Das BVerfG hat im vorliegenden Fall entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde gegen die Auswertung und Verwertung von EncroChat-Daten im Strafverfahren unzulässig ist und sich nicht näher mit den verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Verwertung von EncroChat-Daten befasst.
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht: Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen strafrechtliche Verurteilung nach Auswertung übermittelter
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung nicht zur Entscheidung angenommen, bei der sich das Landgericht maßgeblich auf die im Wege internationaler Rechtshilfe an deutsche Ermittlungsbehörden übermittelten Daten von Mobiltelefonen des Anbieters EncroChat stützte. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Subsidiaritätsgrundsatz nicht gewahrt und eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert dargetan hat.
Mit sieben weiteren, nicht veröffentlichten Beschlüssen vom 9. August 2023 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats ähnlich gelagerte Fälle nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 2 BvR 2005/22, 2 BvR 2022/22, 2 BvR 2024/22, 2 BvR 2025/22, 2 BvR 2048/22, 2 BvR 594/23 und 2 BvR 867/23).
Über die mit der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen ist damit in der Sache nicht entschieden. Beim Bundesverfassungsgericht sind derzeit fünf weitere Verfassungsbeschwerden zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten anhängig (Az. 2 BvR 684/22, 2 BvR 1832/22, 2 BvR 2143/22, 2 BvR 64/23 und 2 BvR 1008/23).
Sachverhalt:
Das Unternehmen EncroChat bot seinen Nutzern Krypto-Mobiltelefone mit einer besonderen Softwareausstattung an. Nach bisherigen Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden wurden die Mobiltelefone in großem Maße und vorwiegend europaweit zur Begehung schwerer Straftaten genutzt. Von April bis Juni 2020 erfassten französische Ermittlungsbehörden die über den in Roubaix befindlichen Server des Unternehmens laufenden Daten. Die zu Mobiltelefonen auf deutschem Staatsgebiet anfallenden Daten übermittelten die französischen Behörden im Wege internationaler Rechtshilfe den deutschen Ermittlungsbehörden zur Verwendung in Strafverfahren.
Am 23. Juli 2021 verurteilte das Landgericht Rostock den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Seine Überzeugung von der Täterschaft stützte das Landgericht auf aus seiner Sicht dem Beschwerdeführer zuzuordnende Chat-Verläufe, die über den Anbieter EncroChat geführt wurden. Die dagegen gerichtete Revision verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 8. Februar 2022.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Landgerichts Rostock und des Bundesgerichtshofs. Er macht die Verletzung seines Grundrechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) sowie der europäischen Grundrechte aus Art. 7 und Art. 8 der Charta der Europäischen Union (GRCh) geltend. Die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter begründet er damit, dass der Bundesgerichtshof zahlreiche Fragen zur Zulässigkeit und Verwertbarkeit der EncroChat-Daten dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht vorgelegt habe. Die Art. 7 und Art. 8 GRCh seien verletzt, weil die französischen Behörden in großem Umfang EncroChat-Daten ausgespäht, gesammelt und hiernach an die deutschen Behörden weitergegeben hätten.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Art. 7 und Art. 8 GRCh hat der Beschwerdeführer den Subsidiaritätsgrundsatz nicht gewahrt.
Danach soll der gerügte Grundrechtsverstoß nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden. Im Strafverfahren verlangt der Grundsatz der Subsidiarität von einem Beschwerdeführer, der seine Grundrechte durch Verstöße des Tatgerichts verletzt sieht, diese im Revisionsverfahren so zu rügen, dass das Revisionsgericht in eine sachliche Prüfung der Rüge eintritt.
Vorliegend hat der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 7 und Art. 8 GRCh nicht in zulässiger Weise mit der Revision gerügt. Er hat im Revisionsverfahren zu den Verfahrenstatsachen nicht ausreichend vorgetragen, um dem Revisionsgericht den Eintritt in die sachliche Prüfung der Beweisverwertung zu ermöglichen. Seinem Revisionsvortrag fehlt es insoweit an der Vorlage der vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Aktenteile.
2. In Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert dargetan.
Ein Rechtsuchender kann seinem gesetzlichen Richter dadurch entzogen werden, dass ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer Acht lässt. Die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kann eine der einheitlichen Auslegung bedürftige Frage des Unionsrechts der Entscheidung des gesetzlichen Richters – des Gerichtshofs der Europäischen Union – vorenthalten und damit das Ergebnis der Entscheidung beeinflussen. Für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV prüft das Bundesverfassungsgericht nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
Eine solche Konstellation vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Es ist anhand des Beschwerdevortrags nicht erkennbar, dass der Bundesgerichtshof in unvertretbarer Weise von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen hat. Die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union war offensichtlich nicht entscheidungserheblich. Die Beantwortung von europarechtlichen Fragen zur Rechtmäßigkeit der Erhebung, Übermittlung und Verwertung von EncroChat-Daten konnte keinen Einfluss auf die Revisionsentscheidung nehmen, weil der Bundesgerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Beweisverwertung vorliegend nicht zu entscheiden hatte. Denn der Beschwerdeführer hat die Beweisverwertung durch das Landgericht mit der Revision nicht in zulässiger Weise gerügt.
3. Über die mit der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen ist damit in der Sache nicht entschieden.
Das BVerwG hat entschieden, dass das BMJ muss keinen Informationszugang zu Unterlagen gewähren muss, die ein von der Generalbundesanwalt geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren betreffen.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Kein Anspruch auf Informationszugang gegen Bundesjustizministerium in einem Ermittlungsverfahren
Das Bundesministerium der Justiz muss keinen Informationszugang zu Unterlagen gewähren, die ein beim Generalbundesanwalt geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren betreffen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Kläger, ein eingetragener Verein zur Förderung der Informationsfreiheit, beantragte beim früheren Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Informationszugang zu einer Weisung des Bundesministeriums an den Generalbundesanwalt, zu dem gesamten Schriftverkehr in diesem Ermittlungsverfahren sowie zu den vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Generalbundesanwalt hierzu gefertigten Gutachten. Das Bundesjustizministerium lehnte den Antrag unter Berufung auf vorrangige Regelungen der Strafprozessordnung über den Zugang zu amtlichen Informationen ab. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist nicht eröffnet, weil er sich allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und sonstigen Stellen des Bundes bezieht. Demgegenüber gehören die begehrten Informationen zum Tätigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz als Aufsichtsbehörde hinsichtlich des Generalbundesanwalts als Organ der Rechtspflege. Das Bundesjustizministerium ist insoweit selbst als Organ der Rechtspflege tätig. Sämtliche begehrten Unterlagen zu den Ermittlungen und strafrechtlichen Bewertungen des zur Strafanzeige gebrachten Handelns bilden nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts den Kern der strafrechtlichen Ermittlungen.
BVerwG 10 C 6.21 - Urteil vom 29. März 2023
Vorinstanzen:
OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 16.19 - Urteil vom 23. Juni 2021 -
VG Berlin, VG 2 K 124.18 - Urteil vom 24. Oktober 2019 -
Das OLG Köln hat entschieden, dass die Berichterstattung in der Bild Zeitung und bei Bild-Online über Kardinal Woelki teilweise unzulässig war.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Urteilsverkündung in den Berufungsverfahren 15 U 120/22 und 15 U 131/22
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat am heutigen Tag in den vorbezeichneten Verfahren entschieden und insoweit unter teilweiser Abänderung der landgerichtlichen Entscheidungen den Beklagten das Verbreiten bzw. Verbreiten lassen einzelner Äußerungen untersagt.
Im Verfahren 15 U 120/22 verlangt der Kläger, Kardinal der römisch-katholischen Kirche und Erzbischof von Köln, von der Beklagten zu 1 als Betreiberin eines Online-Portals und dem Beklagten zu 2, dem Chefreporter des Portals, die Unterlassung von fünf Äußerungen aus einem Artikel sowie der Äußerung aus einem Kommentar, die sich mit der vom Kläger ausgesprochenen Beförderung eines Priesters befassen.
Das Landgericht Köln hat der Klage mit Urteil vom 18. Mai 2022 antragsgemäß stattgegeben (Az. 28 O 276/21, abrufbar über die Datenbank NRWE). Auf die dagegen seitens der Beklagten eingelegte Berufung hin hat der Senat die Entscheidung des Landgerichts dahingehend abgeändert, dass es die Beklagten in Bezug auf vier von sechs angegriffenen Äußerungen zu unterlassen haben, diese zu verbreiten oder verbreiten zu lassen; im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, die sechs angegriffenen Äußerungen berührten den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. In Bezug auf vier der sechs Äußerungen liege auch ein rechtswidriger Eingriff vor; im Rahmen der gebotenen Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiege das Schutzinteresse des Klägers die schutzwürdigen Belange der anderen Seite. Dies sei hinsichtlich der zwei weiteren Äußerungen nicht der Fall. Im Einzelnen:
Als unwahre Tatsachenbehauptungen unzulässig seien die Äußerungen, der Priester habe "der Polizei 2001 sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen gestanden" beziehungsweise er habe "bei polizeilicher Vernehmung […] Sex mit dem obdachlosen und minderjährigen Prostituierten gestanden". Sie seien deshalb unwahr, weil ein unbefangener und verständiger Leser sie nur so verstehen könne, dass der Priester gegenüber der Polizei Angaben zur Minderjährigkeit seines Sexualpartners gemacht habe, was tatsächlich im Rahmen seiner (alleinigen) Vernehmung als Zeuge - nicht als Beschuldigter - nicht der Fall gewesen sei. Die Beklagte habe zudem die Leser zur Vermeidung einer fehlerhaften Vorstellung darüber aufklären müssen, dass das von dem Priester gegenüber der Polizei eingeräumte - zum damaligen Zeitpunkt nach staatlichem Recht unzweifelhaft nicht strafbare - Verhalten nicht Gegenstand eines staatlichen Ermittlungsverfahrens gewesen sei.
Unzulässig sei auch die Äußerung "obwohl dieser zuvor Kindesmissbrauch gestanden hat". Es handele sich um eine irreführende Meinungsäußerung mit einem unwahren Tatsachenkern. Namentlich sei im Rahmen der Zeugenvernehmung des Priesters, wie ausgeführt, die Minderjährigkeit von dessen Sexualpartner überhaupt nicht zur Sprache gekommen.
Auch die Äußerung "Ungeachtet dessen befördert […] diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später […]." enthalte mit der Bezeichnung des Priesters als "Sexualstraftäter" im Zusammenhang mit dessen im Artikel angegebenen angeblichen Äußerungen bei der Polizei, er habe Sex bzw. sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen bzw. Kindesmissbrauch gestanden, eine weitere irreführende und in Ermangelung einer Erläuterung ebenfalls unzulässige Meinungsäußerung. Sie verstärke die Gefahr eines fehlerhaften Verständnisses dahingehend, dass die staatlichen Ermittlungsbehörden gegen diesen ermittelt hätten.
Um zulässige Meinungsäußerungen handele es sich dagegen bei der von dem Kläger angegriffenen Artikelüberschrift "Obwohl er von den Vorwürfen wusste - Kardinal Woelki beförderte Missbrauchs-Priester" und bei der angegriffenen Äußerung aus dem Kommentar "Kardinal Woelki, der Erzbischof von Köln, hat einen Missbrauchspriester befördert". Zwar enthielten diese eine scharfe und zugespitzte Kritik an der Amtsführung des Kardinals. Diese Kritik müsse sich der Kläger als Träger eines hohen kirchlichen Amtes aber u.a. im Lichte der breiten öffentlichen Diskussion um sein Verhalten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche gefallen lassen.
Die Bezeichnung des Priesters als "Missbrauchs-Priester" sei - jedenfalls im Verhältnis der Beklagten zum Kläger - rechtmäßig. Die Frage, ob ein Verhalten als Missbrauch anzusehen sei, unterliege der rechtlichen oder moralischen Bewertung. Mangels Vorliegens eines unwahren tatsächlichen Bestandteils stehe den Beklagten die Bewertung als Missbrauch frei mit der Konsequenz, dass sie den Priester dementsprechend in einer zugespitzten Wertung als "Missbrauchs-Priester" bezeichnen könne. Bei der Äußerung, der Kläger habe "von den Vorwürfen" gewusst, handele es sich auf der Grundlage des diesbezüglichen Parteivortrags ebenfalls um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung auf das Vorliegen einer inneren Tatsache.
Auch in dem Verfahren 15 U 131/22 streiten die Parteien um die Zulässigkeit verschiedener Äußerungen. Das Landgericht Köln hat der Klage antragsgemäß mit Urteil vom 8. Juni 2022 stattgegeben (Az. 28 O 295/21, abrufbar über die Datenbank NRWE). Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat auf die Berufung der Beklagten das angegriffene Urteil teilweise abgeändert. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, ein Unterlassungsanspruch bestehe hinsichtlich einzelner der vom Kläger angegriffenen Äußerungen. Im Einzelnen:
Abgesehen von einem Äußerungsteil, der von dem titulierten Verbot auszunehmen sei, habe das Landgericht zu Recht angenommen, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zustehe bezüglich der - in Artikeln mit der Überschrift "Die Vertuschungs-‚Mafia‘ im Erzbistum Köln" und "VERTUSCHUNGS-‚MAFIA‘ im Erzbistum Köln" veröffentlichten - Äußerungen "DIESER bislang geheim gehaltene Bericht aus dem Giftschrank des Erzbistums Köln" und "wo er bis heute liegt".
Diese Äußerungen beträfen den Kläger; aus den Überschriften und dem weiteren Text der beiden Artikel ergebe sich, dass das fragliche Dokument - der in dem Artikel genannte Bericht eines anonymen Insiders - dem Kläger seit dem Jahr 2015 bekannt gewesen sei. Die angegriffenen Äußerungen seien auch geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Klägers als Träger eines hohen kirchlichen Amtes auszuwirken. Denn dem Leser werde die Schlussfolgerung nahe gelegt, er habe die Aufklärung der Vorwürfe, die in dem angeblich geheim gehaltenen Dokument erhoben beziehungsweise wiedergegeben werden, nicht beziehungsweise nicht ernsthaft betrieben. Die Äußerungen seien als unzulässige Meinungsäußerungen mit einem unwahren, jedenfalls aber nicht erweislich wahren Tatsachenkern einzuordnen.
Dazu hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, in den Äußerungen vermengten sich tatsächliche und wertende Elemente in der Weise, dass die Äußerungen insgesamt noch als Werturteil anzusehen seien. Bei derartigen Äußerungen falle bei der Abwägung der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht; ausgehend davon trete hier das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn nach dem bewiesenen Vortrag des Klägers sei davon auszugehen, dass das von den Beklagten in Bezug genommene Dokument, nachdem es zuvor auch anderen Anwälten zur Kenntnis gebracht worden sein soll, im Jahr 2020 an die mit der Erstellung eines Missbrauchsgutachtens beauftragte Kanzlei übergeben worden sei. Eine andere Beurteilung ergebe sich aber auch dann nicht, wenn man von einem Tatsachenkern mit ungeklärtem Wahrheitsgehalt ausgehen wolle. Nach den im Verfahren maßgeblichen Tatsachenfeststellungen im landgerichtlichen Urteil sei im Übrigen davon auszugehen, dass die Kanzlei den Auftrag gehabt habe, die gesichteten Dokumente, sofern zur Verfolgung konkreter Strafverdachtsmomente als notwendig erachtet, an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Der mit der Weitergabe der Informationen an eine solche Stelle verbundene Kontrollverlust sei mit der Annahme, die Informationen seien weiterhin geheim gehalten worden, auch unter Berücksichtigung erheblicher Wertungsspielräume nicht mehr vereinbar. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang einen weiteren, den damaligen Generalvikar betreffenden Äußerungsteil untersagt habe, sei dieser dagegen auszunehmen. Dieser sei äußerungsrechtlich in Bezug auf den Kläger nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich weiterer verfahrensgegenständlicher Äußerungen sei bereits der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht berührt, da diese ihn entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht beträfen. Dies gelte u.a. für die Überschrift "Die Vertuschungs-Mafia im Erzbistum Köln". Dazu hat der Senat unter näherer Darlegung ausgeführt, die Überschrift dürfe nicht isoliert von dem dazugehörigen Zeitungsbericht betrachtet werden.
Der im Übrigen angegriffene Äußerungsteil "bringt Kardinal Woelki (64) in Erklärungsnot" betreffe zwar den Kläger, diesen müsse er indes hinnehmen. Es handele sich dabei um eine zulässige Bewertung der Umstände, dass der Kläger das Schreiben nicht zum Anlass genommen habe, von einer Beförderung abzusehen, und dass er auf Anfrage der Beklagten zu diesem Vorgang Stellung genommen habe.
In beiden Verfahren ist die Revision vom Senat nicht zugelassen worden.
OLG Saarbrücken
Beschluss vom 30.12.2022 4 HEs 35/22
Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass ANOM-Chat-Daten als Beweismittel verwendet werden können und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft ist gerechtfertigt. Sowohl die allgemeinen Voraussetzungen für das Fortbestehen der Untersuchungshaft als auch die in § 121 Abs. 1 StPO gesetzlich festgeschriebenen besonderen Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Angeklagte ist der ihm im Haftbefehl des Amtsgerichts Saarbrücken vom 2. Juli 2022 (Bl. 272 ff. d.A.) zur Last gelegten Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge weiterhin dringend verdächtig. Soweit der Haftbefehl vom 2. Juli 2022 das Tatgeschehen rechtlich neben einer Strafbarkeit gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zugleich als bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge einordnet (§ 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG), handelt es sich um ein offensichtliches redaktionelles Versehen, das auf Wirksamkeit, Bestand und Fortdauer der Untersuchungshaft keine Auswirkungen hat. Wegen der Einzelheiten der verdachtsbegründenden Umstände wird auf den Haftbefehl sowie die zwischenzeitlich zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift vom 21. Oktober 2022 (Bl. 548 ff. d.A.) und das darin niedergelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen Bezug genommen.
a) Danach ist insbesondere anzunehmen, dass es sich bei dem Angeklagten V. um den Nutzer der Kennung "h." des Krypto-Providers "A." handelt, der hierüber den Handel mit Betäubungsmitteln, hinsichtlich dessen sich ein dringender Verdacht im Übrigen jedenfalls hinsichtlich der Taten zu Ziff. 3. bis 6. des Haftbefehls vom 2. Juli 2022 aus den Ergebnissen der nationalen zunächst verdeckt sowie sodann offen geführten Ermittlungsmaßnahmen (Telekommunikationsüberwachung, Observation, Durchsuchungsmaßnahmen) ergibt, abgewickelt hat. Die überwachte Kommunikation, die den dringenden Tatverdacht für die Nutzung des Kryptodienstes A. durch den Angeklagten unter der Kennung "h." zum Zwecke der Abwicklung des Handels mit Betäubungsmitteln begründet und zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens führte, ist nach derzeitigem Stand im Strafverfahren auch verwertbar. Das US-amerikanische Federal Bureau of Investigation (FBI) hat die Kommunikationsinhalte im Zuge gegenseitiger Rechtshilfe von einem nicht näher bezeichneten Mitgliedstaat der Europäischen Union erhalten, in dem sie aufgrund einer gerichtlichen Anordnung über einen Server des Providers A. gesichert worden waren, und stellte sie sodann unter Erteilung einer Genehmigung zur justiziellen Verwertung den Strafverfolgungsbehörden der jeweiligen Länder, hier dem Bundeskriminalamt, zur Verfügung (vgl. Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main - Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität - vom 20. Mai 2021, S. 3 = Bl. 5 d.A.). Die Verwertung der auf diese Weise im Ausland außerhalb des vorliegenden Strafverfahrens erhobenen Beweise in dem Strafverfahren gegen den Angeklagten ist vom nationalen Prozessrecht gedeckt. Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung in der Hauptverhandlung erhobener Beweise ist § 261 StPO, unabhängig davon, ob diese zuvor im Inland oder auf sonstige Weise - etwa im Wege der Rechtshilfe - erlangt worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 und 857/10, BVerfGE 130, 1 ff. Rn. 120, 137 ff. m.w.N.; BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, juris Rn. 25). Ausdrückliche Verwendungsbeschränkungen für im Wege der Rechtshilfe aus dem Ausland erlangte Daten sieht das deutsche Recht nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, juris Rn. 25). Soweit gleichsam die dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragenden Wertungen der auch bei grenzüberschreitendem Datenverkehr anwendbaren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2012 - 1 StR 310/12, juris) strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen sowohl des § 479 Abs. 2 i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO als auch des § 100e Abs. 6 StPO Berücksichtigung zu finden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, juris Rn. 25 und Rn. 68), schließt dies die Verwendung der vom FBI erlangten Daten und Kommunikationsinhalte im konkreten Fall aufgrund des dringenden Tatverdachts der Begehung von Straftaten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als Katalogtaten im Sinne von § 161 Abs. 3 und § 100e Abs. 6 StPO nicht aus (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22. November 2021 - 1 HEs 427/21 -, StraFo 2022, 203 f.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21, juris Rn. 68 zur Heranziehung des Schutzniveaus aus § 100e Abs. 6 StPO im Fall der Verwertung von im Ausland gesicherter EncroChat-Kommunikation), zumal eine Verwertung von Erkenntnissen aus dem Kernbereich privater Lebensführung aufgrund des Inhalts der gesicherten Kommunikation nicht zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, juris Rn. 68).
b) Der Verwertbarkeit steht auch nicht entgegen, dass die vom Angeklagten genutzte A.-App vom FBI mit dem Ziel entwickelt und dem Markt verdeckt zur Verfügung gestellt worden ist, die über den Server des Providers A. laufende, Ende zu Ende verschlüsselte Kommunikation aufgrund gerichtlicher Anordnung des bislang nicht näher benannten EU-Mitgliedstaates, in dem der Server gelegen ist, zu erheben und mittels eines bei der Entwicklung angehefteten Master-Keys zu entschlüsseln.
aa) Aufgrund des Grundsatzes gegenseitiger Anerkennung (Art. 82 AEUV) lässt ein von den nationalen deutschen Vorschriften abweichendes Verfahren die Verwertbarkeit von im Ausland erhobenen Beweisen grundsätzlich unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, juris Rn. 50 ff., 73 ff. m.w.N.; Schomburg/Lagodny/Hackner, IRG Vor § 68 Rn 11 m.w.N.), und die nationalen deutschen Gerichte sind nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit von originär im Ausland, mithin nicht aufgrund deutschen Rechtshilfeersuchens durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen anhand der Vorschriften des ausländischen Rechts auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, juris Rn. 26 ff. m.w.N.; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22. November 2021 - 1 HEs 427/21 -, StraFo 2022, 203, 204). Das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots ist demnach ausschließlich nach nationalem Recht zu bestimmen.
bb) Danach ergibt sich ein Beweisverwertungsverbot vorliegend weder aus rechtshilfespezifischen Gründen noch aus nationalem Verfassungs- oder Prozessrecht oder den Vorgaben der EMRK (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, juris Rn. 25 ff.). Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die im Ausland erhobenen Beweise unter Verletzung völkerrechtlich verbindlicher und dem Individualrechtsgüterschutz dienender Garantien, wie etwa Art. 3 oder Art. 6 EMRK, oder unter Verstoß gegen die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze i.S.d. ordre public (vgl. § 73 IRG) gewonnen wurden oder die Ermittlungshandlung der Umgehung nationaler Vorschriften diente (vgl. Schomburg/Lagodny/Hackner, IRG Vor § 68 Rn 11 m.w.N). Weder liegt ein Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzender und aufgrund dessen ein Verfahrenshindernis begründender Fall polizeilicher Tatprovokation (vgl. dazu etwa EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 54648/09 - juris) vor, weil die Annahme, allein durch Schaffung der Möglichkeit einer abhörsicheren Kommunikation sei der Tatentschluss des Angeklagten zur Begehung der ihm vorgeworfenen Taten hervorgerufen worden, fernliegt, noch begründet der Umstand, dass sich die Datenerhebung gegen sämtliche Nutzer der A.-App ohne Beschränkung auf bestimmte Zielpersonen und ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts richtete, mithin Verdachtsmomente erst generieren sollte, einen elementaren Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Das Inverkehrbringen der App diente nicht dazu, die Persönlichkeit der Nutzer durch Eindringen in deren Privat- oder Intimsphäre auszuspähen. Vielmehr war absehbar, dass die durch die Nutzung ermöglichte, vermeintlich abhörsichere Kommunikation, neben der eine normale Nutzung des Mobilfunkgerätes zum Telefonieren und mit Zugang zum Internet nicht mehr möglich war, nahezu ausschließlich im Bereich organisierter Kriminalität eingesetzt werden würde (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22. November 2021 - 1 HEs 427/21 -, StraFo 2022, 203, 204; zur Ablehnung eines Verstoßes gegen den Grundsatz des ordre public bei EncroChat-Daten vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2021 - 2 Ws 102/21 (S); 2 Ws 96/21 - juris; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 29. Januar 2021 - 1 Ws 2/21 -, juris, sowie dem Grunde nach auch BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, juris Rn. 57). Ebenso wenig haben die deutschen Ermittlungsbehörden durch ein planmäßiges Vorgehen zur Umgehung nationaler Vorschriften zur Kommunikationsüberwachung an der Datengewinnung mitgewirkt (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22. November 2021 - 1 HEs 427/21 -, StraFo 2022, 203, 204).
LG Berlin
Beschluss vom 19.10.2022
(525 KLs) 279 Js 30/22 (8/22)
Das LG Berlin hat dem EuGH Fragen zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten im Strafverfahren zur Entscheidung vorgelegt.
Die Vorlagefragen:
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/41 (im Folgenden: RL EEA) vorgelegt:
1. Zur Auslegung des Merkmals "Anordnungsbehörde" nach Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 lit. c) RL EEA
a) Muss eine Europäische Ermittlungsanordnung (im Folgenden: EEA) zur Erlangung von Beweismitteln, die sich bereits im Vollstreckungsstaat (hier: Frankreich) befinden, von einem Richter erlassen werden, wenn nach dem Recht des Anordnungsstaats (hier: Deutschland) in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall die zugrunde liegende Beweiserhebung durch den Richter hätte angeordnet werden müssen ?
b) Gilt dies hilfsweise zumindest dann, wenn der Vollstreckungsstaat die zugrunde liegende Maßnahme auf dem Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats durchgeführt hat mit dem Ziel, die abgeschöpften Daten anschließend den an den Daten interessierten Ermittlungsbehörden im Anordnungsstaat zum Zweck der Strafverfolgung zur Verfügung zu stellen ?
c) Muss eine EEA zur Erlangung von Beweismitteln unabhängig von den nationalen Zuständigkeitsregelungen des Anordnungsstaats immer dann von einem Richter (bzw. einer unabhängigen, nicht mit strafrechtlichen Ermittlungen befassten Stelle) erlassen werden, wenn die Maßnahme schwerwiegende Eingriffe in hochrangige Grundrechte betrifft ?
2. Zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 lit. a) RL EEA
a) Steht Art. 6 Abs. 1 lit. a) RL EEA einer EEA zur Übermittlung von im Vollstreckungsstaat (Frankreich) schon vorhandenen Daten aus einer Telekommunikationsüberwachung – insbesondere Verkehrs- und Standortdaten sowie Aufzeichnungen von Kommunikationsinhalten – entgegen, wenn die vom Vollstreckungsstaat durchgeführte Überwachung sich auf sämtliche Anschlussnutzer eines Kommunikationsdienstes erstreckte, mit der EEA die Übermittlung der Daten sämtlicher auf dem Hoheitsgebiet des Anordnungsstaates genutzten Anschlüsse begehrt wird und weder bei der Anordnung und Durchführung der Überwachungsmaßnahme noch bei Erlass der EEA konkrete Anhaltspunkte für die Begehung von schweren Straftaten durch diese individuellen Nutzer bestanden ?
b) Steht Art. 6 Abs. 1 lit. a) RL EEA einer solchen EEA entgegen, wenn die Integrität der durch die Überwachungsmaßnahme abgeschöpften Daten wegen umfassender Geheimhaltung durch die Behörden im Vollstreckungsstaat nicht überprüft werden kann ?
3. Zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 lit. b) RL EEA
a) Steht Art. 6 Abs. 1 lit. b) RL EEA einer EEA zur Übermittlung von im Vollstreckungsstaat (Frankreich) schon vorhandenen Telekommunikationsdaten entgegen, wenn die der Datenerhebung zugrunde liegende Überwachungsmaßnahme des Vollstreckungsstaats nach dem Recht des Anordnungsstaats (Deutschland) in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unzulässig gewesen wäre ?
b) Hilfsweise: Gilt dies jedenfalls dann, wenn der Vollstreckungsstaat die Überwachung auf dem Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats und in dessen Interesse durchgeführt hat ?
4. Zur Auslegung von Art. 31 Abs. 1, Abs. 3 RL EEA
a) Handelt es sich bei einer mit der Infiltration von Endgeräten verbundenen Maßnahme zur Abschöpfung von Verkehrs-, Standort- und Kommunikationsdaten eines internetbasierten Kommunikationsdienstes um eine Überwachung des Telekommunikationsverkehrs im Sinne von Art. 31 RL EEA ?
b) Muss die Unterrichtung nach Art. 31 Abs. 1 RL EEA stets an einen Richter gerichtet werden oder gilt dies zumindest dann, wenn die vom überwachenden Staat (Frankreich) geplante Maßnahme nach dem Recht des unterrichteten Staats (Deutschland) in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nur durch einen Richter angeordnet werden könnte ?
c) Soweit Art. 31 RL EEA auch dem Individualschutz der betroffenen Telekommunikationsnutzer dient, erstreckt sich dieser auch auf die Verwendung der Daten zur Strafverfolgung im unterrichteten Staat (Deutschland) und ist gegebenenfalls dieser Zweck gleichwertig mit dem weiteren Zweck, die Souveränität des unterrichteten Mitgliedsstaats zu schützen ?
5. Rechtsfolgen einer unionsrechtswidrigen Beweiserlangung
a) Kann sich bei einer Beweismittelerlangung durch eine unionsrechtswidrige EEA unmittelbar aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz ein Beweisverwertungsverbot ergeben ?
b) Führt bei einer Beweismittelerlangung durch eine unionsrechtswidrige EEA der unionsrechtliche Äquivalenzgrundsatz zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn die der Beweisgewinnung im Vollstreckungsstaat zugrunde liegende Maßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall im Anordnungsstaat nicht hätte angeordnet werden dürfen und die durch eine solche rechtswidrige innerstaatliche Maßnahme gewonnenen Beweise nach dem Recht des Anordnungsstaats nicht verwertbar wären ?
c) Verstößt es gegen Unionsrecht, insbesondere den Grundsatz der Effektivität, wenn die strafprozessuale Verwertung von Beweismitteln, deren Erlangung gerade wegen eines fehlenden Tatverdachts unionsrechtswidrig war, im Rahmen einer Interessenabwägung mit der Schwere der erstmals durch die Auswertung der Beweismittel bekannt gewordenen Taten gerechtfertigt wird ?
d) Hilfsweise: Ergibt sich aus dem Unionsrecht, insbesondere dem Grundsatz der Effektivität, dass Unionsrechtsverstöße bei der Beweismittelerlangung in einem nationalen Strafverfahren auch bei schweren Straftaten nicht vollständig ohne Folge bleiben dürfen und daher zumindest auf der Ebene der Beweiswürdigung oder der Strafzumessung zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt werden müssen ?
Aus den Entscheidungsgründen: Die zu den EncroChat-Daten bisher ergangenen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Entscheidungen gehen sämtlich von der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten aus. Soweit Verstöße gegen Unionsrecht angenommen oder zumindest in Betracht gezogen werden, wird im Rahmen der Abwägung unter Hinweis auf die Schwere der anhand der EncroChat-Daten ermittelten Straftaten den Strafverfolgungsinteressen der Vorrang eingeräumt (zu Art. 31 RL EEA: BGH aaO. Rn. 44; vgl. auch – wohl zu Art. 6 RL EEA –: KG, Beschluss vom 30. August 2021 – juris Rn. 55). Auch eine Berücksichtigung an anderer Stelle – insbesondere der Beweiswürdigung oder der Strafzumessung – wird, soweit ersichtlich, den Tatgerichten nicht abverlangt; die strafmildernde Berücksichtigung des Verstoßes gegen Art. 31 RL EEA hat der Bundesgerichtshof sogar ausdrücklich als fehlerhaft beanstandet (BGH, Urteil vom 3. August 2022 – 5 StR 203/22 –, juris Rn. 19).
Die Kammer hat Zweifel, ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es grundsätzlich Sache des nationalen Rechts, die Rechtsfolgen von Verstößen gegen Unionsrecht zu regeln. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten wird jedoch begrenzt durch den Grundsatz der Effektivität (Gerichtshof, Urteil vom 2. März 2021 – C-746/18 –, juris Rn. 42 m.w.N.). Danach muss das nationale Recht Sorge dafür tragen, dass der Beschuldigte in einem Strafverfahren durch rechtswidrig erlangte Informationen und Beweise keine unangemessenen Nachteile erleidet (Gerichtshof aaO. Rn. 43).
Dies kann grundsätzlich nicht nur durch ein Beweisverwertungsverbot erreicht werden, sondern auch durch eine Berücksichtigung der Rechtsverstöße bei der Beweiswürdigung oder im Rahmen der Strafzumessung (Gerichtshof, Urteile vom 2. März 2021, aaO. Rn. 43, und vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u.a – C-511/18 u.a. –, juris Rn. 225). Gleichwohl kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Effektivitätsgrundsatz im Einzelfall das nationale Gericht verpflichten, rechtswidrig erlangte Beweise vom Verfahren auszuschließen (Gerichtshof, Urteile vom 20. September 2022 – C-339/20 u.a. –, juris Rn. 106, vom 2. März 2021, aaO. Rn. 44 und vom 6. Oktober 2020, aaO. Rn. 226 f.; grundlegend Urteil vom 10. April 2003, Steffensen – C-276/01 –, juris Rn. 77 ff. im Anschluss an EGMR, Urteil vom 18. März 1997, Mantovanelli/Frankreich Tz. 36). Die Kammer versteht diese Rechtsprechung dahin, dass der Rechtsverstoß in einem solchen Fall qua Unionsrecht stets den Ausschluss der Beweise zur Folge haben muss und es auf eine Abwägung mit den nationalen Strafverfolgungsinteressen und insbesondere auf die Schwere der in Rede stehenden Straftaten nicht mehr ankommt.
Es spricht einiges dafür, ein solches unmittelbar aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz hergeleitetes Verwertungsverbot auch hier anzunehmen. Denn der Grundsatz des fairen Verfahrens ist in mehrerlei Hinsicht beeinträchtigt worden:
Bereits der Umstand, dass die mit der EEA angeforderten Daten wegen der französischen Geheimhaltung nicht durch einen technischen Sachverständigen überprüft werden können, dürfte die vom Gerichtshof in der Entscheidung vom 10. April 2003 (Steffensen) entwickelten Voraussetzungen erfüllen, unter denen das Gericht Beweise ausschließen muss. Hinzu kommen die oben zu I. bis III. angesprochenen mehrfachen Missachtungen formeller und materieller Sicherungsmechanismen nach Art. 31 und Art. 6 RL EEA, die entweder unmittelbar von den deutschen Strafverfolgungsbehörden zu verantworten sind oder vor denen sie zumindest die Augen verschlossen haben. Wären alle diese Vorgaben des Unionsrechts beachtet worden, wären die Daten der deutschen Nutzer weder erhoben noch bei Europol gespeichert und schon gar nicht an die deutschen Behörden zum Zweck der Strafverfolgung übermittelt worden.
Weiter hinzu tritt schließlich, dass die europäischen Agenturen und die deutschen Strafverfolgungsbehörden die Sachaufklärung und die Verteidigung durch die Verweigerung der Herausgabe von für die Verteidigung erheblichen Aktenbestandteilen und die Weigerung, verfahrensrelevante Dokumente überhaupt in die Akten aufzunehmen, im Nachgang weiter erschwert haben. Besonders gravierend wirkt sich dabei die Weigerung aus, die über das SIENA-System ausgetauschten Nachrichten zur Akte zu bringen (die wenigen im vorliegenden Verfahren bekannt gewordenen SIENA-Nachrichten wurden von der Verteidigung eingereicht und stammen mutmaßlich aus dem Ausland). Dadurch lässt sich etwa nicht überprüfen, ob es – was angesichts der SIENA-Nachricht vom 20. August 2020 naheliegt – Mitteilungen zu technischen Auffälligkeiten gab, die für die Bewertung der Chat-Nachrichten von Bedeutung sein könnten. Die ohnehin schon mit der französischen Geheimhaltung verbundene Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten wurde dadurch weiter vertieft; ein von Art. 7 Abs. 4 RL 2012/13 gedeckter Rechtfertigungsgrund ist dafür nicht ersichtlich. Auch das in dem BKA-Schreiben vom 13. Mai 2020 angekündigte Verschweigen wesentlicher Informationen gegenüber dem Ermittlungsrichter passt in diesen Zusammenhang, da die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Aufgabe des Ermittlungsrichters, die Ermittlungen eigenverantwortlich zu prüfen, unterlaufen wurde (vgl. zum Gebot der Aktenvollständigkeit im Ermittlungsverfahren BGH NStZ 2022, 561 f.). Insgesamt wurde damit in sämtlichen Verfahrensabschnitten eine unabhängige externe Überprüfung der Datengewinnung und -weiterverwendung verhindert.
All dies zusammen genommen dürfte in mehrfacher Hinsicht im Widerspruch zu den Wertungen der Art. 7 Abs. 2 RL 2012/13, Art. 47, 48 GRCh, Art. 6 Abs. 1 EMRK stehen und stellt die Fairness des Verfahrens in seiner Gesamtheit in Frage.
b) Die Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Rechtsfolgen von Verstößen gegen Unionsrecht wird weiter begrenzt durch den Grundsatz der Äquivalenz. Danach dürfen Verstöße gegen Unionsrecht nicht in geringerem Maße sanktioniert werden als vergleichbare Verstöße gegen innerstaatliches Recht (Urteil des Gerichtshofs vom 2. März 2021, aaO. Rn. 42).
Auch unter diesem Aspekt könnte man hier an ein zwingendes Verwertungsverbot denken. Denn nach dem deutschen Strafprozessrecht hätten bei einer Abhörmaßnahme sowohl der Verstoß gegen den Richtervorbehalt als auch der fehlende konkrete Verdacht einer Katalogtat jeweils die Unverwertbarkeit der Daten zur Folge. Es ist nicht ersichtlich, weshalb für vergleichbare Verstöße im Zusammenhang mit dem Erlass einer EEA etwas anderes gelten sollte.
c) Sofern sich demgegenüber aus dem Unionsrecht kein zwingendes Verwertungsverbot ergibt, kommt es nach dem deutschen Strafprozessrecht auf eine umfassende Interessenabwägung an. Der Bundesgerichtshof und die Obergerichte stellen maßgeblich auf das Gewicht der aufzuklärenden Straftaten ab und folgern daraus, dass das staatliche Strafverfolgungsinteresse gegenüber dem Individualschutz der betroffenen EncroChat-Nutzer den Vorrang genieße (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022, aaO. Rn. 36, 44, 57; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. November 2021 – 2 Ws 261/21 –, juris Rn. 33). Die Kammer hat Zweifel, ob diese Argumentation mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Der Gerichtshof hat mehrfach entschieden, dass das Ziel, schwere Straftaten zu bekämpfen, eine allgemeine unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung nicht rechtfertigen kann (Urteile vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net, aaO. Rn. 141, vom 2. März 2021, aaO. Rn. 50 und vom 5. April 2022, aaO. Rn. 65). Solche rechtswidrig anlasslos gespeicherten Vorratsdaten sind dem anschließenden Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auch dann entzogen, wenn sie im konkreten Fall der Aufklärung schwerer Taten dienen sollen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – mit einiger Wahrscheinlichkeit von der Datenabschöpfung auch Berufsgeheimnisträger – wie etwa Rechtsanwälte und Journalisten – betroffen sind (vgl. zu diesen Gesichtspunkt Gerichtshof, Urteil vom 20. September 2022, Spacenet u.a. – C-793/19 u.a. –, juris Rn. 82) und auch Kommunikationsinhalte erfasst werden.
Zu dieser Wertung und dem Grundsatz der Effektivität könnte es im Widerspruch stehen, wenn ein Rechtsverstoß, der unmittelbar an den fehlenden Tatverdacht anknüpft, unter Verweis auf nachträgliche Erkenntnisse aus den rechtswidrig erlangten Daten ohne Sanktion bleibt. Die Kammer neigt danach zu der Ansicht, dass bei der Abwägung, ob ohne ausreichenden Tatverdacht erlangte Daten trotz des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 lit. a) und b) RL EEA verwertbar sind, das Gewicht der konkret in Rede stehenden Straftaten nur mit verringertem Gewicht berücksichtigt werden darf mit der Folge, dass bei einem Eingriff in hochrangige Grundrechte allein dieser Gesichtspunkt den Rechtsverstoß nicht aufwiegen und damit die Verwertung nicht rechtfertigen kann.
Vergleichbar lässt sich zu Art. 31 Abs. 1 RL EEA argumentieren: Die Schwere dieses Verstoßes ergibt sich maßgeblich daraus, dass das zuständige deutsche Gericht die Maßnahme wegen fehlenden Tatverdachts untersagt hätte. Auch hier erscheint es widersprüchlich und mit dem Grundsatz der Effektivität schwer zu vereinbaren, wenn bei der Abwägung dem Gewicht der nachträglich ermittelten Straftaten der Vorrang eingeräumt wird.
d) Hilfsweise entnimmt die Kammer den Entscheidungen des Gerichtshofs vom 10. April 2003 (Steffensen, aaO. Rn. Rn. 78 ff.), vom 2. März 2021 (aaO. Rn. 43) und vom 6. Oktober 2020 (La Quadrature du Net, aaO. Rn. 225) zumindest, dass ein grundrechtsrelevanter Verstoß gegen Unionsrecht nicht vollständig ohne Auswirkungen auf das nationale Strafverfahren bleiben darf. Danach gebietet es der Grundsatz der Effektivität nach dem Verständnis der Kammer jedenfalls, die Rechtsverstöße entweder bei der Beweiswürdigung oder als Milderungsgrund im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Mit Blick auf die Behinderung der Verteidigung durch die fehlende Überprüfbarkeit der Datengewinnung wäre dabei insbesondere an einen geminderten Beweiswert zu denken mit der Folge, dass allein auf die Daten eine Verurteilung nicht gestützt werden darf (vgl. – zur vorenthaltenen Befragung von Zeugen – EGMR, Urteil vom 23. April 1997, van Mechelen u.a. vs. Niederlande, Tz. 56 ff.; BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2000 – 2 BvR 591/00 –, juris Rn. 44 m.w.N.). Auch die Ansicht des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 3. August 2022 – 5 StR 203/22 –, juris Rn. 19), der Verstoß gegen Art. 31 RL EEA dürfe nicht strafmildernd berücksichtigt werden, erscheint mit Blick auf den Effektivitätsgrundsatz problematisch.
Das LG Meiningen hat entschieden, dass schon ein Like auf Facebook oder in anderen sozialen Netzwerken u.a. als Billigung von Straftaten nach § 140 StGB strafbar sein und eine Hausdurchsuchung rechtfertigen kann.
Aus den Entscheidungsgründen: "Aus den Beweismitteln ergibt sich in hinreichender Weise, dass der Beschuldigte den zitierten Post des "Arminius Hetzer Hermann" mit dem Symbol versehen hat. Dies ist vorliegend tatbestandsmäßig.
Nach § 189 StGB macht sich strafbar, wer das Andenken Verstorbener "verunglimpft". Verunglimpfen ist eine nach Form, Inhalt oder nach den Begleitumständen besonders schwere Beleidigung, sei es in Gestalt eines Werturteils oder einer Tatsachenaussage. Die Verunglimpfung kann nicht nur durch schriftliche oder mündliche Äußerungen, sondern auch durch Tätlichkeiten am Leichnam oder in sonstiger Weise geschehen, sie muss jedenfalls als Ehrenkränkung des Verstorbenen von einem Dritten wahrgenommen werden.
Dies ist ohne Zweifel der Fall. Der Kommentar des Nutzers "Arminius Hetzer Hermann" erfolgte unter einem Beitrag betreffend eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des sehr öffentlichkeitswirksamen sog. Kuseler Polizistenmordes, nimmt also eine Veranstaltung in unmittelbarem Bezug, die sogar im engsten Wortsinne dem Andenken zweier konkreter Verstorbener dienen soll. Deren Bezeichnung als (bloße) Kreaturen spricht den Opfer an solchen ersichtlich die Menschenwürde ab; durch die Phrase "keine einzige Sekunde Schweigen" wird zudem direkter Bezug auf eine in Gedenkveranstaltungen oder Trauerfeiern übliche Schweigeminute Bezug genommen, die der Totenehrung und damit schlechthin ihrem Andenken dienen. Wird insoweit zum Ausdruck gebracht, dass den Verstorbenen keine "einzige Sekunde" (der 60 Sekunden umfassenden) Schweigeminute zuteilwerden soll, stellt dies bei objektiver Würdigung die - hier in breitester Öffentlichkeit des Internets getätigte - Aufforderung dar, den (nach wie vor in ihrer Persönlichkeit konkret bezeichneten) beiden Polizisten nicht zu gedenken, ihnen nicht einmal Bruchteile der allgemein üblichen Totenehre angedeihen zu lassen. Die ist in dem genannten Kontext nur als schwere Ehrkränkung aufzufassen, zumal die Art und Weise der Verbreitung im Internet die Schutzgüter des § 189 StGB unbesehen der Frage als besonders beeinträchtigt sehen lässt, ob neben dem soweit hier nachhaltig betroffenem Pietätsgefühl der Angehörigen auch das Pietätsgefühl der Allgemeinheit geschützt werden soll (allg. Auffassung, vgl. MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 189 Rn. 4 m.w.N.).
Die Kammer verkennt nicht, dass - wie die Beschwerde wohl intendiert - die Grundsätze einer Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung nach überwiegender Ansicht auch bei § 189 StGB und insbesondere dann gelten, wenn sie sich auf eine Gruppe von Personen bezieht, deren Gemeinsamkeit sich gerade aus den Umständen ihres Versterbens ergibt (MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 189 Rn. 19 m.w.N.). Soweit hat der Kommentar des Nutzers "Arminius Hetzer Hermann" zwar durch Anbringung eines entsprechenden Videos auch Bezug auf "Polizeigewalt" als solche genommen. Allerdings erfolgt auch dies im Kontext der Nutzung einer Kommentarfunktion zu dem geschilderten Gedenkereignis in Gestalt der Ermordung zweier konkret bezeichneter Polizeibeamter im Rahmen ihrer Dienstausübung. Damit wird bei Lichte betrachtet eine (ggf. durchaus allgemeine) Ablehnungshaltung gegenüber Polizisten auf zwei konkrete Einzelpersonen vor dem Hintergrund ihrer Ermordung bei Dienstverrichtung abgehoben. Eine Kollektivbezeichnung ("die Polizei") ist schon der äußeren Form nach nicht ersichtlich, würde aber (was die Beschwerde verkennt) im Falle ihres Vorliegens zur Strafbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB führen. Keine kollektive, sondern eine individualisierte Beleidigung läge selbst bei anderer Auffassung hier auch dann vor, wenn zwar eine Kollektivbezeichnung verwendet, aber durch den einem Ausruf begleitenden "Fingerzeig" auf ein Mitglied des Kollektivs dieses erkennbar individuell betroffen sein soll (etwa bei dem Ausspruch "A.C.A.B." = all cops are bastards, siehe nur OLG Stuttgart 23.06.2008 – 1 Ss 329/08, NStZ-RR 2009, 50).
Es ist, was die Beschwerde ebenfalls verkennt, allgemein anerkannt, dass es vorliegend um mehrere Einzelbeleidigungen geht, die gleichsam "getarnt" lediglich unter einer "Kollektivbezeichnung" erfolgen. Darüber kann das vermeintlich Polizeigewalt darstellen Video nicht hinwegtäuschen.
Anerkannt ist die von der Rechtsprechung entwickelte Grundforderung, dass sich die bezeichnete Personenmehrheit - hier der beiden verstorbenen Polizeibeamten - auf Grund bestimmter Merkmale aus der Allgemeinheit so deutlich heraushebt, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt und so die Zuordnung des einzelnen zu diesem Kreis nicht zweifelhaft ist. Eingedenk des Umstandes, dass der Kommentar wie dargestellt als Reaktion auf einen just zwei Vertretern des Polizeistandes - als Mordopfer - gewidmeten Beitrag erfolgte, bestehen daran keine Zweifel, zumal schon eine Bezugnahme auf die von Einzelakteuren losgelöste Gruppe der "Polizei" an sich bzw. - mit den Worten der Beschwerde: "das Polizistensein im Allgemeinen" - fehlt. Dafür findet sich unbeschadet des Fernliegens der (soweit buchstäblich:) bemühten Argumentation der Beschwerde im Wortlaut letztlich keinerlei Anhaltspunkt.
Die Handlung, derer der Beschwerdeführer verdächtig ist, ist als sog. Liken eine hinreichende Ausrichtung bzw. Kundgabe der Befürwortung der Äußerungen des Nutzers "Aminius Hetzer Hermann". Nach der Rspr. des BGH setzt die Gleichstellung der Wiedergabe fremder Missachtung als Äußerung eigener Missachtung voraus, dass sich der Nutzer die fremde Äußerung zu eigen macht, mithin so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie insgesamt als eigene erscheint. Darin liegt auch die ureigentliche Funktion des sog. Likes auf Facebook oder vergleichbaren Medien. Unbeschadet dessen, dass die Anbringung eines solchen "Likes", der wörtlich übersetzt jedenfalls in Mitteleuropa so viel wie "(ich) mag es" oder "(ich) will es" bedeutet, regelmäßig durch das Betätigen einer Schaltfläche mit den Worten "Gefällt mir" erfolgt, ist gerade auch das Zurschaustellen dieser Befürwortung nach außen Sinn dieser Kommentarfunktion. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass öffentlichkeitswirksame Vorgänge in anderen Medien regelmäßig damit als besonders herausragend etikettiert werden, dass sie nach der Anzahl ihres "Likes" (oder demgemäß Distanzierung bedeutende "Dislikes") ohne weiteres und nachgerade selbsterklärend bemessen werden.
Dass eine Faust mit nach oben gerecktem Daumen Zustimmung und Gutheißung bedeutet, kann ohnehin nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Der dahinterstehende Symbolgehalt einer nonverbalen, auf Belobigung oder jedenfalls unbeschränkte Zustimmung ausgerichteten Kommunikation dürfte selbst von Rezipienten im Vorschulalter nur als solcher verstanden werden.
In den modernen Medien hat er sich jedenfalls zum regelrechten Sinnbild der Befürwortung etabliert. In der auch hier in Rede stehenden Kommentarfunktion der Plattform Facebook dient diese Symbolik auch der gezieltermaßen öffentlichen Bewertung eines Beitrages, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass entsprechende Symbol-Schaltflächen vom Betreiber des Portals unter den Beiträgen als eine Art Einladung zum Kommentieren vorgehalten werden. Soweit kommt darin auch nicht nur eine gewissermaßen stille Befürwortung - etwa nur dem Verfasser gegenüber - zum Ausdruck, sondern die bewusst und für die Öffentlichkeit des Internets zum Ausdruck gebrachte Befürwortung der Inhalte. Deutlicher kann man ein Zueigenmachen kaum zum Ausdruck bringen bzw. allenfalls expressis verbis mit den Worten "Ich stimme dem zu" - nicht anderes symbolisiert aber hier allgemeinhin das in Rede stehende sog. Emoji.
Die darin liegende Bekundung von Sympathie nach außen ist insoweit auch aus Sicht eines Dritten mit einer verbal kundgegebenen Zustimmung nach außen gleichzusetzen (siehe auch Eckel, NStZ 2021, S. 1 ff.). Soweit dem vereinzelt entgegen gehalten wird, dass das Schicksal des sog. Likes dem des in Bezug genommenen Beitrages akzessorisch verbunden sei soll, ist dies irrelevant. Für die Schuldfrage kommt es naturgemäß auf den (Tat-)Zeitpunkt an, in dem der tatbestandliche Erfolg verwirklicht wird. Ohnehin dürfte derjenige, der (fremde) Beiträge mit entsprechender Symbolik versieht, regelmäßig keinen Einfluss auf den Bestand des Beitrages, umgekehrt aber gerade auf das Fortbestehen seines "Likes" haben.
Tatverdacht besteht letztlich auch hinsichtlich § 140 StGB.
Die Tathandlung nach der dortigen Nr. 2 besteht darin, dass der Täter die Tat öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Inhalten durch eine auf eine konkrete Tat bezogene und aus sich heraus verständliche Erklärung gutheißt (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2020, § 140 Rn. 6). Dies ist bei der gebotenen Gesamtbetrachtung anzunehmen. Tatbestandsmäßig sind auch befürwortende Äußerungen im Internet auf Webseiten, wobei auch schlüssige Erklärungen genügen (BGHSt 22, Seite 286; OLG Braunschweig NJW 1978, Seite 2045). Aus den bereits dargestellten Gründen liegt in der gegenständlichen Tathandlung ein Zueigenmachen, was - a maiore ad minus - eine Billigung einschließt. Aus dem Kontext des Posts ist bei objektiver Betrachtung zu entnehmen, dass derjenige, der den Opfern eines Tötungsdelikts i.S.v. § 126 Abs. 1 Nr. 3 StGB jede Würde absprechen will, auch auf den Leitartikel, dessen Kommentierung unternommen wird, Bezug nimmt und letztlich die dort dargestellte Straftat des Mordes in 2 Fällen billigt. Wer demjenigen, der durch ein Verbrechen zu Tode gekommen ist, in der dargestellten Weise jede Anerkennung und Ehrung abspricht, heißt das Verbrechen an sich gut. Bei lebensnaher Betrachtung kann die Zustimmung, den Opfern ohne weiteres ein Mindestmaß an Menschenwürde abzusprechen, nicht anders als die Billigung des Zentralgeschehens verstanden werden, auf das allein das Gedenken Bezug nimmt."
Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass die Beschaffung von Daten von Informanten durch Journalisten regelmäßig von der Pressefreiheit gedeckt und nicht als Datenhehlerei nach § 202d StGB strafbar ist. Da die Verfassungsbeschwerde aber nicht hinreichend substantiiert war, hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten durch die angegriffenen Regelungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt haben.
1. Die Beschwerdeführer können grundsätzlich Träger von Grundrechten und damit beschwerdefähig sein. Das gilt auch für die Beschwerdeführer zu 2) und zu 9), die als eingetragene Vereine (vgl. BVerfGE 3, 383 <390>; 10, 221 <225>; 24, 278 <282>; 97, 228 <253>; 105, 279 <292 f.>) und damit als inländische juristische Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsberechtigt sind. Juristische Personen können sich grundsätzlich auf die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit berufen (vgl. BVerfGE 95, 28 <34 f.>).
2. Die Beschwerdeführer haben jedoch nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend dargelegt, beschwerdebefugt zu sein.
a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG ist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde das angeblich verletzte Recht zu bezeichnen und der seine Verletzung enthaltende Vorgang substantiiert darzulegen (vgl. BVerfGE 9, 109 <114 f.>; 81, 208 <214>; 99, 84 <87>). Die Verfassungsbeschwerde muss sich mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>; 101, 331 <345 f.>). Die Beschwerdeführenden müssen darlegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert; sie müssen das Grundrecht in Bezug zu dem Lebenssachverhalt setzen und die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung verdeutlichen (vgl. BVerfGE 79, 203 <209>; 108, 370 <386 f.>; 120, 274 <298>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 88). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt sein sollen (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <346>; 115, 166 <179 f.>; 130, 1 <21>). Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen eine gesetzliche Vorschrift, so muss der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert geltend machen, durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 40, 141 <156>; 60, 360 <370>; 72, 39 <43>; 79, 1 <13>; stRspr). Zu den Begründungsanforderungen an eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde gehört auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der einfachrechtlichen Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1560/15 -, Rn. 5; vom 20. Mai 2021 - 1 BvR 928/21 -, Rn. 12).
b) Diesen Maßstäben genügt die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis nicht. Zwar ist der Schutzbereich der Presse- und Rundfunkfreiheit eröffnet, und die Beschwerdeführer haben dargelegt, dass die Tätigkeiten, die sie durch die angegriffenen Normen für beeinträchtigt halten, dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterfallen. Der Vortrag der Beschwerdeführer genügt hinsichtlich des geltend gemachten Eingriffs und ihrer Beschwer jedoch nicht den Anforderungen.
aa) Das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt den gesamten Prozess der Herstellung und Verbreitung von digitalen oder analogen Presseerzeugnissen und Rundfunksendungen von der Informationsgewinnung bis zur Veröffentlichung und zum Vertrieb der hergestellten Inhalte (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 66, 116 <133>; 77, 65 <74 ff.>; 117, 244 <258 f.>; stRspr). Dabei schützt das Grundrecht die an diesem Prozess berufsmäßig beteiligten Personen nicht nur vor gezielter staatlicher Einflussnahme auf die inhaltliche und formelle Gestaltung der Presse- und Rundfunkerzeugnisse. Als Grundentscheidung für ein freies Presse- und Rundfunkwesen gewährleistet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vielmehr auch die institutionellen Rahmen- und Funktionsbedingungen der journalistischen Tätigkeit (vgl. BVerfGE 20, 162 <174 ff.>; 66, 116 <133 f.>). Zu diesen unentbehrlichen Funktionsbedingungen freier Presse- und Rundfunktätigkeit gehören insbesondere auch die grundsätzliche Zugänglichkeit der für diese Tätigkeit benötigten Informationen. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Medien in den Stand, die ihnen in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wahrzunehmen (BVerfGE 91, 125 <134>; 103, 44 <59>). Dies bedingt auch die Notwendigkeit eines besonderen Schutzes der für die Informationsgewinnung benötigten Quellen, des in diesem Rahmen vorausgesetzten Vertrauensverhältnisses und der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit (vgl. BVerfGE 20, 162 <176>; 66, 116 <134>; 100, 313 <365>; 117, 244 <259>). Zudem betrifft der Schutz vor inhaltsbezogenen Einwirkungen nicht allein Eingriffe im traditionellen Sinne (zum herkömmlichen Eingriffsbegriff siehe BVerfGE 105, 279 <300>), sondern kann auch bei mittelbaren Einwirkungen auf die Presse (vgl. BVerfGE 52, 283 <296>) ausgelöst werden, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen (vgl. BVerfGE 105, 252 <273>). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt den Trägern der Pressefreiheit daher ein subjektives Abwehrrecht auch gegen Beeinträchtigungen, die mittelbar über eine Einflussnahme des Staates auf Dritte eintreten, etwa dadurch, dass das Verhalten dieser Dritten die publizistischen Wirkungsmöglichkeiten oder die finanziellen Erträge des Presseorgans in einer Weise nachteilig beeinflusst, die einem Eingriff gleichkommt. Dass über faktische Nachteile des Informationshandelns hinaus rechtliche Auswirkungen an die staatliche Maßnahme geknüpft sein müssen, ist nicht Voraussetzung dafür, dass die Kommunikationsfreiheit beeinträchtigt sein kann (vgl. BVerfGE 113, 63 <76 f.>).
bb) Es bleibt in jedem Fall Sache der Beschwerdeführer, die Einzelheiten der von ihnen erstrebten Handlungen, deren Verbot sie bekämpfen möchten, hinreichend substantiiert darzulegen, so dass das Bundesverfassungsgericht in die Lage versetzt wird, die Frage der unmittelbaren Betroffenheit zu beurteilen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 92 BVerfGG; vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 88).
Die Beschwerdeführer tragen nicht hinreichend substantiiert vor, dass ein grundrechtlich geschütztes Verhalten von der angegriffenen Norm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik betroffen und eine Auslegung im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 GG nicht möglich ist. Insbesondere sind die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Beispielsfälle vom Tatbestand der Datenhehlerei eindeutig nicht umfasst. Mangels ersichtlicher Strafbarkeit besteht hier kein Risiko von Journalisten betreffenden strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen nach § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO (n.F.). Das Vorbringen der Beschwerdeführer lässt auch nicht erkennen, dass die angegriffenen Vorschriften für sie oder Dritte eine einem Eingriff gleichkommende abschreckende Wirkung entfalten könnten.
(1) Regelmäßig dürfte es bereits an der rechtswidrigen Tat eines anderen im Sinne des § 202d Abs. 1 StGB fehlen, durch die die Daten erlangt wurden. Handelt es sich bei dem Informanten um einen an sich berechtigten Mitarbeiter des Betroffenen, der auf die übermittelten Daten zugreifen kann, kann sich der Mitarbeiter und Informant durch die Weitergabe der Daten strafbar gemacht haben. Er hätte die Daten aber nicht durch eine rechtswidrige Tat erlangt, da er schon zuvor auf sie zugreifen konnte.
(2) Selbst bei unterstellter Verwirklichung des objektiven Tatbestandes bestehen unter Zugrundelegung des Vortrags der Beschwerdeführer erhebliche Zweifel daran, dass der subjektive Tatbestand der Datenhehlerei erfüllt sein könnte. Zunächst ist fraglich, ob sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführer zu den von ihnen gebildeten Beispielsfällen überhaupt ein bedingter Vorsatz des Handelnden im Hinblick auf die rechtswidrige Vortat ergibt. Der Gesetzesbegründung nach reicht das Bewusstsein, dass die Daten aus irgendeiner rechtswidrigen Tat stammen, nicht aus (BTDrucks 18/5088, S. 47). Dass ein Journalist eine rechtwidrige Beschaffung der Daten aufgrund ihrer Sensibilität nicht ausschließen kann, genügt gerade nicht.
Weiter fehlt es an hinreichendem Vortrag, der eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht des Journalisten erkennen ließe. Die (Dritt-)Bereicherung und die Schädigung setzen gemäß der Gesetzesbegründung ausdrücklich Absicht voraus (BTDrucks 18/5088, S. 47). Die Schädigung beziehungsweise der Vorteil müssen vom Täter als Erfolg gewollt werden, es muss ihm gerade darauf ankommen. Steht die Aufklärung von Missständen im Vordergrund, richtet sich die Absicht des Täters hierauf, nicht aber auf die Schädigung.
(3) Letztlich fehlt es an hinreichendem Vortrag der Beschwerdeführer dazu, warum der Tatbestandsausschluss für sie keine Anwendung finden sollte. In Anbetracht der weiteren Gesetzesbegründung drängt sich entgegen der Annahme der Beschwerdeführer auf, dass ein umfassender Ausschluss journalistischer Tätigkeiten bezweckt wird ("Zum anderen wird klargestellt, dass [...] insbesondere journalistische Tätigkeiten unter den Tatbestandsausschluss fallen."; BTDrucks 18/5088, S. 48). Der Tatbestandsausschluss zielt darauf ab, dass eine journalistische Tätigkeit auch dann nicht unter Strafe gestellt wird, wenn Recherchen gegebenenfalls unergiebig sind und es im Ergebnis nicht zu einer Veröffentlichung kommt. Entscheidend ist die Vorstellung des jeweiligen Journalisten, dass seine Handlungen in eine konkrete Veröffentlichung münden kann.
Soweit die Beschwerdeführer vortragen, das Ausschließlichkeitskriterium des § 202d Abs. 3 Satz 1 StGB werde der journalistischen Praxis nicht gerecht, weil regelmäßig ein Bündel von Motiven vorliege, überzeugt dies bereits im Ansatz nicht. Die Lesart der Beschwerdeführer verengt in nicht nachvollziehbarer Weise den Anwendungsbereich des zugunsten der Journalisten eingefügten Tatbestandsausschlusses und steht in direktem Widerspruch zu der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Zielsetzung, journalistische Tätigkeiten umfassend zu schützen. Aus dem Wortlaut und der Systematik der Norm ergibt sich, dass die Verwendung einen objektiv funktionalen Zusammenhang zur Aufgabenerfüllung aufweisen muss. Der konkrete Zusammenhang mit der - hier journalistischen - Aufgabenerfüllung ist der Grund, der die Tatbestandslosigkeit des Umgangs mit ansonsten bemakelten Daten begründet.
(4) Die von den Beschwerdeführern monierte abschreckende und eingriffsäquivalente Wirkung der angegriffenen Normen, die eine "Aura des vielleicht Strafbaren" umgebe, lässt sich nach dem Obenstehenden nicht nachvollziehen. Ein hinreichendes Risiko, dass sich Journalisten nach § 202d StGB strafbar machen, besteht nicht. Dementsprechend ist ebensowenig mit vorgelagerten Ermittlungsmaßnahmen zu rechnen. Dies deckt sich mit der vom Bundesministerium der Justiz im Rahmen der Beantwortung des Fragenkatalogs (§ 27a BVerfGG, § 22 Abs. 5 GOBVerfG) durchgeführten Abfrage in den Landesjustizverwaltungen, wonach seit 2018 keine Verfahren nach § 202d StGB Journalisten betreffend bekannt sind.
Gleichfalls ist nicht nachzuvollziehen und von den Beschwerdeführern nicht dargelegt, dass von den angegriffenen Normen eine Einschüchterungswirkung bei den Quellen der Journalisten ausgehen sollte, da sie sich als Vortäter nicht nach § 202d StGB strafbar machen. Auch eine von den angegriffenen Normen ausgehende Abschreckungswirkung auf sonstige Mittelspersonen haben die Beschwerdeführer weder dargelegt, noch würde sie aus den eingegangenen Antworten auf den Fragenkatalog der Kammer sonstwie ersichtlich. Eine Tatbestandsverwirklichung durch Hilfspersonen der Journalisten liegt ebenfalls fern und ist nicht hinreichend ausgeführt; erhalten etwa IT-Spezialisten von Journalisten Daten zur Bearbeitung, so fehlt es aufgrund des Tatbestandsausschlusses zugunsten der Journalisten bereits an einer tauglichen, rechtswidrigen Vortat im Sinne des § 202d StGB mit Blick auf die Hilfspersonen.
Das LG Köln hat den Klagen des Kardinals Woelki gegen die Bild Zeitung bzw. Bild Online teilweise stattgegegben.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Landgericht Köln hat in zwei Urteilen über die Berichterstattung der Bildzeitung über Kardinal Woelki entschieden
Das Landgericht Köln hat heute zwei Urteile verkündet: In dem einen wurde die Berichterstattung in der online Ausgabe der Bildzeitung als unzulässig untersagt. Ein weiterer Artikel durfte so erscheinen.
Der Kardinal der römisch-katholischen Kirche und Erzbischof von Köln, Rainer Maria Woelki, wehrt sich gegen die Berichterstattung der Bildzeitung in insgesamt fünf Verfahren, denen zum Teil bereits einstweilige Verfügungen vorausgegangen sind. Es geht um die Berichterstattung der Bildzeitung über den sog. „Woelki-Skandal“, den sog. „Missbrauchs- und Vertuschungsskandal“ in der katholischen Kirche sowie über die Beförderung eines Priesters und dessen Vergangenheit.
In dem einen heute verkündeten Urteil (28 O 276/21) hat die Kammer unter Vorsitz von Dr. Dirk Eßer da Silva dem Verlag untersagt, in zwei am 27.04.2021 in der Online Ausgabe der Bildzeitung veröffentlichten Artikeln mit den Überschriften: „Kardinal Woelki beförderte Missbrauchs-Priester“ und „Stoppen Sie den Kardinal!“ konkrete Behauptungen zu veröffentlichen. Dies verstoße gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.
Die Bildzeitung dürfe u.a. nicht berichten: „Ungeachtet dessen beförderte Woelki diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später zum VizeStadtdechanten von Düsseldorf.“ Diese Meinungsäußerung mit Tatsachenkern sei unzutreffend, weil der Priester keine nach dem Strafgesetzbuch strafbare Tat begangen habe. Der Durchschnittsleser verstehe diese Äußerung auch nicht so, dass es sich um einen Verstoß nur gegen das Kirchenrecht handele.
Auch die Äußerung, Kardinal Woelki habe einen Priester befördert, obwohl dieser zuvor einen Kindesmissbrauch gestanden habe, sei unzulässig, weil dies in mehrfacher Hinsicht nicht den Tatsachen entspreche. Es habe sich in diesem Zusammenhang nicht um ein Kind gehandelt, sondern um einen Jugendlichen, mit dem es zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen ohne gegenseitige Berührungen gekommen sei. Es sei nicht sicher, ob dem Priester die Minderjährigkeit zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sei. Der Priester dürfe aus diesen Gründen auch nicht als „Missbrauchs-Priester“ bezeichnet werden. Daher komme es auch nicht mehr darauf an, ob Kardinal Woelki selbst von diesem Vorfall Kenntnis gehabt habe.
In dem weiteren heute verkündeten Urteil (28 O 279/21) haben die Richter der Pressekammer die Klage des Kardinal Woelki abgewiesen. Der beklagte Verlag durfte den Artikel mit der Überschrift: „Wegen Woelki-Skandal – Treten ALLE deutschen Bischöfe zurück?“ so in ihrem Online-Portal bild.de am 28.06.2021 veröffentlichen. Der Leser verstehe nämlich die Angaben in dem konkreten Artikel nicht so, dass allein und ausschließlich wegen des „Woelki-Skandals“ alle deutschen Bischöfe gegenüber dem Papst ihren Rücktritt anbieten. Der Leser verstehe den „Woelki-Skandal“ als mitursächlich. Aus dem weiterem
Artikel ergebe sich zweifellos, dass allgemein der „Vertuschungs- und Missbrauchsskandal“ in der katholischen Kirche und auch Verfehlungen anderer Mitglieder der katholischen Kirche Hintergrund dieser Überlegungen sei.
Die Bezeichnung als „Woelki-Skandal“ sei eine zulässige Bewertung des Sachverhalts, dass in der katholischen Kirche, u.a. vom Papst selbst, offen kommuniziert wurde, dass Kardinal Woelki in der Herangehensweise an die Frage der Aufarbeitung, vor allem auf der Ebene der Kommunikation, große Fehler gemacht habe. Die Äußerung „Missbrauchs- und Vertuschungsskandal“ stelle dabei ebenfalls eine zulässige Wertung dar. Es sei unstreitig, dass es in der katholischen Kirche einen Missbrauchsskandal gebe. Auch sei dieser vertuscht worden. Dies stehe aufgrund der unstreitigen Tatsache fest, dass ein Gutachten dazu nicht veröffentlicht worden sei.
Es liege in diesem Artikel auch keine Verdachtsberichterstattung, zu dem der Kardinal hätte zuvor angehört werden müssen. Es sei für den Kläger nicht ehrenrührig, wenn ein Geschehen vorliege, dass zulässigerweise als „Woelki-Skandal“, bzw. als „Missbrauchs- und Vertuschungsskandal“ bewertet werden dürfe und aufgrund dessen ein Rücktritt aller deutschen Bischöfe diskutiert werde.
Es besteht die Möglichkeit, gegen die Urteile beim Oberlandesgericht Köln Berufung einzulegen.
Weitere Entscheidungen in den noch anhängigen Verfahren vor der 28. Zivilkammer werden am 08.06.2022 und am 22.06.2022 verkündet.
Zur Erreichung eines angemessenen Schutzniveaus für die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme sollen die Rechtsgedanken des § 123 StGB und des § 248b StGB in die digitale Welt übertragen und ein neuer § 202e StGB geschaffen werden. Mit der neuen Vorschrift soll die unbefugte Benutzung informationstechnischer Systeme unter Strafe gestellt werden. IT-Systeme sind mindestens ebenso schutzwürdig wie das Hausrecht und wie das ausschließliche Benutzungsrecht an Fahrzeugen. Derzeit sind sogar Fahrräder besser geschützt als Computer mit höchstpersönlichen Daten. Die Gefahr für die Allgemeinheit, die von unbefugt genutzten informationstechnischen Systemen ausgeht, ist, wie oben dargelegt, hoch.
Damit kann ein lückenloser strafrechtlicher Schutz aller Systeme und die Strafbarkeit nahezu aller Angriffsarten sichergestellt werden, denn die Infiltration von Computern und Cyberangriffe jeder Art beinhalten als Teilkomponente regelmäßig die Fernsteuerung, also das Beeinflussen oder Auslösen von informationstechnischen Vorgängen durch Dritte.
Die Formulierung des § 202e StGB-E ist technikoffen, was zu einer guten praktischen Handhabbarkeit führen und Beweis- und Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden soll. Technische Zufälle in der Konfiguration der Opfersysteme sollen zukünftig keine Rolle mehr spielen.
Auch der 5. Strafsenat des BGH hat entschieden, dass EncroChat-Daten zur Aufklärung schwerer Straftaten als Beweismittel verwendet werden können und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
Die Pressemitteilung des BGH: EncroChat-Daten zur Aufklärung schwerer Straftaten verwertbar
Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15. Juli 2021 verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zehn Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Einziehung von Taterlösen über mehr als 70.000 Euro angeordnet. In einigen Fällen waren zentrale Beweismittel SMS-Nachrichten des Angeklagten, die dieser über den Anbieter EncroChat zur Organisation des Drogenhandels versandt hatte. Der Angeklagte hat mit seiner Revision u.a. gerügt, dass diese von französischen Behörden 2020 erlangten und der deutschen Justiz übermittelten Daten nicht als Beweismittel hätten verwertet werden dürfen.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Angeklagten auf Antrag des Generalbundesanwalts verworfen. Er hat entschieden, dass die von Frankreich übermittelten Daten des Anbieters EncroChat als Beweismittel verwertbar sind, wenn sie wie im vorliegenden Fall der Aufklärung schwerer Straftaten dienen.
1. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zugrunde:
a) Nach den vom Angeklagten mit seiner Revision vorgelegten umfangreichen Unterlagen gab es in Frankreich 2017 und 2018 Hinweise darauf, dass Tatverdächtige organisierten Drogenhandel (bis zu 6 kg Heroin und 436 kg Marihuana) über besonders verschlüsselte Mobiltelefone ("Kryptohandys") des Anbieters EncroChat abwickelten. Mit diesen Geräten konnte man weder telefonieren noch das Internet nutzen, sondern lediglich Chat-Nachrichten (SMS) versenden, Notizen anlegen oder Sprachnachrichten speichern und versenden. Eine Kommunikation war nur zwischen Nutzern von EncroChat möglich. Aufgrund einer besonderen Ausstattung der Telefone und einer besonderen Verschlüsselungstechnik konnten Strafverfolgungsbehörden weder auf die damit geführte Kommunikation zugreifen noch die Geräte inhaltlich auslesen oder orten. Mit diesen Merkmalen und einer Garantie der Anonymität wurden die Geräte beworben. Allerdings konnte man sie nicht von offiziellen Verkaufsstellen, sondern nur von speziellen Verkäufern über anonyme Kanäle zu einem hohen Preis von 1.610 Euro für einen Nutzungszeitraum von sechs Monaten erwerben. Ein legal existierendes Unternehmen "EncroChat" war ebenso wenig zu finden wie Verantwortliche dieser Firma oder ein Unternehmenssitz.
b) Die französischen Strafverfolgungsbehörden leiteten ein Ermittlungsverfahren u.a. wegen des Verdachts einer kriminellen Vereinigung ein und fanden heraus, dass die verschlüsselte Kommunikation zwischen EncroChat-Nutzern über einen im französischen Roubaix betriebenen Server lief. Mit Genehmigung durch ein französisches Gericht griffen sie auf die Daten auf dem Server zu. Hierbei ergab sich, dass 66.134 SIM-Karten eines niederländischen Anbieters im System eingetragen waren, die in einer Vielzahl europäischer Länder verwendet wurden. Eine Dechiffrierung mehrerer tausend "Notizen" von EncroChat-Nutzern belegte, dass diese zweifelsfrei mit illegalen Aktivitäten wie insbesondere Drogenhandel mit bis zu 60 kg Kokain in Verbindung standen.
c) Auf Antrag der französischen Staatsanwaltschaft wurde in Frankreich richterlich u.a. die Installation einer Abfangeinrichtung zu den über den französischen Server laufenden und auf den Telefonen gespeicherten Daten ab dem 1. April 2020 genehmigt. Nach ersten Erkenntnissen wurden von den in Frankreich aktiven Telefonen sicher jedenfalls 63,7 % für kriminelle Zwecke verwendet, die übrigen Geräte (36,3 %) waren entweder teils inaktiv oder noch nicht ausgewertet. Staatsanwaltschaft und Gericht gingen nach der Auswertung der im ersten Monat erlangten Daten von einer "nahezu ausschließlich kriminellen Klientel" der EncroChat-Nutzer aus.
d) Dem Bundeskriminalamt wurden über Europol Erkenntnisse zugleitet, wonach in Deutschland eine Vielzahl schwerster Straftaten von EncroChat-Nutzern begangen wurden. Die Zentralstelle zur Bekämpfung für Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein. In diesem Verfahren erging am 2. Juni 2020 eine an Frankreich gerichtete Europäische Ermittlungsanordnung mit dem Antrag, die Deutschland betreffenden EncroChat-Daten zu übermitteln und deren Verwendung in deutschen Strafverfahren zu erlauben. Beides genehmigte ein französisches Gericht am 13. Juni 2020.
2. Folgende rechtlichen Erwägungen waren für den Bundesgerichtshof entscheidend:
a) Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung von Beweisen im Strafprozess ist § 261 StPO. Dies gilt auch für im Wege der Rechtshilfe erlangte Daten. Eine ausdrückliche Regelung, dass solche Beweise nur eingeschränkt verwendet werden dürfen, enthält das deutsche Recht nicht. Da eine Verwertung von wie hier erlangten Daten einen Eingriff in das von Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis enthalten kann, muss von Verfassungs wegen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders beachtet werden. In Anlehnung an Verwendungsbeschränkungen wie § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO dürfen derart erlangte Daten zur Überführung solcher besonders schwerer Straftaten verwendet werden, für deren Aufklärung die eingriffsintensivsten Ermittlungsmaßnahmen des deutschen Strafverfahrensrechts – namentlich eine Online-Durchsuchung oder eine akustische Wohnraumüberwachung – angeordnet werden dürften. Hierzu gehören regelmäßig die in Rede stehenden Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz.
b) Das von der Revision geltend gemachte Beweisverwertungsverbot besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
aa) Die Frage, ob ein solches Verbot besteht, richtet sich ausschließlich nach deutschem Recht. Eine Überprüfung der französischen Ermittlungsmaßnahmen am Maßstab ausländischen Rechts findet dabei nicht statt. Es kommt damit auch nicht entscheidend darauf an, ob eine wie hier in Frankreich allein nach französischem Recht durchgeführte Maßnahme auch in Deutschland hätte angeordnet werden können. Dies ist nicht Voraussetzung für einen Transfer der nach französischem Recht von französischen Behörden erlangten Beweise in ein deutsches Strafverfahren. Die unterschiedlichen Anordnungsvoraussetzungen in Frankreich und Deutschland können auf der Ebene der Beweisverwertung kompensiert werden. Deshalb gelten hierfür die unter a) genannten besonders hohen Voraussetzungen.
bb) Ein Verstoß der Beweiserhebung gegen menschen- oder europarechtliche Grundwerte oder gegen grundlegende Rechtsstaatsanforderungen im Sinne eines im Rechtshilfeverkehr zu prüfenden "ordre public" liegt nicht vor. Nach den den französischen Behörden nach dem ersten Datenzugriff vorliegenden Informationen ging es bei den Ermittlungen nicht um eine anlasslose Massenüberwachung einer Vielzahl auch unverdächtiger Handy-Nutzer. Vielmehr stellte sich EncroChat für die französischen Behörden als ein von vorneherein auf die Unterstützung krimineller Aktivitäten ausgerichtetes und im Verborgenen agierendes Netzwerk dar. Aufgrund der ersten Erkenntnisse einer nahezu ausschließlich kriminellen Nutzung solcher Telefone war ein Nutzer hiernach schon allein aufgrund des mit erheblichen Kosten einhergehenden Erwerbs eines auf normalem Vertriebsweg nicht erhältlichen EncroChat-Handys krimineller Aktivitäten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität wie Drogen- und Waffenhandel oder Geldwäsche verdächtig.
cc) Ein möglicher Verstoß französischer Behörden gegen die Pflicht, Deutschland zeitnah über das Bundesgebiet betreffende Abhörmaßnahmen zu unterrichten, kann schon angesichts der späteren allseitigen Genehmigung der Datenverwendung kein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben. Ungeachtet dessen ist fraglich, ob die Unterrichtungspflicht dem Individualschutz der Betroffenen vor einer Beweisverwendung im Inland dient. Jedenfalls würde aber die gebotene Abwägung der unterschiedlichen Interessen zu einem Überwiegen des staatlichen Strafverfolgungsinteresses führen. Rechtlich unbedenklich ist auch, dass die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main einen umfassenden Beweistransfer in einem gegen Unbekannt geführten Verfahren auf einer allgemeinen, letztlich aber jeden Nutzer konkret betreffenden Verdachtslage beantragt hat.
dd) Einen etwaigen Verstoß gegen rechtshilferechtliche Vorschriften beim Datenaustausch oder der sonstigen Zusammenarbeit zwischen französischen und deutschen Polizeibehörden vor Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung hat die Revision nicht geltend gemacht. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass ein durchgreifender Rechtsfehler aufgrund der nachträglichen Einholung einer Einwilligung ohnehin nicht auf der Hand liegt, zumal die grenzüberschreitende Übermittlung von Erkenntnissen zur Strafverfolgung nach den europäischen Rechtshilfevorschriften auch ohne Rechtshilfeersuchen ohne weiteres zulässig ist. An die Verwertung der aus einem solchen Informationsaustausch stammenden Daten sind jedenfalls keine höheren Anforderungen als an die Verwertung von durch eine Europäische Ermittlungsanordnung erlangten Daten zu stellen. Eine gezielte oder systematische Umgehung dem individuellen Rechtsschutz von Beschuldigten dienender Vorschriften durch französische oder deutsche Behörden ist weder nachvollziehbar dargelegt noch sonst konkret ersichtlich.
Der Beschluss wird in Kürze in der Entscheidungsdatenbank auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs abrufbar sein.
Vorinstanz:
Landgericht Hamburg – Urteil vom 15. Juli 2021 – 632 KLs 8/21
Das BayObLG hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Richters als "menschlicher Abschaum“ nicht von Meinungsfreiheit gedeckt und als Beleidigung strafbar ist.
Die Pressemitteilung des Gertichts:
Auch die Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern hat ihre Grenzen
Der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts, welcher seinen Sitz in Nürnberg hat, hatte sich in einer Revisionsentscheidung mit den Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern auseinanderzusetzen.
Der Angeklagte hatte einen Richter am Amtsgericht als „menschlichen Abschaum“ bezeichnet. Das Amtsgericht Weißenburg hatte ihn mit Urteil vom 21.07.2021 wegen Beleidung in zwei Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Sprungrevision zum Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 3. Februar 2022 hat der 4. Strafsenat den Schuldspruch, also die Verurteilung wegen Beleidigung, bestätigt.
Der Senat geht davon aus, dass die Bezeichnung des Amtsrichters als „menschlichen Abschaum“ eine sogenannte Formalbeleidigung darstellt. In diesem Fall trete die Meinungsfreiheit ohne weitere Gewichtung und Einzelfallabwägung hinter den Ehrenschutz zurück. Der Angeklagte habe mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung ein nach allgemeiner Auffassung besonders krasses, aus sich heraus herabwürdigendes Schimpfwort verwendet, das eine kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit darstelle. Die verwendete Beschimpfung lasse das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts vermissen und sei deshalb grundsätzlich nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar.
Lediglich ergänzend führt der Senat aus, dass auch bei einer Abwägung widerstreitender Interessen das Recht der Meinungsfreiheit hinter dem Ehrschutz des beschimpften Amtsträgers im konkreten Fall zurücktreten würde. Grundsätzlich gehöre es zum Kernbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, gerichtliche Entscheidungen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren. Aus diesem Grund komme der Meinungsäußerungsfreiheit in diesen Fällen besonders hohes Gewicht zu. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden noch dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.
Anders sei der Fall jedoch dann, wenn die Äußerung als äußerst grob herabwürdigend einzuordnen sei. Der abschätzige Begriff „menschlicher Abschaum“ treffe ausschließlich die Person des Richters und nicht dessen Tätigkeiten oder Verhaltensweisen. Der Angeklagte habe genügend alternative Äußerungsmöglichkeiten gehabt, um seine Einwendungen auch mit deutlichen Worten vorzubringen.
Der BGH hat entschieden, dass EncroChat-Daten ein zulässiges Beweismittel sind und im Strafverfahren verwertet werden können.
Aus den Entscheidungsgründen: Die aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unzulässige Verfahrensrüge wäre auch unbegründet. Der Senat sieht im Ergebnis die aus der Überwachung der Kommunikation über den Krypto-Messengerdienst EncroChat durch französische Behörden gewonnenen
Erkenntnisse im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung als im Strafverfahren verwertbar an (vgl. etwa KG, NStZ-RR 2021, 353 mwN).
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz hat ein datenschutzrechtliches Aufsichtsverfahren wegen Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft Mainz eingeleitet.
Die Pressemitteilung des Landesdatenschutzbeauftragten RLP
Nach Erhebung und Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft – Datenschutzbeauftragter leitet aufsichtsrechtliche Verfahren ein
Nachdem der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz davon Kenntnis erlangte, dass die Staatsanwaltschaft Mainz zusammen mit der lokalen Polizeibehörde und dem örtlichen Gesundheitsamt über die LUCA-App erfasste Kontaktdaten von Besuchern einer Mainzer Gastwirtschaft zu Ermittlungszwecken erhoben und genutzt hat, hat er umgehend aufsichtsrechtliche Verfahren eingeleitet. Dabei sollen insbesondere die Umstände geklärt werden, die ungeachtet der eindeutigen Rechtslage zu der datenschutzrechtlich unzulässigen Abfrage und Nutzung der ausschließlich zu Infektionsschutzzwecken erfassten Kontaktdaten geführt haben. Entsprechende Informationsersuchen wurden bereits versendet.
Hintergrund ist ein Vorfall aus dem November 2021. Nachdem vor einer Mainzer Gastwirtschaft ein 39-jähriger Mann mit schwersten Kopfverletzungen aufgefunden wurde, ersuchten die zuständigen Strafermittlungsbehörden das Gesundheitsamt um Bereitstellung der über die LUCA-App von dem Betreiber der Gastwirtschaft zu dem vermuteten Tatzeitpunkt erfassten Kontaktdaten. Das Gesundheitsamt kam der Aufforderung nach und übermittelte die Daten von 21 Personen, die der Behörde auf Anfrage von dem App-Betreiber zur Verfügung gestellt wurden. Die Betroffenen wurden dann von der Polizei kontaktiert und zu dem Vorfall befragt. Mittlerweile haben die beteiligten Behörden die Unzulässigkeit der erfolgten Datenverarbeitung eingeräumt.
„Für mich ist es zunächst einmal besorgniserregend, dass sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gesundheitsamt die bereits vor einiger Zeit geänderte Rechtslage im Infektionsschutzgesetz und damit zusammenhängende datenschutzrechtliche Bestimmungen offensichtlich nicht kannten oder sich darüber hinweg gesetzt haben“, kommentiert der Landesbeauftragte Prof. Dr. Kugelmann den Vorfall. Aus § 28a Abs. 4 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes geht eindeutig hervor, dass zum Zwecke des Infektionsschutzes erfasste Kontaktdaten lediglich zur Kontaktnachverfolgung verarbeitet werden dürfen und eine anderen Zwecken dienende Datenverwendung unzulässig ist. „Das Vorgehen erschüttert das Vertrauen der Bürger in die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns und ist gerade in Zeiten einer die Gesellschaft als Ganzes herausfordernden Pandemie das völlig falsche Signal.“ Kugelmann kündigt an, nach Aufklärung des Sachverhaltes die Ausübung sämtlicher ihm datenschutzrechtlich zur Verfügung stehender Befugnisse zu prüfen.
Das OLG Celle hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch bei Veröffentlichung eines Fotos, welches einen Polizisten im Dienst ohne Anonymisierung zeigt, besteht. Eine Geldentschädigung lehnte das Gericht in diesem Fall ab, da durch die Veröffentlichung des Fotos keine Gefahrenlage für den betroffenen Polizisten geschaffen worden sei.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger ein Anspruch zusteht, die Verbreitung und/oder Veröffentlichung des im Wesentlichen streitgegenständlichen, unter anderem als Anlage K1 (Blatt 17) vorgelegten Lichtbildes zu unterlassen, sofern es nicht so verändert ist, dass der Kläger nicht mehr identifizierbar ist (dazu unter 1.). Der Unterlassungsanspruch beschränkt sich allerdings auf die Veröffentlichung dieses einen Bildes in dem Zusammenhang mit der in Bezug genommenen Berichterstattung und umfasst nicht sämtliche Bildnisse des Klägers von diesem Polizeieinsatz in jeglicher Form (dazu unter 2.), was der Kläger nunmehr durch die Beschränkung seines Antrags auf die konkrete Verletzungsform auch klargestellt hat.
1. Das Landgericht hat bezogen auf das unter anderem als Anlage K1 vorgelegte unverpixelte Lichtbild zu Recht einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, §§ 22, 23 KUG wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht bejaht.
a) Die Zulässigkeit von Bildnisveröffentlichungen ist nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, juris Rn. 10; Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 15, jew. m. w. N.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 14. September 2010 - 1 BvR 1842/08, 1 BvR 2538/08, 1 BvR 6/09, juris Rn. 52, m. w. N.). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015 - VI ZR 245/14, juris Rn. 14; Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 21 ff., jew. m. w. N.).
Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Er darf nicht zu eng verstanden werden und umfasst im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. Der Begriff wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015, a. a. O., Rn. 17 m. w. N.). Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet nicht statt. Bildaussagen nehmen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (BGH, Urteil vom 9. April 2019 - VI ZR 533/16, juris Rn. 10; Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 21, jew. m. w. N.)
Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen. Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist.
Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 - VI ZR 504/18, juris Rn. 13 m. w. N.). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2007, a. a. O.).
Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Berichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (BGH, Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 24 m. w. N.).
Bezogen auf die Abbildung einzelner im Einsatz befindlicher Polizeibeamten wird vertreten, dass diese nur dann zulässig ist, wenn bezogen auf eben diese Abbildung - und nicht nur auf das dem Einsatz zugrundeliegende Ereignis - § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG greift. Denn der einzelne Beamte sei nicht schon allein auf Grund seines Einsatzes eine Person der Zeitgeschichte, sondern erst dann, wenn er an besonderen Ereignissen oder Handlungen teilnimmt, insbesondere, wenn er sich pflichtwidrig verhält (vgl. Engels in: BeckOK UrhR, KUG § 23 Rn. 17; OLG Celle, Urteil vom 25. August 2010 - 31 Ss 30/10, juris Rn. 21; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 2. Oktober 1979 - 4 Ss 200/79, juris). Alltägliche Einsätze zählten indes nicht zum Zeitgeschehen, über das unter Abbildung der beteiligten Polizisten berichtet werden dürfe (vgl. Fricke in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl., § 23 KUG Rn. 31 m. w. N.). Gezielte Aufnahmen von einzelnen Polizisten im Einsatz seien daher erst in dem Augenblick zulässig, in dem an ihnen ein besonderes öffentliches Informationsinteresse besteht (vgl. Soehring, in: Soehring/Hoehne, Presserecht, 5. Aufl., § 21 Rn. 13c), weshalb beispielsweise regelmäßig kein schützenswertes Informationsinteresse an einer Einzelabbildung der bei einer Personenkontrolle oder Demonstrationsüberwachung Mitwirkenden bestehe (Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/ Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl., § 23, Rn. 39).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich die angegriffene Abbildung des Verfügungsklägers als rechtswidrig dar, weil seine Einwilligung unstreitig nicht vorlag und es sich - unter Abwägung der widerstreitenden Interessen - nicht um eine Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt.
aa) Allerdings behandelt die Berichterstattung, deren Bebilderung das Bildnis des Klägers dient, durchaus eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse, so dass sie - und auch die Bebilderung - im Ausgangspunkt der Zeitgeschichte zugerechnet werden könnte. Ein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist anzunehmen.
Indiziell spricht für ein solches Informationsinteresse bereits der Umstand, dass der Polizeieinsatz Gegenstand der Berichterstattung in verschiedenen Presseorganen war. Auch in der Sache bestand ein Informationsinteresse angesichts des erheblichen Aufwandes des Einsatzes - unter anderem auch im Hinblick auf Straßensperrungen sowie den Schusswaffeneinsatz. Selbst wenn die Berichterstattung insoweit auch einen unterhaltenden Charakter hatte und die Neugier der Öffentlichkeit befriedigte, stellte gerade die Diskussion dieser Umstände eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse dar. Der Presseartikel der Beklagten (vorgelegt als Anlage zur Berufungsbegründung vom 21. September 2020, Bl. 334) thematisierte die fragliche Verhältnismäßigkeit auch zumindest im Ansatz, insbesondere indem er herausstellte: „Es sah aus wie ein Anti-Terror-Einsatz - war aber nur eine Wildschwein-Jagd“. Er befriedigte damit ein Informationsbedürfnis, auch wenn eine eingehendere sachliche Auseinandersetzung unterblieb. Nicht zu verkennen ist allerdings im Rahmen der nachfolgend vorzunehmenden Abwägung, dass das öffentliche Interesse sowohl in regionaler Hinsicht als auch im Hinblick auf die gesellschaftspolitische Bedeutung nur eingeschränkt bestand und insbesondere etwa nicht mit dem Interesse an der Diskussion polizeilicher Einsätze beispielsweise bei Demonstrationen vergleichbar war.
Die Verwendung des infrage stehenden Bildnisses des Klägers zur Bebilderung dieses Presseartikels diente - unabhängig davon, dass ein konkretes Bedürfnis insoweit ohnehin nicht festgestellt werden müsste - ebenfalls dem öffentlichen Informationsinteresse. Sie war nicht nur geeignet, allgemein Interesse für diese Berichterstattung zu erwecken. Vielmehr unterstrich sie gerade auch aufgrund des entschlossenen und martialisch wirkenden Auftretens des Klägers und dessen Bewaffnung mit einer Maschinenpistole die Thematisierung der möglichen Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes.
bb) Diesem Informationsinteresse stehen vorliegend aber überwiegende Interessen des Klägers gegenüber.
(1) Dabei spricht für die Zulässigkeit der Bebilderung zwar, dass das Lichtbild ohne Belästigung, Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung und nicht an Orten der Abgeschiedenheit aufgenommen wurde (zu diesen Gesichtspunkten: BGH, Urteil vom 9. April 2019 - VI ZR 533/16, juris Rn. 23).
Zudem zeigt die Abbildung den Kläger bei der in die Sozialsphäre fallenden Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit. Sie ist im unmittelbaren Kontext mit der zugehörigen Wortberichterstattung auch nicht geeignet, das soziale Ansehen des Klägers in erheblicher Weise nachteilig zu beeinflussen. Sie zeigt den Kläger bei der Ausübung seiner Dienstpflichten. Sie suggeriert in diesem Kontext kein Fehlverhalten des Klägers. Zwar lässt der Zusammenhang der Bebilderung mit der Wortberichterstattung es als möglich erscheinen, dass es der Kläger gewesen wäre, der die tödlichen Schüsse auf das Tier abgegeben hat, was tatsächlich nicht der Fall war. Dies stellt jedoch nur ein mögliches Verständnis dar, das durch die Berichterstattung nicht nahegelegt wird. Zudem stellt es zumindest objektiv keinen wesentlichen Unterschied dar, ob der Kläger nur an dem fraglichen Einsatz beteiligt war oder auch selbst - auf Anweisung - geschossen hat. Nicht zu verkennen ist dabei allerdings, dass absehbar war, dass sowohl der Einsatz als solcher als auch die Tötung des Tieres von einzelnen Dritten als kritikwürdig eingeschätzt werden würde.
In die Abwägung ist dabei auch einzustellen, dass der Kläger durch seine Abbildung gerade das „Gesicht“ des als unverhältnismäßig kritisierten Polizeieinsatzes wurde, ohne dass er diesen angeordnet oder sonst zu verantworten hätte, weshalb auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerade an der Identität des Klägers nicht bestand (zu diesem Gesichtspunkt: Senat, Urteil vom 20. April 2000 - 13 U 160/99, juris Rn. 9).
(2) Wesentlich gegen die Zulässigkeit der Abbildung des Klägers in der vorgenommenen Weise spricht zudem, dass es aufgrund ihrer Prägnanz nahelag, dass sie sich im Internet „verselbstständigte“ und als Symbol für unverhältnismäßige Polizeigewalt, möglicherweise auch für einen Polizeistaat, Verwendung finden würde. Die abgebildete Körperhaltung, Bewegung und Mimik des Klägers verleiht dem Bild eine martialische und militante Dynamik, die auch außerhalb des Kontextes zu der Wortberichterstattung eine plakative Wirkung entfaltete. Es lag daher nicht fern, dass sie gerade auch im Zusammenhang mit anderen kritischen oder gar feindlichen Meinungsäußerungen gegenüber der Polizei eingesetzt und den Kläger insoweit zur Zielscheibe verbaler, möglicherweise aber auch tätlicher Angriffe machen würde. Die Bebilderung hat insoweit durchaus einen mit einer Prangerwirkung vergleichbaren Effekt.
Bei der Gewichtung dieser Beeinträchtigung ist zwar zu berücksichtigen, dass der Kläger ausschließlich optisch und auch insoweit nur von einem vergleichsweise kleinen Kreis von Personen identifiziert werden kann und das Bild deshalb nicht geeignet ist, die Identität des Klägers einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen (dazu: BGH, Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 32 f.). Bereits die nachteiligen Auswirkungen in seinem näheren Umfeld müssen dabei aber vom Kläger nicht hingenommen werden. Zudem ist auch seine Sorge nicht von der Hand zu weisen, im Zusammenhang mit der Wortberichterstattung identifizierbar zu sein, die seinen Einsatzbereich erkennen lässt.
Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht darauf zurückziehen, dass die Berichterstattung nur an „lokale Leser“ gerichtet gewesen sei, weil der von ihr veröffentlichte Artikel und die dazugehörigen Fotos und Videos unstreitig weltweit im Internet abrufbar waren.
Nicht von wesentlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass eine tatsächliche, konkrete Gefährdung des Klägers auch unter Berücksichtigung der Aussage des als Zeugen vernommenen Vorgesetzten des Klägers, des Polizeibeamten B., nicht festzustellen ist.
Dass Abbildungen von Polizisten in großer Vielzahl im Internet abrufbar sind, steht der Schutzwürdigkeit der vorliegenden Interessen des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Seine hier infrage stehende Abbildung hebt sich gerade durch ihre Prägnanz aus der Masse allgemeiner Abbildungen heraus.
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Unerheblich ist auch, dass der Kläger gegen die Verwendung dieser oder vergleichbarer Abbildungen von ihm durch Dritte nicht vorgegangen sein mag. Die Beklagte kann sich auf eine mögliche Gleichheit im Unrecht nicht berufen. Zudem ist nicht zu verkennen, dass gerade die Verbreitung auf den Internetseiten der Beklagten eine besondere Breitenwirkung hat.
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cc) In der Abwägung dieser widerstreitenden Interessen hat das Informationsinteresse der Öffentlichkeit insoweit zurückzutreten, dass eine unverpixelte und zur Identifizierung des Klägers geeignete Verwendung des fraglichen Bildes nicht zulässig war. Die schützenswerten Interessen des Klägers überwiegen die für eine Verwendung des unverpixelten Bildes streitenden Interessen.
Zwar ist das Bedürfnis, eine Berichterstattung zu bebildern, grundsätzlich nicht zu überprüfen. Es ist im Rahmen dieser Gesamtabwägung aber ergänzend zu berücksichtigen, dass die Verwendung des infrage stehenden Bildes nicht grundsätzlich, sondern nur insoweit unzulässig ist, als der Kläger darauf identifizierbar ist. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit betreffend „dramatische Jagdszenen“, insbesondere betreffend den Einsatz von Beamten mit Maschinenpistolen und Scharfschützengewehren, hätte unter Verwendung dies darstellender Bilder befriedigt werden dürfen. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass der Aussagegehalt des infrage stehenden Bildes bei einer Verpixelung der Gesichtspartie insbesondere dadurch eingeschränkt wäre, dass die entschlossene Mimik des Klägers nicht mehr zum Ausdruck käme, wäre dies aufgrund der dargestellten Gesamtabwägung hinzunehmen.
c) Die Wiederholungsgefahr ist durch die Erstbegehung indiziert und von der Beklagten nicht widerlegt. Zwar hat sie - möglicherweise irrtümlich - in der Klageerwiderung (S. 43) behauptet, sich zur Unterlassung verpflichtet zu haben. Dieser Vortrag ist jedoch streitig. Die dort in Bezug genommene Anlage hat die Beklagte nicht vorgelegt. Hierauf hat der Kläger hingewiesen, ohne dass die Beklagte ihren Vortrag konkretisiert oder sonst unter Beweis gestellt hätte.
Auch der Zeitablauf als solcher ist nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr ohne eine entsprechende Unterlassungserklärung der Beklagten zu beseitigen.
d) Die Verwendung dieses unter anderem als Anlage K1 vorgelegten Bildes ist nicht in jeglichem Zusammenhang, sondern nur im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den fraglichen Polizeieinsatz zu untersagen (vgl. dazu allg. BGH, Urteil vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06, juris Rn. 10). Entsprechend hat der Kläger seinen Klageantrag in der Berufungsinstanz durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform auch klarstellend beschränkt.
2. Ein Unterlassungsanspruch besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts demgegenüber nicht auch für die Verbreitung sonstiger Bildnisse des Klägers von dem fraglichen Polizeieinsatz. Dabei ist unerheblich, dass insoweit die maßgeblichen Interessen noch nicht konkret bewertet werden können. Vielmehr fehlt es insoweit bereits an einer Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte solche anderen Abbildungen bislang nicht veröffentlicht hat. Auch hinreichende Anhaltspunkte einer Erstbegehungsgefahr fehlen insoweit. Auch insoweit hat der Kläger seinen Klageantrag nach Erörterung dieser Problematik im Termin zur mündlichen Verhandlung durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform beschränkt.
Ob in dieser Beschränkung eine Teil-Rücknahme oder nur eine Klarstellung liegt, kann letztlich offenbleiben. Kostenrechtlich wäre auch eine Teil-Rücknahme nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unbeachtlich. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger konkret die Veröffentlichung anderer Bilder von ihm befürchtet hatte, so dass der formal ursprünglich weitergehende Klageantrag insoweit in der Sache nicht ins Gewicht fiel.
II. Im Hinblick auf die Verbreitung der unter anderem als Anlage K1 vorgelegten Abbildung des Klägers hat das Landgericht zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Verbreitung dieser Abbildung entstanden ist und/oder noch entstehen wird. Bei Verletzung eines absoluten Rechtsgutes besteht ein Feststellungsinteresse bereits dann, wenn künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und der Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind; ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - VI ZR 133/06, juris Rn. 5). Diese Voraussetzungen für die Feststellung einer Ersatzpflicht liegen vor.
III. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung besteht demgegenüber unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht.
1. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Entschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können. Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab; es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 21. April 2015 - VI ZR 245/14, juris Rn. 33 m. w. N.).
2. Vorliegend spricht gegen eine Geldentschädigung bereits, dass die Zulässigkeit der Verwendung des Bildes letztlich aufgrund einer Abwägung zu beurteilen war, die im Ergebnis nicht derart eindeutig sein mag, dass dies den Rückschluss auf einen erheblichen Verschuldensgrad zulässt. Selbst die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat die Veröffentlichung eines vergleichbaren Fotos durch eine andere Verlagsgesellschaft nicht als rechtswidrig eingeordnet (Urteil vom 21. Dezember 2020 - 18 O 167/20, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz vom 17. August 2021, Bl. 390 ff. d. A.). Insbesondere wird die Beklagte zwar eine mögliche Unzulässigkeit der Verwendung des Bildnisses und insoweit auch eine mögliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers billigend in Kauf genommen haben. Dass sie die Unzulässigkeit dieser Veröffentlichung aber positiv erkannt hätte, ist nicht festzustellen. Erst recht ist nicht anzunehmen, dass sie Angriffe auf den Kläger infolge der Veröffentlichung des Bildes billigend in Kauf genommen hätte.
Trotz des erheblichen Verbreitungsgrades des Bildes, der nicht fernliegenden Sorge des Klägers vor tätlichen Angriffen, des Umstandes, dass von einer Sensibilität der Beklagten hinsichtlich der Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen ist, diese eine solche Persönlichkeitsrechtsverletzung jedenfalls billigend in Kauf genommen hat und angesichts der prominenten Veröffentlichung des infrage stehenden Bildes unter anderem auch als Titelbild unter der Rubrik „Top-Videos“ (vgl. Anlage K3, Bl. 19 d. A.) besteht im Hinblick auf den Grad des die Beklagte treffenden Verschuldens und den Umstand, dass sie sowohl im Wege der einstweiligen Verfügung als auch nunmehr im Hauptsacheverfahren unter Ordnungsmittelandrohung zu Unterlassung der Bildveröffentlichung verurteilt wurde, kein Bedürfnis zur Zahlung einer Geldentschädigung, um die Persönlichkeitsrechtsverletzung aufzufangen.
3. Es kommt hinzu, dass aufgrund der Prägnanz des Bildnisses und des Verbreitungsgrades seiner Veröffentlichung zwar nahelag, dass es sich - wie oben näher dargestellt - im Internet verselbstständigte und der Kläger insoweit zur Zielscheibe verbaler und möglicherweise auch tätlicher Angriffe werden konnte. Eine konkrete, auf die Veröffentlichung dieses Fotos durch die Beklagte zurückzuführende Gefährdung des Klägers, die einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung begründete, kann aber nicht festgestellt werden.
Der als Zeuge vernommene Vorgesetzte des Klägers, der Polizeibeamte B., hat glaubhaft und auch glaubwürdig ausgesagt, dass nach der Beurteilung des Landeskriminalamts eine besondere Gefährdungslage für den Kläger nicht gegeben gewesen sei. Er, der Zeuge, habe zwar als Vorgesetzter des Klägers einen entsprechenden Antrag beim Landeskriminalamt gestellt, weil nach seiner eigenen Einschätzung eine besondere Gefährdungslage für den Kläger zwar nicht schon aufgrund des in Rede stehenden Fotos aber aufgrund der von einer Salafisten-Gruppe verbreiteten Bildmontage Anlage K 10 mit dem Foto bestanden habe. Der Antrag sei aber vom Landeskriminalamt abschlägig entschieden worden. Es sei zwar bestätigt worden, dass eine besondere Gefährdungslage für alle Polizeibeamten bestehe, nicht aber für den Kläger im Zusammenhang mit der Bildmontage. Dies deckt sich damit, dass das Landeskriminalamt Niedersachsen den Kläger nach der Aussage des Zeugen nicht im Hinblick auf eine etwaige Gefährdungslage über die Bildmontage in Kenntnis gesetzt hatte, sondern nur deshalb, weil dort ein möglicher Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz erkannt wurde.
IV. 1. Dem Kläger steht zunächst ein Anspruch auf Ersatz der in Vorbereitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens angefallenen Geschäftsgebühr nach einem Wert von 10.000 € zu. Hierauf ist die hälftige Verfahrensgebühr des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach § 15a Abs. 1, 3 i. V. m. VV Vorb. 3 Abs. 4 RVG anzurechnen. Der Senat hat den Kläger insoweit darauf hingewiesen, dass er davon ausgeht, dass wegen der Verfahrensgebühr des einstweiligen Verfügungsverfahrens ein Kostenfestsetzungsbeschluss ergangen ist; dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
Die hiernach erstattungsfähige Geschäftsgebühr beläuft sich unter Ansatz einer 0,65-fachen Gebühr nebst Portopauschale und Mehrwertsteuer auf 455,41 €.
2. Dem Kläger steht darüber hinaus ein Anspruch auf Ersatz der Geschäftsgebühr für die Fertigung des Abschlussschreibens in Vorbereitung des Hauptsacheverfahrens zu. Das Abschlussschreiben gehört gebührenrechtlich zum Hauptsacheverfahren (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.73; Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 15 Rn. 30). Einen isoliert auf die Fertigung des Abschlussschreibens gerichteten Auftrag, der nicht zugleich mit einem Auftrag zur Führung des Hauptsacheverfahrens verbunden war, hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen. Die erforderlichen und erstattungsfähigen Kosten einer Abschlusserklärung bemessen sich nach dem Streitwert der Hauptsacheklage, welche vermieden werden soll, und nicht nach dem Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens (OLG Hamm, Urteil vom 02. Juli 2009 - 4 U 39/09, juris Rn. 7; Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 12 UWG (Stand: 09.04.2018), Rn. 184), hier mithin nach einem Streitwert von 25.000 €, der im Hinblick auf den Unterlassungsantrag anzusetzen ist.
Eine weitergehende Geschäftsgebühr zur Vorbereitung des Hauptsacheverfahrens ist bereits deshalb nicht angefallen, weil der Kläger eine weitergehende außergerichtliche Tätigkeit seines Anwalts insoweit nicht hinreichend dargelegt hat.
Ersatzfähig ist damit eine 1,3-fache Gebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG nach einem Streitwert von 25.000 € nebst Portopauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt mithin 957,72 €
Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass EncroChat-Daten ein zulässiges Beweismittel sind und im Strafverfahren verwertet werden können.
Aus den Entscheidungsgründen:
Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts und der Beweislage wird zunächst auf die Anklageschrift vom 9.8.2021 verwiesen. Der dringende Tatverdacht gründet sich dabei im Wesentlichen auf die Erkenntnisse aus der zwischen den Tatbeteiligten über EncroChat geführten Kommunikation, die den deutschen Ermittlungsbehörden von den französischen Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt wurden.
Entgegen der von der Verteidigung insoweit erhobenen Einwendungen sind diese Erkenntnisse nach vorläufiger Bewertung auf der Grundlage des Akteninhalts verwertbar.
1. Dabei ist unter Berücksichtigung der in anderen obergerichtlichen Entscheidungen (KG, Beschluss vom 30.8.2021 – 2 Ws 93/21 - 161 AR 134/21, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 3.8.2021 – 2 Ws 102/21 [S]; 2 Ws 96/21, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.7.2021 – III 2 Ws 96/21; OLG Rostock, Beschluss vom 11.5.2021 – 20 Ws 121/21 – BeckRS 2021, 11981 = NJ 2021, 372-374; OLG Schleswig SchlHA 2021, 197; OLG Rostock, Beschluss vom 23.3.2021 – 20 Ws 70/21, juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 29.1.2021 – 1 Ws 2/21 –, juris; OLG Bremen NStZ-RR 2021, 158) mitgeteilten Erkenntnisse von folgendem Verfahrensgang auszugehen:
Den in Frankreich durchgeführten und aufeinander aufbauenden Ermittlungsmaßnahmen lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Rahmen von sieben nicht im Zusammenhang stehenden Ermittlungsverfahren - in fünf Fällen handelte es sich ausschließlich um Betäubungsmitteldelikte (436 kg Cannabisharz / 100 kg Cannabisharz / 30 kg Cannabisharz / 30 kg Cannabisharz / 12 kg Cannabiskraut, 6 kg Heroin, 1 kg Crack), in einem Fall um ein Betäubungsmitteldelikt (6 kg Cannabisharz) sowie um eine Diebstahlsserie von Luxuskraftfahrzeugen und in einem weiteren Fall um bandenmäßig organisierten Kraftfahrzeugdiebstahl - der französischen Behörden in den Jahren 2017 und 2018 wurden verschlüsselte Telefone unter „EncroChat-Lizenz“ sichergestellt.
Weitere Recherchen ergaben, dass diese Telefone auf einer frei zugänglichen Internetseite mit folgenden Produktmerkmalen beworben wurden: „Garantie der Anonymität, personalisierte Android Plattform, doppeltes Betriebssystem, allerneueste Technik, automatische Löschung von Nachrichten, schnelles Löschen, Unantastbarkeit, Kryptografie-Hardwaremodul“. Folgende Anwendungen waren auf dieser Art von Telefonen verfügbar: „EncroChat (lnstant-Secure Messaging Kunde), EncroTalk (Chiffrierung der Sprachkonversationen auf IP), EncroNotes (Chiffrierung der lokal auf dem Gerät gespeicherten Notizen)“. Ein Erwerb solcher Endgeräte war jedoch nicht über die offizielle Webseite dieses Unternehmens möglich.
Auf der Verkaufsplattform eBay wurden derartige Geräte für 1.610 EUR angeboten, wobei dieser Preis eine Nutzerlizenz für die Dauer von (nur) sechs Monaten beinhaltete. Personen, die sich nach außen als Verantwortliche der Firma EncroChat präsentierten, existierten nicht. Einen offiziellen Sitz eines Unternehmens EncroChat gab es ebenfalls nicht.
Anhand der Auswertung eines der beschlagnahmten Mobiltelefone konnten die Ermittlungsbehörden aufgrund der aus- und eingehenden Datenströme feststellen, dass eine Datenverbindung zu einem in Roubaix (Frankreich) betriebenen Server bestand. Dieser Server war von der Gesellschaft „Virtue Imports“ mit Sitz in Vancouver/Kanada angemietet.
Nach Einholung eines richterlichen Beschlusses wurden am 21.12.2018 die Daten des vorgenannten Servers kopiert und in der Folgezeit ausgewertet. Die Ermittlungen wurden zu diesem Zeitpunkt wegen des Verdachts der Bildung einer „kriminellen Vereinigung zur Begehung von Straftaten oder Verbrechen, die mit zehn Jahren Haft bestraft werden“, (und insbesondere Verbrechen des Betäubungsmittel-/Drogenhandels laut Artikel 222-37 des französischen Strafgesetzbuches) sowie wegen weiteren Tatbeständen im Zusammenhang mit der Lieferung, dem Transfer und dem Import eines Verschlüsselungsmittels geführt.
Die kopierten Serverdaten förderten unter anderem zutage, dass die verwendeten SIM-Karten von einem niederländischen Betreiber stammten und im System insgesamt 66.134 SIM-Karten eingetragen waren. Es konnten knapp 3.500 Dateien mit Notizen entschlüsselt werden, die nach Lage der Dinge in Verbindung mit illegalen Aktivitäten, insbesondere dem Drogenhandel, standen. So zeigten beispielsweise die Notizen eines Nutzers hochwahrscheinlich dessen Einbindung in den Drogenhandel über Häfen und dessen Möglichkeiten zur Geldwäsche in Paris durch Zahlungsströme in Richtung Marokko.
Aufgrund richterlicher Genehmigungen des Gerichts in Lille vom 30.1.2020 für den Einsatz einer Computerdaten-Abfangeinrichtung erfolgte sowohl auf dem Server als auch auf den mit diesem Server verbundenen Endgeräten die Installation einer „Trojanersoftware“ und schließlich mangels anderweitiger Ermittlungsmöglichkeiten – ebenfalls mit richterlicher Genehmigung desselben Gerichts vom 20.3.2020 – eine Umleitung aller Datenströme (DNS-Umleitung) des vorgenannten Servers in Roubaix ab dem 1.4.2020. Dabei wurde bekannt, dass von der Datenabfangmaßnahme 32.477 Nutzer in 121 Ländern betroffen waren. Hiervon befanden sich 380 Nutzer ganz oder teilweise im französischen Hoheitsgebiet, von denen nach Einschätzung der französischen Behörden mindestens 242 Personen – mithin über 60 % – das verschlüsselte Kommunikationssystem zu kriminellen Zwecken nutzten. Das Nutzungsverhalten der übrigen Personen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgewertet oder diese waren inaktiv.
Am 7.4.2020 wurden die Ermittlungen auf Transport, Besitz, Erwerb, Anbieten oder Abgabe von Drogen/Betäubungsmitteln und den Besitz und Erwerb von Waffen ohne Genehmigung ausgedehnt, nachdem nähere Informationen zum Netzwerk der Händler der EncroChat-Telefone bekannt geworden waren. In einem an einen australischen Händler versandten „Leitfaden“ zur Vermarktung der chiffrierten Telefone, der den Ablauf der unterschiedlichen Kaufphasen bis hin zum endgültigen Verkauf an die Nutzer schilderte, wurde unter anderem auch erklärt, dass die Zahlung vorzugsweise in Kryptowährung (Bitcoin) erfolgen solle, dass man sich gegenüber der Polizei verdeckt halten und insbesondere vermeiden müsse, durch mengenmäßig zu große Lieferungen aufzufallen. Dem Händler, dessen Hauptaktivität der Kokainhandel gewesen sein soll, wurde auch versichert, dass die Geräte weder „abgehört“ noch unrechtmäßig genutzt werden könnten, wenn sie „in schlechte Hände“ fielen. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass der Polizei eine Lokalisierung nicht möglich sei, wenn diese an die IMEI und die SIM des Telefons gelange.
Aufgrund dieser Erkenntnisse wurden die aufgrund der richterlichen Anordnung zeitlich begrenzten technischen Maßnahmen zunächst für einen Monat ab 1.5.2020 und darauffolgend für weitere vier Monate ab 1.6.2020 – jeweils mit richterlichem Beschluss – verlängert und die Deliktstatbestände, derentwegen ermittelt wurde, erweitert. Die Maßnahmen endeten in Frankreich jedoch bereits mit der Einstellung des Geschäftsbetriebs des Unternehmens EncroChat nach ihrem Bekanntwerden am 28.6.2020.
Zu einer Unterrichtung der Bundesrepublik Deutschland - als zu unterrichtender Mitgliedstaat - durch die Republik Frankreich - als überwachender Mitgliedsstaat im Sinne von Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.4.2014 (ABl. L 130/1) - RL-EEA - dahingehend, dass sich die Zielperson der Überwachung auf deutschem Hoheitsgebiet befindet oder befunden hat, kam es zunächst nicht. Ebenso unterblieb auch eine Mitteilung der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 31 Abs. 3 RL-EEA, dass die Überwachung durchzuführen oder zu beenden sei.
In der Folgezeit wurden die EncroChat-Daten dem BKA in der Zeit vom 3.4. bis zum 28.6.2020 übermittelt und dort aufbereitet. Von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main wurden sodann getrennte Ermittlungsverfahren gegen die ermittelten Nutzer eingeleitet und den örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften über die jeweiligen Landeskriminalämter zugeleitet.
Vorangegangen war eine Mitteilung Frankreichs über die gewonnenen Erkenntnisse nach Art. 7 des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates vom 18.12.2006 über die Vereinfachung des Austausches von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. 386/89). Hiernach stellen nationale Strafverfolgungsbehörden den Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten Informationen und Erkenntnissen unaufgefordert zur Verfügung stellen, wenn konkrete Gründe für die Annahme bestehen, dass diese dazu beitragen könnten, Straftaten nach Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten aufzudecken, zu verhüten oder aufzuklären.
Am 2.6.2020 erließ die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main auf der Grundlage der Art. 5 ff. RL-EEA eine Europäische Ermittlungsanordnung, welche nach Art. 1 der Richtlinie auch auf die Erlangung von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaates befinden, erlassen werden kann. In Anhang A, Abschnitt C (Sonderheft Rechtshilfe, Bl. 1), in welchem die erbetenen Maßnahmen mitgeteilt werden, heißt es: Das BKA sei über Europol informiert worden, dass in Deutschland eine Vielzahl schwerster Straftaten (insbesondere Einfuhr und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) unter Nutzung von Mobiltelefonen mit der Verschlüsselungssoftware EncroChat begangen werden. In diesem Zusammenhang wurden die französischen Justizbehörden ersucht, die unbeschränkte Verwendung der betreffenden Daten bezüglich der über EncroChat ausgetauschten Kommunikation in Strafverfahren gegen die Täter zu genehmigen.
Diese Genehmigung ist am 13.6.2020 durch die Ermittlungsrichterin in Lille erteilt und sodann die Fortsetzung der – zuvor ohne Ersuchen erfolgten – Übermittlung der nunmehr ersuchten Daten über Europol angeordnet worden. Die französischen Behörden haben einer Verwendung der Daten im Rahmen eines jeden Ermittlungsverfahrens im Hinblick auf jedwedes Gerichts-, Strafverfolgungs- oder Untersuchungsverfahren zugestimmt.
In Bezug auf die Angeklagten im vorliegenden Verfahren erließ die Staatsanwaltschaft Freiburg am 26.4.2021 und am 31.5.2021 (bezüglich des mutmaßlich vom Mitangeklagten H. genutzten EncroChat-Accounts) sowie am 27.5.2021 (bezüglich des mutmaßlich vom Angeklagten L. genutzten EncroChat-Accounts) Europäische Ermittlungsanordnungen. Die entsprechenden Genehmigungen zur umfassenden Verwertung in deutschen Strafverfahren wurden von der Ermittlungsrichterin in Lille am 4.6./5.7.2021 (bezüglich H.) und am 18.6.2021 (bezüglich L.) erteilt.
2. Die jedenfalls die Grundlage der Verwertung im vorliegenden Verfahren bildenden Europäischen Ermittlungsanordnungen der Staatsanwaltschaft Freiburg sind rechtmäßig erlassen worden.
4
Außer den in § 91j Abs. 1 IRG enthaltenen formalen Vorgaben genügen diese Ermittlungsanordnungen auch den sich aus Art. 6 Abs. 1 RL-EEA ergebenden materiellen Anforderungen (vgl. Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl., § 91j IRG Rn. 3). Danach darf eine Europäische Ermittlungsanordnung nur erlassen werden, wenn die im Ausland durchzuführende Maßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätte angeordnet werden können (Art. 6 Abs. 1 lit. b RL-EEA). Zudem muss der Erlass der EEA auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, d.h. für die Zwecke des ihr zugrunde liegenden Strafverfahrens unter Berücksichtigung der Rechte der betroffenen Person notwendig und verhältnismäßig sein (Art. 6 Abs. 1 lit. a RL-EEA).
Ob sich die Prüfung dabei bloß auf die Frage der Genehmigung der Verwertung der bereits erhobenen Beweismittel beschränkt oder sich weitergehend auch auf die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Beweise erstreckt, kann letztlich dahinstehen, nachdem bereits die Beweiserhebung auch nach deutschem Recht zulässig gewesen wäre.
a) Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Zugriffs auf die Endgeräte ist dabei im Blick zu behalten, dass sich die Ermittlungen jedenfalls auch gegen die Vertreiber der Endgeräte richteten. Danach findet der Zugriff auf die von den Angeklagten genutzten Endgeräte und die darauf gespeicherten Daten seine Grundlage jedenfalls in § 100b StPO. Auf der Grundlage der zu Vertrieb und Nutzung der mit der EncroChat-Software versehenen Endgeräte bekannt gewordenen Besonderheiten - konspirativer Vertrieb hochpreisiger mit Verschlüsselungstechnik versehener Endgeräte, die für eine konventionelle Nutzung nicht eingesetzt werden können - bestand der Anfangsverdacht gegen die Vertreiber der Geräte, damit bewusst die Begehung schwerer Straftaten der organisierten Kriminalität, die zum Katalog der in § 100b Abs. 2 StPO aufgeführten Taten gehören, zu unterstützen (vgl. KG a.a.O., Rn. 48 bei juris). Der Zugriff auf die Endgeräte war dabei gemäß § 100b Abs. 3 Nr. 2 StPO zulässig, weil direkte Ermittlungsmaßnahmen gegen die namentlich nicht bekannten Vertreiber nicht möglich waren und deshalb nur der Zugriff auf die mit den vertriebenen Endgeräten geführte Kommunikation weiteren Aufschluss über die Verwendung für die Begehung strafbarer, dem Katalog des § 100b Abs. 2 StPO unterfallender Handlungen erwarten ließ. Allein der Zugriff auf den Server, über den die Kommunikation geleitet wurde, erlaubte wegen der vorherigen Verschlüsselung bereits auf dem Endgerät keinen Zugriff auf die Kommunikationsinhalte.
b) Die Auswertung der auf den Endgeräten gespeicherten Kommunikationsinhalte, die die Beteiligung der Angeklagten an Betäubungsmittelstraftaten gemäß § 29a Nr. 2 BtMG und damit einer Katalogtat gemäß § 100a Abs. 2 Nr. 7 lit. b StPO belegten, hätten sodann auch nach deutschem Recht die Überwachung der laufenden Kommunikation gemäß § 100a Abs. 1 StPO gerechtfertigt, nachdem wegen des im Übrigen konspirativen Vorgehens der Beteiligten andere Ermittlungsmaßnahmen keinen Erfolg versprachen.
3. Soweit bei der Erhebung der Beweise durch die französischen Behörden nicht alle dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften beachtet worden sind, führt dies im Ergebnis nicht zu einer Unverwertbarkeit der gewonnenen Beweismittel.
a) Ob das Vorgehen der französischen Behörden innerhalb des französischen Staatsgebiets den Vorgaben des französischen Rechts entsprach, ist grundsätzlich der Prüfung durch den Senat entzogen (BGHSt 58, 32); Verstöße gegen den ordre public sind insoweit nicht ersichtlich.
b) Der Zugriff auf die Endgeräte der Angeklagten in Deutschland ist aber an den rechtlichen Vorgaben der Art. 30, 31 RL-EEA zu messen (vgl. auch §§ 59 Abs. 3, 91c Abs. 2 Nr. 2 lit. c dd IRG). Die Unterrichtung der deutschen Behörden, zu der die französischen Behörden nach Art. 31 Abs. 1 RL-EEA jedenfalls ab dem Zeitpunkt verpflichtet waren, ab dem sie Kenntnis davon hatten, dass die von der Überwachung betroffenen Personen sich auf deutschem Staatsgebiet aufhielten, ist vorliegend jedoch nicht erfolgt, so dass eine - gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b RL-EEA zwingend durchzuführende - Prüfung der Zulässigkeit der Maßnahme nach deutschem Recht durch die zuständige Behörde nicht erfolgen konnte.
c) Dieser Verstoß führt jedoch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
Ein allgemein geltender Grundsatz, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, ist dem Strafverfahrensrecht fremd und auch weder von Verfassungs wegen noch durch die Europäische Menschenrechtskonvention oder das Recht der Europäischen Union geboten (BVerfG NJW 2008, 3053; 2011, 2417; BVerfGE 130, 1; KG a.a.O., jew. m.w.N.). Auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung "um jeden Preis" gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbotes eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine begründungsbedürftige Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BVerfGE 33, 367, 383; 46, 214, 222; 122, 248, 272 f.; BGHSt 40, 211, 217; 44, 243, 249; 51, 285, 290; st. Rspr.). Ein Beweisverwertungsverbot ist aber zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (vgl. BVerfGE 113, 29, 61; NJW 1999, 273; NJW 2006, 2684). Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl. BVerfGE 34, 238, 245 f.; 80, 367, 374 f.; 109, 279, 320). Im Übrigen bedarf es einer Abwägung der für und gegen die Verwertung sprechenden Gesichtspunkte im Einzelfall. Für die Verwertbarkeit spricht stets das staatliche Aufklärungsinteresse, dessen Gewicht im konkreten Fall vor allem unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit weiterer Beweismittel, der Intensität des Tatverdachts und der Schwere der Straftat bestimmt wird. Auf der anderen Seite muss berücksichtigt werden, welches Gewicht der Rechtsverstoß hat. Dieses wird im konkreten Fall vor allem dadurch bestimmt, ob der Rechtsverstoß gutgläubig, fahrlässig oder vorsätzlich begangen wurde, welchen Schutzzweck die verletzte Vorschrift hat, ob der Beweiswert beeinträchtigt wird, ob die Beweiserhebung hätte rechtmäßig durchgeführt werden können und wie schutzbedürftig der Betroffene ist (BVerfGE 130, 1 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist dabei in die Abwägung einzustellen, dass bei Beachtung der rechtlichen Vorgaben der Überwachung aller Voraussicht nach von der zuständigen Behörde nicht widersprochen worden wäre (vgl. dazu Art. 31 Abs. 3 RL-EEA), nachdem die Beweiserhebung - wie gezeigt - auch nach deutschem Recht zulässig gewesen wäre. Zudem dienen die gewonnenen Beweise der Aufklärung und Verfolgung schwerer Straftaten der organisierten Kriminalität, die auf andere Weise nicht zu bewerkstelligen wäre. Weder sind mit der Beweisgewinnung durch die französischen Behörden Zuständigkeitsvorgaben umgangen worden (sog. Befugnis-Shopping) noch ist eine gezielte Missachtung der komplexen rechtshilferechtlichen Vorschriften erkennbar. Umgekehrt ist zwar zu berücksichtigen, dass mit den Ermittlungsmaßnahmen in die besonders sensiblen Bereiche des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) bzw. des Schutzes der Integrität informationstechnischer Systeme als Teil des ebenfalls grundrechtlich geschützten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. dazu BVerfGE 120, 274) eingegriffen wurde. Dies wird allerdings dadurch relativiert, dass die Angeklagten diesen Schutz bewusst zur Begehung schwerer Straftaten missbraucht haben und nach den gesamten Umständen, insbesondere der fehlenden Möglichkeit, die überwachten Geräte für konventionelle Kommunikation zu verwenden, von vornherein nicht zu erwarten war, dass mit der Überwachung schutzbedürftige sensible Daten gesammelt werden würden. In der Zusammenschau wiegt der Rechtsverstoß danach vorliegend nicht so schwer, dass deswegen ein Beweisverwertungsverbot geboten wäre (ebenso OLG Hamburg a.a.O.; OLG Brandenburg a.a.O.; KG a.a.O.).
II. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), die nicht durch die Erteilung von Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO in ausreichendem Maße gemindert werden kann.
Die im Falle einer Verurteilung unter Heranziehung der gesetzlichen Strafrahmen, auch unter Berücksichtigung anzurechnender Untersuchungshaft und einer möglichen, wenn auch angesichts der Schwere der vorgeworfenen Straftaten, die ihrem gesamten Gepräge nach dem Bereich der schweren, organisierten Kriminalität zuzuordnen sind, durchaus nicht selbstverständlichen vorzeitigen Entlassung, bestehende hohe Straferwartung in dem hier anhängigen Verfahren begründet für den Beschuldigten einen erheblichen Fluchtanreiz, dem keine ausreichenden fluchthemmenden Umstände entgegenstehen.
Dabei wird nicht verkannt, dass nicht allein aus der Straferwartung auf das Bestehen von Fluchtgefahr geschlossen werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 112 Rn. 24 m.w.N.; KK-Graf, StPO, 8. Aufl., § 112 Rn. 19) und dass bei der Beurteilung der Fluchtgefahr jede schematische Beurteilung anhand genereller Maßstäbe ausscheidet, insbesondere die Annahme unzulässig ist, dass bei einer Straferwartung in bestimmter Höhe stets (oder nie) ein rechtlich beachtlicher Fluchtanreiz bestehe (KG Berlin, StV 2017, 450). Vielmehr ist eine umfassende Abwägung aller für und gegen eine bevorstehende Flucht sprechenden Umstände des konkreten Einzelfalles vorzunehmen, wobei eine hohe Straferwartung erfahrungsgemäß einen höheren Fluchtanreiz bietet (vgl. OLG Karlsruhe - Senat - StV 2010, 31). Die für eine Fluchtgefahr sprechenden „bestimmten Tatsachen“ brauchen dabei aber nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts festzustehen; es genügt derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie beim dringenden Tatverdacht. Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist zudem nicht nur auf äußerlich zutage liegende Tatsachen abzustellen, sondern auch auf Erfahrungssätze und innere Tatsachen, auf die nach der Lebenserfahrung oder aufgrund äußerer Umstände geschlossen werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8.4.2019 - 3 Ws 102/19 -, BeckRS 2019, 7771).
Gemessen hieran sind in dem hier zu beurteilenden Fall folgende Umstände zu berücksichtigen: Der Angeklagte hat im Falle seiner Verurteilung angesichts der ganz erheblichen gehandelten Mengen unterschiedlicher Betäubungsmittel (mindestens 5 Kilogramm Kokain, 335 Kilogramm Marihuana) ungeachtet des noch nicht feststehenden Wirkstoffgehalts, der teilweisen Sicherstellung der Betäubungsmittel und des Fehlens von Vorstrafen mit der Verhängung einer erheblichen, mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen, die weit oberhalb des bewährungsfähigen Bereichs liegen dürfte. Die gesetzliche Mindeststrafe für die in Täterschaft begangenen Delikte beträgt jeweils ein Jahr. Die Annahme minder schwerer Fälle erscheint nach gegenwärtigem Erkenntnisstand angesichts der Menge der gehandelten Betäubungsmittel, darunter auch solche mit hohem Suchtpotential, aber auch wegen des sonstigen Tatbildes (Verwendung von Krypto-Handys, teilweise wöchentlicher Umsatz großer Betäubungsmittelmengen unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel) eher fernliegend.
Aus der Höhe der im Falle einer Verurteilung drohenden Straferwartung ergibt sich für den Angeklagten ein so erheblicher Fluchtanreiz, sei es eine Flucht ins europäische Ausland oder ein Untertauchen im Inland, dass den vorhandenen familiären und beruflichen Bindungen kein ausreichendes fluchthemmendes Gewicht beigemessen werden kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Fortführung des vom Angeklagten betriebenen Gewerbes im Hinblick auf die längere Inhaftierung, aber auch die im Raum stehende Einziehung von Wertersatz von mehr als 1,6 Millionen Euro erheblich in Frage gestellt ist. Allein die Beziehungen zu seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern sowie zu einem Sohn aus einer früheren Verbindung sind vor diesem Hintergrund nicht geeignet, die Fluchtgefahr ausreichend zu mindern, zumal es wahrscheinlich erscheint, dass er aufgrund der über einen längeren Zeitraum betriebenen Betäubungsmittelgeschäfte über Kontakte ins kriminelle Milieu, auch im Ausland - nach den vorliegenden Erkenntnissen wurde jedenfalls das Marihuana aus Spanien bezogen - verfügt, die ihm eine Flucht erleichtern.
Dass es dem Angeklagten gewisse Schwierigkeiten bereiten dürfte, dauerhaft unterzutauchen, und er bei einer Flucht ins Ausland mit seiner Auslieferung rechnen müsste, gilt für den Angeklagten in gleicher Weise wie für jeden anderen einer Straftat Verdächtigen. Mit dieser Argumentation lässt sich eine Fluchtgefahr jedoch nicht grundsätzlich verneinen, zumal es für die Annahme von Fluchtgefahr genügt, wenn der Beschuldigte sich dem Verfahren zumindest für eine gewisse Dauer zu entziehen sucht (vgl. KK-Graf, StPO, a.a.O., § 112 Rn. 17 m.w.N.).
III. Dem in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebot (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK, § 121 Abs. 1 StPO) wurde entsprochen. Vermeidbare, den Strafverfolgungsorganen anzulastende Verzögerungen liegen nicht vor.
Wegen des Ablaufs des Ermittlungsverfahrens wird Bezug genommen auf den Zuleitungsbericht der Staatsanwaltschaft vom 20.10.2021, der den Beteiligten bekannt gemacht wurde.
Angesichts des Schweigens des Angeklagten und der weiteren Tatbeteiligten waren komplexe Ermittlungen zur Identifizierung der hinter den benutzten EncroChat-Accounts stehenden Personen erforderlich. Obwohl der Vorsitzende der inzwischen zuständigen großen Strafkammer alsbald nach Anklageerhebung Anstrengungen unternahm, mit den Beteiligten Termine für eine Hauptverhandlung abzustimmen, ist ein Beginn der Hauptverhandlung vor allem wegen der Verhinderung des Verteidigers des Angeklagten erst ab dem 13.1.2022 möglich. Da die Termine aber mit den Beteiligten abgestimmt sind, kann danach von einem zügigen Fortgang des Verfahrens und dessen zeitnahem Abschluss ausgegangen werden.