Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass stark beleidigende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in einer privaten WhatsApp-Chatgruppe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können.
Die Pressemitteilung des BAG: Kündigung wegen Äußerungen in einer Chatgruppe
Sitzungsergebnis
Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.
Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise ua. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.
Beide Vorinstanzen haben der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.
Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird dem Kläger Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 19. Dezember 2022 – 15 Sa 284/22 –
Aus dem Entwurf: A. Problem und Ziel
Am 16. November 2022 ist die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG in Kraft getreten (im Folgenden „Digital Services Act“ oder „DSA“). Die Verordnung gilt ab dem 17. Februar 2024. Mit der Verordnung wird ein horizontaler Rechtsrahmen für digitale Dienste geschaffen.
Ziel des DSA ist es, einheitliche horizontale Regeln festzulegen für ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld. Zudem soll eine robuste und dauerhafte Aufsichtsstruktur aufgesetzt werden, die eine wirksame Aufsicht über Online-Plattformen in Europa sicherstellt. Als neue Aufsichtsbehörde soll in jedem Mitgliedstaat ein Koordinator für digitale Dienste eingesetzt werden, der Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern aus dem jeweiligen Mitgliedstaat entgegennehmen und Zugriff auf die Daten der Plattformen erhalten soll. Ergänzend regelt der DSA das Verhältnis der Plattformen zu ihren Nutzerinnen und Nutzern neu. Die Anbieter müssen ein Melde- und Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte vorhalten. Zudem werden Online-Plattformen zu Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und Missbrauch der Meldeverfahren verpflichtet. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sollen bei Meldungen bevorzugt werden. Online-Marktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte oder Dienstleistungen anbieten, vorher überprüfen. Ferner sieht der DSA Transparenzverpflichtungen für kommerzielle Werbung vor, sowie strengere Verpflichtungen für sehr große Plattformen / Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) als für kleine und mittlere Anbieter vor. Dies alles soll ein sicheres digitales Umfeld fördern. Schließlich wird ein Rahmen für die Umsetzung, die Zusammenarbeit, für Sanktionen und die Durchsetzung des DSA angelegt, der konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichteten Regelungsaufträge enthält. Neben einer Durchführung im nationalen Recht erfordert der DSA auch eine Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen Rechts.
B. Lösung
Der DSA ist im nationalen Recht durchzuführen und das nationale Recht ist anzupassen. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze (Digitale-Dienste-Gesetzes, oder DDG) ist der nationale Rechtsrahmen auf die Vorgaben des DSA auszurichten und anzupassen. Bestehende nationale Regelungen, die sich zu Angelegenheiten verhalten, die durch den DSA geregelt werden, sind im Lichte der vom europäischen Gesetzgeber bezweckten vollständigen Harmonisierung des Regulierungsrahmens für digitale Dienste, abzulösen. Zur Durchführung des DSA sind insbesondere die zuständige nationale Koordinierungsstelle für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und zur Durchsetzung des DSA zu benennen, Sanktionsvorschriften zu erlassen und erforderliche Gesetzesänderungen vorzunehmen
Das LG Frankfurt hat wie erwartet entschieden, dass Twitter wie Facebook bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Tweets und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Persönlichkeitsrecht - Ehrverletzung durch herabwürdigenden Tweet
Twitter muss bei einem konkreten Hinweis auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auch kerngleiche Äußerungen entfernen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat heute entschieden: Betroffene können von Twitter verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets über sie gelöscht werden. Auch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern muss Twitter entfernen, sobald es von der konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzung Kenntnis erlangt.
Im September 2022 erschienen auf Twitter diverse Kommentare, in denen wahrheitswidrig behauptet wurde, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg habe „eine Nähe zur Pädophilie“ und er habe „einen Seitensprung gemacht“. Außerdem wurde über ihn verbreitet, er sei in „antisemitische Skandale“ verstrickt und er sei „Teil eines antisemitischen Packs“.
Die zuständige Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main stellte in einem Eilverfahren fest, dass diese ehrenrührigen Behauptungen unwahr sind. Die Bezeichnung als Antisemit sei zwar zunächst eine Meinungsäußerung. Sie sei aber jedenfalls in dem gewählten Kontext rechtswidrig, denn sie trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ziele erkennbar darauf ab, in emotionalisierender Form Stimmung gegen den Antisemitismusbeauftragten zu machen.
Nachdem der Antisemitismusbeauftragte die Entfernung dieser Kommentare verlangt hat, hätte Twitter ihre Verbreitung unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Darüber hinaus entschied die Kammer: „Das Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Unter weiter: „Die Äußerungen werden nicht in jeglichem Kontext untersagt. Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“
Twitter werde damit auch keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Mio. Nutzer auferlegt. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung. „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Twitter befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn eine bestimmte Rechtsverletzung gemeldet wird. Auch in diesem Fall muss Twitter prüfen, ob diese Rechtsverletzung eine Löschung bedingt oder nicht“, so die Vorsitzende in der Urteilsbegründung.
Als zulässig erachtete die Kammer indes die Äußerung eines Nutzers, wonach der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg in die jährlich vom Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles veröffentlichte Liste der größten Antisemiten weltweit aufgenommen worden ist. Unabhängig davon, ob die Aufnahme in diese Liste gerechtfertigt sei, dürfe darüber informiert werden. Dagegen müsse sich der Antisemitismusbeauftragte im öffentlichen Meinungskampf zur Wehr setzen.
Das Urteil (Az. 2-03 O 325/22) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Die Entscheidung wird in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar sein.
Ergänzender Hinweis:
Dieselbe Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 8.4.2022 (Az.: 2-03 O 188/21) entschieden, dass in einer Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) unterge-schobene Falschzitate auf Facebook auch ohne erneuten Hinweis gelöscht werden müssen, wenn sie einen kerngleichen Inhalt aufweisen. Geklagt hatte dort MdB Renate Künast.
Das LG München hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Wissenschaftlers in einem Flyer als "Gollum" eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen kann und einen entsprechenden Unterlassungsanspruch begründet.
EU-Parlament und EU-Rat haben sich über den Digital Services Act bzw. das Gesetz über digitale Dienste geeinigt.
Die Pressemitteilung der EU:
Digital Services Act: agreement for a transparent and safe online environment
- Access to platforms’ algorithms now possible
- Online platforms will have to remove illegal products, services or content swiftly after they have been reported
- Protection of minors online reinforced; additional bans on targeted advertising for minors as well as targeting based on sensitive data
- Users will be better informed how content is recommended to them
EU negotiators agree on landmark rules to effectively tackle the spread of illegal content online and protect people's fundamental rights in the digital sphere.
On Friday, Parliament and Council reached a provisional political agreement on the Digital Services Act (DSA). Together with the Digital Markets Act, the DSA will set the standards for a safer and more open digital space for users and a level playing field for companies for years to come.
More responsible online platforms
Under the new rules, intermediary services, namely online platforms - such as social media and marketplaces - will have to take measures to protect their users from illegal content, goods and services.
Algorithmic accountability: the European Commission as well as the member states will have access to the algorithms of very large online platforms;
Swift removal of illegal content online, including products, services: a clearer “notice and action” procedure where users will be empowered to report illegal content online and online platforms will have to act quickly;
Fundamental rights to be protected also online: stronger safeguards to ensure notices are processed in a non-arbitrary and non-discriminatory manner and with respect for fundamental rights, including the freedom of expression and data protection;
More responsible online marketplaces: they have to ensure that consumers can purchase safe products or services online, by strengthening checks to prove that the information provided by traders is reliable (“Know Your Business Customer” principle) and make efforts to prevent illegal content appearing on their platforms, including through random checks;
Victims of cyber violence will be better protected especially against non-consensual sharing (revenge porn) with immediate takedowns;
Penalties: online platforms and search engines can be fined up to 6% of their worldwide turnover. In the case of very large online platforms (with more that 45 million users), the EU Commission will have exclusive power to demand compliance;
Fewer burdens and more time to adapt for SMEs: longer period to apply the new rules will support innovation in the digital economy. The Commission will follow closely the potential economic effects of the new obligations on small businesses.
Safer online space for users
New transparency obligations for platforms will allow users to be better informed about how content is recommended to them (recommender systems) and to choose at least one option not based on profiling;
Online advertising: users will have better control over how their personal data are used. Targeted advertising is banned when it comes to sensitive data (e.g. based on sexual orientation, religion, ethnicity);
Protection of minors: platforms accessible to minors will have to take specific measures to protect them, including by fully banning targeted advertising;
Manipulating users’ choices through ‘dark patterns’ will be prohibited: online platforms and marketplaces should not nudge people into using their services, for example by giving more prominence to a particular choice or urging the recipient to change their choice via interfering pop-ups. Moreover, cancelling a subscription for a service should become as easy as subscribing to it;
Compensation: recipients of digital services will have a right to seek redress for any damages or loss suffered due to infringements by platforms.
Harmful content and disinformation
Very large online platforms will have to comply with stricter obligations under the DSA, proportionate to the significant societal risks they pose when disseminating illegal and harmful content, including disinformation.
Very large online platforms will have to assess and mitigate systemic risks and be subject to independent audits each year. In addition, those large platforms that use so-called “recommender systems” (algorithms that determine what users see) must provide at least one option that is not based on profiling;
Special measures in times of crisis: when a crisis occurs, such as a public security or health threat, the Commission may require very large platforms to limit any urgent threats on its platforms. These specific actions are limited to three months.
Quote
“The Digital Services Act will set new global standards. Citizens will have better control over how their data are used by online platforms and big tech-companies. We have finally made sure that what is illegal offline is also illegal online. For the European Parliament, additional obligations on algorithmic transparency and disinformation are important achievements,” said rapporteur Christel Schaldemose (DK, S&D). “These new rules also guarantee more choice for users and new obligations for platforms on targeted ads, including bans to target minors and restricting data harvesting for profiling.”
Next steps
The text will need to be finalised at technical level and verified by lawyer-linguists, before both Parliament and Council give their formal approval. Once this process is completed, it will come into force 20 days after its publication in the EU Official Journal and the rules will start to apply 15 months later.
From 23 to 27 May, a delegation from the EP’s Internal Market Committee will visit several company headquarters (Meta, Google, Apple and others) in Silicon Valley to discuss in person the Digital Services Act package, and other digital legislation in the pipeline, and hear the position of American companies, start-ups, academia and government officials.
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Betreiber eines sozialen Netzwerks (hier: Facebook / Meta) bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Inhalte und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ehrverletzung durch Falschzitat in sozialem Netzwerk
Diensteanbieter muss Varianten mit kerngleichem Inhalt ohne erneuten Hinweis sperren.
Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast kann verlangen, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf Facebook gesperrt wird. Auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt muss das soziale Netzwerk ohne erneuten Hinweis auf die jeweilige URL löschen. Renate Künast steht wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerdem ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Betreiberin von Facebook zu.
Auf Facebook erschien ein Bild von Renate Künast, dem folgendes Zitat beigefügt war: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ Dieses Zitat ist falsch. Renate Künast hat die Äußerung nicht getätigt. Sie verlangte von Meta als Betreiberin von Facebook die Löschung des Eintrages. Der Post wurde außerdem in verschiedenen Varianten veröffentlicht, etwa mit verändertem Layout oder durch Erweiterung oder Weglassen von Textinhalten, durch Tippfehler oder durch Veränderung für das Auge nicht wahrnehmbarer Pixel. Diese Varianten haben eine andere URL als das ursprüngliche, von Renate Künast zunächst beanstandete Meme.
Vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat Renate Künast darauf geklagt, dass Meta es unterlässt, Memes mit kerngleichem Inhalt auf Facebook öffentlich zugänglich machen zu lassen. Mit Urteil vom heutigen Tage hat eine Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main ihrer Klage stattgegeben.
Durch das Falschzitat werde Renate Künast in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Ein Diensteanbieter müsse zwar nicht ohne einen Hinweis alle ins Netz gestellten Beiträge auf eine eventuelle Rechtsverletzung prüfen. „Nachdem Renate Künast aber konkret darauf hingewiesen hatte, dass die ihr zugeschriebene Äußerung ein falsches Zitat ist, muss sie diesen Hinweis nicht für jeden weiteren Rechtsverstoß unter Angabe der URL wiederholen,“ erklärte die Vorsitzende der Kammer in der Urteilsbegründung. „Denn für die Beklagte ist unschwer erkennbar, dass es sich bei Varianten mit kerngleichem Inhalt um Falschzitate handelt.“ Und weiter: „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Das gilt auch in diesem Fall.“
Die Kammer stellte weiter fest: „Die Beklagte hat nicht dargetan, dass es ihr technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ohne konkrete Bezeichnung der URL identische und ähnliche Memes zu erkennen und zwar auch, wenn für die Beurteilung eines abgewandelten Textes in einem Eintrag eine menschliche Moderationsentscheidung notwendig wird“.
In seinem Urteil billigte die Pressekammer Renate Künast außerdem eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu. Meta treffe aufgrund der Veröffentlichung der persönlichkeitsrechts-verletzenden Posts eine Mitverantwortung. Denn Meta sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, ihre Plattform von weiteren Falschzitaten zu befreien. Die Schwere der Rechtsverletzungen rechtfertige das Schmerzensgeld. Renate Künast sei aufgrund der Falschzitate Anfeindungen ausgesetzt gewesen.
Die Kammer erklärte: „Die Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines jeden Menschen, besonders einer Politikerin. Diese Glaubwürdigkeit wird durch das Zuschreiben von Falschzitaten beschädigt. Dies ist ehrenrührig und beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Falschzitierten. Falschzitate verzerren auch den Meinungskampf und sie schaden der Allgemeinheit.“
Das heutige Urteil (Aktenzeichen 2-03 O 188/21) ist nicht rechtskräftig.
Das BayObLG hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Richters als "menschlicher Abschaum“ nicht von Meinungsfreiheit gedeckt und als Beleidigung strafbar ist.
Die Pressemitteilung des Gertichts:
Auch die Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern hat ihre Grenzen
Der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts, welcher seinen Sitz in Nürnberg hat, hatte sich in einer Revisionsentscheidung mit den Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern auseinanderzusetzen.
Der Angeklagte hatte einen Richter am Amtsgericht als „menschlichen Abschaum“ bezeichnet. Das Amtsgericht Weißenburg hatte ihn mit Urteil vom 21.07.2021 wegen Beleidung in zwei Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Sprungrevision zum Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 3. Februar 2022 hat der 4. Strafsenat den Schuldspruch, also die Verurteilung wegen Beleidigung, bestätigt.
Der Senat geht davon aus, dass die Bezeichnung des Amtsrichters als „menschlichen Abschaum“ eine sogenannte Formalbeleidigung darstellt. In diesem Fall trete die Meinungsfreiheit ohne weitere Gewichtung und Einzelfallabwägung hinter den Ehrenschutz zurück. Der Angeklagte habe mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung ein nach allgemeiner Auffassung besonders krasses, aus sich heraus herabwürdigendes Schimpfwort verwendet, das eine kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit darstelle. Die verwendete Beschimpfung lasse das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts vermissen und sei deshalb grundsätzlich nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar.
Lediglich ergänzend führt der Senat aus, dass auch bei einer Abwägung widerstreitender Interessen das Recht der Meinungsfreiheit hinter dem Ehrschutz des beschimpften Amtsträgers im konkreten Fall zurücktreten würde. Grundsätzlich gehöre es zum Kernbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, gerichtliche Entscheidungen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren. Aus diesem Grund komme der Meinungsäußerungsfreiheit in diesen Fällen besonders hohes Gewicht zu. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden noch dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.
Anders sei der Fall jedoch dann, wenn die Äußerung als äußerst grob herabwürdigend einzuordnen sei. Der abschätzige Begriff „menschlicher Abschaum“ treffe ausschließlich die Person des Richters und nicht dessen Tätigkeiten oder Verhaltensweisen. Der Angeklagte habe genügend alternative Äußerungsmöglichkeiten gehabt, um seine Einwendungen auch mit deutlichen Worten vorzubringen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Untersagung von Teilen des Schmähgedichts von Jan Böhmermann mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen.
Von einer näheren Begründungen hat das Bundesverfassungsgericht abgesehen. Dies ist mehr als bedauerlich, als die Fallkonstellation interessante Rückschlüsse auf die derzeitigen Ansichten des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Spannungsverhältnisses von der Kunstfreiheit / Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zugelassen hätte.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Facebook Renate Künast Auskunft über Bestandsdaten von weiteren Nutzern, die Hasspostings gepostet haben, erteilen muss.
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Versagung der Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen von Fachgerichten aufgehoben, mit denen der Beschwerdeführerin die notwendige gerichtliche Anordnung zur Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform versagt wurden.
Die Beschwerdeführerin möchte vor den Fachgerichten erreichen, dass eine Social Media Plattform die bei ihr vorhandenen personenbezogenen Daten über mehrere Nutzer herausgibt, die auf der Plattform Kommentare über die Beschwerdeführerin getätigt haben. Die Fachgerichte stuften im Ergebnis lediglich 12 der 22 im Ausgangsverfahren gegenständlichen Kommentare als strafbare Beleidigungen ein und gestatteten die Beauskunftung über die bei der Social Media Plattform vorhandenen Bestandsdaten. Im Übrigen wurde eine Beauskunftung abgelehnt. Die Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, soweit sie die Anordnung hinsichtlich der zehn verbliebenen Kommentare versagt haben. Die Fachgerichte haben unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts die verfassungsrechtlich erforderliche Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht unterlassen.
Sachverhalt:
Nach § 14 Abs. 3 Telemediengesetz a. F. (nunmehr § 21 Abs. 2 und 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes) durfte ein Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über die bei ihm vorhandenen Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Für diese Auskunftserteilung war eine vorherige gerichtliche Anordnung erforderlich. Rechtswidrige Inhalte in diesem Sinne waren unter anderem Inhalte, die den Tatbestand nach §§ 185 bis 187 des Strafgesetzbuchs erfüllten und nicht gerechtfertigt waren.
Auf einem Internetblog stellte dessen Inhaber Ende Oktober 2016 unter dem Titel „[Name der Beschwerdeführerin] findet Kinderficken ok, solange keine Gewalt im Spiel ist“ das Bild der Beschwerdeführerin ein mit folgendem, scheinbar ein Zitat der Beschwerdeführerin darstellenden Text:
„Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt.“
Hintergrund war die im Jahr 2015 noch einmal aufgekommene Debatte betreffend die Haltung der Partei DIE GRÜNEN zur Pädophilie in den 1980er Jahren. So wurde im Mai 2015 unter anderem über einen Zwischenruf der Beschwerdeführerin im Berliner Abgeordnetenhaus im Mai 1986 berichtet. Während eine Abgeordnete der Grünen über häusliche Gewalt sprach, stellte ein Abgeordneter der Regierungskoalition die Zwischenfrage, wie die Rednerin denn zu einem Beschluss der Grünen in Nordrhein-Westfalen stehe, wonach die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern aufgehoben werden solle. Anstelle der Rednerin rief laut Protokoll des Abgeordnetenhauses die Beschwerdeführerin: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!“
Die Beschwerdeführerin nahm den Bloginhaber wegen seines ursprünglichen Eintrags auf Unterlassung in Anspruch und verlangte ein Schmerzensgeld. Daraufhin veröffentlichte der Bloginhaber Anfang 2019 auf seiner Seite auf der Social Media Plattform einen weiteren Text. Es folgt das Bild der Beschwerdeführerin mit dem aus dem ursprünglichen Blogbeitrag bekannten Text, der kein zutreffendes Zitat einer Äußerung der Beschwerdeführerin ist. Im April und Mai 2019 reagierten zahlreiche Nutzer der Social Media Plattform auf diese Veröffentlichung und kommentierten sie ihrerseits - soweit verfahrensgegenständlich - unter anderem wie folgt:
„Pädophilen-Trulla“; „Die alte hat doch einen Dachschaden, die ist hol wie Schnittlauch man kann da nur noch“; „Mensch… was bist Du Krank im Kopf!!!“; Die ist Geisteskrank“; „Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren“; „Sperrt diese kranke Frau weck sie weiß nicht mehr was sie redet“; „Die sind alle so krank im Kopf“; Gehirn Amputiert“; „Kranke Frau“ und „Sie wollte auch mal die hellste Kerze sein, Pädodreck.“.
In der Folge begehrte die Beschwerdeführerin die Gestattung der Auskunftserteilung über die Bestandsdaten dieser Nutzer der Social Media Plattform. Das Landgericht gestattete im Ergebnis die Beauskunftung von sechs Kommentaren. Das Kammergericht gestattete zusätzlich die Beauskunftung weiterer sechs Kommentare. Im Übrigen führte es aus, dass die Schwelle zum Straftatbestand des § 185 StGB nicht überschritten sei. Denn es liege kein Fall der abwägungsfreien Diffamierung vor und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts erreiche kein solches Gewicht, dass die Äußerungen unter Einbeziehung des Kontexts lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung der Beschwerdeführerin erschienen.
Die Beschwerdeführerin rügt unter anderem die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.
I. Die Auslegung und Anwendung des Fachrechts ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte. Bei ihrer Entscheidung haben sie jedoch dem Einfluss der Grundrechte auf die einfachgesetzlichen Vorschriften Rechnung zu tragen. Die Zivilgerichte verstehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung voraussetzt.
1. Weichenstellend für die Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist die Erfassung des Inhalts der verfahrensgegenständlichen Äußerungen. Auf der zutreffenden Sinnermittlung einer Äußerung aufbauend erfordert die Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB grundsätzlich eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die den betroffenen Rechtsgütern und Interessen, hier also der Meinungsfreiheit und der persönlichen Ehre, drohen. Eine Abwägung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn die streitgegenständliche Äußerung sich als Schmähung oder Schmähkritik, als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde darstellt.
2. Liegt keine dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit.Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings eine grundrechtlich angeleitete Abwägung. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte.
Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht. Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet.In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen - unter Umständen weitreichenden - gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können. Allerdings bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder Politikerinnen und Politikern. Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setzt die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht aus. Dabei liegt insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch „soziale Netzwerke“ im Internet ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.
II. Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen Anforderungen nicht.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend erkennt das Kammergericht, dass es sich bei den noch verfahrensgegenständlichen Bezeichnungen der Beschwerdeführerin um erheblich ehrenrührige Herabsetzungen handelt. Das Kammergericht geht indes unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts davon aus, dass eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann vorliege, wenn die streitgegenständliche Äußerung „lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung“ zu verstehen sei. Dieses Fehlverständnis setzt sich bei den weiteren Ausführungen des Fachgerichts fort. Zwar deutet das Kammergericht die Notwendigkeit einer Abwägung an. Verfassungsrechtlich fehlerhaft knüpft es die Voraussetzungen der Beleidigung sodann jedoch an die Sonderform der Schmähkritik an.Die angekündigte Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin nimmt das Kammergericht in der Folge aber nicht vor. Es legt wiederholt einen fehlerhaften, mit dem Persönlichkeitsrecht der von ehrenrührigen Äußerungen Betroffenen unvereinbaren Maßstab an, wenn es annimmt, eine strafrechtliche Relevanz erreiche eine Äußerung erst dann, wenn ihr diffamierender Gehalt so erheblich sei, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheine. Vorliegend hat sich das Fachgericht aufgrund einer fehlerhaften Maßstabsbildung, die eine Beleidigung letztlich mit der Schmähkritik gleichsetzt, mit der Abwägung der Gesichtspunkte des Einzelfalls nicht auseinandergesetzt. Hierin liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin.
2. Infolge fehlerhafter Maßstabsbildung mangelt es für alle verfahrensgegenständlichen Äußerungen an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der betroffenen Rechtspositionen im Rahmen der rechtlichen Würdigung. Die vom Fachgericht zum Teil begründungslos verwendete Behauptung, die Beschwerdeführerin müsse den Angriff als Politikerin im öffentlichen Meinungskampf hinnehmen, ersetzt die erforderliche Abwägung nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bezeichnung "Trulla" keine Schmähkritik bzw. Formalbeleidigung ist, welche eine Verurteilung wegen Beleidigung ohne eine konkrete Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht rechtfertigt.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, auch in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer begründenden Weise offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung greift in dessen Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>; stRspr). Die strafrechtliche Sanktionierung knüpft an diese dementsprechend in den Schutzbereich fallende und als Werturteil zu qualifizierende Äußerung an und greift damit in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ein.
b) Dieser Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist mit der vom Amtsgericht gegebenen und vom Landgericht übernommenen Begründung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Strafgerichte haben die Meinungsfreiheit schon gar nicht als einschlägig erkannt; jedenfalls aber den Eingriff nicht gerechtfertigt.
aa) Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>), auf den sich die angegriffenen Entscheidungen stützen.
(1) Bei Anwendung dieser Strafnorm auf Äußerungen im konkreten Fall verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2732/15 -, Rn. 12 f.). Darauf aufbauend erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 85, 1 <16>; 93, 266 <293>; stRspr). Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde eines anderen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 85, 1 <16>; 90, 241 <248>; 93, 266 <293 f.>; 99, 185 <196>; stRspr). Dabei handelt es sich um verschiedene Fallkonstellationen, an die jeweils strenge Kriterien anzulegen sind.
(a) Insbesondere folgt der Charakter einer Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik nicht schon aus einem besonderen Gewicht der Ehrbeeinträchtigung als solcher und ist damit nicht ein bloßer Steigerungsbegriff. Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert (vgl. BVerfGE 82, 272 <283>). Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung vielmehr erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2019 - 1 BvR 2433/17 -‚ Rn. 18). Zu beachten ist hierbei, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch grundlos, pointiert, polemisch und überspitzt geäußert werden darf; die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>) oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2019 - 1 BvR 2433/17 -, Rn. 18).
Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinn ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. September 2012 - 1 BvR 2979/10 -, Rn. 30).
Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich als (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhaltes dient. Dann geht es dem Äußernden nicht allein darum, den Betroffenen als solchen zu diffamieren, sondern es stellt sich die Äußerung als Teil einer anlassbezogenen Auseinandersetzung dar. Gerade darin unterscheiden sich diese Fälle von den Fällen der Privatfehde oder von den Fällen, in denen es sonst – insbesondere im Internet – bezugslos allein um die Verächtlichmachung von Personen geht. Demnach sind Herabsetzungen in der Ehre, auch wenn sie besonders krass und drastisch sind, nicht als Schmähung anzusehen, wenn sie ihren Bezug noch in sachlichen Auseinandersetzungen haben. Dass die Einordnung ehrkränkender Äußerungen als Schmähung eine eng zu handhabende Ausnahme bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 - 1 BvR 2973/14 -, Rn. 14), entspricht dem Grundsatz des Ausgleichs von Grundrechten durch Abwägung. Für den Normalfall ist danach sicherzustellen, dass eine Verurteilung wegen Beleidigung nicht ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und nicht ohne Blick auf seine grundrechtliche Dimension zustande kommt.
(b) Die eine Abwägung entbehrlich machende und damit die Meinungsfreiheit verdrängende Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik gebietet es, diese Einordnung klar kenntlich zu machen und sie in einer auf die konkreten Umstände des Falles bezogenen, gehaltvollen und verfassungsrechtlich tragfähigen Weise zu begründen (vgl. BVerfGE 61, 1 <12>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, Rn. 18). Diese Begründung darf sich bei der Schmähkritik nicht in der bloßen Behauptung erschöpfen, für den Äußernden habe die Diffamierung der Person im Vordergrund gestanden. Vielmehr sind die für diese Beurteilung maßgebenden Gründe unter Auseinandersetzung mit objektiv feststellbaren Umständen des Falles nachvollziehbar darzulegen. Insbesondere muss das Gericht deutlich machen, warum aus seiner Sicht ein gegebenenfalls vorhandenes sachliches Anliegen des Äußernden in der konkreten Situation derart vollständig in den Hintergrund tritt, dass sich die Äußerung in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Im Übrigen schließt die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer Schmähung eine – hilfsweise – Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz der Persönlichkeit nach den konkreten Umständen des Falles nicht aus. Ein solches Vorgehen bietet sich vielmehr in den vielfach nicht eindeutig gelagerten Grenzfällen an (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 25).
(c) Hält ein Gericht eine Äußerung ohne hinreichende Begründung für eine Schmähung, ohne hilfsweise eine konkrete Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen zu haben, so liegt darin ein verfassungsrechtlich erheblicher Fehler, der zur Aufhebung der Entscheidung führt, wenn diese darauf beruht (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfGK 8, 89 <98>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2019 - 1 BvR 19543/17 -, Rn. 12).
(2) Liegt keine eng umgrenzte Ausnahmekonstellation vor, die eine Abwägung entbehrlich macht, so begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit. Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings – wie es der Normalfall für den Ausgleich von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ist – eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere die Begriffe der „Beleidigung“ und der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“, anknüpft (vgl. BVerfGE 12, 113 <124 ff.>; 90, 241 <248>; 93, 266 <290 f.>). Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte.
Das Ergebnis der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>; stRspr). Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es lediglich zu überprüfen, ob die Fachgerichte dabei Bedeutung und Tragweite der durch die strafrechtliche Sanktion betroffenen Meinungsfreiheit ausreichend berücksichtigt und innerhalb des ihnen zustehenden Wertungsrahmens die jeweils für den Fall erheblichen Abwägungsgesichtspunkte identifiziert und ausreichend in Rechnung gestellt haben. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (siehe näher dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 1094/19 -, Rn. 21 ff.).
bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht in jeder Hinsicht.
(1) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die von Amts- und Landgericht bejahte Einordnung der Äußerung als ehrkränkend. Schon in diesem Rahmen ist der interpretationsleitende Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu beachten. Bei Äußerungsdelikten können zum einen die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts enthalten, wenn der Sinn der Äußerung nicht zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 93, 266 <295 f.>; 94, 1 <9>). Zum anderen darf bei der Prüfung, ob eine Äußerung ehrverletzend ist, der Begriff der Ehrverletzung nicht so weit ausgedehnt werden, dass für die Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein Raum mehr bleibt (vgl. BVerfGE 43, 130 <139>; 71, 162 <181>). Dass die angegriffenen Entscheidungen die Bezeichnung der Zeugin als „Trulla“ in dem situativen Kontext der Äußerung als ehrverletzend angesehen haben, hält sich im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Das Amtsgericht hat gesehen, dass die Äußerung auch in einem nicht ehrverletzenden Sinn verstanden werden könnte, eine solche Deutung aber mit verfassungsrechtlich tragfähigen Gründen in der konkreten Situation ausgeschlossen.
(2) Demgegenüber fehlt es der Entscheidung an einer Abwägung des Persönlichkeitsrechts mit der Meinungsfreiheit unter Würdigung der konkreten Umstände des Falles und hierbei der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Das Amtsgericht scheint – vom Landgericht nicht beanstandet – vom Vorliegen einer Schmähkritik auszugehen, die eine Abwägung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen, entbehrlich macht. Dass und aus welchen Gründen dies hier der Fall sein könnte, legt es indes nicht nachvollziehbar dar. Für das Vorliegen des Sonderfalls einer Schmähung ist auch in der Sache nichts ersichtlich. Erst recht scheint das Absehen von einer Abwägung unter dem Gesichtspunkt der Formalbeleidigung hier fernliegend.ie Feststellungen des Amtsgerichts zu Anlass und Kontext der inkriminierten Äußerung tragen nicht die Annahme, dass die – zwar ehrkränkende – Äußerung des Beschwerdeführers losgelöst von einem nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung allein auf eine persönliche Kränkung und die grundlose Verächtlichmachung der Person der Zeugin abzielte. Aus ihnen ergibt sich vielmehr, dass es dem Beschwerdeführer, der nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts gegenüber der Zeugin weder vor noch nach dieser Begebenheit jemals beleidigend aufgetreten ist, auch – wenn nicht sogar in erster Linie – darum ging, die rechtzeitige Buchung des für seinen Einkauf verwendbaren Geldes zu veranlassen, damit bereits abgesetzte Bestellungen ausgeführt werden könnten, so dass er nicht bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit zuwarten müsste. Nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Beschwerdeführer einschlägige Erfahrungen mit diesem Missstand. Er hatte die Zeugin eigens aufgesucht, um auf diesen aufmerksam zu machen, und war aufgrund der Befürchtung, die bestellten Lebensmittel nicht zu erhalten, bereits in aufgeregter Stimmung bei ihr eingetroffen. Aufgrund seines Eindrucks, bei der Zeugin mit seinem Anliegen nicht durchzudringen, wurde er wütend. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Äußerung noch als Teil einer sach- und anlassbezogenen Auseinandersetzung dar. Sie ist zugleich Ausdruck einer – wenngleich nicht vollständig gelungenen – emotionalen Verarbeitung der als unmittelbar belastend wahrgenommenen Situation: Der sicherungsverwahrte Beschwerdeführer war für den Einkauf privater Güter und Lebensmittel auf die Buchung des Geldes angewiesen und sah sich konkret mit den Folgen des Wegfalls eben dieser Einkaufsmöglichkeit konfrontiert. Aus seiner Sicht bestand zunächst Hoffnung, dass die über den Missstand informierte Zeugin den Eintritt der Nachteile verhindern könnte. Das schließt die Annahme einer Schmähkritik aus, weshalb unter näherer Würdigung der Umstände der Äußerung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten erforderlich gewesen wäre.
(3) Die fehlende Abwägung wurde nicht durch das Landgericht in dem Beschluss nachgeholt, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen wurde. Ebenfalls ohne die Meinungsfreiheit zu erwähnen oder das Vorliegen einer Schmähkritik zu begründen, beschränken sich dessen Ausführungen darauf, dass das Urteil des Amtsgerichts sachlich-rechtlich richtig sei und die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung zum Nachteil der Zeugin trage. Mit den konkreten Umständen der Äußerung, insbesondere dem Anlass des Gesprächs sowie der situativ bedingten emotionalen Anspannung des Beschwerdeführers, setzt sich das Landgericht nicht auseinander.
cc) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler. Das ist schon dann der Fall, wenn das Bundesverfassungsgericht – wie hier – jedenfalls nicht auszuschließen vermag, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung im Rahmen einer Abwägung, die regelmäßig bei der Prüfung des – vor jeder Verurteilung nach § 185 StGB zu beachtenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 1998 - 1 BvR 590/96 -, Rn. 23) – § 193 StGB vorzunehmen ist (vgl. BVerfGK 1, 289 <291>), zu einer anderen Entscheidung kommen wird.
dd) Es ist dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich verwehrt, die gebotene Abwägung selbst vorzunehmen (vgl. BVerfGK 1, 289 <292>), da sie Aufgabe der Fachgerichte ist, denen dabei ein Wertungsrahmen zukommt. Daher ist mit der Feststellung, dass die angefochtenen Entscheidungen die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers verkennen, keine Aussage darüber verbunden, ob die inkriminierte Aussage im konkreten Kontext gemäß § 185 StGB strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 - 1 BvR 2973/14 -, Rn. 18).
Das Bundesverfassungsgericht hat seine Rechtsprechung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der strafrechtlichen Verurteilung wegen Beleidigung unter Berücksichigung der Meinungsfreiheit in mehreren Entscheidungen präzisiert.
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Klarstellung verfassungsrechtlicher Maßgaben für strafrechtliche Verurteilungen wegen ehrbeeinträchtigender Äußerungen
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichten Beschlüssen über vier Verfassungsbeschwerden entschieden, die sich jeweils gegen strafgerichtliche Verurteilungen wegen Beleidigung richteten. Während die Kammer zwei Verfassungsbeschwerden nicht zu Entscheidung angenommen hat, hatten die anderen beiden Verfassungsbeschwerden Erfolg.
Die Kammer hat diese Verfahren zum Anlass genommen, um die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht bei ehrverletzenden Äußerungen klarstellend zusammenzufassen. Dabei hat sie bekräftigt, dass die Beurteilung, ob eine ehrbeeinträchtigende Äußerung rechtswidrig und unter den Voraussetzungen der §§ 185, 193 StGB strafbar ist, in aller Regel von einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen abhängig ist, die eine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen einer Äußerung und ihrer Bedeutung erfordert. Dabei hat sie wesentliche Kriterien zusammengefasst, die bei dieser Abwägung von Bedeutung sein können. In Abgrenzung dazu hat die Kammer wiederholt, dass eine Abwägung nur in besonderen Ausnahmefällen und nur unter engen Voraussetzungen entbehrlich sein kann, nämlich in den – verfassungsrechtlich spezifisch definierten – Fällen einer Schmähkritik, einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde. Sie hat die speziellen Voraussetzungen solcher Fallkonstellationen klargestellt und hervorgehoben, dass deren Bejahung von den Fachgerichten klar kenntlich zu machen und in gehaltvoller Weise zu begründen ist. Umgekehrt hat die Kammer betont, dass die Ablehnung eines solchen Sonderfalls, insbesondere das Nichtvorliegen einer Schmähung, das Ergebnis der Abwägung nicht präjudiziert.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat die Kammer entschieden, dass in zwei Verfahren die von den Fachgerichten vorgenommene Abwägung, wonach die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts die Meinungsfreiheit überwiege, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Demgegenüber genügt die Abwägung in den anderen beiden Verfahren auch unter Berücksichtigung des fachgerichtlichen Wertungsrahmens den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil jeweils keine hinreichende Auseinandersetzung mit den konkreten Situationen erkennbar ist, in denen die Äußerungen gefallen sind.
Sachverhalte:
1. Dem Verfahren 1 BvR 2397/19, in dem die Kammer die auch für die anderen Verfahren maßgeblichen Maßstäbe übergreifend zusammenfasst, liegen Äußerungen des Beschwerdeführers in einem von ihm geführten Internetblog zugrunde. Der Beschwerdeführer hatte sich 2002 von seiner damaligen Partnerin getrennt und führte anschließend vor verschiedenen bayerischen Gerichten zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen um das Umgangsrecht mit der gemeinsamen Tochter, das ihm ab 2012 ganz verwehrt wurde. 2016 verfasste er in seinem Internetblog aus Anlass einer für ihn nachteiligen Berufungsentscheidung drei weitere Einträge. Darin nannte er unter anderem die an der Entscheidung beteiligten Richter sowie diverse andere Personen namentlich, stellte Fotos von ihnen ins Netz und bezeichnete sie mehrfach als „asoziale Justizverbrecher“, „Provinzverbrecher“ und „Kindesentfremder“, die Drahtzieher einer Vertuschung von Verbrechen im Amt seien. Sie hätten auf Geheiß des namentlich genannten „rechtsradikalen“ Präsidenten des Oberlandesgerichts offenkundig massiv rechtsbeugend agiert. Der Beschwerdeführer wurde deshalb von den Strafgerichten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Zwar handele es sich wegen des sachlichen Bezugs und der verständlichen schweren emotionalen Situation des Beschwerdeführers nicht um Schmähkritik. Bei einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen überwiege jedoch der Ehrschutz. Die Kammer beurteilte das als verfassungsgemäß.
2. Dem Verfahren 1 BvR 2459/19 liegen Äußerungen des Beschwerdeführers in einer verwaltungsgerichtlichen Klageschrift zugrunde. Die Stadtbibliothek hatte – nach Rücksprache mit dem dortigen Rechtsamt – bei der Bestellung eines Buchs von ihm verlangt, das Bestellformular selbst auszufüllen. Hintergrund war, dass der Beschwerdeführer vorher eine Fernleihgebühr für ein Buch nicht entrichtet hatte, weil er der Ansicht gewesen war, ein anderes Buch bestellt zu haben. Schon zuvor hatte die Leiterin des Rechtsamtes in einer anderen Angelegenheit Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer gestellt, aufgrund derer ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung gegen ihn eingeleitet worden war. In diesem Verfahren hatte er die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über deren Geisteszustand beantragt. Noch ehe über diesen Antrag entschieden wurde, erhob der Beschwerdeführer wegen des Streits mit der Stadtbibliothek Klage vor dem Verwaltungsgericht. In der Klageschrift äußerte er, „unter Berücksichtigung, … dass in der Sache die Leiterin des Rechtsamtes R., eine in stabiler und persönlichkeitsgebundener Bereitschaft zur Begehung von erheblichen Straftaten befindlichen Persönlichkeit, deren geistig seelische Absonderlichkeiten und ein Gutachten zu deren Geisteskrankheit Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sind, involviert ist“, behalte er sich vor, „ein Ordnungsgeld in angemessener Höhe zu beantragen“. Aufgrund dieser Äußerung verurteilten die Strafgerichte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Zwar handele es sich nicht um einen Fall der Schmähkritik, da ein Sachbezug nicht völlig fehle. Die gebotene Abwägung falle jedoch zugunsten des Persönlichkeitsrechts aus. Auch dies beurteilte die Kammer als verfassungsgemäß.
3. Dem Verfahren 1 BvR 362/18 liegen Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde zugrunde. Der als Rechtsanwalt tätige Beschwerdeführer vertrat 2015 einen Tierschutzverein, für den er vor einem Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt ein Erlaubnisverfahren führte, an dessen Ende die vom Verein beantragte Erlaubnis erteilt wurde. Anschließend erhob der Beschwerdeführer eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Abteilungsleiter, in der er die Ansicht vertrat, das Amt habe eine unglaubliche materielle Unkenntnis, langsame Bearbeitungszeiten und eine offensichtlich vorsätzliche Hinhaltetaktik in der Sache gezeigt. Nach Schilderung von aus Sicht des Beschwerdeführers kritikwürdigen Vorfällen äußerte er, nunmehr gehe es noch um die Verfahrenskosten des Vereins. Diese habe die Behörde zwar bereits formell anerkannt, es scheine aber so, als ob der zuständige Abteilungsleiter durch immer wieder neue Vorgaben letztlich die Kosten nicht erstatten möchte. Weiter hieß es, dessen Verhalten „sehen wir mittlerweile nur noch als offenbar persönlich bösartig, hinterhältig, amtsmissbräuchlich und insgesamt asozial uns gegenüber an“. Die Strafgerichte verurteilten den Beschwerdeführer daraufhin wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Durch die verwendete Formulierung „persönlich“, „hinterhältig“ und „asozial“ sei es nur noch um eine konkrete Diffamierung des von ihm namentlich ausdrücklich benannten Abteilungsleiters gegangen, ohne dass dabei noch ein konkreter Bezug zur Sache erkennbar sei. Die Kammer beurteilte dies als eine Verletzung der Meinungsfreiheit.
4. Dem Verfahren 1 BvR 1094/19 liegen Äußerungen des Beschwerdeführers in einem einkommensteuerrechtlichen Festsetzungsverfahren zugrunde. Im Rahmen des Verfahrens, in dem insbesondere die Abzugsfähigkeit der Kosten für ein gerichtliches Vorgehen gegen den Rundfunkbeitrag strittig war, erhielt der Beschwerdeführer ein beigelegtes Rundschreiben des nordrhein-westfälischen Finanzministers. Dort hieß es unter anderem, Steuern machten „keinen Spaß, aber Sinn. Die Leistungen des Staates, die wir alle erwarten und gern nutzen, gibt es nicht zum Nulltarif“. Daraufhin verfasste der Beschwerdeführer ein weiteres Schreiben an die Finanzbehörden, das hauptsächlich die Frage der Absetzbarkeit der Kosten des rechtlichen Vorgehens gegen den Rundfunkbeitrag zum Gegenstand hatte. Am Ende erklärte er, weitere Dienstaufsichtsbeschwerden jetzt zu erheben, dürfte sinnlos sein: „Solange in Düsseldorf eine rote Null als Genosse Finanzministerdarsteller dilettiert, werden seitens des Fiskus die Grundrechte und Rechte der Bürger bestenfalls als unverbindliche Empfehlungen, normalerweise aber als Redaktionsirrtum des Gesetzgebers behandelt.“ Wegen dieser Äußerung verurteilten die Strafgerichte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Der Beschwerdeführer überschreite die Grenze eines Angriffs auf die Ehre des Finanzministers, den er als Person herabwürdige. Zwar werde nicht verkannt, dass die freie Meinungsäußerung ein hohes Rechtsgut sei und dass in der Öffentlichkeit stehende Personen deutliche Kritik auszuhalten hätten. Doch seien auch diese Personen wie andere Bürger geschützt, wenn die Grenze eines persönlichen Angriffs überschritten werde. Auch dies beurteilte die Kammer als Verletzung der Meinungsfreiheit.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
I. Die Kammer hat das Verfahren 1 BvR 2397/19 genutzt, um die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage zusammenzufassen, welche Anforderungen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit an strafrechtliche Verurteilungen wegen ehrbeeinträchtigender Äußerungen stellt.
1. Da Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedem das Recht gibt, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, auch wenn dies in polemischer oder verletzender Weise geschieht, greifen strafrechtliche Verurteilungen wegen Beleidigung (§ 185 StGB) in das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein. Die Anwendung dieser Strafnorm erfordert daher eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung und darauf aufbauend im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung fällt. Eine ehrbeeinträchtigende Äußerung ist daher nur dann eine gemäß § 185 StGB tatbestandsmäßige und rechtswidrige (§ 193 StGB) Beleidigung, wenn das Gewicht der persönlichen Ehre in der konkreten Situation die Meinungsfreiheit des Äußernden überwiegt.
a) Das Ergebnis der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Das Bundesverfassungsgericht überprüft lediglich, ob die Gerichte innerhalb des ihnen zustehenden Wertungsrahmens die jeweils für den Fall erheblichen Abwägungs- gesichtspunkte identifiziert und ausreichend in Rechnung gestellt haben. Die Kammer hat das Verfahren zum Anlass genommen, wesentliche Abwägungsgesichtspunkte, die je nach der konkreten Situation zu berücksichtigen sein können, aufzuzählen. Maßgeblich ist, dass die konkrete Situation der Äußerung erfasst und unter Berücksichtigung ihrer kontextbezogenen Bedeutung wie ihrer emotionalen Einbettung in Blick auf die betroffenen Grundrechte hinreichend gewürdigt wird. Hierfür kann unter Umständen letztlich dann auch eine recht knappe Abwägung ausreichen.
b) Zu den Umständen, die häufig bei der Abwägung von Bedeutung sein können, hat die Kammer ausgeführt, dass mit Blick auf den Inhalt einer Äußerung zunächst deren konkreter ehrschmälernder Gehalt erheblich ist. Dieser hängt insbesondere davon ab, ob und inwieweit die Äußerung grundlegende, allen Menschen gleichermaßen zukommende Achtungsansprüche betrifft oder ob sie eher das jeweils unterschiedliche soziale Ansehen des Betroffenen schmälert. Auch ist das Gewicht der Meinungsfreiheit umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht. Da der grundrechtliche Schutz gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist, ist in die Abwägung gegebenenfalls einzustellen, ob die Privatsphäre des Betroffenen oder sein öffentliches Wirken Gegenstand der Äußerung ist. Dabei kann zwischen Personen zu unterscheiden sein, die wie etwa Politiker bewusst in die Öffentlichkeit treten, und solchen, denen als staatliche Amtswalter ohne ihr besonderes Zutun eine Aufgabe mit Bürgerkontakt übertragen wurde. Der Gesichtspunkt der Machtkritik bleibt allerdings in die Abwägung eingebunden und erlaubt nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern oder Politikern. Denn die Verfassung setzt gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen.
Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann insbesondere erheblich sein, ob sie unvermittelt in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist. Denn für die Freiheit der Meinungsäußerung wäre es besonders abträglich, wenn vor einer mündlichen Äußerung jedes Wort auf die Waagschale gelegt werden müsste. Ebenfalls erheblich kann sein, ob und inwieweit für die betreffende Äußerung ein konkreter und nachvollziehbarer Anlass bestand und welche konkrete Verbreitung und Wirkung sie entfaltet. Erhält nur ein kleiner Kreis von Personen von einer ehrbeeinträchtigenden Äußerung Kenntnis oder handelt es sich um eine nicht schriftlich oder anderweitig perpetuierte Äußerung, ist die damit verbundene Beeinträchtigung der persönlichen Ehre geringfügiger und flüchtiger als im gegenteiligen Fall, der je nach Situation bei Äußerungen in „sozialen Netzwerken“ im Internet gegeben sein kann. Auch hier ist allerdings nicht allgemein auf das Medium als solches, sondern auf die konkrete Breitenwirkung abzustellen.
2. Eine solche Abwägung kann zwar im Einzelfall entbehrlich sein, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde eines anderen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Die Kammer hat aber in Bekräftigung der ständigen Rechtsprechung noch einmal deutlich gemacht, dass es sich dabei um Ausnahmefälle handelt, die an strenge Voraussetzungen geknüpft sind.
a) Der eine Abwägung entbehrlich machende und damit die Meinungsfreiheit verdrängende Effekt dieser Ausnahmetatbestände gebietet es in formaler Hinsicht, ihre Annahme klar kenntlich zu machen und in einer gehaltvollen und verfassungsrechtlich tragfähigen Weise zu begründen. Diese Begründung darf sich nicht in der bloßen Behauptung erschöpfen, ihre Voraussetzungen lägen vor. Vielmehr sind die maßgebenden Gründe unter Auseinandersetzung mit objektiv feststellbaren Umständen des Falles nachvollziehbar darzulegen.
b) Bejaht ein Gericht zu Unrecht einen solchen Ausnahmetatbestand und verzichtet daher auf eine Abwägung, so liegt darin ein verfassungsrechtlich erheblicher Fehler, der zur Aufhebung der Entscheidung führt, wenn diese darauf beruht. Umgekehrt schließt die gerichtliche Feststellung des Vorliegens der genannten Ausnahmetatbestände eine – hilfsweise – Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz der Persönlichkeit nach den konkreten Umständen des Falles nicht aus, sondern bietet sich vielmehr in den vielfach nicht eindeutig gelagerten Grenzfällen an.
c) Die Kammer hat diese Beschlüsse genutzt, um die engen Voraussetzungen dieser Ausnahmetatbestände in Erinnerung zu rufen:
aa) Der Charakter einer Äußerung als Schmähkritik folgt nicht schon aus einem besonderen Gewicht der Ehrbeeinträchtigung. Eine Schmähung ist nicht einfach eine besonders drastisch verunglimpfende Form von Beleidigung, sondern bestimmt sich nach sachlichen Gesichtspunkten. Im verfassungsrechtlichen Sinn zeichnet sich die Schmähung dadurch aus, dass eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr allein um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa aus verselbständigter persönlicher Feindschaft („Privatfehde“) oder aber auch dann, wenn – insbesondere unter den Kommunikationsbedingungen des Internets – Personen ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu einer Sachkritik grundlos aus verwerflichen Motiven wie Hass- oder Wutgefühlen heraus verunglimpft und verächtlich gemacht werden. Eine solche Annahme bedarf einer auf die konkreten Umstände des Falles bezogenen Darlegung. Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik oder Ausdruck der Empörung über bestimmte Vorkommnisse ist und damit nicht allein der Verächtlichmachung von Personen dient.
bb) Ebenfalls an strenge Maßstäbe geknüpft sind die Fälle der Formalbeleidigung im verfassungsrechtlichen Sinn. Um solche kann es sich etwa bei mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung verwendeten, nach allgemeiner Auffassung besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern – etwa aus der Fäkalsprache – handeln. Bei ihnen ist das maßgebliche Kriterium nicht der fehlende Sachbezug einer Herabsetzung, sondern die kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit, die die Betroffenen insgesamt verächtlich macht, und damit die spezifische Form dieser Äußerung.
cc) Die Meinungsfreiheit muss zudem stets zurücktreten, wenn eine Äußerung die Menschenwürde eines anderen verletzt. Dies kommt indes nur in Betracht, wenn sich die Äußerung nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte richtet, sondern einer konkreten Person den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit abspricht.
d) Die Kammer hat schließlich deutlich gemacht, dass das Fehlen einer dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen keine Vorfestlegung für einen Vorrang der Meinungsfreiheit begründet. Eine solche Vorfestlegung ergibt sich nicht aus der Vermutung zugunsten der freien Rede, die keinen generellen Vorrang der Meinungsfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsschutz begründet. Aus ihr folgt aber, dass Meinungsäußerungen, die die Ehre anderer beeinträchtigen, im Normalfall nur nach Maßgabe einer Abwägung sanktioniert werden können.
II. Diesen Maßstäben werden nur die zu den ersten beiden Sachverhalten ergangenen Entscheidungen gerecht:
Im Verfahren 1 BvR 2397/19 sind die Strafgerichte unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen des vorhandenen Sachbezugs noch keine Schmähkritik vorlag, dass bei der gebotenen Abwägung aber das Gewicht des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers deutlich überwiegt. Überzeugend und tragfähig wird begründet, dass im Streitfall die Aspekte der Machtkritik und des „Kampfs um das Recht“ den Schutz der persönlichen Ehre auch von Amtsträgern nicht in unzumutbarer Weise zurückdrängen können, zumal hier die persönliche Kränkung das sachliche Anliegen weitgehend überlagert. Zudem haben die Fachgerichte in nachvollziehbarer Weise auf die wiederkehrende, besonders hartnäckige und durch die Namensnennung, den anklagenden Duktus und die Untermalung durch Bilder anprangernde Form der Äußerungen abgestellt, ferner darauf, dass es sich um Äußerungen handelt, die die berufliche Integrität der betroffenen Richter grundsätzlich infrage stellen und gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen in einem der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Internetblog verbreitet wurden. Die Kammer hält diese Abwägung für verfassungsrechtlich tragfähig und bestätigt, dass sie kaum anders hätte ausgehen können.
Im Verfahren 1 BvR 2459/19 kann dahinstehen, ob die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers – wie das Amtsgericht angenommen hat – bereits unter dem Gesichtspunkt der Schmähkritik gerechtfertigt wäre. Denn jedenfalls genügt die Abwägungsentscheidung des Landgerichts den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine angemessene Berücksichtigung der Meinungsfreiheit bei Handhabung des § 185 StGB. Dabei durfte es maßgeblich auf den erheblich ehrschmälernden Gehalt der Äußerung und den nur schwach ausgeprägten Sachbezug abstellen. Ebenfalls überzeugend weist das Landgericht darauf hin, dass die bestrafte, primär wertende Äußerung zum Geisteszustand der Betroffenen auch tatsächliche Elemente aufweist, die der Beschwerdeführer bewusst falsch wiedergab. Im konkreten Kontext, den das Landgericht situationsbezogen gewürdigt hat, steht hier der Verurteilung auch nicht entgegen, dass sich die Äußerung auf eine staatliche Amtsträgerin und deren dienstliche Handlungen bezog und nur ein kleiner Personenkreis von ihr Kenntnis erhielt.
Im Verfahren 1 BvR 362/18 ist bereits unklar, ob die Gerichte von einer Schmähung ausgegangen sind. Dazu hätten sie in Auseinandersetzung mit der Äußerung und ihren Umständen näher darlegen müssen, warum es nur noch um eine konkrete Diffamierung ohne Sachbezug gegangen sein soll. Dies wird von den Gerichten nicht näher ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr handelt es sich um eine persönlich formulierte Ehrkränkung in Anknüpfung und unter Bezug auf eine fortdauernde Auseinandersetzung mit einem sachlichen Kern. Dabei stehen ersichtlich auch nicht verächtlich machende Beschimpfungen in Rede, die gegenüber Dritten unter überhaupt keinen Bedingungen geäußert werden dürften und deshalb als Formalbeleidigung zu beurteilen wären. Zur strafrechtlichen Verurteilung kann eine solche Äußerung folglich nur nach Maßgabe einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers führen. Die Gerichte erwähnen zwar das Erfordernis einer „Interessenabwägung“, nehmen aber eine solche Abwägung in der Sache nicht vor, sondern stellen allein abstrakt auf den Wortlaut der ehrverletzenden Äußerungen ab. Hierin liegt nicht, wie verfassungsrechtlich geboten, eine Auseinandersetzung mit der konkreten Situation, in der die Äußerung gefallen ist.
Im Verfahren 1 BvR 1094/19 kann sich die strafgerichtliche Verurteilung ebenfalls nicht auf den Gesichtspunkt der Schmähkritik oder der Formalbeleidigung stützen. Die angegriffenen Entscheidungen sind auch nicht von einer verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Abwägung getragen. Sie lassen keine hinreichende Auseinandersetzung mit der konkreten Situation, in der die Äußerung gefallen ist, erkennen und zeigen nicht auf, weshalb das Interesse an einem Schutz des Persönlichkeitsrechts des damaligen nordrhein-westfälischen Finanzministers die erheblichen für die Zulässigkeit der Äußerung sprechenden Gesichtspunkte überwiegt. Die Entscheidungen gehen auf Inhalt, Anlass, Motivation sowie die konkrete Wirkung der Äußerung unter den konkreten Umständen des Falls nicht sachhaltig ein, sondern weisen der Äußerung ohne nähere Begründung eine unmittelbar in die Privatsphäre reichende Bedeutung zu, obwohl es angesichts der sonstigen Äußerungen des Beschwerdeführers in dem Verfahren naheliegend gewesen wäre, sie in erster Linie auf das politische Handeln des Finanzministers zu beziehen. Auch berücksichtigen sie nicht, dass die Fähigkeit einer Person zur sachgemäßen Führung höchster öffentlicher oder politischer Ämter nicht Teil des grundlegenden sozialen Achtungsanspruchs ist, dass die Äußerung allein in einem an den zuständigen Sachbearbeiter gerichteten Schreiben im Rahmen eines nichtöffentlichen behördlichen Verfahrens getätigt wurde und dass der Betroffene sich mit seinem personalisierten Schreiben selbst zu Wort gemeldet und damit einen konkreten Anlass für die Reaktion des Beschwerdeführers gesetzt hatte.
Das OLG Köln hat entschieden, dass die pauschale Verunglimpfung von Frauen im Internet Volksverhetzung im Sinne von § 130 StGB ist.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
OLG Köln: Volksverhetzungsparagraf schützt auch vor pauschaler Verunglimpfung von Frauen - Freispruch aufgehoben
Der Paragraf, mit dem Volksverhetzung unter Strafe gestellt wird (§ 130 StGB), greift auch bei der pauschalen Verunglimpfung von Frauen ein. Zwar ist der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift der Schutz von Minderheiten, das Gesetz erfasst aber nach Wortlaut, Sinn und Zweck auch Angriffe auf die Menschenwürde von Frauen. Das hat der 1.Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 09.06.2020 entschieden und einen Freispruch des Landgerichts Bonn aufgehoben.
Der Angeklagte hatte auf einer von ihm betriebenen Homepage im Internet in zahlreichen Beiträgen Frauen u.a. als "Menschen zweiter Klasse", "minderwertige Menschen" und "den Tieren näherstehend" bezeichnet. Das Amtsgericht Bonn hatte ihn daher zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bonn diesen aus Rechtsgründen freigesprochen. Es hat die Auffassung vertreten, dass § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur Gruppen schütze, die durch ihre politische oder weltanschauliche Überzeugung oder ihre sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, ihren Beruf oder ihre soziale Funktion erkennbar seien. Eine geschlechtsspezifische Bestimmung nehme die Norm dagegen nicht vor. Die Gesetzgebungsgeschichte zeige, dass der allgemeine Geschlechterschutz von der Norm gerade nicht beabsichtigt sei.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der 1.Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln den Freispruch aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass zu den von § 130 StGB geschützten "Teilen der Bevölkerung" auch Frauen zählen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, der Auslegungshistorie, der Systematik und aus dem Zweck der Vorschrift.
Zwar werde in der juristischen Fachliteratur vereinzelt argumentiert, dass die Vorschrift nur dem Minderheitenschutz dienen solle, und aus diesem Grund die Vorschrift für Frauen als statistische Mehrheit der Bevölkerung nicht anwendbar sei. Dafür könne als Argument ins Feld geführt werden, dass Angehörige der Mehrheitsbevölkerung von Anderen nichts zu befürchten hätten, weil ihnen alleine die zahlenmäßige Überlegenheit genügend Schutz biete. Eine solche Konzeption finde aber im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck. Im Übrigen könne die Rechtsanwendung kaum von Zufälligkeiten der (möglicherweise wechselnden) Majoritätenbildung abhängig gemacht werden. Auch zeige die Historie der Vorschrift eine Entwicklung zu einem umfassenden "Anti-Diskriminierungstatbestand" auf. Der in den Schutzbereich einbezogene Teil der Bevölkerung sei keineswegs anhand der ausdrücklich erwähnten Merkmale beschränkt. Zwar möge der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift in der Praxis nach wie vor im Bereich rechtsradikaler Hetze gegen Minderheiten liegen. Unter die Vorschrift fielen aber auch diskriminierende Äußerungen gegen Frauen.
Da der Angeklagte mit seinen Äußerungen Frauen unter Missachtung des Gleichheitssatzes als unterwertig dargestellt und ihre Menschenwürde angegriffen habe, sei davon auszugehen, dass er den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt habe.
Eine Strafe konnte der Senat als Revisionsgericht aus Rechtsgründen nicht verhängen. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bonn zurückverwiesen.
Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 09.06.2020 - Az. III-1RVs 77/20.
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. eine Schrift (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren eine Schrift (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, die
a) zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b) zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c) die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
Das KG Berlin hat entschieden, dass weitere aber nicht alle gerügten Hasspostings gegen die Politikerin Renate Künast bei Facebook unzulässig waren und einen Auskunftsanspruch gegen Facebook nach § 14 Abs. 3 und 4 TMG bejaht.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kammergericht: Beschwerde einer Politikerin wegen ihres Antrags gegen eine Social-Media-Plattform auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten teilweise erfolgreich
Auf die Beschwerde einer Politikerin (Antragstellerin des Verfahrens) hat das Kammergericht mit Beschluss vom 11. März 2020 die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 9. September 2019 in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 21. Januar 2020 zum Antrag gegen eine Social-Media-Plattform auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten nochmals teilweise zu Gunsten der Politikerin korrigiert und weitere sechs der insgesamt 22 streitgegenständlichen Nutzerkommentare im Lichte der höchstrichterlichen und verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit als Beleidigungen im Sinne von § 185 StGB eingestuft. Die Social-Media-Plattform dürfe daher – zusätzlich zu den schon vom Landgericht gestatteten sechs Fällen – auch in diesen weiteren sechs Fällen über Name des Nutzers, E-Mail-Adresse des Nutzers und IP-Adresse, die von dem Nutzer für das Hochladen verwendet worden sei, sowie über den Uploadzeitpunkt Auskunft erteilen. Im Übrigen hat das Kammergericht jedoch die Entscheidung des Landgerichts Berlin bestätigt und deshalb die weitergehende Beschwerde der Politikerin insoweit zurückgewiesen.
Wegen der Hintergründe des Verfahrens wird auf die Pressemitteilung des Kammergerichts Nr. 4/2020 vom 21. Januar 2020 verwiesen.
Die Richter des 10. Zivilsenates des Kammergerichts haben in ihrer jetzigen Entscheidung u.a. betont, dass der im hiesigen Verfahren geltend gemachte Anspruch nach § 14 Abs. 4 des Telemediengesetzes (TMG) auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten nur ein vorbereitender Anspruch sei, der in verfahrensrechtlicher und inhaltlicher Hinsicht deutliche Unterschiede zu den weitergehenden Ansprüchen auf Unterlassung von Äußerungen und auf andere Leistungen (z.B. Geldentschädigung) aufweise, über die im hiesigen Verfahren noch gar nicht zu entscheiden gewesen sei. Demgemäß sei auch nur die Social-Media-Plattform als der jeweilige Diensteanbieter im hiesigen Verfahren beteiligt gewesen, nicht aber die jeweiligen Verfasser der 22 Kommentare.
Sechs von sechzehn der jetzt noch mit der Beschwerde zu prüfenden Kommentare erfüllten nach Ansicht der Richter des 10. Zivilsenates ungeachtet der strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an Eingriffe in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung stelle, den strafrechtlichen Beleidigungstatbestand des § 185 StGB. Diese sechs Äußerungen wiesen einen so massiven diffamierenden Gehalt auf, dass sie sich als Schmähkritik bzw. die dem gleichgestellte Formalbeleidigung einordnen ließen. Auch unter Berücksichtigung des thematischen Kontextes, in welchem die Nutzer ihre Posts verfasst hätten, könnten diese verbalen Entgleisungen nur als außerhalb einer Sachdebatte stehende Schmähungen der Person der Antragstellerin eingeordnet werden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik fehle insoweit. Vielmehr werde der Antragstellerin als vermeintlicher Befürworterin einer Entkriminalisierung von „einvernehmlichem bzw. gewaltlosem” Sex mit Kindern, wie sie die Ausgangsmitteilung andeute, jede Würde abgesprochen. Die Antragstellerin werde im Schutze der Anonymität des Internets zum Objekt frauenverachtender und entwürdigender obszöner Anwürfe gemacht. Hierdurch und durch zügellose Beschimpfungen mittels besonders drastischer Begriffe aus dem Bereich der Fäkalsprache werde die Antragstellerin in einer so maßlos überzogenen Art und Weise attackiert, dass nur noch die persönliche Schmähung im Vordergrund steht und eine sachbezogene Auseinandersetzung völlig aus dem Blickfeld geraten sei. Bei solchen Diffamierungen werde ungeachtet des Anlasses der Entgleisungen die weit gezogene Grenze zulässiger Meinungsäußerungen deutlich überschritten und der Ausnahmetatbestand einer nicht mehr legitimierbaren Schmähkritik oder einer dieser gleichgestellten Formalbeleidigung erreicht.
Dagegen müsse der Beschwerde der Antragstellerin nach der Auffassung der Richter des 10. Zivilsenats des Kammergerichts im Hinblick auf die verbleibenden zehn verfahrensgegenständlichen Kommentare der Erfolg versagt bleiben. Die Richter des 10. Zivilsenats würden dabei keineswegs verkennen, dass es sich insoweit gleichfalls um erheblich ehrenrührige Bezeichnungen und Herabsetzungen der Antragstellerin handele. Unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben sei allerdings festzustellen, dass die Schwelle zum Straftatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB jeweils nicht überschritten werde. Denn es liege insoweit kein Fall der abwägungsfreien Diffamierung (Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik) vor und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin erreiche auch nicht ein solches Gewicht, dass die Äußerungen unter Einbeziehung des konkret zu berücksichtigenden Kontextes – anders als bei den vorgenannten sechs Kommentaren – lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung der Antragstellerin erscheinen würden.
Sie würden – so die Richter des 10. Zivilsenats – auch keinesfalls verkennen, dass es zu einem Sprachverfall und insbesondere unter Ausnutzung der Anonymität im Internet zu einer Verrohung bis hin zu einer Radikalisierung des gesellschaftlichen Diskurses gekommen sei. Dies vermöge aber eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Der von der Antragstellerin aufgeworfenen Frage, ob die Besonderheit, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen für Personen des politischen Lebens härtere Maßstäbe zu gelten hätten, noch zeitgemäß sei und ob die Rechtsordnung und die Justiz sich nicht stärker schützend vor politische Entscheidungsträger stellen müssten, möge die Berechtigung nicht abgesprochen werden. Die geltende Rechtsordnung und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts böten jedoch auf dem hier zu beurteilenden Gebiet derzeit aber keinen Raum für eine Aufwertung des Persönlichkeitsschutzes.
Diese Entscheidung ist rechtskräftig; der 10. Zivilsenat des Kammergerichts hat eine Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe, noch zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere.
Landgericht Berlin: Beschwerde einer Politikerin wegen ihres Antrags gegen eine Social Media Plattform auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten teilweise erfolgreich
Auf die Beschwerde einer Politikerin (Antragstellerin des Verfahrens) und aufgrund des von ihr im Beschwerdeverfahren ergänzten Sachvortrags einerseits sowie aufgrund zwischenzeitlich zusätzlich gewonnener gerichtlicher Erkenntnisse andererseits hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin ihren ursprünglichen Beschluss vom 09. September 2019 – 27 AR 17/19 – zum Antrag gegen eine Social Media Plattform auf Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten mit ihrer neuen Entscheidung vom 21. Januar 2020 teilweise abgeändert.
Durch den im Beschwerdeverfahren erstmals vollständig vorgelegten Ausgangspost habe die Zivilkammer 27 die 22 betroffenen Nutzerkommentare im Lichte der höchstrichterlichen und verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit nochmals geprüft und der Antragstellerin im Ergebnis in sechs Fällen Recht gegeben. So sei wegen des nunmehr dargelegten Kontextes des Ausgangsposts und der inzwischen zusätzlich erlangten gerichtlichen Erkenntnisse zu dessen Urheber nicht mehr davon auszugehen, dass die Verfasser der 22 streitgegenständlichen Kommentare annehmen durften, dass die im Ausgangspost wiedergegebene Äußerung so wie zitiert vollständig von der Antragstellerin stamme. Vielmehr handele es sich teilweise um ein Falschzitat, sodass sich angesichts der für die 22 Nutzer auch erkennbaren Hintergründe des Posts für sie Zweifel in Bezug auf die Authentizität des Zitats aufdrängen mussten, was bei der Bewertung der einzelnen Kommentare zu berücksichtigen sei.
Vor diesem Hintergrund enthielten nach Auffassung der Richter der Zivilkammer 27 die Kommentare von sechs Nutzern jeweils einen rechtswidrigen Inhalt im Sinne einer Beleidigung gemäß § 185 des Strafgesetzbuches (StGB), für den auch im Hinblick auf die Meinungsfreiheit ein Rechtfertigungsgrund nicht ersichtlich sei. Diese Kommentare hätten vielmehr einen ehrherabsetzenden Inhalt, der aus der Sicht des unbefangenen Durchschnittslesers als gezielter Angriff auf die Ehre der Antragstellerin erscheine und sich auch in der persönlichen Herabsetzung der Antragstellerin erschöpfe. Die Social Media Plattform dürfe daher in diesen sechs Fällen über Name des Nutzers, E-Mail-Adresse des Nutzers und IP-Adresse, die von dem Nutzer für das Hochladen verwendet worden sei, sowie über den Uploadzeitpunkt Auskunft erteilen.
Die übrigen sechzehn Kommentare verwirklichten dagegen nach Auffassung der Richter der Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin auch unter Berücksichtigung des weiteren Sachvortrags der Antragstellerin und der sonstigen gerichtlichen Erkenntnisse im Beschwerdeverfahren keinen der in § 1 Abs. 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) aufgeführten Straftatbestände, weil diese Kommentare – wie bereits in dem ursprünglichen Beschluss vom 09. September 2019 ausgeführt – einen Sachbezug zu einer Äußerung der Politikerin im Berliner Abgeordnetenhaus im Jahre 1986 im Zusammenhang mit dem Thema Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern hätten. Es handele sich deshalb bei diesen 16 Kommentaren um Äußerungen, die das Verhalten der Antragstellerin oder den Aussagegehalt des von ihr im Jahre 1986 getätigten Einwurfs im Berliner Abgeordnetenhaus kritisierten und sich nicht in der persönlichen Herabsetzung der Antragstellerin erschöpften, sodass sie nach Auffassung der Zivilkammer 27 im Ergebnis noch keine Straftaten der Beleidigung darstellten.
Soweit die Antragstellerin auf einen Verstoß gegen die Richtlinien der Social Media Plattform abstelle, komme es darauf ebenso wenig wie auf einen – nach anderen rechtlichen Vorschriften zu bewertenden – zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 823, 1004 analog des Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes an. Der von der Antragstellerin im hiesigen Verfahren geltend gemachte Auskunftsanspruch sei vom Gesetzgeber abschließend in § 14 des Telemediengesetzes (TMG) geregelt und auf die Fälle beschränkt worden, in denen die in § 1 Abs. 3 NetzDG genannten Straftatbestände verwirklicht seien.
Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Soweit die Kammer der Beschwerde der Antragstellerin mit dem Beschluss vom 21. Januar 2020 nicht abgeholfen hat, hat sie die Sache dem Kammergericht vorgelegt, das nun in zweiter Instanz den Fall prüfen und entscheiden muss.
Landgericht Berlin:
ursprünglicher Beschluss – 27 AR 17/19 – vom 09. September 2019
Landgericht Berlin:
Abhilfebeschluss nach Beschwerde – 27 AR 17/19 – vom 21. Januar 2020
Das LG Berlin hat in einer kaum haltbaren und zu Recht von vielen Seiten kritisierten Entscheidung entschieden, dass die Politkierin Renate Künast bei Facebook übelste Beschimpfungen hinnehmen muss und kein Auskunftsanspruch gegen Facebook hinsichtlich der Bestandsdaten der Nutzer nach § 14 Abs. 3 TMG besteht.
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 14 Abs. 3 TMG darf der Diensteanbieter Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtwidriger Inhalte, die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist. Nach § 1 Abs. 3 NetzDG sind rechtswidrige Inhalte solche, die den Tatbestand der §§ 86, 86 a, 89 a, 91, 100 a, 111, 126, 129 bis 129 b, 130, 131, 140, 166, 184 b in Verbindung mit 184 d, 185 bis 187, 201 a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuches erfüllen und nicht gerechtfertigt sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die von der Antragstellerin angeführten Äußerungen auf ... stellen sich sämtlich als Meinungsäußerungen dar. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom genannten Grundrecht geschützt. Im Fall einer derart engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (BGH NJW 1998, 1131, 1133 m.w.Nachw.).
Der Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit wird verkannt, wenn der Verurteilung eine Äußerung zugrundegelegt wird, die so nicht gefallen ist, wenn ihr ein Sinn gegeben wird, den sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat oder wenn ihr unter mehreren objektiv möglichen Deutungen eine Auslegung gegeben wird, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind ferner verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft ist mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfG NJW 1992, 1439, 1440 m.w.Nachw.). Von einer Schmähung kann nicht ausgegangen werden, wenn die Äußerung in dem Kontext einer Sachauseinandersetzung steht. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht erfordern damit regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2005 - 1 BvR 1917/04 -, juris, Rn. 22). Hiervon kann allenfalls ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie dies möglicherweise bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter - etwa aus der Fäkalsprache - der Fall sein kann (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Dezember 2008 - 1 BvR 1318/07 -, juris, Rn. 16). Bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage liegt Schmähkritik nur ausnahmsweise vor; sie bleibt grundsätzlich auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Februar 2019 - 1 BvR 1954/17 -, Rn. 11, juris). Der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung wird nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst (BVerfG a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen gilt hier folgendes:
Die von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen sind sämtlichst Reaktionen auf den Post, den ein Dritter auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Social-Media-Plattform eingestellt hat. Dieser Post zitiert einen von der Antragstellerin getätigten Einwurf und würdigt diesen so, wie er von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Auch wenn die Antragstellerin ihren Einwurf anders verstanden wissen will, wird der knappe, die Zwischenfrage des CDU-Abgeordneten korrigierende Einwurf, wie dies der Online-Artikel der Welt vom 24.05.2015 zeigt, von der Öffentlichkeit als Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf der Landtagsfraktion der Grünen in NRW wahrgenommen. Soll aber die Ausübung von Sex mit Kindern nur noch dann unter Strafe gestellt werden, wenn Gewalt im Spiel ist, heißt dies zum einen, dass es gewaltfreien Sex mit Kindern gibt und, dass er ohne Ausübung von körperlicher und psychischer Gewalt toleriert wird. Nichts anderes drückt der zweite Halbsatz in dem Post "ist der Sex mit Kindern doch ganz ok" aus. Die Antragstellerin muss sich daher die gesamte Äußerung des ersten Satzes des Post zurechnen lassen.
Bei den Reaktionen hierauf handelt es sich sämtlichst um zulässige Meinungsäußerungen. Sie sind zwar teilweise sehr polemisch und überspitzt und zudem sexistisch. Die Antragstellerin selbst hat sich aber mit ihrem Zwischenruf, den sie bislang nicht öffentlich revidiert oder klargestellt hat, zu einer die Öffentlichkeit in ganz erheblichem Maße berührenden Frage geäußert und damit Widerstand aus der Bevölkerung provoziert. Zudem muss sie als Politikerin in stärkerem Maße Kritik hinnehmen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 09. Dezember 2014 - I-15 U 148/14 -, Rn. 33, juris).
Da alle Kommentare einen Sachbezug haben, stellen sie keine Diffamierungen der Person der Antragstellerin und damit keine Beleidigungen nach § 185 StGB dar.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
(1) Die in ein Bild von Starwars eingefügte Äußerung "Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird!" ist eine sicherlich geschmacklose Kritik, die mit dem Stimittel der Polemitik sachliche Kritik übt. Es geht dem Äußernden erkennbar nicht darum, die Antragstellerin als Person zu diffamieren, sondern an der von ihr getätigten Äußerung Kritik zu üben. Es liegt daher keine Beledigung nach § 185 StGB vor. Die Antragstellerin wird nicht, wie sie dies meint, zum Gegenstand sexueller Fantasien gemacht.
(2) Die Äußerung "Wurde diese "Dame" vielleicht als Kind ein wenig viel gef... und hat dabei etwas von ihren Verstand eingebüßt. ..." stellt wiederum eine polemische und überspitze, aber nicht unzulässige Kritik dar. Denn wie sich aus dem nachfolgenden Satz ergibt, geht es um eine auf die Äußerung der Antragstellerin bezogene Kritik. Dass die Äußerung sexualisiert ist, ist das Spiegelbild der Sexualisiertheit des Themas. Eine Diffamierung und damit eine Beleidigung nach § 185 StGB der Antragstellerin lässt sich hieraus nicht ableiten.
(3) Soweit die Antragstellerin geltend macht, es liege mit "Stück Scheisse" und "Geisteskranke" eine Formalbeleidigung vor, steht dem entgegen, dass wie sich aus dem zweiten Satz ergibt eine Auseinandersetzung in der Sache erfolgte, so dass eine Formalbeleidigung ausscheidet (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 11. Mai 2017 - 324 O 217/17 -, Rn. 17, juris).
(4) In der Bezeichnung "Pädophilen-Trulla" kann eine Beleidigung nach § 185 StGB nicht erblickt werden.
(5) Die Äußerung "Die alte hat doch einen Dachschaden die ist hol wie Schnittlauch man kann da nur noch" steht ebenfalls im Kontext der im Post wiedergegebenen Äußerung. Sie stellt eine Kritik an der Äußerung der Antragstellerin dar und nicht losgelöst von der Äußerung an der Person der Antragstellerin selbst. Daher stellt sich auch diese Äußerung nicht als eine Diffamierung der Antragstellerin und damit als Beleidigung der Antragstellerin gemäß § 185 StGB dar.
(6) In der auf den Post und damit auf die dort wiedergegebene Äußerung der Antragstellerin bezogene Äußerung "Mensch ... was bis Du Krank im Kopf!!!" kann eine Beleidgung nach § 185 StGB nicht erblickt werden.
(7) Auch der Kommentar "Pfui du altes grünes Dreckschwein ..." steht in unmittelbaren Zusammenhang zu dem Post und nimmt Bezug auf ein Zwischenruf der Antragstellerin. In diesem Zusammenhang stellt die Bezeichnung "Dreckschwein" keine Beleidigung dar.
(8) Der geschmacklose, polemische und überspitzte Kommentar "Der würde in den Kopf geschi ... War genug Platz da kein Hirn vorhanden war/ist" bezieht sich erkennbar auf die von der Antragstellerin getätigte Äußerung. Auch er stellt sich daher als sachbezogene Kritik und nicht als Diffamierung und Beleidigung nach § 185 StGB dar.
(9) Die auf den Post erfolgte Äußerung "Die ist Geisteskrank" ist eine auf die Äußerung bezogene Kritik und keine Diffamierung der Antragstellerin. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.
(10) Wie aus den Worten "bei solchen Aussagen" deutlich wird, handelt es sich bei der Aussage "Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren" um eine auf die im Post bezogene Äußerung bezogene und damit sachgebzogene Kritik. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt damit nicht vor.
(11) Die Bezeichnung der Antragstellerin als krank stellt keine Beleidigung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung dar. Der Sachbezug des Kommentars wird durch die Worte "sie weiß nicht mehr was sie redet" ohne weiteres verdeutlicht.
(12) Die Äußerung, die sind alle so krank im Kopf, stellt sich ebenfalls als Kritik an ihrer im Post wiedergegebenen Äußerung wieder, auf die dieser Kommentar erfolgte. Eine Beleidigung der Antragstellerin nach § 185 StGB kann hierin nicht erblickt werden.
(13) Auch in dem Kommentar "Schlampe" kann eine von der Äußerung im kommentierten Post losgelöste primär auf eine Diffamierung der Person der Antragstellerin und nicht auf eine Auseinandersetzung in der Sache abzielende Äußerung nicht gesehen werden. Vielmehr ist auch dieser Kommentar ein Beitrag in einer Sachauseinandersetzung.
(14) Gleiches gilt für den Kommentar "Gehirn Amputiert". Auch dieser stellt sich als Beitrag im Rahmen einer Sachauseinandersetzung dar und zielt nicht primär auf die Diffamierung der Antragstellerin. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.
(15) Für den Kommentar "Kranke Frau" gilt das zuvor unter (13) und (14) gesagte.
(16) Der Kommentar "Drecks Fotze" bewegt sich haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch hinnehmbaren. Weil das Thema, mit dem sie vor vielen Jahren durch ihren Zwischenruf an die Öffentlichkeit gegangen ist sich ebenfalls im sexuellen Bereich befindet und die damals von ihr durch den Zwischenruf aus der Sicht der Öffentlichkeit zumindest nicht kritisierte Forderung der Entpönalisierung des gewaltfreien Geschlechtsverkehrs mit Kindern erhebliches Empörungspotential in der Gesellschaft hat, ist die Kammer jedoch der Ansicht, dass die Antragstellerin als Politikerin sich auch sehr weit überzogene Kritik gefallen lassen muss. Dass mit der Aussage allein eine Diffamierung der Antragstellerin beabsichtigt ist, ohne Sachbezug zu der im kommentierten Post wiedergegebenen Äußerung ist nicht feststellbar.
Das Bild verdeutlicht die Aussage, ich muss mich gleich übergeben, was der Ausdruck von Ablehnung ist, und sich klar auf die Äußerung bezieht. Eine Beleidigung liegt hier nicht vor.
(17) Die Äußerung "Die will auch nochmal Kind sein weil sonst keiner an die Eule ran geht!" ist eine mit dem Stilmittel der Ironie ausgedrückte Kritik an der im kommentierten Post wiedergegebenen Äußerung der Antragstellerin. Die Antragstellerin wird entgegen ihrer Meinung in dem Kommentar nicht wirklich zum Objekt sexueller Vorstellungen gemacht. Sicherlich macht sich der Kommentar ein wenig über die Antragstellerin lustig, eine Beleidigung liegt aber nicht vor.
(18) Die Bezeichnung der Antragstellerin als hohle Nuß, die entsorgt gehört und als Sondermüll, stellt sich als überspitzte Kritik dar. Da sich der Kommentar erkennbar auf die im Post wiedergegebene Äußerung bezieht und damit Sachbezug hat, stellt er sich nicht als diffamierend dar. Eine Beleidigung nach § 185 StGB ist nicht gegeben.
(19) Der Kommentar "Schlamper" stellt keine Beleidigung dar. Auf die Ausführungen unter (13) und (14) wird verwiesen.
(20) Der Kommentar "Ferck du Drecksau" steht in unmittelbaren Zusammenhang zu dem Post und nimmt Bezug auf den dort wiedergegebenen Zwischenruf der Antragstellerin. In diesem Zusammenhang stellt die Äußerung "Ferck du Drecksau" keine Beleidigung dar, wobei der unbefangene Durchschnittsleser nicht erkennen kann, was der Verfasser mit "Farck" hat schreiben wollen. Es kann "verrecke" sein, wie dies die Antragstellerin meint, zwingend ist dies aber nicht, es kann ebenso gut auch "Ferckel" sein.
(21) Der Kommentar "Sie alte perverse Drecksau!!!!! Schon bei dem Gedanken an sex mit Kindern muss das Hirn weglaufen !!!!! Ich glaube, das ist bei den Grünen auch so !!!!!" nimmt Bezug auf die im kommentierten Post wiedergegebene Äußerung der Antragstellerin, an der er Kritik übt. Daher stellt sich die Äußerung Drecksau als ausfallende Kritik dar, jedoch nicht als diffamierend und beleidigend i.S.d. § 185 StGB.
(22) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin versteht der unbefangene Durchschnittsleser den Kommentar "Sie wollte auch Mal die hellste Kerze sein, Pädodreck." nicht dahingehend, dass mit "Pädodreck" die Antragstellerin bezeichnet wird. Vielmehr bezeichnet dies ihre Äußerung. Die Antragstellerin war diejenige, die sich mit dem Zwischenruft hervortun wollte, eben auch einmal die hellste Kerze sein wollte. Heraus kam "Pädodreck". Die Bezeichnung "Pädodreck" stellt sich hiermit als Kritik zu der im Post wiedergegebenen Äußerung dar. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.