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EuGH: Telekommunikationsanbieter können gegen Zahlung von Pauschalen zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs verpflichtet werden auch wenn Pauschale nicht kostendeckend ist

EuGH
Urteil vom 16.03.2023
C-339/21
Colt Technology Services u. a.


Der EuGH hat entschieden, dass Telekommunikationsanbieter gegen Zahlung von Pauschalen zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs verpflichtet werden können, auch wenn die Pauschale nicht kostendeckend ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Telekommunikationsbetreiber können verpflichtet werden, auf Verlangen einer Justizbehörde gegen die Zahlung von Pauschalsätzen Leistungen zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs zu erbringen

Das Unionsrecht verlangt keine vollständige Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten.

In Italien sind die Telekommunikationsbetreiber verpflichtet, auf Verlangen der Justizbehörden gegen die Zahlung von Pauschalsätzen Maßnahmen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs (Sprachkommunikation, computergestützte und telematische Kommunikation sowie Datenverkehr) durchzuführen. Die Beträge, die sie hierfür erhalten, wurden durch ein Dekret aus dem Jahr 2017 geändert. Dieses Dekret legte fest, dass die Erstattungen der Kosten im Zusammenhang mit diesen Überwachungsmaßnahmen um mindestens 50 % gekürzt werden sollten. Die betroffenen Telekommunikationsbetreiber begehrten vor den italienischen Gerichten die Nichtigerklärung dieses Dekrets und brachten vor, dass die vorgesehenen Beträge die entstandenen Kosten nicht vollständig deckten. Der italienische Staatsrat, bei dem Rechtsmittel eingelegt wurden, möchte vom Gerichtshof wissen, ob das Unionsrecht verlangt, dass die Kosten, die den Betreibern im Rahmen der Durchführung solcher Überwachungsvorgänge tatsächlich entstanden sind, vollständig erstattet werden.

Mit seinem heutigen Urteil verneint der Gerichtshof diese Frage. Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die keine vollständige Erstattung der Kosten vorschreibt, die den Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste bei der Ermöglichung der rechtmäßigen Überwachung der elektronischen Kommunikation durch die zuständigen nationalen Behörden tatsächlich entstanden sind, sofern diese Regelung nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent ist.

Der Gerichtshof führt aus, dass die Allgemeingenehmigung für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste nach dem europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation von den Mitgliedstaaten an bestimmte Bedingungen geknüpft werden kann. Zu diesen Bedingungen zählt die Ermöglichung der rechtmäßigen Überwachung des Telekommunikationsverkehrs.

Hieraus ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber weder vorschrieben noch ausgeschlossen hat, dass die Mitgliedstaaten die Kosten erstatten, die den Unternehmen, die die rechtmäßige Überwachung des Telekommunikationsverkehrs ermöglichen, entstanden sind. Die Mitgliedstaaten verfügen daher über einen Ermessensspielraum.

Nach Auffassung des Gerichtshofs hat Italien von diesem Ermessensspielraum unter Wahrung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz Gebrauch gemacht. Die vorgesehenen Erstattungen sind nämlich für alle Betreiber von elektronischen Kommunikationsdiensten in Italien vergleichbar, da sie auf der Grundlage von einheitlichen Pauschalsätzen vorgesehen sind. Bei der Berechnung dieser Sätze werden der technologische Fortschritt in dem Sektor, infolge dessen bestimmte Leistungen weniger kostenaufwändig geworden sind, sowie de r Umstand berücksichtigt , dass diese Leistungen für allgemeine Zwecke im öffentlichen Interesse wesentlich sind und nur von den Te werden die Sätze lekommunikationsbe treibern erbracht werden können . Schließlich durch einen förmlichen Verwaltungsakt festgelegt, der veröffentlicht und frei einsehbar ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten unionsrechtswidrig und unzulässig

EuGH
Urteil vom 05.04.2022
C-140/20
G. D. gegen Commissioner of An Garda Síochána, Minister for Communications, Energy and Natural Resources, Attorney General

Der EuGH hat abermals bekräftigt, dass die allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten unionsrechtswidrig und unzulässig ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Der Gerichtshof bestätigt, dass das Unionsrecht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten, die elektronische Kommunikationen betreffen, zur Bekämpfung schwerer Straftaten entgegensteht

Ein nationales Gericht kann die Wirkungen einer Ungültigerklärung nationaler Rechtsvorschriften, die eine solche Speicherung vorsehen, nicht zeitlich begrenzen Im März 2015 wurde G. D. wegen Mordes an einer Frau in Irland zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. In der gegen seine Verurteilung beim Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) eingelegten Berufung warf der Betroffene dem erstinstanzlichen Gericht u. a. vor, es habe zu Unrecht Verkehrs- und Standortdaten im Zusammenhang mit Telefonanrufen als Beweismittel zugelassen. Um im Rahmen des Strafverfahrens die Zulässigkeit dieser Beweise in Abrede stellen zu können, leitete G. D. parallel beim High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) ein Zivilverfahren mit dem Ziel ein, die Ungültigkeit bestimmter Vorschriften des irischen Gesetzes von 2011 über die Speicherung solcher Daten und den Zugang dazu mit der Begründung feststellen zu lassen, dass dieses Gesetz seine Rechte aus dem Unionsrecht verletze. Mit Entscheidung vom 6. Dezember 2018 gab der High Court dem Vorbringen von G. D. statt. Irland legte gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel beim Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland), dem vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache, ein.

Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen hat der Supreme Court um Klärung bezüglich der Anforderungen des Unionsrechts im Bereich der Speicherung der genannten Daten zum Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten sowie bezüglich der erforderlichen Garantien im Bereich des Zugangs zu diesen Daten ersucht. Außerdem hat er Zweifel vorgebracht hinsichtlich der Tragweite und der zeitlichen Wirkung einer etwaigen Ungültigerklärung bezüglich des Gesetzes von 2011 wegen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht, da dieses Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG1 – die der Gerichtshof später mit Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. für ungültig erklärt hat – erlassen wurde.

Mit seinem Urteil hat der Gerichtshof (Große Kammer) als Erstes seine ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach das Unionsrecht4 nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die präventiv eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten, die elektronische Kommunikationen betreffen, zum Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten vorsehen.

Die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation beschränkt sich nämlich nicht darauf, den Zugang zu solchen Daten durch Garantien zu regeln, die Missbrauch verhindern sollen, sondern regelt insbesondere auch den Grundsatz des Verbots der Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten. Die Speicherung dieser Daten stellt somit zum einen eine Ausnahme von diesem Verbot der Vorratsspeicherung und zum anderen einen Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, die in den Art. 7 und 8 der Charta verankert sind, dar.

Die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation gestattet den Mitgliedstaaten zwar, diese Rechte und Pflichten u. a. zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten zu beschränken, doch müssen solche Beschränkungen u. a. den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dieser Grundsatz verlangt, dass nicht nur die Anforderungen der Geeignetheit und Erforderlichkeit,
sondern auch die Anforderung bezüglich der Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen im Hinblick auf das verfolgte Ziel erfüllt sein müssen. So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Ziel der Bekämpfung schwerer Kriminalität, so grundlegend es auch sein mag, für sich genommen die Erforderlichkeit einer Maßnahme der allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten – wie sie mit der Richtlinie 2006/24 geschaffen wurde – nicht rechtfertigen kann. Im selben Sinne können selbst die positiven Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Schaffung von Regeln für eine wirksame Bekämpfung von Straftaten keine so schwerwiegenden Eingriffe rechtfertigen, wie sie mit nationalen Rechtsvorschriften, die eine solche Speicherung vorsehen, für die Grundrechte fast der gesamten Bevölkerung verbunden sind, ohne dass die Daten der Betroffenen einen zumindest mittelbaren Zusammenhang mit dem verfolgten Ziel aufweisen.

Der Gerichtshof hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Behörden nach der Charta verschiedene Verpflichtungen haben, beispielsweise zum Erlass rechtlicher Maßnahmen betreffend den Schutz des Privat- und Familienlebens, den Schutz der Wohnung und der Kommunikation, aber auch den Schutz der körperlichen und geistigen Unversehrtheit der Menschen sowie das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Sie müssen daher die verschiedenen betroffenen berechtigten Interessen und Rechte miteinander in Einklang bringen. Eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung kann nämlich
nicht verfolgt werden, ohne den Umstand zu berücksichtigen, dass sie mit den von der Maßnahme betroffenen Grundrechten in Einklang gebracht werden muss, indem eine ausgewogene Gewichtung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und der fraglichen Rechte vorgenommen wird.

Aufgrund dieser Erwägungen hat der Gerichtshof u. a. das Vorbringen zurückgewiesen, wonach besonders schwere Kriminalität einer als real und aktuell oder vorhersehbar einzustufenden Bedrohung der nationalen Sicherheit gleichgestellt werden könne, die für einen begrenzten Zeitraum eine Maßnahme allgemeiner und unterschiedsloser Vorratsspeicherung von Verkehrs und Standortdaten rechtfertigen kann. Eine solche Bedrohung unterscheidet sich nämlich ihrer Art, ihrer Schwere und der Besonderheit der sie begründenden Umstände nach von der allgemeinen und ständigen Gefahr, dass – auch schwere – Spannungen oder Störungen der öffentlichen Sicherheit auftreten, oder schwerer Straftaten.

Dagegen hat der Gerichtshof in Bestätigung seiner früheren Rechtsprechung als Zweites entschieden, dass das Unionsrecht Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die unter den in seinem Urteil genannten Voraussetzungen zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit
- anhand von Kategorien betroffener Personen oder mittels eines geografischen Kriteriums eine gezielte Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehen;
- eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der IP-Adressen, die der Quelle einer Verbindung zugewiesen sind, vorsehen;
- eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der die Identität der Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel betreffenden Daten vorsehen;
- eine umgehende Sicherung (quick freeze) der Verkehrs- und Standortdaten vorsehen, die den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste zur Verfügung stehen.

Zu diesen unterschiedlichen Kategorien von Maßnahmen hat der Gerichtshof verschiedene Klarstellungen vorgenommen.
Zunächst können die zuständigen nationalen Behörden eine Maßnahme der gezielten Vorratsspeicherung auf der Grundlage eines geografischen Kriteriums wie u. a. der durchschnittlichen Kriminalitätsrate in einem geografischen Gebiet treffen, ohne dass sie zwingend über konkrete Anhaltspunkte für die Vorbereitung oder die Begehung schwerer Straftaten in den betreffenden Gebieten verfügen müssten. Zudem kann eine Vorratsspeicherung in Bezug auf Orte oder Infrastrukturen, die regelmäßig von einer sehr großen Zahl von Personen frequentiert werden, oder auf strategische Orte wie Flughäfen, Bahnhöfe, Seehäfen oder Mautstellen es den zuständigen Behörden ermöglichen, zum Zweck der Bekämpfung schwerer Kriminalität Informationen über die Anwesenheit der Personen, die dort ein elektronisches Kommunikationsmittel benutzen, zu erlangen, und daraus Schlüsse über ihre Anwesenheit und ihre Tätigkeit an diesen Orten oder in diesen geografischen Gebieten zu ziehen.

Sodann hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass weder die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation noch irgendein anderer Unionsrechtsakt nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die die Bekämpfung schwerer Kriminalität zum Gegenstand haben und nach denen der Erwerb eines elektronischen Kommunikationsmittels wie einer vorausbezahlten SIM-Karte von der Überprüfung amtlicher Dokumente, die die Identität des Käufers belegen, und der Erfassung der sich daraus ergebenden Informationen durch den Verkäufer abhängig ist, wobei der Verkäufer gegebenenfalls verpflichtet ist, den zuständigen nationalen Behörden Zugang zu diesen Informationen zu gewähren.

Schließlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation die zuständigen nationalen Behörden nicht daran hindert, bereits im ersten Stadium der Ermittlungen bezüglich einer schweren Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder einer möglichen schweren Straftat, d. h. ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Behörden nach den einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts solche Ermittlungen einleiten können, eine umgehende Sicherung anzuordnen. Eine solche Maßnahme kann auf die Verkehrs- und Standortdaten anderer als der Personen erstreckt werden, die im Verdacht stehen, eine schwere Straftat oder eine Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit geplant oder begangen zu haben, sofern diese Daten auf der Grundlage objektiver und nicht diskriminierender Kriterien zur Aufdeckung einer solchen Straftat oder einer solchen Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit beitragen können. Dazu gehören die Daten des Opfers sowie seines sozialen oder beruflichen Umfelds.

Diese verschiedenen Maßnahmen können je nach der Wahl des nationalen Gesetzgebers und unter Einhaltung der Grenzen des absolut Notwendigen gleichzeitig Anwendung finden. Der Gerichtshof hat auch das Vorbringen zurückgewiesen, wonach die zuständigen nationalen Behörden zum Zweck der Bekämpfung schwerer Kriminalität Zugang zu Verkehrs- und Standortdaten haben müssten, die gemäß seiner Rechtsprechung allgemein und unterschiedslos auf Vorrat gespeichert worden seien, um einer als real und aktuell oder vorhersehbar einzustufenden ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit zu begegnen.
Dieses Vorbringen macht diesen Zugang nämlich von Umständen abhängig, die mit dem Ziel der Bekämpfung schwerer Kriminalität nichts zu tun haben. Zudem könnte der Zugang nach diesem Vorbringen für ein Ziel von geringerer Bedeutung als das Ziel, das die Speicherung rechtfertigte, nämlich der Schutz der nationalen Sicherheit, gerechtfertigt sein, was gegen die Hierarchie der dem Gemeinwohl dienenden Ziele verstoßen würde, in deren Rahmen die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme der Vorratsspeicherung zu beurteilen ist. Außerdem bestünde, würde man einen solchen Zugang gestatten, die Gefahr, dass das Verbot einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung zum Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten seine praktische Wirksamkeit verliert.

Als Drittes hat der Gerichtshof bestätigt, dass das Unionsrecht nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen die zentralisierte Bearbeitung von Ersuchen um Zugang zu von den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste auf Vorrat gespeicherten Daten, die von der Polizei im Rahmen der Ermittlung und Verfolgung schwerer Straftaten gestellt werden, einem
Polizeibeamten obliegt, selbst wenn dieser von einer innerhalb der Polizei eingerichteten Einheit unterstützt wird, die bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben über einen gewissen Grad an Autonomie verfügt und deren Entscheidungen später gerichtlich überprüft werden können. Der Gerichtshof hat insoweit nämlich seine Rechtsprechung bestätigt, wonach, um in der Praxis die
vollständige Einhaltung der strengen Voraussetzungen für den Zugang zu personenbezogenen Daten wie Verkehrs- und Standortdaten zu gewährleisten, der Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den gespeicherten Daten einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle zu unterwerfen ist und dessen bzw. deren Entscheidung auf einen mit Gründen versehenen, von den zuständigen nationalen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Feststellung oder Verfolgung von Straftaten gestellten Antrag hin ergehen muss. Ein Polizeibeamter ist aber kein Gericht und bietet nicht alle Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, die erforderlich sind, um als unabhängige Verwaltungsstelle eingestuft zu werden.

