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BVerfG: Facebook muss Renate Künast Auskunft über Bestandsdaten von weiteren Nutzern die Hasspostings gepostet haben erteilen

BVerfG
Beschluss vom 19.12.2021
1 BvR 1073/20


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Facebook Renate Künast Auskunft über Bestandsdaten von weiteren Nutzern, die Hasspostings gepostet haben, erteilen muss.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Versagung der Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen von Fachgerichten aufgehoben, mit denen der Beschwerdeführerin die notwendige gerichtliche Anordnung zur Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform versagt wurden.

Die Beschwerdeführerin möchte vor den Fachgerichten erreichen, dass eine Social Media Plattform die bei ihr vorhandenen personenbezogenen Daten über mehrere Nutzer herausgibt, die auf der Plattform Kommentare über die Beschwerdeführerin getätigt haben. Die Fachgerichte stuften im Ergebnis lediglich 12 der 22 im Ausgangsverfahren gegenständlichen Kommentare als strafbare Beleidigungen ein und gestatteten die Beauskunftung über die bei der Social Media Plattform vorhandenen Bestandsdaten. Im Übrigen wurde eine Beauskunftung abgelehnt. Die Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, soweit sie die Anordnung hinsichtlich der zehn verbliebenen Kommentare versagt haben. Die Fachgerichte haben unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts die verfassungsrechtlich erforderliche Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht unterlassen.

Sachverhalt:

Nach § 14 Abs. 3 Telemediengesetz a. F. (nunmehr § 21 Abs. 2 und 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes) durfte ein Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über die bei ihm vorhandenen Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Für diese Auskunftserteilung war eine vorherige gerichtliche Anordnung erforderlich. Rechtswidrige Inhalte in diesem Sinne waren unter anderem Inhalte, die den Tatbestand nach §§ 185 bis 187 des Strafgesetzbuchs erfüllten und nicht gerechtfertigt waren.

Auf einem Internetblog stellte dessen Inhaber Ende Oktober 2016 unter dem Titel „[Name der Beschwerdeführerin] findet Kinderficken ok, solange keine Gewalt im Spiel ist“ das Bild der Beschwerdeführerin ein mit folgendem, scheinbar ein Zitat der Beschwerdeführerin darstellenden Text:

„Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt.“

Hintergrund war die im Jahr 2015 noch einmal aufgekommene Debatte betreffend die Haltung der Partei DIE GRÜNEN zur Pädophilie in den 1980er Jahren. So wurde im Mai 2015 unter anderem über einen Zwischenruf der Beschwerdeführerin im Berliner Abgeordnetenhaus im Mai 1986 berichtet. Während eine Abgeordnete der Grünen über häusliche Gewalt sprach, stellte ein Abgeordneter der Regierungskoalition die Zwischenfrage, wie die Rednerin denn zu einem Beschluss der Grünen in Nordrhein-Westfalen stehe, wonach die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern aufgehoben werden solle. Anstelle der Rednerin rief laut Protokoll des Abgeordnetenhauses die Beschwerdeführerin: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!“

Die Beschwerdeführerin nahm den Bloginhaber wegen seines ursprünglichen Eintrags auf Unterlassung in Anspruch und verlangte ein Schmerzensgeld. Daraufhin veröffentlichte der Bloginhaber Anfang 2019 auf seiner Seite auf der Social Media Plattform einen weiteren Text. Es folgt das Bild der Beschwerdeführerin mit dem aus dem ursprünglichen Blogbeitrag bekannten Text, der kein zutreffendes Zitat einer Äußerung der Beschwerdeführerin ist. Im April und Mai 2019 reagierten zahlreiche Nutzer der Social Media Plattform auf diese Veröffentlichung und kommentierten sie ihrerseits - soweit verfahrensgegenständlich - unter anderem wie folgt:

„Pädophilen-Trulla“; „Die alte hat doch einen Dachschaden, die ist hol wie Schnittlauch man kann da nur noch“; „Mensch… was bist Du Krank im Kopf!!!“; Die ist Geisteskrank“; „Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren“; „Sperrt diese kranke Frau weck sie weiß nicht mehr was sie redet“; „Die sind alle so krank im Kopf“; Gehirn Amputiert“; „Kranke Frau“ und „Sie wollte auch mal die hellste Kerze sein, Pädodreck.“.

In der Folge begehrte die Beschwerdeführerin die Gestattung der Auskunftserteilung über die Bestandsdaten dieser Nutzer der Social Media Plattform. Das Landgericht gestattete im Ergebnis die Beauskunftung von sechs Kommentaren. Das Kammergericht gestattete zusätzlich die Beauskunftung weiterer sechs Kommentare. Im Übrigen führte es aus, dass die Schwelle zum Straftatbestand des § 185 StGB nicht überschritten sei. Denn es liege kein Fall der abwägungsfreien Diffamierung vor und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts erreiche kein solches Gewicht, dass die Äußerungen unter Einbeziehung des Kontexts lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung der Beschwerdeführerin erschienen.

Die Beschwerdeführerin rügt unter anderem die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.

I. Die Auslegung und Anwendung des Fachrechts ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte. Bei ihrer Entscheidung haben sie jedoch dem Einfluss der Grundrechte auf die einfachgesetzlichen Vorschriften Rechnung zu tragen. Die Zivilgerichte verstehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung voraussetzt.

1. Weichenstellend für die Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist die Erfassung des Inhalts der verfahrensgegenständlichen Äußerungen. Auf der zutreffenden Sinnermittlung einer Äußerung aufbauend erfordert die Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB grundsätzlich eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die den betroffenen Rechtsgütern und Interessen, hier also der Meinungsfreiheit und der persönlichen Ehre, drohen. Eine Abwägung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn die streitgegenständliche Äußerung sich als Schmähung oder Schmähkritik, als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde darstellt.

2. Liegt keine dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit.Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings eine grundrechtlich angeleitete Abwägung. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte.

Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht. Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet.In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen - unter Umständen weitreichenden - gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können. Allerdings bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder Politikerinnen und Politikern. Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setzt die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht aus. Dabei liegt insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch „soziale Netzwerke“ im Internet ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.

II. Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen Anforderungen nicht.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend erkennt das Kammergericht, dass es sich bei den noch verfahrensgegenständlichen Bezeichnungen der Beschwerdeführerin um erheblich ehrenrührige Herabsetzungen handelt. Das Kammergericht geht indes unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts davon aus, dass eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann vorliege, wenn die streitgegenständliche Äußerung „lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung“ zu verstehen sei. Dieses Fehlverständnis setzt sich bei den weiteren Ausführungen des Fachgerichts fort. Zwar deutet das Kammergericht die Notwendigkeit einer Abwägung an. Verfassungsrechtlich fehlerhaft knüpft es die Voraussetzungen der Beleidigung sodann jedoch an die Sonderform der Schmähkritik an.Die angekündigte Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin nimmt das Kammergericht in der Folge aber nicht vor. Es legt wiederholt einen fehlerhaften, mit dem Persönlichkeitsrecht der von ehrenrührigen Äußerungen Betroffenen unvereinbaren Maßstab an, wenn es annimmt, eine strafrechtliche Relevanz erreiche eine Äußerung erst dann, wenn ihr diffamierender Gehalt so erheblich sei, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheine. Vorliegend hat sich das Fachgericht aufgrund einer fehlerhaften Maßstabsbildung, die eine Beleidigung letztlich mit der Schmähkritik gleichsetzt, mit der Abwägung der Gesichtspunkte des Einzelfalls nicht auseinandergesetzt. Hierin liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin.

2. Infolge fehlerhafter Maßstabsbildung mangelt es für alle verfahrensgegenständlichen Äußerungen an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der betroffenen Rechtspositionen im Rahmen der rechtlichen Würdigung. Die vom Fachgericht zum Teil begründungslos verwendete Behauptung, die Beschwerdeführerin müsse den Angriff als Politikerin im öffentlichen Meinungskampf hinnehmen, ersetzt die erforderliche Abwägung nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen Regelungen zur Bestands- und Nutzungsdatenauskunft durch Telekommunikations- und Telemediendiensteanbieter abgewiesen

BVerfG
Beschluss vom 19. April 2021
1 BvR 1732/14

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen Regelungen zur Bestands- und Nutzungsdatenauskunft durch Telekommunikations- und Telemediendiensteanbieter abgewiesen

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht:

Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur Bestands- und Nutzungsdatenauskunft durch
Telekommunikations- und Telemediendiensteanbieter

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen Vorschriften des Bundesrechts und des schleswig-holsteinischen Landesrechts richtete, die in unterschiedlichem Umfang die manuelle Bestands- und Nutzungsdatenauskunft durch Telekommunikations- und Telemediendiensteanbieter regeln.

Die angegriffenen Vorschriften des Landes Schleswig-Holstein zum Abruf von Bestandsdaten bei Telekommunikationsdiensteanbietern durch Polizei und Verfassungsschutzbehörde genügen vollständig den Maßgaben aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1299/05 - (Bestandsdatenauskunft I) und vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - (Bestandsdatenauskunft II). Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen Regelungen richtet, die Auskünfte bei Telemediendiensteanbietern betreffen, ist sie unzulässig. Sie ist insoweit teils verfristet, teils genügt der Vortrag der Beschwerdeführenden nicht den Anforderungen an die Darlegung der Beschwerdebefugnis.

Die am 2. April 2021 in Kraft getretenen bundesrechtlichen Neuregelungen der Bestands- und Nutzungsdatenauskunft aus dem Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020 waren nicht Gegenstand des Verfahrens.

Sachverhalt:

§ 180a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz ‒ LVwG) ermächtigt die Polizei zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft, Zugangsdatenauskunft sowie Bestandsdatenauskunft anhand dynamischer und statischer IP-Adressen bei Telekommunikationsdiensteanbietern. § 180a Abs. 4 LVwG erstreckt diese Befugnisse auf den Abruf von Daten bei Telemediendiensteanbietern und erweitert sie noch um eine – inhaltlich begrenzte – Ermächtigung zur Nutzungsdatenauskunft.

§ 8a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Schleswig-Holstein (Landesverfassungsschutzgesetz ‒ LVerfSchG) ermächtigt die Verfassungsschutzbehörde zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft bei Telemediendiensteanbietern. § 8a Abs. 1 Satz 2 bis 4
LVerfSchG enthält auch für die Verfassungsschutzbehörde Ermächtigungsgrundlagen für die allgemeine Bestandsdatenauskunft, Zugangsdatenauskunft und Bestandsdatenauskunft anhand dynamischer IP-Adressen bei Telekommunikationsdiensteanbietern.

Durch den ebenfalls angegriffenen § 15 Abs. 5 Satz 4 Telemediengesetz (TMG) werden über einen Verweis auf § 14 Abs. 2 TMG in der hier angegriffenen Gesetzesfassung Diensteanbieter von Telemedien zur Erteilung einer Nutzungsdatenauskunft für bestimmte, vorwiegend behördliche Zwecke berechtigt.

Die Beschwerdeführenden rügen insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihres nach Art. 10 Abs. 1 GG gewährleisteten Telekommunikationsgeheimnisses.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die angegriffenen Vorschriften die Bestands- und Nutzungsdatenauskunft bei Telemediendiensteanbietern betreffen.

1. Hinsichtlich § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LVerfSchG ist die Verfassungsbeschwerde bereits verfristet.

2. Die Beschwerdeführenden haben bezüglich der Regelungen zur Auskunft von Daten bei Telemediendiensteanbietern nicht dargelegt, beschwerdebefugt zu sein. Das betrifft neben § 180a Abs. 4 LVwG und § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LVerfSchG auch die ohnehin verspätet angegriffenen Vorschriften § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LVerfSchG.

Der Vortrag der Beschwerdeführenden zu ihrer Nutzung von Telemedien ist zu unspezifisch, um von einer eigenen Betroffenheit ausgehen zu können. Die Beschwerdeführenden haben namentlich einzig das Internetangebot eines Magazins als von ihnen genutzten Telemediendienst benannt. Sie haben jedoch nicht näher dargelegt, dass sie wegen dieser Nutzung mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die angegriffenen Regelungen betroffen sein könnten. Sofern die Vorschriften den Abruf von Bestandsdaten bei Telemediendiensteanbietern regeln, haben die Beschwerdeführenden nicht vorgetragen, bei dem von ihnen genannten Internetangebot überhaupt Bestandsdaten angegeben zu haben. Gleiches gilt, soweit sie vorgetragen haben, E-Mail-Postfächer zu nutzen.

II. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet, soweit sie sich gegen die schleswig-holsteinischen Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern richtet. Das sind § 180a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 LVwG sowie § 8a Abs. 1 Satz 2 bis 4 LVerfSchG.

Diese Regelungen genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die verschiedenen Arten der Bestandsdatenauskunft, die der Erste Senat mit Beschlüssen vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1299/05 - (Bestandsdatenauskunft I) und vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - (Bestandsdatenauskunft II) klargestellt hat.

1. Regelungen zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern sind jedenfalls dann verhältnismäßig, wenn sie auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr an das Bestehen einer konkreten Gefahr geknüpft sind und für nachrichtendienstliche Zwecke vorsehen, dass die Auskunft im Einzelfall zur Aufklärung einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung geboten sein muss.

Die angegriffenen Regelungen zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft genügen diesen Anforderungen. § 180a Abs. 1 Satz 1 LVwG setzt für die Polizei als Eingriffsschwelle eine „im einzelnen Falle bevorstehende Gefahr“ voraus, was dem Erfordernis einer konkreten Gefahr entspricht. § 8a Abs. 1 Satz 2 LVerfSchG verlangt für die Verfassungsschutzbehörde, dass die allgemeine Bestandsdatenauskunft „im Einzelfall“ „zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist“. Diese Formulierung kann so ausgelegt werden, dass sie die Gebotenheit der Auskunft zur Aufklärung einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung voraussetzt und damit verhältnismäßig ist.

2. Die angegriffenen Regelungen zur Zugangsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern in § 180a Abs. 2 Satz 1 LVwG und § 8a Abs. 1 Satz 3 LVerfSchG genügen ebenfalls den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Dazu zählt vorwiegend, dass eine Zugangsdatenauskunft nur möglich ist, wenn auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung der erlangten Daten vorliegen.

3. Auch soweit Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensten anhand von IP-Adressen, nämlich § 180a Abs. 2 Satz 2 und 3 LVwG und § 8a Abs. 1 Satz 4 LVerfSchG, angegriffen sind, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

a) Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern anhand dynamischer IP-Adressen müssen aufgrund ihres gesteigerten Eingriffsgewichts zumindest dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern von hervorgehobenem Gewicht dienen; dazu zählen jedenfalls die durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter. Dem genügt § 180a Abs. 2 Satz 2 LVwG auch insoweit, als er diese Maßnahme nicht nur zum Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person, sondern teils auch zur Abwehr von Schäden für Sach- oder Vermögenswerte oder die Umwelt eröffnet.

Da die Tätigkeit der Nachrichtendienste von vornherein auf den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter gerichtet ist, ist eine ausdrückliche Begrenzung der zu schützenden Rechtsgüter auf diesem Gebiet nicht notwendig.

b) Regelungen, die zum Abruf von Bestandsdaten anhand dynamischer IP-Adressen ermächtigen, müssen vorsehen, dass die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen dokumentiert werden. Die angegriffenen Vorschriften regeln dies in der angegriffenen Fassung zwar nicht ausdrücklich. Gleichwohl erfolgt eine solche Dokumentation aufgrund der dort vorgesehenen Verfahrensregelungen. So steht die Bestandsdatenauskunft anhand von IP-Adressen nach dem Landesverwaltungsgesetz grundsätzlich unter einem Richtervorbehalt und die Parallelmaßnahme nach dem Landesverfassungsschutzgesetz unter dem Vorbehalt einer ministeriellen Anordnung. Beide setzen einen begründeten Antrag voraus, wodurch eine Dokumentation der zugrundeliegenden Tatsachen erreicht wird. Dessen ungeachtet ordnet die aktuelle Gesetzesfassung für die Landespolizei eine Protokollierung nun auch ausdrücklich an.Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur Bestands- und Nutzungsdatenauskunft durch Telekommunikations- und Telemediendiensteanbieter
Pressemitteilung Nr. 39/2021 vom 19. Mai 2021

Beschluss vom 19. April 2021
1 BvR 1732/14

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen Vorschriften des Bundesrechts und des schleswig-holsteinischen Landesrechts richtete, die in unterschiedlichem Umfang die manuelle Bestands- und Nutzungsdatenauskunft durch Telekommunikations- und Telemediendiensteanbieter regeln.

Die angegriffenen Vorschriften des Landes Schleswig-Holstein zum Abruf von Bestandsdaten bei Telekommunikationsdiensteanbietern durch Polizei und Verfassungsschutzbehörde genügen vollständig den Maßgaben aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1299/05 - (Bestandsdatenauskunft I) und vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - (Bestandsdatenauskunft II). Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen Regelungen richtet, die Auskünfte bei Telemediendiensteanbietern betreffen, ist sie unzulässig. Sie ist insoweit teils verfristet, teils genügt der Vortrag der Beschwerdeführenden nicht den Anforderungen an die Darlegung der Beschwerdebefugnis.

Die am 2. April 2021 in Kraft getretenen bundesrechtlichen Neuregelungen der Bestands- und Nutzungsdatenauskunft aus dem Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020 waren nicht Gegenstand des Verfahrens.

Sachverhalt:

§ 180a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz ‒ LVwG) ermächtigt die Polizei zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft, Zugangsdatenauskunft sowie Bestandsdatenauskunft anhand dynamischer und statischer IP-Adressen bei Telekommunikationsdiensteanbietern. § 180a Abs. 4 LVwG erstreckt diese Befugnisse auf den Abruf von Daten bei Telemediendiensteanbietern und erweitert sie noch um eine – inhaltlich begrenzte – Ermächtigung zur Nutzungsdatenauskunft.

§ 8a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Schleswig-Holstein (Landesverfassungsschutzgesetz ‒ LVerfSchG) ermächtigt die Verfassungsschutzbehörde zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft bei Telemediendiensteanbietern. § 8a Abs. 1 Satz 2 bis 4
LVerfSchG enthält auch für die Verfassungsschutzbehörde Ermächtigungsgrundlagen für die allgemeine Bestandsdatenauskunft, Zugangsdatenauskunft und Bestandsdatenauskunft anhand dynamischer IP-Adressen bei Telekommunikationsdiensteanbietern.

Durch den ebenfalls angegriffenen § 15 Abs. 5 Satz 4 Telemediengesetz (TMG) werden über einen Verweis auf § 14 Abs. 2 TMG in der hier angegriffenen Gesetzesfassung Diensteanbieter von Telemedien zur Erteilung einer Nutzungsdatenauskunft für bestimmte, vorwiegend behördliche Zwecke berechtigt.

Die Beschwerdeführenden rügen insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihres nach Art. 10 Abs. 1 GG gewährleisteten Telekommunikationsgeheimnisses.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die angegriffenen Vorschriften die Bestands- und Nutzungsdatenauskunft bei Telemediendiensteanbietern betreffen.

1. Hinsichtlich § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LVerfSchG ist die Verfassungsbeschwerde bereits verfristet.

2. Die Beschwerdeführenden haben bezüglich der Regelungen zur Auskunft von Daten bei Telemediendiensteanbietern nicht dargelegt, beschwerdebefugt zu sein. Das betrifft neben § 180a Abs. 4 LVwG und § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LVerfSchG auch die ohnehin verspätet angegriffenen Vorschriften § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LVerfSchG.

Der Vortrag der Beschwerdeführenden zu ihrer Nutzung von Telemedien ist zu unspezifisch, um von einer eigenen Betroffenheit ausgehen zu können. Die Beschwerdeführenden haben namentlich einzig das Internetangebot eines Magazins als von ihnen genutzten Telemediendienst benannt. Sie haben jedoch nicht näher dargelegt, dass sie wegen dieser Nutzung mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die angegriffenen Regelungen betroffen sein könnten. Sofern die Vorschriften den Abruf von Bestandsdaten bei Telemediendiensteanbietern regeln, haben die Beschwerdeführenden nicht vorgetragen, bei dem von ihnen genannten Internetangebot überhaupt Bestandsdaten angegeben zu haben. Gleiches gilt, soweit sie vorgetragen haben, E-Mail-Postfächer zu nutzen.

II. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet, soweit sie sich gegen die schleswig-holsteinischen Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern richtet. Das sind § 180a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 LVwG sowie § 8a Abs. 1 Satz 2 bis 4 LVerfSchG.

Diese Regelungen genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die verschiedenen Arten der Bestandsdatenauskunft, die der Erste Senat mit Beschlüssen vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1299/05 - (Bestandsdatenauskunft I) und vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - (Bestandsdatenauskunft II) klargestellt hat.

1. Regelungen zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern sind jedenfalls dann verhältnismäßig, wenn sie auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr an das Bestehen einer konkreten Gefahr geknüpft sind und für nachrichtendienstliche Zwecke vorsehen, dass die Auskunft im Einzelfall zur Aufklärung einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung geboten sein muss.

Die angegriffenen Regelungen zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft genügen diesen Anforderungen. § 180a Abs. 1 Satz 1 LVwG setzt für die Polizei als Eingriffsschwelle eine „im einzelnen Falle bevorstehende Gefahr“ voraus, was dem Erfordernis einer konkreten Gefahr entspricht. § 8a Abs. 1 Satz 2 LVerfSchG verlangt für die Verfassungsschutzbehörde, dass die allgemeine Bestandsdatenauskunft „im Einzelfall“ „zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist“. Diese Formulierung kann so ausgelegt werden, dass sie die Gebotenheit der Auskunft zur Aufklärung einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung voraussetzt und damit verhältnismäßig ist.

2. Die angegriffenen Regelungen zur Zugangsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern in § 180a Abs. 2 Satz 1 LVwG und § 8a Abs. 1 Satz 3 LVerfSchG genügen ebenfalls den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Dazu zählt vorwiegend, dass eine Zugangsdatenauskunft nur möglich ist, wenn auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung der erlangten Daten vorliegen.

3. Auch soweit Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensten anhand von IP-Adressen, nämlich § 180a Abs. 2 Satz 2 und 3 LVwG und § 8a Abs. 1 Satz 4 LVerfSchG, angegriffen sind, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

a) Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern anhand dynamischer IP-Adressen müssen aufgrund ihres gesteigerten Eingriffsgewichts zumindest dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern von hervorgehobenem Gewicht dienen; dazu zählen jedenfalls die durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter. Dem genügt § 180a Abs. 2 Satz 2 LVwG auch insoweit, als er diese Maßnahme nicht nur zum Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person, sondern teils auch zur Abwehr von Schäden für Sach- oder Vermögenswerte oder die Umwelt eröffnet.

Da die Tätigkeit der Nachrichtendienste von vornherein auf den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter gerichtet ist, ist eine ausdrückliche Begrenzung der zu schützenden Rechtsgüter auf diesem Gebiet nicht notwendig.

b) Regelungen, die zum Abruf von Bestandsdaten anhand dynamischer IP-Adressen ermächtigen, müssen vorsehen, dass die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen dokumentiert werden. Die angegriffenen Vorschriften regeln dies in der angegriffenen Fassung zwar nicht ausdrücklich. Gleichwohl erfolgt eine solche Dokumentation aufgrund der dort vorgesehenen Verfahrensregelungen. So steht die Bestandsdatenauskunft anhand von IP-Adressen nach dem Landesverwaltungsgesetz grundsätzlich unter einem Richtervorbehalt und die Parallelmaßnahme nach dem Landesverfassungsschutzgesetz unter dem Vorbehalt einer ministeriellen Anordnung. Beide setzen einen begründeten Antrag voraus, wodurch eine Dokumentation der zugrundeliegenden Tatsachen erreicht wird. Dessen ungeachtet ordnet die aktuelle Gesetzesfassung für die Landespolizei eine Protokollierung nun auch ausdrücklich an.




KG Berlin: Weitere aber nicht alle gerügten Hasspostings gegen Politikerin Renate Künast bei Facebook unzulässig

KG Berlin
Beschluss vom 11.03.2020
10 W 13/20


Das KG Berlin hat entschieden, dass weitere aber nicht alle gerügten Hasspostings gegen die Politikerin Renate Künast bei Facebook unzulässig waren und einen Auskunftsanspruch gegen Facebook nach § 14 Abs. 3 und 4 TMG bejaht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Kammergericht: Beschwerde einer Politikerin wegen ihres Antrags gegen eine Social-Media-Plattform auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten teilweise erfolgreich

Auf die Beschwerde einer Politikerin (Antragstellerin des Verfahrens) hat das Kammergericht mit Beschluss vom 11. März 2020 die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 9. September 2019 in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 21. Januar 2020 zum Antrag gegen eine Social-Media-Plattform auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten nochmals teilweise zu Gunsten der Politikerin korrigiert und weitere sechs der insgesamt 22 streitgegenständlichen Nutzerkommentare im Lichte der höchstrichterlichen und verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit als Beleidigungen im Sinne von § 185 StGB eingestuft. Die Social-Media-Plattform dürfe daher – zusätzlich zu den schon vom Landgericht gestatteten sechs Fällen – auch in diesen weiteren sechs Fällen über Name des Nutzers, E-Mail-Adresse des Nutzers und IP-Adresse, die von dem Nutzer für das Hochladen verwendet worden sei, sowie über den Uploadzeitpunkt Auskunft erteilen. Im Übrigen hat das Kammergericht jedoch die Entscheidung des Landgerichts Berlin bestätigt und deshalb die weitergehende Beschwerde der Politikerin insoweit zurückgewiesen.

Wegen der Hintergründe des Verfahrens wird auf die Pressemitteilung des Kammergerichts Nr. 4/2020 vom 21. Januar 2020 verwiesen.

Die Richter des 10. Zivilsenates des Kammergerichts haben in ihrer jetzigen Entscheidung u.a. betont, dass der im hiesigen Verfahren geltend gemachte Anspruch nach § 14 Abs. 4 des Telemediengesetzes (TMG) auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten nur ein vorbereitender Anspruch sei, der in verfahrensrechtlicher und inhaltlicher Hinsicht deutliche Unterschiede zu den weitergehenden Ansprüchen auf Unterlassung von Äußerungen und auf andere Leistungen (z.B. Geldentschädigung) aufweise, über die im hiesigen Verfahren noch gar nicht zu entscheiden gewesen sei. Demgemäß sei auch nur die Social-Media-Plattform als der jeweilige Diensteanbieter im hiesigen Verfahren beteiligt gewesen, nicht aber die jeweiligen Verfasser der 22 Kommentare.

Sechs von sechzehn der jetzt noch mit der Beschwerde zu prüfenden Kommentare erfüllten nach Ansicht der Richter des 10. Zivilsenates ungeachtet der strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an Eingriffe in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung stelle, den strafrechtlichen Beleidigungstatbestand des § 185 StGB. Diese sechs Äußerungen wiesen einen so massiven diffamierenden Gehalt auf, dass sie sich als Schmähkritik bzw. die dem gleichgestellte Formalbeleidigung einordnen ließen. Auch unter Berücksichtigung des thematischen Kontextes, in welchem die Nutzer ihre Posts verfasst hätten, könnten diese verbalen Entgleisungen nur als außerhalb einer Sachdebatte stehende Schmähungen der Person der Antragstellerin eingeordnet werden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik fehle insoweit. Vielmehr werde der Antragstellerin als vermeintlicher Befürworterin einer Entkriminalisierung von „einvernehmlichem bzw. gewaltlosem” Sex mit Kindern, wie sie die Ausgangsmitteilung andeute, jede Würde abgesprochen. Die Antragstellerin werde im Schutze der Anonymität des Internets zum Objekt frauenverachtender und entwürdigender obszöner Anwürfe gemacht. Hierdurch und durch zügellose Beschimpfungen mittels besonders drastischer Begriffe aus dem Bereich der Fäkalsprache werde die Antragstellerin in einer so maßlos überzogenen Art und Weise attackiert, dass nur noch die persönliche Schmähung im Vordergrund steht und eine sachbezogene Auseinandersetzung völlig aus dem Blickfeld geraten sei. Bei solchen Diffamierungen werde ungeachtet des Anlasses der Entgleisungen die weit gezogene Grenze zulässiger Meinungsäußerungen deutlich überschritten und der Ausnahmetatbestand einer nicht mehr legitimierbaren Schmähkritik oder einer dieser gleichgestellten Formalbeleidigung erreicht.

Dagegen müsse der Beschwerde der Antragstellerin nach der Auffassung der Richter des 10. Zivilsenats des Kammergerichts im Hinblick auf die verbleibenden zehn verfahrensgegenständlichen Kommentare der Erfolg versagt bleiben. Die Richter des 10. Zivilsenats würden dabei keineswegs verkennen, dass es sich insoweit gleichfalls um erheblich ehrenrührige Bezeichnungen und Herabsetzungen der Antragstellerin handele. Unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben sei allerdings festzustellen, dass die Schwelle zum Straftatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB jeweils nicht überschritten werde. Denn es liege insoweit kein Fall der abwägungsfreien Diffamierung (Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik) vor und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin erreiche auch nicht ein solches Gewicht, dass die Äußerungen unter Einbeziehung des konkret zu berücksichtigenden Kontextes – anders als bei den vorgenannten sechs Kommentaren – lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung der Antragstellerin erscheinen würden.

Sie würden – so die Richter des 10. Zivilsenats – auch keinesfalls verkennen, dass es zu einem Sprachverfall und insbesondere unter Ausnutzung der Anonymität im Internet zu einer Verrohung bis hin zu einer Radikalisierung des gesellschaftlichen Diskurses gekommen sei. Dies vermöge aber eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Der von der Antragstellerin aufgeworfenen Frage, ob die Besonderheit, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen für Personen des politischen Lebens härtere Maßstäbe zu gelten hätten, noch zeitgemäß sei und ob die Rechtsordnung und die Justiz sich nicht stärker schützend vor politische Entscheidungsträger stellen müssten, möge die Berechtigung nicht abgesprochen werden. Die geltende Rechtsordnung und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts böten jedoch auf dem hier zu beurteilenden Gebiet derzeit aber keinen Raum für eine Aufwertung des Persönlichkeitsschutzes.

Diese Entscheidung ist rechtskräftig; der 10. Zivilsenat des Kammergerichts hat eine Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe, noch zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere.

Landgericht Berlin: ursprünglicher Beschluss – 27 AR 17/19 – vom 09. September 2019
Landgericht Berlin: Abhilfebeschluss– 27 AR 17/19 – vom 21. Januar 2020
Kammergericht: Beschluss – 10 W 13/20 – vom 11. März 2020



LG Berlin korrigiert teilweise Beschluss im Rechtsstreit Künast gegen Facebook um Herausgabe von Bestandsdaten von Nutzern nach § 14 Abs.3 TMG wegen beleidigender Nutzerkommentare

LG Berlin
Abhilfebeschluss nach Beschwerde vom 21.01.2020
27 AR 17/19


Das LG Berlin hat den nicht haltbaren Beschluss im Rechtsstreit Künast gegen Facebook um Herausgabe von Bestandsdaten von Nutzern nach § 14 Abs.3 TMG wegen beleidigender Nutzerkommentare im Beschwerdeverfahren teilweise selbst korrigiert (Zum Ausgangsbeschluss siehe LG Berlin: Politikerin Renate Künast muss bei Facebook übelste Beschimpfungen hinnehmen - kein Auskunftsanspruch gegen Facebook hinsichtlich Bestandsdaten der Nutzer nach § 14 Abs. 3 TMG.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht Berlin: Beschwerde einer Politikerin wegen ihres Antrags gegen eine Social Media Plattform auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten teilweise erfolgreich

Auf die Beschwerde einer Politikerin (Antragstellerin des Verfahrens) und aufgrund des von ihr im Beschwerdeverfahren ergänzten Sachvortrags einerseits sowie aufgrund zwischenzeitlich zusätzlich gewonnener gerichtlicher Erkenntnisse andererseits hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin ihren ursprünglichen Beschluss vom 09. September 2019 – 27 AR 17/19 – zum Antrag gegen eine Social Media Plattform auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten mit ihrer neuen Entscheidung vom 21. Januar 2020 teilweise abgeändert.

Durch den im Beschwerdeverfahren erstmals vollständig vorgelegten Ausgangspost habe die Zivilkammer 27 die 22 betroffenen Nutzerkommentare im Lichte der höchstrichterlichen und verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit nochmals geprüft und der Antragstellerin im Ergebnis in sechs Fällen Recht gegeben. So sei wegen des nunmehr dargelegten Kontextes des Ausgangsposts und der inzwischen zusätzlich erlangten gerichtlichen Erkenntnisse zu dessen Urheber nicht mehr davon auszugehen, dass die Verfasser der 22 streitgegenständlichen Kommentare annehmen durften, dass die im Ausgangspost wiedergegebene Äußerung so wie zitiert vollständig von der Antragstellerin stamme. Vielmehr handele es sich teilweise um ein Falschzitat, sodass sich angesichts der für die 22 Nutzer auch erkennbaren Hintergründe des Posts für sie Zweifel in Bezug auf die Authentizität des Zitats aufdrängen mussten, was bei der Bewertung der einzelnen Kommentare zu berücksichtigen sei.

Vor diesem Hintergrund enthielten nach Auffassung der Richter der Zivilkammer 27 die Kommentare von sechs Nutzern jeweils einen rechtswidrigen Inhalt im Sinne einer Beleidigung gemäß § 185 des Strafgesetzbuches (StGB), für den auch im Hinblick auf die Meinungsfreiheit ein Rechtfertigungsgrund nicht ersichtlich sei. Diese Kommentare hätten vielmehr einen ehrherabsetzenden Inhalt, der aus der Sicht des unbefangenen Durchschnittslesers als gezielter Angriff auf die Ehre der Antragstellerin erscheine und sich auch in der persönlichen Herabsetzung der Antragstellerin erschöpfe. Die Social Media Plattform dürfe daher in diesen sechs Fällen über Name des Nutzers, E-Mail-Adresse des Nutzers und IP-Adresse, die von dem Nutzer für das Hochladen verwendet worden sei, sowie über den Uploadzeitpunkt Auskunft erteilen.

Die übrigen sechzehn Kommentare verwirklichten dagegen nach Auffassung der Richter der Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin auch unter Berücksichtigung des weiteren Sachvortrags der Antragstellerin und der sonstigen gerichtlichen Erkenntnisse im Beschwerdeverfahren keinen der in § 1 Abs. 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) aufgeführten Straftatbestände, weil diese Kommentare – wie bereits in dem ursprünglichen Beschluss vom 09. September 2019 ausgeführt – einen Sachbezug zu einer Äußerung der Politikerin im Berliner Abgeordnetenhaus im Jahre 1986 im Zusammenhang mit dem Thema Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern hätten. Es handele sich deshalb bei diesen 16 Kommentaren um Äußerungen, die das Verhalten der Antragstellerin oder den Aussagegehalt des von ihr im Jahre 1986 getätigten Einwurfs im Berliner Abgeordnetenhaus kritisierten und sich nicht in der persönlichen Herabsetzung der Antragstellerin erschöpften, sodass sie nach Auffassung der Zivilkammer 27 im Ergebnis noch keine Straftaten der Beleidigung darstellten.

Soweit die Antragstellerin auf einen Verstoß gegen die Richtlinien der Social Media Plattform abstelle, komme es darauf ebenso wenig wie auf einen – nach anderen rechtlichen Vorschriften zu bewertenden – zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 823, 1004 analog des Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes an. Der von der Antragstellerin im hiesigen Verfahren geltend gemachte Auskunftsanspruch sei vom Gesetzgeber abschließend in § 14 des Telemediengesetzes (TMG) geregelt und auf die Fälle beschränkt worden, in denen die in § 1 Abs. 3 NetzDG genannten Straftatbestände verwirklicht seien.

Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Soweit die Kammer der Beschwerde der Antragstellerin mit dem Beschluss vom 21. Januar 2020 nicht abgeholfen hat, hat sie die Sache dem Kammergericht vorgelegt, das nun in zweiter Instanz den Fall prüfen und entscheiden muss.

Landgericht Berlin:
ursprünglicher Beschluss – 27 AR 17/19 – vom 09. September 2019
Landgericht Berlin:
Abhilfebeschluss nach Beschwerde – 27 AR 17/19 – vom 21. Januar 2020



LG Berlin: Politikerin Renate Künast muss bei Facebook übelste Beschimpfungen hinnehmen - kein Auskunftsanspruch gegen Facebook hinsichtlich Bestandsdaten der Nutzer nach § 14 Abs. 3 TMG

LG Berlin
Beschluss vom 09.09.2019
27 AR 17/19


Das LG Berlin hat in einer kaum haltbaren und zu Recht von vielen Seiten kritisierten Entscheidung entschieden, dass die Politkierin Renate Künast bei Facebook übelste Beschimpfungen hinnehmen muss und kein Auskunftsanspruch gegen Facebook hinsichtlich der Bestandsdaten der Nutzer nach § 14 Abs. 3 TMG besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 14 Abs. 3 TMG darf der Diensteanbieter Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtwidriger Inhalte, die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist. Nach § 1 Abs. 3 NetzDG sind rechtswidrige Inhalte solche, die den Tatbestand der §§ 86, 86 a, 89 a, 91, 100 a, 111, 126, 129 bis 129 b, 130, 131, 140, 166, 184 b in Verbindung mit 184 d, 185 bis 187, 201 a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuches erfüllen und nicht gerechtfertigt sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die von der Antragstellerin angeführten Äußerungen auf ... stellen sich sämtlich als Meinungsäußerungen dar. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom genannten Grundrecht geschützt. Im Fall einer derart engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (BGH NJW 1998, 1131, 1133 m.w.Nachw.).

Der Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit wird verkannt, wenn der Verurteilung eine Äußerung zugrundegelegt wird, die so nicht gefallen ist, wenn ihr ein Sinn gegeben wird, den sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat oder wenn ihr unter mehreren objektiv möglichen Deutungen eine Auslegung gegeben wird, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind ferner verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft ist mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfG NJW 1992, 1439, 1440 m.w.Nachw.). Von einer Schmähung kann nicht ausgegangen werden, wenn die Äußerung in dem Kontext einer Sachauseinandersetzung steht. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht erfordern damit regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2005 - 1 BvR 1917/04 -, juris, Rn. 22). Hiervon kann allenfalls ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie dies möglicherweise bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter - etwa aus der Fäkalsprache - der Fall sein kann (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Dezember 2008 - 1 BvR 1318/07 -, juris, Rn. 16). Bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage liegt Schmähkritik nur ausnahmsweise vor; sie bleibt grundsätzlich auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Februar 2019 - 1 BvR 1954/17 -, Rn. 11, juris). Der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung wird nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst (BVerfG a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen gilt hier folgendes:

Die von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen sind sämtlichst Reaktionen auf den Post, den ein Dritter auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Social-Media-Plattform eingestellt hat. Dieser Post zitiert einen von der Antragstellerin getätigten Einwurf und würdigt diesen so, wie er von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Auch wenn die Antragstellerin ihren Einwurf anders verstanden wissen will, wird der knappe, die Zwischenfrage des CDU-Abgeordneten korrigierende Einwurf, wie dies der Online-Artikel der Welt vom 24.05.2015 zeigt, von der Öffentlichkeit als Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf der Landtagsfraktion der Grünen in NRW wahrgenommen. Soll aber die Ausübung von Sex mit Kindern nur noch dann unter Strafe gestellt werden, wenn Gewalt im Spiel ist, heißt dies zum einen, dass es gewaltfreien Sex mit Kindern gibt und, dass er ohne Ausübung von körperlicher und psychischer Gewalt toleriert wird. Nichts anderes drückt der zweite Halbsatz in dem Post "ist der Sex mit Kindern doch ganz ok" aus. Die Antragstellerin muss sich daher die gesamte Äußerung des ersten Satzes des Post zurechnen lassen.

Bei den Reaktionen hierauf handelt es sich sämtlichst um zulässige Meinungsäußerungen. Sie sind zwar teilweise sehr polemisch und überspitzt und zudem sexistisch. Die Antragstellerin selbst hat sich aber mit ihrem Zwischenruf, den sie bislang nicht öffentlich revidiert oder klargestellt hat, zu einer die Öffentlichkeit in ganz erheblichem Maße berührenden Frage geäußert und damit Widerstand aus der Bevölkerung provoziert. Zudem muss sie als Politikerin in stärkerem Maße Kritik hinnehmen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 09. Dezember 2014 - I-15 U 148/14 -, Rn. 33, juris).

Da alle Kommentare einen Sachbezug haben, stellen sie keine Diffamierungen der Person der Antragstellerin und damit keine Beleidigungen nach § 185 StGB dar.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

(1) Die in ein Bild von Starwars eingefügte Äußerung "Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird!" ist eine sicherlich geschmacklose Kritik, die mit dem Stimittel der Polemitik sachliche Kritik übt. Es geht dem Äußernden erkennbar nicht darum, die Antragstellerin als Person zu diffamieren, sondern an der von ihr getätigten Äußerung Kritik zu üben. Es liegt daher keine Beledigung nach § 185 StGB vor. Die Antragstellerin wird nicht, wie sie dies meint, zum Gegenstand sexueller Fantasien gemacht.

(2) Die Äußerung "Wurde diese "Dame" vielleicht als Kind ein wenig viel gef... und hat dabei etwas von ihren Verstand eingebüßt. ..." stellt wiederum eine polemische und überspitze, aber nicht unzulässige Kritik dar. Denn wie sich aus dem nachfolgenden Satz ergibt, geht es um eine auf die Äußerung der Antragstellerin bezogene Kritik. Dass die Äußerung sexualisiert ist, ist das Spiegelbild der Sexualisiertheit des Themas. Eine Diffamierung und damit eine Beleidigung nach § 185 StGB der Antragstellerin lässt sich hieraus nicht ableiten.

(3) Soweit die Antragstellerin geltend macht, es liege mit "Stück Scheisse" und "Geisteskranke" eine Formalbeleidigung vor, steht dem entgegen, dass wie sich aus dem zweiten Satz ergibt eine Auseinandersetzung in der Sache erfolgte, so dass eine Formalbeleidigung ausscheidet (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 11. Mai 2017 - 324 O 217/17 -, Rn. 17, juris).

(4) In der Bezeichnung "Pädophilen-Trulla" kann eine Beleidigung nach § 185 StGB nicht erblickt werden.

(5) Die Äußerung "Die alte hat doch einen Dachschaden die ist hol wie Schnittlauch man kann da nur noch" steht ebenfalls im Kontext der im Post wiedergegebenen Äußerung. Sie stellt eine Kritik an der Äußerung der Antragstellerin dar und nicht losgelöst von der Äußerung an der Person der Antragstellerin selbst. Daher stellt sich auch diese Äußerung nicht als eine Diffamierung der Antragstellerin und damit als Beleidigung der Antragstellerin gemäß § 185 StGB dar.

(6) In der auf den Post und damit auf die dort wiedergegebene Äußerung der Antragstellerin bezogene Äußerung "Mensch ... was bis Du Krank im Kopf!!!" kann eine Beleidgung nach § 185 StGB nicht erblickt werden.

(7) Auch der Kommentar "Pfui du altes grünes Dreckschwein ..." steht in unmittelbaren Zusammenhang zu dem Post und nimmt Bezug auf ein Zwischenruf der Antragstellerin. In diesem Zusammenhang stellt die Bezeichnung "Dreckschwein" keine Beleidigung dar.

(8) Der geschmacklose, polemische und überspitzte Kommentar "Der würde in den Kopf geschi ... War genug Platz da kein Hirn vorhanden war/ist" bezieht sich erkennbar auf die von der Antragstellerin getätigte Äußerung. Auch er stellt sich daher als sachbezogene Kritik und nicht als Diffamierung und Beleidigung nach § 185 StGB dar.

(9) Die auf den Post erfolgte Äußerung "Die ist Geisteskrank" ist eine auf die Äußerung bezogene Kritik und keine Diffamierung der Antragstellerin. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.

(10) Wie aus den Worten "bei solchen Aussagen" deutlich wird, handelt es sich bei der Aussage "Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren" um eine auf die im Post bezogene Äußerung bezogene und damit sachgebzogene Kritik. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt damit nicht vor.

(11) Die Bezeichnung der Antragstellerin als krank stellt keine Beleidigung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung dar. Der Sachbezug des Kommentars wird durch die Worte "sie weiß nicht mehr was sie redet" ohne weiteres verdeutlicht.

(12) Die Äußerung, die sind alle so krank im Kopf, stellt sich ebenfalls als Kritik an ihrer im Post wiedergegebenen Äußerung wieder, auf die dieser Kommentar erfolgte. Eine Beleidigung der Antragstellerin nach § 185 StGB kann hierin nicht erblickt werden.

(13) Auch in dem Kommentar "Schlampe" kann eine von der Äußerung im kommentierten Post losgelöste primär auf eine Diffamierung der Person der Antragstellerin und nicht auf eine Auseinandersetzung in der Sache abzielende Äußerung nicht gesehen werden. Vielmehr ist auch dieser Kommentar ein Beitrag in einer Sachauseinandersetzung.

(14) Gleiches gilt für den Kommentar "Gehirn Amputiert". Auch dieser stellt sich als Beitrag im Rahmen einer Sachauseinandersetzung dar und zielt nicht primär auf die Diffamierung der Antragstellerin. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.

(15) Für den Kommentar "Kranke Frau" gilt das zuvor unter (13) und (14) gesagte.

(16) Der Kommentar "Drecks Fotze" bewegt sich haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch hinnehmbaren. Weil das Thema, mit dem sie vor vielen Jahren durch ihren Zwischenruf an die Öffentlichkeit gegangen ist sich ebenfalls im sexuellen Bereich befindet und die damals von ihr durch den Zwischenruf aus der Sicht der Öffentlichkeit zumindest nicht kritisierte Forderung der Entpönalisierung des gewaltfreien Geschlechtsverkehrs mit Kindern erhebliches Empörungspotential in der Gesellschaft hat, ist die Kammer jedoch der Ansicht, dass die Antragstellerin als Politikerin sich auch sehr weit überzogene Kritik gefallen lassen muss. Dass mit der Aussage allein eine Diffamierung der Antragstellerin beabsichtigt ist, ohne Sachbezug zu der im kommentierten Post wiedergegebenen Äußerung ist nicht feststellbar.

Das Bild verdeutlicht die Aussage, ich muss mich gleich übergeben, was der Ausdruck von Ablehnung ist, und sich klar auf die Äußerung bezieht. Eine Beleidigung liegt hier nicht vor.

(17) Die Äußerung "Die will auch nochmal Kind sein weil sonst keiner an die Eule ran geht!" ist eine mit dem Stilmittel der Ironie ausgedrückte Kritik an der im kommentierten Post wiedergegebenen Äußerung der Antragstellerin. Die Antragstellerin wird entgegen ihrer Meinung in dem Kommentar nicht wirklich zum Objekt sexueller Vorstellungen gemacht. Sicherlich macht sich der Kommentar ein wenig über die Antragstellerin lustig, eine Beleidigung liegt aber nicht vor.

(18) Die Bezeichnung der Antragstellerin als hohle Nuß, die entsorgt gehört und als Sondermüll, stellt sich als überspitzte Kritik dar. Da sich der Kommentar erkennbar auf die im Post wiedergegebene Äußerung bezieht und damit Sachbezug hat, stellt er sich nicht als diffamierend dar. Eine Beleidigung nach § 185 StGB ist nicht gegeben.

(19) Der Kommentar "Schlamper" stellt keine Beleidigung dar. Auf die Ausführungen unter (13) und (14) wird verwiesen.

(20) Der Kommentar "Ferck du Drecksau" steht in unmittelbaren Zusammenhang zu dem Post und nimmt Bezug auf den dort wiedergegebenen Zwischenruf der Antragstellerin. In diesem Zusammenhang stellt die Äußerung "Ferck du Drecksau" keine Beleidigung dar, wobei der unbefangene Durchschnittsleser nicht erkennen kann, was der Verfasser mit "Farck" hat schreiben wollen. Es kann "verrecke" sein, wie dies die Antragstellerin meint, zwingend ist dies aber nicht, es kann ebenso gut auch "Ferckel" sein.

(21) Der Kommentar "Sie alte perverse Drecksau!!!!! Schon bei dem Gedanken an sex mit Kindern muss das Hirn weglaufen !!!!! Ich glaube, das ist bei den Grünen auch so !!!!!" nimmt Bezug auf die im kommentierten Post wiedergegebene Äußerung der Antragstellerin, an der er Kritik übt. Daher stellt sich die Äußerung Drecksau als ausfallende Kritik dar, jedoch nicht als diffamierend und beleidigend i.S.d. § 185 StGB.

(22) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin versteht der unbefangene Durchschnittsleser den Kommentar "Sie wollte auch Mal die hellste Kerze sein, Pädodreck." nicht dahingehend, dass mit "Pädodreck" die Antragstellerin bezeichnet wird. Vielmehr bezeichnet dies ihre Äußerung. Die Antragstellerin war diejenige, die sich mit dem Zwischenruft hervortun wollte, eben auch einmal die hellste Kerze sein wollte. Heraus kam "Pädodreck". Die Bezeichnung "Pädodreck" stellt sich hiermit als Kritik zu der im Post wiedergegebenen Äußerung dar. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Auskunftsanspruch gegen Instagram bei Beleidigung über Fakeaccount - Anspruch nach § 14 Abs. 3 TMG umfasst Nutzungsdaten wie E-Mail-Adresse, IP-Adressen und Nutzungszeiten

LG Frankfurt am Main
Beschluss vom
18.02.2019
2-03 O 174/18


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass ein Auskunftsanspruch gegen Instagram bei Beleidigung über ein Fakeaccount besteht. Der Anspruch nach § 14 Abs. 3 TMG umfasst auch Nutzungsdaten wie E-Mail-Adresse, IP-Adresse und Nutzungszeiten.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Antragstellerin begehrt die Gestattung einer Auskunft über Daten eines Nutzers der Beteiligten.

Die Beteiligte betreibt die Webseite www.instagram.com.

Die Antragstellerin trägt vor, dass ihr Mädchenname "H" sei. Eine ihr unbekannte Person habe bei der Beteiligten ein Profil unter ihrem Vornamen und ihrem Mädchennamen und unter Verwendung eines Bildes von ihr angemeldet (Anlage AST 1, Bl. 11 d.A.). Das Profilfoto enthalte eine Fotomontage, das sie zeige. Es würden Fotos veröffentlicht, die sie zeigen sollen.

Unter dem Profil wurden ferner die Äußerungen gemäß Anlage AST3 (Bl. 18 f. d.A.) veröffentlicht, darunter die Äußerung:

"Ich bin eine schlampe, ich bin fett und habe eine große Nase, ich bin hässlich! Alle ficken mich wenn Du eine gute sex willst, dann bitte kontaktiere mich"

Die Antragstellerin erstattete am 01.04.2018 Strafanzeige bei der Polizeidirektion Limburg-Weilburg.

Im Rahmen des Strafverfahrens erteilte die Beteiligte Auskunft gemäß Anlage AST 4 (Bl. 39 ff. d.A.). Darin sind zu dem streitgegenständlichen Profil eine E-Mail-Adresse, ein Name, die IP-Adresse, von der aus das Profil registriert wurde, und weitere IP-Adressen aufgeführt.

Die Staatsanwaltschaft Limburg stellte das Verfahren ausweislich des Schreibens gemäß Anlage AST 7 (Bl. 84 d.A.) ein. Die mitgeteilten IP-Adressen hätten in Vechta lokalisiert werden können, der Provider der IP-Adressen habe mitgeteilt, dass es sich um dynamische IP-Adressen handele und diese nicht gespeichert würden. Die mitgeteilte E-Mail-Adresse sei unter nicht verifizierten Personalien aus Kroatien angelegt worden, eine Überprüfung sei negativ verlaufen. Es sei davon auszugehen, dass die ermittelten Namen falsch seien. Weitere Ermittlungsansätze seien nicht vorhanden.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass ihr ein Gestattungsanspruch aus § 14 Abs. 3 TMG zustehe. Dessen Anwendungsbereich sei eröffnet, da die unter dem Profil veröffentlichten Inhalte die Tatbestände der §§ 185, 186, 187, 201a StGB und 33 KUG erfüllen würden. Insbesondere die streitgegenständliche Wortäußerung stelle eine Beleidigung dar. Das Hochladen der verletzenden Bilder sei nach § 186 StGB als üble Nachrede strafbar.

Der Auskunftsanspruch gegen die Beteiligte ergebe sich zusätzlich aus den §§ 242 BGB, 24 BDSG.

Es sei unklar, ob die von der Beteiligten im Strafverfahren gegebenen Auskünfte vollständig seien. Es sei davon auszugehen, dass der Beteiligten eine Vielzahl an Daten zu dem Account vorliegen würden, die eine Übermittlung ermöglichen könnten. Es verwundere, weshalb die Beteiligte nicht mitteilen wolle, ob sie der Staatsanwaltschaft Limburg alle ihr vorliegenden Daten zu dem streitgegenständlichen Account übermittelt habe. Die Antragstellerin könne nicht wissen, welche Daten noch von der Beteiligten vorgehalten werden.

Die Antragstellerin beantragt,

der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über die Bestandsdaten des auf der Plattform www.instagram.com registrierten Nutzers unter dem Nutzernamen "s" (https://www.instagram.com/s) durch Angabe der folgenden, bei der Beteiligten gespeicherten Daten:

IP-Adressen, die von dem Nutzer für das Hochladen und Versenden des Videos und der Bilddatei sowie das Versenden der Nachrichten verwendet wurden, nebst genauem Zeitpunkt des Hochladens unter Angabe des Datums und der Uhrzeit inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone (Uploadzeitpunkt),

Namen des Nutzers,

E-Mail-Adresse des Nutzers,

IP-Adressen, die von dem Nutzer zuletzt für einen Zugriff auf sein Nutzerkonto unter dem Nutzernamen "s" verwendet wurden, nebst genauem Zeitpunkt des Zugriffs unter Angabe des Datums und der Uhrzeit inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone (Zugriffszeitpunkt).

Die Beteiligte begehrt die Zurückweisung des Antrages.

Die Beteiligte trägt vor, dass die Antragstellerin keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen habe, die es der Beteiligten ermöglichen würden, den verfahrensgegenständlichen Account mit hinreichender Sicherheit zu lokalisieren. Außerdem mache die Antragstellerin die Verletzung von Rechten gelten, die nicht in den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 3 TMG fallen würden, namentlich Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild. Die Antragstellerin könne die Herausgabe von IP-Adressen nicht verlangen, da nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 3 TMG nur diejenigen Daten angefragt werden dürften, die zur Durchsetzung von Zivilklagen erforderlich sein. Hierunter würden nur die Angaben gemäß §§ 253 Abs. 2 Nr. 1 und 130 Nr. 1 ZPO fallen, also die Bezeichnung der Partei und der Wohnort des Beklagten.

Die Anlagen AST 1, 2 und 3 seien kaum leserlich. Darüber hinaus habe die Antragstellerin nicht zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgetragen.

Die Antragstellerin habe diejenigen Auskünfte erhalten, die sie im vorliegenden Verfahren begehre. Der Antrag sei dementsprechend erledigt. Die Angabe von IP-Adressen sei auch nicht erforderlich, da der Access Provider mitgeteilt habe, dass er die Daten nicht speichere.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin, der darauf gerichtet ist, es der Beteiligten gemäß § 14 Abs. 3 TMG zu gestatten, Auskunft über Bestands- und Verkehrsdaten zu erteilen, ist begründet.

Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 TMG, der weiterhin gilt (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 06.09.2018 - 16 W 27/18, BeckRS 2018, 23780), ist eröffnet. Die Regelung lautet in ihrer Neufassung:

"(3) Der Diensteanbieter darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist."

§ 1 Abs. 3 des dort in Bezug genommenen NetzDG lautet:

"Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind."

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Die Beteiligte ist als Betreiberin des sozialen Netzwerks "Instagram" passivlegitimiert.

Die Kammer sieht es als hinreichend glaubhaft gemacht an, dass der Mädchenname der Antragstellerin "H" lautet und das streitgegenständliche Profil deshalb unter ihrem Namen registriert wurde. Hierbei stützt sich die Kammer einerseits auf die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen der Staatsanwaltschaft Limburg und andererseits auf den im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens vorgelegten Mietvertrag, der ebenfalls auf eine Person mit diesem Nachnamen lautet.

Die hier streitgegenständlichen Inhalte unterfallen auch den Strafnormen des § 1 Abs. 3 NetzDG, insbesondere sind sie beleidigender Natur, § 185 StGB. Wenn die Beteiligte sich auf den Standpunkt stellt, dass die Antragstellerin auch solche Normen geltend mache, die nicht unter § 1 Abs. 3 NetzDG fallen, ist nicht ersichtlich, inwiefern das am Ergebnis etwas ändern soll.

Die von der Antragstellerin vorgelegten Anlagen sind auch hinreichend leserlich bzw. erkennbar. Dass die Beteiligte den Account nicht identifizieren könne und die Antragstellerin angeblich keine URL genannt habe, ist für die Kammer angesichts des Antrags und der Anlage ASt4 nicht nachvollziehbar. Hierauf hat die Kammer mit Hinweis vom 26.11.2018 hingewiesen.

Die Antragstellerin kann ferner Gestattung im Hinblick auf die Erteilung der Auskunft von IP-Adressen verlangen. Denn entgegen der Auffassung der Beteiligten sind diese Daten als Nutzungsdaten aufgrund der Verweisung in § 15 Abs. 5 S. 4 TMG ebenfalls erfasst (vgl. Spindler/Schmitz, TMG, 2. Aufl. 2018, § 14 Rn. 55), der Verweis der Beteiligten auf die Kommentierung zu § 14 Abs. 1 TMG geht daher fehl. Der Gesetzgeber hat - wie der Verweis zeigt - gerade keine Beschränkung auf die Daten gemäß §§ 253, 130 ZPO, also Name und Anschrift, beabsichtigt bzw. geregelt.

Das Verfahren ist entgegen der Auffassung der Beteiligten auch nicht erledigt. Dies gilt auch mit Blick auf die von der Antragstellerin vorgelegte Anlage ASt4, die die Auskunft der Beteiligten gegenüber der Staatsanwaltschaft inklusive eines Namens und einer E-Mail-Adresse beinhaltet.

Die Antragstellerin hat wiederholt darauf hingewiesen, dass unklar sei, ob die Beteiligte im Strafverfahren vollständig Auskunft erteilt hat. Auch die Kammer hat unter dem 26.11.2018 (Bl. 86 d.A.) darauf hingewiesen, dass die Beteiligte sich insofern bisher nicht erklärt habe. Die Angabe im Schriftsatz vom 02.11.2018, Rn. 7, ist insoweit zumindest missverständlich. Damit bleibt letztlich unklar, über welche Daten die Beteiligte (eventuell über die gemäß Anlage ASt4 hinausgehend) verfügt. Darüber hinaus stammen die IP-Adressen gemäß Anlage ASt4 aus dem Zeitraum bis April 2018, so dass nicht auszuschließen ist, dass zwischenzeitig weitere Daten in Form von IP-Adressen angefallen sind. Diese IP-Adressen können ggf. auch einem Anschluss zugeordnet werden, wenn der Zugriff z.B. über einen anderen Access Provider erfolgte, der IP-Adressen speichert.

Wenn aber unklar ist, ob die Beteiligte alle ihr zur Verfügung stehenden und von §§ 14, 15 TMG erfassten Daten zu dem streitgegenständlichen Profil herausgegeben hat, ist von einer Erledigung nicht auszugehen. Denn wesentlich für die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs ist die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung, dass weitere als alle von den bisher erteilten Einzelauskünften erfassten Informationen nicht vorliegen (vgl. BGH NJW 2014, 3647 [BGH 22.10.2014 - XII ZB 385/13] Rn. 18). Diesen Grundsatz wendet die Kammer vorliegend auch auf die Gestattung der Erteilung einer Auskunft nach § 14 Abs. 3 TMG an. Die Beteiligte hat durch ihr Verhalten gerade weder ausdrücklich noch konkludent zu erkennen gegeben, ob sie die begehrte Auskunft vollständig erfüllt hat oder nicht.

Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass der geltend gemachte Auskunftsanspruch auch gemäß den §§ 242 BGB, 24 BDSG begründet sei, war dies im vorliegenden Gestattungsverfahren gemäß § 14 Abs. 3 TMG nicht zu prüfen.

Soweit die Beteiligte darauf verweist, dass die Antragstellerin zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vorgetragen habe, verkennt sie, dass diese Auskünfte nicht der Beteiligten, sondern dem Gericht vorzulegen sind, § 117 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 4 S. 6 TMG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 3 ZPO."


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BVerfG: Verpflichtung des E-Mail-Providers zur Übermittlung von IP-Adressen an Ermittlungsbehörden ist verfassungskonform

BVerfG
Beschluss vom 20.12.2018
2 BvR 2377/16

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Verpflichtung des E-Mail-Providers zur Übermittlung von IP-Adressen an Ermittlungsbehörden einer ordnungsgemäß angeordneten Telekommunikationsüberwachung verfassungskonform ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des Bundesverfassunsgerichts:

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Verpflichtung zur Übermittlung von IP-Adressen

Es verstößt nicht gegen das Grundgesetz, dass der Anbieter eines E-Mail-Dienstes im Rahmen einer ordnungsgemäß angeordneten Telekommunikationsüberwachung verpflichtet ist, den Ermittlungsbehörden die Internetprotokolladressen (im Folgenden: IP-Adressen) der auf ihren Account zugreifenden Kunden auch dann zu übermitteln, wenn er seinen Dienst aus Datenschutzgründen so organisiert hat, dass er diese nicht protokolliert. Dies hat die 3. Kammer des Zweiten Senats mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und die Verfassungsbeschwerde eines solchen Diensteanbieters nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung hat sie angeführt, dass das auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich schützenswerte Anliegen, ein datenschutzoptimiertes Geschäftsmodell anzubieten, nicht von der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, die dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege Rechnung tragen, entbinden kann.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer betreibt einen E-Mail-Dienst, der mit einem besonders effektiven Schutz der Kundendaten wirbt und sich den Grundsätzen der Datensicherheit und der Datensparsamkeit verpflichtet sieht. Er erhebt und speichert Daten nur dann, wenn dies aus technischen Gründen erforderlich oder - aus seiner Sicht - gesetzlich vorgesehen ist. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Mit Beschluss vom 25. Juli 2016 ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 100a, 100b StPO in der damals geltenden Fassung die Sicherung, Spiegelung und Herausgabe aller Daten, die auf den Servern des Dienstes bezüglich des betreffenden E-Mail-Accounts elektronisch gespeichert sind, „sowie sämtlicher bezüglich dieses Accounts künftig anfallender Daten“ an. Das Landeskriminalamt gab dem Beschwerdeführer die angeordnete Überwachungsmaßnahme sowie den zu überwachenden Account bekannt. Daraufhin richtete der Beschwerdeführer die Telekommunikationsüberwachung ein, wies jedoch darauf hin, dass Verkehrsdaten der Nutzer nicht „geloggt“ würden und solche Daten inklusive der IP-Adressen deshalb nicht zur Verfügung gestellt werden könnten, sie seien nicht vorhanden. Der Annahme der Staatsanwaltschaft, die IP-Adressen seien beim Anbieter vorhanden, widersprach der Beschwerdeführer unter Darstellung seiner Systemstruktur. Er trenne sein internes Netz über ein sogenanntes NAT-Verfahren (Network Address Translation), bei dem die Adressinformationen in Datenpaketen automatisiert durch andere ersetzt würden, aus Sicherheitsgründen strikt vom Internet ab. Die IP-Adressen der Kunden würden daher bereits an den Außengrenzen des Systems verworfen und seien dem Zugriff des Beschwerdeführers entzogen. Mit Beschluss vom 9. August 2016 setzte das Amtsgericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro, ersatzweise sieben Tage Ordnungshaft, gegen den Beschwerdeführer fest. Aufgrund des Beschlusses vom 25. Juli 2016 sei der Beschwerdeführer verpflichtet, zukünftig die Verkehrsdaten und insbesondere die IP-Adressen zu erheben. Das Landgericht verwarf die hiergegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 1. September 2016 als unbegründet. Im November 2016 teilte das Landeskriminalamt dem Beschwerdeführer mit, dass die Überwachung des Anschlusses abgeschaltet werden könne. Das Ordnungsgeld wurde schließlich bezahlt.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung richtet, ist sie jedenfalls unbegründet. Zwar greift die Festsetzung des Ordnungsgeldes in die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung des Beschwerdeführers ein. Die Annahme des Landgerichts, der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sei nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften gerechtfertigt, begegnet jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs erkennen lässt. Dabei muss der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich sind. Je stärker in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird, desto deutlicher muss das gesetzgeberische Wollen zum Ausdruck kommen. Danach ist ein Grundrechtsverstoß nicht ersichtlich. Die Fachgerichte haben die Vorschriften über die Mitwirkungs- und Vorhaltungspflichten von Telekommunikationsdiensteanbietern in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise ausgelegt. Sie durften ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer verpflichtet war seinen Betrieb so zu gestalten, dass er den Ermittlungsbehörden die am überwachten Account vom Zeitpunkt der Anordnung an anfallenden externen IP-Adressen zur Verfügung stellen kann. Denn die Überwachung der Telekommunikation im Sinne von § 100a StPO erfasst nicht nur die Kommunikationsinhalte, sondern auch die näheren Umstände der Telekommunikation einschließlich der fraglichen IP-Adressen.

1. Die - verfassungskonforme - Vorschrift des § 100a StPO ermächtigt zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation. Vor dem Hintergrund des „weiten“ Telekommunikationsbegriffs unterfällt der Zugriff auf E-Mail-Kommunikation, jedenfalls soweit es sich um die Übertragung der Nachricht vom Gerät des Absenders über dessen Mailserver auf den Mailserver des E-Mail-Providers und um den späteren Abruf der Nachricht durch den Empfänger handelt, unstrittig dem Anwendungsbereich des § 100a StPO.

Vom Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG sind aber nicht nur die Kommunikationsinhalte, sondern auch die näheren Umstände der Telekommunikation erfasst. Vor diesem Hintergrund betrifft die Überwachung der Telekommunikation gemäß § 100a StPO auch die Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG, soweit diese im Rahmen der zu überwachenden Telekommunikation anfallen. Zu den Verkehrsdaten in diesem Sinne gehören auch und gerade die anfallenden IP-Adressen. Diese werden dementsprechend in § 96 Abs. 1 Satz 1 TKG als Nummern der beteiligten Anschlüsse oder Einrichtungen aufgeführt. Dynamische oder statische IP-Adressen, mit denen die Kunden eines Anbieters von E-Mail-Diensten mit ihren internetfähigen Endgeräten auf ihren E-Mail-Account zugreifen wollen, unterfallen daher grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 100a StPO.

Der Umstand, dass die Überwachung des E-Mail-Verkehrs im Rahmen einer Anordnung nach § 100a StPO auch die bezeichneten IP-Adressen umfasst, bedeutet allerdings nicht schon zwangsläufig, dass der Beschwerdeführer als Betreiber einer Telekommunikationsanlage verpflichtet ist, Vorkehrungen zu treffen, um den Ermittlungsbehörden auch und gerade diese IP-Adressen zur Verfügung zu stellen. § 100b Abs. 3 Satz 2 StPO a. F. verweist insoweit auf die Vorschriften des TKG und der TKÜV.

Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG besteht für Betreiber von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten die Verpflichtung, ab dem Zeitpunkt der Betriebsaufnahme auf eigene Kosten technische Einrichtungen zur Umsetzung der Telekommunikationsüberwachung vorzuhalten und die entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen für deren unverzügliche Umsetzung zu treffen. Die grundlegenden technischen Anforderungen und organisatorischen Eckpunkte für die Umsetzung der Überwachungsmaßnahmen regelt dabei die auf Grundlage der Ermächtigung in § 110 Abs. 2 TKG erlassene TKÜV. Danach unterliegt auch der Beschwerdeführer der Vorhaltungsverpflichtung; dass die in § 3 Abs. 2 TKÜV vorgesehenen Ausnahmen für bestimmte Arten von Telekommunikationsanlagen eingreifen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Umfang der bereitzustellenden Daten bestimmt sich nach § 5 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 TKÜV. Gemäß § 5 Abs. 1 TKÜV besteht die zu überwachende Telekommunikation - dem weiten Telekommunikationsbegriff des § 100a StPO entsprechend - aus dem Inhalt und den Daten über die näheren Umstände der Telekommunikation. Nach Absatz 2 der Vorschrift hat der Verpflichtete eine vollständige Kopie der Telekommunikation bereitzustellen, die über seine Telekommunikationsanlage abgewickelt wird. Als Teil dieser Überwachungskopie hat der Verpflichtete gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 4 TKÜV schließlich auch die bei ihm vorhandenen Daten über eine gewählte Rufnummer oder eine andere Adressierungsangabe bereitzustellen. Nach dem Sprachgebrauch des TKG unterfallen die bei einer Telekommunikation anfallenden IP-Adressen dabei ohne weiteres dem Begriff „andere Adressierungsangabe“, denn sie dienen gerade der Adressierung, also dem Erreichen oder Auffinden eines bestimmten Ziels im Internet. So unterfallen IP-Adressen unstrittig der Legaldefinition des § 3 Nr. 13 TKG, wonach Nummern im Sinne des TKG Zeichenfolgen sind, die in Telekommunikationsnetzen Zwecken der Adressierung dienen.

Es ist auch jedenfalls verfassungsrechtlich vertretbar anzunehmen, die Daten seien beim Beschwerdeführer vorhanden im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 TKÜV und von diesem als Teil der vollständigen Kopie der überwachten, über seine Telekommunikationsanlage abgewickelten Telekommunikation bereitzustellen. Schon aus der von ihm beschriebenen Systemstruktur ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die öffentlichen IP-Adressen seiner Kunden wenigstens für die Dauer der Kommunikation speichern muss, da er ansonsten die abgerufenen Datenpakete seinen Kunden gar nicht übersenden könnte. Jedenfalls fallen die Daten beim Zugriff auf den überwachten E-Mail-Account an, sind der Telekommunikationsanlage des Beschwerdeführers wenigstens zeitweise bekannt und werden von dieser auch zur Herstellung einer erfolgreichen Kommunikation mit dem anfragenden Kunden benutzt.

Die Überwachung der ‑ künftigen - Telekommunikation gemäß § 100a StPO ist - anders als die Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100g StPO - auch nicht auf die Verkehrsdaten beschränkt, die nach § 96 Abs. 1 TKG vom Diensteanbieter zulässigerweise erhoben werden dürfen.

Dass der Beschwerdeführer auf die externen IP-Adressen - derzeit - nicht zugreifen kann, steht dem nicht entgegen. Denn dies liegt nicht daran, dass die Daten an sich nicht vorhanden wären, sondern allein daran, dass sich der Beschwerdeführer aus Datenschutzgründen dazu entschlossen hat, diese vor seinen internen Systemen zu verbergen und sie nicht zu protokollieren. Das ist indes allein dem vom Beschwerdeführer bewusst gewählten Geschäfts- und Systemmodell geschuldet. Zwar erscheint das Anliegen des Beschwerdeführers, ein datenschutzoptimiertes und daher für viele Nutzer attraktives Geschäftsmodell anzubieten, auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich durchaus schützenswert. Dies kann ihn jedoch nicht von den im Rahmen einer vertretbaren Auslegung gewonnen Vorgaben des TKG und der TKÜV, die dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege Rechnung tragen, entbinden.

Diesem Ergebnis steht schließlich auch nicht entgegen, dass sich die bereitzustellenden Daten nach der im Rahmen der Neubekanntmachung der TKÜV vom 11. Juli 2017 neu eingefügten Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 TKÜV nunmehr ausdrücklich auch auf die der Telekommunikationsanlage des Verpflichteten bekannten öffentlichen IP-Adressen der beteiligten Nutzer erstrecken. Denn diese Neuregelung lässt jedenfalls keinen verfassungsrechtlich zwingenden Schluss darauf zu, dass die fraglichen IP-Adressen bislang aus dem Kreis der bereitzustellenden Daten ausgenommen gewesen wären. Vielmehr kommt dem neu eingefügten § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 TKÜV ersichtlich eine klarstellende Funktion zu.

2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verdrängt § 100g Abs. 1 StPO, soweit die (Echtzeit-)Überwachung künftiger Telekommunikation betroffen ist, die Vorschrift des § 100a StPO nicht.

3. Gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes in Höhe von 500 Euro ist im konkreten Fall von Verfassungs wegen ebenfalls nichts zu erinnern.



OLG Frankfurt: Betroffene haben gegen Facebook keinen Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten des Facebook-Messengerdienstes - Gesetzesgrundlage fehlt

OLG Frankfurt
Beschluss vom 06.09.2018
16 W 27/18


Das OLG Frankfur hat entschieden, dass Betroffene gegen Facebook keinen Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten des Facebook-Messengerdienstes haben. Es fehlt - so das Gericht - an einer entsprechenden Gesetzesgrundlage.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Keine Gesetzesgrundlage für Herausgabe von Nutzerdaten des Facebook-Messengerdienstes an Betroffene

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden, dass ein Betroffener von (möglicherweise) rechtswidrigen Inhalten, die über den Facebook-Messengerdienst verschickt wurden, keine gerichtliche Erlaubnis verlangen kann, dass ihm Facebook die Nutzerdaten des Versenders mitteilt. Nutzerdaten dürften an Betroffene nach § 14 TMG nur im Zusammenhang mit Inhalten von sozialen Netzwerken herausgegeben werden. Der Messenger diene dagegen dem privaten Austausch.
Die Antragstellerin verlangt von der Beteiligten (Facebook) Auskunft über Nutzerdaten. Facebook betreibt neben der Webseite www.facebook.com auch einen Messenger-Dienst (Messenger). Über diesen Messenger können private Nachrichten an bestimmte Personen oder Gruppen geschickt werden. Die Nutzer müssen dafür nicht bei Facebook angemeldet sein. Alle bei Facebook angemeldeten Nutzer können dagegen über den Messenger angeschrieben werden.

Die Antragstellerin wendet sich gegen kompromittierende Nachrichten, die von drei verschiedenen Nutzerkonten über den Messenger an ihre Freunde und Familienangehörige verschickt wurden. Sie hatte zunächst vergeblich von Facebook die Löschung der Beiträge verlangt. Nunmehr begehrt sie, dass es facebook gerichtlich erlaubt wird, ihr Auskunft über die Bestandsdaten der Nutzer, ihre Namen, E-Mail-Adressen und IP-Adressen zu erteilen.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das OLG stellt fest, dass nach der gegenwärtigen Gesetzeslage die begehrte datenschutzrechtliche Erlaubnis zur Herausgabe der Nutzerdaten an die Antragstellerin deshalb nicht bestehe, da es sich bei dem Messenger um ein Mittel der Individualkommunikation handele. Zwar sei § 14 Abs. 3 TMG auf Facebook anwendbar, soweit es um Kommunikation in seinem sozialen Netzwerk gehe. Der Messenger diene jedoch – vergleichbar mit WhatsApp – dem privaten Austausch.

§ 14 Abs. 3 TMG erfasse gegenwärtig nur solche Diensteanbieter, die ein soziales Netzwerk im Sinne von § 1 Abs. 1 NetzDG betreiben. Dafür spreche sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch der Willen des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung zu § 1 NetzDG heiße es zwar, dass der „oft aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt(en)“ „Debattenkultur im Netz“ zu begegnen sei. Gleichzeitig habe der Gesetzgeber jedoch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Individualkommunikation von dem Anwendungsbereich des NetzDG ausgenommen werde. Auch die Verknüpfungsoption des Messengers mit anderen Facebook-Diensten und die Möglichkeit, Nachrichten anonym zu versenden, führe nicht zum Charakter eines sozialen Netzwerks. Zwar erleichtere die Interaktion mit anderen Facebook-Diensten, mit einer Vielzahl von Empfängern ohne großen Aufwand zu kommunizieren. Allein die Möglichkeit, private Nachrichten an einen großen Empfängerkreis zu versenden, führe jedoch nicht zur Annahme eines sozialen Netzwerkes. Ein soziales Netzwerk müsse vielmehr dazu „bestimmt“ sein, „beliebige Inhalte mit anderen Nutzern zu teilen oder zugänglich zu machen“. Das OLG resümiert insoweit: „Messenger erfüllt eine andere Funktion, nämlich die der privaten Kommunikation“.
§ 14 Abs. 3 TMG verdränge auch als speziellere Regelung die allgemeine datenschutzrechtliche Möglichkeit nach § 24 BDSG, Auskunft über Daten zu erteilen. Bei der Umsetzung der DS-GVO und Anpassung des BDSG sei der Gesetzgeber explizit davon ausgegangen, dass weiterer Anpassungsbedarf bestehe, der gesonderte Gesetzesvorhaben erfordere. Das TMG sei bislang indes nicht novelliert und damit in seiner bestehenden Form anzuwenden.

Es sei allerdings nicht zu verkennen, dass dieses Ergebnis für die Antragstellerin unbefriedigend sei. Betroffenen stehe gegenwärtig kein spezieller datenschutzrechtlicher Anspruch zur Seite; ein allgemeiner Auskunftsanspruch nach „Treu und Glauben“ sei fraglich. „Insoweit könnte der Gesetzgeber aufgerufen sein, gegebenenfalls ein Auskunftsanspruch entsprechend der Regelung in § 101 UrhG zu kodifizieren“, deutet das OLG abschließend an.

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen, da die Fragen im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken bislang höchstrichterlich nicht geklärt und von grundsätzlicher Bedeutung seien.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.09.2018, Az. 16 W 27/18
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.04.2018, Az. 2-03 O 430/17)

§ 14 TMG Bestandsdaten
(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten eines Nutzers nur erheben und verwenden, soweit sie für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind (Bestandsdaten).
...
(3) Der Diensteanbieter darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist.

§ 1 NetzDG Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). 2Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. 3Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.
...


OLG Frankfurt: Anlasslose Speicherung von IP-Daten über einen Zeitraum von 7 Tagen zur Ermittlung von Störungen nach § 100 Abs. 1 TKG zulässig

OLG Frankfurt
Urteil vom 28.08.2013
13 U 105/07


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die anlasslose Speicherung von IP-Daten durch den Provider über einen Zeitraum von 7 Tagen zur Ermittlung von Störungen nach § 100 Abs. 1 TKG zulässig ist.

Siehe zu diesem Verfahren auch: BGH, Urteil vom 13.01.2011 -III ZR 146/10 - Speicherung dynamischer IP-Adressen: Zur Zulässigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen zu Abrechnungszwecken


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Zur Zulässigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen zu Abrechnungszwecken

BGH
Urteil vom 13.01.2011
III ZR 146/10
Speicherung dynamischer IP-Adressen
TKG § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 100 Abs. 1



Leitsätze des BGH:
a) Zu den Voraussetzungen für die Befugnis, dynamische IP-Adressen zum Zweck der Entgeltermittlung und Abrechnung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 TKG zu speichern.

b) Die Befugnis zur Speicherung von IP-Adressen zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen gemäß § 100 Abs. 1 TKG setzt nicht voraus, dass im Einzelfall bereits Anhaltspunkte für eine Störung oder einen Fehler vorliegen. Es genügt vielmehr, dass die in Rede stehende Datenerhebung und -verwendung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig ist, um abstrakten Gefahren für die Funktionstüchtigkeit des Telekommunikationsbetriebs entgegenzuwirken.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmsta

Den Volltext der Entscheidung finden Sie<a href="http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=54979&pos=3&anz=642"> hier: