Das AG Frankfurt hat entschieden, dass Streaming-Einnahmen durch Videos mit strafbaren Inhalten nach § 73c StPO eingezogen werden können.
Aus den Entscheidungsgründen: Die für die Aufrufe des verfahrensgegenständlichen Musikvideos bei diversen Internetplattformen und Streamingdiensten erlangten Einnahmen des Angeklagten unterliegen als Erträge aus einer rechtswidrigen Tat der Einziehung gem. §§ 73 Abs. 1, 73 c StGB. Das Musikvideo hatte zum Stand der Hauptverhandlung über Spotify 313.803, über Youtube 179.825, auf Facebook 4.733, und über Telegram 107.000 Aufrufe.
Durch das Hochladen und das Verbreiten des Videos hat der Angeklagte einen Beitrag in
Höhe von 1322,83 € erlangt.
Der Beitrag errechnet sich zum einen aus den vom Angeklagten selbst zur Verfügung gestellten Abrechnungsunterlagen. Hiernach ergibt sich, dass die Vermarktung des Musikvideos zentral über den Dienstleister TuneCore Inc. mit Sitz in Brooklyn, New York erfolgte. Im Zeitraum bis September 2023 erzielte der Angeklagte demnach einen Beitrag von 524, 85 US$ (bei einem Umrechnungskurs vom Tag der Hauptverhandlung von 1 US $ = 0,92€; 482,86 €) bei rund 400.000 Aufrufen. Angesichts der zwischenzeitlich rund 600.000 Aufrufe kann derweil von einer Steigerung der Einnahmen um 30 % ausgegangen werden, wonach sich ein Betrag von 627,71€ ergibt.
Zum anderen erhielt der Angeklagte über das auf den Namen seiner Tochter S eingerichtete PayPal Konto Spenden für das Musikvideo. In Höhe von 695,12 € stehen diese inhaltlich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des verfahrensgegenständlichen Videos. Ein diesen Betrag übersteigender Betrag wurde dann auf sein eigenes Konto überwiesen.
Folgende Zusätze würden bei den Überweisungen angegeben:
-Bitte dringen um Nachricht auf [...]@afd.de-es geht um das Wahlvideo
-Dafür deine Songs
-Danke für deinen geilen AFD-Song-gute Leute wie dich braucht das Land im Kampf gegen die woke Scheiß-Agenda
-Danke für den aktuellen Song
-Danke für den aktuellsten Song: D
-Für dieses schöne Weihnachtsgeschenk an uns. Den AFD Song meine ich.
-Gutes Musikvideo!
-Hallo Freund, Chapeau!
-Musik
-Schenkung zur freien Verfügung. Wir lieben Dich
-Schenkung. Der nächste Kaffee geht auf mich.
-Spende Mutiger Song. Da es vermutlich kein offizieller AFD Wahrswerbespot ist, ist er für mich ein großes Kunstwerk.
-Trink dir was! Und Prost
-Wertschätzung!!!!!!!
Bei den folgenden Zusätzen konnte das Gericht keinen sicheren Bezug zu dem veröffentlichten Video erkennen:
- Der Artikel ist gut verpackt angekommen und in Gutem Zustand. Der Sound ist super. 5 Sterne Bewertung.
-Für dein Angebot, deine Lieder kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Vom Gesamtbetrag von 720,12 € waren daher 25 € abzuziehen.
Aus dem Entwurf: A. Problem und Ziel
Infolge der fortschreitenden Digitalisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft muss der Gesetzgeber darauf achten, dass das Computerstrafrecht an die geänderten technischen Verhältnisse angepasst wird, wenn dies notwendig ist, um den angestrebten Rechtsgüterschutz aufrechtzuerhalten oder auch zu verbessern. Es muss verhindert werden, dass das Strafrecht von Handlungen abschreckt, die im gesellschaftlichen Interesse erfolgen und daher wünschenswert sind. Genau dies droht im Falle des Computerstrafrechts.
Die IT-Sicherheit ist die Achillesferse der Informationsgesellschaft. Die Schließung von Sicherheitslücken hat daher allergrößte Bedeutung für die Abwehr von Cyberangriffen durch Kriminelle und durch fremde Mächte. Daher sind hinsichtlich der Informationstechnologie (IT) die vorhandenen Schwächen in der IT-Infrastruktur in den Blick zu nehmen, die durch die zunehmende Komplexität von IT-Systemen und die teilweise schwachen (Sicherheits- )Standardeinstellungen von IT-Produkten entstehen. Das Aufspüren von Sicherheitslücken in IT-Systemen gehört zu den typischen Tätigkeiten der IT-Sicherheitsforschung. Für ihre Tätigkeit ist nämlich regelmäßig ein Zugriff auf fremde Informationssysteme und Daten notwendig, die sich bereits im praktischen Einsatz befinden. Diese Ausgangslage birgt Strafbarkeitsrisiken, die sich kontraproduktiv auswirken können, weil sie nicht nur von verbotenem, sondern auch von gesellschaftlich erwünschtem Verhalten abschrecken: Die erforderlichen Zugriffshandlungen können jene Straftatbestände erfüllen, die dem Schutz des formellen Datengeheimnisses bzw. der Unversehrtheit von Daten und IT-Systemen dienen (§§ 202a ff., 303a f. des Strafgesetzbuches – StGB). Vor allem ist hier § 202a Absatz 1 StGB in den Blick zu nehmen, der das unbefugte (Sich-)Verschaffen des Zugangs zu Daten unter Strafe stellt, die nicht für den Täter bestimmt und gegen unberechtigten Zugang gesichert sind. Für den Zugang reicht die Möglichkeit der Kenntnisnahme aus, so dass schon ein bloßer Systemzugriff den Tatbestand erfüllen kann.
Eine weitere Kritik am geltenden Recht zielt darauf ab, dass die Strafrahmen die Gefährlichkeit und das hohe Schadenspotential von Computerdelikten teilweise nicht mehr adäquat abbildeten, dies gelte insbesondere bei Angriffen auf kritische Infrastrukturen. Jüngst hat sich die 221. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 19. bis 21. Juni 2024 in Potsdam aus polizeilicher Sicht mit diesem Problem befasst und Reformbedarf auch im Bereich des Strafrechts konstatiert.
Ziel dieses Entwurfs ist die klare gesetzliche Abgrenzung von nicht zu missbilligendem Handeln der IT-Sicherheitsforschung von strafwürdigem Verhalten. Der Gesetzentwurf soll die bestehende Rechtsunsicherheit beseitigen und zudem bei schweren Begehungsformen, bei denen zum Beispiel kritische Infrastrukturen gefährdet oder beeinträchtigt werden, den Strafrahmen erhöhen.
Um bei § 202a StGB (Ausspähen von Daten) sowie § 202b StGB (Abfangen von Daten) alle strafwürdigen Angriffe angemessen ahnden zu können, sollen Regelbeispiele für besonders schwere Fälle eingeführt werden, um eine angemessene Sanktionierung zu ermöglichen.
B. Lösung
Die negative Legaldefinition des Merkmals „unbefugt“ in Artikel 1 StGB-E bewirkt, dass das Aufspüren von Sicherheitslücken in IT-Systemen dann nicht mehr strafbar ist, wenn es im Rahmen der IT-Sicherheitsforschung geschieht. Die Handlung muss dazu in der Absicht erfolgen, eine Sicherheitslücke festzustellen und den Betreiber der Datenverarbeitungsanlage, den Hersteller der betroffenen IT-Anwendung oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik davon zu unterrichten. Die Handlung muss zudem erforderlich sein, um eine Lücke festzustellen. Die gleichen Kriterien gelten für die Tathandlungen nach § 202b und § 303a StGB, in denen zukünftig auf § 202a Absatz 3 StGB-E verwiesen werden soll. Die gewachsene Bedeutung der kritischen Infrastruktur und die Verletzlichkeit, die sich bei schädigenden Zugriffen in der Vergangenheit gezeigt hat, lassen es erforderlich erscheinen, die §§ 202a und 202b StGB so auszugestalten, dass bei Vorliegen eines besonders schweren Falls eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren verwirkt wird.
Die Pressemitteilung des BMJ: Rechtssicherheit für die Erforschung von IT-Sicherheitslücken: Bundesjustizministerium veröffentlicht Gesetzentwurf zum Computerstrafrecht
Wer IT-Sicherheitslücken aufspüren und schließen möchte, soll nicht dem Risiko einer Strafbarkeit ausgesetzt sein. Damit dies sichergestellt ist, schlägt das Bundesministerium der Justiz eine Anpassung des Computerstrafrechts vor.
Im Gesetz soll klargestellt werden, dass bestimmte Handlungen von IT-Sicherheitsforscherinnen und -forschern nicht nach dem Computerstrafrecht strafbar sind. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Ministerium heute veröffentlicht. Der Gesetzentwurf sieht außerdem eine Strafverschärfung vor: Besonders schwere Fälle des Ausspähens und Abfangens von Daten sollen künftig strenger bestraft werden als bislang.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Wer IT-Sicherheitslücken schließen möchte, hat Anerkennung verdient – nicht Post vom Staatsanwalt. Denn Sicherheitslücken in IT-Systemen können in unserer vernetzten Welt dramatische Folgen haben. Cyberkriminelle und fremde Mächte können IT-Sicherheitslücken als Einfallstore nutzen. Krankenhäuser, Verkehrsunternehmen oder Kraftwerke können so lahmgelegt werden; persönliche Daten können ausspioniert, Unternehmen können ruiniert werden. Es ist deshalb im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass IT-Sicherheitslücken aufgedeckt und geschlossen werden. Mit dem Gesetzentwurf werden wir Strafbarkeitsrisiken für Personen ausschließen, die sich dieser wichtigen Aufgabe annehmen. Gleichzeitig werden wir die Strafen für besonders gefährliche Fälle des Ausspähens und Abfangens von Daten anheben.“
Der Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Modernisierung des Computerstrafrechts sieht mehrere Anpassungen im Computerstrafrecht vor. Das Computerstrafrecht sanktioniert Straftaten, die im Zusammenhang mit Computern und der digitalen Welt stehen. Konkret sind folgende Änderungen vorgesehen:
Tatbestandsausschluss für das Aufspüren von Sicherheitslücken:
Es soll gesetzlich klargestellt werden, dass bestimmte Handlungen von IT-Sicherheitsforschern, IT-Sicherheitsunternehmen sowie von sog. „Hackern“ nicht nach dem Computerstrafrecht bestraft werden können. Dabei geht es um Handlungen, die in der Absicht vorgenommen werden, eine Sicherheitslücke aufzuspüren und zu schließen. Damit solche Handlungen keinem Strafbarkeitsrisiko unterliegen, soll § 202a Strafgesetzbuch (StGB) ergänzt werden. Nach dieser Strafnorm macht sich strafbar, wer sich „unbefugt“ Zugang zu Daten verschafft. Ein neuer Absatz 3 soll klarstellen, unter welchen Umständen eine solche Handlung nicht „unbefugt“ und damit nicht strafbar ist. Der dadurch neu geregelte Strafbarkeitsausschluss soll auch für zwei weitere Straftatbestände gelten: das Abfangen von Daten (§ 202b StGB) und die Datenveränderung (§ 303a StGB).
Normierung weiterer besonders schwere Fälle des Ausspähens und Abfangens von Daten:
Das Strafrecht soll für bestimmte Fälle des Ausspähens und Abfangens von Daten verschärft werden. Die Strafvorschriften des Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) und des Abfangens von Daten (§ 202b StGB) sollen dazu um Regelungen für besonders schwere Fälle ergänzt werden. Ein besonders schwerer Fall soll in der Regel vorliegen, wenn der Täter einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder aus Gewinnsucht, gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt. Außerdem sollen die Fälle erfasst werden, in denen – auch aus dem Ausland – durch die Tat die Verfügbarkeit, Funktionsfähigkeit, Integrität, Authentizität oder Vertraulichkeit einer kritischen Infrastruktur oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder beeinträchtigt wird. Der Strafrahmen für diese Fälle soll auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren lauten.
Der Entwurf wurde heute an Länder und Verbände verschickt und auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 13. Dezember 2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen der Verbände werden auf der Internetseite des Bundesjustizministeriums veröffentlicht werden.
Das LG Aachen hat entschieden, dass das Auslesen des Passwortes nach Dekompilierung des Objektcodes die Überwindung einer besonderen Zugangssicherung nach § 202 a StGB darstellt.
Aus den Entscheidungsgründen: Der Beschluss des Amtsgerichts Jülich ist aufzuheben, da das Amtsgericht zu Unrecht den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt hat. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts besteht ein hinreichender Tatverdacht für eine Strafbarkeit des Angeschuldigten wegen Ausspähens von Daten gemäß § 202 a StGB.
Nach § 202 a Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer sich oder einem anderen Zugang zu Daten verschafft, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung.
Indem der Angeschuldigte dem Quellcode der Software, den er mittels Dekompilierung erlangte, dort hinterlegte Passwörter entnahm und die Daten auf seinen Rechner übertrug, hat er nicht nur das schon tatbeständsmäßige Verschaffen des bloßen Zugangs zu Daten verwirklicht, sondern zusätzlich sich die Daten selbst verschafft, was durch die Einträge in seiner Datenbank belegt wird.
a) Dass die Daten nicht für den Angeschuldigten bestimmt waren, folgt aus der Tatsache der Zugangsbeschränkung in Form eines Passwortes. Denn nach dem Willen der Verfügungsberechtigten - der V. – sollte der Angeschuldigte keinen Zugang zu diesen haben und die Daten sollten nicht in seinen Herrschaftsbereich gelangen (vgl. Bär in Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Aufl. 2020, 15. Kapitel Rn. 77; Lackner/Kühl/Heger StGB, 30. Aufl. 2023, § 202 a Rn. 3). Soweit es um den dekompilierten Quellcode der Software als solcher geht, ist auch dieser nicht für den Angeschuldigten bestimmt gewesen. Denn insoweit gelten die für Daten entwickelten Grundsätze entsprechend auch für Computerprogramme. Soweit eine Dekompilierung des Objektcodes in den Quellcode urheberrechtlich nach den § 69 e i.V.m. § 69 c Nr. 1 UrhG unzulässig ist – etwa wenn sich der Täter nicht an die durch den Lizenzvertrag und den Programmschutz gezogenen Grenzen hält - fehlt es an einer Datenbestimmung für den Täter mit der Folge, dass eine Strafbarkeit nach§ 202 a StGB– vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen – eröffnet ist (vgl. Bär a.a.O. Rn. 78; MüKoStGB/Graf StGB 4. Aufl. 2021 § 202a Rn. 34).
b) Die Daten waren auch gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert. Dies ist der Fall, wenn Vorkehrungen getroffen sind, den Zugriff auf Daten auszuschließen oder wenigstens nicht unerheblich zu erschweren. Das Erfordernis der besonderen Sicherung gegen unberechtigten Zugang zeigt die Schranke an, deren Überwindung kriminelles Unrecht begründet .Sie rechtfertigt sich, weil der Verfügungsberechtigte mit der Sicherung sein Interesse an der „Geheimhaltung“ - ähnlich wie in § 202 Abs. 2, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 - dokumentiert und - das ist in normativer Hinsicht ausschlaggebend - durch diese Wahrnehmung eines ohne Weiteres zumutbaren Selbstschutzes auch des zusätzlichen Strafrechtsschutzes würdig und bedürftig wird (vgl. BGH, Beschl. v. 13.05.2020 – 5 StR 614/19 – NStZ-RR 2020, 279 (280); Hilgendorf in: LK- StGB, 13. Aufl. 2023, § 202 a Rn. 18).
Im vorliegenden Fall war der Zugang durch Passwörter gesichert, deren Abrufen zudem nur nach einer Dekompilierung möglich war. Die Sicherung des Zugangs mittels Passwort reicht als Zugangssicherung aus (BGH, Beschl. v. 13.05.2020 – 5 StR 614/19 –, a.a.O.).
Bei einem Passwort handelt es sich um eine typische Software- Sicherung, die das Interesse an einer Zugangssicherung eindeutig dokumentiert. Maßgeblich ist, ob die Sicherung geeignet erscheint, einen wirksamen, wenn auch nicht absoluten Schutz zu erreichen. Erforderlich ist - nach der Gesetzesbegründung - dass die Überwindung dieser Sicherung einen nicht unerheblichen zeitlichen oder technischen Aufwand erfordert (vgl. BT- Drs. 16/3656). Dies wäre jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Aufhebung des Schutzes ohne weiteres möglich ist und durch jeden interessierten Laien leicht überwunden werden könnte. Vom Schutzbereich ausgenommen sind insbesondere auch Fälle, in denen das Opfer selbst nachlässig mit den eigenen Daten umgeht und eine sehr leicht ausschaltbare Sicherung wählt. Keine technischen Vorkehrungen wären folglich standardisierte Logins und Passwörter (zB Ziffernfolge 0000 bei allen Geräten), da hier zur Dokumentation der Geheimhaltung zunächst eine Änderung notwendig wäre (vgl. Eisele in: Schönke/Schröder, StGB 30. Aufl. 2019 § 202a Rn. 14; Kargl in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, 6. Auflage 2023, § 202a Rn. 42).
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts stellt das Auslesen des Passwortes nach Dekompilierung des Objektcodes in den Quellcode eine Überwindung einer besonderen Zugangssicherung im Sinne des § 202 a StGB auch dann dar, wenn sie mit für jedermann zugänglichen Tools erfolgt ist.
Soweit in den Gesetzesmaterialien von einer „Überwindung mit einem nicht unerheblichen zeitlichen oder technischen Aufwand“ die Rede ist, ist dies dahingehend zu verstehen, dass die Überwindung der Zugangssicherung typischerweise – also unabhängig von spezifischen Möglichkeiten oder Kenntnissen des konkreten Täters – einen nicht unerheblichen Aufwand erfordern muss. Auch wenn eine Zugangssicherung auf Grund besonderer Kenntnisse, Fähigkeiten oder Möglichkeiten schnell und ohne besonderen Aufwand überwunden wird, ist der Tatbestand erfüllt (BGH, Beschl. v. 13.05.2020 – 5 StR 614/19, a.a.O.).
Mit der Änderung des § 202a StGB durch das 41. StrÄndG im Jahre 2007 hat der Gesetzgeber unter Umsetzung des Übereinkommens des Europarates über Computerkriminalität aus dem Jahre 2001 und des entsprechenden Rahmenbeschlusses, u.a. das „Hacking“ unter Strafe gestellt. Maßgeblich ist seitdem bereits das Verschaffen von Zugang, nicht erst das Abrufen der Daten. Der Tatbestand soll damit den persönlichen- und Geheimbereich des Verfügungsberechtigten der Daten sichern, als auch seine wirtschaftlichen Interessen auf seine Daten vor unbefugtem Zugriff schützen (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 202a Rn. 2; Vassilaki in: CR 2008, 131). Der Umstand, dass bereits der Zugang - unabhängig von der Motivation mit der sich der Betreffende den Zugang verschafft - unter Strafe gestellt ist, zeigt, dass die Norm zudem auch dem Schutz der Integrität der Informationssysteme als solchen und nicht nur dem Datenschutz des Einzelnen dient. Dieser Schutzzweck wäre nicht gewährleistet, wenn die Strafbarkeit alleine an die Verwendung bestimmter Programme geknüpft wäre. Schließlich wäre eine Abgrenzung zwischen leicht und schwer zugänglichen Hilfsprogrammen zu unkonkret, um dem im Strafrecht gebotenen Bestimmtheitsgrundsatz gerecht zu werden.
Die Anforderungen an den notwendigen „nicht unerheblichen zeitlichen oder technischen Aufwand“ zur Überwindung der Sicherung (so BT-Drs. 16/3656 S. 10) dürfen daher zum Schutz technischer Laien und vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht zu hoch angesetzt werden. Der Zugangsschutz muss nicht vollständig sein. Es ist ein „weites Verständnis“ des Überwindens einer Zugangssicherung zugrunde zu legen, bei dem eine Orientierung am technischen Laien angezeigt ist. Denn auch dem technischen Laien muss die grundrechtlich garantierte Möglichkeit eingeräumt werden, geschützte formale Geheimbereiche zu schaffen. Auch dass der Gesetzgeber mit § 202 a StGB nur einen eingeschränkten Täterkreis erfassen wollte, ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus den Motiven. § 202 a StGB ist kein auf professionelle Angreifer beschränktes Sonderdelikt (vgl. Kargl in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger StGB a.a.O. Rn. 42; Schumann, NStZ 2007, 677).
Es ist auf die allgemeine Sicherung der Daten gegenüber dem Zugriff Unbefugter abzustellen, nicht darauf, ob Eingeweihte oder Experten leicht auf die Daten zugreifen können. Für das geschützte Rechtsgut ist es unerheblich, ob die Sicherung von Daten vor unberechtigtem Zugang schnell oder langsam, mit viel oder wenig Aufwand überwunden wird. Der Gesetzgeber wollte aus dem Tatbestand neben Bagatelltaten lediglich solche Fälle ausschließen, in denen die Durchbrechung des Schutzes für jedermann ohne weiteres möglich ist, nicht aber solche, in denen die Zugangssicherung auf Grund spezieller Kenntnisse oder Möglichkeiten im Einzelfall leicht überwunden wird. Nur eine solche abstrakt-generelle Betrachtungsweise lässt sich mit dem Schutzzweck der Norm vereinbaren (vgl. BGH, Beschl. v. 13.05.2020, a.a.O).
Ausgehend hiervon hat der Angeschuldigte eine Zugangssicherung überwunden, durch die der Verfügungsberechtigte erkennbar den Zugang zu den Daten verhindern wollte und dadurch die strafwürdige kriminelle Energie manifestiert. Dass dies für ihn einfach – und gegebenenfalls mit wenigen „Maus- Clicks“ möglich war - hindert eine Strafbarkeit nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 13.05.2020 a.a.O). Auch wenn er für die Dekompilierung frei zugängliche Programme verwendet hat, so setzt eine solche Vorgehensweise sowohl ein tieferes Verständnis über Programmiersprachen und Softwareentwicklung als auch ausgeprägte Kenntnisse im Bereich der Anwendungsentwicklung und die Fähigkeit zum sogenannten Reverse Engeneering der Softwareschnittstelle voraus. Die in Rede stehenden Daten waren – eine abstrakt generelle Betrachtungsweise zugrunde gelegt - für den Angeschuldigten aufgrund seiner Kenntnisse leicht abgreifbar, indes „typischerweise“ nicht für Jedermann ohne weiteres möglich.
c) Dazu war er nicht befugt im Sinne des § 202 a StGB, da die ausgespähten Daten nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmt waren (vgl. Fischer, StGB, a.a.O. Rn. 12).
2.Die Kammer hat die Sache zur erneuten Entscheidung über den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Köln vom 13.02.2023 an das Amtsgericht Jülich zurückverwiesen. Eine an sich gemäß § 309 Abs. 2 StPO gebotene Entscheidung in der Sache kann die Kammer nicht treffen, da für den Erlass des von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehls im Hinblick auf §§ 407 Abs. 1 Satz 1, 408 Abs. 1 StPO allein der Strafrichter zuständig ist (vgl. hierzu Löwe-Rosenberg/Gössel, StPO, 26. Aufl. 2009, § 408 Rn. 24 m.w.Nachw.). Auch eine Aufhebung des Beschlusses mit der Anweisung an den Strafrichter, den Strafbefehl antragsgemäß zu erlassen oder über den Antrag der Staatsanwaltschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts erneut zu entscheiden, ist nicht möglich, da damit in unzulässiger Weise in die Entschließungsfreiheit des Strafrichters eingegriffen würde (zutreffend Löwe-Rosenberg/Gössel, StPO, a.a.O. Rn. 24, 25; KK-StPO/Maur, 8. Aufl. 2019, § 408 Rn. 13; ohne nähere Begründung a.A. LG Landshut, Beschl. v. 20.10.2009 – 4 Qs 237/09, NStZ-RR 2010, 78 f.). Aus diesem Grund kann die Kammer – wie geschehen – den angegriffenen Beschluss lediglich aufheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückverweisen (vgl. LG Aachen, Beschl. v. 05.10.2020 – 60 Qs 43/20; LG Saarbrücken, Beschl. v. 17.10.2017 – 8 Qs 112/17, juris Rn. 6; Löwe-Rosenberg/Gössel, StPO, 26. Aufl. 2009, § 408 Rn. 25; KK-StPO/Maur, 8. Aufl. 2019, § 408 Rn. 13).
Das LG Bonn hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Gaffervideos im Internet eine
Hausdurchsuchung rechtfertigt.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht Bonn die Durchsuchung der Wohnung und der sonstigen Räume des Beschwerdeführers angeordnet, §§ 102, 105 StPO.
Gemäß § 102 StPO kann bei dem als Täter oder Teilnehmer einer Straftat Verdächtigen eine Durchsuchung dann angeordnet werden, wenn das Auffinden von Beweismitteln zu vermuten ist. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt daher der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG NJW 2007, 1443; 2007, 2749, 2751 m. w. N.; BGH NJW 2000, 84, 85).
Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben liegt ein Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen gemäß § 201 a StGB vor. Gemäß § 201 a Abs. 1 Nr. 2 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Die Hilflosigkeit muss durch die Abbildung zur Schau gestellt werden. Erforderlich ist, dass die Hilflosigkeit der Aufnahme selbst zu entnehmen ist. Daran fehlt es, wenn die Gefahrensituation für das Opfer selbst auf der Aufnahme nicht zu erkennen ist (BGH NStZ 2017, 408, Cornelius NJW 2017, 1893). Zudem muss die Hilflosigkeit objektiv in den Fokus gerückt und nicht lediglich völlig „untergeordnetes Beiwerk“ der Aufnahme sein. Darüber hinaus ist die Bestimmungsbefugnis der Person über Informationen ihres höchstpersönlichen Lebensbereichs als Teil des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Die auf den Bildaufnahmen abgebildete Person muss für Dritte nicht identifizierbar sein. Dies vorweg geschickt, verbreitete der Beschwerdeführer durch das Hochladen des Unfallvideos auf seinem X-Kanal die Bildaufnahmen an eine unbestimmte Anzahl Dritter. Wenngleich der Beschwerdeführer das Gesicht des Geschädigten verpixelt hatte, steht dies nach vorstehenden Ausführungen der Tatbestandserfüllung nicht entgegen. Denn durch die Bildaufnahmen der schweren Verletzung sowie der Bergung des Geschädigten, die mit einer Dauer von zwei Minuten den zentralen Teil des Videos einnehmen, stand der Geschädigte als Person im Fokus der Bildaufnahmen. Trotz der Verpixelung ist eine Identifizierung des Geschädigten – bspw. durch Familienangehörige oder sich selbst – ohne weiteres möglich.
Soweit der Beschwerdeführer sich auf die Voraussetzungen des § 201 a Abs. 4 StGB beruft, dringt er mit seinem Vorbringen nicht durch. Gemäß § 201 a Abs. 4 StGB gilt u.a. § 201 a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. Zu Recht hat das Amtsgericht Bonn ausgeführt, dass das auf dem X-Kanal des Beschwerdeführer gezeigte Video des Geschädigten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Tätigkeit als Pressevertreter gerecht wird, da der Kanal keinen journalistisch-redaktionellen Inhalt aufweist, da es sich um eine reine unbearbeitete Übermittlung und Aneinanderreihung von Informationen ohne redaktionelle Aufbereitung oder journalistischer Herangehensweise handelt. Es fehle insoweit an einer pressemäßigen „Vermittlungsleistung“. Diesen Ausführungen schließt das Beschwerdegericht sich vollumfänglich an. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob es sich um „Vorgänge des Zeitgeschehens“ – wie der Beschwerdeführer meint – handelt.
Die Durchsuchung war schließlich auch verhältnismäßig.
Durchsuchungen stellen regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen dar. Wohnungsdurchsuchungen sind stets ein tiefgreifender Grundrechtseingriff (vgl. BVerfG NJW 2006, 976). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist daher bei der Anordnung und Durchführung der Maßnahme besondere Beachtung zu schenken. Die Maßnahme muss in Hinblick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sowie gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein. Das ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen, die den Ermittlungszweck nicht gefährden. Schließlich muss der jeweilige Eingriff im angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachtes stehen (BVerfG NJW 2011, 2275; Beschl. v. 26.10.2011, 2 BvR 1774/10, Abs. 22 = BeckRS 2011, 56244; NJW 2008, 1937).
Die Durchsuchung war zur Auffindung von Beweismitteln geeignet. Es war anzunehmen, dass sich auf den aufzufindenden Datenträgern die vom Beschwerdeführer gefertigten Aufnahmen - auch im unbearbeiteten Zustand - befinden und diese als Beweismittel zur Überführung in einer Hauptverhandlung in Betracht kommen können. Die Durchsuchungsanordnung stand schließlich auch im angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachtes. Der Anordnung lag -wie gezeigt- ein begründeter Verdacht einer Strafbarkeit wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen nach § 201 a Abs. 1 Nr. 2 StGB zugrunde. Der Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer war - und ist es noch - hinreichend begründet und übersteigt deutlich das Maß an Verdachtsgründen für einen Anfangsverdacht. Ausweislich des gesamten Inhalts der Akte ergeben sich zahlreiche Anhaltspunkte, dass die Tat durch den Beschwerdeführer begangen wurde, wobei dieser dies ohnehin nicht abstreitet. Wenngleich hier das geringere Strafmaß zu berücksichtigen ist, ändert dies nichts an der Angemessenheit der Durchsuchung. Der Gesetzgeber unterscheidet in der Vorschrift des § 102 StPO gerade nicht zwischen einem Verbrechen und einem Vergehen. Vielmehr gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die durchzuführende Durchsuchung im Einklang mit den schutzbedürftigen Interessen des Beschwerdeführers und des Strafverfolgungsinteresse gebracht werden. Die so bezeichneten Interessen des Beschwerdeführers stehen dahinter zurück. Denn in der Abwägung zu berücksichtigen ist - neben dem starken Verdachtsgrad - auch, dass der Beschwerdeführer das Video durch die Veröffentlichung in seinem X-Kanal und Verbreitung im Internet einer unbegrenzten Anzahl von Personen zur Verfügung gestellt hat, der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Geschädigten sich vor diesem Hintergrund mithin als besonders schwerwiegend darstellt. Die dagegen abzuwägenden Grundrechte des Beschwerdeführers überwogen nicht derart, dass der Erlass des Beschlusses als unverhältnismäßig im engeren Sinne anzusehen ist."
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bezeichnung "Trulla" keine Schmähkritik bzw. Formalbeleidigung ist, welche eine Verurteilung wegen Beleidigung ohne eine konkrete Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht rechtfertigt.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, auch in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer begründenden Weise offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung greift in dessen Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>; stRspr). Die strafrechtliche Sanktionierung knüpft an diese dementsprechend in den Schutzbereich fallende und als Werturteil zu qualifizierende Äußerung an und greift damit in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ein.
b) Dieser Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist mit der vom Amtsgericht gegebenen und vom Landgericht übernommenen Begründung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Strafgerichte haben die Meinungsfreiheit schon gar nicht als einschlägig erkannt; jedenfalls aber den Eingriff nicht gerechtfertigt.
aa) Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>), auf den sich die angegriffenen Entscheidungen stützen.
(1) Bei Anwendung dieser Strafnorm auf Äußerungen im konkreten Fall verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2732/15 -, Rn. 12 f.). Darauf aufbauend erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 85, 1 <16>; 93, 266 <293>; stRspr). Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde eines anderen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 85, 1 <16>; 90, 241 <248>; 93, 266 <293 f.>; 99, 185 <196>; stRspr). Dabei handelt es sich um verschiedene Fallkonstellationen, an die jeweils strenge Kriterien anzulegen sind.
(a) Insbesondere folgt der Charakter einer Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik nicht schon aus einem besonderen Gewicht der Ehrbeeinträchtigung als solcher und ist damit nicht ein bloßer Steigerungsbegriff. Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert (vgl. BVerfGE 82, 272 <283>). Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung vielmehr erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2019 - 1 BvR 2433/17 -‚ Rn. 18). Zu beachten ist hierbei, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch grundlos, pointiert, polemisch und überspitzt geäußert werden darf; die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>) oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2019 - 1 BvR 2433/17 -, Rn. 18).
Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinn ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. September 2012 - 1 BvR 2979/10 -, Rn. 30).
Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich als (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhaltes dient. Dann geht es dem Äußernden nicht allein darum, den Betroffenen als solchen zu diffamieren, sondern es stellt sich die Äußerung als Teil einer anlassbezogenen Auseinandersetzung dar. Gerade darin unterscheiden sich diese Fälle von den Fällen der Privatfehde oder von den Fällen, in denen es sonst – insbesondere im Internet – bezugslos allein um die Verächtlichmachung von Personen geht. Demnach sind Herabsetzungen in der Ehre, auch wenn sie besonders krass und drastisch sind, nicht als Schmähung anzusehen, wenn sie ihren Bezug noch in sachlichen Auseinandersetzungen haben. Dass die Einordnung ehrkränkender Äußerungen als Schmähung eine eng zu handhabende Ausnahme bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 - 1 BvR 2973/14 -, Rn. 14), entspricht dem Grundsatz des Ausgleichs von Grundrechten durch Abwägung. Für den Normalfall ist danach sicherzustellen, dass eine Verurteilung wegen Beleidigung nicht ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und nicht ohne Blick auf seine grundrechtliche Dimension zustande kommt.
(b) Die eine Abwägung entbehrlich machende und damit die Meinungsfreiheit verdrängende Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik gebietet es, diese Einordnung klar kenntlich zu machen und sie in einer auf die konkreten Umstände des Falles bezogenen, gehaltvollen und verfassungsrechtlich tragfähigen Weise zu begründen (vgl. BVerfGE 61, 1 <12>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, Rn. 18). Diese Begründung darf sich bei der Schmähkritik nicht in der bloßen Behauptung erschöpfen, für den Äußernden habe die Diffamierung der Person im Vordergrund gestanden. Vielmehr sind die für diese Beurteilung maßgebenden Gründe unter Auseinandersetzung mit objektiv feststellbaren Umständen des Falles nachvollziehbar darzulegen. Insbesondere muss das Gericht deutlich machen, warum aus seiner Sicht ein gegebenenfalls vorhandenes sachliches Anliegen des Äußernden in der konkreten Situation derart vollständig in den Hintergrund tritt, dass sich die Äußerung in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Im Übrigen schließt die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer Schmähung eine – hilfsweise – Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz der Persönlichkeit nach den konkreten Umständen des Falles nicht aus. Ein solches Vorgehen bietet sich vielmehr in den vielfach nicht eindeutig gelagerten Grenzfällen an (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 25).
(c) Hält ein Gericht eine Äußerung ohne hinreichende Begründung für eine Schmähung, ohne hilfsweise eine konkrete Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen zu haben, so liegt darin ein verfassungsrechtlich erheblicher Fehler, der zur Aufhebung der Entscheidung führt, wenn diese darauf beruht (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfGK 8, 89 <98>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2019 - 1 BvR 19543/17 -, Rn. 12).
(2) Liegt keine eng umgrenzte Ausnahmekonstellation vor, die eine Abwägung entbehrlich macht, so begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit. Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings – wie es der Normalfall für den Ausgleich von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ist – eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere die Begriffe der „Beleidigung“ und der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“, anknüpft (vgl. BVerfGE 12, 113 <124 ff.>; 90, 241 <248>; 93, 266 <290 f.>). Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte.
Das Ergebnis der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>; stRspr). Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es lediglich zu überprüfen, ob die Fachgerichte dabei Bedeutung und Tragweite der durch die strafrechtliche Sanktion betroffenen Meinungsfreiheit ausreichend berücksichtigt und innerhalb des ihnen zustehenden Wertungsrahmens die jeweils für den Fall erheblichen Abwägungsgesichtspunkte identifiziert und ausreichend in Rechnung gestellt haben. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (siehe näher dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 1094/19 -, Rn. 21 ff.).
bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht in jeder Hinsicht.
(1) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die von Amts- und Landgericht bejahte Einordnung der Äußerung als ehrkränkend. Schon in diesem Rahmen ist der interpretationsleitende Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu beachten. Bei Äußerungsdelikten können zum einen die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts enthalten, wenn der Sinn der Äußerung nicht zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 93, 266 <295 f.>; 94, 1 <9>). Zum anderen darf bei der Prüfung, ob eine Äußerung ehrverletzend ist, der Begriff der Ehrverletzung nicht so weit ausgedehnt werden, dass für die Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein Raum mehr bleibt (vgl. BVerfGE 43, 130 <139>; 71, 162 <181>). Dass die angegriffenen Entscheidungen die Bezeichnung der Zeugin als „Trulla“ in dem situativen Kontext der Äußerung als ehrverletzend angesehen haben, hält sich im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Das Amtsgericht hat gesehen, dass die Äußerung auch in einem nicht ehrverletzenden Sinn verstanden werden könnte, eine solche Deutung aber mit verfassungsrechtlich tragfähigen Gründen in der konkreten Situation ausgeschlossen.
(2) Demgegenüber fehlt es der Entscheidung an einer Abwägung des Persönlichkeitsrechts mit der Meinungsfreiheit unter Würdigung der konkreten Umstände des Falles und hierbei der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Das Amtsgericht scheint – vom Landgericht nicht beanstandet – vom Vorliegen einer Schmähkritik auszugehen, die eine Abwägung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen, entbehrlich macht. Dass und aus welchen Gründen dies hier der Fall sein könnte, legt es indes nicht nachvollziehbar dar. Für das Vorliegen des Sonderfalls einer Schmähung ist auch in der Sache nichts ersichtlich. Erst recht scheint das Absehen von einer Abwägung unter dem Gesichtspunkt der Formalbeleidigung hier fernliegend.ie Feststellungen des Amtsgerichts zu Anlass und Kontext der inkriminierten Äußerung tragen nicht die Annahme, dass die – zwar ehrkränkende – Äußerung des Beschwerdeführers losgelöst von einem nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung allein auf eine persönliche Kränkung und die grundlose Verächtlichmachung der Person der Zeugin abzielte. Aus ihnen ergibt sich vielmehr, dass es dem Beschwerdeführer, der nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts gegenüber der Zeugin weder vor noch nach dieser Begebenheit jemals beleidigend aufgetreten ist, auch – wenn nicht sogar in erster Linie – darum ging, die rechtzeitige Buchung des für seinen Einkauf verwendbaren Geldes zu veranlassen, damit bereits abgesetzte Bestellungen ausgeführt werden könnten, so dass er nicht bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit zuwarten müsste. Nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Beschwerdeführer einschlägige Erfahrungen mit diesem Missstand. Er hatte die Zeugin eigens aufgesucht, um auf diesen aufmerksam zu machen, und war aufgrund der Befürchtung, die bestellten Lebensmittel nicht zu erhalten, bereits in aufgeregter Stimmung bei ihr eingetroffen. Aufgrund seines Eindrucks, bei der Zeugin mit seinem Anliegen nicht durchzudringen, wurde er wütend. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Äußerung noch als Teil einer sach- und anlassbezogenen Auseinandersetzung dar. Sie ist zugleich Ausdruck einer – wenngleich nicht vollständig gelungenen – emotionalen Verarbeitung der als unmittelbar belastend wahrgenommenen Situation: Der sicherungsverwahrte Beschwerdeführer war für den Einkauf privater Güter und Lebensmittel auf die Buchung des Geldes angewiesen und sah sich konkret mit den Folgen des Wegfalls eben dieser Einkaufsmöglichkeit konfrontiert. Aus seiner Sicht bestand zunächst Hoffnung, dass die über den Missstand informierte Zeugin den Eintritt der Nachteile verhindern könnte. Das schließt die Annahme einer Schmähkritik aus, weshalb unter näherer Würdigung der Umstände der Äußerung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten erforderlich gewesen wäre.
(3) Die fehlende Abwägung wurde nicht durch das Landgericht in dem Beschluss nachgeholt, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen wurde. Ebenfalls ohne die Meinungsfreiheit zu erwähnen oder das Vorliegen einer Schmähkritik zu begründen, beschränken sich dessen Ausführungen darauf, dass das Urteil des Amtsgerichts sachlich-rechtlich richtig sei und die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung zum Nachteil der Zeugin trage. Mit den konkreten Umständen der Äußerung, insbesondere dem Anlass des Gesprächs sowie der situativ bedingten emotionalen Anspannung des Beschwerdeführers, setzt sich das Landgericht nicht auseinander.
cc) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler. Das ist schon dann der Fall, wenn das Bundesverfassungsgericht – wie hier – jedenfalls nicht auszuschließen vermag, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung im Rahmen einer Abwägung, die regelmäßig bei der Prüfung des – vor jeder Verurteilung nach § 185 StGB zu beachtenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 1998 - 1 BvR 590/96 -, Rn. 23) – § 193 StGB vorzunehmen ist (vgl. BVerfGK 1, 289 <291>), zu einer anderen Entscheidung kommen wird.
dd) Es ist dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich verwehrt, die gebotene Abwägung selbst vorzunehmen (vgl. BVerfGK 1, 289 <292>), da sie Aufgabe der Fachgerichte ist, denen dabei ein Wertungsrahmen zukommt. Daher ist mit der Feststellung, dass die angefochtenen Entscheidungen die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers verkennen, keine Aussage darüber verbunden, ob die inkriminierte Aussage im konkreten Kontext gemäß § 185 StGB strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 - 1 BvR 2973/14 -, Rn. 18).
Das OLG Köln hat entschieden, das sich ein Fotojournalist wegen des unbefugten Verbreitens eines Bildnisses nach §§ 33 Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) strafbar macht, wenn dieser ein ohne Zustimmung des abgebildeten angeblichen Ebola-Patienten erstelltes Foto an ein Redaktion weitergibt und nicht verhindert, dass das Foto unverpixelt veröffentlicht wird.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Strafbarkeit eines Fotojournalisten wegen der Veröffentlichung eines Bildes - vermeintlicher Ebola-Patient
Ein Fotojournalist kann sich strafbar machen, wenn er Fotos eines Krankenhauspatienten gegen dessen Willen fertigt und an eine Redaktion weitergibt, ohne auf eine Unkenntlichmachung der Bilder hinzuwirken.
In dem vom 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln entschiedenen Fall arbeitete ein Fotojournalist an einer Fernsehdokumentation über Ebola. Er bemerkte im Klinikum Aachen einen dunkelhäutigen Patienten, der von Mitarbeitern des Klinikums mit Mundschutz und Handschuhen versorgt und aufgefordert wurde, von den anderen Patienten Abstand zu halten. Der Journalist schnappte außerdem u.a. das Wort „Ebola“ auf. Daraufhin fertigte er ungefragt Fotos des Patienten und folgte diesem mit seinem Fotohandy ins Behandlungszimmer. Obwohl der Patient erklärte,
dass er keine Fotos von sich wolle, obwohl die behandelnde Ärztin den Journalisten bat, die Fotos zu löschen und obwohl die Ärztin ihm mitteilte, dass sich der Ebola-Verdachtsfall nicht bestätigt habe, konnte weder diese noch die hinzugerufene Polizei den Journalisten zum Löschen der Bilder bewegen. Vielmehr bot er die Fotos zusammen mit einer inhaltlichen Information über die Vorkommnisse im Klinikum mehreren Redaktionen an. Eine Redaktion übernahm die Fotos. Dabei wurde nicht darüber gesprochen, ob der fotografierte Patient unkenntlich zu machen sei. In der Onlineausgabe der Zeitung erschien daraufhin ein ungepixeltes Foto des Patienten mit Mundschutz und Handschuhen und der Bezeichnung als „Ebola-Verdächtiger“. In der Printausgabe erschienen
Bilder, bei denen der Patient teilweise unkenntlich gemacht worden war.
Das Amtsgericht hatte den Journalisten wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt. Auf die Berufung der Staatsawaltschaft hat das Landgericht Aachen die Strafe auf 40 Tagessätze erhöht.
Die Revision des Journalisten gegen seine Verurteilung blieb ohne Erfolg.
Der 1. Strafsenat bestätigte die Verurteilung wegen unbefugten Verbeitens eines Bildnisses gem. §§ 33 Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG). Nach dieser Vorschrift ist es strafbar,
Bilder ohne Einwilligung des Betroffenen zu verbreiten. Bilder aus dem Bereich der Zeitgeschichte dürfen nur verbreitet werden, wenn dadurch kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.
Der Senat hat ausgeführt, dass die Berichterstattung über den Umgang mit Ebolaverdachtsfällen zwar der Zeitgeschichte zugeordnet werden könne. Die Weitergabe der Bilddatei ohne jegliche Verfremdung bzw. Unkenntlichmachung sei aber eine massive Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten. Dieser sei in einer plakativen und zugleich entwürdigenden Weise als vermeintlich an Ebola Erkrankter dargestellt und für jedermann zu erkennen gewesen.
Auch unter Berücksichtigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an den Vorgängen im Klinikum handele es sich bei dem Vorgang um strafbares Unrecht, das nicht von der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit gedeckt gewesen sei. Für dieses Unrecht sei auch der Angeklagte strafrechtlich verantwortlich. Er habe bereits durch die Weitergabe des ungepixelten Bildes an die Redaktion den Straftatbestand verwirklicht. Wenn der Journalist selbst nicht in der Lage gewesen sein sollte, den Patienten auf dem Foto unkenntlich zu machen, hätte er jedenfalls nachhaltig und unmissverständlich auf die Unkenntlichmachung bzw. Verfremdung hinwirken müssen. Es entspreche nicht allgemeiner Handhabung, dass die Prüfung der rechtlichen Belange Betroffener im Zusammenhang mit Veröffentlichungen allein den Redaktionen obliege und ausschließlich dort stattfinde. Der Journalist sei als Veranlasser der Veröffentlichung und als Anbieter der Information allein in der Lage gewesen, die Umstände der Fertigung der Fotos zu beurteilen. Nur er habe gewusst, dass der Patient dem Foto widersprochen hatte. Daher sei die Weitergabe des Fotos kein rein presseinterner Vorgang gewesen, der das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nur geringfügig beeinträchtige. Straferschwerend sei zu berücksichtigen, dass das Bild später unverpixelt
in der Online-Ausgabe und nur unzureichend verpixelt in der PrintAusgabe veröffentlicht worden sei.
Damit sollen die neuen Straftatbestände des Sportwettbetrugs und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben eingeführt werden und so korruptive Manipulationsabsprachen bei Sportwettbewerben unter Strafe stellen. Zudem soll die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung in derartigen Fällen geschaffen werden.
Aus der Gesetzesbegründung:
"A. Problem und Ziel
Sportwettbetrug und Manipulationen von berufssportlichen Wettbewerben beeinträchtigen die Integrität des Sports und schädigen in betrügerischer Weise das Vermögen anderer. Sie untergraben die Glaubwürdigkeit und Authentizität des sportlichen Kräftemessens und gefährden dadurch den Sport in seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz.
Die herausragende gesellschaftliche Rolle des Sports, seine große wirtschaftliche Bedeutung sowie die mit ihm verbundenen Vermögensinteressen machen es erforderlich, den Gefahren, die von Sportwettbetrug und Manipulationen von berufssportlichen Wettbewerben für die Integrität des Sports und das Vermögen anderer ausgehen, auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Eine strafrechtliche Verfolgung von Sportwettbetrug ist nach geltendem Recht nur unzureichend
möglich. Der allein auf den Schutz fremder Vermögensinteressen ausgerichtete Betrugstatbestand (§ 263 des Strafgesetzbuches – StGB) bildet den Unrechtsgehalt des Wettbetrugs im Sport und dessen Gefahren für den Sport nicht ausreichend ab. Er hat zudem die Strafverfolgungspraxis vor Anwendungs- und Nachweisschwierigkeiten gestellt, die eine effektive Strafverfolgung erschweren. Auf die Manipulation sportlicher Wettbewerbe ohne Bezug zu Sportwetten ist der Betrugstatbestand grundsätzlich nicht anwendbar. Auch der Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) greift bei korruptiver Beeinflussung von sportlichen Wettbewerben grundsätzlich nicht.
Damit bestehen bei der strafrechtlichen Bekämpfung von Sportwettbetrug und Manipulationen von berufssportlichen Wettbewerben Lücken, die durch den vorliegenden Gesetzentwurf geschlossen werden sollen.
B. Lösung
Der Gesetzentwurf sieht die Einführung der Straftatbestände des Sportwettbetrugs und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben vor. Beide Straftatbestände erfassen (zumindest intendierte) korruptive Manipulationsabsprachen bei Sportwettbewerben. Während der Straftatbestand des Sportwettbetrugs (§ 265c StGB in der Entwurfsfassung
(StGB-E)) Manipulationsabsprachen bei Wettbewerben erfasst, auf die eine Sportwette gesetzt werden soll, gilt der Straftatbestand der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (§ 265d StGB-E) für Manipulationsabsprachen bei hochklassigen Wettbewerben mit berufssportlichem Charakter. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf für beide
Straftatbestände die Einführung von Regelbeispielen für besonders schwere Fälle (§ 265e StGB-E) und die Anwendbarkeit des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB) unter den in § 265f StGB-E genannten Voraussetzungen vor. Durch den Gesetzentwurf soll zudem für die Straftatbestände des Sportwettbetrugs und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 StGB-E geregelten Voraussetzungen eine Befugnis zur Überwachung der Telekommunikation geschaffen werden. "
"Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung wegen unerlaubten Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen durch den Vertrieb nikotinhaltiger Verbrauchsstoffe für elektronische Zigaretten
Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind, zu einer Geldstrafe verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts vertrieb der Angeklagte seit Ende des Jahres 2008 elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) und die dazugehörigen Verbrauchsstoffe (Liquids), die er über Zwischenhändler aus China und den Niederlanden bezog. Im Februar 2012 wurden bei dem Angeklagten etwa 15.000 nikotinhaltige Liquids sichergestellt, die zum Verkauf bestimmt waren. Das Landgericht hat die von dem Angeklagten vertriebenen Verbrauchsstoffe für E-Zigaretten als Tabakprodukte im Sinne des § 3 Abs. 1 Vorläufiges Tabakgesetz (VTabakG) eingestuft. Da der Angeklagte über keine Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen verfügte und die sichergestellten Liquids die Stoffe Glycerin, Propylenglycol und Ethanol enthielten, die für die Herstellung von Tabakerzeugnissen nicht (allgemein) zugelassen sind, hat das Landgericht den Straftatbestand des § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG als erfüllt angesehen.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main ist damit rechtskräftig. Nach der Entscheidung des Senats stellen die angebotenen Verbrauchsstoffe zwar keine Arzneimittel dar, weil sie unabhängig von einem therapeutischen Nutzen für die Rauchentwöhnung gesundheitsschädlich sind und der Angeklagte die Verbrauchsstoffe auch nicht als Mittel zur Rauchentwöhnung vertrieben hat. Bei den Verbrauchsstoffen, die aus Rohtabak gewonnenes Nikotin in unterschiedlichen Konzentrationen enthielten, handelt es sich jedoch um Tabakerzeugnisse zum anderweitigen oralen Gebrauch (§ 3 Abs. 1 VTabakG).
Nach Ansicht des 2. Strafsenats ist die Strafvorschrift des § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG verfassungskonform. Der Straftatbestand ist im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG hinreichend bestimmt. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) wird durch den gesetzgeberischen Zweck, die Gesundheit der Verbraucher zu schützen und einen Fehlgebrauch durch Minderjährige zu verhindern, gerechtfertigt. Damit bestehen zugleich sachliche Gründe für eine im Vergleich zu Tabakzigaretten abweichende rechtliche Behandlung von Verbrauchsstoffen, die zur Verwendung in E-Zigaretten bestimmt sind. Der Straftatbestand verstößt daher auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Vorinstanzen:
Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 17. Juni 2013 - 5/26 KLs 13/12 8920 Js 236334/11 (StA Frankfurt am Main)
Tabakerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes sind aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind.
1. bei dem gewerbsmäßigen Herstellen von Tabakerzeugnissen, die dazu bestimmt sind, in den Verkehr gebracht zu werden, Stoffe zu verwenden, die nicht zugelassen sind;
2. Tabakerzeugnisse gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, die entgegen dem Verbot der Nummer 1 hergestellt sind oder einer nach Absatz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchstabe a erlassenen Rechtsverordnung nicht entsprechen;
Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates,
1. soweit es zum Schutz des Verbrauchers oder im Falle des Buchstabens f auch Dritter vor Gesundheitsschäden erforderlich ist,
[...]
g) das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind, zu verbieten [...]
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer [...]
Absatz 2:
Ebenso wird bestraft, wer
1. entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 bei dem Herstellen von Tabakerzeugnissen nicht zugelassene Stoffe verwendet, einer nach § 20 Abs. 3 oder einer nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis c oder g oder nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b oder c erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, oder Tabakerzeugnisse entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 oder § 21 Abs. 2 oder Stoffe entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 3 in den Verkehr bringt [...]
Polizei und Staatsanwaltschaft Göttingen sind erfolgreich gegen Betreiber von Fake-Shops im Internet vorgegangen und haben auch eine List der genutzten Domains veröffentlicht. Die Täter hatten diverse Online-Shops eingerichtet und nach Vorkasse nie geliefert.
Aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Göttingen:
"Die Beschuldigten hatten seit Ende 2012 Onlineshops ins Internet gestellt, in denen sie neben hochwertigen Kaffeevollautomaten, Elektronikartikeln und Motorrollern zuletzt auch Spielekonsolen und Smartphones zu scheinbar konkurrenzlos günstigen Preisen anboten. Erst nach Aufgabe der Bestellung erfuhren die Kunden, dass sie zunächst in Vorleistung treten müssten, bevor eine Lieferung möglich sei. Es sind mindestens 663 Überweisungen von Geschädigten bekannt geworden, nicht selten über mehrere Hundert Euro. Die Ware wurde in keinem einzigen Fall geliefert."
Aus der Pressemitteilung der Polizeidirektion Göttingen:
"Ermittlungserfolg gegen Betreiber betrügerischer Onlineshops
Wie aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 06.08.2015 entnommen werden kann, führte die Zentrale Kriminalinspektion der Polizeidirektion Göttingen in Zusammenarbeit mit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Internet- und Computerkriminalität in Göttingen ein Umfangverfahren wegen gewerbsmäßigen Betrugs gegen zwei Betreiber so genannter Online-Fakeshops. Die Täter wurden am 14.04.2015 in Berlin festgenommen und befanden sich zunächst in Untersuchungshaft, bevor beide ein Geständnis zum jeweiligen Tatvorwurf ablegten. Im gesamten Ermittlungszeitraum konnten insgesamt 26 Domains festgestellt werden, die einzelnen Fakeshops zuzuordnen sind.
Weiterführende Ermittlungen und Auswertungen haben ergeben, dass längst nicht alle Taten durch die Geschädigten bei der Polizei angezeigt worden sind. Geschädigte Kunden, die bisher noch keine Anzeige erstattet haben, werden durch die ZKI der PD Göttingen ermutigt bzw. aufgefordert, dies auch bei länger zurückliegenden Geschehen noch nachzuholen! Entsprechende Strafanzeigen nimmt jede Polizeidienststelle im Bundesgebiet entgegen."
Heimliche Video- und Fotoaufnahmen sind unzulässig und auch strafbar. Dies gilt umso mehr, wenn ein Gynäkologe diese von seinen Patientinnen anfertigt. Neben strafrechtlicher Verfolgung, die Gegenstand der BGH-Entscheidung war, haben Opfer die Möglichkeit Schmerzensgeld und Unterlassung zu verlangen.
Die Pressemitteilung des BGH:
"Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung eines Gynäkologen wegen heimlicher Foto- und
Videoaufnahmen von Patientinnen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision eines Frauenarztes verworfen, der vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) u.a. wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in 1.467 Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war. Zudem wurde dem Arzt ein Berufsverbot hinsichtlich gynäkologischer Behandlungen für die Dauer von vier Jahren auferlegt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts fotografierte oder filmte der Angeklagte in den Jahren 2008 bis Mitte 2011 im Behandlungszimmer seiner Praxis im Rahmen seiner Tätigkeit als niedergelassener Frauenarzt in einer Vielzahl von Fällen heimlich die gynäkologische Untersuchung seiner Patientinnen, ohne dass für eine bildliche Dokumentation der Untersuchung eine medizinische Notwendigkeit bestand. In drei Fällen führte er zudem medizinisch nicht erforderliche gynäkologische Untersuchungen an Patientinnen durch, wobei er hiervon ebenfalls heimlich Lichtbild- oder Videoaufnahmen fertigte. Die Lichtbildaufnahmen und Videos speicherte und katalogisierte er anschließend auf verschiedenen Datenträgern.
Gegen das Urteil hatten sowohl der Angeklagte als auch zwei seiner Patientinnen als Nebenklägerinnen Revision eingelegt. Der 4. Strafsenat hat die Rechtsmittel verworfen, weil die Überprüfung des Urteils weder Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten noch zu seinen Lasten ergeben hat.
LG Frankenthal (Pfalz) – Urteil vom 11. November 2013 – 5221 Js 25913/11.6 KLs
Karlsruhe, den 17. März 2015
§ 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) lautet in Auszügen:
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt"
"OSNABRÜCK. Das Urteil der 10. Großen Strafkammer in dem „Ping"-Verfahren ist seit heute rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat mit Urteil vom 27. März die Revisionen der Osnabrücker Staatsanwaltschaft und der drei Angeklagten verworfen und das Urteil des Landgerichts in vollem Umfang bestätigt. Die Nachprüfung der Entscheidung habe keine Rechtsfehler ergeben, so der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Aktenzeichen 3 StR 342/13. Damit ist das Strafverfahren abgeschlossen.
Die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück hatte am 06.03.2013 die beiden Hauptangeklagten wegen Betruges jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Als Bewährungsauflage ist eine Summe von 2.000,- € an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Gegen die angeklagte Gehilfin ist eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15,- € verhängt worden.
Nach der umfassenden Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Landgerichts fest, dass die drei Angeklagten mindestens 785.000 Mobiltelefonnummern mittels Computer so kurz angewählt hatten, dass die Angerufenen keine Möglichkeit hatten, das Gespräch anzunehmen. Zahlreiche Angerufene (u. a. ein Polizeibeamter aus Bersenbrück, dessen Strafanzeige zur Einleitung der Ermittlungen führte) riefen deshalb die Nummer zurück, ohne zu wissen, dass es sich um eine teure, nutzlose Mehrwertdienstnummer handelte.
Der Bundesgerichtshof hat die rechtliche Würdigung des Landgerichts mit der heutigen Entscheidung bestätigt. Das Vorgehen der Angeklagten stellt einen vollendeten Betrug dar. Das für eine Täuschung erforderliche ernsthafte Kommunikationsanliegen liegt darin, dass alle vernommenen Geschädigten bestätigt hatten, dass sie von einem Anruf eines Bekannten ausgegangen seien und nur deswegen zurückgerufen hätten. Es liegt auch ein stoffgleicher Schaden vor, weil ein Teilbetrag der von den Telekommunikationsanbietern eingezogenen Gelder an die Angeklagten fließen sollte. Mindestens 660.000 Telefonate wurden mit 0,98 € berechnet, so dass den Anrufern ein Schaden in Höhe von 645.000 € entstand. Selbst wenn man einen Abschlag von 20 % vornähme, weil möglicherweise nicht alle Geschädigten die Rechnungen der Telekommunikationsanbieter bezahlt haben, beläuft sich der Gesamtschaden auf mindestens 516.000,- €. Nur aufgrund der Aufmerksamkeit der Bundesnetzagentur war den drei Angeklagten kein Geld ausgezahlt worden."
Der BGH hat völlig zu Recht entschieden, dass das Betreiben von Abo-Fallen im Internet als Betrug bzw. versuchter Betrug strafbar ist.
Die Pressemitteilung des BGH:
"Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung wegen versuchten Betruges durch Betreiben so genannter
"Abo-Fallen" im Internet
Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund überlanger Verfahrensdauer hat es angeordnet, dass vier Monate der verhängten Strafe als vollstreckt gelten.
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte verschiedene kostenpflichtige Internetseiten, die jeweils ein nahezu identisches Erscheinungsbild aufwiesen, unter anderem einen sogenannten Routenplaner. Die Inanspruchnahme des Routenplaners setzte voraus, dass der Nutzer zuvor seinen Vor- und Zunamen nebst Anschrift und E-Mail-Adresse sowie sein Geburtsdatum eingab. Aufgrund der vom Angeklagten gezielt mit dieser Absicht vorgenommenen Gestaltung der Seite war für flüchtige Leser nur schwer erkennbar, dass es sich um ein kostenpflichtiges Angebot handelte. Die Betätigung der Schaltfläche "Route berechnen" führte nach einem am unteren Seitenrand am Ende eines mehrzeiligen Textes klein abgedruckten Hinweis zum Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements, das dem Nutzer zum Preis von 59,95 € eine dreimonatige Zugangsmöglichkeit zu dem Routenplaner gewährte. Dieser Fußnotentext konnte in Abhängigkeit von der Größe des Monitors und der verwendeten Bildschirmauflösung erst nach vorherigem "Scrollen" wahrgenommen werden.
Nach Ablauf der Widerrufsfrist erhielten die Nutzer zunächst eine Zahlungsaufforderung. An diejenigen, die nicht gezahlt hatten, versandte der Angeklagte Zahlungserinnerungen; einige Nutzer erhielten zudem Schreiben von Rechtsanwälten, in denen ihnen für den Fall, dass sie nicht zahlten, mit einem Eintrag bei der "SCHUFA" gedroht wurde.
Das Landgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf die einmalige Gestaltung der Seite nur wegen einer Tat und im Hinblick darauf, dass die Ursächlichkeit der Handlung für einen konkreten Irrtum eines Kunden nicht nachgewiesen sei, nur wegen versuchten Betrugs verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision gewandt. Er hat vor allem beanstandet, dass unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben eine Täuschungshandlung nicht vorliege und im Übrigen den Nutzern auch kein Vermögensschaden entstanden sei.
Der 2. Strafsenat hat das Rechtsmittel verworfen. Er hat ausgeführt, dass durch die auf Täuschung abzielende Gestaltung der Internetseite die Kostenpflichtigkeit der angebotenen Leistung gezielt verschleiert worden sei. Dies stelle eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB dar. Die Erkennbarkeit der Täuschung bei sorgfältiger Lektüre schließe die Strafbarkeit nicht aus, denn die Handlung sei gerade im Hinblick darauf unternommen worden, die bei einem – wenn auch nur geringeren - Teil der Benutzer vorhandene Unaufmerksamkeit oder Unerfahrenheit auszunutzen.
Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken). Die Richtlinie führe jedenfalls hier nicht zu einer Einschränkung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes.
Auch ein Vermögensschaden sei gegeben. Dieser liege in der Belastung mit einer bestehenden oder auch nur scheinbaren Verbindlichkeit, da die Gegenleistung in Form einer dreimonatigen Nutzungsmöglichkeit für den Nutzer praktisch wertlos sei.
Der BGH hat entschieden, dass (unberechtigte) anwaltliche Mahnschreiben an Kunden
als versuchte Nötigung strafbar sein können. Vorliegend ging es um sog. Gewinnspieleintragungsdiensten.
Die Pressemitteilung des BGH:
"Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung wegen (versuchter) Nötigung durch ein anwaltliches Mahnschreiben
Das Landgericht Essen hat den Angeklagten, einen Volljuristen, u.a. wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Gegenstand des Verfahrens sind anwaltliche Mahnschreiben an die Kunden von sog. Gewinnspieleintragungsdiensten. Diesen war über Callcenter angeboten worden, sie gegen einen Teilnehmerbeitrag in Gewinnspiele einzutragen. Dies geschah aber nicht. Nachdem es bei Einzug der Teilnehmerbeträge mittels Lastschrifteinzug immer häufiger zu Rücklastschriften kam, entschloss sich der gesondert verurteilte Verantwortliche des Gewinnspieleintragungsdienstes, die Kunden mittels eines "Inkassoanwalts" zu mahnen, um so auf sie Druck auszuüben und dadurch zur Zahlung der unberechtigten Forderungen zu veranlassen.
Er konnte den Angeklagten als "Inkassoanwalt" gewinnen und beauftragte ihn im weiteren Verlauf mit der Erstellung von mehreren Entwürfen für Mahnschreiben. Dass der Angeklagte bei deren Erstellung Kenntnis von der fehlenden Eintragung der Kunden in die Gewinnspiele hatte, konnte das Landgericht nicht feststellen.
Die entsprechend den Entwürfen hergestellten Mahnschreiben erweckten den Anschein, der Angeklagte habe die Forderungen aus den Gewinnspieleintragungen geprüft. Tatsächlich wurden die Namen der Empfänger vom Verantwortlichen des Gewinnspieleintragungsdienstes selbst eingesetzt. Der Angeklagte kümmerte sich weder darum, an wen die Briefe versandt wurden, noch darum, ob der Gewinnspieleintragungsdienst tatsächlich eine Forderung gegen den jeweiligen Empfänger des Schreibens hatte.
Im Gegensatz dazu behauptete der Angeklagte in den Mahnschreiben, er sei mit der Durchsetzung der berechtigten Forderungen gegen den jeweiligen Empfänger beauftragt worden und werde dies auch konsequent tun. Seine Mandantin behalte sich vor, bei nicht fristgerechter Zahlung den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung wegen des Verdachts des Betruges vorzulegen. Tatsächlich war zwischen dem Auftraggeber und dem Angeklagten vereinbart worden, dass keinesfalls eine gerichtliche Geltendmachung der Forderungen, geschweige denn die Erstattung von Strafanzeigen erfolgen sollte. Vielmehr sollten bei Beschwerden oder "Kündigungen" seitens der Kunden diesen ohne weitere Prüfung stets sämtliche etwa bereits geleistete Zahlungen zurückerstattet werden.
Aufgrund der Mahnaktionen gingen fast 860.000 € ein, von denen knapp 140.000 € dem Angeklagten zuflossen.
Die Strafkammer hat die Drohung mit einer Strafanzeige als verwerflich im Sinne des Nötigungstatbestandes (§ 240 Abs. 2 StGB*) bewertet.
Sie konnte aber nicht feststellen, dass die angeschriebenen Kunden wegen der Drohung mit der Strafanzeige bezahlt hatten. Möglicherweise hatten sie auch schon allein deshalb bezahlt, weil sie (überhaupt) ein anwaltliches Mahnschreiben erhalten hatten.
Deshalb wurde der Angeklagte wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hat die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten verworfen:
Zwar hat der Angeklagte nicht konkret gewusst, dass die von ihm eingetriebenen Forderungen zivilrechtlich nicht gerechtfertigt waren. Dennoch hat der Bundesgerichtshof es als mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar und daher verwerflich angesehen, dass juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die der Angeklagte mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen hatte, zur Erfüllung der behaupteten, nur scheinbar von diesem geprüften rechtlichen Ansprüche veranlasst werden sollten.
Das OLG Köln hat entschieden, dass die typischen rechtsmissbräuchlichen Serienabmahnungen regelmäßig nicht als Betrug strafbar sind. Sowohl Anwalt wie Mandant wurden freigesprochen.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Dass der Gebührenberechnung des Angeklagte zu 2) überhöhte Gegenstandswerte zugrunde gelegt worden sind, vermag ebenfalls keine Täuschung i.S.d. § 263 StGB zu begründen.
[..]
Aus dem Text der Abmahnschreiben ergibt sich weiterhin keine Täuschung über die Umstände, aufgrund deren die Geltendmachung der Ansprüche als rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG zu gelten hat.
[...]
Eine Täuschung i. S. d. § 263 StGB ergibt sich schließlich auch nicht aus der Geltendmachung nicht bestehender Zahlungsansprüche."
Das OVG Münster hat in mehreren Verfahren entschieden, dass E-Zigaretten keine Medizinprodukte und nikotinhaltige Liquids keine Arzneimittel sind. Das Gericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
In der Pressemitteilung des OVG Münster heißt es: "Nikotinhaltige Liquids seien keine Präsentationsarzneimittel, weil sie nicht als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet oder empfohlen (präsentiert) würden. Die Liquids seien aber auch kein Funktionsarzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müsse die Entscheidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel sei, von Fall zu Fall getroffen werden, wobei alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen seien, also Zusammensetzung, Modalitäten des Gebrauchs, Umfang der Verbreitung, Bekanntheit bei Verbrauchern und Risiken der Verwendung. Die Anwendung dieser Kriterien führe zu dem Ergebnis, dass nikotinhaltige Liquids keine Arzneimittel seien. Arzneimittel hätten typischerweise eine therapeutische Eignung und eine therapeutische Zweckbestimmung. Beide Voraussetzungen seien bei nikotinhalten Liquids nicht gegeben. So seien diese Liquids weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, einen dauerhaften Rauchstopp zu erzielen. Davon gingen sowohl die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wie auch das Deutsche Krebsforschungszentrum und neueste wissenschaftliche Studien aus."