Als Viertes und Letztes hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung bestätigt, wonach das Unionsrecht dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht die Wirkungen einer ihm nach nationalem Recht in Bezug auf nationale Rechtsvorschriften, die den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrsund Standortdaten vorschreiben, obliegenden Ungültigerklärung wegen Unvereinbarkeit dieser Rechtsvorschriften mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation zeitlich begrenzt.

Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass die Zulässigkeit der durch eine solche Vorratsspeicherung erlangten Beweismittel nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Beachtung u. a. der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dem nationalen Recht unterliegt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Köln: Eilantrag der Deutschen Telekom AG gegen Vorratsdatenspeicherung abgelehnt - Erklärung der BNetzA zur vorläufigen Nichtumsetzung genügt

VG Köln
Entscheidung vom 30.06.2017
9 L 2085/17


Das VG Köln hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Deutschen Telekom AG gegen die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung nach § 113b TKG abgelehnt. Die Erklärung der BNetzA zur vorläufigen Nichtumsetzung genügt nach Ansicht des VG Köln, so dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung fehlt.

Siehe dazu Bundesnetzagentur setzt Pflicht zur Vorratdatenspeicherung bzw Verkehrsdatenspeicherung nach § 113b TKG vorläufig aus

Die Pressemitteilung des VG Köln:

Antrag betreffend Vorratsdatenspeicherung unzulässig

Am 30. Juni 2017 hat das Verwaltungsgericht Köln einen Antrag der Deutschen Telekom AG abgelehnt, mit dem diese die Feststellung begehrt hat, nicht zur anlasslosen Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten (Vorratsdatenspeicherung) verpflichtet zu sein.

Die Deutsche Telekom AG hatte zunächst beantragt, festzustellen, dass sich die Speicherpflicht nach § 113b Abs. 3 TKG nicht auf Internetverbindungen erstreckt, die unter Einsatz des sog. NAPT-Verfahren insbesondere bei öffentlichen Hotspots und im Mobilfunkbereich hergestellt werden. Nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 22. Juni 2017 im Verfahren 13 B 238/17 vorläufig festgestellt hatte, dass die dortige Antragstellerin insgesamt nicht verpflichtet sei, Verkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang vermittelt, zu speichern und dies mit der Europarechtswidrigkeit der Norm begründet hatte, veröffentlichte die Bundesnetzagentur auf ihrer Internetseite eine Erklärung, wonach sie bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens gegenüber allen Telekommunikationsunternehmen davon absehen werde, Maßnahmen wegen des Verstoßes gegen die Speicherpflicht nach § 113b TKG zu ergreifen. Daraufhin stellte die Deutsche Telekom AG ihren Antrag um und beantragte nunmehr die vorläufige Feststellung, insgesamt und nicht lediglich mit Blick auf das sog. NAPT-Verfahren nicht zur anlasslosen Speicherung von Verkehrsdaten TKG verpflichtet zu sein. Diesen Antrag lehnte das Gericht nun mangels Rechtsschutzinteresses ab.

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt: Die Erklärung der Bundesnetzagentur im Rahmen des auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens sei ausreichend. Der von der Antragstellerin darüber hinaus erstrebte Schutz vor Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen wegen des Unterlassens der Speicherung sei im vorliegenden Verfahren nicht zu erreichen. Eine Entscheidung wirke nur im Verhältnis zwischen den Beteiligten und nicht auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden.

Volltext - OVG Münster zur Europarechtswidrigkeit der Vorratsdatenspeicherung liegt vor

OVG Münster
Beschluss vom 22.06.2017
13 B 238/17


Wir hatten bereits in dem Beitrag OVG Münster: Vorratsdatenspeicherung ist europarechtswidrig - einstweilige Anordnung gegen Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung über die Entscheidung berichtet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Siehe auch zum Thema: Bundesnetzagentur setzt Pflicht zur Vorratdatenspeicherung bzw Verkehrsdatenspeicherung nach § 113b TKG vorläufig aus


Bundesnetzagentur setzt Pflicht zur Vorratdatenspeicherung bzw Verkehrsdatenspeicherung nach § 113b TKG vorläufig aus

Die Bundesnetzagentur hat die eigentlich ab dem 01.07.2017 geltende Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung bzw Verkehrsdatenspeicherung nach § 113b TKG vorläufig ausgesetzt. Auslöser ist der Beschluss des OVG Münster vom 22.06.2017 - 13 B 238/17, wonach die Regelung europarechtswidrig ist. ( Siehe dazu OVG Münster: Vorratsdatenspeicherung ist europarechtswidrig - einstweilige Anordnung gegen Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung . )

Die Pressemitteilung der Bundesnetzagentur:

Spei­cher­pflicht und Höchst­spei­cher­frist für Ver­kehrs­da­ten - Mitteilung zur Speicherverpflichtung nach § 113b TKG

Die Erbringer öffentlich zugänglicher Telefondienste und Internetzugangsdienste sind gemäß § 113b TKG zur Speicherung der dort genannten Verkehrsdaten ab dem 01.07.2017 von Gesetzes wegen verpflichtet.

