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OVG Schleswig-Holstein: Bei YouTube veröffentlichte Dashcam-Aufnahmen müssen vom Uploader verpixelt werden so dass Personen und KfZ-Kennzeichen nicht zu erkennen sind

OVG Schleswig-Holstein
Urteil vom 07.08.2024
8 A 159/20


Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass bei YouTube veröffentlichte Dashcam-Aufnahmen vom Uploader verpixelt werden müssen, so dass Personen und KfZ-Kennzeichen nicht zu erkennen sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Beklagten ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO in Verbindung mit Art. 12, 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO. Gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO verfügt jede Aufsichtsbehörde – und damit auch die Beklagte – über sämtliche Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit dieser Verordnung zu bringen.

Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 DS-GVO trifft der Verantwortliche geeignete Maßnahmen, um der betroffenen Person alle Informationen gemäß den Artikeln 13 und 14 und alle Mitteilungen gemäß den Artikeln 15 bis 22 und Artikel 34, die sich auf die Verarbeitung beziehen, in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln. Die Übermittlung der Informationen erfolgt schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch.

Entgegen der Ansicht des Klägers folgen die ihn treffenden Informationspflichten bei der Erstellung von Videoaufnahmen aus Art. 13 DS-GVO und nicht aus Art. 14 DS-GVO. Insoweit besteht zwischen Art. 13 und 14 DS-GVO im Hinblick auf den Zeitpunkt der Informationspflichten ein wesentlicher Unterschied. Bei Art. 13 DS-GVO sind die nach der Vorschrift erforderlichen Informationen der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten zu erteilen, während bei Art. 14 DS-GVO die Informationen erst innerhalb einer angemessenen Frist nach Erlangung der personenbezogenen Daten, längstens jedoch innerhalb eines Monats erteilt werden müssen (Art. 14 Abs. 3 DS-GVO).

Art. 13 DS-GVO betrifft die Datenerhebung bei der betroffenen Person, während Art. 14 DS-GVO greift, wenn die Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden. Unter welchen Voraussetzungen von einer Datenerhebung bei der betroffenen Person auszugehen ist, ist Art. 13 und 14 DS-GVO nicht zu entnehmen.

Die Abgrenzung der Datenerhebung nach Art. 13 DS-GVO von derjenigen nach Art. 14 DS-GVO hat nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters nach objektiven Kriterien zu erfolgen, insbesondere anhand des Ortes der Datenerhebung (vgl. Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 14 Rn. 30) oder der Mitwirkung der betroffenen Person. Einer Abgrenzung nach subjektiven Kriterien, insbesondere der Kenntnis der betroffenen Person von der Datenerhebung (vgl. dazu Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO - BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 13 Rn. 4) stehen einerseits Abgrenzungsschwierigkeiten entgegen und der Umstand, dass der Verantwortliche anderenfalls durch offene oder verdeckte Datenerhebung wählen könnte, ob Art. 13 oder 14 DS-GVO eingreift. Letzteres wiederum hätte zur Folge, dass sich der Verantwortliche den Informationspflichten letztendlich vollständig durch verdeckte Datenerhebungen entziehen könnte, weil die betroffenen Personen dem Verarbeitenden oftmals unbekannt sind mit der Folge, dass Informationen im Nachhinein aus tatsächlichen Gründen nicht mehr erteilt werden können und der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO griffe (Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 13 f.). Dies ist mit dem in Erwägungsgrund 6 DS-GVO normierten Ziel der Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus trotz Zunahme des Datenaustausches nicht zu vereinbaren.

Vor diesem Hintergrund sind Videoaufzeichnungen unabhängig von der Frage, ob es sich um offene (mit Hinweisschild oder ähnlichem Hinweis) oder verdeckte Aufzeichnungen handelt, als Datenerhebung bei der betroffenen Person nach Art. 13 DS-GVO anzusehen (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 15; a. A. Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 13 Rn. 11b; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 14 DS-GVO Rn. 31.2).

Die Differenzierung nach offenen und verdeckten Videoaufzeichnungen hätte auch hier zur Folge, dass der Verantwortliche im Ergebnis selbst wählen könnte, ob Art. 13 oder 14 DS-GVO einschlägig ist, indem er die Videoaufzeichnung entweder offen oder verdeckt ausführt. Dies hätte wiederum zur Folge, dass bei verdeckten Videoaufzeichnungen letztendlich oft keine Informationspflichten eingehalten werden müssten, weil die aufgezeichneten Personen dem Verantwortlichen unbekannt sind und deshalb der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO greift (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 13 f.).

Bezogen auf das streitgegenständliche Filmen mittels einer auf das Autodach montierten Kamera hätte die Abgrenzung nach dem subjektiven Merkmal der Kenntnis zudem Abgrenzungsprobleme in der Form zur Folge, dass der Kläger jeweils prüfen müsste, ob die Person die Kamera gesehen und damit Kenntnis von den Videoaufzeichnungen hat. In diesem Fall griffe dann Art. 13 DS-GVO. Im anderen Fall, in dem die betroffene Person die Kamera nicht gesehen hat, griffe Art. 14 DS-GVO ein und der Kläger müsste die darin normierten nachträglichen Informationspflichten erfüllen. Dazu müsste der Kläger bei jeder gefilmten Person prüfen, ob diese die Kamera gesehen beziehungsweise auf irgend eine Art davon Kenntnis erlangt hat. Bei allen anderen Personen müsste er prüfen, ob er die Informationen nachträglich erteilen kann oder der Ausschlusstatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DS-GVO greift. Diese Vorgehensweise erscheint nicht praxistauglich.

Der Kläger ist ausgehend von diesen Maßstäben nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO verpflichtet, der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung die berechtigten Interessen mitzuteilen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden, wenn die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO beruht.

Der Kläger hat sich vorliegend insbesondere auf seine Kunstfreiheit und seine Berufsfreiheit und damit auf berechtigte Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO berufen.

Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO erfolgt die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch. Jedenfalls über seine berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO kann der Kläger auch in der von ihm gewählten Form informieren, dass sich auf dem Kraftfahrzeug ein Hinweis auf seine Website befindet, auf der dann wiederum die erforderlichen Informationen nachzulesen sind. Insoweit ist ein Medienbruch zulässig (vgl. Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 12 Rn. 16). Gewisse Verarbeitungssituationen lassen es schlichtweg nicht zu, sämtliche Transparenzinformationen unmittelbar zur Verfügung zu stellen (vgl. Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSH, 3. Aufl. 2022, Art. 13 DS-GVO Rn. 43).

So ist auch hier zu berücksichtigen, dass beim Vorbeifahren eines Kraftfahrzeuges nur in begrenztem Umfang auf dem Kraftfahrzeug angebrachte Informationen von den betroffenen Personen wahrgenommen werden können und diese deshalb auf die essentiellen Informationen beschränkt werden müssen. Dazu zählen die berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO nicht. Hier ist es ausreichend, wenn die betroffenen Personen die Informationen auf Sekundärebene über eine Website abrufen können.

Vor diesem Hintergrund ist auch Ziffer 4 des Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit sich die Nachweispflicht mittels eines Fotos auf die Pflicht bezieht, bei der Anfertigung von personenbezogenen Filmaufnahmen sichtbar darauf hinzuweisen, welche berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO durch die Anfertigung der Filmaufnahmen verfolgt werden.

Im Übrigen sind Ziffer 3 und 4 des Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die für die betroffenen Personen essentiellen Informationen nach Art. 13 Abs. 1 DS-GVO müssen ohne Medienbruch bei der Verarbeitung mitgeteilt werden (vgl. Franck in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSH, 3. Aufl. 2022, Art. 13 DS-GVO Rn. 43). Dazu zählen jedenfalls die von der Beklagten angenommenen Hinweise darauf, dass Filmaufnahmen für den Zweck der Veröffentlichung im Internet erstellt werden (Art. 12 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO), wer Verantwortlicher der Verarbeitung ist sowie dessen Kontaktdaten (Art. 12 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO).

Diese überschaubare Anzahl an Daten kann bei gefilmten Personen bei einem Hinweis auf dem Kraftfahrzeug des Klägers noch wahrgenommen werden. Gleichzeitig ist die Information über diese Daten für die Wahrung der Rechte der betroffenen Personen notwendig, damit auch Personen mit wenig Medienkompetenz hinreichend informiert sind und ihre Rechte möglichst umfassend ausüben können.

Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides ist hinsichtlich der nicht zu beanstandenden Informationspflichten nach Ziffer 3 des Bescheides ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO. Danach verfügt Jede Aufsichtsbehörde über sämtliche Untersuchungsbefugnisse, die es ihr gestatten, unter anderem den Verantwortliche anzuweisen, alle Informationen bereitzustellen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind.

Das von der Beklagten geforderte Foto ist notwendig, um überprüfen zu können, ob der Kläger die von der Beklagten geforderten Informationspflichten nach Art. 13 DS-GVO beachtet. Dazu ist die Beklagte nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO verpflichtet. Ermessensfehler sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. An der Verhältnismäßigkeit bestehen keine Zweifel.

Im Übrigen ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Zunächst leidet der Bescheid nicht an fehlender Bestimmtheit. Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, Urt. v. 15. Februar 1990 – 4 C 41.87 – juris Rn. 29).

Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts. Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, sodass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 2013 – 8 C 21.12 – juris Rn. 14).

Gemessen an diesen Maßstäben ist der Bescheid hinreichend bestimmt. Für den Kläger ist unter Berücksichtigung von Tenor und Begründung des Bescheides hinreichend klar, unter welchen Voraussetzungen die Aufnahmen so verändert werden müssen, dass Personen, nicht mehr anhand ihrer äußerlichen Erscheinung identifiziert werden können (Ziffer 1 und 2 des Bescheides) und was für ein Foto er einreichen soll (Ziffer 4 des Bescheides).

Dies ist bei Auslegung des Bescheides aus dem objektiven Empfängerhorizont immer dann der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände des Straßenverkehrs nicht mehr die Straße und die sie umgebende Landschaft die Aufnahme prägt. In den vom Kläger bislang veröffentlichten Aufnahmen prägt – im fließenden Verkehr – ganz überwiegend die Straße und die sie umgebende Straßenlandschaft das Bild. Gelegentlich passiert der Kläger dabei Personen, die jedoch im Hintergrund bleiben und kaum zu erkennen sind.

Anders verhält es sich unterdessen, wenn Personen aufgrund der äußeren Umstände der Verkehrssituation dicht an die auf dem Fahrzeugdach montierte Kamera herantreten, insbesondere an Ampeln, bei Verkehrsüberwegen und an Kreuzungen. In diesem Fall gerät die Person – angesichts der geringen Geschwindigkeit eines Fußgängers, Fahrradfahrers etc. über einen längeren Zeitraum – in den Fokus der Aufnahme mit der Folge, dass die Straße und die Straßenlandschaft verdeckt wird und in den Hintergrund gerät.

Zugegebenermaßen verbleiben dabei Abgrenzungsschwierigkeiten, weil nicht anhand fester Kriterien vom Kläger oder einem eingesetzten Algorithmus festgestellt werden kann, wie lange etwa eine Person aufgezeichnet werden muss, welchen Anteil sie vom Bildausschnitt ausfüllen muss beziehungsweise ab welcher Entfernung zur Kamera eine Anonymisierung zu erfolgen hat. Derartige feste Kriterien sind jedoch für die Abgrenzung nicht geeignet, weil anhand festgelegter Werte die Umstände der jeweils gegebenen konkreten Situation der Aufnahme nicht hinreichend gewürdigt werden können. Verbleibende Abgrenzungsschwierigkeiten sind in Kauf zu nehmen.

Dies vorangestellt hat die Beklagte zu Recht die Abgrenzungskriterien der sogenannten Beiwerk-Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG entsprechend herangezogen.

Nach dieser Vorschrift dürfen ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen. Auch hier ist die Abgrenzung zwischen Haupt- und Beiwerk schwierig.

Die Vorschrift stellt in erster Linie auf das Verhältnis des Abgebildeten zu der übrigen Aussage des Bildes, auf seinen Stellenwert im Gesamteindruck des Bildes, nicht auf den Grad seiner Erkennbarkeit ab. Von einem Beiwerk in diesem Sinn kann grundsätzlich dann keine Rede sein, wenn die Person das Bild fast ganz ausfüllt (BGH, Urt. v. 26. Juni 1979 – VI ZR 108/78 – juris Rn. 18). Maßgeblich ist, ob entsprechend dem Gesamteindruck der Veröffentlichung die Landschaft oder die sonstige Örtlichkeit Abbildungsgegenstand ist und die einzelnen Abgebildeten nur "bei Gelegenheit" erscheinen oder ob einzelne aus der Anonymität herausgelöst werden (LG Oldenburg, Beschl. v. 23. uar 1986 – 5 O 3667/85GRUR 1986, 464, 465). Voraussetzung hierfür ist, dass nach dem Gesamteindruck der Veröffentlichung die Landschaft der den Gesamtcharakter des Bildes prägende Abbildungsgegenstand ist und die auf dem Bild erkennbaren Personen derart untergeordnetes Beiwerk darstellen, dass sie auch entfallen könnten, ohne dass Inhalt und Charakter des Bildes sich veränderten (OLG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 14. November 1988 – 13 U 72/88 – juris Rn. 28). Die Personenabbildung muss derart untergeordnet sein, dass sie auch entfallen könnte, ohne dass Gegenstand und Charakter des Bildes sich verändern. Wesentlich ist damit, dass die Personendarstellung untergeordnet und nicht selbst Thema des Bildes ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18. August 1989 – 14 U 105/88 – juris Rn. 27). Der Stellenwert der Personen entsprechend dem Gesamteindruck des Bildes muss gegenüber dem Stellenwert der Landschaft erheblich niedriger sein (OLG München, Urt. v. 13. November 1987 – 21 U 2979/87 – juris Rn. 31).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat die Beklagte zu Recht für maßgeblich im Hinblick auf die Pflicht zur Anonymisierung darauf abgestellt, ob sich eine Person nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befindet.

In Bezug auf die in Ziffer 4 des Bescheides angeordnete Verpflichtung, durch Übersendung eines Fotos die Erfüllung der Informationspflichten nach Ziffer 3 des Bescheides nachzuweisen, bestehen im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz keine Bedenken. Es ist ohne weiteres verständlich, dass ein Foto des klägerischen Kraftfahrzeuges mit den nach Ziffer 3 des Bescheides geforderten Informationen einzureichen ist.

Rechtsgrundlage für Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO. Danach verfügt jede Aufsichtsbehörde über Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, zu verhängen.

Tatbestandsvoraussetzung für die Abhilfemaßnahmen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ist das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO. Ein solcher Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn Daten ohne entsprechende Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Dies war vorliegend der Fall.

Das Veröffentlichen von Aufnahmen, bei denen Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden und Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelesen werden können, stellt eine rechtswidrige Datenverarbeitung dar.

Bei der Veröffentlichung von Filmen, auf denen betroffene Personen zu erkennen sind, handelt es sich um personenbezogene Daten. Dazu zählen nach Art. 4 Nr. 1 Hs. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird nach Art. 4 Nr. 1 Hs. 2 DS-GVO eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt daher unter den Begriff der personenbezogenen Daten, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. EuGH, Urt. v. 11. Dezember 2014 – C-212/13 – juris Rn. 22). Dies ist jedenfalls für Personen anzunehmen, die sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden. Anhand ihrer äußeren Erscheinung können sie zumindest über Fotos sowie durch Personen, denen die äußere Erscheinung bekannt ist, identifiziert werden.

Auch Kraftfahrzeug-Kennzeichen stellen personenbezogene Daten dar, weil sie einem Halter und gegebenenfalls auch einem Fahrer zurechenbar sind (vgl. Schild in: BeckOK Datenschutzrecht, 48. Ed., Stand: 1. Mai 2024, Art. 4 DS-GVO Rn. 21). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Halterabfragen beim Kraftfahrt Bundesamt nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.

Dies gilt uneingeschränkt für alle Kennzeichen, unabhängig davon, ob das Fahrzeug auf eine natürliche oder juristische Person zugelassen ist, weil die Kennzeichen auch bei auf juristische Personen zugelassenen Kraftfahrzeugen Rückschlüsse auf die Fahrer vermitteln können. Die DS-GVO findet nach Erwägungsgrund 14 auf juristische Personen keine Anwendung. Die hinter der juristischen Person stehenden natürliche Personen sind jedoch geschützt, wenn sich die Daten der juristischen Person auch auf sie beziehen (vgl. Gola in: Gola/Heckmann, DS-GVO - BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 4 Rn. 28). Jedenfalls Mitarbeiter oder anderweitig informierte Personen können ein Kraftfahrzeug einer juristischen Person über das Kennzeichen einer natürlichen Person als Fahrer zuordnen. So könnte etwa festgestellt werden, dass der Fahrer eines Fahrzeugs seines Arbeitsgebers (juristische Person) bei einer Dienstfahrt von der vorgegebenen Route abgewichen und in seiner Dienstzeit einer privaten Tätigkeit nachgegangen ist.

Im Einzelfall mag bei auf juristische Personen zugelassenen Fahrzeugen eine Identifizierung des Fahrers selbst unter Auswertung sämtlicher Datenquellen nicht möglich sein. Unter dem Aspekt einer praxistauglichen datenschutzrechtlichen Verfügung ist es jedoch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides diese Fälle nicht vom Anwendungsbereich ihrer Anordnung ausgenommen hat. Es ist in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich, zu erkennen, ob ein Kraftfahrzeug auf eine juristische oder eine natürliche Person zugelassen und deshalb dem Anwendungsbereich der DS-GVO unterfällt oder nicht. Dies ließe sich allenfalls durch eine Halterauskunft ermitteln. Auch Werbeaufschriften oder Ähnliches auf Fahrzeugen lassen keinen sicheren Schluss auf den Halter des Fahrzeugs zu, weil jeder Halter beziehungsweise Eigentümer eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich frei über die äußere Gestaltung seines Fahrzeugs entscheiden kann. Zudem kann der Verantwortliche nicht erkennen, ob über das Kennzeichen etwa mittels eines Fahrtenbuches möglicherweise Rückschlüsse auf den Fahrer als natürliche Person gezogen werden können.

Das von dem Bescheid der Beklagten erfasste Veröffentlichen der Filme auf der Website Youtube stellt eine Datenverarbeitung dar. Nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO bezeichnet „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie unter anderem die Speicherung und die Offenlegung durch Verbreitung.

Die Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der unter den Buchst. a bis f aufgeführten Bedingungen erfüllt ist.

Insbesondere eine Einwilligung der gefilmten Personen liegt nicht vor. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Das Filmen und die Veröffentlichung der Aufnahmen ohne Anonymisierung ist zunächst als Betätigung der von Art. 13 GRCh geschützten Kunstfreiheit, der von Art. 15 Abs. 1 GRCh geschützten Berufsfreiheit und der von Art. 16 GRCh geschützten Unternehmerischen Freiheit einzuordnen und stellt damit ein berechtigtes Interesse dar.

Die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen auch erforderlich. Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn kein anderes, gleich effektives Mittel ersichtlich ist (VG Ansbach, Urt. v. 23. Februar 2022 – AN 14 K 20.00083 – juris Rn. 40). Die Anonymisierung stellt kein gleich effektives Mittel dar, weil sie den Kläger in seiner Kunstfreiheit, Berufsfreiheit und der Unternehmerischen Freiheit beeinträchtigt.

Die Beklagte ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die Abwägung hier zu Lasten des Klägers ausfällt.

Abzuwiegen sind hier die berechtigten Interessen des Klägers als Verantwortlichen einerseits und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, andererseits. Erfasst – wie hier – derselbe Sachverhalt eine Vielzahl von betroffenen Personen, erfolgt die Abwägung anhand einer summarischen Prüfung der Belange der betroffenen Personen unter Zugrundelegung von Erfahrungswerten (Schulz in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 63).

Maßgeblich ist insoweit insbesondere die Eingriffsintensität, die Art der betroffenen Personen, die Zwecke der Datenverarbeitung sowie die Sphäre, in die eingegriffen wird (vgl. Schulz in: Gola/Heckmann, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 63).

Die gefilmten Personen sind in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG berührt und zwar in erheblicher Weise.

Zunächst handelt es sich angesichts der Vielzahl an veröffentlichten Videos um eine erhebliche Vielzahl an betroffenen Personen, auch wenn je Video abhängig von der gefilmten Straßenlandschaft teilweise nur vereinzelt Personen in den Vordergrund des Bildausschnitts geraten. Die zufällig gefilmten Personen können sich dem Filmen zudem kaum beziehungsweise nur dann entziehen, wenn sie die Kamera bemerkt haben. Dies ist gerade bei größeren Kreuzungen oder unübersichtlicheren Verkehrssituationen oder wenn die gefilmten Personen durch Gespräche, Telefonate etc. abgelenkt sind nicht unbedingt der Fall.

Eingriffsmindernd ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass die Personen lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen sind. Die belastenden Auswirkungen der Verarbeitung auf die betroffenen Personen stellen sich zudem nach allgemeiner Lebenserfahrung und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als eher gering dar.

Dennoch überwiegen diese Interessen der betroffenen Personen die berechtigten Interessen des Klägers. Die Verpflichtung des Klägers, die veröffentlichten Filmaufnahmen aus dem öffentlichen Straßenverkehr so zu verändern, dass Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden, nicht mehr anhand ihrer äußerlichen Erscheinung identifiziert werden können und Kraftfahrzeug-Kennzeichen nicht gelesen werden können, stellt nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters einen Eingriff von geringer Intensität dar. Betroffen sind zunächst nur besondere Situationen, in denen Personen – anders als im fließenden Verkehr – in den Vordergrund geraten. Der ganz überwiegende Anteil der Aufnahmen ist nicht von der Pflicht zur Anonymisierung betroffen. Unter Würdigung der Gesamtumstände werden die vom Kläger erstellten und veröffentlichten Aufnahmen von Straßenlandschaften in ihrer Darstellung und Wirkung durch die Anonymisierung der Personen, die sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden, lediglich geringfügig beeinträchtigt, weil sich der Eindruck der Straßenlandschaft durch die Anonymisierung kaum verändert. Die abgebildete Person ist lediglich nicht mehr zu erkennen.

Erwägungsgrund 47 Satz 4 DS-GVO sieht zudem vor, dass insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen könnten.

Im öffentlichen Straßenverkehr können betroffene Personen grundsätzlich davon ausgehen, dass sie nicht gefilmt werden. Da vorliegend nichts dafür spricht, von diesem Grundsatz abzuweichen, führt auch dies zu einem Überwiegen der Interessen der betroffenen Personen.

Diese Wertung muss erst Recht für Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelten. Es mag für den Kläger zusätzlichen Aufwand bedeuten, die Kennzeichen etwa durch eine Verpixelung zu anonymisieren. Im Übrigen werden die Aufnahmen der Straßenlandschaften durch die Anonymisierung der Kennzeichen jedoch nur sehr geringfügig verändert, so dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG der Halter beziehungsweise Fahrer der gefilmten Kraftfahrzeuge überwiegt.

Rechtsfolge von Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO ist, dass der Aufsichtsbehörde bezüglich der Wahl der konkreten Abhilfemaßnahme ein Ermessen zusteht (vgl. dazu Erwägungsgrund 129 DS-GVO), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, § 114 VwGO. Vorliegend sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die Beklage hat ihr Ermessen ausgeübt, indem sie unter den verschiedenen Möglichkeiten die aus ihrer Sicht am wenigsten einschränkende, lediglich punktuelle Veränderung der Aufnahmen angeordnet hat (vgl. S. 8 des Bescheides).

Den Volltext der Entscheidung finden SIe hier:

Volltext OLG Dresden liegt vor: Satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit Bild von Jan Böhmermann zulässig

OLG Dresden
Urteil vom 18.07.2024
4 U 323/24


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Dresden: Satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit Bild von Jan Böhmermann zulässig über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Ansprüche wegen der Verwendung seines Bildnisses auf dem von der Beklagten erstellten Werbeaufstellen kann der Kläger nicht auf §§ 1004 Abs. 2 analog i.V.m. 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK stützen.

a. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass die Verfügungsbeklagte in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers in der Ausprägung seines Rechts am eigenen Bild eingegriffen hätte. Daran fehlt es vorliegend, weil die Verbreitung der Bildaufnahme des Verfügungsklägers in der Werbeanzeige als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte auch ohne seine Einwilligung zulässig war, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, und durch die Verbreitung im Einzelfall auch kein berechtigtes Interesse des Verfügungsklägers verletzt worden ist, § 23 Abs. 2 KUG.

(aa) Nach § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden. Die Veröffentlichung des Plakats mit dem Foto des Verfügungsklägers ohne dessen Einwilligung greift in sein Persönlichkeitsrecht ein, weil die Entscheidung, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für – hier unstreitig auch - Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden soll, einen wesentlichen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts darstellt (BGH, GRUR 2011, 647 Rn. 12 – Markt und Leute; BGH, GRUR 2007, 139 Rn. 19 – Rücktritt des Finanzministers; BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 26 – Wer wird Millionär? BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 14 – Der strauchelnde Liebling).

(bb) Ohne eine solche Einwilligung dürfen jedoch Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte veröffentlicht werden, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Die Prüfung, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt, erfordert bereits eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten des Unterlassungsschuldners aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. BGH, GRUR 2018, 964 Rn. 9 – Tochter von Prinzessin Madeleine; BGH, GRUR 2018, 549 Rn. 10 – Christian Wulff im Supermarkt; Wandtke/Bullinger/Fricke, 6. Aufl. 2022, KUG, § 23, Rn. 5). Der Begriff der Zeitgeschichte ist dabei nicht allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung zu beziehen, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen (BGH, GRUR 2010, 546 – Der strauchelnde Liebling). Insoweit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse (OLG Köln, Urt. v. 29.8.2017 – 15 U 180/16, BeckRS 2017, 146456). Dazu können auch Vorgänge mit nur lokaler oder zielgruppenspezifischer Bedeutung gehören (GRUR 2014, 804, Rn. 10 – Mieterfest). Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos. Begrenzt wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BGH, GRUR 2017, 302 Rn. 7 – Klaus Wowereit). Wie die Grenzen für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu konturieren sind, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (BGH, GRUR 2009, 150 – Karsten Speck).

Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Landgericht zu Recht das Vorliegen eines Bildnisses der Zeitgeschichte bejaht. Durch den auf dem Plakat abgebildeten "beewashing-Honey", auf den der Verfügungskläger mit einer pointierten Geste hinweist, wird dessen Bildnis mit dem Thema "beewashing" verbunden, das der Verfügungskläger durch die Sendung vom 3.11.2023 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. Es handelt sich dabei um eine auf Bienen bezogene Form des sog. Greenwashings, also den Vorwurf an ein Wirtschaftsunternehmen oder eine andere Organisation, durch Kommunikation, Marketing und Einzelmaßnahmen ein "grünes Image" zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen im operativen Geschäft systematisch verankert zu haben. Da es sich hierbei regelmäßig um eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 Abs. 3 UWG handelt und in der Öffentlichkeit ein breites Bewusstsein und ein erhebliches Interesse daran besteht zu erfahren, ob gerade bei Unternehmen aus der Lebensmittelbranche das durch die Werbung vermittelte Selbstbild mit der Realität des wirtschaftlichen Handelns übereinstimmt, liegt in dem Aufgreifen dieses durch die Sendung vom 3.11.2023 maßgeblich bekannt gemachten Begriffs und dessen Bebilderung mit einem Foto des Verfügungsklägers (vgl. nur https://de.wikipedia.org/wiki/Beewashing [...]) auch nach Auffassung des Senats ein Ereignis der Zeitgeschichte. Dabei kann der Verfügungskläger nicht damit gehört werden, als Moderator zu diesem Thema keine inhaltliche Verbindung zu haben und daher lediglich als Blickfang abgebildet worden zu sein. Unabhängig davon, dass die Zulässigkeit einer Bildnutzung nicht zwingend voraussetzt, dass der Abgebildete einen berechtigten Anlass für die Verbreitung seines Bildnisses gegeben hat (BGH, Urteil vom 9.4.2019 – VI ZR 533/16, Rn. 7), entspricht es gerade dem Konzept der Sendung "ZDF Magazin Royale", Themen aufzugreifen, die gesellschaftlich oder medial relevant sind und dabei auch fachliche Nischenthemen einem breiten Publikum zu präsentieren. So liegt es auch hier. Das zuvor eher in Fachkreisen diskutierte "Beewashing" hat durch die Sendung vom 03.11.2023 breite Öffentlichkeitswirkung erlangt (Aufrufe bei Youtube: 1.024.711, seit dem 03.11.2023, festgestellt am 21.05.2024; Einschaltquoten der Sendung im ZDF regelmäßig um die 2 Millionen, vgl. https://www.quotenmeter.de/n/143539/quotencheck-zdf-magazin-royale[...]). Dieses Sendungskonzept, das der Verfügungskläger auch nicht in Abrede stellt, wird beispielhaft deutlich in der Begründung der Jury des Grimme-Preises 2023 für das ZDF Magazin Royale, in der maßgeblich darauf abgestellt wird, dass Anliegen der Sendung die Aufbereitung von aktuellen Themen von gesellschaftlicher Relevanz sei, die sonst nur einem Fachpublikum zugänglich wären (vgl. https://www.grimme-preis.de/archiv/2023/preistraeger/preistraeger-detail/d/zdf-magazin-royale).

Unabhängig hiervon geht die durch das Plakat aufgenommene Auseinandersetzung mit dem Verfügungskläger über dessen Rolle als Vermittler des Themas "Beewashing" hinaus. Sie greift vielmehr ein Ereignis der Zeitgeschichte auch dadurch auf, dass sie durch die Bezeichnung des Klägers als "führenden Bienen-und Käferexperten" dessen für sich in Anspruch genommene Rolle als journalistisch-satirischer Investigativjournalist und den in diesem Zusammenhang reklamierten Expertenstatus für eine Fülle von Themen kritisiert und damit das Sendungskonzept des "ZDF-Magazin Royale" generell infrage stellt. Dieses will mit den Mitteln der Satire auf der Grundlage einer eigenen oder von Dritten zugearbeiteten Recherchearbeit tatsächliche, oftmals aber auch nur vermeintliche Skandale anprangern. Die Präsentation in der Sendung ist darauf ausgerichtet, dass die satirische Zuspitzung und Bewertung oftmals nicht greifbar ist, die darin enthaltene Andeutung von Tatsachenbehauptungen aber unterhalb der Schwelle zu einer verdeckten Behauptung bleibt und damit von den Betroffenen nicht angegriffen werden kann. Dieser dem Verfügungskläger eigene Aufarbeitungsstil ist in der Vergangenheit wiederholt öffentlich kritisiert worden, was der Senat gem. § 297 ZPO berücksichtigen kann (vgl. nur https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/jan-boehmermann-und-bsi-praesident-arne-schoenbohm-der-herbeigeboehmermannte-skandal-a-825cf663-1405-42db-89de-551c22ce6dc1:"wiederkehrendes Instrument von B......s Enthüllungen, mit dem man nicht ganz ausrecherchierte Geschichten so fabelhaft inszenieren wie rechtssicher anreichern kann"; vgl. auch https://www.deutschlandfunkkultur.de/boehmermann-kliemann-zdf-magazin-royale-recherche-satire-100.html ).

Angesichts dessen kommt es auf die mit der Berufungserwiderung aufgeworfene Frage nicht an, ob ein zeitgeschichtliche Ereignis im Sinne des dort angesprochenen "Streisand-Effekts" auch allein durch eine breite Reaktion der Öffentlichkeit auf den Versuch des Betroffenen begründet wird, sich gegen eine Veröffentlichung seines Bildnisses mit rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen.
[...]

2. Bezüglich der Namensnutzung bestehen Unterlassungsansprüche ebenfalls nicht, insbesondere nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 12 BGB oder dem Persönlichkeitsrecht.

Durch die Nennung seines Namens zur Bewerbung des Honigs auf der Interseite ist zwar ebenfalls in das Recht des Verfügungsklägers eingegriffen worden, darüber zu bestimmen, ob der eigene Name zu Werbezwecken benutzt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1959 - IV ZR 182/58, BGHZ 30, 7, 9 ff. - Caterina Valente; Urteil vom 26. Juni 1981 - I ZR 73/79, BGHZ 81, 75, 78 - Carrera). Diese Befugnis stellt, soweit sie dem Schutz kommerzieller Interessen des Namensträgers dient, einen vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts dar (BGHZ 143, 214, 230 - Marlene Dietrich -; BGH, Urteil vom 18. November 2010 – I ZR 119/08 –, Rn. 54, juris)).

Die hinsichtlich des Eingriffs in das Namensrecht des Verfügungsklägers aber ebenfalls gebotene umfassende Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen führt dazu, dass dem Interesse der Verfügungsbeklagten an der im Zusammenhang mit der Werbung verbreiteten Meinungsäußerung gegenüber dem Interesse des Verfügungsklägers am Schutz seines Namensrechts der Vorrang einzuräumen ist. Zur Begründung kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zum Recht am eigenen Bild unter 1. verwiesen werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Dresden: Satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit Bild von Jan Böhmermann zulässig

OLG Dresden
Urteil vom 18.07.2024
4 U 323/24


Das OLG Dresden hat entschieden, dass die satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit einem Bild von Jan Böhmermann zulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Oberlandesgericht entscheidet im »Böhmermann-Honig«-Fall: Zulässige Satire

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat heute die Berufung des Satirikers und Moderators Jan Böhmermann gegen eine sächsische Bioimkerei zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger hatte am 3.11.2023 in der Fernsehsendung »ZDF Magazin Royale«, über »Beewashing« berichtet und dort u.a. die Praxis kritisiert, Bienenvölker an Unternehmen zu vermieten, damit diese sich mit dem Anschein des Engagements für Nachhaltigkeit und Artenschutz schmücken könnten. Hierzu hatte er das Logo und Ausschnitte aus dem Werbevideo der Verfügungsbeklagten gezeigt, außerdem ein Foto ihres Geschäftsführers. Die Verfügungsbeklagte reagierte darauf, indem sie u.a. in ihrem Online-Shop sog. beewashing-Honey vertrieb, der dort als »Böhmermann-Honig« und »Böhmermann-Bundle«, (3 x »Böhmermann-Honig«) beworben wurde; auf den Gläsern selbst findet sich der Name des Verfügungsklägers nicht. Außerdem warb sie in einem Dresdner Supermarkt mit einem Aufsteller mit dem Bild des Verfügungsklägers, einem im Vordergrund befindlichen Glas "beewashing-Honey" und dem Zusatz "führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt«.

Ein Eilantrag des Verfügungsklägers mit dem Ziel, jegliche Werbung mit seinem Namen oder seinem Bild zu verbieten, blieb vor dem Landgericht erfolglos. Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht heute bestätigt. Der Senat teilte die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach es sich bei der Abbildung auf dem Plakat um ein Bildnis der Zeitgeschichte handele, dessen sich die Verfügungsklägerin in satirischer Weise bedient habe. Durch die Bezeichnung des Verfügungsklägers als »führender Bienen- und Käferexperte« habe sich die Verfügungsbeklagte satirisch-spöttisch damit auseinandergesetzt, dass sich der Verfügungskläger als journalistisch-satirischer Investigationsjournalist sehe und zu einer Vielzahl von Themen einen Expertenstatus für sich reklamiere. Die Verfügungsbeklagte habe damit nicht allein den Werbewert des Verfügungsklägers für ihre Geschäftsinteressen ausgenutzt, sondern zugleich in satirischer Weise ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigt. Dies müsse der Verfügungskläger hinnehmen.

Auch die Namensnennung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers nicht. Die Werbung mit seinem Namen greife zwar in seine Rechte ein. Angesichts der erkennbar satirischen Auseinandersetzung sowie des Umstandes, dass die Werbung nicht der alleinige Zweck der Aktion gewesen sei, sondern sich die Verfügungsbeklagte damit auch gegen die Vorwürfe in der Sendung zur Wehr habe setzen wollen, gehe das Recht auf Meinungsäußerung in der gebotenen Gesamtabwägung dem Interesse des Verfügungsklägers am Schutz seiner Namensrechte vor.

Gegen das im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene Urteil sind keine Rechtsmittel mehr gegeben.


BGH: Für Reichweite einer auf konkrete Verletzungsform bezogenen einstweiligen Verfügung wegen unzulässiger Fotoveröffentlichung ist begleitende Wortberichterstattung zu berücksichtigen

BGH
Urteil vom 07.05.2024
VI ZR 307/22
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2; KUG § 22, § 23; ZPO § 890


Der BGH hat entschieden, dass für die Reichweite einer auf die konkrete Verletzungsform bezogenen einstweiligen Verfügung wegen unzulässiger Fotoveröffentlichung auch die begleitende Wortberichterstattung zu berücksichtigen ist.

Leitsatz des BGH:
Zur Reichweite eines auf die konkrete Verletzungsform beschränkten gerichtlichen Unterlassungsgebots hinsichtlich einer Bildveröffentlichung.

BGH, Urteil vom 7. Mai 2024 - VI ZR 307/22 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Mai

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: BILD bzw. BILD Online durfte Sylt-Video und Standbilder nicht unverpixelt verbreiten und nicht identifizierend über beteiligte Person berichten

LG München
Beschluss vom 12.06.2024
26 O 6325/24

Das LG München hat entschieden, dass BILD bzw. BILD Online das Sylt-Video sowie Standbilder aus dem Video nicht unverpixelt verbreiten und auch nicht identifizierend über eine beteiligte Person berichten durfte. Der im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ergangene Beschluss enthält keine nähere Begründung.

OLG Frankfurt: Verdachtsberichterstattung nur nach vorheriger Anhörung des Betroffenen und Möglichkeit zur Stellungnahme zulässig - Zweifel am Alter eines Profifußballers

OLG Frankfurt am Main
Urteil vom 08.05.2024
16 U 33/23

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Verdachtsberichterstattung nur nach vorheriger Anhörung des Betroffenen und Möglichkeit zur Stellungnahme zulässig ist. Vorliegend ging es um Zweifel am Alter eines Profifußballers.

Die Pressemitteilung des Gerichts_
Verdachtsberichterstattung nur bei vorheriger Konfrontation des Betroffenen zulässig

Vor einer Verdachtsberichterstattung ist der Betroffene mit dem wesentlichen Kern der Vorwürfe, Anknüpfungstatsachen und Argumente zu konfrontieren. Wird der Verdacht wesentlich auf ein vermeintliches Indiz gestützt, erstreckt sich die Anhörungsobliegenheit auch hierauf. Andernfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass die konkrete Berichterstattung in einem für den Leser wichtigen Punkt bei erfolgter Anhörung anders ausgefallen wäre. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung auf Antrag eines Profi-Fußballers die Behauptung und Verbreitung mehrerer Angaben über sein Alter und seine Herkunft untersagt.

Der Kläger ist Profi-Fußballer und wurde in die deutsche Fußballnationalmannschaft berufen. Er wendet sich gegen Aussagen in einem Artikel in einem Nachrichtenmagazin der Beklagten. Das Landgericht hatte dem Eilantrag nur zu einem geringen Teil stattgegeben und ihn im Übrigen abgewiesen.

Die Berufung des Klägers hatte vor dem für Presserecht zuständigen 16. Zivilsenat zum überwiegenden Teil Erfolg. Zu Recht wende sich der Kläger gegen in dem Artikel enthaltene Verdachtsäußerungen, die in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingriffen, entschied der Senat. Da es an einer ausreichenden Anhörung und Möglichkeit zur Stellungnahme zu den wesentlichen den Verdacht stützenden Indizien vor der Veröffentlichung gemangelt habe, könne er Unterlassung verlangen.

Maßgeblich für die Frage, ob Unterlassung verlangt werden könne, sei die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers einerseits und dem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit der Beklagten andererseits, betonte der Senat. Bei dem Artikel handele es sich um eine Verdachtsberichterstattung über Zweifel und Gerüchte am tatsächlichen Alter des Klägers. Es werde der Verdacht geschildert, dass der Kläger tatsächlich älter als angegeben sei und andere leibliche Eltern habe. Diese Schilderungen seien geeignet, sich erheblich auf das Ansehen des über den Artikel identifizierbaren Klägers auszuwirken. Sie hätten zudem eine erhebliche Breitenwirkung. Demgegenüber habe aber auch das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse hier ein großes Gewicht. Die Berichterstattung „leistete einen Beitrag zu einer Diskussion von öffentlichem Interesse, denn das Alter eines Fußballprofis ist ein erhebliches Kriterium bei dessen Marktwert“, führte das OLG weiter aus.

Dass für eine zulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung erforderliche Mindestmaß an Beweistatsachen habe hier zwar vorgelegen. Auch erfolge durch den Bericht keine unzulässige Vorverurteilung. Der Vorrang des Informationsinteresses bestehe aber darüber hinaus nur, wenn dem Betroffenen vorab ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Daran fehle es hier. Die Möglichkeit zur Stellungnahme habe unter anderem den Zweck, „dass der Autor seine Recherchen und Ergebnisse kritisch hinterfragt und gegebenenfalls Nachermittlungen anstellen kann“, führt der Senat aus. Der Betroffene sei mit dem wesentlichen Kern der Vorwürfe, Anknüpfungstatsachen und Argumente zu konfrontieren. Werde wesentlich auf ein vermeintliches Indiz abgestellt, müsse auch dazu die Sichtweise des Betroffenen eingeholt werden. Die Beklagte stütze hier ihren Verdacht u.a. auf eigene Recherchen, insbesondere Gespräche mit angeblichen Angehörigen. Aus diesen leite sie wesentliche Anhaltspunkte für den geäußerten Verdacht her. Sie hätte dem Kläger deshalb auch hierzu die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen müssen. Das Benennen des Kernverdachts allein sei nicht ausreichend gewesen. Da die Konfrontation mit den Vorwürfen inhaltlich unzureichend gewesen sei, habe die „konkrete Berichterstattung in einem für den durchschnittlichen Leser wesentlichen Punkt anders ausfallen (können), wenn eine Stellungnahme des Verfügungsklägers eingeholt und berücksichtigt worden wäre“, begründet der Senat die Stattgabe der Unterlassungsanträge weiter.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 8.5.2024, Az. 16 U 33/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2023, Az. 2-03 O 425/22)



OLG Karlsruhe: Fernsehbeitrag „MAKE BORIS R!CH AGAIN“ von Oliver Pocher verletzt allgemeines Persönlichkeitsrecht von Boris Becker

OLG Karlsruhe
Urteil vom 28.11.2023
14 U 620/22


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass der Fernsehbeitrag „MAKE BORIS R!CH AGAIN“ von Oliver Pocher das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Boris Becker verletzt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Berufungssache Becker gegen Pocher – Oberlandesgericht Karlsruhe untersagt die Veröffentlichung von Bildsequenzen aus der Sendung „Pocher – gefährlich ehrlich“

Anlass der zivilrechtlichen Streitigkeit zwischen dem Kläger (Boris Becker) und dem Beklagten (Oliver Pocher) ist ein am 29.10.2020 ausgestrahlter etwa 15-minütiger Beitrag in der vom Beklagten moderierten RTL-Fernsehsendung „Pocher – gefährlich ehrlich“. In dem Beitrag wird dem Kläger ein „Fake“-Modepreis („Fashion Brand Award“) einer frei erfundenen Zeitschrift für eine vom Kläger betriebene Modelinie verliehen.

Der Kläger sieht durch die Verwendung der durch Täuschung erlangten Videoaufnahmen sein Persönlichkeitsrecht verletzt und hatte den Beklagten beim Landgericht Offenburg auf Unterlassung der Verbreitung sowie auf Löschung der aufgezeichneten Film- und Bildaufnahmen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hatte die Klage mit Urteil vom 15. November 2022 abgewiesen, weil im konkreten Fall die Meinungs- und Rundfunkfreiheit, auf die sich der Beklagte berufen könne, gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers Vorrang genieße.

Der Kläger hatte gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht Karlsruhe Berufung eingelegt und hat durch ein heute verkündetes Urteil Recht bekommen. Dem Beklagten ist es nun untersagt, die strittigen Bildsequenzen weiterhin zu verbreiten. Außerdem muss er die Bildsequenzen löschen, soweit sie im Rahmen seiner eigenen Internetpräsenz veröffentlicht sind.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ausgeführt, dass keine wirksame Einwilligung des Klägers zur Verwendung der angefertigten Bildsequenzen vorgelegen habe, weil der Kläger vom Beklagten bewusst über den Zweck der Aufnahmen getäuscht worden sei. Während dem Kläger vorgespiegelt worden sei, einen ernst gemeinten, echten Preis für sein Modelabel zu erhalten, habe der tatsächliche Zweck darin bestanden vorzuführen, wie der Kläger ohne sein Wissen zur Annahme einer in die Trophäe eingearbeiteten „Spendensumme“ veranlasst wird.

Eine Verwendung der Bildsequenzen ohne Einwilligung des Klägers wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die strittigen Aufnahmen dem Bereich der „Zeitgeschichte“ zuzuordnen wären. Dies sei – nach einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungs- und Rundfunkfreiheit des Beklagten – allerdings nicht anzunehmen.

Zwar sei bei Ausstrahlung der Sendung aufgrund des Insolvenzverfahrens und der Berichte über die strafrechtlichen Ermittlungen das öffentliche Interesse an der persönlichen und wirtschaftlichen Situation des Klägers erheblich gewesen. Dieses Informationsinteresse habe jedoch nicht dazu geführt, dass der Kläger jede Form der Verwendung seines Bildes – gleich, auf welche Weise es gewonnen wurde – habe hinnehmen müssen. Die Herstellung und Präsentation der Bildsequenzen sei durch die breit vom Beklagten in den Vordergrund gestellte Täuschung des Klägers geprägt gewesen. Der Kläger sei durch die Täuschung zu einem Objekt degradiert und zugleich dahingehend manipuliert worden, aktiv daran mitzuwirken, seine eigene Person ins Lächerliche zu ziehen. Da sich der Sendungsinhalt zudem nur ganz am Rande mit der Insolvenz und ihrer Folgen für den Kläger befasst habe, müsse dem Persönlichkeitsrecht des Klägers der Vorrang eingeräumt werden.

Der Senat hat keine Revision gegen sein Urteil zugelassen. Dennoch ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Binnen eines Monats könnte beim Bundesgerichtshof Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt werden.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Zivilsenate in Freiburg, Urteil vom 28.11.2023, Aktenzeichen: 14 U 620/22



LAG Baden-Württemberg: 10.000 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unautorisierter Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen durch ehemaligen Arbeitgeber

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 27.7.2023
3 Sa 33/22

Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber in Höhe von 10.000 EURO aus Art. 82 DSGVO wegen der unautorisierten Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen hat..

Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Berufung des Klägers waren diesem wegen der unautorisierten Verwendung ihn betreffenden Bildmaterials in Video- und Fotoaufnahmen nicht nur 3.000,00 EUR, sondern 10.000,00 EUR als Schadensersatz zuzusprechen.

1. Wegen der Verpflichtung der Beklagten dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO bzw. zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Nutzung von Film- und Fotoaufnahmen, die den Kläger erkennbar über längeren Zeitraum zeigen, kann zunächst auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2. lit. b der Entscheidungsgründe seines Urteils (Bl. 214 bis 217 d. ArbG-Akte) verwiesen werden. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung liegen neben der Sache.

Wenn die Beklagte ausführt, dass „zwischen den Parteien abgestimmt gewesen“ sei, dass die Beklagte das Schulungsvideo auch nach Ausscheiden des Klägers vollumfänglich mit dem Bild des Klägers weiter nutzen könne, so ist nicht ansatzweise ersichtlich, wer - bei der Beklagten handelt es sich um eine juristische Person - mit wem wann welche konkrete Regelung vereinbart haben soll. Der Kläger hat eine entsprechende Abrede bestritten.

Auch wenn der Kläger im Zeitpunkt des Anfertigens des Bildmaterials hiermit und mit der Verwertung des Bildmaterials zu Werbezwecken für die Beklagte einverstanden war, so bedeutet dies nicht, dass dieses Einverständnis über den Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten hinaus fortbestand, zumal der Kläger in unmittelbarem zeitlichen Anschluss in vergleichbarer Position bei einem Wettbewerber tätig wurde. Vielmehr hätte die Beklagte sämtliche Bildnisse des Klägers von sich aus spätestens im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus ihren Werbemedien entfernen müssen (vgl. ArbG Neuruppin 14. Dezember 2021 - 2 Ca 554/21 - ZD 2022, 396). Dies hat die Beklagte jedoch nicht getan, sondern in der Folgezeit ein das Persönlichkeitsrecht des Klägers in erheblichem Maße beeinträchtigendes Verhalten an den Tag gelegt.

a) Im Ansatz zu Recht gibt die Beklagte an, dass nicht jedwede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, also auch nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild, einen Anspruch des Betroffenen auf eine Geldentschädigung gegen den Urheber auslöst (BGH 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 984). Erforderlich ist vielmehr eine Bewertung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild sind im Regelfall geringere Anforderungen an die Zusprechung einer Geldentschädigung zu stellen, da die Rechtsverletzung, anders als bei das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerungen, regelmäßig nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - BGHZ 199, 237). Bei dieser Entschädigung steht regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen.

Im vorliegenden Fall liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Auch wenn dieser zunächst mit der Anfertigung von Bildnissen einverstanden war und diese möglicherweise aktiv befördert hat, war für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers und seines Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen nicht mehr der Fall war. Die Beklagte hat dennoch weder von sich aus und zunächst auch nicht auf mehrmaliges Drängen des Klägers die Foto- und Videoaufnahmen mit dem Kläger aus ihren Werbemedien entfernt, sondern dies erst im Februar 2020 und somit über 9 Monate nach seinem Ausscheiden vollständig getan.

b) Nicht ausreichend berücksichtigt hat das Arbeitsgericht bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung, dass die Beklagte den Kläger über den Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat. Dies bedeutet zwar nicht, dass eine „Gewinnabschöpfung“ vorzunehmen ist, wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen ist. In solchen Fällen muss von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen; als weiterer Bemessungsfaktor kann die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung berücksichtigt werden (BGH 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984).

Die Beklagte hat die Angaben des Klägers nicht substanziiert bestritten, wonach sie im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis 21. Februar 2020 viertägige Lehrgänge zum Erlernen von Foliertechniken angeboten habe, die zum Preis von 1.999,00 EUR von ca. 6 Personen je Lehrgang besucht worden seien. Dabei habe die Beklagte etwa 7.000,00 EUR Gewinn je Lehrgang vereinnahmt. Wie die Erörterungen in den mündlichen Verhandlungen vor der Berufungskammer ergeben haben, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer des Lehrgangs aufgrund des den Kläger zeigenden Werbematerials speziell wegen der Person des Klägers bei der Beklagten gebucht haben. Die Beklagte hat nicht mit dem Namen des Klägers geworben, der auch selbst nicht behauptet hat, in der Branche bekannt gewesen zu sein, weshalb Teilnehmer gezielt Schulungen mit ihm besucht haben könnten. Andererseits hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass der Kläger seine jetzige Position bei Mitbewerbern auch deshalb bekleide, weil er durch die entsprechenden Schulungen und Veröffentlichungen bekannt geworden sei. Somit hat die Beklagte einen gewissen Werbeeffekt ausgenutzt, was bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags zu berücksichtigen ist ebenso wie der Umstand, dass sie vermeiden wollte, das mit viel Aufwand und Kosten angefertigte Schulungsvideo nicht mehr unverändert verwerten zu können.

c) Unter Abwägung dieser Umstände hält die Kammer einen Entschädigungsbetrag von 10.000,00 EUR für angemessen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention nicht anspruchserhöhend wirkt sich die anwaltliche Vertretung der Beklagten spätestens seit Anfang Februar 2020 aus (vgl. BAG 5. Mai 2022 - 2 AZR 263/21 - NZA 2022, 1191).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext LG Düsseldorf liegt vor: 120.000 EURO Schmerzensgeld für Upload von Sexvideos durch Ex-Internetbekannschaft auf diversen Pornoplattformen bei namentlicher Nennung der Betroffenen

LG Düsseldorf
Urteil vom 14.06.2023
12 O 55/22


Das LG Düsseldorf hat der Klägerin 120.000 EURO Schmerzensgeld für den Upload von Sexvideos durch eine Ex-Internetbekannschaft auf diversen Pornoplattformen bei namentlicher Nennung der Betroffenen zugesprochen. Der Beklagte wurde zudem zur Unterlassung verurteilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Düsseldorf gemäß § 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 ZPO sachlich und gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO örtlich und damit auch international zuständig. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in die absolut geschützte Intimsphäre (bzw. in das Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KustUrhG) handelt es sich um Ansprüchen aus unerlaubter Handlung. Der soziale Geltungsanspruch der klagenden Partei ist bereits dann erheblich tangiert, wenn auch nur eine Person aus ihrem Lebenskreis die inkriminierten Bilder und Videos zur Kenntnis genommen hat (vgl. BGH Urt. v. 02.03.2010, VI ZR 23/09 – New York Times). Die streitgegenständlichen Videos waren im hiesigen Gerichtsbezirk abrufbar und wurden u.a. von Freunden und Bekannten der Klägerin abgerufen und gesehen. Im Übrigen hat sich der in Z. ansässige Beklagte rügelos zur Sache eingelassen (Art. 26 EuGVVO).

Schließlich hat die Klägerin gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz EGBGB bestimmt, dass deutsches Recht Anwendung finden soll. Nach dieser Vorschrift kann der Verletzte verlangen, dass anstelle des Rechts des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat (Abs. 1 Satz 1), das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist.

II.
1.
Der Klägerin steht nach deutschem Recht gemäß §§ 1004, Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen (schwerer) Persönlichkeitsrechtsverletzung zu.

Die ohne Erlaubnis der Klägerin durch den Beklagten veranlasste Veröffentlichung der im Tenor unter 1.a) und b) bis o) aufgelisteten 15 Videos im Internet stellt jeweils einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Darstellungen des nackten Körpers zählen ebenso wie der Bereich der Sexualität als Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung zur absolut geschützten Intimsphäre (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.1985, Az. VI ZR 28/93; BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007, Az. 1 BvR 1783/05, Rn. 88, zitiert nach juris).

Die 15 Videos zeigen die Klägerin in Bild und Ton nackt bei verschiedenen sexuellen Handlungen. Die Klägerin ist somit durch die Veröffentlichung intimster, sie im Bild und durch Namen identifizierender Videoaufzeichnungen sowohl in ihrem Recht am eigenen Bild als auch in ihrem Anspruch auf Achtung ihrer absolut geschützten Intimsphäre verletzt, indem der Beklagte ohne Einwilligung der Klägerin und gegen ihren Willen, private Nacktvideos, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, weltweit im Internet unter Angabe ihres Namens verbreitet hat.

Die Veröffentlichung der Videos auf den Pornovideoportalen www.de.F..com und www.I..com erfolgte unstreitig durch den Beklagten. Der Beklagte hat im Laufe des Verfahrens eingeräumt, dass er auch für das Hochladen des Videos auf www.F..com verantwortlich ist, wenngleich dies – was wenig glaubhaft ist – laut dem Beklagten bei der Erstellung von GIFs versehentlich geschehen sein soll. Da es im Rahmen des Unterlassungsanspruchs nicht auf ein Verschulden ankommt, besteht der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch unabhängig davon, ob – wie der Beklagte behauptet – die Veröffentlichung lediglich versehentlich erfolgt ist.

Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht, da der Beklagte trotz wiederholter Aufforderung und Fristsetzung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert hat. Dabei begründen bereits die hier vorliegenden Verletzungshandlungen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfällt. Die bloße Aufgabe des rechtsverletzenden Verhaltens oder die einfache schriftliche Ankündigung, dies zu tun, reichen dafür nicht aus (vgl. BGH Urt. v. 02.10.2012, Az. I ZR 82/11, Rn. 58).

Die Androhung von Ordnungsmittel folgt aus § 890 ZPO.

2. Die Klägerin hat ferner gemäß § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB wegen der schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 120.000,00 €.

Die Schwere der Persönlichkeitsverletzungen im Streitfall rechtfertigt die Zahlung einer Geldentschädigung, die sich nach der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, nach Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie nach dem Grad seines Verschuldens richtet (BGH, Urt. v. 24.11.2009, Az. VI ZR 219/08, Rn. 11, zitiert nach juris; BGH, NJW 1995, 861 864). Der bloß in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch kann die bereits eingetretene massive Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht kompensieren, da eine unüberschaubare Anzahl von Personen – nicht nur aus dem persönlichen Umfeld der Klägerin (Bekannte und Freunde), sondern auch diejenigen, denen die Klägerin aufgrund ihrer sportlichen Erfolge bekannt ist – unwiderrufliche Einblicke in ihr intimes Sexualleben erhalten hat, was allgemein als beschämend und kompromittierend empfunden wird und eines Ausgleichs bedarf.

Das erforderliche Verschulden liegt vor. Der Beklagte handelte – wie eine Gesamtwürdigung ergibt – zumindest bei der Veröffentlichung der Videos im Internet vorsätzlich. Alles spricht dafür, dass er die Videos bewusst und somit auch vorsätzlich veröffentlicht hat. Soweit er in der Klageerwiderung vorträgt, er habe die Videos lediglich versehentlich auf der Internetseite www.I..com veröffentlicht, als er diese in „seinem“ privaten Account („Only-me-Account“) habe speichern wollen, steht dies zu dem von der Klägerin geschilderten zeitlichen Ablauf erkennbar im Widerspruch. Denn das erste oben unter I.1.a) genannte Video wurde am 10.02.2021 auf dem Pornovideoportal www.F..com (u.a. unter https://de.F..com/N01/T./) veröffentlicht, während die Veröffentlichungen der 14 weiteren Videos auf dem Pornovideoportal www.I..com erst zwei Tage später, ab dem 12.02.2021, erfolgten, nämlich an dem Tag, an dem der Account eingerichtet worden war. Dies belegen neben dem auf www.F..com genannten Upload-Datum (10.02.2021) auch das dokumentierte Erstelldatum des I.-Account sowie die Screenshots der Suchergebnisse bei „N.“ aus dieser Zeit. Insofern kann der Ursprung der Veröffentlichung des ersten Videos im Internet nicht – wie der Beklagte schildert – in der angeblich versehentlich erfolgten Veröffentlichung auf www.I..com liegen. Ein weiteres gewichtiges Indiz für ein vorsätzliches Veröffentlichen liegt in der Art und Weise, wie der Beklagte die Videos bei den beiden Pornovideoportalen benannt hat und welche Angaben er bei der Erstellung des I.-Account gemacht hat. Die Benennung der einzelnen Videos in englischer und deutscher Sprache mit entsprechend anzüglichen Titeln zielt erkennbar auf ein breiteres Publikum. Auch ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beklagte bei der von ihm angeblichen beabsichtigten Geheimhaltung der „Affäre“ den vollständigen Klarnamen der Klägerin für die Benennung des Accounts verwendet, deren Alter und deren Herkunft („Deutschland“) angibt. Denn für den Geheimnisschutz ist es nicht erforderlich, sondern gerade abträglich, dass der Beklagte die von ihm eingegebenen personalisierte Angaben „P., 39 Jahre, weiblich, Deutschland“ macht und ein Nacktbild von ihr als Profilbild frei zugänglich und abrufbar hoch lädt. In der Tat hätte es dann – wie die Klägerin vorträgt – nähergelegen, dass der Beklagte die Videodateien auf einem kostenlosen Cloud-Dienst hochgeladen hätte. Soweit die Klägerin die Existenz der Only-Me-Funktion bestritten hat, hat der Beklagte die technische Möglichkeit und die genaue Arbeitsweise dieser Funktion auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Nach alldem handelt es sich bei der Behauptung, er habe die Only-Me-Funktion auf dem Pornovideoportal www.I..com aktiveren wollen bzw. aktiviert, um eine Schutzbehauptung. Die Angaben des Beklagten hierzu sind insgesamt nicht glaubhaft. Dies gilt auch für das angeblich versehentliche Hochladen des einen Videos auf dem Pornovideoportal www.F..com. Wie bei der Erstellung einer kurzen Videoanimation, eines GIFs, (mit welcher Software?) das in Rede stehende Video konkret verwendet wurde, legt der Beklagte bereits nicht dar. Auch ist nicht nachvollziehbar dargetan, dass das (behauptete) bloße Verwenden einer Videodatei dazu führt, dass diese im Internet veröffentlicht wird. Insofern passt es auch ins Bild, wenn die Klägerin vorgetragen hat, dass sie das zuletzt mit dem Beklagten geführte Telefonat irritiert habe, als dieser zu ihr gesagt habe, dass „der Pornokanal jetzt voll sei, bis auf ein gemeinsames Sextape“.

Erfolgt der Eingriff in die absolut geschützte Intimsphäre – wie hier – durch die Veröffentlichung von Nacktvideos und/oder Sexvideos, sprechen die Gerichte den Geschädigten üblicherweise eine Geldentschädigung von mehreren Tausenden von Euro je Veröffentlichungshandlung zu. Die Höhe der Entschädigung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Abzustellen ist insoweit insbesondere darauf, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck die Bilder bzw. Videos gefertigt wurden, wie der Schädiger an die Bilder bzw. Videos gelangt ist, was auf diesen genau zu erkennen ist, ob die betreffende Person darauf zu erkennen ist bzw. ob Hinweise auf deren Identität gegeben sind, wer von den Bildern bzw. Videos Kenntnis erlangt hat, welche Folgen privater, beruflicher und/oder finanzieller Art die Bekanntgabe der Fotos hatten und aus welchen Motiven heraus (z.B. aus Rache nach einer beendeten Liebesbeziehung) die Veröffentlichung im Internet erfolgte (vgl. LG Düsseldorf Urt. v. 16.11.2011, 12 O 438/11: 5.000,00 EUR für ein Nacktfoto eines Nacktmodells bei einer Malaktion; LG Kiel, Urt. v. 27.04.2006, Az. 4 O 251/05, NJW 2007, 1002: 25.000,00 EUR für drei Nacktfotos im Internet, die die Geschädigte zum Teil vollständig nackt zeigten, wobei zudem deren vollständiger Name und ihre Anschrift genannt wurde; LG Berlin, Urt. v. 07.10.2014, Az. 27 O 166/14: 15.000,00 EUR für die Veröffentlichung eines Privatpornos im Internet; AG Neukölln, Urt. v. 25.03.2021, Az. 8 C 212/20: 3.000,00 EUR für die Versendung eines Fotos und eines kürzeren Sexvideos über einen Messenger-Dienst an eine Verwandte der betroffenen Person nach dem Ende der Liebesbeziehung; OLG Hamm, Urt. v. 20.02.2017, Az.: 3 U 138/15, NJW-RR 2017, 1124: 7.000,00 EUR für ein Foto einer 16-Jährigen, das diese beim Oralverkehr zeigt und OLG Hamm, Urt. v. 03.03.1997, Az. 3 U 132/96, NJW-RR 1997, 1044: 20.000 DM für ungenehmigte Veröffentlichung von Aktfotos auf dem Titelblatt einer Zeitschrift; vgl. hierzu auch die Übersicht bei Krumm, FamRB 2019, 124, 127).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze erachtet die Kammer angesichts des Ausmaßes und der Schwere der Persönlichkeitsverletzungen eine Entschädigung von insgesamt 120.000,00 € für angemessen. Von den 15 Videos enthalten 12 Videos nicht nur Nacktaufnahmen (überwiegend des gesamten Körpers), sondern mehrere Videos auch explizit sexuelle Inhalte und Darstellungen (wie z.B. Masturbationsszenen und (Nah-)Aufnahmen des Intimbereichs und von der Penetration mit einem Sexspielzeug und anderen Gegenständen). Die drei weiteren Videos weisen aufgrund der Handlung und der Bezeichnung („blowjob“) ebenfalls einen erkennbaren sexuellen Bezug auf. Die in Rede stehenden Videos waren bis zur erfolgten Löschung auf insgesamt drei einschlägigen, frei zugänglichen Pornoseiten im Internet weltweit abrufbar, und zwar auf www.I..com für mindestens vier Monate und auf www.Y..com knapp ein Jahr. Insgesamt hat der Beklagte 15 Videos selbst hochgeladen. Zudem waren 14 der Videos im Juni 2021 auch unter wwwB..cc abrufbar. In sämtlichen vorgenannten Videos ist die Klägerin zu erkennen, da ihr Gesicht meist für längere Zeit zu sehen ist. Darüber hinaus ist in mehreren Videos ihre Stimme zu hören, in einzelnen Videos spricht sie direkt in die Kamera und den Beklagten persönlich an. Die Videos sind überwiegend länger als eine Minute, teils aber auch deutlich länger, nämlich bis zu 6 ½ Minuten lang. Die Videos wurden in Einzelfällen bis zu 9.387 Mal angesehen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte die Videodateien unter Verwendung des Vor- und Nachnamens der Klägerin entsprechend bezeichnet und die Videos auf www.I..com unter einem eigens von ihm unter ihrem Namen eingerichteten Account veröffentlicht hat. Nicht zuletzt dadurch waren die Videos – wie die Klägerin durch die Ausdrucke von Suchanfragen belegt hat – auch mit Hilfe von Suchmaschinen (wie z.B. N.) ohne Kenntnis der Domains der genannten Internetadressen ohne weiteres auffindbar. Da der Beklagte die von ihm veröffentlichten Videos jeweils mit einem neuen Titel unter dem Namen der Klägerin veröffentlicht hat, handelte er bei jeder Veröffentlichung aufgrund eines neu und selbständig gefassten Tatentschlusses.

Bei der Höhe der Bemessung der Geldentschädigung hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der in Z. lebende Beklagte als Immobilienmakler für exklusive und hochpreisige Immobilien tätig und Inhaber der Fa. A. ist. Denn bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB können nach höchstrichterlicher Rechtsprechung alle Umstände des Falles berücksichtigt werden, wobei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten dabei nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. BGH, Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16.09.2016, Az. VGS 1/16,Rn. 29). Insoweit ist der Hinweis des Beklagten auf den Anfragebeschluss des BGH vom 08.10.2014 überholt.

Schließlich hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Klägerin die Videos selbst aufgenommen und dem Beklagten per Messenger Dienst-App (O.) übersandt hatte. Die Kammer verkennt somit nicht, dass es sich hier nicht um heimliche Videoaufnahmen von der Klägerin handelt, die ohne Einwilligung veröffentlicht wurden. Aber auch dann, wenn die Veröffentlichung des Videos trotz eindeutiger Bestimmung für den „privaten Gebrauch“ einer einzigen Person, hier dem Beklagten als Empfänger der elektronisch (per O.) versandten Nachricht bestimmt ist, und das Video dann gleichwohl von diesem im Internet für eine unbestimmte Anzahl an Personen auf einem Pornovideoportal öffentlich zugänglich gemacht wird, liegt ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor.

3. Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 6.009,14 € gemäß § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG zu. Bei den ihr entstanden Rechtsanwaltsgebühren handelt es sich um erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten. Die Ausgaben waren aus Sicht der Klägerin erforderlich, um eine weitere Rechtsverletzung möglichst schnell zu unterbinden. Angesichts des einheitlichen Auftrags, gegen die widerrechtliche Veröffentlichung der Videos im Internet vorzugehen, ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht nur gegenüber dem Beklagten tätig geworden (mit der Abmahnung vom 17.01.2022 und dem Aufforderungsschreiben vom 11.02.2022), sondern auch gegenüber den Betreibern der Pornovideoportale www.I..com und www.F..com sowie gegenüber „N.“. Da es sich um eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handelt, ist insofern nach der Rechtsprechung des BGH ein Gesamtgegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten insgesamt zu bilden, (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2019, Az. VI ZR 403/17). Dieser Gesamtgegenstandswert beläuft sich auf 570.000,00 €.

Im Einzelnen:

Gegenstandswert Abmahnung 150.000,00 €
Geldentschädigung 120.000,00 €
Vorgehen gegen Veröff. unter www.I..com 140.000,00 €
Vorgehen gegen „N.“ hierzu 140.000,00 €
Vorgehen gegen Veröff. unter www.F..com 10.000,00 €
Vorgehen gegen „N.“ hierzu 10.000,00 €
Summe 570,000,00 €

Dabei betrifft das Vorgehen gegen Veröffentlichung unter www.F..com entgegen der Annahme der Klägerin nicht zehn verschiedene Videos, sondern nur ein Video, das lediglich unter zehn unterschiedlichen URLs mit abweichenden Länderkennungen („de“, „es“, „fr“ etc.) auf der Internetseite www.F..com abrufbar war, weswegen der Gegenstandswert insoweit bezüglich der vorgerichtlichen Tätigkeit des Klägervertreters gegenüber dem Betreiber des Pornovideoportals „Y.“ und „N.“ lediglich jeweils mit 10.000,00 € zu berücksichtigen war.

Unter Berücksichtigung der geltend gemachten 1,3 Gebühr ergibt sich ein Betrag von 6.009,14 €.

1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG 5.029,70 €
Auslagen Nr. 7001 u. 7002 VV RVG 20,00 €
MwSt. 19% 959,44 €
Summe 6.009,14 €

4. Aus den vorstehenden Gründen ist schließlich auch der mit dem Klageantrag zu 4. geltend gemachte Feststellungsantrag begründet. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin durch das rechtswidrige und schuldhafte Handeln des Beklagten, wie im Tenor zu 1. beschrieben, künftig weitere Schäden entstehen. Denkbar ist insbesondere, dass es künftig zu weiteren Veröffentlichungen der hier streitgegenständlichen Videos kommt, die auf die ursprüngliche Veröffentlichung der Videos durch den Beklagten zurückzuführen sind. Für solche künftigen Schäden hat der Beklagte ebenfalls einzustehen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext LG Hamburg liegt vor: Einstweilige Verfügung in Sachen Rammstein gegen Spiegel - Verdachtsberichterstattung teilweise rechtswidrig

LG Hamburg
Beschluss vom 14.07.2023
324 O 228/23

Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Verdachtsberichterstattung des Spiegels über die Band Rammstein in Teilen rechtswidrig war.

Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Antragsteller steht der aus dem Tenor ersichtliche Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu. Die angegriffene Berichterstattung verletzt den Antragsteller in dem tenorierten Umfang in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

1. Der Antrag zu Ziffer 2. zweiter Spiegelstrich hat Erfolg. Die Äußerung „W. berichtet, dass intern dieser Gang von der After-Show-Party zur After-Aftershow-Party die „Schlampenparade“ genannt werde. Die Frauen, die nicht ausgewählt wurden, blieben danach auf der regulären Party und könnten von Mitarbeitern der Crew angemacht werden, „Resteficken“ heiße das intern.“ verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers. Es handelt sich um eine rechtswidrig verbreitete Verdachtsäußerung der Antragsgegnerin. Die Kammer teilt insoweit nicht die Ansicht des Antragstellers, dass diese Äußerung von der Antragsgegnerin als feststehend verbreitet wird. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsleser geht nicht davon aus, dass es feststehe, dass die als von S. W. stammend in der Berichterstattung geschilderten Vorwürfe zutreffend seien. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtkontext, dass dieser in der Berichterstattung geschilderte Sachverhalt von der Antragsgegnerin nur als möglich dargestellt wird. Dies folgt insbesondere aus der unmittelbar den Schilderungen der S. W. vorangestellten Äußerung „Es scheint ein ausgefeiltes System hinter alldem zu stecken. So zumindest stellt es S. W. dar.“ Sodann werden die Schilderungen von Frau W. in der indirekten Rede wiedergegeben und am Ende des Artikels stellt die Antragsgegnerin fest „Es gibt bislang nur Indizien, dass die Geschichten stimmen könnten, es gibt immer mehr Aussagen. Das war bei H. W. am Anfang allerdings auch so.“ Aus dieser konkreten Einbettung folgt, dass die Antragsgegnerin nicht behaupten will, dass die von ihr in dem Artikel dargestellten Vorwürfe zutreffend seien, sondern dass sie dies lediglich für möglich erachtet. Dies gilt auch für die von S. W. wiedergegeben und hier angegriffenen Begebenheiten, welche die Antragsgegnerin als von S. W. berichtet darstellt.

Die Äußerung ist dennoch rechtswidrig verbreitet, da prozessual nicht von dem Vorliegen eines für die Veröffentlichung ausreichenden Mindestbestands an Beweistatsachen ausgegangen werden kann. Es kann prozessual nicht davon ausgegangen werden, dass die Verwendung der von dem Antragsteller angegriffenen Begriffe bei der Crew der Band R. ständige Praxis war. Der Antragsteller hat mit Nichtwissen bestritten, dass der Gang von der Aftershow-Party zur After-Aftershow-Party intern, also unter der Konzert-Crew, als „Schlampenparade“ bezeichnet werde. Gleiches gelte für die Behauptung, Frauen, die nicht ausgewählt werden würden, blieben auf der regulären Aftershow-Party und könnten von Mitarbeitern der Crew angemacht werden sowie für die Bezeichnung dieses Vorgehens als „Resteficken.“ Er hat ausgeführt, dass ihm derartige Bezeichnungen nicht bekannt seien und dass er noch nie davon gehört habe, dass die Konzert-Crew derartige Bezeichnungen im Zusammenhang mit den dargestellten Vorwürfen verwende. Der Antragsteller hat mithin dargelegt, dass er keine eigene Wahrnehmung zu den von der Antragsgegnerin behaupteten Vorwürfen hat. Das Bestreiten mit Nichtwissen stellt sich als zulässig im Sinne von § 138 Abs. 4 ZPO dar. Der Antragsteller hatte auch keine weiteren Erkundigungen einzuholen, da die diesbezüglichen Angaben der Antragsgegnerin, die sich auf die eidesstattliche Versicherung von Frau W. beruft, vollkommen offenlassen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Kontext die Äußerungen gefallen sein sollen.

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragsgegnerin eine eidesstattliche Versicherung der Zeugin W. vorlegt (Anlage AG3), welche schildert, dass sie mehrfach die Begriffe „Resteficken“ und „Schlampenparade“ in dem in der Berichterstattung dargestellten Zusammenhang von den Crewmitgliedern gehört habe, vermag die Kammer nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die in der Berichterstattung enthaltenen Vorwürfe als glaubhaft gemacht zu behandeln sind. Denn die eidesstattliche Versicherung der Zeugin W., Anlage AG3, ist insoweit nicht geeignet, den in der Berichterstattung transportierten Verdacht, der Gang von der Aftershow-Party zur After-Aftershow-Party werde intern als „Schlampenparade“ bezeichnet, der Umstand, dass sich Crewmitarbeiter an die auf der Aftershow-Party verbleibenden Mädchen heranmachen würden als „Resteficken“, als glaubhaft gemacht anzusehen. Die Antragsgegnerin transportiert in der Berichterstattung den Verdacht, die von dem Antragsteller angegriffenen Bezeichnungen seien gängige Praxis gewesen. Dies geht allerdings über das hinaus, was die Zeugin W. in ihrer eidesstattlichen Versicherung angegeben hat. Denn insoweit führt sie ohne weitere Angaben von Ort und Zeit und ohne Angabe, wer sich ihr gegenüber entsprechend geäußert habe, lediglich aus, dass sie diese Begriffe mehrfach von Crewmitgliedern gehört habe. Dass es sich bei diesen Bezeichnungen um ständige Übung handelt, so das sich aus der Berichterstattung ergebende Verständnis, folgt aus der eidesstattlichen Versicherung der Zeugin W. nicht. Vielmehr lässt sich dieser lediglich entnehmen, dass die Zeugin W. diese Begriffe mehrfach gehört habe, ohne dass Angaben zu der Häufigkeit der Verwendung gemacht wurden.

Kann prozessual nicht davon ausgegangen werden, dass die angegriffenen Vorwürfe zutreffend sind, liegt auch der für eine Verdachtsberichterstattung erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen nicht vor. Die Kammer geht davon aus, dass die eidesstattlich versicherten Angaben der Zeugin W., welche der Antragsgegnerin im Berichterstattungszeitpunkt vorlagen, auch nicht geeignet sind, den für eine Verdachtsberichterstattung erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen darzustellen. Denn wie dargelegt transportiert die Antragsgegnerin den Verdacht, dass die Benutzung der Bergriffe üblich gewesen sei, es sich mithin um ständige Übung gehandelt habe. Dies aber lässt sich der eidesstattlichen Versicherung der Zeugin W. nicht entnehmen.

Der rechtswidrig verbreitete Verdacht ist für den Antragsteller auch von persönlichkeitsrechtlicher Relevanz. Zwar handelt es sich nicht um Vorwürfe, welche dem Antragsteller persönlich gemacht werden. Indes sollen sie sich rund um die Konzerte der Band R. zugetragen haben, deren Frontmann der Antragsteller ist, sodass er auch selbst betroffen ist. Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass die Vorwürfe den Antragsteller auch deshalb nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, da er die Ausführungen der Antragsgegnerin betreffend das Vorhalten einer „Suck Box“ bei seinen Konzerten, in welcher er sich regelmäßig einen „Blowjob“ habe verpassen lassen, nicht in Abrede genommen hat. Die angegriffenen Vorwürfe sind ehrenrührig, da sie transportieren, dass die Frauen auf den Konzerten der Band R. despektierlich und abwertend behandelt werden. Auch wenn weiteres unstreitiges Handeln des Antragstellers und der Band bzw. ihres Umfelds von manchen Lesern ebenfalls als abwertend und despektierlich gegenüber Frauen bewertet werden kann, so muss es der Antragsteller nicht hinnehmen, dass ein entsprechender konkreter Vorwurf verbreitet wird, der keine ausreichende tatsächliche Stütze findet.

2. Soweit sich der Antragsteller mit dem Antrag zu 2. dritter Spiegelstrich gegen die Äußerung „Einmal, nach einem Konzert in München 2019, erinnert sich W., sei es auf der After-Aftershow-Party zu einem lautstarken Streit zwischen L. und K. gekommen. Sie hätten sich dasselbe Mädchen zum Sex ausgesucht und sich angeschrien, die ungefähr 20-jährige Frau habe verstört gewirkt.“ wendet, handelt es sich um eine rechtswidrige Verdachtsberichterstattung. Die Kammer teilt insoweit wiederum nicht die Ansicht des Antragstellers, dass der geschilderte Streit von der Antragsgegnerin als so tatsächlich geschehen behauptet wird. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsleser geht nach Auffassung der Kammer nicht davon aus, dass es feststehe, dass die als von S. W. in der Berichterstattung geschilderten Vorwürfe zutreffend seien. Vielmehr ergibt sich aus den soeben dargestellten Gründen unter Berücksichtigung des Gesamtkontexts der Berichterstattung, dass dieser in der Berichterstattung geschilderte Sachverhalt von der Antragsgegnerin nur als möglich erachtet wird.

Der so von der Antragsgegnerin verbreitete Verdacht, es sei auf einer After-Aftershow-Party zu einem lautstarken Streit zwischen L. und K. gekommen. Sie hätten sich dasselbe Mädchen zum Sex ausgesucht und sich angeschrien, die ungefähr 20-jährige Frau habe verstört gewirkt, ist indes rechtswidrig verbreitet, da die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung nicht vorliegen. Insoweit fehlt es hinsichtlich des konkreten Vorwurfs an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, welcher der Berichterstattung Öffentlichkeitswert verleiht.

Prozessual kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in der Berichterstattung geschilderte Vorfall mit dem transportierten Hintergrund tatsächlich stattgefunden hat. Der Antragsteller hat bestritten, dass es zwischen R. K. und ihm zu einem lautstarken Streit um ein Mädchen gekommen sei, das sich beide zum Sex ausgesucht hatten. Die Antragsgegnerin beruft sich zur Begründung des im Berichterstattungszeitpunkt vorliegenden Mindestbestands an Beweistatsachen für den von ihr verbreiteten Verdacht auf die Zeugin S. W., welche die von ihr gegenüber der Antragsgegnerin geschilderten Angaben an Eides statt versichert hat. Indes hat die Zeugin den Sachverhalt gegenüber der Antragsgegnerin im Berichterstattungszeitpunkt nicht wie in der Berichterstattung niedergelegt geschildert.

Insoweit hat die Zeugin W., wie aus der Anlage AG3 ersichtlich, der Antragsgegnerin gegenüber angegeben: „In München gab es während der Tour 2019 einen Vorfall, bei dem T. L. und R. K. sich lautstark im Backstage stritten. Beide hatten sich auf der After-Aftershow-Party offenbar dasselbe Mädchen „ausgesucht“, um Sex mit ihr zu haben. (…)“ Hieraus wird deutlich, dass die Zeugin den Streit zwischen dem Antragsteller und Herrn L. aus eigener Wahrnehmung schildert, hinsichtlich des Grund des Streits aber Mutmaßungen anstellt. Insoweit unterscheidet sich die eidesstattliche Versicherung, welche ja die gegenüber der Antragsgegnerin geschilderte Einlassung der Zeugin „abdecken“ soll, von der Berichterstattung, in welcher es konkret heißt:

„Einmal, nach einem Konzert in München 2019, erinnert sich W., sei es auf der After-Aftershow-Party zu einem lautstarken Streit zwischen L. und K. gekommen. Sie hätten sich dasselbe Mädchen zum Sex ausgesucht und sich angeschrien, die ungefähr 20-jährige Frau habe verstört gewirkt.“ (Anlage Ast6) bzw. „Einmal, nach einem Konzert in München 2019, erinnert sich W., sei es auf der After-Aftershow-Party zu einem lautstarken Streit zwischen L. und Gitarrist R. K. gekommen. Sie hätten sich dasselbe Mädchen zum Sex ausgesucht und sich angeschrien, die ungefähr 20-jährige Frau habe verstört gewirkt. (Anlage Ast7).

Randnummer15
Das Verständnis, das ein unvoreingenommener und verständiger Durchschnittsleser der Berichterstattung entnimmt, ist, dass die Zeugin W. sowohl den Streit selbst als auch dessen Grund selbst wahrgenommen hat. Dafür fand sich bereits im Berichterstattungszeitpunkt in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung keine ausreichende Grundlage, da die Zeugin W. in dieser offenlegt, dass der Grund des Streits nicht auf einer sicheren Kenntnis beruht („offenbar“). Schon aus diesem Grund durfte die Antragsgegnerin nicht wie geschehen berichten, da für den in der Berichterstattung transportierten Verdachtsmoment keine ausreichende Tatsachengrundlage vorlag.

Es liegt auch trotz der mit Schriftsatz vom 10.07.2023 (dort auf Seite 12) abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr vor. Denn auch wenn die Antragsgegnerin sich verpflichtet hat, die Passage nur noch wie folgt zu verbreiten: „„Einmal, nach einem Konzert in München 2019, erinnert sich W., sei es auf der After-Aftershow-Party zu einem lautstarken Streit zwischen L. und K. gekommen. Sie hätten sich offenbar dasselbe Mädchen zum Sex ausgesucht und sich angeschrien, die ungefähr 20-jährige Frau habe verstört gewirkt.“ ist die Verdachtsberichterstattung weiterhin als rechtswidrig verbreitet anzusehen. Die Unterlassungsverpflichtungserklärung ist inhaltlich nicht ausreichend, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Denn die angegriffene Passage wird weiterhin rechtswidrig verbreitet.

Die Kammer geht davon aus, dass aufgrund des Umstands, dass die Zeugin W. den Grund des Streits auch nach eigenen Angaben nicht persönlich mitbekommen hat, er insoweit also nicht auf ihrer eigenen Wahrnehmung beruht, sondern nur auf einer entsprechenden Mitteilung ihres damaligen Partners, der für die Verbreitung des Verdachts erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen nicht vorliegt. Es handelt sich um einen für den Antragsteller stark ehrenrührigen Vorwurf, dessen Stattfinden er in Abrede nimmt.

Der Vorfall kann nicht als prozessual unstreitig behandelt werden. Zwar hat der Antragsteller das Stattfinden des Vorfalls nur einfach bestritten und keine entsprechende eidesstattliche Versicherung vorgelegt, während die Antragsgegnerin sich zur Glaubhaftmachung des Vortrags auf die eidesstattliche Versicherung der Zeugin S. W. berufen hat. Indes hat diese – wie bereits ausgeführt – den Grund des von ihr geschilderten Streits nicht selbst wahrgenommen, sondern selbst insoweit eine Unsicherheit aufgewiesen, als dass dies „offenbar“ der Grund des von ihr erlebten Streits gewesen sei. In einer späteren eidesstattlichen Versicherung hat sie präzisiert, nur Zeugin vom Hörensagen gewesen zu sein. Auch wenn dem Umstand, dass die Zeugin ihre Angaben an Eides statt versichert hat, ein erhebliches Gewicht zukommt, während der Antragsteller den Vorfall nur einfach bestritten hat, vermag die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangen, dass es tatsächlich bei einer After-Aftershow-Party anlässlich eines R.-Konzerts in München 2019 zu einem Streit zwischen dem Antragsteller und R. K. gekommen ist, da sich beide dasselbe Mädchen zum Sex ausgesucht hatten. Dies insbesondere, da die Zeugin selbst keine eigene Wahrnehmung jedenfalls den Grund des Streits betreffend hat.

Aus diesem Grund ist allein die eidesstattliche Versicherung der Zeugin W. auch nicht geeignet, den für die vorliegende Verdachtsberichterstattung erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen darzustellen. Auch wenn der Leser nun erkennen kann, dass die Zeugin keine sichere Kenntnis hat, was der Grund des von ihr geschilderten Streits gewesen sei, so entnimmt er dennoch der Darstellung die Möglichkeit, R. K. und der Antragsteller hätten sich dasselbe Mädchen zum Sex ausgesucht, weswegen es zum Streit zwischen ihnen gekommen sei. Insoweit bleibt auch bei dieser Darstellung ein gewichtiger Verdacht gegenüber dem Antragsteller bestehen, für welchen der erforderliche Mindestbestand nicht vorliegt.

3. Auch der Antrag zu 3. hat Erfolg. Es handelt sich um eine rechtswidrige Verdachtsberichterstattung, welche den Antragsteller in seinem geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Kammer geht davon aus, dass der von dem Antragsteller mit dem Antrag zu 3. angegriffene Verdacht, der Antragsteller habe Frauen bei Konzerten der Gruppe „R.“ mithilfe von K.O.Tropfen und/oder Drogen und/oder Alkohol betäubt oder betäuben lassen, um ihm zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an den Frauen vornehmen zu können, aus der Sicht des maßgeblichen unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittslesers tatsächlich erweckt wird. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Schilderung der gegenüber dem Antragsteller existierenden Vorwürfe wie folgt eingeleitet wird: „Es gibt Vorwürfe von Frauen, dass T. L., 60, der Sänger der B. Band R. und wahrscheinlich der einzige wirklich weltberühmte deutsche Rocker, rund um Konzerte Frauen belästigt haben soll. Einige Frauen vermuten, ihnen seien Drogen ins Getränk gemischt worden. L.s Leute sollen ein perfides Casting-System für Groupies unterhalten und Sex mit ihnen organisiert haben.“ Kurz danach heißt es: „Kann man zusammenbleiben, wenn dem eigenen Frontmann solche Vorwürfe gemacht werden?“ Sodann werden Fälle geschildert, in denen junge Frauen nach dem Konsum von Getränken Erinnerungslücken beschreiben und Sex mit dem Antragsteller hatten bzw. von diesem nach solchem gefragt wurden. Insoweit heißt es bei der Irin S. L., die auf einem Konzert „gespiked“ worden sein soll, dass diese zuvor auf einer Pre-Party mit dem Antragsteller eingeladen gewesen sei. Dort sei ihr ein Drink angeboten worden. Später sei ihre Erinnerung abgerissen. Der Antragsteller habe sie später gefragt, ob sie Sex mit ihm wolle. Auch der in der Berichterstattung als „Z.“ bezeichnete weibliche Fan gibt an, dass sie nach dem nur maßvollen Konsum von Alkohol zu dem Antragsteller in das Hotel gefahren sei, dort sei es dann zum Sex mit dem Antragsteller gekommen, ihre Erinnerungen seien verschwommen, sie habe sich nicht aufrecht halten können. „A.“ teilt ebenfalls mit, zu dem Antragsteller in ein Hotel gebracht worden zu sein. Dort habe sie Wodka bekommen, dann begännen ihre Erinnerungen lückenhaft zu werden. Sie habe neben dem Antragsteller gesessen, das wisse sie noch. Als sie aufgewacht sei, habe der Antragsteller auf ihr gelegen. Die Antragsgegnerin führt nach der Schilderung der von den drei Frauen dargestellten Vorwürfe weiter aus: „Es zeichnet sich ein ähnliches Muster ab. In all den Verdachtsfällen, die bisher bekannt sind. (…) Es scheint ein ausgefeiltes System hinter alldem zu stecken.“ Sodann fährt die Berichterstattung mit den Schilderungen der Zeugin S. W. fort, die davon berichtet, dass ihr eine von einer Pre-Party kommende Teilnehmerin dieser Party, die sehr betrunken gewesen sei, berichtet habe, dass es auf der Pre-Party Alkohol gegeben habe, sie schon auf mehreren dieser Partys gewesen sei und der Antragsteller immer dabei sei. Eine andere Teilnehmerin dieser Party habe vollkommen überdreht gewirkt und es sei ihr sichtbar schwergefallen, eine Unterhaltung zu führen. Im weiteren Verlauf des Artikels nimmt die Antragsgegnerin Bezug auf von dem Antragsteller veröffentlichte Poesie, in welcher dieser unter anderem schreibt: „Ich schlafe gern mit dir wenn du schläfst, wenn du dich überhaupt nicht regst.“ sowie „Und genauso soll das sein (so soll das sein so macht das Spaß), etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas).“ und bezeichnet diese als Vergewaltigungsfantasien. Von diesen Fantasien heißt es bereits in der Unterüberschrift der Print-Berichterstattung (Anlage Ast7), dass sie Wirklichkeit geworden sein könnten, was als sich auch auf die Gabe von Rohypnol beziehend verstanden wird.

Dem dargestellten Kontext entnimmt der Durchschnittsleser das Verständnis, dass der Antragsteller selbst oder mit seinem Wissen und Wollen durch „seine Leute“ ein System unterhalten haben könnte, in dem Frauen im Umfeld der Konzerte der Band R. K.O-Tropfen und/oder Drogen und/oder Alkohol verabreicht wurden, damit diese mit dem Antragsteller Sex haben bzw. er sexuelle Handlungen an diesen vornehmen könne. Zwar lässt sich den wiedergegebenen Schilderungen der in der Berichterstattung genannten Konzertbesucherinnen nicht entnehmen, dass diese tatsächliche Anhaltspunkte dafür haben, dass der Antragsteller ihnen Drogen/K.O.-Tropfen/Alkohol verabreicht hat, damit er im Anschluss mit diesen Sex haben bzw. sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen könne. Allerdings wird dieser Verdacht durch die von der Antragsgegnerin gewählte konkrete Einbettung der Aussagen der Zeuginnen mit den vorstehend wiedergegebenen Passagen des Artikels erweckt.

Die Kammer hat dabei auch den Einwand der Antragsgegnerin berücksichtigt, dass der Leser der Berichterstattung keinen Verdacht entnehme, er erkenne vielmehr, dass insoweit lediglich Vermutungen angestellt würden. Doch auch wenn der Grat zwischen einer als Meinungsäußerung einzuordnenden Vermutung und der Erweckung eines tatsächlichen Verdachts mitunter schmal ist, ist hier von letzterem auszugehen. Denn die Berichterstattung wird nicht nur mit dem gegenüber dem Antragsteller erhobenen Vorwürfen der Belästigung von Frauen rund um Konzerte eingeleitet. Nach dem Hinweis darauf, dass einige Frauen vermuten, ihnen seien Drogen ins Getränk gemischt worden, und dass „die Leute“ des Antragstellers ein perfides Castingsystem für Groupies unterhalten und Sex mit ihnen organisiert haben sollen, fragt die Antragsgegnerin „Kann man zusammenbleiben, wenn dem eigenen Frontmann solche Vorwürfe gemacht werden?“ Sodann schildert die Berichterstattung drei Situationen von Frauen, die bei einem Zusammentreffen mit dem Antragsteller nach eigenen Angaben nicht mehr bei vollem Bewusstsein waren bzw. Erinnerungslücken aufwiesen und die jeweils Sex mit dem Antragsteller hatten bzw. jedenfalls deswegen angefragt wurden (S. L.). Diese Schilderungen der Frauen, auch wenn sie – wie ausgeführt – jeweils für sich genommen den angegriffenen Verdacht nicht transportieren, stellen sich in dem konkreten Kontext als die vorher aufgeworfenen Vorwürfe gegen den Antragsteller bestätigend dar, sie untermauern diese mit tatsächlichem Geschehen. Diese Darstellung setzt sich später mit dem Hinweis darauf, dass der Antragsteller bereits früher in Form von Poesie Vergewaltigungsfantasien gehegt habe, fort und verfestigt damit weiter die bereits zu Beginn der Berichterstattung aufgeworfenen Vorwürfe.

Für diesen so verstandenen und den Antragsteller äußerst schwerwiegend belastenden Verdacht, den der Antragsteller in Abrede genommen hat, fehlt es an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Keine Aussage der Zeuginnen, welche ihre Angaben an Eides statt versichert haben bzw. gegenüber den Autorinnen der Antragsgegnerin getätigt haben (vgl. eidesstattliche Versicherungen der Autorinnen der Antragsgegnerin als Anlagen AG8 und AG9) trägt den Verdacht, dass der Antragsteller Frauen bei Konzerten mit Hilfe von K.O.-Tropfen/Alkohol/Drogen betäubt hat bzw. hat betäuben lassen, um ihm zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an den Frauen vornehmen zu können. Insoweit verweist die Antragsgegnerin selbst darauf, dass die Frauen jeweils nur Vermutungen anstellen, sie könnten „gespiked“ worden sein, keine aber behaupte bzw. es nur als möglich darstelle, dass dies von dem Antragsteller mit der Zielrichtung Sex initiiert worden sei. Einzig die Zeugin W. versichert an Eides statt, dass der Antragsteller und A. M. ein System geschaffen hätten, bei dem junge Mädchen unter falschen Vorwänden zu Konzerten und Partys eingeladen werden, auf denen sie Alkohol und Drogen bekommen. Das Ziel dieser Partys sei es, T. L. mit Sexpartnerinnen zu versorgen. Diese Aussage allein ist indes nicht geeignet, den Mindestbestand für den wie dargestellt schwer ehrenrührigen Verdacht zu tragen. Auch eine Gesamtschau des Vortrags der Zeuginnen und der entsprechenden eidesstattlichen Versicherungen führt zu keiner anderen Bewertung.

Die Kammer hat bei der Tenorierung von § 938 Abs. 1 ZPO Gebrauch gemacht und den Antrag des Antragstellers insoweit um eine Passage ergänzt, die nach ihrer Auffassung den beanstandeten Verdacht komplettiert. Damit ist die Kammer nicht über das Antragsbegehren hinausgegangen, da sich dieses auf den zu untersagenden Verdacht und nicht auf die einzelnen Äußerungen bezieht (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 21.05.2019 - 7 U 109/18).

II.
1.
Keinen Erfolg hat der Antrag des Antragstellers, soweit er sich mit dem Antrag zu 1.) gegen die Berichterstattung wendet, mit welcher die Antragsgegnerin die Erlebnisse von „Z.“ und „A.“ mit dem Antragsteller schildert.

Randnummer26
Diese Berichterstattung verletzt den Antragsteller nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, da es sich um eine rechtmäßige Verdachtsberichterstattung handelt. Der für eine Verdachtsberichterstattung erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen liegt vor (a). Auch die weiteren Voraussetzungen einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung sind gegeben (b).

a) Hinsichtlich der Vorwürfe, welche die in der Berichterstattung als „Z.“ bezeichnete Frau betreffen, ist davon auszugehen, dass das Aufeinandertreffen des Antragstellers mit dieser Frau, bei der es sich um Frau J. handelt (eidesstattliche Versicherung als Anlage Ag1), und auch ein stattgefundener sexueller Kontakt unstreitig sind, der Antragsteller indes in Abrede nimmt, dass der Sex hart und brutal gewesen sei, dass er den Kopf von Frau J. über das Bettende gedrückt habe, um hiernach „Facefucking“ an ihr vorzunehmen, dass er das Gesicht von Frau J. hart in das Bett gedrückt habe und dass er am nächsten Morgen diese sexuellen Handlungen an Frau J. fortgesetzt habe, obwohl diese vorher gesagt habe, dass irgendwas bei ihr nicht laufe.

Nicht entschieden werden muss hier, ob vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin eine eidesstattliche Versicherung der Frau J. zur Akte gereicht hat, in welcher diese die in der Berichterstattung wiedergegebenen Vorwürfe an Eides statt versichert, während der Antragsteller selbst sich nur auf einfaches Bestreiten ohne weitere Glaubhaftmachungsmittel beschränkt, von der prozessualen Wahrheit des verbreiteten Verdachts auszugehen ist, da die Antragsgegnerin insoweit nur einen Verdacht verbreitet hat, für den von dem Vorliegen des erforderlichen Mindestbestands an Beweistatsachen auszugehen ist.

Im Rahmen der bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung besonders sorgfältig vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist im Ausgangspunkt festzuhalten, dass die Rechtspositionen im vorliegenden Fall auf beiden Seiten ein hohes Gewicht aufweisen: So besteht nicht zuletzt aufgrund der nachdrücklich und mit hoher medialer Aufmerksamkeit geführten „MeToo-Debatte“ein großes öffentliches Interesse an einer diese Thematik betreffenden Berichterstattung. Dies gilt erst recht, wenn sich die Vorwürfe gegen eine so bekannte Person wie den Antragsteller richten und ganz aktuell eine große öffentliche Debatte um Geschehnisse rund um die Konzerte von dessen Band geführt wird. Auf Seiten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass die öffentliche Diskussion der gegen ihn erhobenen Vorwürfe eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers zur Folge hat. Die Kammer ist im Rahmen dieser Abwägung auch unter Berücksichtigung der für den Antragsteller geltenden Unschuldsvermutung zu dem Ergebnis gelangt, dass sein Persönlichkeitsrecht gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem damit korrespondierenden Berichterstattungsinteresse der Antragsgegnerin vorliegend nicht überwiegt.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist das überwiegende Berichterstattungsinteresse der Antragsgegnerin nicht bereits deswegen zu verneinen, weil die Schilderungen die absolut geschützte Intimsphäre des Antragstellers berührten. Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass Angaben über das Sexualleben und insbesondere sehr detaillierte Schilderungen eines stattgefundenen sexuellen Kontakts grundsätzlich die Intimsphäre einer Person berühren und als solche in der Regel einer Abwägung nicht zugänglich sind (vgl. BGH, NJW 2012, 767). Ob ein Sachverhalt auch im konkret zu beurteilenden Einzelfall der Intimsphäre einer Person zuzuordnen ist, lässt sich indes nicht schematisch bzw. thematisch bestimmen, sondern beurteilt sich anhand der besonderen Voraussetzungen des jeweiligen Einzelfalls, unter anderem auch danach, inwieweit der Betroffene sein Sexualleben bisher hat geheim halten wollen und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt bzw. inwieweit Einzelheiten berichtet werden (vgl. Korte, Presserecht, 2. Aufl. <2019>, § 2 Rn. 62).

Vorliegend war von der Kammer bei der Frage, ob von einer Betroffenheit der Intimsphäre des Antragstellers auszugehen ist, zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung sehr detaillierte Einzelheiten des Sexualkontakts offenbart und dies für den Antragsteller aufgrund der ihm dort zugeschriebene Rolle und seines als möglich dargestellten Verhaltens äußerst ehrabträglich ist. Es war allerdings auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller Teile seines Sexuallebens in die Öffentlichkeit getragen und diese sogar an einem tatsächlich stattgefundenen Geschlechtsakt hat teilhaben lassen, indem er auf einem Konzert ein Video hat einblenden lassen, das zeigt, wie er in einer unter der Bühne eigens dafür installierten Vorrichtung Sex mit Besucherinnen seines Konzerts hat. Der Antragsteller hat mithin die Durchführung eines sexuellen Akts unter seiner Beteiligung von sich aus in die Öffentlichkeit gebracht.

Auch wenn es vorliegend nicht um Sex geht, der in der unstreitig unter der Bühne vorgehaltenen Einrichtung stattgefunden hat, so liegt eine Vergleichbarkeit der Situationen insoweit vor, als dass der Sex mit „Z.“, der Zeugin J., auch im unmittelbaren Zusammenhang mit einem öffentlichen Konzert des Antragstellers stattgefunden hat und dass es sich bei Frau J. ebenso wie bei den in dem eingeblendeten Video beteiligten Frauen um eine Konzertbesucherin handelte. Diese hat zudem an dem Antragsteller unstreitig vor der sich anschließenden Zweisamkeit im Hotelzimmer in Anwesenheit mehrerer Personen Oralverkehr durchgeführt.

Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der von dem Antragsteller selbst in der Öffentlichkeit gezeigte Sexualkontakt und der in dieser Berichterstattung beschriebene Sexualkontakt, davon muss prozessual ausgegangen werden, unter ähnlichen Umständen zu Stande gekommen sind, und der Antragsteller mit dem Zeigen des Videos während eines Konzerts deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er hinsichtlich der in der eigens installierten Vorrichtung beschriebenen Vorgänge kein Geheimhaltungsbedürfnis verspürt, kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Schilderungen des stattgefundenen Sexualkontakts mit der Zeugin J., in der Berichterstattung als „Z.“ bezeichnet, in die Intimsphäre des Antragstellers eingreifen.

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass das weiterhin von der Antragsgegnerin angeführte Pornovideo, dessen Inhalt auf der Seite 10 f. der Antragserwiderung vom 28.06.2023 genannt wird, bei der Beurteilung der Frage, ob eine Betroffenheit der Intimsphäre vorliegt oder nicht, keine Rolle gespielt hat. Denn dabei handelt es sich um ein Video, das der Antragsteller im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gedreht hat und an dessen Erstellung freiwillige und professionelle Pornodarsteller mitgewirkt haben. Berufliche sexuelle Kontakte bzw. eine entsprechende Darstellung lassen nicht auf einen verringerten Schutz der Intimsphäre auch für andere Situationen schließen. Zudem weist die Kammer aus Klarstellungsgründen darauf hin, dass sie für die Inhalte des bei dem Konzert gezeigten Videos aus der dafür vorgehaltenen Vorrichtung nicht das Video selbst, das in diesem Verfahren nicht eingereicht wurde, sondern die Schilderungen der Antragsgegnerin vom Inhalt des Videos zu Grunde gelegt hat.

Ist zu Grunde zu legen, dass die Schilderung des Sexualkontakts zwischen dem Antragsteller und „Z.“ nicht als der Intimsphäre des Antragstellers zugehörig anzusehen ist, ist von einem Überwiegen des Berichterstattungsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber den Privatheitsinteressen des Antragstellers auszugehen.

Die Antragsgegnerin hat sich darauf berufen, dass ihre Berichterstattung auf den Schilderungen der Frau J. beruhe, welche ihre Angaben bereits im Berichterstattungszeitpunkt an Eides statt versichert hatte. Aus der Anlage AG1 ergibt sich, dass Frau J. die Angaben gegenüber der Antragsgegnerin so getätigt hat, wie sie sich in der Berichterstattung wiederfinden. Diese Angaben von Frau J. stellen zur Überzeugung der Kammer auch hinsichtlich des zwischen den Parteien streitigen Teils der (sexuellen) Begegnung zwischen dem Antragsteller und Frau J. den für eine Verdachtsberichterstattung erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, welcher dieser Öffentlichkeitswert verleiht, dar.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es für die Vorwürfe neben dem Antragsteller und Frau J. keine weiteren Zeugen gibt und dass es sich um eine Aussage gegen Aussage Konstellation handelt. Dennoch geht die Kammer davon aus, dass die eidesstattliche Versicherung von Frau J. im Berichterstattungszeitpunkt ausreichend war, um wie geschehen zu berichten. Zwar handelt es sich, wie ausgeführt, um die eidesstattliche Versicherung nur einer Zeugin. Indes ist das Geschehen auch nur dieser Zeugin und dem Antragsteller bekannt. Würde man davon ausgehen, dass immer dann, wenn es aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls nur eine Zeugin geben kann, der erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen nicht vorliegt, würde dies dazu führen, dass über einen möglichen Vorfall wie den vorliegenden nie berichtet werden dürfte. Dies mag das zutreffende Ergebnis sein, wenn es neben der Aussage nur einer Person keine weiteren Anhaltspunkte bzw. Indizien gibt, die für den Wahrheitsgehalt des Verdachts sprechen. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Denn insoweit hat in die Bewertung des Vorliegens des Mindestbestands an Beweistatsachen einzufließen, dass auch die in der Berichterstattung als „A.“ bezeichnete Frau S. einen sexuellen Kontakt mit dem Antragsteller schildert, bei dem sie nicht vollständig „Herrin ihrer Sinne“ gewesen sein soll und bei dem der Antragsteller dennoch sexuelle Handlungen an bzw. mit ihr vorgenommen haben soll. Zudem handelte es sich auch bei der Zeugin S. um eine Besucherin seines Konzerts und der sich daran anschließenden After-Aftershow-Party. Der Umstand, dass der Antragsgegnerin gleich zwei sich ähnelnde Vorfälle geschildert und an Eides statt versichert wurden, verstärkt den sich der Antragsgegnerin im Berichterstattungszeitpunkt präsentierenden Mindestbestand für den von ihr verbreiteten Verdacht.

Auch wenn die Vorgänge wie dargelegt nicht die absolut geschützte Intimsphäre des Antragstellers berühren, war in die vorzunehmende Abwägung dennoch einzustellen, dass die Vorwürfe äußerst privat sind und von dem Antragsteller ein sehr ehrabträgliches Bild gezeichnet wird. Insoweit hatte die Kammer sehr sorgfältig zu prüfen, ob angesichts der Massivität der Vorwürfe und der Detailtiefe der Schilderungen von einem Überwiegen des Berichterstattungsinteresses der Antragsgegnerin auch bei Vorliegen des Mindestbestands ausgegangen werden kann. Dies hat die Kammer im Ergebnis unter der Berücksichtigung bejaht, dass es unstreitig im Umfeld des Antragstellers ein System gab, bei dem im Vorfeld von Konzerten Teilnehmende für die Partys und die „Row Zero“ ausgewählt wurden, welche sich vorab per Fotos und Videos beworben hatten und bei denen auch auf das Outfit geachtet wurde, dass die Antragsgegnerin durch die Vorlage von mehreren eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht hat, dass die Teilnehmerinnen dieser Partys von dem Antragsteller selbst nach Sex gefragt wurden und dass es auch zu Sex mit den Teilnehmerinnen gekommen ist, dass dieser unstreitig in einer eigens dafür vorgehaltenen Vorrichtung hinter/unter der Bühne mit Teilnehmerinnen der Row Zero Sexualkontakte hatte und dass die Antragsgegnerin insgesamt das Vorliegen eines Systems glaubhaft gemacht hat, bei dem Frauen für die „Row Zero“ bzw. entsprechende Partys mit der Band des Antragstellers rekrutiert wurden, bei welchen es jedenfalls reichlich Alkohol gab und bei denen sexuelle Kontakte des Antragstellers mit den rekrutierten Frauen üblich waren. Dass eine Band ein solches System unterhält, ist ein Vorgang von hohem öffentlichen Interesse, der besonders bemerkenswert ist. In diesem Kontext stehen die vorliegend streitgegenständlichen Vorwürfe, da sie sich auf den Sexualkontakt mit eben über dieses System rekrutierten Fans beziehen. Dies führt dazu, trotz der erheblichen für den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers streitenden Umstände von dem Überwiegen des Berichterstattungsinteresses der Antragsgegnerin auszugehen.

b) Auch die weiteren für das Vorliegen einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung erforderlichen Voraussetzungen liegen vor. Die Kammer geht insbesondere nicht davon aus, dass aufgrund einer zu kurz bemessenen Anhörungsfrist dem Antragsteller vor der Berichterstattung keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt wurde. Zwar war die gesetzte Frist angesichts des umfangreichen Fragenkatalogs sehr knapp bemessen. Indes ist hier insbesondere zu berücksichtigen, dass nicht nur der gesamte Komplex, sondern auch einige der konkreten Vorwürfe bereits aufgrund vorangegangener Berichterstattungen bekannt waren. Insoweit hatte auch die Antragsgegnerin den Antragsteller zu diesen bereits aus anderen Berichterstattungen bekannten Vorwürfen bereits angehört, als sie darauf hingewiesen hatte, dass sie plane, über die vom NDR und von der Süddeutschen Zeitung berichteten Vorwürfe ebenfalls zu berichten (Anlage AG8). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der vorangegangenen Berichterstattungen und auch der Äußerung der Irin S. L., welche kurz zuvor bekannt geworden waren, ein erheblicher Aktualitätsdruck bestand. Gerade dieser Aktualitätsdruck war dem Antragsteller auch bekannt, weswegen er gemeinsam mit seinen Bandkollegen bereits eine Rechtsanwaltskanzlei mit der anwaltlichen Vertretung beauftragt (Anlage AG9) und auch einen Kommunikationsberater eingeschaltet hatte. Insoweit wurden der Antragsteller bzw. die ihn insoweit unterstützenden Personen nicht von der Anfrage der Antragsgegnerin überrascht, sondern befanden sich vielmehr in einer Situation, in welcher sie auf Anfragen wie diejenige der Antragsgegnerin vorbereitet sein mussten. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich der Antragsteller auch im Zeitpunkt der Anfrage auf Tour befand und insoweit sicherlich beruflich stark eingebunden war. Dass der Antragsteller während des Laufs der Frist zur Stellungnahme seine Rechtsanwälte gewechselt hat, fällt in seinen Verantwortungsbereich und vermag eine unzulässige Kürze der Fristsetzung nicht zu begründen.

Die Berichterstattung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil sie sich als vorverurteilend und nicht in dem erforderlichen Maße ausgewogen darstellt. Der maßgebliche Durchschnittsleser erkennt, dass die Vorwürfe nicht bewiesen sind.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Verdachtsberichterstattung der Antragsgegnerin in Bezug auf den geschilderten sexuellen Kontakt des Antragstellers mit „A.“, der Zeugin S., ebenfalls als rechtmäßig verbreitet anzusehen ist. Auch dort ist unter Berücksichtigung der von dieser abgegebenen eidesstattlichen Versicherung, welche die Vorwürfe wie in der Berichterstattung wiedergegeben schildert, in der vorzunehmenden Gesamtschau mit den Angaben der Zeugin J. davon auszugehen, dass der für die Berichterstattung erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt. Auch für die dortigen Schilderungen gilt, dass die Verdachtsberichterstattung nicht deswegen rechtswidrig ist, da sie sich als sich auf die Intimsphäre des Antragstellers beziehend darstellt. Denn auch bei „A.“ handelte es sich um eine Besucherin eines seiner Konzerte, mit welcher der Antragsteller unstreitig im Anschluss an ein Konzert intim geworden ist.

2. Keinen Unterlassungsanspruch hat der Antragsteller schlussendlich hinsichtlich des Antrags zu 2.) erster Spiegelstrich. Bei den dort angegriffenen Äußerungen handelt es sich um wahre Tatsachenbehauptungen bzw. zulässige Meinungsäußerungen. Soweit sich der Antragsteller in Bezug auf „S. W.“ gegen die folgende Äußerung „Sie war von Ende 2018 bis Anfang 2020 Teil des Inner Circle von R. und mehrmals mit der Band auf Konzerten.“ insbesondere mit der Begründung wendet, dass die Bezeichnung als „Inner Circle“ als Tatsachenbehauptung daherkomme, teilt die Kammer diese Ansicht nicht. Die Bezeichnung als „Inner Circle“ ist vielmehr wertend und unscharf und transportiert keine konkrete Vorstellung des Lesers von dem Personenkreis, dem die S. W. angehörte. Insbesondere geht der Leser nicht davon aus, dass die Zeugin unmittelbar mit den Bandmitgliedern im Austausch stand, auch wenn es in der Berichterstattung weiter heißt: „W. hatte nicht nur Zugang zu Bandmitgliedern, sondern auch auf den Konzerten zu fast allen abgesperrten Bereichen.“ Denn auch der erwähnte Zugang wird nicht weiter spezifiziert, vielmehr erfährt der Leser, dass die S. W. keinen Zutritt zu allen abgesperrten Bereichen hatte. Auch wird berichtet, dass ihr damaliger Freund für die Band gearbeitet habe. Daraus wird deutlich, dass die Zeugin jedenfalls nicht in unmittelbarer Nähe zu einem Bandmitglied stand, sondern es sich nur insoweit nur um einen „abgeleiteten“ Kontakt über ihren Freund gehandelt hat.

Ausgehend davon ist die Wertung, dass S. W. Teil des Inner Circle der Band R. gewesen sei, vorliegend nicht zu beanstanden. Aus den Ausführungen der Zeugin W. in ihrer eidesstattlichen Versicherung (Anlage AG3) folgt, dass sie in der Zeit ihrer Beziehung zu S. v. H. mehrere Konzerte der Band besucht hat. Dabei hat sie jeweils Pässe mit der Aufschrift „Working“ erhalten, welche ihr uneingeschränkten Zugang, mit Ausnahme der Garderoben der Bandmitglieder verschaffte. Diese Schilderungen werden von dem Antragsteller nicht in Abrede genommen. Die Zeugin hatte mithin einen Zugang und Einblicke in Bezug auf die Band R., welche Außenstehenden verschlossen sind. Unstreitig hat sie aufgrund dieses Zugangs unter anderem eine Situation zwischen dem Antragsteller und seiner damaligen Freundin S. T. beobachten können, als diese zum Unmut des Antragstellers nach Ende der Show dessen Garderobe betrat. Dies zeigt, dass die Zeugin an der Band „nah dran“ war. Die Antragsgegnerin durfte die beschriebene Situation, in welcher sich die Zeugin befand, dahingehend bewerten, dass „S. W.“ Teil des „Inner Circle“ der Band R. war. Dies berücksichtigend ist es auch die Aussage, dass S. W. als Teil des Inner Circle mehrmals mit der Band auf Konzerten war, nicht zu beanstanden. Denn dies hat die Antragsgegnerin durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Zeugin W. vorgetragen und auch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat die detaillierten Ausführungen der Zeugin nach Vorlage der eidesstattlichen Versicherung nicht bestritten.

Auch die Äußerung „Ihr damaliger Freund arbeitete mit R. zusammen, aber auch für L.s Solo-Projekte.“ ist rechtmäßig verbreitet. Der Antragsteller trägt bereits nicht vor, dass diese Tatsachenbehauptung unwahr sein soll. Nicht zu beanstanden ist schlussendlich auch die Aussage „W. hatte nicht nur Zugang zu Bandmitgliedern, sondern auch auf den Konzerten zu fast allen abgesperrten Bereichen.“ Unstreitig hat die Zeugin W. bei Konzerten einen Pass mit der Aufschrift „Working“ bekommen, welcher ihr Zugang zu allen Bereichen mit Ausnahme der Garderoben der Bandmitglieder verschaffte. Mit diesem Pass konnte sie, wie ausgeführt, unter anderem einen Streit zwischen dem Antragsteller und S. T. beobachten. Bereits dies trägt die Aussage, dass die Zeugin Zugang zu den Bandmitgliedern gehabt habe. Denn wie dargelegt geht der Leser aufgrund des Hinweises darauf, dass der Freund von S. W. mit R. zusammengearbeitet habe, nicht davon aus, dass die S. W. in unmittelbarer Nähe zu den Bandmitgliedern stand.

Letztlich ist auch die mit angegriffene Äußerung, S. W. sei von Ende 2018 bis Anfang 2019 auch auf offiziellen Aftershow-Partys gewesen, persönlichkeitsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn dass dies so war, folgt aus den an Eides statt versicherten Angaben der Zeugin W., die zudem detaillierte Angaben zu deren Setting gemacht hat, sodass der entsprechende Vortrag als glaubhaft gemacht anzusehen ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit identifizierender Verdachtsberichterstattung

BGH
Urteil vom 20.06.2023
VI ZR 262/21
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit identifizierender Verdachtsberichterstattung nochmals zusammengefasst.

Leitsatz des BGH:
Für eine identifizierende Verdachtsberichterstattung ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen, erforderlich. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie
darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.

BGH, Urteil vom 20. Juni 2023 - VI ZR 262/21 - KG - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Berlin: Fotografiert ein Schüler einen Lehrer heimlich im Unterricht und verbreitet der Schüler die Fotos weiter so rechtfertigt dies einen schriftlichen Verweis

VG Berlin
Urteil vom 21.07.2023
VG 3 K 211/22

Das VG Berlin hat entschieden, dass ein schriftlicher Verweis gerechtfertigt ist, wenn ein Schüler einen Lehrer heimlich im Unterricht und verbreitet der Schüler die Fotos weiter so rechtfertigt dies schriftlichen Verweis

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Schriftlicher Verweis wegen Fotoaufnahmen vom Lehrer

Einem Schüler, der während der Unterrichtszeit von seinem Lehrer ohne dessen Einverständnis Fotos machte und diese versendete, ist zurecht ein schriftlicher Verweis erteilt worden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Der Achtklässler fotografierte seinen Klassenlehrer – nach seinen Angaben aus Langeweile – heimlich während des Unterrichts mit seinem Tablet und versendete die Fotos an eine unbekannte dritte Person. Die Bilder wurden sodann über Nachrichtendienste in der Schülerschaft der Schule digital weiterverbreitet. Eine einberufene Klassenkonferenz unter Leitung des Klassenlehrers beschloss einstimmig, dem Schüler einen schriftlichen Verweis zu erteilen, und mehrheitlich, den Verweis auf dem Schuljahreszeugnis einzutragen. Der Widerspruch des Schülers gegen den Verweis blieb ohne Erfolg.

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die daraufhin eingereichte Klage des Schülers abgewiesen. Der schriftliche Verweis habe als schulische Ordnungsmaßnahme keinen Strafcharakter, sondern sei eine pädagogische Maßnahme, die neben der Erziehung des betroffenen Schülers vornehmlich der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Schule, insbesondere des Schulunterrichts, diene. Voraussetzung seien objektive Pflichtverletzungen des betreffenden Schülers. Bei der Verhängung einer Ordnungsmaßnahme komme der Schule ein pädagogischer Beurteilungsspielraum zu, der nur sehr begrenzt einer gerichtlichen Kontrolle unterliege, insbesondere dahingehend, ob der Sachverhalt zutreffend ermittelt worden sei, die Maßnahme willkürfrei sei und die Grenzen der Verhältnismäßigkeit wahre. Dies sei hier gegeben. Der Schüler habe eingeräumt, die Fotos vom Klassenlehrer ohne dessen Einverständnis angefertigt und versendet zu haben. Damit habe er gegen die Hausordnung der Schule verstoßen, den Unterrichtsablauf gestört sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Lehrers verletzt. Der schriftliche Verweis sei als mildeste Ordnungsmaßnahme angesichts der viralen Verbreitung der Fotos in der Schule, der damit verbundenen Nachahmungsgefahr und des uneinsichtigen Verhaltens des Schülers verhältnismäßig. Der Schule stehe es frei, sich wegen desselben Vorfalls ggf. sowohl erzieherischer Maßnahmen – etwa in Form eines erzieherischen Gesprächs mit dem Schüler – als auch förmlicher Maßnahmen – wie hier dem Verweis – zu bedienen. Auch die Eintragung des Verweises auf dem Zeugnis sei vor dem Hintergrund der Pflichtverletzung des Schülers, der durch das Versenden der ungenehmigten Fotos erst das Risiko ihrer Verbreitung geschaffen habe, nicht zu beanstanden, zumal es sich nicht um ein Abschlusszeugnis handle.

Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Urteil der 3. Kammer vom 21. Juli 2023 (VG 3 K 211/22)


BGH: In Teilen unzulässige Fernsehberichterstattung über Kindesentführung mit Fotos und Telefonmitschnitten wegen Schutzbedürftigkeit des Opfers auch 35 Jahre später

BGH
Urteil vom 06.06.2023
VI ZR 309/22
BGB § 823; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5


Der BGH hat entschieden, dass die Fernsehberichterstattung über eine Kindesentführung mit Fotos des Opfers und Telefonmitschnitten wegen der Schutzbedürftigkeit des damals minderjährigen Opfers auch 35 Jahre nach der Tat in Teilen unzulässig ist.

Leitsatz des BGH:
Zur teilweisen Unzulässigkeit einer Filmberichterstattung über eine Kindesentführung wegen Schutzbedürftigkeit des Opfers.

BGH, Urteil vom 6. Juni 2023 - VI ZR 309/22 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sieh hier:


OLG Frankfurt: Zur Auslegung der Einwilligung eines Profifußballers im Vertrag mit Fußballverein hinsichtlich der Bildrechte für Fußball-Tausch- und Sammelkarten

OLG Frankfurt
Beschluss vom 30.11.2022
16 W 52/22


Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung zur Auslegung der Einwilligung eines Profifußballers im Vertrag mit seinem Fußballverein hinsichtlich der Bildrechte für Fußball-Tausch- und Sammelkarten geäußert.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ob die Einwilligung eines Berufsfußballspielers im Rahmen des mit einem englischen Fußballverein geschlossenen Vertrags, sein Bildnis u.a. auf Fußball-Tausch- und Sammelkarten zu veröffentlichen, auch die Verbreitung seiner Bilder als Nationalspieler umfasst, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) konnte dem Vertrag keine Beschränkung auf Bilder als Clubspieler entnehmen. Der Vertrieb der Karten ist demnach nicht rechtswidrig, entschied das OLG gestern.

Der Antragsteller ist als Berufsfußballer unter Vertrag eines englischen Fußballvereins und Mitglied der deutschen Nationalmannschaft. Die Antragsgegnerin vertreibt Fußball-Tausch- und Sammelkarten mit Bildnissen u.a. des Antragstellers in einem schwarzen Trikot nebst Spielernummer und im Hintergrund die Farben der deutschen Nationalflagge, nicht aber das DFB-Logo. Die Karten werden über Kioske und das Internet vertrieben. Der Antragsteller wendet sich gegen diesen Vertrieb. Er meint, das Verbreiten seiner Bilder als Nationalspieler erfolge ohne seine Einwilligung. Er habe nur in das Verwenden der Bilder, die ihn als Clubspieler zeigten eingewilligt. Das Landgericht hatte den auf Unterlassen gerichteten Eilantrag zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Antragsteller stehe kein Unterlassungsanspruch zu, entschied das OLG. Er habe vielmehr in die Veröffentlichung und die Verbreitung der Karten eingewilligt. Dies folge aus dem Vertrag mit dem englischen Fußballverein. Dort sei der Antragsgegnerin das Recht eingeräumt worden, „die definierten Eigenschaften des Antragstellers ... zu nutzen. Als Eigenschaften ... sind ... der Name, das Bildnis, das Konterfei/Erscheinungsbild und Fotos des Antragstellers definiert“. Die Regelung erfasse nicht nur Bildnisse des Antragstellers, die ihn als Spieler des englischen Fußballvereins zeigten, sondern auch solche, die ihn als deutschen Nationalspieler zeigten. Dem Vertrag lasse sich eine Beschränkung auf Bilder als Clubspieler nicht entnehmen. Soweit der Antragsteller sich in dem Vertrag verpflichtete, pro Jahr zwei in UEFA-Spielen getragene Club-Shirts zur Verfügung zu stellen, deute dies zwar möglicherweise darauf hin, dass „die Parteien den Marketingwert des Antragstellers in erster Linien in seiner Rolle als Clubspieler ...gesehen haben“. Daraus folge aber nicht hinreichend sicher, dass die Nutzung von Bildern in anderen, etwas neutralen Trikots oder in anderen Zusammenhängen ausgenommen werden sollte. Eine solche Beschränkung folge auch nicht aus der weiteren vertraglichen Regelung, wonach die Antragsgegnerin im Fall der längerfristigen Verschiebung oder Absage der UEFA-Champions-League zur Kündigung berechtigt sei. Auch dies unterstreiche zwar, dass die Antragsgegnerin ihr jedenfalls ganz überwiegendes Interesse an dem Vertrieb der Bilder des Antragstellers in seinem Marketingwert als Clubspieler sehe. Daraus folge aber nicht, dass sie nicht auch einen „Marktwert“ (mit)nutzen wollte, den der Antragsteller als Nationalspieler mit hohem Bekanntheitsgrad habe. Schließlich ergebe sich auch nichts Anderes daraus, dass der englische Fußballverein am Vertrag über die Nutzung der Bilder beteiligt werde. Es sei davon auszugehen, dass der Wert der Bilder auch im Fall eines neutralen Zusammenhangs oder als Nationalspieler mindestens zu einem erheblichen Teil auch aus seiner Tätigkeit als Clubspieler resultiere.


Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.11.2022, Az. 16 W 52/22

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.9.2022, Az. 2-34O 255/22)



BGH: Bildberichterstattung über einen Bundespolizisten bei einem Einsatz mit einem unverpixelten Foto kann zulässig sein

BGH
Urteil vom 08.112022
VI ZR 22/21
BGB § 823, § 1004 Abs. 1 Satz 2; KUG § 22, § 23 Abs. 1 Nr. 1


Der BGH hat entschieden, das die Bildberichterstattung über einen Bundespolizisten bei einem Einsatz mit einem unverpixelten Foto nach Abwägung aller Umstände zulässig sein kein.

Leitsatz des BGH:
Zur Zulässigkeit einer Bildberichterstattung über einen Bundespolizisten, der bei einem Einsatz anlässlich eines Neonazifestivals Aufnäher an seiner Uniform trug.

BGH, Urteil vom 8. November 2022 - VI ZR 22/21 - OLG Naumburg - LG Dessau-Roßlau

Aus den Entscheidungsgründen:

b) Nach diesen Maßstäben stellt das unverpixelte Foto des Klägers in den im Wesentlichen gleichlautenden Artikeln auf www.bild.de und www.bz-berlin.de mit der Überschrift "Aufregung um Polizisten-Abzeichen bei Neonazi-Treffen" ein Bildnis der Zeitgeschichte dar. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmende Abwägung hier zugunsten der Beklagten ausfällt. aa) Das portraitähnliche Foto zeigt den Kläger mit unverpixeltem und halb ins Profil gedrehtem Kopf ohne Kopfbedeckung. Er trägt eine Sonnenbrille; sein

Gesicht mit Ausnahme seiner Augen ist gut zu erkennen. Aufgrund des portraitartigen Charakters des Bildes kann er im Kollegen- und Bekanntenkreis identifiziert werden. Er steht vor einem Einsatzfahrzeug der Polizei in Uniform. Zu sehen ist nur der Oberkörper. Auf seiner Schutzweste ist in Brusthöhe der Schriftzug "POLIZEI" zu lesen. Unter diesem Schriftzug sind zwei Aufnäher zu erkennen.

Der eine zeigt ein Schwert mit nach unten zeigender Spitze und einem auf der Klinge des Schwertes unterhalb des Griffs angebrachten Schild mit rotem Kreuz. Rechts und links der Klinge sind Flügel mit Federn zu sehen. Über dem Schwert steht in Großbuchstaben "RECTE FACIENDO NEMINEM TIMEAS", übersetzt: "Tue Recht und scheue niemand". Auf dem zweiten Aufnäher ist ein griechisches Omega zu sehen. Das Rund des griechischen Buchstabens umschließt einen Spartanerhelm mit zwei gekreuzten Schwertern. Unterhalb des Buchstabens steht "ΜΟΛΟΝ ΛΑΒΕ" (Molon Labe), übersetzt: "Komm und hol sie dir"

Für den unvoreingenommenen und verständigen Leser (vgl. Senatsurteile vom 27. April 2021 - VI ZR 166/19, AfP 2021, 336 Rn. 11; vom 17. Mai 2022 - VI ZR 141/21, juris Rn. 29; jeweils mwN) wirft die Bildberichterstattung im Gesamtzusammenhang die offene Frage auf, ob der Kläger mit der rechten Szene
sympathisiert. Mit diesem Informationsgehalt beeinträchtigt die angegriffene Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zusätzlich in seinen Ausprägungen des Schutzes der Berufsehre und der sozialen Anerkennung (vgl. dazu Senatsurteile vom 27. September 2016 - VI ZR 250/13, NJW 2017, 482 Rn. 17, 31; vom 26. Januar 2021 - VI ZR 437/19, VersR 2021, 856 Rn. 18).

bb) Den Berichterstattungen kommt erheblicher Informationswert zu. Der Artikel befasst sich bereits in seinem ersten Absatz, in dem der Inhalt des Tweets der Initiative "Rechts rockt nicht!" erläutert wird, auch mit der Problematik, inwieweit Polizisten mit rechtsnationalen oder gar rechtsradikalen Gruppierungen sympathisieren. Anders als die Revision meint, beschäftigt er sich nicht nur damit, welche Bedeutung die vom Kläger getragenen Aufnäher haben könnten und ob diese Abzeichen an der Uniform erlaubt gewesen seien.
[...]
(1) Das Bild des Klägers mit dem Text des Tweets der Initiative "Rechts rockt nicht!" illustriert die sachlich gehaltene Textberichterstattung der Beklagten zu der Thematik, dass ein Bundespolizist bei einem dienstlichen Einsatz anlässlich eines Neonazifestivals am 22. Juni 2019 zwei fragwürdige Aufnäher an der
Uniform getragen habe. Der Kläger hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eingeräumt, dass einzelne auf den Aufnähern zu erkennende Elemente in der rechten Szene Verwendung finden. Er hat nur bestritten, dass die beiden Aufnäher in ihrer Gesamtheit in diesen Kreisen benutzt würden. Da die Berichterstattung gerade nicht die Tatsachenbehauptung aufstellt, die vom Kläger auf dem Bild getragenen Aufnäher würden in ihrer Gesamtheit in der rechten Szene verwendet, musste das Berufungsgericht dieser Frage nicht nachgehen. Es musste auch die vom Kläger behauptete teils religiöse Bedeutung der Aufnäher nicht weiter aufklären. Schließlich konnte offen bleiben, ob der Spruch "Molon Labe", wie im Artikel behauptet und vom Kläger bestritten, tatsächlich auch von "Waffen-Fans in den USA" genutzt wird. Selbst wenn sich diese Tatsachenbehauptung als falsch herausstellen sollte, änderte dies am Aussagegehalt des Artikels in Bezug auf den Kläger, der eingeräumt hat, dass jedenfalls einzelne Elemente der beiden Aufnäher in der rechten Szene Verwendung finden, nichts Entscheidendes.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: