Die EU-Kommission kommt nach vorläufiger Einschätzung zu dem Ergebnis, dass die Kontoverifizierung durch X / Twitter allein durch Abschluss eines kostenpflichtigen Abos gegen den Digital Services Act (DSA) verstößt.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission übermittelt X vorläufige Feststellungen wegen Verstoßes gegen das Gesetz über digitale Dienste
Die Kommission hat X heute von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass sie in Bereichen im Zusammenhang mit Dark Patters, Transparenz der Werbung und Datenzugang für Forscher gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt.
Transparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf die Moderation von Inhalten und Werbung stehen im Mittelpunkt des Gesetzes über digitale Dienste. Auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung, die unter anderem die Analyse interner Unternehmensunterlagen, Befragungen von Sachverständigen und die Zusammenarbeit mit den nationalen Koordinatoren für digitale Dienste umfasste, hat die Kommission in drei Fällen vorläufig festgestellt, dass die Vorschriften nicht eingehalten wurden:
Erstens gestaltet und betreibt X seine Schnittstelle für die „verifizierten Konten“ mit dem „Blue Checkmark“ in einer Weise, die nicht der Branchenpraxis entspricht und die Nutzer täuscht. Da jedermann einen solchen „überprüften“ Status abonnieren kann, beeinträchtigter die Fähigkeit der Nutzer, freie und fundierte Entscheidungen über die Authentizität der Konten und die Inhalte, mit denen sie interagieren, zu treffen. Es gibt Belege für motivierte böswillige Akteure, die das „verifizierte Konto“ missbrauchen, um Nutzer zu täuschen.
Zweitens hält X nicht die erforderliche Transparenz in Bezug auf Werbung ein, da es kein durchsuchbares und zuverlässiges Werbearchiv bietet, sondern Gestaltungsmerkmale und Zugangsbarrieren einrichtet, die das Repository für seine Transparenzzwecke gegenüber den Nutzern ungeeignet machen. Insbesondere ermöglicht das Design nicht die erforderliche Überwachung und Erforschung neu auftretender Risiken, die sich aus dem Online-Vertrieb von Werbung ergeben.
Drittens gewährt X Forschern keinen Zugang zu seinen öffentlichen Daten gemäß den im Gesetz über digitale Dienste festgelegten Bedingungen. Insbesondere untersagt X förderfähigen Forschern, unabhängig auf seine öffentlichen Daten zuzugreifen, z. B. durch Verschrotten, wie in seinen Nutzungsbedingungen angegeben. Darüber hinaus scheint das Verfahren von X, förderfähigen Forschern Zugang zu seiner Anwendungsprogrammierschnittstelle (API) zu gewähren, Forscher von der Durchführung ihrer Forschungsprojekte abzuhalten oder ihnen keine andere Wahl zu lassen, als unverhältnismäßig hohe Gebühren zu zahlen.
Mit der Übermittlung der vorläufigen Feststellungen teilt die Kommission X ihren vorläufigen Standpunkt mit, dass sie gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt. Dies greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor, da X nun die Möglichkeit hat, seine Verteidigungsrechte auszuüben, indem sie die Unterlagen in der Untersuchungsakte der Kommission prüft und schriftlich auf die vorläufigen Feststellungen der Kommission antwortet. Parallel dazu wird das Europäische Gremium für digitale Dienste konsultiert.
Sollte sich die vorläufige Auffassung der Kommission letztlich bestätigen, würde die Kommission einen Verstoßbeschluss erlassen, in dem sie feststellt, dass X gegen die Artikel 25, 39 und 40 Absatz 12 des Gesetzes über digitale Dienste verstößt. Eine solche Entscheidung könnte zu Geldbußen von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des Anbieters führen und den Anbieter anweisen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß zu beheben. Eine Entscheidung wegen Nichteinhaltung kann auch einen erweiterten Überwachungszeitraum auslösen, um die Einhaltung der Maßnahmen sicherzustellen, die der Anbieter zu ergreifen beabsichtigt, um den Verstoß zu beheben. Die Kommission kann auch Zwangsgelder verhängen, um eine Plattform zur Einhaltung der Vorschriften zu zwingen.
Hintergrund
X, vormals Twitter, wurde am 25. April 2023 im Rahmen des EU-Gesetzes über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform (VLOP) benannt, nachdem sie erklärt hatte, monatlich mehr als 45 Millionen aktive Nutzer in der EU zu erreichen.
Am 18. Dezember 2023 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren ein, um zu prüfen, ob X möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste in Bereichen verstoßen hat, die mit der Verbreitung illegaler Inhalte und der Wirksamkeit der zur Bekämpfung der Informationsmanipulation ergriffenen Maßnahmen zusammenhängen, für die die Untersuchung fortgesetzt wird, sowie Dark Patterns, Transparenz der Werbung und Datenzugang für Forscher, die Gegenstand der heute angenommenen vorläufigen Feststellungen sind.
Die Kommission hat auch ein Whistleblower-Tool eingerichtet, das es Mitarbeitern und anderen Personen mit Wissen ermöglicht, sich anonym mit der Kommission in Verbindung zu setzen, um zur Überwachung der Einhaltung durch die Kommission durch benannte sehr große Online-Plattformen/VLOSE beizutragen.
Darüber hinaus hat die Kommission im Februar und April 2024 ein förmliches Verfahren gegen TikTok, AliExpress im März 2024 und Meta im April und Mai 2024 eingeleitet.
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Plattformbetreiber wie Facebook / Meta bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Inhalte und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Facebook - Löschverpflichtung von rechtswidrig geposteten Inhalten
Nach Kenntnis rechtswidriger geposteter Inhalte muss Plattformbetreiber auch sinn- bzw. kerngleiche Posts löschen.
Die konkrete Kenntnis eines rechtsverletzenden Posts (hier: Falschzitat) verpflichtet einen Plattformbetreiber - hier Meta -, auch andere sinngleiche Äußerungen zu löschen. Der Umstand, dass die Bewertung automatisiert aufgefundener sinngleicher Äußerungen teilweise einer kontextgebundenen menschlich-händischen Überprüfung bedarf, führt nicht zur Unzumutbarkeit. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte mit heute verkündeter Entscheidung den eingeklagten Unterlassungsanspruch.
Die Klägerin ist Politikerin und für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Sie wendet sich u.a. gegen ein sog. Meme, das über die von der Beklagten betriebene Plattform Facebook gepostet wurde. Es zeigt die Klägerin mit Bild und unter Nennung ihres Vor- und Zunamens sowie der als Zitat gekennzeichneten Äußerung: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“. Diese Äußerung hat die Klägerin unstreitig nie getätigt.
Das Landgericht hatte die Beklagte hinsichtlich dieses Meme verpflichtet, es zu unterlassen, identische oder kerngleiche Inhalte auf der Plattform öffentlich zugänglich zu machen und sie zudem zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 € verurteilt.
Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung, nicht aber hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung Erfolg.
Das Landgericht habe der Klägerin zutreffend einen Unterlassungsanspruch zuerkannt, bestätigte das OLG. Das Falschzitat stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Es verletze sie in ihrem Recht am eigenen Wort.
Die Beklagte hafte als so genannte mittelbar verantwortliche Störerin auch dafür, dass sie es zu unterlassen habe, alle weiteren identischen oder kern- bzw. sinngleichen Posts zu diesem Post zu löschen, betonte das OLG. Durch die mit anwaltlichem Schreiben erfolgte Übermittlung der konkreten URLs hinsichtlich der von der Klägerin angegriffenen Posts habe die Beklagte unmittelbar Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Zudem werde in dem Schreiben definiert, was die Klägerin unter sinngleich verstehe. Diese Kenntnis und Information habe eine Prüf- und Verhaltenspflicht hinsichtlich der Existenz sinngleicher Inhalte ausgelöst, die ebenfalls zu löschen gewesen wären.
Die Beklagte treffe - nach der E-Commerce-Richtlinie - zwar keine allgemeine Überwachungs- und aktive Nachforschungspflicht hinsichtlich rechtswidriger Inhalte. Die konkrete Kenntnis der Rechtsverletzung verpflichte die Beklagte jedoch, künftig derartige Störungen zu verhindern. Dies gelte nicht nur für wortgleiche Inhalte, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung seien.
Bei der Nachforschung nach derartigen sinngleichen Äußerungen müsse zwar nach der Rechtsprechung des EuGH aus Gründen der Zumutbarkeit auf „automatisierte Techniken und Mittel“ zurückgegriffen werden können. Dies sei hier jedoch auch grundsätzlich der Fall. Der Umstand, dass es in Fällen der Wiedergabe des Meme mit eigenen Zusätzen (sog. Caption) einer Sinndeutung bedürfe, so dass nicht rein automatisiert vorgegangen werden könne, stehe dem nicht entgegen. Der Senat fordere keine - europarechtswidrige - autonome rechtliche Prüfung des Inhalts solcher Posts, die sich vom Ursprungspost lösen. Der Beklagten werde nur die Beurteilung auferlegt, ob die Unterschiede aufgrund der abweichenden Gestaltung gegenüber dem Meme nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Empfängers bewirkten, dass erkennbar werde, dass ein Falschzitat vorliege oder nicht. Diese menschlich-händische Einzelfallbewertung sei in Kombination mit technischen Verfahren automatisch erkannter bereits hochgeladener Inhalte zumutbar. Im Übrigen könne mithilfe des Einsatzes sog. KI-Systeme eine weitere automatische Vorfilterung erfolgen.
Der Klägerin stehe jedoch kein Anspruch auf Geldentschädigung zu. Dabei könne offenbleiben, ob bei einer hartnäckigen Verweigerung, einem Unterlassungsanspruch nachzukommen, ein solcher Anspruch begründet sei. Hier fehle es jedenfalls an einer solchen hartnäckigen Verweigerung.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte als sog. Hostprovider eine Prüf- und Verhaltenspflicht in Bezug auf sinngleiche Inhalte treffe, die Revision zugelassen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.1.2024, Az. 16 U 65/22
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 8.4.2022, Az. 2-03 O 188/21)
Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Digital Services Acts (DSA) - Stand 15.01.2024 vorgelegt.
Aus dem Entwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze
A. Problem und Ziel
Am 16. November 2022 ist die Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG in Kraft getreten (im Folgenden „DSA“ [= Digital Services Act]). Der DSA gilt ab dem 17. Februar 2024. Mit dem DSA wird ein horizontaler Rechtsrahmen, also ein einheitlicher Rechtsrahmen für alle Kategorien digitaler Vermittlungsdienste, geschaffen.
Ziel des DSA ist es, für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) einheitliche horizontale Regeln festzulegen für ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Umfeld, in dem die in der EU-Grundrechtecharta verankerten Grundrechte, darunter der Verbraucherschutz, wirksam geschützt werden. Zudem soll eine starke und dauerhafte Aufsichtsstruktur aufgesetzt werden, die eine wirksame Aufsicht über digitale Vermittlungsdienste in der EU sicherstellt. Als neue Aufsichtsbehörde soll in jedem Mitgliedstaat ein Koordinator für digitale Dienste eingesetzt werden, der auch Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern aus dem jeweiligen Mitgliedstaat entgegennimmt und Zugriff auf die Daten der sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) erhält. Ergänzend regelt der DSA das Verhältnis der digitalen Vermittlungsdienste zu ihren Nutzerinnen und Nutzern neu. So müssen Hostingdiensteanbieter Melde- und Abhilfeverfahren für illegale Inhalte vorhalten. Zudem werden Hostingdiensteanbieter zu Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und Anbieter von Online-Plattformen zu Maßnahmen gegen eine mögliche missbräuchliche Verwendung der Melde- und Abhilfeverfahren verpflichtet. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sollen bei Meldungen bevorzugt werden. OnlineMarktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte oder Dienstleistungen anbieten wollen, vorher überprüfen. Ferner sieht der DSA im Bereich kommerzieller Werbung Transparenzverpflichtungen sowie ein Verwendungsverbot bestimmter personenbezogener Daten vor sowie für sehr große Online-Plattformen bzw. sehr große Online-Suchmaschinen strengere Verpflichtungen als für kleine und mittlere Anbieter. Dies alles soll die Sicherheit des digitalen Umfelds fördern. Schließlich wird ein Rahmen für die Umsetzung, Zusammenarbeit, Sanktionierung und Durchsetzung des DSA festgelegt, der konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge enthält. Neben einer Durchführung im nationalen Recht erfordert der DSA auch eine Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen Rechts.
B. Lösung
Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze (Digitale-Dienste-Gesetz) wird der nationale Rechtsrahmen an den Vorgaben des DSA ausgerichtet und entsprechend angepasst.
Bestehende nationale Regelungen, die sich zu Angelegenheiten verhalten, die durch den DSA geregelt werden, sind im Lichte der vom europäischen Gesetzgeber bezweckten vollständigen Harmonisierung des Regulierungsrahmens für digitale Dienste entweder anzupassen oder aufzuheben.
Der Gesetzentwurf schafft vor allem einen Rechtsrahmen für die behördliche Überwachung der Einhaltung von DSA-Vorschriften durch Anbieter von Vermittlungsdiensten. Zu diesem Zweck wird insbesondere eine zentrale Stelle für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und für die Durchsetzung des DSA benannt: Die Koordinierungsstelle für digitale Dienste wird innerhalb der zuständigen Bundesnetzagentur eingerichtet, um eine wirksame und zugleich unabhängige Aufsicht über digitale Vermittlungsdienste zu gewährleisten. Der vorliegende Entwurf regelt auch Organisation und Funktion der Koordinierungsstelle für digitale Dienste. Ergänzend werden Sonderzuständigkeiten für die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, für nach den medienrechtlichen Bestimmungen der Länder benannte Stellen und für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit geschaffen. Zudem werden – wo nicht bereits durch den DSA geregelt – Befugnisse der vorgenannten Stellen festgelegt. Der Gesetzentwurf regelt ebenfalls die Zusammenarbeit der jeweils zuständigen Stellen mit weiteren Behörden, deren Zuständigkeit im Einzelfall berührt werden kann. Der vom DSA vorgegebene Spielraum für Sanktionen bei Verstößen gegen den DSA wird durch diesen Gesetzentwurf ausgeschöpft. Ergänzend werden erforderliche Gesetzesänderungen vorgenommen, um nationales Recht an die Terminologie des DSA anzupassen.
Die EU-Kommission hat ein Verfahren gegen X / Twitter wegen Verletzung der Vorschriften des Digital Services Act (DSA) durch Verbreitung illegaler Inhalte eröffnet.
Die Pressemitteilung des EU-Kommission: The European Commission has opened formal proceedings to assess whether X may have breached the Digital Services Act (DSA) in areas linked to risk management, content moderation, dark patterns, advertising transparency and data access for researchers.
On the basis of the preliminary investigation conducted so far, including on the basis of an analysis of the risk assessment report submitted by X in September, X's Transparency report published on 3 November, and X's replies to a formal request for information, which, among others, concerned the dissemination of illegal content in the context of Hamas' terrorist attacks against Israel, the Commission has decided to open formal infringement proceedings against X under the Digital Services Act.
The proceedings will focus on the following areas:
The compliance with the DSA obligations related to countering the dissemination of illegal content in the EU, notably in relation to the risk assessment and mitigation measures adopted by X to counter the dissemination of illegal content in the EU, as well as the functioning of the notice and action mechanism for illegal content in the EU mandated by the DSA, including in light of X's content moderation resources.
The effectiveness of measures taken to combat information manipulation on the platform, notably the effectiveness of X's so-called ‘Community Notes' system in the EU and the effectiveness of related policies mitigating risks to civic discourse and electoral processes.
The measures taken by X to increase the transparency of its platform. The investigation concerns suspected shortcomings in giving researchers access to X's publicly accessible data as mandated by
Article 40 of the DSA, as well as shortcomings in X's ads repository.
A suspected deceptive design of the user interface, notably in relation to checkmarks linked to certain subscription products, the so-called Blue checks.
If proven, these failures would constitute infringements of Articles 34(1), 34(2) and 35(1), 16(5) and 16(6), 25(1), 39 and 40(12) of the DSA. The Commission will now carry out an in-depth investigation as a matter of priority. The opening of formal infringement proceedings does not prejudge its outcome.
These are the first formal proceedings launched by the Commission to enforce the first EU-wide horizontal framework for online platforms' responsibility, just 3 years from its proposal.
Next Steps
After the formal opening of proceedings, the Commission will continue to gather evidence, for example by sending additional requests for information, conducting interviews or inspections.
The opening of formal proceedings empowers the Commission to take further enforcement steps, such as interim measures, and non-compliance decisions. The Commission is also empowered to accept any commitment made by X to remedy on the matters subject to the proceeding.
The DSA does not set any legal deadline for bringing formal proceedings to an end. The duration of an in-depth investigation depends on a number of factors, including the complexity of the case, the extent to which the company concerned cooperate with the Commission and the exercise of the rights of defence.
The opening of formal infringement proceedings does not prejudge its outcome. It relieves Digital Services Coordinators, or any other competent authority of EU Member States, of their powers to supervise and enforce the DSA in relation to the suspected infringements of Articles 16(5), 16(6) and 25(1).
Background
X (formerly known as Twitter) has been designated as a Very Large Online Platform (VLOP) on 25 April 2023 under the EU's Digital Services Act, following its declaration of having 112 million monthly active users in the EU as reported to the Commission on 17 February 2023.
As a VLOP, since four months from its designation, X has had to comply with a series of obligations set out in the DSA. In particular:
Pursuant to Articles 34(1), 34(2) and 35(1), VLOPs are obliged to diligently identify, analyse, and assess any systemic risks in the Union stemming from the design or functioning of their service and its related systems, or from the use made of their services. When conducting risk assessments, VLOPs shall take into account a number of factors that influence the systemic risks, including recommender systems, advertising systems or the intentional manipulation of the service, including through inauthentic use or automated exploitation of the service, as well as the amplification and potentially rapid and wide dissemination of illegal content and of information that is incompatible with their terms and conditions. VLOPs are obliged to put in place reasonable, proportionate and effective mitigation measures, tailored to the specific systemic risks identified.
Pursuant to Articles 16(5) and 16(6), online platforms have to notify without undue delay individuals or entities of content moderation decision, providing information on the possibilities for redress in respect of that decision; platforms shall take such decisions in a timely, diligent, non-arbitrary and objective manner.
Pursuant to Article 25(1), online platforms shall not design, organise or operate their online interfaces in a way that deceives or manipulates their users or in a way that otherwise materially distorts or impairs the ability of the users of their service to make free and informed decisions.
Pursuant to Article 39, VLOPs have to compile and make publicly available through a searchable and reliable tool a repository containing advertisements on their platforms, until one year after the advertisement was presented for the last time, in a way that the information is accurate and complete.
Pursuant to Article 40(12), VLOPs have to provide researchers with effective access to platform data.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass stark beleidigende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in einer privaten WhatsApp-Chatgruppe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können.
Die Pressemitteilung des BAG: Kündigung wegen Äußerungen in einer Chatgruppe
Sitzungsergebnis
Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.
Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise ua. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.
Beide Vorinstanzen haben der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.
Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird dem Kläger Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 19. Dezember 2022 – 15 Sa 284/22 –
Aus dem Entwurf: A. Problem und Ziel
Am 16. November 2022 ist die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG in Kraft getreten (im Folgenden „Digital Services Act“ oder „DSA“). Die Verordnung gilt ab dem 17. Februar 2024. Mit der Verordnung wird ein horizontaler Rechtsrahmen für digitale Dienste geschaffen.
Ziel des DSA ist es, einheitliche horizontale Regeln festzulegen für ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld. Zudem soll eine robuste und dauerhafte Aufsichtsstruktur aufgesetzt werden, die eine wirksame Aufsicht über Online-Plattformen in Europa sicherstellt. Als neue Aufsichtsbehörde soll in jedem Mitgliedstaat ein Koordinator für digitale Dienste eingesetzt werden, der Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern aus dem jeweiligen Mitgliedstaat entgegennehmen und Zugriff auf die Daten der Plattformen erhalten soll. Ergänzend regelt der DSA das Verhältnis der Plattformen zu ihren Nutzerinnen und Nutzern neu. Die Anbieter müssen ein Melde- und Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte vorhalten. Zudem werden Online-Plattformen zu Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und Missbrauch der Meldeverfahren verpflichtet. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sollen bei Meldungen bevorzugt werden. Online-Marktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte oder Dienstleistungen anbieten, vorher überprüfen. Ferner sieht der DSA Transparenzverpflichtungen für kommerzielle Werbung vor, sowie strengere Verpflichtungen für sehr große Plattformen / Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) als für kleine und mittlere Anbieter vor. Dies alles soll ein sicheres digitales Umfeld fördern. Schließlich wird ein Rahmen für die Umsetzung, die Zusammenarbeit, für Sanktionen und die Durchsetzung des DSA angelegt, der konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichteten Regelungsaufträge enthält. Neben einer Durchführung im nationalen Recht erfordert der DSA auch eine Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen Rechts.
B. Lösung
Der DSA ist im nationalen Recht durchzuführen und das nationale Recht ist anzupassen. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze (Digitale-Dienste-Gesetzes, oder DDG) ist der nationale Rechtsrahmen auf die Vorgaben des DSA auszurichten und anzupassen. Bestehende nationale Regelungen, die sich zu Angelegenheiten verhalten, die durch den DSA geregelt werden, sind im Lichte der vom europäischen Gesetzgeber bezweckten vollständigen Harmonisierung des Regulierungsrahmens für digitale Dienste, abzulösen. Zur Durchführung des DSA sind insbesondere die zuständige nationale Koordinierungsstelle für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und zur Durchsetzung des DSA zu benennen, Sanktionsvorschriften zu erlassen und erforderliche Gesetzesänderungen vorzunehmen
Das LG Frankfurt hat wie erwartet entschieden, dass Twitter wie Facebook bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Tweets und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Persönlichkeitsrecht - Ehrverletzung durch herabwürdigenden Tweet
Twitter muss bei einem konkreten Hinweis auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auch kerngleiche Äußerungen entfernen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat heute entschieden: Betroffene können von Twitter verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets über sie gelöscht werden. Auch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern muss Twitter entfernen, sobald es von der konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzung Kenntnis erlangt.
Im September 2022 erschienen auf Twitter diverse Kommentare, in denen wahrheitswidrig behauptet wurde, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg habe „eine Nähe zur Pädophilie“ und er habe „einen Seitensprung gemacht“. Außerdem wurde über ihn verbreitet, er sei in „antisemitische Skandale“ verstrickt und er sei „Teil eines antisemitischen Packs“.
Die zuständige Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main stellte in einem Eilverfahren fest, dass diese ehrenrührigen Behauptungen unwahr sind. Die Bezeichnung als Antisemit sei zwar zunächst eine Meinungsäußerung. Sie sei aber jedenfalls in dem gewählten Kontext rechtswidrig, denn sie trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ziele erkennbar darauf ab, in emotionalisierender Form Stimmung gegen den Antisemitismusbeauftragten zu machen.
Nachdem der Antisemitismusbeauftragte die Entfernung dieser Kommentare verlangt hat, hätte Twitter ihre Verbreitung unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Darüber hinaus entschied die Kammer: „Das Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Unter weiter: „Die Äußerungen werden nicht in jeglichem Kontext untersagt. Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“
Twitter werde damit auch keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Mio. Nutzer auferlegt. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung. „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Twitter befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn eine bestimmte Rechtsverletzung gemeldet wird. Auch in diesem Fall muss Twitter prüfen, ob diese Rechtsverletzung eine Löschung bedingt oder nicht“, so die Vorsitzende in der Urteilsbegründung.
Als zulässig erachtete die Kammer indes die Äußerung eines Nutzers, wonach der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg in die jährlich vom Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles veröffentlichte Liste der größten Antisemiten weltweit aufgenommen worden ist. Unabhängig davon, ob die Aufnahme in diese Liste gerechtfertigt sei, dürfe darüber informiert werden. Dagegen müsse sich der Antisemitismusbeauftragte im öffentlichen Meinungskampf zur Wehr setzen.
Das Urteil (Az. 2-03 O 325/22) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Die Entscheidung wird in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar sein.
Ergänzender Hinweis:
Dieselbe Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 8.4.2022 (Az.: 2-03 O 188/21) entschieden, dass in einer Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) unterge-schobene Falschzitate auf Facebook auch ohne erneuten Hinweis gelöscht werden müssen, wenn sie einen kerngleichen Inhalt aufweisen. Geklagt hatte dort MdB Renate Künast.
Das LG München hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Wissenschaftlers in einem Flyer als "Gollum" eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen kann und einen entsprechenden Unterlassungsanspruch begründet.
EU-Parlament und EU-Rat haben sich über den Digital Services Act bzw. das Gesetz über digitale Dienste geeinigt.
Die Pressemitteilung der EU:
Digital Services Act: agreement for a transparent and safe online environment
- Access to platforms’ algorithms now possible
- Online platforms will have to remove illegal products, services or content swiftly after they have been reported
- Protection of minors online reinforced; additional bans on targeted advertising for minors as well as targeting based on sensitive data
- Users will be better informed how content is recommended to them
EU negotiators agree on landmark rules to effectively tackle the spread of illegal content online and protect people's fundamental rights in the digital sphere.
On Friday, Parliament and Council reached a provisional political agreement on the Digital Services Act (DSA). Together with the Digital Markets Act, the DSA will set the standards for a safer and more open digital space for users and a level playing field for companies for years to come.
More responsible online platforms
Under the new rules, intermediary services, namely online platforms - such as social media and marketplaces - will have to take measures to protect their users from illegal content, goods and services.
Algorithmic accountability: the European Commission as well as the member states will have access to the algorithms of very large online platforms;
Swift removal of illegal content online, including products, services: a clearer “notice and action” procedure where users will be empowered to report illegal content online and online platforms will have to act quickly;
Fundamental rights to be protected also online: stronger safeguards to ensure notices are processed in a non-arbitrary and non-discriminatory manner and with respect for fundamental rights, including the freedom of expression and data protection;
More responsible online marketplaces: they have to ensure that consumers can purchase safe products or services online, by strengthening checks to prove that the information provided by traders is reliable (“Know Your Business Customer” principle) and make efforts to prevent illegal content appearing on their platforms, including through random checks;
Victims of cyber violence will be better protected especially against non-consensual sharing (revenge porn) with immediate takedowns;
Penalties: online platforms and search engines can be fined up to 6% of their worldwide turnover. In the case of very large online platforms (with more that 45 million users), the EU Commission will have exclusive power to demand compliance;
Fewer burdens and more time to adapt for SMEs: longer period to apply the new rules will support innovation in the digital economy. The Commission will follow closely the potential economic effects of the new obligations on small businesses.
Safer online space for users
New transparency obligations for platforms will allow users to be better informed about how content is recommended to them (recommender systems) and to choose at least one option not based on profiling;
Online advertising: users will have better control over how their personal data are used. Targeted advertising is banned when it comes to sensitive data (e.g. based on sexual orientation, religion, ethnicity);
Protection of minors: platforms accessible to minors will have to take specific measures to protect them, including by fully banning targeted advertising;
Manipulating users’ choices through ‘dark patterns’ will be prohibited: online platforms and marketplaces should not nudge people into using their services, for example by giving more prominence to a particular choice or urging the recipient to change their choice via interfering pop-ups. Moreover, cancelling a subscription for a service should become as easy as subscribing to it;
Compensation: recipients of digital services will have a right to seek redress for any damages or loss suffered due to infringements by platforms.
Harmful content and disinformation
Very large online platforms will have to comply with stricter obligations under the DSA, proportionate to the significant societal risks they pose when disseminating illegal and harmful content, including disinformation.
Very large online platforms will have to assess and mitigate systemic risks and be subject to independent audits each year. In addition, those large platforms that use so-called “recommender systems” (algorithms that determine what users see) must provide at least one option that is not based on profiling;
Special measures in times of crisis: when a crisis occurs, such as a public security or health threat, the Commission may require very large platforms to limit any urgent threats on its platforms. These specific actions are limited to three months.
Quote
“The Digital Services Act will set new global standards. Citizens will have better control over how their data are used by online platforms and big tech-companies. We have finally made sure that what is illegal offline is also illegal online. For the European Parliament, additional obligations on algorithmic transparency and disinformation are important achievements,” said rapporteur Christel Schaldemose (DK, S&D). “These new rules also guarantee more choice for users and new obligations for platforms on targeted ads, including bans to target minors and restricting data harvesting for profiling.”
Next steps
The text will need to be finalised at technical level and verified by lawyer-linguists, before both Parliament and Council give their formal approval. Once this process is completed, it will come into force 20 days after its publication in the EU Official Journal and the rules will start to apply 15 months later.
From 23 to 27 May, a delegation from the EP’s Internal Market Committee will visit several company headquarters (Meta, Google, Apple and others) in Silicon Valley to discuss in person the Digital Services Act package, and other digital legislation in the pipeline, and hear the position of American companies, start-ups, academia and government officials.
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Betreiber eines sozialen Netzwerks (hier: Facebook / Meta) bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Inhalte und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ehrverletzung durch Falschzitat in sozialem Netzwerk
Diensteanbieter muss Varianten mit kerngleichem Inhalt ohne erneuten Hinweis sperren.
Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast kann verlangen, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf Facebook gesperrt wird. Auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt muss das soziale Netzwerk ohne erneuten Hinweis auf die jeweilige URL löschen. Renate Künast steht wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerdem ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Betreiberin von Facebook zu.
Auf Facebook erschien ein Bild von Renate Künast, dem folgendes Zitat beigefügt war: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ Dieses Zitat ist falsch. Renate Künast hat die Äußerung nicht getätigt. Sie verlangte von Meta als Betreiberin von Facebook die Löschung des Eintrages. Der Post wurde außerdem in verschiedenen Varianten veröffentlicht, etwa mit verändertem Layout oder durch Erweiterung oder Weglassen von Textinhalten, durch Tippfehler oder durch Veränderung für das Auge nicht wahrnehmbarer Pixel. Diese Varianten haben eine andere URL als das ursprüngliche, von Renate Künast zunächst beanstandete Meme.
Vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat Renate Künast darauf geklagt, dass Meta es unterlässt, Memes mit kerngleichem Inhalt auf Facebook öffentlich zugänglich machen zu lassen. Mit Urteil vom heutigen Tage hat eine Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main ihrer Klage stattgegeben.
Durch das Falschzitat werde Renate Künast in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Ein Diensteanbieter müsse zwar nicht ohne einen Hinweis alle ins Netz gestellten Beiträge auf eine eventuelle Rechtsverletzung prüfen. „Nachdem Renate Künast aber konkret darauf hingewiesen hatte, dass die ihr zugeschriebene Äußerung ein falsches Zitat ist, muss sie diesen Hinweis nicht für jeden weiteren Rechtsverstoß unter Angabe der URL wiederholen,“ erklärte die Vorsitzende der Kammer in der Urteilsbegründung. „Denn für die Beklagte ist unschwer erkennbar, dass es sich bei Varianten mit kerngleichem Inhalt um Falschzitate handelt.“ Und weiter: „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Das gilt auch in diesem Fall.“
Die Kammer stellte weiter fest: „Die Beklagte hat nicht dargetan, dass es ihr technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ohne konkrete Bezeichnung der URL identische und ähnliche Memes zu erkennen und zwar auch, wenn für die Beurteilung eines abgewandelten Textes in einem Eintrag eine menschliche Moderationsentscheidung notwendig wird“.
In seinem Urteil billigte die Pressekammer Renate Künast außerdem eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu. Meta treffe aufgrund der Veröffentlichung der persönlichkeitsrechts-verletzenden Posts eine Mitverantwortung. Denn Meta sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, ihre Plattform von weiteren Falschzitaten zu befreien. Die Schwere der Rechtsverletzungen rechtfertige das Schmerzensgeld. Renate Künast sei aufgrund der Falschzitate Anfeindungen ausgesetzt gewesen.
Die Kammer erklärte: „Die Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines jeden Menschen, besonders einer Politikerin. Diese Glaubwürdigkeit wird durch das Zuschreiben von Falschzitaten beschädigt. Dies ist ehrenrührig und beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Falschzitierten. Falschzitate verzerren auch den Meinungskampf und sie schaden der Allgemeinheit.“
Das heutige Urteil (Aktenzeichen 2-03 O 188/21) ist nicht rechtskräftig.
Das BayObLG hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Richters als "menschlicher Abschaum“ nicht von Meinungsfreiheit gedeckt und als Beleidigung strafbar ist.
Die Pressemitteilung des Gertichts:
Auch die Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern hat ihre Grenzen
Der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts, welcher seinen Sitz in Nürnberg hat, hatte sich in einer Revisionsentscheidung mit den Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern auseinanderzusetzen.
Der Angeklagte hatte einen Richter am Amtsgericht als „menschlichen Abschaum“ bezeichnet. Das Amtsgericht Weißenburg hatte ihn mit Urteil vom 21.07.2021 wegen Beleidung in zwei Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Sprungrevision zum Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 3. Februar 2022 hat der 4. Strafsenat den Schuldspruch, also die Verurteilung wegen Beleidigung, bestätigt.
Der Senat geht davon aus, dass die Bezeichnung des Amtsrichters als „menschlichen Abschaum“ eine sogenannte Formalbeleidigung darstellt. In diesem Fall trete die Meinungsfreiheit ohne weitere Gewichtung und Einzelfallabwägung hinter den Ehrenschutz zurück. Der Angeklagte habe mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung ein nach allgemeiner Auffassung besonders krasses, aus sich heraus herabwürdigendes Schimpfwort verwendet, das eine kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit darstelle. Die verwendete Beschimpfung lasse das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts vermissen und sei deshalb grundsätzlich nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar.
Lediglich ergänzend führt der Senat aus, dass auch bei einer Abwägung widerstreitender Interessen das Recht der Meinungsfreiheit hinter dem Ehrschutz des beschimpften Amtsträgers im konkreten Fall zurücktreten würde. Grundsätzlich gehöre es zum Kernbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, gerichtliche Entscheidungen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren. Aus diesem Grund komme der Meinungsäußerungsfreiheit in diesen Fällen besonders hohes Gewicht zu. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden noch dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.
Anders sei der Fall jedoch dann, wenn die Äußerung als äußerst grob herabwürdigend einzuordnen sei. Der abschätzige Begriff „menschlicher Abschaum“ treffe ausschließlich die Person des Richters und nicht dessen Tätigkeiten oder Verhaltensweisen. Der Angeklagte habe genügend alternative Äußerungsmöglichkeiten gehabt, um seine Einwendungen auch mit deutlichen Worten vorzubringen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Untersagung von Teilen des Schmähgedichts von Jan Böhmermann mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen.
Von einer näheren Begründungen hat das Bundesverfassungsgericht abgesehen. Dies ist mehr als bedauerlich, als die Fallkonstellation interessante Rückschlüsse auf die derzeitigen Ansichten des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Spannungsverhältnisses von der Kunstfreiheit / Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zugelassen hätte.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Facebook Renate Künast Auskunft über Bestandsdaten von weiteren Nutzern, die Hasspostings gepostet haben, erteilen muss.
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Versagung der Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen von Fachgerichten aufgehoben, mit denen der Beschwerdeführerin die notwendige gerichtliche Anordnung zur Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform versagt wurden.
Die Beschwerdeführerin möchte vor den Fachgerichten erreichen, dass eine Social Media Plattform die bei ihr vorhandenen personenbezogenen Daten über mehrere Nutzer herausgibt, die auf der Plattform Kommentare über die Beschwerdeführerin getätigt haben. Die Fachgerichte stuften im Ergebnis lediglich 12 der 22 im Ausgangsverfahren gegenständlichen Kommentare als strafbare Beleidigungen ein und gestatteten die Beauskunftung über die bei der Social Media Plattform vorhandenen Bestandsdaten. Im Übrigen wurde eine Beauskunftung abgelehnt. Die Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, soweit sie die Anordnung hinsichtlich der zehn verbliebenen Kommentare versagt haben. Die Fachgerichte haben unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts die verfassungsrechtlich erforderliche Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht unterlassen.
Sachverhalt:
Nach § 14 Abs. 3 Telemediengesetz a. F. (nunmehr § 21 Abs. 2 und 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes) durfte ein Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über die bei ihm vorhandenen Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Für diese Auskunftserteilung war eine vorherige gerichtliche Anordnung erforderlich. Rechtswidrige Inhalte in diesem Sinne waren unter anderem Inhalte, die den Tatbestand nach §§ 185 bis 187 des Strafgesetzbuchs erfüllten und nicht gerechtfertigt waren.
Auf einem Internetblog stellte dessen Inhaber Ende Oktober 2016 unter dem Titel „[Name der Beschwerdeführerin] findet Kinderficken ok, solange keine Gewalt im Spiel ist“ das Bild der Beschwerdeführerin ein mit folgendem, scheinbar ein Zitat der Beschwerdeführerin darstellenden Text:
„Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt.“
Hintergrund war die im Jahr 2015 noch einmal aufgekommene Debatte betreffend die Haltung der Partei DIE GRÜNEN zur Pädophilie in den 1980er Jahren. So wurde im Mai 2015 unter anderem über einen Zwischenruf der Beschwerdeführerin im Berliner Abgeordnetenhaus im Mai 1986 berichtet. Während eine Abgeordnete der Grünen über häusliche Gewalt sprach, stellte ein Abgeordneter der Regierungskoalition die Zwischenfrage, wie die Rednerin denn zu einem Beschluss der Grünen in Nordrhein-Westfalen stehe, wonach die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern aufgehoben werden solle. Anstelle der Rednerin rief laut Protokoll des Abgeordnetenhauses die Beschwerdeführerin: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!“
Die Beschwerdeführerin nahm den Bloginhaber wegen seines ursprünglichen Eintrags auf Unterlassung in Anspruch und verlangte ein Schmerzensgeld. Daraufhin veröffentlichte der Bloginhaber Anfang 2019 auf seiner Seite auf der Social Media Plattform einen weiteren Text. Es folgt das Bild der Beschwerdeführerin mit dem aus dem ursprünglichen Blogbeitrag bekannten Text, der kein zutreffendes Zitat einer Äußerung der Beschwerdeführerin ist. Im April und Mai 2019 reagierten zahlreiche Nutzer der Social Media Plattform auf diese Veröffentlichung und kommentierten sie ihrerseits - soweit verfahrensgegenständlich - unter anderem wie folgt:
„Pädophilen-Trulla“; „Die alte hat doch einen Dachschaden, die ist hol wie Schnittlauch man kann da nur noch“; „Mensch… was bist Du Krank im Kopf!!!“; Die ist Geisteskrank“; „Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren“; „Sperrt diese kranke Frau weck sie weiß nicht mehr was sie redet“; „Die sind alle so krank im Kopf“; Gehirn Amputiert“; „Kranke Frau“ und „Sie wollte auch mal die hellste Kerze sein, Pädodreck.“.
In der Folge begehrte die Beschwerdeführerin die Gestattung der Auskunftserteilung über die Bestandsdaten dieser Nutzer der Social Media Plattform. Das Landgericht gestattete im Ergebnis die Beauskunftung von sechs Kommentaren. Das Kammergericht gestattete zusätzlich die Beauskunftung weiterer sechs Kommentare. Im Übrigen führte es aus, dass die Schwelle zum Straftatbestand des § 185 StGB nicht überschritten sei. Denn es liege kein Fall der abwägungsfreien Diffamierung vor und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts erreiche kein solches Gewicht, dass die Äußerungen unter Einbeziehung des Kontexts lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung der Beschwerdeführerin erschienen.
Die Beschwerdeführerin rügt unter anderem die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.
I. Die Auslegung und Anwendung des Fachrechts ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte. Bei ihrer Entscheidung haben sie jedoch dem Einfluss der Grundrechte auf die einfachgesetzlichen Vorschriften Rechnung zu tragen. Die Zivilgerichte verstehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung voraussetzt.
1. Weichenstellend für die Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist die Erfassung des Inhalts der verfahrensgegenständlichen Äußerungen. Auf der zutreffenden Sinnermittlung einer Äußerung aufbauend erfordert die Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB grundsätzlich eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die den betroffenen Rechtsgütern und Interessen, hier also der Meinungsfreiheit und der persönlichen Ehre, drohen. Eine Abwägung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn die streitgegenständliche Äußerung sich als Schmähung oder Schmähkritik, als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde darstellt.
2. Liegt keine dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit.Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings eine grundrechtlich angeleitete Abwägung. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte.
Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht. Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet.In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen - unter Umständen weitreichenden - gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können. Allerdings bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder Politikerinnen und Politikern. Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setzt die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht aus. Dabei liegt insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch „soziale Netzwerke“ im Internet ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.
II. Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen Anforderungen nicht.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend erkennt das Kammergericht, dass es sich bei den noch verfahrensgegenständlichen Bezeichnungen der Beschwerdeführerin um erheblich ehrenrührige Herabsetzungen handelt. Das Kammergericht geht indes unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts davon aus, dass eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann vorliege, wenn die streitgegenständliche Äußerung „lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung“ zu verstehen sei. Dieses Fehlverständnis setzt sich bei den weiteren Ausführungen des Fachgerichts fort. Zwar deutet das Kammergericht die Notwendigkeit einer Abwägung an. Verfassungsrechtlich fehlerhaft knüpft es die Voraussetzungen der Beleidigung sodann jedoch an die Sonderform der Schmähkritik an.Die angekündigte Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin nimmt das Kammergericht in der Folge aber nicht vor. Es legt wiederholt einen fehlerhaften, mit dem Persönlichkeitsrecht der von ehrenrührigen Äußerungen Betroffenen unvereinbaren Maßstab an, wenn es annimmt, eine strafrechtliche Relevanz erreiche eine Äußerung erst dann, wenn ihr diffamierender Gehalt so erheblich sei, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheine. Vorliegend hat sich das Fachgericht aufgrund einer fehlerhaften Maßstabsbildung, die eine Beleidigung letztlich mit der Schmähkritik gleichsetzt, mit der Abwägung der Gesichtspunkte des Einzelfalls nicht auseinandergesetzt. Hierin liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin.
2. Infolge fehlerhafter Maßstabsbildung mangelt es für alle verfahrensgegenständlichen Äußerungen an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der betroffenen Rechtspositionen im Rahmen der rechtlichen Würdigung. Die vom Fachgericht zum Teil begründungslos verwendete Behauptung, die Beschwerdeführerin müsse den Angriff als Politikerin im öffentlichen Meinungskampf hinnehmen, ersetzt die erforderliche Abwägung nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bezeichnung "Trulla" keine Schmähkritik bzw. Formalbeleidigung ist, welche eine Verurteilung wegen Beleidigung ohne eine konkrete Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht rechtfertigt.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, auch in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer begründenden Weise offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung greift in dessen Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>; stRspr). Die strafrechtliche Sanktionierung knüpft an diese dementsprechend in den Schutzbereich fallende und als Werturteil zu qualifizierende Äußerung an und greift damit in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ein.
b) Dieser Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist mit der vom Amtsgericht gegebenen und vom Landgericht übernommenen Begründung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Strafgerichte haben die Meinungsfreiheit schon gar nicht als einschlägig erkannt; jedenfalls aber den Eingriff nicht gerechtfertigt.
aa) Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>), auf den sich die angegriffenen Entscheidungen stützen.
(1) Bei Anwendung dieser Strafnorm auf Äußerungen im konkreten Fall verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2732/15 -, Rn. 12 f.). Darauf aufbauend erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 85, 1 <16>; 93, 266 <293>; stRspr). Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde eines anderen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 85, 1 <16>; 90, 241 <248>; 93, 266 <293 f.>; 99, 185 <196>; stRspr). Dabei handelt es sich um verschiedene Fallkonstellationen, an die jeweils strenge Kriterien anzulegen sind.
(a) Insbesondere folgt der Charakter einer Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik nicht schon aus einem besonderen Gewicht der Ehrbeeinträchtigung als solcher und ist damit nicht ein bloßer Steigerungsbegriff. Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert (vgl. BVerfGE 82, 272 <283>). Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung vielmehr erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2019 - 1 BvR 2433/17 -‚ Rn. 18). Zu beachten ist hierbei, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch grundlos, pointiert, polemisch und überspitzt geäußert werden darf; die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>) oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2019 - 1 BvR 2433/17 -, Rn. 18).
Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinn ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. September 2012 - 1 BvR 2979/10 -, Rn. 30).
Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich als (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhaltes dient. Dann geht es dem Äußernden nicht allein darum, den Betroffenen als solchen zu diffamieren, sondern es stellt sich die Äußerung als Teil einer anlassbezogenen Auseinandersetzung dar. Gerade darin unterscheiden sich diese Fälle von den Fällen der Privatfehde oder von den Fällen, in denen es sonst – insbesondere im Internet – bezugslos allein um die Verächtlichmachung von Personen geht. Demnach sind Herabsetzungen in der Ehre, auch wenn sie besonders krass und drastisch sind, nicht als Schmähung anzusehen, wenn sie ihren Bezug noch in sachlichen Auseinandersetzungen haben. Dass die Einordnung ehrkränkender Äußerungen als Schmähung eine eng zu handhabende Ausnahme bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 - 1 BvR 2973/14 -, Rn. 14), entspricht dem Grundsatz des Ausgleichs von Grundrechten durch Abwägung. Für den Normalfall ist danach sicherzustellen, dass eine Verurteilung wegen Beleidigung nicht ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und nicht ohne Blick auf seine grundrechtliche Dimension zustande kommt.
(b) Die eine Abwägung entbehrlich machende und damit die Meinungsfreiheit verdrängende Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik gebietet es, diese Einordnung klar kenntlich zu machen und sie in einer auf die konkreten Umstände des Falles bezogenen, gehaltvollen und verfassungsrechtlich tragfähigen Weise zu begründen (vgl. BVerfGE 61, 1 <12>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, Rn. 18). Diese Begründung darf sich bei der Schmähkritik nicht in der bloßen Behauptung erschöpfen, für den Äußernden habe die Diffamierung der Person im Vordergrund gestanden. Vielmehr sind die für diese Beurteilung maßgebenden Gründe unter Auseinandersetzung mit objektiv feststellbaren Umständen des Falles nachvollziehbar darzulegen. Insbesondere muss das Gericht deutlich machen, warum aus seiner Sicht ein gegebenenfalls vorhandenes sachliches Anliegen des Äußernden in der konkreten Situation derart vollständig in den Hintergrund tritt, dass sich die Äußerung in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Im Übrigen schließt die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer Schmähung eine – hilfsweise – Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz der Persönlichkeit nach den konkreten Umständen des Falles nicht aus. Ein solches Vorgehen bietet sich vielmehr in den vielfach nicht eindeutig gelagerten Grenzfällen an (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 25).
(c) Hält ein Gericht eine Äußerung ohne hinreichende Begründung für eine Schmähung, ohne hilfsweise eine konkrete Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen zu haben, so liegt darin ein verfassungsrechtlich erheblicher Fehler, der zur Aufhebung der Entscheidung führt, wenn diese darauf beruht (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfGK 8, 89 <98>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2019 - 1 BvR 19543/17 -, Rn. 12).
(2) Liegt keine eng umgrenzte Ausnahmekonstellation vor, die eine Abwägung entbehrlich macht, so begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit. Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings – wie es der Normalfall für den Ausgleich von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ist – eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere die Begriffe der „Beleidigung“ und der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“, anknüpft (vgl. BVerfGE 12, 113 <124 ff.>; 90, 241 <248>; 93, 266 <290 f.>). Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte.
Das Ergebnis der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>; stRspr). Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es lediglich zu überprüfen, ob die Fachgerichte dabei Bedeutung und Tragweite der durch die strafrechtliche Sanktion betroffenen Meinungsfreiheit ausreichend berücksichtigt und innerhalb des ihnen zustehenden Wertungsrahmens die jeweils für den Fall erheblichen Abwägungsgesichtspunkte identifiziert und ausreichend in Rechnung gestellt haben. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (siehe näher dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 1094/19 -, Rn. 21 ff.).
bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht in jeder Hinsicht.
(1) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die von Amts- und Landgericht bejahte Einordnung der Äußerung als ehrkränkend. Schon in diesem Rahmen ist der interpretationsleitende Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu beachten. Bei Äußerungsdelikten können zum einen die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts enthalten, wenn der Sinn der Äußerung nicht zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 93, 266 <295 f.>; 94, 1 <9>). Zum anderen darf bei der Prüfung, ob eine Äußerung ehrverletzend ist, der Begriff der Ehrverletzung nicht so weit ausgedehnt werden, dass für die Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein Raum mehr bleibt (vgl. BVerfGE 43, 130 <139>; 71, 162 <181>). Dass die angegriffenen Entscheidungen die Bezeichnung der Zeugin als „Trulla“ in dem situativen Kontext der Äußerung als ehrverletzend angesehen haben, hält sich im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Das Amtsgericht hat gesehen, dass die Äußerung auch in einem nicht ehrverletzenden Sinn verstanden werden könnte, eine solche Deutung aber mit verfassungsrechtlich tragfähigen Gründen in der konkreten Situation ausgeschlossen.
(2) Demgegenüber fehlt es der Entscheidung an einer Abwägung des Persönlichkeitsrechts mit der Meinungsfreiheit unter Würdigung der konkreten Umstände des Falles und hierbei der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Das Amtsgericht scheint – vom Landgericht nicht beanstandet – vom Vorliegen einer Schmähkritik auszugehen, die eine Abwägung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen, entbehrlich macht. Dass und aus welchen Gründen dies hier der Fall sein könnte, legt es indes nicht nachvollziehbar dar. Für das Vorliegen des Sonderfalls einer Schmähung ist auch in der Sache nichts ersichtlich. Erst recht scheint das Absehen von einer Abwägung unter dem Gesichtspunkt der Formalbeleidigung hier fernliegend.ie Feststellungen des Amtsgerichts zu Anlass und Kontext der inkriminierten Äußerung tragen nicht die Annahme, dass die – zwar ehrkränkende – Äußerung des Beschwerdeführers losgelöst von einem nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung allein auf eine persönliche Kränkung und die grundlose Verächtlichmachung der Person der Zeugin abzielte. Aus ihnen ergibt sich vielmehr, dass es dem Beschwerdeführer, der nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts gegenüber der Zeugin weder vor noch nach dieser Begebenheit jemals beleidigend aufgetreten ist, auch – wenn nicht sogar in erster Linie – darum ging, die rechtzeitige Buchung des für seinen Einkauf verwendbaren Geldes zu veranlassen, damit bereits abgesetzte Bestellungen ausgeführt werden könnten, so dass er nicht bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit zuwarten müsste. Nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Beschwerdeführer einschlägige Erfahrungen mit diesem Missstand. Er hatte die Zeugin eigens aufgesucht, um auf diesen aufmerksam zu machen, und war aufgrund der Befürchtung, die bestellten Lebensmittel nicht zu erhalten, bereits in aufgeregter Stimmung bei ihr eingetroffen. Aufgrund seines Eindrucks, bei der Zeugin mit seinem Anliegen nicht durchzudringen, wurde er wütend. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Äußerung noch als Teil einer sach- und anlassbezogenen Auseinandersetzung dar. Sie ist zugleich Ausdruck einer – wenngleich nicht vollständig gelungenen – emotionalen Verarbeitung der als unmittelbar belastend wahrgenommenen Situation: Der sicherungsverwahrte Beschwerdeführer war für den Einkauf privater Güter und Lebensmittel auf die Buchung des Geldes angewiesen und sah sich konkret mit den Folgen des Wegfalls eben dieser Einkaufsmöglichkeit konfrontiert. Aus seiner Sicht bestand zunächst Hoffnung, dass die über den Missstand informierte Zeugin den Eintritt der Nachteile verhindern könnte. Das schließt die Annahme einer Schmähkritik aus, weshalb unter näherer Würdigung der Umstände der Äußerung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten erforderlich gewesen wäre.
(3) Die fehlende Abwägung wurde nicht durch das Landgericht in dem Beschluss nachgeholt, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen wurde. Ebenfalls ohne die Meinungsfreiheit zu erwähnen oder das Vorliegen einer Schmähkritik zu begründen, beschränken sich dessen Ausführungen darauf, dass das Urteil des Amtsgerichts sachlich-rechtlich richtig sei und die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung zum Nachteil der Zeugin trage. Mit den konkreten Umständen der Äußerung, insbesondere dem Anlass des Gesprächs sowie der situativ bedingten emotionalen Anspannung des Beschwerdeführers, setzt sich das Landgericht nicht auseinander.
cc) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler. Das ist schon dann der Fall, wenn das Bundesverfassungsgericht – wie hier – jedenfalls nicht auszuschließen vermag, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung im Rahmen einer Abwägung, die regelmäßig bei der Prüfung des – vor jeder Verurteilung nach § 185 StGB zu beachtenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 1998 - 1 BvR 590/96 -, Rn. 23) – § 193 StGB vorzunehmen ist (vgl. BVerfGK 1, 289 <291>), zu einer anderen Entscheidung kommen wird.
dd) Es ist dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich verwehrt, die gebotene Abwägung selbst vorzunehmen (vgl. BVerfGK 1, 289 <292>), da sie Aufgabe der Fachgerichte ist, denen dabei ein Wertungsrahmen zukommt. Daher ist mit der Feststellung, dass die angefochtenen Entscheidungen die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers verkennen, keine Aussage darüber verbunden, ob die inkriminierte Aussage im konkreten Kontext gemäß § 185 StGB strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 - 1 BvR 2973/14 -, Rn. 18).