Mit Beschluss vom 22.06.2017 hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt, dass der klagende Internetzugangsdiensteanbieter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht verpflichtet ist, die in § 113b Abs. 3 TKG genannten Telekommunikationsverkehrsdaten zu speichern (Az. 13 B 238/17). Aufgrund dieser Entscheidung und ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Begründung sieht die Bundesnetzagentur bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von Anordnungen und sonstigen Maßnahmen zur Durchsetzung der in § 113b TKG geregelten Speicherverpflichtungen gegenüber allen verpflichteten Unternehmen ab. Bis dahin werden auch keine Bußgeldverfahren wegen einer nicht erfolgten Umsetzung gegen die verpflichteten Unternehmen eingeleitet.

Durch das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2218) sind Erbringer öffentlich zugänglicher Telefon- und Internetzugangsdienste für Endnutzer verpflichtet worden, nach §§ 113a, 113b Telekommunikationsgesetz (TKG) bestimmte Verkehrsdaten für zehn bzw. vier Wochen zu speichern und entsprechend dem Auskunftsverlangen der Behörden an diese zu übermitteln.

Nach § 113f TKG ist bei der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen nach den §§ 113b bis 113e TKG ein besonders hoher Standard der Datensicherheit und Datenqualität zu gewährleisten. Der Anforderungskatalog der Bundesnetzagentur nach § 113f TKG bestimmt die notwendigen Anforderungen; begründete Abweichungen von den im Katalog beschriebenen Maßnahmen sind zulässig, sofern ein besonders hoher Standard der Datensicherheit und Datenqualität nicht beeinträchtigt wird.

Für notwendige Aufwendungen, die den Verpflichteten durch die Umsetzung dieser Vorgaben entstehen, sieht § 113a Abs. 2 TKG eine Entschädigung vor, soweit dies zur Abwendung oder zum Ausgleich unbilliger Härten geboten scheint.

Nachfolgend unterrichtet die Bundesnetzagentur über ihre Zuständigkeiten und gesetzliche Einzelregelungen.

Grundsatzfragen der Verpflichtung, Übermittlung der Verkehrsdaten an Behörden
Das Referat IS 16 ist für die grundsätzliche Verpflichtung nach § 113a Abs. 1 TKG sowie für Einzelfragen zu speicherpflichtigen Verkehrsdaten zuständig. Darüber hinaus ist das Referat für Fragen der Übermittlung der Verkehrsdaten nach § 113c nach Maßgabe der Telekommunikations-Überwachungsverordnung nach § 110 Abs. 2 TKG sowie der Technischen Richtlinie nach § 110 Abs. 3 TKG zuständig.

Entschädigung
Für notwendige Aufwendungen zur Umsetzung der Anforderungen nach den §§ 113b, 113d bis 113g steht den Verpflichteten eine angemessene Entschädigung zu, soweit dies zur Abwendung oder zum Ausgleich unbilliger Härten geboten erscheint. Für die Bemessung der Entschädigung sind die tatsächlich entstandenen Kosten maßgebend. Über Anträge entscheidet die Beschlusskammer 2 der Bundesnetzagentur.


OVG Münster: Vorratsdatenspeicherung ist europarechtswidrig - einstweilige Anordnung gegen Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung

OVG Münster
Beschluss vom 22.06.2017
13 B 238/17


Das OVG Münster hat in einem Eilverfahren entschieden, dass die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung, die ab dem 01.07.2017 in Kraft treten sollte, europarechtswidrig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Die im Telekommunikationsgesetz vorgesehene Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen Unionsrecht

Die im Dezember 2015 gesetzlich eingeführte und ab dem 1. Juli 2017 zu beachtende Pflicht für die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, die bei der Nutzung von Telefon- und Internetdiensten anfallenden Verkehrs- und Standortdaten ihrer Nutzer für eine begrenzte Zeit von 10 bzw. – im Fall von Standortdaten – 4 Wochen auf Vorrat zu speichern, damit sie im Bedarfsfall den zuständigen Behörden etwa zur Strafverfolgung zur Verfügung gestellt werden können, ist mit dem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar.

Dies hat das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 22. Juni 2017 entschieden.

Die Antragstellerin, ein IT-Unternehmen aus München, das u.a. Internetzugangsleistungen für Geschäftskunden in Deutschland und in anderen EU-Mitgliedstaaten erbringt, hatte sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Verwaltungsgericht Köln gewandt, um der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung vorläufig bis zur Entscheidung über die gleichzeitig erhobene Klage nicht nachkommen zu müssen. Diesen Antrag hatte das Verwaltungsgericht abgelehnt. Der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr stattgegeben.

Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt: Die Speicherpflicht sei in der Folge eines Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – jedenfalls in ihren gegenwärtigen Ausgestaltung nicht mit Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG vom 12. Juli 2002 vereinbar. Die Speicherpflicht erfasse pauschal die Verkehrs- und Standortdaten nahezu alle Nutzer von Telefon- und Internetdiensten. Erforderlich seien aber nach Maßgabe des Gerichtshofs jedenfalls Regelungen, die den von der Speicherung betroffenen Personenkreis von vornherein auf Fälle beschränkten, bei denen ein zumindest mittelbarer Zusammenhang mit der durch das Gesetz bezweckten Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe. Dies könne etwa durch personelle, zeitliche oder geographische Kriterien geschehen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs könne die anlasslose Speicherung von Daten insbesondere nicht dadurch kompensiert werden, dass die Behörden nur zum Zweck der Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren Zugang zu den gespeicherten Daten erhielten und strenge Maßnahmen zum Schutz der gespeicherten Daten vor Missbrauch ergriffen würden.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 238/17 (I. Instanz: VG Köln 9 L 1009/16)

§ 113b Pflichten zur Speicherung von Verkehrsdaten

(1) Die in § 113a Absatz 1 Genannten sind verpflichtet, Daten wie folgt im Inland zu speichern:

1.

Daten nach den Absätzen 2 und 3 für zehn Wochen,

2.

Standortdaten nach Absatz 4 für vier Wochen.

(2) 1Die Erbringer öffentlich zugänglicher Telefondienste speichern

1.

die Rufnummer oder eine andere Kennung des anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie bei Um- oder Weiterschaltungen jedes weiteren beteiligten Anschlusses,

2.

Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Verbindung unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone,

3.

Angaben zu dem genutzten Dienst, wenn im Rahmen des Telefondienstes unterschiedliche Dienste genutzt werden können,

4.

im Fall mobiler Telefondienste ferner

a)

die internationale Kennung mobiler Teilnehmer für den anrufenden und den angerufenen Anschluss,

b)

die internationale Kennung des anrufenden und des angerufenen Endgerätes,

c)

Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone, wenn Dienste im Voraus bezahlt wurden,

5.

im Fall von Internet-Telefondiensten auch die Internetprotokoll-Adressen des anrufenden und des angerufenen Anschlusses und zugewiesene Benutzerkennungen.

2Satz 1 gilt entsprechend

1.

bei der Übermittlung einer Kurz-, Multimedia- oder ähnlichen Nachricht; hierbei treten an die Stelle der Angaben nach Satz 1 Nummer 2 die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs der Nachricht;

2.

für unbeantwortete oder wegen eines Eingriffs des Netzwerkmanagements erfolglose Anrufe, soweit der Erbringer öffentlich zugänglicher Telefondienste die in Satz 1 genannten Verkehrsdaten für die in § 96 Absatz 1 Satz 2 genannten Zwecke speichert oder protokolliert.

(3) Die Erbringer öffentlich zugänglicher Internetzugangsdienste speichern

1.

die dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesene Internetprotokoll-Adresse,

2.

eine eindeutige Kennung des Anschlusses, über den die Internetnutzung erfolgt, sowie eine zugewiesene Benutzerkennung,

3.

Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung unter der zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone.

(4) 1Im Fall der Nutzung mobiler Telefondienste sind die Bezeichnungen der Funkzellen zu speichern, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt wurden. 2Bei öffentlich zugänglichen Internetzugangsdiensten ist im Fall der mobilen Nutzung die Bezeichnung der bei Beginn der Internetverbindung genutzten Funkzelle zu speichern. 3Zusätzlich sind die Daten vorzuhalten, aus denen sich die geografische Lage und die Hauptstrahlrichtungen der die jeweilige Funkzelle versorgenden Funkantennen ergeben.

(5) Der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten und Daten von Diensten der elektronischen Post dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden.

(6) 1Daten, die den in § 99 Absatz 2 genannten Verbindungen zugrunde liegen, dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden. 2Dies gilt entsprechend für Telefonverbindungen, die von den in § 99 Absatz 2 genannten Stellen ausgehen. 3§ 99 Absatz 2 Satz 2 bis 7 gilt entsprechend.

(7) Die Speicherung der Daten hat so zu erfolgen, dass Auskunftsersuchen der berechtigten Stellen unverzüglich beantwortet werden können.

(8) Der nach § 113a Absatz 1 Verpflichtete hat die auf Grund des Absatzes 1 gespeicherten Daten unverzüglich, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Ablauf der Speicherfristen nach Absatz 1, irreversibel zu löschen oder die irreversible Löschung sicherzustellen.



VG Köln: Keine einstweilige Anordnung gegen Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung nach § 113b TKG - Vereinbarkeit mit EuGH-Rechtsprechung muss im Hauptsachverfahren geklärt werden

VG Köln
Beschluss vom 25.01.2017
9 L 1009/16


Das VG Köln hat den Antrag eines Providers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung von Verkehrsdaten nach § 113b TKG abgelehnt und den Provider auf das Hauptsacheverfahren verwiesen, um die Vereinbarkeit der Regelung mit der EuGH-Rechtsprechung und den EU-Grundrechten überprüfen zu lassen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Vorliegend kann bei der nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, dass die gesetzlichen Regelungen in den §§ 113a ff TKG gegen die von der Antragstellerin genannten Artikel des Grundgesetzes verstoßen. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung der sog. Vorratsdatenspeicherung die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinreichend beachtet hat.

Anders verhält es sich allerdings bei den geltend gemachten Verstößen gegen Unionsgrundrechte. Inwieweit die deutschen Regelungen über die Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht,
insbesondere mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

Urteil vom 8. April 2014 - C-293/12, C-594/12 -, u.a. Vorlagebeschluss High Court Dublin „Digital Rights Ireland Ltd.“, juris; Urteil vom 21. Dezember 2016 - C-203/15 und C-698/15 verbundene Rechtssache Tele2 SverigeAB/Postoch telestyrelsen und Secretary of State for the Home Department/Tom Watson u.a. -. www.curia.europa.eu.

vereinbar sind, muss aufgrund der Komplexität der zu beantwortenden Fragen der Prüfung im Hauptsacheverfahren überlassen bleiben. Jedenfalls ist aber im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht davon auszugehen, dass das Unionsrecht das Gericht dazu verpflichten könnte, die angegriffenen, Vorschriften des TKG schon im Eilverfahren im Wege der einstweiligen Anordnung für nicht anwendbar zu erklären,

in diesem Sinne auch: BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2016-1 BvQ 42/15 juris, Rn. 26."



BVerwG: Klage gegen strategische E-Mail-Überwachung durch BND erfolglos - Speicherung und Nutzung von Metadaten im System VERAS muss weiter geklärt werden

BVerwG
Urteile vom 14.12.2016
6 A 9.14
6 A 2.15

Die Pressemitteilung des BVerwG

Klage gegen BND wegen strategischer Überwachung von E-Mail-Verkehr in den Jahren 2012 und 2013 erfolglos; weiterer Aufklärungsbedarf wegen einer Speicherung und Nutzung von Daten im System VERAS

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat über die Zulässigkeit von Klagen verhandelt, mit denen sich ein Rechtsanwalt und der Verein „Reporter ohne Grenzen“ gegen die strategische Überwachung von E-Mail-Verkehr durch den Bundesnachrichtendienst (BND) und die Speicherung und Nutzung von Metadaten in dem System VERAS des BND gewandt haben. Das Bundesverwaltungsgericht ist für Klagen gegen den BND in erster und letzter Instanz zuständig.

Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) ist der BND im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Bei der strategischen Fernmeldeüberwachung werden bestimmte internationale Telekommunikationsbeziehungen anhand vorher festgelegter Suchbegriffe durchsucht. Die Kläger haben die Feststellung beantragt, dass der BND durch die Überwachung von E-Mail-Verkehr im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung in den Jahren 2012 bzw. 2013 ihr Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG verletzt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Klagen als unzulässig abgewiesen und damit eine Entscheidung aus dem Jahr 2014 zu einem anderen Überwachungszeitraum im Ergebnis bestätigt.

Nach der Verwaltungsgerichtsordnung muss sich die Feststellungsklage auf einen konkreten, gerade den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt beziehen; ein solcher war nicht feststellbar. Unter den Verkehren, die der BND in den Jahren 2012 bzw. 2013 als nachrichtendienstlich relevant behandelt hat, befindet sich kein E-Mail-Verkehr der Kläger. Zwar ist nicht auszuschließen, dass zunächst E-Mail-Verkehre der Kläger erfasst worden sind. Der damit ggf. verbundene Eingriff in Art. 10 GG lässt sich aber nicht mehr feststellen. Selbst wenn solche E-Mails erfasst worden wären, wären sie wie alle anderen nachrichtendienstlich irrelevanten Mails im Einklang mit den Bestimmungen des Artikel 10-Gesetzes und den allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßgaben für den Datenschutz unverzüglich und spurenlos gelöscht worden.

Der BND war verpflichtet solche E-Mails zu löschen, weil nach dem gesetzlichen Konzept eine Benachrichtigung der Betroffenen über die Erfassung dieser E-Mail-Verkehre nicht vorgesehen ist. Dies steht im Einklang mit Art. 10 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG, weil dadurch eine Vertiefung von Grundrechtseingriffen durch Speicherung der Daten einer unübersehbaren Zahl von Grundrechtsträgern vermieden wird.

Die damit verbundene Erschwerung des gerichtlichen Rechtsschutzes ist auch deshalb hinnehmbar, weil die Kontrolltätigkeit der G10-Kommission dazu dient, kompensatorischen Grundrechtsschutz zu gewährleisten.

Die Klagen mit dem Ziel, eine Speicherung und Nutzung von Metadaten in dem System VERAS zu unterlassen, sind noch nicht entscheidungsreif. Die in VERAS gespeicherten Metadaten nutzt der BND zur Erstellung von Verbindungsanalysen. Nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisstand werden in VERAS auch anonymisierte Telefonie-Metadaten von Trägern des Grundrechts aus Art. 10 GG aus der strategischen Fernmeldeüberwachung nach dem Artikel 10-Gesetz eingestellt. Dieses Vorgehen des BND bedarf weiterer gerichtlicher Aufklärung.

Vorratsdatenspeicherung ab dem 18.12.2015 - Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten im Bundesgesetzblatt veröffentlicht

Das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten wurde heute am 17.12.2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, so dass die zu Recht auch in der aktuellen Fassung kritisierte Vorratsdatenspeicherung zum 18.12.2015 kommt.




Vorratsdatenspeicherung - Bundesregierung legt verfassungswidrigen Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vor

Die Bundesregierung hat den "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten"-PDF vorgelegt. Die bekannten verfassungsrechtlichen Bedenken bleiben. Dem Gesetzgeber ist es nicht gelungen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten (siehe dazu "Bundesverfassungsgericht: Die anlasslose Speicherung von Telekommunkationsdaten ist verfassungswidrig - Vorratsdatenspeicherung" ). So fehlt es bereits - so eine Anforderung des Bundesverfassungsgerichts - hinsichtlich der Datensicherheit an einer Regelung, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgibt. Insbesondere § 113f TKG-E genügt diesen Vorgaben ganz sicher nicht.

OLG Frankfurt: Anlasslose Speicherung von IP-Daten über einen Zeitraum von 7 Tagen zur Ermittlung von Störungen nach § 100 Abs. 1 TKG zulässig

OLG Frankfurt
Urteil vom 28.08.2013
13 U 105/07


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die anlasslose Speicherung von IP-Daten durch den Provider über einen Zeitraum von 7 Tagen zur Ermittlung von Störungen nach § 100 Abs. 1 TKG zulässig ist.

Siehe zu diesem Verfahren auch: BGH, Urteil vom 13.01.2011 -III ZR 146/10 - Speicherung dynamischer IP-Adressen: Zur Zulässigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen zu Abrechnungszwecken


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Betrieb eines offenen WLAN-Hotspots ohne Nutzerauthentifikation zulässig

LG München
Urteil vom
17 HK O 1398/11


Das LG München hat entschieden, dass Betrieb eines offenen WLAN-Hotspots ohne Nutzerauthentifikation zulässig ist.. Der Betreiber eines offenen WLAN-Netzes ist - so das Gericht - nicht zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet. Eine Pflicht die Nutzer vor Zugang zurn Internet zu identifizieren und deren Verkehrsdaten während der Nutzung zu speichern, ergibt sich weder aus dem TKG noch dem UrhG.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht: Verzicht auf flächendeckende anlasslose Vorratsdatenspeicherung führt zu keinen Schutzlücken

Nach einer Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafrecht würde der Verzicht auf die geplante flächendeckende anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht zu Schutzlücken führen.

Die flächendeckende anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist nach richtiger Ansicht zudem verfassungswidrig, da jeder Internetnutzer pauschal kriminalisiert wird (siehe auch BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 -- 1 BvR 256/08 - - 1 BvR 263/08 - - 1 BvR 586/08 -Vorratsdatenspeicherung).
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BGH: Zur Zulässigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen zu Abrechnungszwecken

BGH
Urteil vom 13.01.2011
III ZR 146/10
Speicherung dynamischer IP-Adressen
TKG § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 100 Abs. 1



Leitsätze des BGH:
a) Zu den Voraussetzungen für die Befugnis, dynamische IP-Adressen zum Zweck der Entgeltermittlung und Abrechnung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 TKG zu speichern.

b) Die Befugnis zur Speicherung von IP-Adressen zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen gemäß § 100 Abs. 1 TKG setzt nicht voraus, dass im Einzelfall bereits Anhaltspunkte für eine Störung oder einen Fehler vorliegen. Es genügt vielmehr, dass die in Rede stehende Datenerhebung und -verwendung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig ist, um abstrakten Gefahren für die Funktionstüchtigkeit des Telekommunikationsbetriebs entgegenzuwirken.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmsta

Den Volltext der Entscheidung finden Sie<a href="http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=54979&pos=3&anz=642"> hier:

Bundesverfassungsgericht: Die anlasslose Speicherung von Telekommunkationsdaten ist verfassungswidrig - Vorratsdatenspeicherung

Bundesverfassungsgercht
vom 2. März 2010
- 1 BvR 256/08 -
- 1 BvR 263/08 -
- 1 BvR 586/08 -
Vorratsdatenspeicherung´


Das Bundesverfassungsgericht hat heute völlig zu Recht entschieden, dass die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunkationsverkehrsdaten mit Art. 10 GG nicht vereinbar ist.

Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts:
Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (ABl L 105 vom 13. April 2006, S. 54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes.

Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen.

Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgeben. Es ist jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich sicherzustellen, dass sich dieser an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion orientiert, neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt und nicht unter dem Vorbehalt einer freien Abwägung mit allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten steht.
Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.

Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die Inhaber von Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten können solche Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem Gewicht erlaubt werden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: