatensätzen "im Vorfeld des eigentlichen Trainings" durchaus der TDM-Schranke unterfallen dürfte). Zu beachten wäre außerdem, dass die beklagtenseits abgerufene Datenbank der Common Crawl Foundation bereits seit dem Jahr 2008 (!) erstellt wird, vgl. https://commoncrawl.org/overview.

Davon abgesehen hat jedenfalls der aktuelle europäische Gesetzgeber der KI-Verordnung (Verordnung (EU) 2024/1689 vom 13.06.2024, ABl. L v. 12.07.2024 S. 1) unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass auch die Erstellung von zum Training von künstlichen neuronalen Netzen bestimmten Datensätzen der Schrankenregelung des Art. 4 DSM-RL unterfällt. Denn nach Art. 53 Abs. 1 lit. c KI-Verordnung sind Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck verpflichtet, eine Strategie insbesondere zur Ermittlung und Einhaltung eines gemäß Art. 4 Abs. 3 DSM-RL geltend gemachten Rechtsvorbehalts vorzusehen.

Dass auch die Erstellung von zum Training von künstlichen neuronalen Netzen bestimmten Datensätzen der Schrankenregelung des Art. 4 DSM-RL unterfalle, entspricht im Übrigen auch der Einschätzung des deutschen Gesetzgebers im Rahmen der Umsetzung der vorgenannten Schrankenbestimmung im Jahr 2021 (Begr. RegE BT-Drs. 19/27426, S. 60).

(c) Auch der in Art. 5 Abs. 5 InfoSoc-RL (i.V.m. Art. 7 Abs. 2 S. 1 DSM-RL) verankerte sog. 3-Stufen-Test rechtfertigt letztlich keine andere Beurteilung. Danach dürfen die normierten Ausnahmen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden. Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Die vorliegend urheberrechtlich relevante Vervielfältigung ist auf den Zweck der Analyse der Bilddateien auf ihre Übereinstimmung mit einer vorbestehenden Bildbeschreibung nebst anschließender Einstellung in einen Datensatz beschränkt. Dass durch diese Nutzung die Verwertungsmöglichkeiten der jeweils betroffenen Werke beeinträchtigt werden würden, ist nicht ersichtlich und wird auch klägerseits nicht behauptet.

Zwar mag der auf diese Weise erstellte Datensatz nachfolgend zum Trainieren künstlicher neuronaler Netze genutzt werden können und die dabei entstehenden KI-generierten Inhalte mögen in Konkurrenz zu den Werken (menschlicher) Urheber treten können. Das allein rechtfertigt es jedoch noch nicht, bereits in der Erstellung der Trainingsdatensätze eine Beeinträchtigung auch der Verwertungsrechte an Werken i.S.v. Art. 5 Abs.5 InfoSoc-RL zu erblicken. Dies hat schon allein deshalb zu gelten, weil die Berücksichtigung bloß zukünftiger, derzeit noch gar nicht im Einzelnen absehbarer technischer Entwicklungen keine rechtssichere Abgrenzung zulässiger von unzulässigen Nutzungen erlaubt (vgl. ähnlich oben (b)).

Da eine Verwendung von im Wege des Text und Data Mining gewonnenen Erkenntnissen zum Trainieren künstlicher neuronaler Netze, die dann in Konkurrenz zu Urhebern treten können, auf Grundlage der aktuellen technologischen Entwicklung im Zweifel nie ausgeschlossen werden kann, würde die Gegenauffassung in letzter Konsequenz sogar dazu nötigen, das Text und Data Mining i.S.d. § 44b UrhG letztlich in seiner Gänze zu untersagen; eine solche vollständige Außerkraftsetzung der Schrankenregelung liefe aber der gesetzgeberischen Intention offenkundig zuwider und kann daher kein tragbares Auslegungsergebnis darstellen.

(2) Die von dem Beklagten heruntergeladene Bilddatei war auch ‒ was der Kläger im Übrigen auch nicht in Abrede stellt ‒ rechtmäßig zugänglich i.S.d. § 44b Abs. 2 S. 1 UrhG.

"Rechtmäßig zugänglich" in diesem Sinne ist ein Werk insbesondere dann, wenn es frei im Internet zugänglich ist (Begr. RegE BT-Drucks. 19/27426, S. 88).

Hiervon ist für das von dem Beklagten heruntergeladene Bild auszugehen. Anders als klägerseits zunächst vorgetragen, hat der Beklagte nicht das in dem in der Klageschrift zunächst formulierten Unterlassungsantrag wiedergegebene "Originalbild" ‒ das von der Bildagentur ... nur bei Erwerb einer Lizenz zur Verfügung gestellt worden wäre ‒, sondern eine mit einem Wasserzeichen der Bildagentur versehene Fassung des Bildes heruntergeladen. Hierbei handelte es sich ersichtlich um das auf der Agenturseite quasi zu Werbezwecken eingestellte Vorschaubild. Dieses mit dem Wasserzeichen versehene Vorschaubild wurde von der Agentur aber gerade frei zugänglich ins Internet gestellt.

b) Allerdings spricht einiges dafür, dass vorliegend die Schrankenregelung des § 44b Abs. 2 UrhG ‒ ohne dass dies einer abschließenden Entscheidung bedürfte ‒ nicht eingreift, da ein wirksam erklärter Nutzungsvorbehalts im Sinne von Abs. 3 der Vorschrift vorlag; insbesondere dürfte der auf der Webseite ...com unstreitig erklärte Nutzungsvorbehalt wohl den Anforderungen an eine Maschinenlesbarkeit i.S.d. § 44b Abs. 3 S. 2 UrhG genügen.

(1) Es spricht manches dafür, dass der auf der Webseite der Agentur ausgesprochene Nutzungsvorbehalt durch eine hierzu berechtigte Person ausgesprochen wurde und der Kläger sich hierauf auch zum Schutz seiner eigenen Rechte berufen kann.

Nach dem Wortlaut des § 44b Abs. 3 UrhG kann "der Rechtsinhaber" den Nutzungsvorbehalt aussprechen. Zu beachten sind also nicht allein Vorbehaltserklärungen des Urhebers selbst, sondern auch nachfolgender Rechteinhaber, seien sie Rechtsnachfolger oder Inhaber von vom Urheber abgeleiteten Rechten. Nach dem ohne Weiteres schlüssigen Vortrag des Klägers (Protokoll v. 11.07.2024 S. 3, Bl. 122 d.A.) hatte er der Bildagentur ... weiterlizenzierbare einfache Nutzungsrechte an dem Originalbild eingeräumt. Die Bildagentur war danach selbst Rechteinhaberin an den auf ihrer Seite eingestellten Bildern und konnte daher ohne Weiteres einen Nutzungsvorbehalt nach § 44b Abs. 3 UrhG aussprechen; dass insofern dinglich wirkende Vereinbarungen im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Bildagentur entgegengestanden hätten, ist weder ersichtlich noch geltend gemacht worden.

Der Kläger ist wohl auch berechtigt, sich auf diese Vorbehaltserklärung seiner Lizenznehmerin zu berufen. Wirtschaftlich betrachtet fand hier die Auswertung des streitgegenständlichen Originalfotos über die Agentur statt. Damit lag in der Praxis die konkrete Entscheidung, welcher Dritte die Berechtigung zu welcher Nutzung erhalten sollte, bei der Agentur; Abschlusszwang bestand für diese nicht. In einer solchen Situation spricht aus Sicht der Kammer vieles dafür, dass sich der Urheber bei der Geltendmachung bei ihm verbliebener Verbietungsrechte auf einen von seinem Lizenznehmer erklärten Vorbehalt nach § 44b Abs. 3 UrhG berufen darf.

(2) Auch der Einwand des Beklagten, dass das in den AGB der Agentur gegenüber deren Kunden ausgesprochene Nutzungsverbot für Webcrawler schon in zeitlicher Hinsicht nicht "in Bezug auf § 44b Abs. 3 UrhG" formuliert sein könne, ist unerheblich. Für die Rechtswirkungen der Erklärung ist es keine Voraussetzung, dass sie bewusst mit Blick auf eine bestimmte Gesetzesfassung erklärt wird.

(3) Der Vorbehalt ist auch hinreichend klar formuliert. Art. 4 Abs. 3 DSM-RL verlangt eine ausdrückliche Erklärung des Nutzungsvorbehalts. Dieses Ausdrücklichkeitserfordernis ist mithin bei richtlinienkonformer Auslegung des § 44b Abs. 3 UrhG mitzuberücksichtigen (so auch Begr. RegE BT-Drs. 19/27426, 89). Der erklärte Vorbehalt muss damit sowohl expressis verbis (nicht konkludent) als auch so zielgenau (konkret-individuell) erklärt werden, dass er zweifelsfrei einen bestimmten Inhalt und eine bestimmte Nutzung erfasst (Hamann, ZGE 16 (2024), S. 134). Diesen Anforderungen genügt der auf der Webseite der Bildagentur ... formulierte Nutzungsvorbehalt ohne Weiteres.

Soweit darüber hinaus argumentiert wird, dass ein für sämtliche auf einer Webseite eingestellte Werke erklärter Nutzungsvorbehalt dem Ausdrücklichkeitserfordernis des § 44b Abs. 3 UrhG widerspreche (so in Erweiterung der eigenen abstrakten Herleitung Hamann, a.a.O., S. 148), vermag dies nicht zu überzeugen. Denn auch der explizit für sämtliche auf einer Webseite eingestellte Werke erklärte Vorbehalt ist in seiner Reichweite und seinem Inhalt nach zweifelsfrei bestimmbar und damit ausdrücklich erklärt.

(4) Schließlich dürfte auch Einiges dafür sprechen, dass der Nutzungsvorbehalt den Anforderungen an eine Maschinenlesbarkeit i.S.d. § 40b Abs. 3 S. 2 UrhG genügt.

Dabei wird man zwar den Begriff der Maschinenlesbarkeit im Hinblick auf den ihm zugrunde liegenden gesetzgeberischen Willen, eine automatisierte Abfrage durch Webcrawler zu ermöglichen (vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 19/27426, S. 89), durchaus im Sinne einer "Maschinenverständlichkeit" auszulegen haben (eingehend zum Meinungsstand Hamann, a.a.O., S. 113, 128 ff.).

Die Kammer neigt allerdings dazu, als "maschinenverständlich" auch einen allein in "natürlicher Sprache" verfassten Nutzungsvorbehalt anzusehen (anders als die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum, s. Hamann, a.a.O., S. 131 ff., 146 ff. m.w.N. zum Meinungsstand, wobei dort auf einen Beitrag der hiesigen Beklagtenvertreter, nämlich auf Akinci/Heidrich, IPRB 2023, 270, 272 verwiesen wird, die offenbar ebenfalls die Auffassung der Kammer vertreten; der Beitrag war der Kammer allerdings bis zur Urteilsabfassung nicht unmittelbar zugänglich). Allerdings wird man die Frage, ob und unter welchen konkreten Voraussetzungen ein in "natürlicher Sprache" erklärter Vorbehalt auch als "maschinenverständlich" angesehen werden kann, stets in Abhängigkeit von der zum jeweils relevanten Werknutzungszeitpunkt bestehenden technischen Entwicklung beantworten müssen.

Dementsprechend hat auch der europäische Gesetzgeber im Rahmen der KI-Verordnung festgelegt, dass Anbieter von KI-Modellen eine Strategie insbesondere zur Ermittlung und Einhaltung eines gemäß Art. 4 Abs. 3 DSM-RL geltend gemachten Rechtsvorbehalts "auch durch modernste Technologien" vorzuhalten haben (Art. 53 Abs. 1 lit. c KI-Verordnung). Zu diesen "modernsten Technologien" gehören aber unzweideutig gerade auch KI-Anwendungen, die in der Lage sind, in natürlicher Sprache geschriebenen Text inhaltlich zu erfassen (so offenbar insbesondere auch die hiesigen Beklagtenvertreter Akinci/Heidrich in dem der Kammer nicht unmittelbar zugänglichen Beitrag IPRB 2023, 270, 272, hier zit. nach Hamann, a.a.O. S. 148, dieser im Übrigen diese Möglichkeit in technischer Hinsicht grds. bejahend, a.a.O.). Es spricht insoweit alles dafür, dass der Gesetzgeber der KI-Verordnung mit seinem Hinweis auf "modernsten Technologien" gerade solche KI-Anwendungen im Blick hatte.

Gegen eine solche Sichtweise wird teilweise eingewandt, sie führe zu einem Zirkelschluss: Wenn gefordert werde, der Betreiber des Text und Data Mining müsse mittels KI-Anwendungen überprüfen, ob ein Nutzungsvorbehalt erklärt worden sei, dann erfordere doch diese KI-gestützte Suche ihrerseits eine Musteranalyse, die bereits den Tatbestand des Text und Data Mining i.S.d. § 44b Abs. 1 UrhG erfülle; mit anderen Worten: Erst die Anwendung der Schranke entscheide über die Zulässigkeit ihrer Anwendung (so Hamann, a.a.O., S. 148). Die Kammer teilt diese Bewertung nicht: Die urheberrechtlich relevante, rechtfertigungsbedürftige Nutzungshandlung ist entgegen vorgenannter Ansicht nicht die Durchführung einer "Musteranalyse" als solche, sondern die Vervielfältigung des urheberrechtlich geschützten Werks i.S.d. § 16 UrhG. Dass das vorausgehende Auffinden solcher Werke im Netz und deren Überprüfung, ob Vorbehalte i.S.d. § 44b Abs. 3 S. 2 UrhG erklärt sind, zwingend ein quasi vorgeschaltetes weiteres Text und Data Mining i.S.v. § 44b Abs. 1 UrhG erfordere, erscheint nicht als zwingend, denn zu denken ist insbesondere an Prozessierungen des Webseiteninhalts durch den Einsatz von Webcrawlern, bei denen lediglich flüchtige und beiläufige Vervielfältigungen entstehen, die ihrerseits bereits unter § 44a UrhG gerechtfertigt sind.

Ferner wird gegen das von der Kammer erwogene, weitere Verständnis des Begriffes der "Maschinenlesbarkeit" auch eingewandt, dieser Begriff werde vom europäischen Gesetzgeber in anderem Zusammenhang enger verstanden. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf den Erwägungsgrund 35 der PSI-Richtlinie (RL (EU) 2019/1024), der für eine "Maschinenlesbarkeit" im Sinne dieser Richtlinie u.a. eine "einfache" Erkennbarkeit verlange (so BeckOK UrhR/Bomhard, 42. Ed. 15.2.2024, UrhG § 44b Rn. 31 m.w.N.); dies könne für einen nur in natürlicher Sprache formulierten Vorbehalt nicht angenommen werden. Eine solche Argumentation setzt allerdings voraus, dass die Begrifflichkeiten beider Richtlinien in gleicher Weise verstanden werden müssen. Die Kammer hat Zweifel, ob eine solche Gleichsetzung der Begrifflichkeiten überzeugen kann, denn die Richtlinien haben unterschiedliche Zielrichtungen: Während die PSI-Richtlinie den rein einseitigen Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen bzw. die rein einseitige Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Veröffentlichung bestimmter Informationen zum Gegenstand hat, geht es im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 DSM-RL um einen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer des Text und Data Mining (dieses möglichst einfach und möglichst rechtssicher betreiben zu können) und den Interessen der Rechteinhaber (ihre Rechte möglichst einfach und möglichst effektiv zu sichern). Dieser Interessenausgleich kann nach Auffassung der Kammer nicht einseitig zugunsten der Nutzer des Text und Data Mining gelöst werden, indem allein die für diese denkbar einfachste technische Lösung als ausreichend für die Wirksamkeit eines ausgesprochenen Nutzungsvorbehalts erachtet wird. Gegen ein solches Verständnis spräche auch die Wertung des Gesetzgebers der DSM-RL, der im Erwägungsgrund 18 gerade nicht die Erklärung eines Vorbehalts "in möglichst einfach auszulesender Weise" fordert, sondern lediglich "in angemessener Weise". Und auch der deutsche Umsetzungsgesetzgeber verlangt lediglich eine Erklärung in einer Weise, die "den automatisierten Abläufen beim Text und Data Mining angemessen" ist (Begr. RegE BT-Drucks. 19/27426, S. 89).

Es wäre zudem aus Sicht der Kammer ein gewisser Wertungswiderspruch, den Anbietern von KI-Modellen einerseits über die Schranke in § 44b Abs. 2 UrhG die Entwicklung immer leistungsfähigerer textverstehender und -kreierender KI-Modelle zu ermöglichen, ihnen aber andererseits im Rahmen der Schranken-Schranke von § 44b Abs. 3 S. 2 UrhG die Anwendung bereits bestehender KI-Modelle nicht abzuverlangen.

Ob und in welchem Maße zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Vervielfältigungshandlung im Jahr 2021 eine ausreichende Technologie zur automatisierten inhaltlichen Erfassung des streitgegenständlichen Nutzungsvorbehalts bereits zur Verfügung stand, ist zwar klägerseits bislang nicht dargetan; der Kläger hat insoweit nur auf im Jahr 2023 verfügbare Dienste verwiesen (Replik S. 14 ff., Bl. 48 ff. d.A.). Allerdings bestehen Anzeichen dafür, dass der Beklagte bereits über geeignete Technologie verfügte. Denn nach eigenem Vortrag des Beklagten erforderte die im Rahmen der Erstellung des Datensatzes ... durchgeführte Analyse in Form eines Abgleichs von Bildinhalten mit vorbestehenden Bildbeschreibungen ersichtlich auch und gerade eine inhaltliche Erfassung dieser Bildbeschreibungen durch die eingesetzte Software. Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass – insbesondere auch dem Beklagten – bereits im Jahr 2021 Systeme zur Verfügung standen, die in der Lage waren, einen in natürlicher Sprache formulierten Nutzungsvorbehalt in automatisierter Weise zu erfassen.

3. Der Beklagte kann sich hinsichtlich der streitgegenständlichen Vervielfältigung jedoch auf die Schrankenregelung des § 60d UrhG berufen.

Danach sind Vervielfältigungen für Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung durch Forschungsorganisationen zulässig.

a) Die Vervielfältigung erfolgte – wie dargelegt – für den Zweck des Text und Data Mining i.S.d. § 44b Abs. 1 UrhG. Sie erfolgte darüber hinaus auch zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung i.S.d. § 60d Abs. 1 UrhG.

Wissenschaftliche Forschung bezeichnet allgemein das methodisch-systematische Streben nach neuen Erkenntnissen (Spindler/Schuster/Anton, 4. Aufl. 2019, UrhG § 60c Rn. 3; BeckOK UrhR/Grübler, 42. Ed. 1.5.2024, UrhG § 60c Rn. 5; Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 60c Rn. 1). Der Begriff der wissenschaftlichen Forschung ist, indem er bereits das methodisch-systematische "Streben" nach neuen Erkenntnissen ausreichen lässt, nicht so eng zu verstehen, dass er nur die unmittelbar mit der Gewinnung von Erkenntnisgewinn verbundenen Arbeitsschritte erfassen würde; vielmehr genügt es, dass der in Rede stehende Arbeitsschritt auf einen (späteren) Erkenntnisgewinn gerichtet ist, wie es z.B. bei zahlreichen Datensammlungen der Fall ist, die zunächst durchgeführt werden müssen, um anschließend empirische Schlussfolgerungen zu ziehen. Insbesondere setzt der Begriff der wissenschaftlichen Forschung auch keinen späteren Forschungserfolg voraus.

Danach kann – entgegen der Auffassung des Klägers – auch bereits die Erstellung eines Datensatzes der streitgegenständlichen Art, der Grundlage für das Trainieren von KI-Systemen sein kann, durchaus als wissenschaftliche Forschung im vorstehenden Sinne anzusehen sein. Zwar mag die Erstellung des Datensatzes als solche noch nicht mit einem Erkenntnisgewinn verbunden sein; sie ist aber grundlegender Arbeitsschritt mit dem Ziel, den Datensatz zum Zwecke späteren Erkenntnisgewinns einzusetzen. Dass eine solche Zielsetzung auch im vorliegenden Fall bestand, kann bejaht werden. Dafür genügt es, dass der Datensatz – unstreitig – kostenfrei veröffentlicht und damit gerade (auch) auf dem Gebiet künstlicher neuronaler Netze Forschenden zur Verfügung gestellt wurde. Ob der Datensatz – wie es der Kläger hinsichtlich der Dienste ... und ... behauptet – daneben auch von kommerziellen Unternehmen zum Training bzw. zur Weiterentwicklung ihrer KI-Systeme genutzt wird, ist schon deshalb unerheblich, weil auch die Forschung kommerzieller Unternehmen noch Forschung – wenn auch nicht als solche nach §§ 60c f. UrhG privilegiert – ist.

Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Beklagte über die Erstellung entsprechender Datensätze hinaus auch wissenschaftliche Forschung in Gestalt der Entwicklung eigener KI-Modelle tätigt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

b) Der Beklagte verfolgt auch nicht kommerzielle Zwecke i.S.d. § 60d Abs. 2 Nr. 1 UrhG.

Für die Frage, ob Forschung nicht kommerziell ist, kommt es allein auf die konkrete Art der wissenschaftlichen Tätigkeit an, während Organisation und Finanzierung der Einrichtung, in der die Forschung erfolgt, unbeachtlich sind (ErwGr 42 InfoSoc-Rl).

Die nicht-kommerzielle Zweckverfolgung des Beklagten in Bezug auf die streitgegenständliche Erstellung des Datensatzes ... ergibt sich dabei bereits daraus, dass der Beklagte diesen unstreitig kostenfrei öffentlich zur Verfügung stellt. Dass die Entwicklung des streitgegenständlichen Datensatzes darüber hinaus zumindest auch der Entwicklung eines eigenen kommerziellen Angebots des Beklagten dienen würde (vgl. zu diesem Kriterium BeckOK IT-Recht/Paul, 14. Ed. 1.4.2024, UrhG § 60d Rn. 10), ist weder klägerseits vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der streitgegenständliche Datensatz auch von kommerziell tätigen Unternehmen zum Training bzw. zur Weiterentwicklung ihrer KI-Systeme genutzt werden mag, ist für die Einordnung der Tätigkeit des Beklagten hingegen ohne Relevanz. Allein der Umstand, dass einzelne Mitglieder des Beklagten neben ihrer Tätigkeit für den Verein auch bezahlten Tätigkeiten bei solchen Unternehmen nachgehen, genügt nicht, die Tätigkeit dieser Unternehmen dem Beklagten als eigene zuzurechnen.

c) Dem Beklagten ist eine Berufung auf die Schrankenregelung des § 60d UrhG auch nicht nach Abs. 2 S. 3 der Vorschrift verwehrt.

Danach können sich Forschungsorganisationen, die mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeiten, das einen bestimmenden Einfluss auf die Forschungsorganisation und einen bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung hat, nicht auf die Schrankenregelung des § 60d UrhG berufen. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenausschlusses nach § 60d Abs. 2 S. 3 UrhG obliegt dabei nach dem Wortlaut der Norm dem Kläger.

(1) Soweit der Kläger mit der Replik zunächst darauf verwiesen hat, dass das Unternehmen ... über die Finanzierung des gegenständlichen Datasets und die Besetzung "relevanter Posten" beim Beklagten durch eigene Mitarbeiter unmittelbaren Einfluss auf den Beklagten habe (Replik S. 18, Bl. 52 d.A.), so entbehrt dieser Vortrag der Substanz.

Der Kläger verweist insoweit lediglich darauf, dass einer der Mitbegründer des Beklagten, Herr ..., bei ... als "Head of Machine Learning Operations" angestellt sei, ferner ein Mitglied des Beklagten, Herr ..., ebendort als "Research Scientist" (Replik S. 4 f., Bl. 38 f. d.A.). Allein diese Tätigkeit von zwei Vereinsmitgliedern für das Unternehmen ... belegt aber keinen bestimmenden Einfluss dieses Unternehmens auf die Forschungsarbeit des Beklagten.

Davon abgesehen hat der Kläger noch nicht einmal behauptet, dass der Beklagte dem Unternehmen ... auch bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen seiner wissenschaftlichen Forschung, namentlich dem streitgegenständlichen Datensatz, gewährt habe. Vielmehr wird insoweit nur vorgetragen, dass ... seinen Dienst ... mithilfe des streitgegenständlichen Datensatzes trainiert habe (Replik S. 8 f., Bl. 42 f. d.A.).

(2) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 03.07.2024 auf einen im Jahr 2021 erfolgten Chat auf der Plattform ... verweist, wonach sich der Mitbegründer des Beklagten, Herr ..., dazu bereit erklärt haben soll, dem Unternehmen ... aufgrund eines von diesem geleisteten Finanzierungsbeitrags von 5.000,- $ einen vorzeitigen Zugang zu dem (damaligen kleineren) Datensatz zu gewähren, erfüllt auch dieser Vortrag nicht den Ausnahmetatbestand in § 60d Abs. 2 S. 3 UrhG.

Dabei kann dahinstehen, ob dieser – von dem Beklagten als solcher nicht bestrittene (vgl. Schriftsatz vom 09.07.2024 S. 3, Bl. 112 d.A.) – Chatverlauf die vom Kläger gezogene Interpretation überhaupt trägt. Gleichfalls kann dahinstehen, ob die Erklärung einer solchen Bereitschaft zur Gewährung eines vorzeitigen Zugangs – ob dieser tatsächlich gewährt wurde, hat der Kläger nicht vorgetragen – für das Innehaben eines bevorzugten Zugangs zu den Forschungsergebnissen i.S.d. § 60d Abs. 2 S. 2 UrhG ausreichen kann.

Denn es ist jedenfalls weder klägerseits dargetan noch sonst ersichtlich, dass das Unternehmen ... einen bestimmenden Einfluss auf den Beklagten hätte. Soweit überhaupt personelle Verflechtungen zwischen dem Beklagten und Unternehmen der KI-Branche dargetan sind, handelt es sich um die Unternehmen ... und ... (Replik S. 4 ff., Bl. 38 ff. d.A.).


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EuG: Unionsmarke NOAH für Polohemden und Sweater nicht wegen Verfalls zu löschen - Nutzung des Logos in leicht abgewandelter Form ausreichend

EuG
Urteil vom 24.01.2024
T-562/22
Noah Clothing / EUIPO – Noah (NOAH)


Das EuG hat entschieden, dass die Unionsmarke NOAH für Polohemden und Sweater nicht wegen Verfalls zu löschen ist. Die Nutzung des Logos in leicht abgewandelter Form war insoweit ausreichend.

Die Pressemitteilung des EuG:
Das Gericht bestätigt, dass das Bildzeichen NOAH als Unionsmarke für „Polohemden“ und „Sweater“ weiter eingetragen bleiben kann

Im Jahr 2008 ließ Herr Yannick Noah, ehemaliger französischer Tennisspieler, beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) folgendes Bildzeichen als Unionsmarke eintragen:

[Abbildung der Marke]

Diese Eintragung betraf u. a. Waren aus Leder und Lederimitationen, Bekleidungsstücke einschließlich Polohemden und Sweatern sowie Spiele und Spielzeug.

Im Jahr 2019 stellte die Noah Clothing LLC, eine Gesellschaft mit Sitz in New York (Vereinigte Staaten), die Bekleidung vermarktet, beim EUIPO einen Antrag auf Erklärung des Verfalls dieser Marke mit der Begründung, dass sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union für sämtliche betroffenen Waren nicht ernsthaft benutzt worden sei.

Im Juli 2022 erklärte das EUIPO die angegriffene Marke für alle in Rede stehenden Waren mit Ausnahme von „Polohemden“ und „Sweater“ für verfallen.

Die Noah Clothing LLC beantragt, die Entscheidung des EUIPO aufzuheben, soweit dieses die angegriffene Marke nicht auch für „Polohemden“ und „Sweater“ für verfallen erklärt hat.

Das Gericht weist diese Klage ab.

Es stellt fest, dass der Umstand, dass die angegriffene Marke von ihrem Inhaber in einer Form benutzt wurde, die sich leicht von ihrer eingetragenen Form unterscheidet, da sie zusätzlich den ersten Buchstaben des Vornamens von Herrn Yannick Noah, nämlich den Großbuchstaben „Y“, gefolgt von einem Punkt, enthielt, ihre ursprüngliche Unterscheidungskraft nicht beeinflusst hat.
Somit entspricht die Form dieser Marke, wie sie im geschäftlichen Verkehr benutzt wurde,insgesamt ihrer eingetragenen Version.

Das Gericht stellt auch fest, dass die angegriffene Marke im Hinblick auf den Vertrieb von „Pullundern“ benutzt wurde, d. h. von Waren, die von ihrer Eintragung nicht ausdrücklich erfasst sind, was die Relevanz dieser Benutzung für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung aber nicht in Frage stellt. Diese Bekleidungsstücke sind nämlich wie Sweater dazu bestimmt, den Oberkörper zu bedecken, so dass sie auch als „Sweater“ eingestuft werden können, die von dieser Eintragung erfasst sind.

Schließlich bestätigt das Gericht, insbesondere unter Berücksichtigung einer relativ konstanten Vermarktung im maßgeblichen Zeitraum und der Marketingstrategie in Form einer limitierten Auflage der Bekleidung, dass der Inhaber der angegriffenen Marke diese für „Polohemden“ und „Sweater“ tatsächlich ernsthaft benutzt hat.


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EuG: Marke Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach nur teilweise wegen fehlender ernsthafter Nutzung verfallen

EuG
Urteil vom 07.12.2022
T‑747/21


Der EuG hat entschieden, dass die Marke Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach nur teilweise wegen fehlender ernsthafter Nutzung verfallen ist. Das EUIPO hatte die Unionsmarke teilweise für nichtig erklärt.

Tenor der Entscheidung:
1. Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 28. September 2021 (Sache R 2126/2020‑4) wird aufgehoben, soweit der Nachweis einer ernsthaften Benutzung der Unionswortmarke Fohlenelf für die Waren „Seifen“ der Klasse 3, „Selbstklebefolien aus Papier oder Kunststoff, Selbstklebeetiketten“ der Klasse 16, „Porzellan- und Steingutwaren“ der Klasse 21 sowie für „Trinkflaschen“, soweit es sich dabei um eine Warenuntergruppe der „Behälter für Haushalt und Küche“ derselben Klasse 21 handelt, „Textilbadetücher“ der Klasse 24 und „Spiele, Spielwaren“ der Klasse 28 nicht anerkannt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

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LG Hannover: Weiternutzung des Kontos ist keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung - entsprechende Klausel in AGB der Sparda-Bank Hannover unwirksam

LG Hannover
Urteil vom 28.11.2022
13 O 173/22


Das LG Hannover hat entschieden, dass die Weiternutzung eines Kontos keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung darstellt. Eine entsprechende Klausel in den AGB der Sparda-Bank Hannover ist unwirksam. Auch die daraus folgende Geschäftspraxis der Bank ist wettbewerbswidrig.

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EuGH: Unionsmarke "BALLON D'OR" für Unterhaltungsdienstleistungen nicht wegen fehlender Nutzung verfallen und damit nicht zu löschen

EuGH
Urteil vom 06.07.2022
T-478/21
Les Éditions P. Amaury / EUIPO - Golden Balls (BALLON D’OR)


Der EuGH hat entschieden, dass die Unionsmarke "BALLON D'OR" für Unterhaltungsdienstleistungen nicht wegen fehlender Nutzung verfallen und damit auch nicht zu löschen ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Das Gericht hebt die Entscheidung des EUIPO auf, mit der die Unionsmarke BALLON D'OR für Unterhaltungsdienstleistungen für verfallen erklärt wurde

Es bestätigt hingegen den Verfall dieser Marke für Dienstleistungen, die in der Ausstrahlung oder der Zusammenstellung von Fernsehprogrammen, der Produktion von Shows oder Filmen und der Veröffentlichung von Büchern, Magazinen, Zeitschriften oder Zeitungen bestehen
Die französische Gesellschaft Les Éditions P. Amaury, Inhaberin der Rechte am Ballon d'or (einer Auszeichnung für den besten Fußballspieler des Jahres), ließ beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen BALLON D'OR als Unionsmarke eintragen. Diese Eintragung bezog sich u. a. auf Druckereierzeugnisse, Bücher und Zeitschriften sowie auf Dienstleistungen, die in der Veranstaltung von Sportwettkämpfen und Trophäenübergaben, der Unterhaltung, der Ausstrahlung oder der Zusammenstellung von Fernsehprogrammen, der Produktion von Shows oder Filmen und der Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften, Magazinen oder Zeitungen bestehen.

Im Jahr 2017 beantragte das britische Unternehmen Golden Balls beim EUIPO gemäß der Verordnung über die Unionsmarke die Erklärung des Verfalls der Marke BALLON D'OR wegen Nichtbenutzung.

Im Jahr 2021 erklärte das EUIPO die Marke für alle von der Eintragung erfassten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von Druckereierzeugnissen, Büchern und Zeitschriften sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Sportwettkämpfen und Trophäenübergaben für verfallen.

Die Gesellschaft Les Éditions P. Amaury klagte daraufhin vor dem Gericht der Europäischen Union gegen die Entscheidung des EUIPO, soweit sie die Erklärung des Verfalls der streitigen Marke für Dienstleistungen betraf, die insbesondere in der Ausstrahlung oder der Zusammenstellung von Fernsehprogrammen, der Unterhaltung, der Produktion von Shows oder Filmen und der Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften, Magazinen oder Zeitungen bestehen.

Mit seinem heutigen Urteil erinnert das Gericht daran, dass die Rechte des Inhabers einer Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO für verfallen zu erklären sind, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union nicht ernsthaft benutzt worden ist.

In diesem Zusammenhang stellt das Gericht zum einen fest, dass die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen zu den Telekommunikationsdienstleistungen gehört, die alle es zumindest einer Person ermöglichen müssen, mit einer anderen durch ein sinnesmäßig wahrnehmbares Mittel zu kommunizieren. Die Gesellschaft Les Éditions P. Amaury hat aber nicht nachgewiesen, dass sie ein Telekommunikationsnetz unterhält, das von Dritten genutzt werden kann.

Zum anderen stellt das Gericht fest, dass diese Gesellschaft keine Dienstleistungen im Bereich der Zusammenstellung von Fernsehprogrammen, der Produktion von Shows und Filmen oder der Veröffentlichung von Büchern, Magazinen, Zeitschriften und Zeitungen unter der angegriffenen Marke für Dritte erbracht hat.

Sie hat somit keine ernsthafte Benutzung der fraglichen Marke für die oben genannten Dienstleistungen nachgewiesen, so dass das Gericht die Entscheidung des EUIPO, die Marke für diese Dienstleistungen für verfallen zu erklären, bestätigt.

Dagegen ist, wie das Gericht ausführt, die Veranstaltung der mit dem Ballon d'or verbundenen
Preisverleihungszeremonie unter der angegriffenen Marke als Erbringung einer Unterhaltungsdienstleistung einzustufen, so dass das EUIPO mit der Feststellung, dass die Gesellschaft Les Éditions P. Amaury im Zusammenhang mit der Benutzung dieser Marke keine solche Dienstleistung erbracht habe, einen Rechtsfehler begangen hat. Daher hebt das Gericht die Entscheidung des EUIPO auf, soweit darin die fragliche Marke für Unterhaltungsdienstleistungen für verfallen erklärt worden ist.


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LG München: Beide SCHÜTZENLISL-Marken verfallen - keine rechtserhaltende Benutzung durch Bewerbung für Oktoberfest

LG München
Urteil vom 25.02.2022
33 O 8225/21

Das LG München hat entschieden, dass beide für den Betrieb eines Münchner Oktoberfestzelts angemeldeten Marken "SCHÜTZENLISL" wegen Verfalls nach § 49 MarkenG zu löschen sind. Die Bewerbung für einen Platz auf dem Oktoberfest reicht nach Ansicht des Gerichts nicht für eine rechtserhaltende Benutzung aus.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Schützenliesl“

Das Landgericht München I hat zwei für den Betrieb eines Münchner Oktoberfestzelts angemeldete Marken „SCHÜTZENLISL“ für verfallen erklärt.

Die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Urteil vom 25.02.2022 der Klage einer Brauereigesellschaft gegen die beiden Marken stattgegeben (Az.: 33 O 8225/21).

Die Klägerin ist ein Brauereiunternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, die ehemalige Münchener Traditionsbrauerei „Münchner Kindl“ wiederzubeleben. Diese Brauerei gehörte vor 100 Jahren zu den größten Münchner Brauereien. Ihr Markenzeichen war neben dem Stammzeichen „Münchner Kindl“ seinerzeit die sog. „Schützenliesl“, ein Bildnis, das einem etwa um 1880 vom Maler Friedrich August von Kaulbach gefertigten großen Ölbild entsprach. Zum Schutz ihrer beabsichtigten geschäftlichen Aktivitäten meldete die Klägerin in den Jahren 2016 und 2017 zwei Unionsbildmarken an, die jeweils ein Bildnis der „Schützenliesl“ enthielten.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Gastronomie, das in der Münchener Innenstadt mehrere Gaststätten betreibt, u.a. das Alte Hackerhaus. Zudem betreibt die Beklagte ein kleines Festzelt auf dem Münchener Oktoberfest. Die Beklagte beabsichtigte in der Vergangenheit zudem, mit einem großen Festzelt auf der „Oiden Wiesn“ des Münchener Oktoberfests unter der Bezeichnung „SCHÜTZENLISL“-Festzelt aktiv zu sein. Zu diesem Zweck meldete sie Ende des Jahres 2015 eine deutsche Wortmarke „SCHÜTZENLISL“ sowie eine deutsche Bildmarke: für gastronomische Dienstleistungen an. Beide Zeichen wurden noch im Jahr 2015 in das Register des DPMA eingetragen.

Die Beklagte bewarb sich ab dem Jahr 2016 wiederholt um die Zulassung des „SCHÜTZENLISL“-Festzeltes. Die Bewerbungen verliefen im Ergebnis allerdings ohne Erfolg. Anfang des Jahres 2021 beschloss die Beklagte ein alternatives Konzept hinsichtlich der Nutzung ihrer „SCHÜTZENLISL“-Marken und traf entsprechende Vorbereitungen. Nach ihrem Willen sollte der Biergarten des Hackerhauses als „SCHÜTZENLISL“-Biergarten unter Verwendung der streitgegenständlichen Marken gekennzeichnet werden. Eine solche Kennzeichnung erfolgte auch spätestens ab Juli 2021.

Die Beklagte ist der Auffassung, bereits die Bewerbungen für das Oktoberfest erfüllten den Tatbestand der rechtserhaltenden Benutzung. Spätestens aber mit der Kennzeichnung des Biergartens des Hackerhauses im Jahr 2021 sei die Marke in Benutzung genommen worden.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, beide Marken der Beklagten seien verfallen, weil diese es versäumt habe, die Zeichen innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren zu benutzen. Die von der Beklagten vorgetragenen Benutzungssachverhalte reichten für die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung nicht aus.

Dieser Wertung hat sich die erkennende Kammer im Wesentlichen angeschlossen. Nach ihrer Auffassung stellen die vorgetragenen Bewerbungen für den Betrieb eines Festzelts auf dem Münchener Oktoberfest keine nach außen erkennbaren Benutzungshandlungen am Markt, sondern interne Vorbereitungshandlungen dar. Die vorgetragenen Benutzungssachverhalte im Zusammenhang mit dem „SCHÜTZENLISL“-Biergarten bewertete die Kammer als nicht ausreichend. Denn aus einer Abwägung sämtlicher relevanter Einzelfallumstände folge, dass diese Benutzungen nicht der Erschließung neuer oder zumindest dem Erhalt bestehender Marktanteile dienten, sondern einzig zu dem Zweck erfolgt seien, einen Verfall der beiden Marken zu verhindern.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



Landesdatenschutzbeauftragter RLP: Datenschutzrechtliches Aufsichtsverfahren wegen Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft Mainz

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz hat ein datenschutzrechtliches Aufsichtsverfahren wegen Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft Mainz eingeleitet.

Die Pressemitteilung des Landesdatenschutzbeauftragten RLP

Nach Erhebung und Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft – Datenschutzbeauftragter leitet aufsichtsrechtliche Verfahren ein

Nachdem der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz davon Kenntnis erlangte, dass die Staatsanwaltschaft Mainz zusammen mit der lokalen Polizeibehörde und dem örtlichen Gesundheitsamt über die LUCA-App erfasste Kontaktdaten von Besuchern einer Mainzer Gastwirtschaft zu Ermittlungszwecken erhoben und genutzt hat, hat er umgehend aufsichtsrechtliche Verfahren eingeleitet. Dabei sollen insbesondere die Umstände geklärt werden, die ungeachtet der eindeutigen Rechtslage zu der datenschutzrechtlich unzulässigen Abfrage und Nutzung der ausschließlich zu Infektionsschutzzwecken erfassten Kontaktdaten geführt haben. Entsprechende Informationsersuchen wurden bereits versendet.

Hintergrund ist ein Vorfall aus dem November 2021. Nachdem vor einer Mainzer Gastwirtschaft ein 39-jähriger Mann mit schwersten Kopfverletzungen aufgefunden wurde, ersuchten die zuständigen Strafermittlungsbehörden das Gesundheitsamt um Bereitstellung der über die LUCA-App von dem Betreiber der Gastwirtschaft zu dem vermuteten Tatzeitpunkt erfassten Kontaktdaten. Das Gesundheitsamt kam der Aufforderung nach und übermittelte die Daten von 21 Personen, die der Behörde auf Anfrage von dem App-Betreiber zur Verfügung gestellt wurden. Die Betroffenen wurden dann von der Polizei kontaktiert und zu dem Vorfall befragt. Mittlerweile haben die beteiligten Behörden die Unzulässigkeit der erfolgten Datenverarbeitung eingeräumt.

„Für mich ist es zunächst einmal besorgniserregend, dass sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gesundheitsamt die bereits vor einiger Zeit geänderte Rechtslage im Infektionsschutzgesetz und damit zusammenhängende datenschutzrechtliche Bestimmungen offensichtlich nicht kannten oder sich darüber hinweg gesetzt haben“, kommentiert der Landesbeauftragte Prof. Dr. Kugelmann den Vorfall. Aus § 28a Abs. 4 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes geht eindeutig hervor, dass zum Zwecke des Infektionsschutzes erfasste Kontaktdaten lediglich zur Kontaktnachverfolgung verarbeitet werden dürfen und eine anderen Zwecken dienende Datenverwendung unzulässig ist. „Das Vorgehen erschüttert das Vertrauen der Bürger in die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns und ist gerade in Zeiten einer die Gesellschaft als Ganzes herausfordernden Pandemie das völlig falsche Signal.“ Kugelmann kündigt an, nach Aufklärung des Sachverhaltes die Ausübung sämtlicher ihm datenschutzrechtlich zur Verfügung stehender Befugnisse zu prüfen.

BGH ändert Rechtsprechung zum Verfall von Marken nach § 49 Abs. 1 MarkenG hinsichtlich des zu berücksichtigenden Zeitraums sowie zur Darlegungs- und Beweislast

BGH
Urteil vom 14.01.2021
I ZR 40/20
STELLA
MarkenG §§ 26, 49 Abs. 1 Satz 1 und 4, § 52 Abs. 1, §§ 53, 55 Abs. 1 und 2


Der BGH hat seine Rechtsprechung zum Verfall von Marken nach § 49 Abs. 1 MarkenG hinsichtlich des zu berücksichtigenden Zeitraums sowie zur Darlegungs- und Beweislast geändert. Dies bisherige Rechtsprechung ist nicht unionsrechtskonform.

Leitsätze des BGH:

a) An der Rechtsprechung, wonach bei der Klage auf Erklärung des Verfalls einer Marke in die Prüfung, ob die Marke gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht benutzt worden ist, auch der Zeitraum nach Klageerhebung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz einzubeziehen ist, hält der Senat nicht fest, weil sie einer unionsrechtskonformen Auslegung nicht mehr entspricht.

b) Im Fall einer Klage auf Erklärung des Verfalls einer Marke ist für die Feststellung, ob der in § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG genannte ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren abgelaufen ist, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Erhebung der Klage und damit auf das Datum der Zustellung der Klage abzustellen.

c) Ist der Klage auf Erklärung des Verfalls ein Antrag an das Deutsche Patent- und Markenamt nach § 53 MarkenG vorausgegangen, so ist in entsprechender Anwendung von § 52 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 MarkenG der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim Deutschen Patent- und Markenamt maßgeblich, sofern die Löschungsklage entsprechend dem in § 49 Abs. 1 Satz 4 MarkenG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Unterrichtung des Antragstellers über den Widerspruch des Markeninhabers erhoben worden ist.

d) An der Rechtsprechung, wonach die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Verfalls einer Marke die Klagepartei trifft, hält der Senat nicht fest, weil sie einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 49 Abs. 1 MarkenG nicht mehr entspricht.

e) Der Inhaber der streitigen Marke, die Gegenstand einer Klage auf Erklärung des Verfalls ist, trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die ernsthafte Benutzung dieser Marke.

BGH, Urteil vom 14. Januar 2021 - I ZR 40/20 - OLG München - LG München I

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EuGH: Marke "Der Grüne Punkt" der Duales System Deutschland GmbH ist doch nicht überwiegend wegen Verfalls zu löschen

EuGH
Urteil vom 12.12.2019
C-143/19
Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH / Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)


Der EuGH hat entschieden, dass die Marke "Der Grüne Punkt" der Duales System Deutschland GmbH doch nicht überwiegend wegen Verfalls zu löschen ist. Der EuGH hat die anderslautenden Entscheidungen des EUIPO und des EuG aufgehoben.

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LG Frankfurt: Registrierung einer Domain allein stellt regelmäßig keine Markenrechtsverletzung dar

LG Frankfurt
Beschluss vom 18.05.2018
2-03 O 175/18


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die die Registrierung einer Domain allein regelmäßig keine Markenrechtsverletzung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Registrierung einer Domain als solche stellt in der Regel keine Markenrechtsverletzung dar (BGH GRUR 2008, 912 - metrosex; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 14 Rn. 544). Es kann also - anders als bei Ansprüchen gegründet auf die Verletzung eines Namensrechts nach § 12 BGB - wegen der Registrierung einer Domain nicht die Löschung dieser Domain oder deren Freigabe verlangt werden (Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 14 Rn. 544).

Grund hierfür ist insbesondere, dass nicht jede Benutzung der Domain für eine aktive Webseite eine Markenrechtsverletzung begründet. Es ist vielmehr im Hinblick auf die jeweils konkret in Rede stehende Nutzung zu prüfen, ob alle Voraussetzungen eines Verletzungstatbestandes erfüllt sind, ob die Domain also im geschäftlichen Verkehr im Inland verwendet wird, ob eine markenmäßige Benutzung vorliegt und ob die Waren oder Dienstleistungen, für die die Domain verwendet wird, mit den von der geschützten Marke erfassten ähnlich sind (Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 14 Rn. 544). Es müssen also zur reinen Registrierung weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich eine hinreichend konkrete Gefahr für die Verwirklichung der weiteren Merkmale des Verletzungstatbestandes ergibt. Hieran fehlt es z.B., wenn eine Benutzung in Betracht kommt, bei der die Domain vom Verkehr als beschreibende Angabe und nicht als Marke aufgefasst wird.

Ein solcher notwendiger Bezug kann grundsätzlich vorliegen, wenn feststeht, dass die Domain für ein in einer ähnlichen Branche tätiges Unternehmen registriert wurde (LG Düsseldorf, Urt. v. 29.06.2011 - 2a O 78/11, BeckRS 2016, 20176 - felgenretter.info; Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 14 Rn. 544). Auch in solchen Fällen kann aber nicht verlangt werden, dass in die Löschung der Domain eingewilligt oder diese freigegeben wird, sondern vielmehr nur die Unterlassung der Verwendung der Domain zur Kennzeichnung bestimmter Waren oder Dienstleistungen (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 29.06.2011 - 2a O 78/11, BeckRS 2016, 20176 - felgenretter.info).

Hier begehrt die Antragstellerin aber nicht, dass der Antragsgegner es unterlässt, die streitgegenständliche Domain - ggf. in Form einer Teilnahmehandlung - zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen aus dem Schutzbereich der für die Antragstellerin eingetragenen Marke zu verwenden, sondern sie begehrt, ihm bereits das "Registrierthalten" zu untersagen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die vom Antragsgegner verwendete und von der Antragstellerin angegriffene Bewerbung der Dienstleistungen des Antragsgegners die konkrete, streitgegenständliche Domain überhaupt nicht in Bezug nimmt, sondern die Dienstleistungen generisch beschreibt. Legt man daher den Unterlassungstenor aus, könnte hiervon insbesondere umfasst sein, dass der Antragsgegner die Registrierung aufgibt. Die Antragstellerin formuliert ihren Antrag - trotz Hinweises der Kammer - z.B. nicht dahingehend, dass der Antragsgegner es unterlassen soll, im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Bewerbung die streitgegenständliche Domain einem potentiellen Erwerber anzubieten oder alternativ, dass ihm die Bewerbung in Bezug auf die Domain ohne entsprechenden Hinweis zu untersagen wäre (vgl. insoweit BGH GRUR 2013, 397 - Peek & Cloppenburg III).

Vielmehr richtet sich die Antragstellerin ausdrücklich gegen die Registrierung, wenn auch in Verbindung mit der streitgegenständlichen Bewerbung, die jedoch ihrerseits völlig generisch und nicht auf die streitgegenständliche Domain bezogen ist.

2. Auf die Frage, ob der Antragsgegner die Domain überhaupt für einen anderen Zweck als für ein Anwaltsbüro oder in anderer nicht verletzender Weise verwenden kann, kam es danach nicht mehr an. Es ist im Übrigen unter Zugrundelegung des Maßstabes der §§ 294, 286 ZPO auch nicht hinreichend dargetan, dass dem Antragsgegner dies nicht möglich wäre. Soweit die Antragstellerin hierfür insbesondere eine Google-Suche nach "abc-law" vorgelegt hat, ist dies nicht hinreichend. Insbesondere ist nicht fernliegend, dass der Antragsgegner seine Dienstleistung einem anderen Rechtsanwalt(sbüro) anbieten könnte, der sich auf Rechte am Namen "ABC" beziehen kann. Dieser tritt aber nicht zwangsläufig bereits jetzt unter "abc-law" auf, sondern ggf. nur unter "ABC" oder unter den sich hierunter verbergenden Namen. Sollte es solche Büros geben, könnten diese sich möglicherweise auf ältere Namensrechte berufen. Dass die Antragstellerin weiterhin (überhaupt) Namensrechte an der Bezeichnung "ABC" hat, behauptet sie aber selbst nicht.


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BVerwG: BND muss Speicherung und Nutzung der Metadaten von durch Art. 10 GG geschützten Telefonverkehren in der Datei VERAS einstellen

BVerwG
Urteile vom 13.12.2017
6 A 6.16 und 6 A 7.16


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Bundesnachrichtendienst die Speicherung und Nutzung der Metadaten von durch Art. 10 GG geschützten Telefonverkehren in der Datei VERAS einstellen muss.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:

Bundesnachrichtendienst muss Speicherung und Nutzung der Metadaten von durch Art. 10 GG geschützten Telefonverkehren in der Datei VERAS unterlassen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Klagen eines Rechtsanwalts und eines Vereins auf Unterlassung der Speicherung und Nutzung von Metadaten (Verbindungsdaten) aus ihren Telekommunikationsverkehren in der vom Bundesnachrichtendienst (BND) betriebenen Datei VERAS (für: Verkehrsdatenanalysesystem) teilweise stattgegeben.

In der Datei VERAS speichert der BND Telefonie-Metadaten aus leitungsvermittelten Verkehren mit dem Ausland und nutzt sie für nachrichtendienstliche Analysen. Soweit die Daten - wie u.a. Telefonnummern - für sich genommen individualisierbar sind, anonymisiert sie der BND vor der Speicherung. Die Daten erlangt der BND aus Anlass der strategischen Fernmeldeüberwachung, der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und des Austausches mit anderen Nachrichtendiensten.

Da in VERAS keine Metadaten aus Internet- und E-Mail-Verkehren gespeichert werden, sind die Klagen nur hinsichtlich der Telefonie-Metadaten zulässig. Insoweit sind die Klagen auch begründet. Die Kläger können die Speicherung und Nutzung ihrer Telefonie-Metadaten auf Grund des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs abwehren.

Die Erhebung, Speicherung und Nutzung von Telefonie-Metadaten greifen ungeachtet der vor der Speicherung durch den BND vorgenommenen Anonymisierung in das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 GG ein. Daher sind diese Eingriffe nur zulässig, wenn die Erhebung der Daten und ihre weitere Verwendung auf eine gesetzliche Grundlage gestützt werden kann. An einer solchen gesetzlichen Regelung fehlt es gegenwärtig.

Insbesondere kommen die Regelungen zur strategischen Fernmeldeüberwachung nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) nicht zur Anwendung. Zwar erhebt der BND diese Daten aus Anlass einer solchen Überwachung. In § 5 G 10 findet sich eine gesetzliche Grundlage für diese Eingriffe aber nur insoweit, als der BND Metadaten ebenso wie Inhaltsdaten erheben darf, um sie anhand von förmlich festgelegten inhaltlichen und formalen Suchbegriffen auszuwerten und so Erkenntnisse über den Inhalt von Telekommunikationsverkehren zu erhalten. Diese Erkenntnisse können als Informationen im Hinblick auf abschließend umschriebene Gefahrenbereiche genutzt werden. Die darüber hinausgehende Praxis der Speicherung und Nutzung von Telefonie-Metadaten ist von diesem Zweck der Datenerhebung nicht gedeckt. An der Rechtswidrigkeit dieser Praxis des BND ändert die vor der Speicherung erfolgte Anonymisierung der Daten der von Art. 10 GG geschützten Personen nichts. Diese steht der verfassungsrechtlich gebotenen Löschung nicht gleich.

Auch die gesetzlichen Regelungen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten enthalten hierfür keine Rechtsgrundlage.





LG Düsseldorf: Ferrari muss in Löschung der Marke Testarossa zustimmen - Verfall mangels Benutzung

LG Düsseldorf
Entscheidung vom 02.08.2017
2a O 166/16


Wie Pressemeldungen zu entnehmen ist muss der Autohersteller Ferrari der Löschung seiner deutschen und internationalen Marken "Testarossa" zustimmen. Grund: Verfall mangels Nutzung. Geklagt hatte ein Spielwarenhersteller. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

BGH: Pay by Call - Keine Haftung des Anschlussinhabers bei nicht autorisierter Nutzung des Telefonanschlusses

BGH
Urteil vom 06.04.2017
III ZR 368/16


Der BGH hat entscheiden, dass der Anschlussinhaber bei nicht autorisierter Nutzung des Telefonanschlusses für Zahlungen per "Pay by Call" nicht haftet. Insofern gilt die Regelung in § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG:

§ 45i TKG
[...]
4) Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer. Der Anspruch entfällt auch, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Dritte durch unbefugte Veränderungen an öffentlichen Telekommunikationsnetzen das in Rechnung gestellte Verbindungsentgelt beeinflusst haben.


Die Pressemitteilung des BGH:

Keine Haftung des Anschlussinhabers bei nicht autorisierter Nutzung des Telefonanschlusses für ein "Pay by Call-Verfahren" Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist durch Verfügung ohne Unterschrift wirksam

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG auf die telefonisch veranlasste Ausführung eines Zahlungsdienstes keine Anwendung findet und der Inhaber eines Telefonanschlusses somit für dessen Nutzung durch einen von ihm hierfür nicht autorisierten Dritten im Rahmen eines "Pay by Call-Verfahrens" nicht haftet. Weiterhin hat sich der Senat mit der Frage befasst, ob die Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden der Unterschrift bedarf.

Der Sachverhalt:

Die Beklagte ist Inhaberin eines Festnetztelefonanschlusses. Die Klägerin macht gegen sie aus abgetretenem Recht einen Entgeltanspruch für die Nutzung des Anschlusses im Rahmen des "Pay by Call-Verfahrens" über eine Premiumdienstenummer (0900) geltend. Die entsprechenden insgesamt 21 Anrufe wurden von dem damals 13-jährigen Sohn der Beklagten getätigt. Das Kind nahm an einem zunächst kostenlosen Computerspiel teil, in dessen Verlauf zusätzliche Funktionen gegen sogenannte Credits freigeschaltet werden konnten. Die "Credits" konnten entgeltlich erworben werden. Die Zahlung konnte unter anderem durch die Nutzung des auf der Internetseite der Spielebetreiberin angegebenen telefonischen Premiumdienstes erfolgen, der von dem abtretenden Unternehmen betrieben wurde. Nach Durchführung der Anrufe standen dem Sohn der Beklagten unter seinem Benutzerkonto jeweils die gewünschten "Credits" zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgte über die Telefonrechnung der Beklagten. Die angefallenen Beträge in Höhe von 1.253,93 Euro werden von der Klägerin geltend gemacht.

Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat hiergegen beim Landgericht Berufung eingelegt und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Eine vom Kammervorsitzenden unterschriebene Fristverlängerungsverfügung ist in der Verfahrensakte nicht enthalten. Die Beklagte hat das Rechtsmittel innerhalb der beantragten längeren Frist begründet. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat nachträglich in der Akte vermerkt, dass er die Rechtsmittelbegründungsfrist antragsgemäß verlängert habe. Das Landgericht hat die Berufung für zulässig, aber unbegründet gehalten und diese zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Urteile des Landgerichts und des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Er hat die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeit der Berufung der Beklagten bejaht. Die Begründung des Rechtsmittels ist rechtzeitig eingegangen, da die hierfür laufende Frist wirksam gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlängert wurde. Es ist nicht erforderlich gewiesen, aufzuklären, ob der Vorsitzende der Berufungskammer die Fristverlängerungsverfügung unterschrieben hatte. Der Senat hat entschieden, dass eine solche Verfügung keiner Unterschrift bedarf. Es genügt, wenn hinreichend sicher feststeht, dass eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts ergangen ist.

In der Sache hat der Bundesgerichtshof einen Zahlungsanspruch der Klägerin verneint. Etwaige auf den Abschluss eines Zahlungsdienstevertrags gerichtete konkludente Willenserklärungen des Sohns der Beklagten, die dieser durch Anwahl der Premiumdienstenummer abgegeben haben könnte, sind dieser nicht zuzurechnen. Weder war das Kind von seiner Mutter bevollmächtigt noch lagen die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor. Eine Zurechnung der Erklärung des Sohns der Beklagten nach § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG scheidet aus. Diese Vorschrift findet auf Zahlungsdienste und die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Dienstleisters keine Anwendung, auch wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll. Die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge gehen § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG vor. Der Berechtigte schuldet keinen Aufwendungs-, sondern allenfalls Schadensersatz (vgl. insbesondere § 675u BGB). Die Regelungen über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge würden bei Anwendung von § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG auf durch die Inanspruchnahme eines Premiumdienstes veranlasste Zahlungsvorgänge unterlaufen.

§ 520 Abs. 2 ZPO:

Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

§ 45i Abs. 4 Satz 1 TKG:

(4) Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer.

§ 675 BGB:

Im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers gegen diesen keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Er ist verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

Vorinstanzen:

AG Delmenhorst – Urteil vom 12. Mai 2015 – 45 C 5298/13 (VI)

LG Oldenburg – Urteil vom 30. Juni 2016 – 1 S 315/15


BVerwG: Klage gegen strategische E-Mail-Überwachung durch BND erfolglos - Speicherung und Nutzung von Metadaten im System VERAS muss weiter geklärt werden

BVerwG
Urteile vom 14.12.2016
6 A 9.14
6 A 2.15

Die Pressemitteilung des BVerwG

Klage gegen BND wegen strategischer Überwachung von E-Mail-Verkehr in den Jahren 2012 und 2013 erfolglos; weiterer Aufklärungsbedarf wegen einer Speicherung und Nutzung von Daten im System VERAS

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat über die Zulässigkeit von Klagen verhandelt, mit denen sich ein Rechtsanwalt und der Verein „Reporter ohne Grenzen“ gegen die strategische Überwachung von E-Mail-Verkehr durch den Bundesnachrichtendienst (BND) und die Speicherung und Nutzung von Metadaten in dem System VERAS des BND gewandt haben. Das Bundesverwaltungsgericht ist für Klagen gegen den BND in erster und letzter Instanz zuständig.

Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) ist der BND im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Bei der strategischen Fernmeldeüberwachung werden bestimmte internationale Telekommunikationsbeziehungen anhand vorher festgelegter Suchbegriffe durchsucht. Die Kläger haben die Feststellung beantragt, dass der BND durch die Überwachung von E-Mail-Verkehr im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung in den Jahren 2012 bzw. 2013 ihr Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG verletzt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Klagen als unzulässig abgewiesen und damit eine Entscheidung aus dem Jahr 2014 zu einem anderen Überwachungszeitraum im Ergebnis bestätigt.

Nach der Verwaltungsgerichtsordnung muss sich die Feststellungsklage auf einen konkreten, gerade den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt beziehen; ein solcher war nicht feststellbar. Unter den Verkehren, die der BND in den Jahren 2012 bzw. 2013 als nachrichtendienstlich relevant behandelt hat, befindet sich kein E-Mail-Verkehr der Kläger. Zwar ist nicht auszuschließen, dass zunächst E-Mail-Verkehre der Kläger erfasst worden sind. Der damit ggf. verbundene Eingriff in Art. 10 GG lässt sich aber nicht mehr feststellen. Selbst wenn solche E-Mails erfasst worden wären, wären sie wie alle anderen nachrichtendienstlich irrelevanten Mails im Einklang mit den Bestimmungen des Artikel 10-Gesetzes und den allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßgaben für den Datenschutz unverzüglich und spurenlos gelöscht worden.

Der BND war verpflichtet solche E-Mails zu löschen, weil nach dem gesetzlichen Konzept eine Benachrichtigung der Betroffenen über die Erfassung dieser E-Mail-Verkehre nicht vorgesehen ist. Dies steht im Einklang mit Art. 10 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG, weil dadurch eine Vertiefung von Grundrechtseingriffen durch Speicherung der Daten einer unübersehbaren Zahl von Grundrechtsträgern vermieden wird.

Die damit verbundene Erschwerung des gerichtlichen Rechtsschutzes ist auch deshalb hinnehmbar, weil die Kontrolltätigkeit der G10-Kommission dazu dient, kompensatorischen Grundrechtsschutz zu gewährleisten.

Die Klagen mit dem Ziel, eine Speicherung und Nutzung von Metadaten in dem System VERAS zu unterlassen, sind noch nicht entscheidungsreif. Die in VERAS gespeicherten Metadaten nutzt der BND zur Erstellung von Verbindungsanalysen. Nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisstand werden in VERAS auch anonymisierte Telefonie-Metadaten von Trägern des Grundrechts aus Art. 10 GG aus der strategischen Fernmeldeüberwachung nach dem Artikel 10-Gesetz eingestellt. Dieses Vorgehen des BND bedarf weiterer gerichtlicher Aufklärung.

BGH: Zur aufrechterhaltenen Nutzung eines Unternehmenskennzeichens - Fehlen einer behördlichen Erlaubnis für Geschäftsbetrieb kein zwingendes Indiz gegen Nutzung

BGH
Urteil vom 04.07.2016
I ZR 237/14
mt-perfect
MarkenG § 5 Abs. 2 Satz 1, § 15


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der aufrechterhaltenen Nutzung eines Unternehmenskennzeichens im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG befasst und entschieden, dass keine höheren Anforderungen als an die für seine anfängliche Entstehung erforderlichen Benutzungshandlungen zu stellen sind. Zudem hat der BGH ausgeführt, dass das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis für den Geschäftsbetrieb, welcher das Unternehmenskennzeichen nutzt bzw. nutzen soll, allein kein zwingendes Indiz für das Fehlen einer aufrechterhaltenen Nutzung darstellt.

Leitsätze des BGH:

a) An die für die Aufrechterhaltung eines Unternehmenskennzeichenrechts im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG erforderliche Zeichenbenutzung sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an die für seine anfängliche Entstehung erforderlichen Benutzungshandlungen.

b) Das Fehlen einer für den Geschäftsbetrieb erforderlichen behördlichen Erlaubnis oder mangelndes Bemühen um ihre Erlangung lassen für sich genommen nicht den Schluss zu, es liege keine dauerhafte wirtschaftliche Betätigung vor, die zur Entstehung oder Aufrechterhaltung eines Unternehmenskennzeichenrechts im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG führt.

BGH, Urteil vom 7. April 2016 - I ZR 237/14 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: