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LG Bielefeld: Kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen Kopierens des Personalausweises durch Arztpraxis da keine spürbare Beeinträchtigung vorliegt

LG Bielefeld
Urteil vom 07.07.2023
4 O 275/22


Das LG Bielefeld hat entschieden, dass dem Betroffene kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen des Kopierens des Personalausweises durch eine Arztpraxis zusteht, da keine spürbare Beeinträchtigung vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Zudem hat die Klägerin gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO oder einer anderen denkbaren Anspruchsgrundlage wegen des Kopierens ihres Personalausweises in der Praxis der Beklagten. Denn jedenfalls fehlt es am Eintritt eines immateriellen Schadens.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Dabei ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein ersatzfähiger immaterieller Schadensersatz entsteht und sodann gewährt werden kann (eine Zusammenfassung in Korch NJW 2021, 978).

Das Merkmal des immateriellen Schadens ist autonom auszulegen (für alle: Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 17 ff.). Der Erwägungsgrund 146 (und in diesem S. 3) zur DSGVO sieht vor, dass der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden soll, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht. Erwägungsgrund 75 zur DSGVO nennt etwa Identitätsdiebstahl, finanzielle Verluste, Rufschädigung oder den Verlust der Kontrolle personenbezogener Daten. Ein deutsches Verständnis zum Begriff des Schadens – etwa eine enge Auslegung – ist mithin nicht angezeigt (vgl. dazu BVerfG 14.1.2021, 1 BvR 2853/19, NJW 2021, 1005, 1007). Eine Erheblichkeitsschwelle für das Vorliegen eines solchen Schadens ergibt sich gerade nicht aus der DSGVO. Bagatellschäden sind nicht auszuschließen. Zu verlangen ist aber jedenfalls, dass ein konkreter immaterieller Schaden auch tatsächlich eingetreten („entstanden“) ist (OLG Frankfurt a.M. 2.3.2022, 13 U 206/20, GRUR-RS 2022, 4491 Rn. 61 ff.; LG Essen 10.11.2022, 6 O 111/22, GRUR-RS 2022, 34818 Rn. 75; LG Gießen 3.11.2022, 5 O 195/22, GRUR-RS 2022, 30480 Rn. 18). Diesen muss die Klägerin darlegen und ggf. beweisen (s. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 2.3.2022, 13 U 206/20, GRUR-RS 2022, 4491 Rn. 57, 65; Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 20 mwN). Auch und gerade unter Berücksichtigung eines weiten Verständnisses des immateriellen Schadens, das ausdrücklich auch Bagatellschäden einschließt, vermochte die Kammer jedoch nicht zu erkennen, dass die Klägerin einen solchen Schaden tatsächlich erlitten hat.

Die in den Schriftsätzen formelhaft beschriebenen Ängste und Sorgen, das Unwohlsein sowie die Verunsicherung der Klägerin haben sich in der persönlichen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht bestätigt. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung ausgeführt, dass sie im Wesentlichen die Unsicherheit, was mit ihren Eizellen passiert sei und/oder passieren könne, umtreibe. Hinzu komme die Problematik mit dem Datenschutz, man höre und lese immer wieder, dass medizinische Daten nicht sicher verwahrt und Krankenunterlagen beispielsweise – ohne sie zu vernichten – im Müll entsorgt werden würden. Die Klägerin wolle auf keinen Fall, dass ihr Name im Zusammenhang mit der Entnahme von Eizellen bekannt werde. Der Hauptpunkt, der sie umtreiben würde und sie gelegentlich am Einschlafen hindere, sei aber die Unsicherheit, was mit ihren Eizellen sei. Sie habe als Nebenpunkt dann von ihrem Anwalt erfahren, dass in der Praxis der Beklagten keine Kopie ihres Personalausweises hätte gemacht werden dürfen. Aus den Ausführungen der Klägerin ist somit zu entnehmen, dass die Sorgen und Ängste der Klägerin, die die Klägerin in ihrer Klageschrift vorgetragen und behauptet hat, nicht durch das Kopieren ihres Personalausweises ausgelöst worden sind, sondern vielmehr durch die Auslagerung und den Transport ihrer Eizellen, da sie insoweit eine Unsicherheit hinsichtlich des Zustandes und des Verbleibs ihrer Eizellen verspürt. Dies folgt insbesondere auch aus den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung, wonach sie erstmals von ihrem Anwalt erfahren habe, dass eine Kopie ihres Personalausweises in der Praxis nicht habe gemacht werden dürfen. Somit war Anlass der Klägerin für das Aufsuchen ihres Prozessbevollmächtigten nicht das Kopieren des Personalausweises in der Praxis der Beklagten, sondern vielmehr die Auslagerung der Eizellen. Die Sorgen im Hinblick auf das Kopieren des Personalausweises sind allenfalls erst bei der anwaltlichen Beratung aufgekommen und nicht schon bei oder nach Kenntnis davon, dass eine Kopie ihres Personalausweises angefertigt wurde.

Nach alledem liegt eine auf das Kopieren des Personalausweises zurückzuführende spürbare Beeinträchtigung der Klägerin nicht vor.


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LAG Baden-Württemberg: 10.000 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unautorisierter Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen durch ehemaligen Arbeitgeber

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 27.7.2023
3 Sa 33/22

Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber in Höhe von 10.000 EURO aus Art. 82 DSGVO wegen der unautorisierten Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen hat..

Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Berufung des Klägers waren diesem wegen der unautorisierten Verwendung ihn betreffenden Bildmaterials in Video- und Fotoaufnahmen nicht nur 3.000,00 EUR, sondern 10.000,00 EUR als Schadensersatz zuzusprechen.

1. Wegen der Verpflichtung der Beklagten dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO bzw. zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Nutzung von Film- und Fotoaufnahmen, die den Kläger erkennbar über längeren Zeitraum zeigen, kann zunächst auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2. lit. b der Entscheidungsgründe seines Urteils (Bl. 214 bis 217 d. ArbG-Akte) verwiesen werden. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung liegen neben der Sache.

Wenn die Beklagte ausführt, dass „zwischen den Parteien abgestimmt gewesen“ sei, dass die Beklagte das Schulungsvideo auch nach Ausscheiden des Klägers vollumfänglich mit dem Bild des Klägers weiter nutzen könne, so ist nicht ansatzweise ersichtlich, wer - bei der Beklagten handelt es sich um eine juristische Person - mit wem wann welche konkrete Regelung vereinbart haben soll. Der Kläger hat eine entsprechende Abrede bestritten.

Auch wenn der Kläger im Zeitpunkt des Anfertigens des Bildmaterials hiermit und mit der Verwertung des Bildmaterials zu Werbezwecken für die Beklagte einverstanden war, so bedeutet dies nicht, dass dieses Einverständnis über den Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten hinaus fortbestand, zumal der Kläger in unmittelbarem zeitlichen Anschluss in vergleichbarer Position bei einem Wettbewerber tätig wurde. Vielmehr hätte die Beklagte sämtliche Bildnisse des Klägers von sich aus spätestens im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus ihren Werbemedien entfernen müssen (vgl. ArbG Neuruppin 14. Dezember 2021 - 2 Ca 554/21 - ZD 2022, 396). Dies hat die Beklagte jedoch nicht getan, sondern in der Folgezeit ein das Persönlichkeitsrecht des Klägers in erheblichem Maße beeinträchtigendes Verhalten an den Tag gelegt.

a) Im Ansatz zu Recht gibt die Beklagte an, dass nicht jedwede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, also auch nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild, einen Anspruch des Betroffenen auf eine Geldentschädigung gegen den Urheber auslöst (BGH 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 984). Erforderlich ist vielmehr eine Bewertung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild sind im Regelfall geringere Anforderungen an die Zusprechung einer Geldentschädigung zu stellen, da die Rechtsverletzung, anders als bei das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerungen, regelmäßig nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - BGHZ 199, 237). Bei dieser Entschädigung steht regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen.

Im vorliegenden Fall liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Auch wenn dieser zunächst mit der Anfertigung von Bildnissen einverstanden war und diese möglicherweise aktiv befördert hat, war für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers und seines Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen nicht mehr der Fall war. Die Beklagte hat dennoch weder von sich aus und zunächst auch nicht auf mehrmaliges Drängen des Klägers die Foto- und Videoaufnahmen mit dem Kläger aus ihren Werbemedien entfernt, sondern dies erst im Februar 2020 und somit über 9 Monate nach seinem Ausscheiden vollständig getan.

b) Nicht ausreichend berücksichtigt hat das Arbeitsgericht bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung, dass die Beklagte den Kläger über den Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat. Dies bedeutet zwar nicht, dass eine „Gewinnabschöpfung“ vorzunehmen ist, wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen ist. In solchen Fällen muss von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen; als weiterer Bemessungsfaktor kann die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung berücksichtigt werden (BGH 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984).

Die Beklagte hat die Angaben des Klägers nicht substanziiert bestritten, wonach sie im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis 21. Februar 2020 viertägige Lehrgänge zum Erlernen von Foliertechniken angeboten habe, die zum Preis von 1.999,00 EUR von ca. 6 Personen je Lehrgang besucht worden seien. Dabei habe die Beklagte etwa 7.000,00 EUR Gewinn je Lehrgang vereinnahmt. Wie die Erörterungen in den mündlichen Verhandlungen vor der Berufungskammer ergeben haben, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer des Lehrgangs aufgrund des den Kläger zeigenden Werbematerials speziell wegen der Person des Klägers bei der Beklagten gebucht haben. Die Beklagte hat nicht mit dem Namen des Klägers geworben, der auch selbst nicht behauptet hat, in der Branche bekannt gewesen zu sein, weshalb Teilnehmer gezielt Schulungen mit ihm besucht haben könnten. Andererseits hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass der Kläger seine jetzige Position bei Mitbewerbern auch deshalb bekleide, weil er durch die entsprechenden Schulungen und Veröffentlichungen bekannt geworden sei. Somit hat die Beklagte einen gewissen Werbeeffekt ausgenutzt, was bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags zu berücksichtigen ist ebenso wie der Umstand, dass sie vermeiden wollte, das mit viel Aufwand und Kosten angefertigte Schulungsvideo nicht mehr unverändert verwerten zu können.

c) Unter Abwägung dieser Umstände hält die Kammer einen Entschädigungsbetrag von 10.000,00 EUR für angemessen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention nicht anspruchserhöhend wirkt sich die anwaltliche Vertretung der Beklagten spätestens seit Anfang Februar 2020 aus (vgl. BAG 5. Mai 2022 - 2 AZR 263/21 - NZA 2022, 1191).


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BGH: Ausübung des Widerrufsrechts nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. kann bei einem geringfügigen Belehrungsfehler gegen Treu und Glauben verstoßen

BGH
Urteil vom 15.02.2023
IV ZR 353/21
BGB § 242; VVG § 5a Abs. 1 Satz 1 a.F.


Der BGH hat entschieden, dass die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. bei einem geringfügigen Belehrungsfehler gegen Treu und Glauben verstoßen kann.

Leitsatz des BGH:
Die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. (hier: Fassung vom 13. Juli 2001) verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, durch den dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (hier: Schriftform statt Textform).

BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21 - Kammergericht LG Berlin

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AG Pforzheim: 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unberechtigter Weitergabe von Name und Adresse

AG Pforzheim
Urteil vom 27.01.2022
2 C 381/21


Das AG Pforzheim hat in diesem Fall dem Betroffenen 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen der unberechtigten Weitergabe von Name und Adresse zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Durch die Weitergabe des Namens und der Adresse des Klägers ohne dessen Einwilligung an das Abrechnungszentrum Dr. G. hat die Beklagte gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO verstoßen und des weiteren pflichtwidrig den Kläger hierüber nicht nach Art. 14 Abs. 1 DSGVO informiert. Aufgrund dessen steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu, wobei das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,- € (zuzüglich 4,- € für Mahnkosten) für angemessen, aber auch ausreichend hält. Hierbei wurde zum einen berücksichtigt, dass sich der von der Beklagten begangene Verstoß nicht als besonders schwerwiegend darstellt, insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für ein systematisches Vorgehen oder gar eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht erkennen lassen. Andererseits sieht das Gesetz einen Ausschluss vermeintlicher Bagatellschäden nicht vor (s. hierzu sowie zum folgenden Kühling-Buchner, DS-GVO, Art. 82, Rd.-Nr. 18 a ff.). Vielmehr ist der Schadensbegriff der DS-GVO weit auszulegen und, da es sich um einen europarechtlichen Anspruch handelt, nicht mit den bisher in Deutschland üblichen Beträgen für einen Immateriellen Schadensersatz zu vergleichen. Um die geforderte Abschreckung zu erreichen, muss der zuzusprechende Schadensersatz über einen rein symbolischen Betrag hinaus gehen. Unter Berücksichtigung all dessen erachtet das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,- € für insgesamt angemessen.

Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, die Beklagte hätte auch im Folgenden unerlaubt seine geschützten personenbezogenen Daten weitergegeben bzw. verarbeitet, so dass ihm auch aufgrund dessen ein (höherer) Schadensersatzanspruch zustünde bzw. ein weiterer, über das Schreiben der Beklagten vom 21.04.2020 hinausgehender, Auskunftsanspruch. Denn die DSGVO gilt gem. Art. 2 Abs. 1 nur für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Die Voraussetzungen für diesen sachlichen Anwendungsbereich der DS-GVO sind im Übrigen jedoch weder ersichtlich noch hinreichend vorgetragen. Die Beklagte mag weitere Daten des Klägers an dessen geschiedene Ehefrau mitgeteilt haben; dies alleine - nämlich ohne automatisierte Verarbeitung oder Speicherung in einem Dateisystem - fällt jedoch eben nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO. Eine Weitergabe von Daten an ihren Prozessbevollmächtigten läge darüber hinaus in ihrem anerkennungswerten berechtigten Interesse, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 f DS-GVO.


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LAG Hessen: Arbeitnehmer hat Anspruch gegen Arbeitgeber auf Zahlung von 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen unberechtigter Observation durch Detektiv

LAG Hessen
Urteil vom 18.10.2021
16 Sa 380/20


Das LAG Hessen hat in diesem Fall entschieden, dass Arbeitnehmer einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung von 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen unberechtigter Observation durch einen Detektiv hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 1.500€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Dezember 2019 verlangen.

Nach Art. 82 Absatz 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Verantwortlicher ist gemäß Art. 4 Nr. 7 EU-DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Bei einer Aktiengesellschaft ist dies der Vorstand (Schild, BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, DSGVO Art. 4 Rn. 89).

Anspruchsberechtigt ist der Kläger als natürliche Person.

Zu ersetzen sind sowohl materielle als auch immaterielle Schäden. Gerade bei immateriellen Schäden ist die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, dass der geschuldete Schadensersatz „eine wirklich abschreckende Wirkung“ haben muss (EuGH Urt. v. 17.12.2015 – C-407/14, EuZW 2016, 183, 184). Die bisherige deutsche Rechtsprechung, die immateriellen Schadensersatz überhaupt nur bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen zugesprochen hat, was auch der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 2 BDSG aF entspricht, ist nicht mehr anwendbar. Da der Begriff des Schadens in Art. 82 DSGVO ein europarechtlicher ist, darf nicht auf nationale Erheblichkeitsschwellen oder andere Einschränkungen abgestellt werden. Einen Ausschluss vermeintlicher Bagatellschäden sieht das Gesetz nicht vor (Kühling/Buchner – Ct, DS-GVO BDSG, 3. Auflage, Art. 82 DS-GVO Rn. 18a).

Ein immaterieller Schaden kann in einer unzulässigen Observierung durch eine Detektei bestehen (Kühling/Buchner – Ct, a.a.O., Rn. 18c; Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG, 2. Auflage, Art. 82 DSGVO Rn. 16; BAG 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 – Rn. 23).

Der Verantwortliche haftet für jede „nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung“ (Art. 82 Abs. 2 S. 1 DSGVO), solange diese kausal für den Schaden ist. Der Begriff der Beteiligung ist weit zu verstehen, sodass insbesondere die letztlich schädigende Handlung nicht von dem in Anspruch genommenen Verantwortlichen ausgegangen sein muss (Kühling/Buchner – Ct, a.a.O., Rn.23).

Die Observation des Klägers einschließlich personenbezogener Datenerhebung war rechtswidrig. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG, das in der Aufdeckung einer Straftat im Beschäftigungsverhältnis liegen kann, zur Erhebung personenbezogener Daten im Wege der Observation des Klägers lag nicht vor. Zwar stellt ein versuchter Prozessbetrug eine Straftat dar, die auch eine Detektivüberwachung rechtfertigen kann. Hierfür muss jedoch ein berechtigter Anlass vorliegen.

Der Kläger hatte in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main 12 Ga 69/19 vorgetragen und an Eides statt versichert, dass er montags bis mittwochs 7:30 Uhr in der Regel seine beiden Kinder betreuen müsse. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. Mai 2019 bemerkte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf der Heimfahrt im ICE XXX in Richtung B, einen Mann, von dem er in diesem Moment keinen Zweifel hatte, dass es sich hierbei um den Kläger handelte. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beauftragte daraufhin eine Detektei mit der Observation des Klägers, die sodann ab 11. Juni 2019 an insgesamt 6 Tagen erfolgte.

Für diese Maßnahme bestand kein berechtigter Anlass. Es wäre dem für die Beklagte handelnden Prozessbevollmächtigten ohne weiteres möglich gewesen, die Person, die er spontan für den Kläger hielt, anzusprechen und sich zu vergewissern, ob es sich tatsächlich um den Kläger handelte. Bei dieser Gelegenheit hätte er den Kläger (sofern es sich bei ihm um die betreffende Person gehandelt haben sollte) auch direkt ansprechen können, wie es sein kann, dass er sich an einem Tag, an dem er sich regelmäßig um seine Kinder kümmern muss, in einem Zug Richtung B befindet. Selbst wenn er nicht sofort hieran gedacht haben sollte, war es ihm immer noch möglich, bis zum ersten Halt des Zuges den Wagen abzulaufen, um die betreffende Person zu finden und anzusprechen. Soweit er im Prozess ausführte, seinen Aktenkoffer nicht auf seinem Platz zurücklassen zu wollen, ist zu berücksichtigen, dass er diesen ohne weiteres auf dem kurzen Gang durch den Waggon hätte mitnehmen können. Letztlich hat er auf eine vage Vermutung hin eine Detektei mit der Observation des Klägers beauftragt.

Die Observation verletzte den Kläger auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Der Detektiv beobachtete ihn an sechs Tagen in seinem Privatleben (auf dem Balkon seiner Wohnung und im Garten). Einmal lief er ihm sogar bis in den Park hinterher.

Auch wenn anlässlich der Observation keine Video- und Fotoaufnahmen des Klägers und seiner Kinder angefertigt wurden, hält die Kammer einen immateriellen Schadenersatz in Höhe von insgesamt 1500 € (250 € je für jede der 6 Observationen) für angemessen. Dies ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers sowie der Prävention.

Der Anspruch auf Verzinsung des zugesprochenen Geldbetrags ergibt sich aus §§ 286 Absatz 1, 288 Absatz 1 BGB.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Wann liegt ein unerheblicher Sachmangel vor, so dass ein Rücktritt vom Kaufvertrag für den Käufer ausgeschlossen ist

BGH
Urteil vom 28.05.2014
VIII ZR 94/13


Die Pressemitteilung des BGH:

"Zum Ausschluss des Rücktritts bei einem unerheblichen Sachmangel

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen ein Sachmangel "unerheblich" im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* ist, so dass der Käufer vom Kaufvertrag nicht zurücktreten kann.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen zum Preis von 29.953 € erworbenen Neuwagen. Nach der Übergabe des Fahrzeugs machte er verschiedene Mängel geltend, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Wegen der Mängel suchte er wiederholt das Autohaus der Beklagten und eine andere Vertragswerkstatt auf und setzte schließlich – erfolglos – in Bezug auf einige Mängel, darunter die Mängel an der Einparkhilfe, eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf schriftlich mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei und entspreche dem Stand der Technik. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, insgesamt 27.257,23 €.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens festgestellt, das Fahrzeug sei insoweit mangelhaft, als die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut seien, was dazu führe, dass die Einparkhilfe immer wieder Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgebe. Der Mangelbeseitigungsaufwand betrage gemäß dem Gutachten des Sachverständigen 1.958,85 €. Der Rücktritt sei jedoch gemäß §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Mangelbeseitigungskosten zehn Prozent des Kaufpreises nicht überstiegen und die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung deshalb unerheblich, der Mangel also geringfügig sei. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises steht im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.**

Da im vorliegenden Fall bereits für die Beseitigung der vom Berufungsgericht festgestellten Fehlfunktion der Einparkhilfe ein die oben genannte Erheblichkeitsschwelle übersteigender Aufwand in Höhe von 6,5 Prozent des Kaufpreises erforderlich ist und das Berufungsgericht keine besonderen Umstände festgestellt hat, die es rechtfertigten, den Mangel gleichwohl ausnahmsweise als unerheblich anzusehen, ist der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur Feststellung der Höhe der vom Käufer aufgrund des Rücktritts geschuldeten Nutzungsentschädigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

*§ 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

(5) (…) Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

**Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171 S. 12 - Verbrauchsgüterkaufrichtlinie)

(1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.

(2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.

(…)

(5) Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,

(…)

— wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder

(…)

(6) Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.

Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13

LG Stuttgart - Urteil vom 16. August 2012 - 10 O 223/10

OLG Stuttgart - Urteil vom 20. März 2013 - 4 U 149/12"

BGH: Wettbewerbsverstoß und keine Bagatelle wenn Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe 1 Euro übersteigt - Rezeptbonus

BGH
Urteil vom 08.05.2013
I ZR 98/12
RezeptBonus
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; AMG § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1; AMPreisV § 1 Abs. 1 und 4, § 3; HWG § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2

Leitsatz des BGH:

Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe einen Euro übersteigt (Ergänzung zu BGH, Urteile vom 9. September 2010 I ZR 193/07, GRUR 2010, 1136 = WRP 2010, 1482 - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE und I ZR 98/08, GRUR 2010, 1133 = WRP 2010, 1471 Bonus-punkte).
BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 98/12 - OLG Naumburg - LG Dessau-Roßlau

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Zur Bagatellgrenze bei Wettbewerbsverstößen - 1 Euro Rezept-Prämie bei verschreibungspflichtigen Medikamenten

BGH
Urteil vom 08.05.2013
I ZR 90/12
Rezept-Prämie
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; AMG § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1; AMPreisV § 1 Abs. 1 und 4, § 3; HWG § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2

Leitsatz des BGH:

Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV ist auch dann nicht geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn bei einem Rezept, auf dem zwei oder mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel verschrieben worden sind, die für die Annahme eines Bagatellverstoßes maßgebliche Wertgrenze von einem Euro für jedes abgegebene preisgebundene Arzneimittel ausgeschöpft wird (Ergänzung zu BGH, Urteile vom 9. September 2010 - I ZR 193/07, GRUR 2010, 1136 = WRP 2010, 1482 - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE und I ZR 98/08, GRUR 2010, 1133 = WRP 2010, 1471 - Bonuspunkte).

BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 90/12 - OLG Jena - LG Meiningen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Hinweis auf alte Batterieverordnung anstelle des neuen Batteriegesetzes kein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß

OLG Hamm
Urteil vom 23.05.2013
4 U 196/12


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Hinweis auf die alte und nicht mehr gültige Batterieverordnung anstelle des neuen Batteriegesetzes in einem Onlineshop bzw. bei eBay & Co. kein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Schon in der Verwendung der Bezeichnung „Batterieverordnung“ im Rahmen der Belehrung über die Rückgabepflicht in Bezug auf erworbene Batterien und die Möglichkeiten im Rahmen der erforderlichen Rückgabe ist allerdings eine irreführende geschäftliche Handlung der Beklagten zu sehen. Es entsteht bei dem angesprochenen Verbraucher aufgrund der Gestaltung des Internetangebotes der Anlage K 1 (Bl.11) der Eindruck, dass die Rückgabepflicht in der gültigen Batterieverordnung geregelt ist, deren allgemeine Grundsätze anschließend mitgeteilt werden. Dieser Eindruck ist aber falsch. Die Batterieverordnung gibt es seit 1. Dezember 2009 nicht mehr und die Pflicht für Unternehmer, die mit Batterien handeln, zur entsprechenden Unterrichtung der Verbraucher ergibt sich nunmehr aus § 18 BatterieG.

b) Diese Fehlvorstellung ist aber hier nicht wettbewerbsrechtlich relevant. Relevant in diesem Sinne ist nicht jede Art von Fehlvorstellung; nicht jede Täuschung ist schon eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG. Eine Werbeaussage, durch die eine Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise ausgelöst wird, ist erst dadurch wettbewerbsrechtlich relevant, dass sie geeignet ist, das Marktverhalten der Gegenseite zu beeinflussen (BGH GRUR 2003, 628, 630 –Klosterbrauerei; BGH GRUR 2000, 239, 241 – Last-Minute Reise). Das ist der Fall, wenn es nach der Lebenserfahrung nahe liegt, dass die erzeugte Fehlvorstellung für die Marktentscheidung eines nicht unbeträchtlichen Teils des Verkehrs von Bedeutung ist. Es ist dafür erforderlich, dass die täuschende Werbeangabe gerade wegen ihrer Unrichtigkeit geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums irgendwie zu beeinflussen (BGH GRUR 1992, 70, 72 = NJW-RR 1991, 1392 –40 % weniger Fett). Unter dieser Vorgabe stellt der Hinweis auf die veraltete Batterieverordnung dem Publikum beim Kauf keinerlei Vorteile in Aussicht. Der fehlerhafte Hinweis ist erkennbar nicht in der Lage, die Kaufentscheidung des angesprochenen Verbrauchers in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Die Frage, ob die alte Batterieverordnung gilt oder das neue Batteriegesetz, ist für die Kaufentscheidung nicht von Bedeutung. Der Umstand, dass der Verbraucher angesichts des Angebots der Beklagten die Batterieverordnung weiterhin für gültig hält, wird ihn nicht dazu bewegen, bei dieser die Batterie zu kaufen und nicht bei einem Konkurrenten, der zutreffend auf das Batteriegesetz und dieselbe Rückgabepflicht hinweist. In beiden Fällen ist dem Verbraucher nämlich nach dem Hinweis die Kerntatsache klar, dass er die gekaufte Batterie nach Gebrauch zurückgeben muss und dass er sie zur Erfüllung seiner Rückgabepflicht auch unentgeltlich an die Beklagte als Verkäuferin übersenden kann. Wo er kauft, bestimmt der Verbraucher dann nach anderen Kriterien, insbesondere dem Preis.

5) In dem Hinweis auf die Batterieverordnung ist auch kein spürbarer Verstoß der Beklagten gegen § 18 BatterieG zu sehen, aus dem der Kläger einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs.1, 3, 4 Nr. 11 UWG herleiten kann."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:





Einschränkung von Abmahnkosten und des fliegenden Gerichtsstandes - Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Das Bundesministeriums der Justiz (BMJ) hat den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vorgelegt. Dieser bezweckt u.a. "Unseriöse Geschäftspraktiken in den Bereichen Inkassowesen, Telefonwerbung und Abmahnwesen" zu bekämpfen. So sollen Abmahnkosten und auch der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt werden. Dieses Vorhaben ist an sich löblich. Der Entwurf ist aber leider an vielen Stellen unausgegoren. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Entwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren entwickelt.

OLG Hamm: Wird in der Widerrufsbelehrung wie nach alter Fassung auf die BGB-InfoV und nicht wie nach aktueller Fassung auf das EGBGB verwiesen, so ist dies wettbewerbswidrig und kein Bagatellverstoß

OLG Hamm
Urteil vom 13.10.2011
I-4 U 99/11


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß und keine Bagatelle vorliegt, wenn in der Widerrufsbelehrung, wie es früher nach alter Fassung richtig war, auf die BGB-InfoV und nicht wie nach aktueller Fassung erforderlich auf das EGBGB verwiesen wird. Die Entscheidung zeigt wieder einmal, dass die Rechtsprechung zum Teil auch bei kleinen Verstößen einen Wettbewerbsverstoß annimmt. Daher ist es äußerst wichtig, die Widerrufsbelehrung stets auf dem aktuellen Stand zu halten.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Auch wenn "nur" falsche Normen angegeben werden, wird die beabsichtigte Überprüfung eines Verbrauchers im Hinblick auf seine Rechte in der konkreten Situation erschwert. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass sich ein Verbraucher dann, wenn er die in der Belehrung genannten Paragraphen gar nicht findet, verunsichern lassen könnte und dadurch gegebenenfalls von der Geltendmachung seines Widerrufsrechts abhalten lässt. Dies gilt auch für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-verbraucher, auf den hier – insoweit ist der Antragsgegnerin zuzustimmen – abzustellen ist. Denn sind die richtigen Vorschriften nicht angegeben und somit für den Verbraucher nicht auffindbar, ist es durchaus denkbar, dass dieser die Berechtigung eines Widerrufs in Zweifel zieht und insofern kein Risiko eingehen will, dass sich aus seiner Sicht aus möglichen Folgen eines unberechtigten Widerrufs, wie z.B. Wertersatz- oder Schadensersatzansprüche, ergeben könnte."

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OLG Frankfurt: Abmahnklassiker - Wettbewerbsverstöße in AGB - "Lieferung in der Regel innerhalb", salvatorische Klausel und Verfügbarkeitsvorbehalt

OLG Frankfurt
Beschluss vom 27.07.2011
6 W 55/11
Lieferung in der Regel innerhalb ...


Das OLG Frankfurt hat nochmals bekräftigt, dass unpräzise Angaben zur Lieferzeit wettbewerbswidrig sind (siehe dazu auch Abmahngefahr: Unpräzise Angaben zur Lieferzeit in Online-Shops sowie bei eBay & Co.). Vorliegend verwendete der Shop Betreiber die Formulierung "in der Regel innerhalb von 2 Werktagen nach Zahlungseingang".

Zudem rügte das Gericht in Einklang mit der gängigen Rechtsprechung die vom Shop-Betreiber verwendete salvatorische Klausel
"Sollte eine der Bestimmungen dieser AGB unwirksam oder undurchführbar sein, berührt dies die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht. Die unwirksam oder undurchführbar Bestimmung ist durch eine wirksame und durchführbare zu ersetzen, die den mit der unwirksamen oder undurchführbar Bestimmung verfolgten Regelungsziele am nächsten kommt",
da anstelle der unwirksamen Regelung nicht die gesetzlichen Regelungen gelten sollten.

Auch der vom Verkäufer in den AGB enthaltene Verfügbarkeitsvorbehalt hielt das OLG Frankfurt völlig zu Recht für wettbewerbswidrig, da dem Verkäufer bei Nichtverfügbarkeit der Ware die Möglichkeit eingeräumt wurde, eine gleichwertige Ware zu liefern oder vom Vertrag zurückzutreten.

Nicht wettbewerbswidrig sondern ein Bagatellverstoß ist es nach Ansicht des OLG Frankfurt hingegen, wenn ein Shopbetreiber zum Auslandsversand folgende Regelung verwendet: "Bei Lieferung ins Ausland werden die Versandkosten individuell vereinbart"

In den Entscheidungsgründen heißt es dazu:
"Die sich aus der Preisangabenverordnung ergebenden Verpflichtungen gelten nur für Preisangaben gegenüber im Inland ansässigen Verbrauchern. Fälle, in denen inländische Verbraucher anlässlich eines Kaufs bei der Antragsgegnerin einen Versand des Kaufgegenstands an eine ausländische Adresse wünschen, sind zwar denkbar; sie sind jedoch derart selten, dass der beanstandete Preisangabenverstoß unterhalb der Bagatellgrenze des § 3 I, II UWG anzusiedeln ist.“

Das OLG Hamm sieht dies jedoch anders und bejaht in derartigen Fällen einen Wettbewerbsverstoß (OLG Hamm, Urteil vom 12.03.2009 - 4 U 225/08). Daher sollten nach wie vor die Kosten für den Versand in das Ausland bzw. die Berechnungsgrundlagen angegeben werden.

Die vollständige Entscheidung des OLG Frankfurt finden Sie hier:


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LG Trier: Fehlende Grundpreisangabe nach § 2 PAngV ist nicht immer wettbewerbswidrig

LG Trier
Urteil vom 16.06.2011
10 HK O 3/11
Fehlende Grundpreisangabe


Das LG Trier hat mit Urteil vom 16.06.2011 entschieden, dass eine fehlende Grundpreisangabe nach § 2 PAngV nicht immer ein Wettbwerbsverstoß ist. Im vorliegenden Fall ging es um Absperrband, welches primär als Partygang und nicht als eigentliches Absperrband angeboten wurde. Das Gericht sah in der fehlenden Grundpreisangabe einen Bagatellverstoß, der keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche auslöst. Da andere Gerichte die Rechtsansicht des LG Trier nicht unbedingt teilen, ist auch bei solchen Produkten zu empfehlen, den Grundpreis (hier Preis pro Meter) anzugeben.

OLG Hamm: Fehlen von Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bzw der Handelsregisternummer und des Registergerichts ist ein abmahnfähiger Wettbwerbsverstoß

OLG Hamm,
Urteil vom 02.04.2009
4 U 213/08


Das OLG Hamm kommt in dieser Entscheidung zu dem Ergebnis, dass das Fehlen der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in der Anbieterkennzeichnung ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß ist. Ebenfalls ist es wettbewerbswidrig, wenn eine Handelsregistereintrag besteht, aber in der Anbieterkennzeichnung die Registernummer bzw. das Registergericht fehlt. Das Gericht ist der Ansicht, dass jeder Verstoß gegen die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung nach § 5 TMG und der Pflichten nach §§ 312 c BGB, 1 Info-VO wettbewerbswidrig ist. Zudem hält das OLG Hamm bei derartigen Verstößen einen Streitwert von 15.000 EURO für angemessen.

Die pauschale Betrachtungsweise des OLG Hamm ist abzulehnen. Insbesondere das Fehlen der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist nicht geeignet den Wettbewerb zu beeinflussen. Hingegen dürfte das Fehlen der Informationen zum Handelsregistereintrag regelmäßig wettbewerbswidrig sein, da hierdurch die Rechtsverfolgung erschwert werden kann. Auch der Streitwert ist überhöht. Andere Gericht setzen völlig zu Recht bei derartigen rechtlichen Auseinandersetzungen einen weitaus niedrigeren Streitwert an. Dennoch gilt es die Vorgaben des OLG Hamm einzuhalten. Nach den Grundsätzen des fliegenden Gerichtsstands kann ein Abmahner im Regelfall gerichtliche Schritte im OLG-Bezirk Hamm einleiten.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


"OLG Hamm: Fehlen von Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bzw der Handelsregisternummer und des Registergerichts ist ein abmahnfähiger Wettbwerbsverstoß" vollständig lesen

OLG Düsseldorf: Wettbewerbsverstoß nur noch im Google-Cache als Bagatellverstoß

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 03.07.2007 I-20 U 10/07 entschieden, dass Wettbewerbsverstöße, die lediglich über den Google-Cache auffindbar sind, nicht geeignet sind, den Wettbewerb mehr als unerheblich zu beeinflussen. Es liegt insofern ein wettbewerbsrechtlich nicht relevanter Bagatellverstoß vor.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: "OLG Düsseldorf: Wettbewerbsverstoß nur noch im Google-Cache als Bagatellverstoß" vollständig lesen