Skip to content

BGH: Klausel in AGB eines Verlages welche Beendigung der Zusammenarbeit für Neuausgabe eines juristischen Großkommentars ohne Grund vorsieht kann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein

BGH
Urteil vom 20.12.2018
I ZR 133/17
Neuausgabe
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass eine Klausel in AGB eines Verlages, welche die Beendigung der Zusammenarbeit für die Neuausgabe eines juristischen Großkommentars ohne sachlichen Grund und Mitteilung vorsieht, kann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein kann.

Der klagende Universitätsprofessor hatte die Veröffentlichung der Entscheidung durch diverse Rechtsmittel über mehrere Jahre blockiert.

Leitsatz des BGH:

Eine Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der der Verlag eines juristischen Großkommentars berechtigt ist, eine Erstreckung der vertraglichen Zusammenarbeit auf eine Neuausgabe abzulehnen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt und dem Kommentator mitgeteilt wird, kann sich als ein hinreichend bedeutsamer Nachteil im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen, der sich bei umfassender Würdigung der relevanten Umstände als unangemessen
erweist.

BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 133/17 - OLG München - LG München

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann: Kommando zurück - BGH: Unterlassungsverpflichtung begründet oft auch Rückrufpflicht des Herstellers

In Ausgabe 4/20, S. 16 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Kommando zurück - BGH: Unterlassungsverpflichtung begründet oft auch Rückrufpflicht des Herstellers".

Siehe auch zum Thema: BGH: Unterlassungsschuldner hat auch nach einstweiliger Verfügung Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben


BGH: Unterlassungsschuldner hat auch nach einstweiliger Verfügung Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben

BGH
Beschluss vom 17.10.2019
I ZB 19/19


Der BGH hat entschieden, dass der Unterlassungsschuldner auch nach einstweiliger Verfügung eine Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer, streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben, hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"a) Nach der Rechtsprechung des Senats verpflichtet das in einem Unterlassungstitel enthaltene Verbot den Schuldner außer zum Unterlassen weiterer Vertriebshandlungen auch dazu, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die den Weitervertrieb der rechtsverletzend aufgemachten Produkte verhindern. Diese Handlungspflicht des Schuldners beschränkt sich allerdings darauf, im Rahmen des Möglichen, Erforderlichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken. Zudem gelten bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung im Unterschied zur Vollstreckung eines Titels aus einem Hauptsacheverfahren Beschränkungen, die sich aus der Eigenart des Verfügungsverfahrens und aus den engen Voraussetzungen für die Vorwegnahme der Hauptsache sowie aus den im Verfügungsverfahren eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners ergeben (zu allem ausführlich BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 17 ff.).

b) Die vom Beschwerdegericht ausgeführten Einwände veranlassen den Senat nicht, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen.

aa) Ist der Schuldner nach dem Ergebnis der Auslegung des Unterlassungstitels verpflichtet, durch positives Tun Maßnahmen zur Beseitigung des fortdauernden Störungszustands zu ergreifen und dabei auf Dritte einzuwirken, kommt es nicht darauf an, ob er entsprechende Ansprüche gegen die in Betracht kommenden
Dritten hat. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar nicht für das selbständige Handeln Dritter einzustehen. Das entbindet ihn im Rahmen seiner durch Auslegung ermittelten positiven Handlungspflicht aber nicht davon, auf Dritte einzuwirken, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt und bei denen er mit -
gegebenenfalls weiteren - Verstößen ernstlich rechnen muss. Der Schuldner ist daher verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf solche Personen einzuwirken. Mit Blick auf seine Einwirkungsmöglichkeiten auf Dritte kommt es nur darauf an, ob der Schuldner rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten Dritter hat. Es reicht daher aus, wenn ihm eine tatsächliche Einwirkung möglich ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 25).

bb) Die spezialgesetzlich vorgesehenen Rückrufansprüche des Immaterialgüterrechts stehen - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - der Annahme von Beseitigungspflichten im Rahmen der Unterlassungshaftung nicht entgegen, weil diese in Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG ergangenen Vorschriften keinen Vorrang vor anderen Vorschriften beanspruchen (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 29). Im vorliegend betroffenen Fall einer lauterkeitsrechtlichen Unterlassungspflicht kommt eine Sperrwirkung schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer solchen speziellen Regelung fehlt.

cc) Dem Bedenken, die Geltendmachung einer Rückrufpflicht könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen, trägt der Senat Rechnung, indem er den Schuldner ggf. lediglich für verpflichtet hält, Maßnahmen zu treffen, die die Abwehransprüche des Gläubigers sichern, ohne ihn in diesen Ansprüchen abschließend zu befriedigen. Hierzu zählt die Aufforderung an die Abnehmer, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 37 bis 39).

dd) Die Annahme einer positiven Handlungspflicht aufgrund des Unterlassungsgebots verstößt - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG geregelte Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 1654/90, juris; BVerfG, GRUR 2007, 618, 619 [juris Rn. 16 bis 22]; BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 24 mwN).

ee) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts begründet die Annahme einer Pflicht zum Rückruf oder zur Aufforderung der Abnehmer, nicht weiterzuvertreiben, nicht die Besorgnis einer Entwertung des Abschlussverfahrens oder einer gesteigerten Inanspruchnahme der Gerichte. Beschränkt sich die Pflicht des Schuldners auf eine solche Aufforderung, weil andernfalls im Eilverfahren eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vorläge, kann der Gläubiger eine weitergehende Verpflichtung zum Rückruf allein im Hauptsacheverfahren erlangen, sofern sich der Schuldner nicht entsprechend strafbewehrt verpflichtet. Nimmt man mit dem Beschwerdegericht an, von der Pflicht zur Unterlassung sei keinerlei Beseitigungshandlung umfasst, so muss der Gläubiger hierfür auch dann gesonderte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn eine Abschlusserklärung abgegeben wurde.

c) Zur Frage, ob die Schuldnerin im Zeitraum zwischen der Verkündung der Urteilsverfügung und den durch die Gläubigerin veranlassten Testkäufen einen Rückruf oder auch nur eine Aufforderung, nicht weiterzuvertreiben, an ihre Abnehmer gerichtet hat, hat das Beschwerdegericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Darüber hinaus fehlt es an Feststellungen zum Verschulden der Schuldnerin, zur Höhe des wegen des Verstoßes gegen die Schuldnerin festzusetzenden Ordnungsgeldes und zur Dauer der deswegen ersatzweise festzusetzenden Ordnungshaft.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Nach Minderung wegen desselben Mangels keine Rückabwicklung des Kaufvertrages im Wege des großen Schadensersatzes mehr möglich

BGH
Urteil vom 09.05.2018
VIII ZR 26/17


Der BGH hat entschieden, dass nach ein Käufer nach Minderung wegen desselben Mangels keine Rückabwicklung des Kaufvertrages im Wege des großen Schadensersatzes mehr verlangen kann.

Die Pressemitteilung des BGH:

Rückabwicklung eines Kaufvertrages im Wege des "großen Schadensersatzes" nach wegen desselben Mangels zuvor bereits erklärter Minderung ist ausgeschlossen

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, ob ein Käufer im Anschluss an eine bereits erklärte Minderung des Kaufpreises wegen desselben Sachmangels (auch) noch im Wege des sogenannten "großen Schadensersatzes" die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen kann.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, schloss einen Leasingvertrag über ein von der Beklagten hergestelltes und zum Verkauf angebotenes Neufahrzeug der Marke Mercedes-Benz. Nachdem die Leasinggesellschaft das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 99.900 € von der Beklagten erworben hatte, wurde es im März 2014 an die Klägerin übergeben.

Im Zeitraum Oktober 2014 und Februar 2015 brachte die Klägerin das Fahrzeug wegen verschiedener Mängel (unter anderem: Kurzschluss am Steuergerät der Sitzeinstellung, Aussetzen der Gangschaltung, mehrere Fehler an der Elektronik) insgesamt siebenmal in eine Niederlassung der Beklagten. Die gerügten Mängel wurden jeweils von der Beklagten beseitigt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sämtliche aufgetretenen Mängel auf eine auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhende Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs zurückzuführen seien und erklärte unter Berufung hierauf mit ihrer Klageschrift gegenüber der Beklagten die Minderung des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2, § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Höhe von 20 Prozent. In der Folgezeit suchte sie erneut eine Niederlassung der Beklagten zur Behebung weiterer Mängel (Defekt des Pulsationsdämpfers der Hydraulikpumpe; grundloses Aufleuchten der ABC-Lampe) auf. Der erstgenannte Mangel wurde behoben, bezüglich der zweiten Beanstandung vermochte die Beklagte einen Mangel nicht zu erkennen. Kurze Zeit später stellte die Klägerin ihr Klagebegehren dahingehend um, dass sie wegen der von ihr geltend gemachten herstellungsbedingten Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs nicht mehr die Rückzahlung des sich aus der Minderung des Kaufpreises ergebenden Betrages, sondern vielmehr den sogenannten großen Schadensersatz (Schadensersatz statt der ganzen Leistung, § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 BGB) verlangte, der auf Ersatz des dem Käufer durch die Nichterfüllung des gesamten Vertrages entstandenen Schadens sowie die Rückgewähr bereits erbrachter Leistungen gerichtet ist.

In den Vorinstanzen hat die Klage ganz überwiegend Erfolg gehabt. Dabei sind sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin wegen der von ihr bemängelten Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs trotz der insoweit zuvor bereits erklärten Minderung des Kaufpreises noch wirksam zu einem Anspruch auf sogenannten großen Schadensersatz und damit zur vollständigen Rückabwicklung des Kaufvertrages habe übergehen können. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es einem Käufer verwehrt ist, im Anschluss an eine von ihm gegenüber dem Verkäufer bereits wirksam erklärte Minderung des Kaufpreises unter Berufung auf denselben Mangel anstelle oder neben der Minderung so genannten "großen Schadensersatz" und damit die Rückabwicklung des Kaufvertrages zu verlangen. Damit waren die Urteile der Vorinstanzen (in denen es überdies an hinreichenden Feststellungen betreffend den von der Klägerin geltend gemachten Sachmangel fehlt) bereits aus diesem Grund aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Nach § 437 Nr. 2, § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Käufer einer mangelhaften Sache statt zurückzutreten den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern. Damit soll dem möglichen Käuferinteresse Rechnung getragen werden, die mangelhafte Sache zu behalten und (statt den Kaufvertrag rückabzuwickeln) durch Herabsetzung des Kaufpreises um den angemessenen Betrag das Äquivalenzinteresse zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherzustellen. Da es sich bei der Minderung nach § 441 BGB um ein Gestaltungsrecht handelt, mit welchem der Käufer durch einseitiges Rechtsgeschäft eine Änderung des Vertragsverhältnis unmittelbar herbeizuführen vermag, ist dieser ab Eintritt der besagten Gestaltungswirkung (Herabsetzung des Kaufpreises) an die von ihm erklärte Minderung gebunden. Vorliegend vermochte die Klägerin mithin die bereits mit Zustellung ihrer Klageschrift gegenüber der Beklagten wirksam erklärte Minderung einseitig weder zurückzunehmen noch zu widerrufen, um stattdessen unter Berufung auf denselben Mangel nunmehr im Rahmen des sogenannten großen Schadensersatzes die Rückabwicklung des gesamten Kaufvertrages zu verlangen.

Nach der Konzeption des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts war die Klägerin aber ebenfalls daran gehindert, besagten großen Schadensersatz zusätzlich zu der von ihr nicht mehr zu beseitigenden Gestaltungswirkung der Minderung geltend zu machen und auf diesem Wege im Ergebnis nicht nur eine Herabsetzung des Kaufpreises zu erreichen, sondern den (gegebenenfalls um Gegenforderungen reduzierten) Kaufpreis insgesamt zurückzufordern. Zwar gestattet es das Gesetz einem Käufer grundsätzlich, bei Mängeln der Kaufsache neben der Minderung des Kaufpreises zusätzlich den Ersatz ihm entstandener Schäden geltend zu machen (siehe die Verbindung "und" zwischen § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB). Dies gilt jedenfalls insoweit, als der Käufer zusätzlich zu dem mangelbedingten Minderwert der Sache Schäden erlitten hat (etwa entgangenen Gewinn). Damit wird dem Käufer jedoch nicht die Möglichkeit eröffnet, nach einer bindend gewordenen Minderung des Kaufpreises wegen desselben Mangels anstelle dieses Gestaltungsrechts oder neben diesem einen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung (sogenannten großen Schadensersatz) nach § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 BGB zu verlangen.

Denn mit der wirksamen Ausübung der Minderung hat ein Käufer zugleich das ihm vom Gesetz eingeräumte Wahlrecht zwischen Festhalten am und Lösen vom Kaufvertrag "verbraucht". Das Sachmangelgewährleistungsrecht verlangt dem Käufer einer mangelhaften Sache im Rahmen von § 437 BGB die grundlegende Entscheidung ab, ob er den Kaufvertrag (unter Liquidation entstandener Vermögenseinbußen) weitergelten lassen oder ob er sich von diesem lösen will. Dafür stehen ihm jeweils zwei Wege zur Verfügung. Will er die Kaufsache behalten, kann er entweder durch eine Gestaltungserklärung den Kaufpreis unter den Voraussetzungen des § 437 Nr. 2, § 441 BGB mindern oder im Wege der Geltendmachung eines Schadensanspruches statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB die Liquidation des Minderwerts erreichen (sogenannter kleiner Schadensersatz). Will er sich hingegen vom Kaufvertrag lösen, kann er entweder nach § 437 Nr. 2, § 323 BGB den Rücktritt vom Vertrag erklären oder aber Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB fordern, der auf Ersatz des dem Käufer durch die Nichterfüllung des gesamten Vertrages entstandenen Schadens gerichtet ist und die Rückgewähr bereits erbrachter Leistungen (§ 281 Abs. 5 BGB) zur Folge hat (großer Schadensersatz).

Ein Käufer, der wirksam von dem Gestaltungsrecht der Minderung Gebrauch macht, bringt wegen des diesem Gewährleistungsrecht vom Gesetzgeber beigemessenen Inhalts seinen Willen zum Ausdruck, die Kaufsache trotz des ihr anhaftenden Mangels zu behalten und an dem Kaufvertrag mit dem durch die Herabsetzung des Kaufpreises wiederhergestellten Äquivalenzverhältnis festzuhalten. Diese Erklärung ist integraler Bestandteil der Gestaltungswirkung der Minderung und mithin ab dem Wirksamwerden dieses Gestaltungsrechts für den Käufer bindend. In dieser Weise hat vorliegend auch die Klägerin mit ihrer in der Klageschrift ausgesprochenen Minderungserklärung verbindlich zum Ausdruck gebracht, den Kaufvertrag nicht rückgängig machen, sondern das (ihrer Auffassung nach) mit dem Mangel herstellungsbedingter Fehleranfälligkeit behaftete Fahrzeug zu einem reduzierten Kaufpreis behalten zu wollen. Mit dieser Entscheidung für die Fortsetzung des Kaufvertrags ist es jedoch unvereinbar, dass sie nach erfolgter Minderung des Kaufpreises unter Berufung auf denselben Mangel nunmehr Schadensersatz statt der ganzen Leistung (§ 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB) und damit die Rückabwicklung des Kaufvertrages (§ 281 Abs. 5 BGB) begehrt.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

[…]

2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurückzutreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und

3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz […] verlangen.

§ 441 BGB Minderung

(1) 1 Statt zurückzutreten, kann der Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern. […]

[…]

(4) 1Hat der Käufer mehr als den geminderten Kaufpreis gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Verkäufer zu erstatten. […]

§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) 1 Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eines angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. […] 3Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

[…]

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten […] berechtigt.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 20. Mai 2016 – 23 O 166/15

Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 26. Januar 2017 – 19 U 90/16



BGH: Abwarten bei sporadisch auftretendem sicherheitsrelevantem Mangel für Käufer unzumutbar - Vorführeffekt

BGH
Urteil vom 26.10.2016
VIII ZR 240/15


Der BGH hat entschieden, dass dem Käufer eines Autos das Abwarten bei sporadisch auftretendem sicherheitsrelevantem Mangel für den Käufer unzumutbar ist und dieser vom Vertrag zurücktreten kann.

Abwarten bei sporadisch auftretendem sicherheitsrelevantem Mangel für Käufer unzumutbar ("Vorführeffekt")

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob es einem Käufer nach § 440 Satz 1 BGB zumutbar ist, dass der Verkäufer die geschuldete Nachbesserung bei einem nur sporadisch auftretenden, aber für die Verkehrssicherheit relevanten Mangel eine aufwendige Untersuchung zunächst unterlässt und den Käufer darauf verweist, das Fahrzeug bei erneutem Auftreten der Mangelsymptome wieder vorzuführen.

Der Sachverhalt:

Der Kläger kaufte von der beklagten Kraftfahrzeughändlerin einen gebrauchten Volvo V 50 zum Preis von 12.300 €. Kurze Zeit nach der Übergabe des Fahrzeugs bemängelte der Kläger (u.a.), das Kupplungspedal sei nach Betätigung am Fahrzeugboden hängengeblieben, so dass es in die Ausgangsposition habe zurückgezogen werden müssen.

Bei einer daraufhin von der Beklagten durchgeführten Untersuchungsfahrt trat der vom Kläger gerügte Mangel am Kupplungspedal allerdings auch bei mehrmaliger Betätigung der Kupplung nicht auf. Während der Kläger geltend macht, er habe gleichwohl, allerdings vergeblich, auf einer umgehenden Mangelbehebung bestanden, will die Beklagte ihm lediglich mitgeteilt haben, dass derzeit kein Grund zur Annahme einer Mangelhaftigkeit und somit für ein Tätigwerden bestehe und der Kläger das Fahrzeug bei erneutem Hängenbleiben des Kupplungspedals wieder bei ihr vorstellen solle. Nachdem der Kläger in den folgenden Tagen unter Hinweis auf ein erneutes Hängenbleiben des Kupplungspedals vergeblich versucht hatte, die Beklagte zu einer Äußerung über ihre Reparaturbereitschaft zu bewegen, trat er vom Kaufvertrag zurück.

Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und den Ersatz weiterer Schäden gerichtete Klage ist in zweiter Instanz erfolgreich gewesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Kläger auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten konnte, weil es ihm trotz des nur sporadischen Auftreten des Mangels aufgrund dessen Relevanz für die Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs nicht im Sinne von § 440 Satz 1 BGB zumutbar war, ein weiteres Auftreten der Mangelsymptome abzuwarten.

Der Kläger hat den Anforderungen an ein hinreichendes Nacherfüllungsverlangen bereits dadurch genügt, dass er der Beklagten neben der Einräumung einer Untersuchungsmöglichkeit die Mangelsymptome hinreichend genau bezeichnet hatte.

Bei dem durch Sachverständigengutachten bestätigten und bereits bei Gefahrübergang vorhandenen sporadischen Hängenbleiben des Kupplungspedals handelte es sich nicht um einen bloßen "Komfortmangel" , sondern um einen sicherheitsrelevanten Mangel. Denn eine solche Fehlfunktion kann, selbst wenn sie nur das Kupplungspedal selbst betrifft, unter anderem wegen des beim Fahrer hervorgerufenen Aufmerksamkeitsverlusts die Unfallgefahr signifikant erhöhen. Mit ihrer Erklärung anlässlich der Vorführung des Fahrzeugs, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangelhaftigkeit und damit ein Tätigwerden, solange der behauptete Mangel nicht (erneut) auftrete und der Kläger damit nochmals vorstellig werde, ist die Beklagte dem Nacherfüllungsverlangen nicht gerecht geworden.

Denn eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs war ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehrsunsichere Zustand fortbestand und es dem Kläger - der das Fahrzeug insofern auch tatsächlich noch im Juli 2013 stilllegte - nicht zugemutet werden konnte, das Risiko der Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr auf sich zu nehmen.

Ein Rücktritt war im vorliegenden Fall auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) ausgeschlossen, auch wenn dieser letzten Endes (nachdem der Kläger den Rücktritt bereits erklärt hatte) mit geringen Kosten (433,49 €) beseitigt werden konnte. Denn solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar ist, kann die Erheblichkeit des Mangels regelmäßig nur an der hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung gemessen werden, die vorliegend aufgrund der Gefahren für Verkehrssicherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen war.

§ 440 BGB Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz

1[…] bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung […] verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. […]

§ 439 BGB Nacherfüllung

[…]

(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

[…]

§ 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

[…]

(5) […] 2Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

Vorinstanzen:

Landgericht Kiel - Urteil vom 18. Mai 2015 - 12 O 259/13

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - Urteil vom 2. Oktober 2015 - 17 U 43/15


BGH: Kein vollständiger Gewährleistungsausschluss durch Klausel "wie besichtigt" - umfasst nur bei Besichtigung wahrnehmbare Mängel der Kaufsache

BGH
Urteil vom 06.04.2016
VIII ZR 261/14
BGB § 444


Der BGH hat nochmals bekräftigt, dass Besichtigungsklauseln nicht als vollständiger Gewährleistungsausschluss zu werten sind. Klauseln wie "gekauft wie gesehen" oder "wie besichtigt" umfassen regelmäßig nur bei Besichtigung wahrnehmbare Mängel der Kaufsache. Dies gilt auch für den unternehmerischen Geschäftsverkehr.

Leitsatz des BGH:

Zur Frage der Auslegung einer "Besichtigungsklausel" als Ausschluss der Gewährleistung beim Kaufvertrag.

BGH, Urteil vom 6. April 2016 - VIII ZR 261/14 - OLG Karlsruhe - LG Karlsruhe

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Kein Sachmangel bei einer zwölf Monate überschreitenden Standzeit eines Gebrauchtwagens zwischen Herstellung und Erstzulassung

BGH
Urteil vom 29.06.2016
VIII ZR 191/15


Der BGH hat entschieden, dass bei einer zwölf Monate überschreitenden Standzeit eines Gebrauchtwagens zwischen Herstellung und Erstzulassung kein Sachmangel vorliegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Bundesgerichtshof verneint Sachmangel bei einer zwölf Monate überschreitenden Standzeit eines Gebrauchtwagens zwischen Herstellung und Erstzulassung

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein zwei Jahre und vier Monate nach seiner Erstzulassung verkaufter Gebrauchtwagen mangelhaft ist, wenn das Fahrzeug zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweist.

Der Sachverhalt:

Der Kläger kaufte im Juni 2012 von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 €. Im Kaufvertragsformular war unter der Rubrik "Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief" der 18. Februar 2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 1. Juli 2008 hergestellt worden war. Nach Ansicht des Klägers begründet die sich hieraus ergebende Dauer der Standzeit vor Erstzulassung (19 ½ Monate) schon für sich genommen einen Sachmangel des Kraftfahrzeugs. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises.

Das Landgericht hat seiner Zahlungsklage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die hiergegen gerichtete, vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Standzeit von über zwölf Monaten vor Erstzulassung bei einem Gebrauchtwagenkauf nicht ohne Weiteres einen Sachmangel begründet.

Die Parteien hatten weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Beschaffenheitsvereinbarung über ein bestimmtes Herstellungsdatum oder Baujahr getroffen (§ 433 Abs. 1 Satz 2*, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB**). Der bloßen Angabe des Datums der Erstzulassung im Kaufvertrag kann – anders als der Kläger meint – eine solche (stillschweigende) Beschaffenheitsvereinbarung schon deshalb nicht entnommen werden, weil die Beklagte durch den einschränkenden Zusatz "lt. Fzg.-Brief" keine verbindliche Willenserklärung abgegeben, sondern lediglich mitgeteilt hat, aus welcher Quelle sie die entsprechenden Angaben entnommen hat (Wissensmitteilung). Die Beklagte hat damit deutlich gemacht, dass sie weder für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums noch – darüber hinausgehend - für ein bestimmtes Baujahr des Fahrzeugs einstehen will.

Die Standzeit von 19 ½ Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung führt auch nicht dazu, dass sich der erworbene Gebrauchtwagen zum Zeitpunkt der Übergabe nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und nicht die übliche, vom Käufer berechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB**). Zwar hat der Senat für den Kauf von Neu- oder Jahreswagen bereits entschieden, dass ein Autokäufer in diesen Fällen eine zwölf Monate nicht überschreitende Standzeit vor der Erstzulassung erwarten darf. Denn dem durch die Standzeit voranschreitenden Alterungsprozess kommt bei neuen Fahrzeugen oder zumindest "jungen Gebrauchtwagen" besonderes wirtschaftliches Gewicht zu. Vergleichbare allgemein gültige Aussagen lassen sich bei sonstigen Gebrauchtwagen jedoch nicht treffen. Welche Standzeiten bei solchen Fahrzeugen üblich sind und ein Käufer - ohne zusätzliche Verkäuferangaben – erwarten darf, hängt vielmehr von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wie etwa der Dauer der Zulassung zum Verkehr und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung. Wenn das erworbene Gebrauchtfahrzeug - wie hier - zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits längere Zeit zum Straßenverkehr zugelassen war und durch eine relativ hohe Laufleistung eine nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs eingetreten ist, verlieren – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - eine vor der Erstzulassung eingetretene Standzeit und der hierauf entfallende Alterungsprozess zunehmend an Bedeutung. Dass konkrete standzeitbedingte Mängel aufgetreten sind, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Der Kaufvertrag ist daher nicht rückabzuwickeln.

§ 433 BGB Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag

(1) […] 2Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

[…]

§ 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

[…]

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.

[…]

Vorinstanzen:

Landgericht Göttingen - Urteil vom 27. November 2014 - 4 O 214/13
Oberlandesgericht Braunschweig - Urteil vom 23. Juli 2015 - 9 U 2/15

BGH: Fehlende Herstellergarantie beim Autokauf stellt einen Sachmangel dar - Beschaffenheitsmerkmal das für Wertschätzung des Autos von Bedeutung ist

BGH
Urteil vom 15.06.2016
VIII ZR 134/15


Der BGH hat entschieden, dass das Fehlen einer Herstellergarantie beim Autokauf einen Sachmangel darstellt. Es handelt sich dabei um ein Beschaffenheitsmerkmal das für Wertschätzung des Autos von Bedeutung ist.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über Sachmangel beim Autokauf im Falle des Fehlens der Herstellergarantie

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob beim Kauf eines Gebrauchtwagens das Fehlen einer nach den Angaben des Verkäufers noch laufenden Herstellergarantie einen Sachmangel darstellt, der den Käufer zum Rücktritt berechtigen kann.

Der Sachverhalt:

Der Kläger kaufte vom Beklagten, einem Kraftfahrzeughändler, einen Gebrauchtwagen, den dieser zuvor auf einer Internetplattform zum Verkauf angeboten und dort mit einer noch mehr als ein Jahr laufenden Herstellergarantie beworben hatte. Kurz nach dem Kauf mussten infolge von Motorproblemen Reparaturen durchgeführt werden, die für den Kläger aufgrund der Herstellergarantie zunächst kostenfrei blieben. Später verweigerte der Hersteller mit der Begründung, im Rahmen einer Motoranalyse seien Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstandes - vor Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger - festgestellt worden, weitere Garantieleistungen; die Kosten der bereits durchgeführten Reparaturleistungen und des während der letzten Reparatur zur Verfügung gestellten Ersatzfahrzeugs wurden dem Kläger nunmehr teilweise in Rechnung gestellt. Daraufhin trat dieser unter Verweis auf die fehlende Herstellergarantie vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz ihm entstandener Aufwendungen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Auffassung vertreten, es handele sich bei der Herstellergarantie nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal des Kraftfahrzeugs, sondern lediglich um eine rechtliche Beziehung außerhalb der Kaufsache, nämlich zwischen Hersteller und Fahrzeughalter. Deshalb könne das Fehlen einer solchen Garantie, auch wenn sie vom Verkäufer zugesagt oder beworben worden sei, von vornherein nicht einen für einen Rücktritt erforderlichen Sachmangel im Sinne der § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 434 Abs. 1 BGB begründen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - seit der im Jahre 2001 erfolgten Modernisierung des Schuldrechts ein wesentlich weiterer Beschaffenheitsbegriff gilt und daher das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach allen Tatbestandsvarianten des § 434 Abs. 1 BGB darstellt. Der Bundesgerichtshof – so auch der Senat - hat seit der Schuldrechtsmodernisierung bereits mehrfach entschieden, dass als Beschaffenheitsmerkmale einer Kaufsache nicht nur die Faktoren anzusehen sind, die ihr selbst unmittelbar anhaften, sondern vielmehr auch all jene Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug erfüllt diese Voraussetzungen. Ihr kommt beim Autokauf regelmäßig sogar ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann das Fehlen der beworbenen Herstellergarantie deshalb - bei Vorliegen der weiteren, vom Berufungsgericht nicht geprüften Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 BGB - auch im vorliegenden Fall einen Mangel des verkauften Gebrauchtwagens begründen und den Kläger zum Rücktritt berechtigen. Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können.

§ 433 BGB Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag

(1) […] 2Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

[…]

§ 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.

3Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaftungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte

[…]

Vorinstanzen:

Landgericht Ingolstadt - Urteil vom 30. Oktober 2014 - 32 O 209/14
Oberlandesgericht München - Beschluss vom 13. Mai 2015 - 21 U 4559/14


BGH: Zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interesse durch Anwalt und Nichtigkeit des Anwaltsvertrages - Gebühreninteresse zum Nachteil des Mandanten reicht nicht aus

BGH
Urteil vom 12.05.2016
IX ZR 241/14
BGB § 134; BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8, § 43a Abs. 4, § 45 Abs. 1 Nr. 4, § 59c; HGB § 84


Leitsätze des BGH:

a) Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist nichtig.

b) Ein Anwaltsvertrag verstößt nicht deshalb gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, weil der Anwalt im Gebühreninteresse für den Mandanten nachteilige Maßnahmen treffen könnte.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - IX ZR 241/14 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamm: Käufer eines PKW kann vom Kaufvertrag zurücktreten wenn die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) verändert wurde

OLG Hamm
Urteil vom 09.04.2015
28 U 207/13


Das OLG Hamm hat entschieden, dass der Käufer eines Autos vom Kaufvertrag zurücktreten kann, wenn die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) verändert wurde und so ein Diebstahlverdacht besteht.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Rücktrittsrecht beim Verkauf eines Fahrzeugs mit veränderter FIN

Der Käufer eines Pkw kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn eine veränderte Fahrzeugidentifikationsnummer einen Diebstahlverdacht begründet und die behördliche Beschlagnahme des Fahrzeugs zum Zwecke der Rückgabe an einen früheren Eigentümer rechtfertigt. Das hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts am 09.04.2015 entschieden
und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Detmold bestätigt.

Der in Minsk (Weißrussland) lebende Kläger erwarb im Mai 2011 einen gebrauchten Toyota Land Cruiser von dem beklagten Autohändler aus Augustdorf zum Kaufpreis von 27.000 Euro. Als der Kläger mit dem Fahrzeug im Juli 2011 nach Polen einreiste, fiel auf, dass die sichtbare Kodierung der Fahrzeugidentifikationsnummer nicht gestanzt, sondern kopiert und aufgeklebt war. Die polnischen Behörden vermuteten einen Diebstahl, beschlagnahmten den Pkw und beabsichtigen, ihn einem früheren Eigentümer auszuhändigen. Dem liegt nach dem Vortrag des Klägers folgendes, nachträglich bekannt gewordenes Geschehen zugrunde:

Der im Jahre 2004 erstzugelasse Toyota habe zunächst im Eigentum einer spanischen Autovermietung gestanden, der er im Juli 2007 gestohlen worden sei. Er sei dann nach Polen verbracht worden, über eine polnische Firma im Oktober 2008 in den Besitz einer polnischen
Familie gelangt, innerhalb der Familie vererbt und von einem Familienmitglied dann im April 2011 an die beklagte Firma aus Augustdorf veräußert worden.

Der Kläger hat gemeint, der Kaufvertrag sei rückabzuwickeln. An dem gestohlenen Fahrzeug habe ihm die Beklagte kein Eigentum verschaffen können. Von der Beklagten hat er deswegen die Rückzahlung des Kaufpreises von 27.000 EUR und Aufwendungsersatz verlangt. Die Beklagte hat demgegenüber gemeint, den Kaufvertrag mit dem Kläger ordnungsgemäß erfüllt zu haben, weil sie selbst jedenfalls nach dem Erbfall in Polen Eigentum an dem Fahrzeug erworben und dann beim
Verkauf auf den Kläger übertragen habe.

Der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Kläger recht gegeben. Die vom Kläger behauptete Fahrzeughistorie und den von der Beklagten vorgetragenen Eigentumsübergang bräuchten nicht im Einzelnen aufgeklärt zu werden. Das Fahrzeug weise einen Rechtsmangel
auf, der den Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtige. Der Rechtsmangel werde durch die polnische Beschlagnahme des Fahrzeugs begründet, die auch die Rückgabe des Fahrzeugs an die ursprünglich berechtigte spanische Autovermietungsfirma vorbereiten solle und so zu einem endgültigen Besitzverlust des Klägers führen könne. Dass die spanische Firma zunächst Fahrzeugeigentümerin gewesen sei, habe die Untersuchung der gefälschten FIN ergeben, durch die die ursprüngliche FIN habe ermittelt werden können. Hierdurch sei die frühere Eigentümerin zu ermitteln gewesen. Bei dieser Sachlage sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger das beschlagnahmte Fahrzeug habe auslösen können. Auf einen möglichen (gutgläubigen) Erwerb des Fahrzeugs beim Erbgang in der polnischen Familie könne sich die Beklagte nicht berufen, weil der Kläger im Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung keine Informationen und Nachweise gehabt habe, um den polnischen Behörden einen derartigen Erwerb nachzuweisen. Die am Fahrzeug veränderte FIN begründe zudem einen Sachmangel des Fahrzeugs, der den Rücktritt des Klägers ebenfalls rechtfertige. Nach dem Vertragsrücktritt habe die Beklagte dem Kläger den Kaufpreis und ca. 2.500 Euro Kosten zu erstatten, die der Kläger im Vertrauen auf den Erwerb aufgewandt habe. Rechtskräftiges Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 09.04.2015 (28 U 207/13).


BGH: Zur Angabe der Flugzeiten in einer Reisebestätigung - Reisevertrag kann vorsehen, dass Zeitpunkte der Hin- und Rückreise später festgelegt werden

BGH
Urteil vom 16.09.2014
X ZR 1/14

Die Pressemitteilung des BGH:


"Zur Angabe der Flugzeiten in einer Reisebestätigung

Der Bundesgerichtshof hat sich erneut mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Reiseveranstalter in einer Reisebestätigung davon absehen darf, genaue Uhrzeiten für Hin- und Rückflug anzugeben.

Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände verlangt, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, von der beklagten Reiseveranstalterin, es zu unterlassen, an Verbraucher Bestätigungen über den Abschluss eines Reisevertrags zu übermitteln, ohne die voraussichtliche Zeit der Abreise (Abflug) und der Rückkehr (Landung des Rückflugs) anzugeben. Er wendet sich insbesondere gegen die bloße Angabe eines Hin- und Rückflugdatums mit dem Zusatz "Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!".

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die dagegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen und entschieden, dass die beanstandeten Angaben nicht gegen die Vorgaben in § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV* verstoßen.

Der Bundesgerichtshof hat schon im Dezember 2013 entschieden, dass diese Vorschrift keine inhaltlichen Anforderungen an Reiseverträge enthält, sondern lediglich festlegt, dass der Reisende über den Inhalt des geschlossenen Reisevertrags informiert werden muss (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – X ZR 24/13, NJW 2014, 1168 = RRa 2014, 132, Rn. 24 ff.).

In einem Reisevertrag kann vereinbart werden, dass die genauen Zeitpunkte für die Hin- und Rückreise, insbesondere die genauen Uhrzeiten, erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden. Wenn die Vertragsparteien beim Abschluss des Reisevertrags lediglich das Datum vereinbaren, den genauen Zeitpunkt aber weder durch Angabe einer festen Uhrzeit noch durch sonstige Vorgaben (z. B. "vormittags", "abends") festlegen, muss auch die Reisebestätigung keine darüber hinausgehenden Angaben enthalten. Die Angabe "Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!" gibt in solchen Fällen den Inhalt des Reisevertrags zutreffend wieder und ist deshalb nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte diese Angabe auch in Fällen verwendet hat, in denen der Reisevertrag weitergehende Festlegungen enthielt, lagen nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.

Urteil vom 16. September 2014 – X ZR 1/14

OLG Düsseldorf – Urteil vom 22. November 2013 – I-7 U 271/12

LG Düsseldorf – Urteil vom 4. Juli 2012 – 12 O 223/11

Karlsruhe, den 16. September 2014

§ 6 BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV) Reisebestätigung, Allgemeine Reisebedingungen

Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reisebestätigung) auszuhändigen.

Die Reisebestätigung muss, sofern nach der Art der Reise von Bedeutung, … folgende Angaben enthalten:

1.endgültiger Bestimmungsort …

2.Tag, voraussichtliche Zeit und Ort der Abreise und Rückkehr …"

BGH: Zur Hemmung der Verjährung durch einen Mahnbescheid bei Schadensersatzansprüchen - Wechsel der Art der Schadensberechnung bei gleichem Lebenssachverhalt unschädlich

BGH
Urteil vom 05.08.2014
XI ZR/172/13
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 242, ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4


Leitsatz des BGH:
Zur Hemmung der Verjährung bei der Geltendmachung von Schadenersatz im Mahnverfahren.
BGH, Urteil vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dass der Kläger im Mahnverfahren wegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO lediglich den "kleinen" Schadenersatz geltend gemacht hat, auf den er, nachdem er einen Anspruch auf "großen" Schadenersatz begründet hat, im Laufe des Rechtsstreits zurückgekommen ist, hindert den Eintritt der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht. Ob die eine oder die andere Art des Schadenersatzes geltend gemacht wird, ist lediglich eine Frage der Schadensberechnung. Wechselt der Kläger die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung vor (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 VIII ZR 88/90, BGHZ 115, 286, 289 ff. mwN). Ein Missbrauch des Mahnverfahrens, der den Antragsteller bei der Geltendmachung von "großem" Schadenersatz im Einzelfall nach § 242 BGB daran hindern kann, sich auf die Hemmung der Verjährung zu berufen, wenn er eine Erklärung nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO abgibt, obwohl er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die empfangene Leistung Zug um Zug zurückzugeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rn. 7 ff.; zu weitgehend Schultz, NJW 2014, 827 ff.), fällt dem Kläger nicht zur Last."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Wann liegt ein unerheblicher Sachmangel vor, so dass ein Rücktritt vom Kaufvertrag für den Käufer ausgeschlossen ist

BGH
Urteil vom 28.05.2014
VIII ZR 94/13


Die Pressemitteilung des BGH:

"Zum Ausschluss des Rücktritts bei einem unerheblichen Sachmangel

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen ein Sachmangel "unerheblich" im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* ist, so dass der Käufer vom Kaufvertrag nicht zurücktreten kann.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen zum Preis von 29.953 € erworbenen Neuwagen. Nach der Übergabe des Fahrzeugs machte er verschiedene Mängel geltend, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Wegen der Mängel suchte er wiederholt das Autohaus der Beklagten und eine andere Vertragswerkstatt auf und setzte schließlich – erfolglos – in Bezug auf einige Mängel, darunter die Mängel an der Einparkhilfe, eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf schriftlich mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei und entspreche dem Stand der Technik. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, insgesamt 27.257,23 €.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens festgestellt, das Fahrzeug sei insoweit mangelhaft, als die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut seien, was dazu führe, dass die Einparkhilfe immer wieder Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgebe. Der Mangelbeseitigungsaufwand betrage gemäß dem Gutachten des Sachverständigen 1.958,85 €. Der Rücktritt sei jedoch gemäß §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Mangelbeseitigungskosten zehn Prozent des Kaufpreises nicht überstiegen und die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung deshalb unerheblich, der Mangel also geringfügig sei. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises steht im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.**

Da im vorliegenden Fall bereits für die Beseitigung der vom Berufungsgericht festgestellten Fehlfunktion der Einparkhilfe ein die oben genannte Erheblichkeitsschwelle übersteigender Aufwand in Höhe von 6,5 Prozent des Kaufpreises erforderlich ist und das Berufungsgericht keine besonderen Umstände festgestellt hat, die es rechtfertigten, den Mangel gleichwohl ausnahmsweise als unerheblich anzusehen, ist der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur Feststellung der Höhe der vom Käufer aufgrund des Rücktritts geschuldeten Nutzungsentschädigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

*§ 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

(5) (…) Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

**Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171 S. 12 - Verbrauchsgüterkaufrichtlinie)

(1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.

(2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.

(…)

(5) Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,

(…)

— wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder

(…)

(6) Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.

Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13

LG Stuttgart - Urteil vom 16. August 2012 - 10 O 223/10

OLG Stuttgart - Urteil vom 20. März 2013 - 4 U 149/12"

BGH: Zur Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel einer Kaufsache

BGH
Urteil vom 30.04.2014
VIII ZR 275/13


Die Pressemitteilung des BGH:

"Zur Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel
einer Kaufsache

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten befasst, die zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel einer Kaufsache aufgewandt worden sind.

Die Kläger kauften bei der Beklagten, die unter anderem mit Bodenbelägen handelt, Massivholzfertigparkett, das sie anschließend von einem Schreiner in ihrem Wohnhaus verlegen ließen. Der Schreiner ging nach einer von der Beklagten mitgelieferten Verlegeanleitung vor, die von der Streithelferin der Beklagten als der Herstellerin des Parketts stammte. Nach der Verlegung traten am Parkett Mängel (u.a. Verwölbungen) auf. Die Beklagte sah die Ursache nach Rücksprache mit der Streithelferin in einer zu geringen Raumfeuchtigkeit und wies die Mängelrüge der Kläger zurück. Die Kläger holten daraufhin ein Privatgutachten ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Veränderungen des Parketts auf eine in diesem Fall ungeeignete, in der Verlegeanleitung aber als zulässig und möglich empfohlenen Art der Verlegung zurückzuführen seien. Hierauf gestützt begehrten die Kläger eine Minderung des Kaufpreises um 30 Prozent sowie Erstattung der Privatgutachterkosten.

Das Amtsgericht hat die Mängelrüge für berechtigt erachtet, der Klage aber nur hinsichtlich der geltend gemachten Minderung stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht ihnen auch den Ersatz der Sachverständigenkosten zugesprochen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Streithelferin der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass den Klägern der vom Berufungsgericht bejahte verschuldensunabhängige Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB* auf Erstattung der Kosten des Privatgutachtens zusteht. Denn schon für § 476a BGB a.F., der dem § 439 Abs. 2 BGB als Vorbild gedient hat, hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit mehrfach eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel bejaht. Auf dieses Normverständnis hat der Gesetzgeber für § 439 Abs. 2 BGB zurückgegriffen, so dass für die heutige Rechtslage nichts anderes gelten kann. Da die Aufwendungen ursprünglich "zum Zwecke der Nacherfüllung" getätigt worden sind, ist es im Übrigen auch unschädlich ist, dass die Kläger nach Erstattung des Gutachtens schließlich erfolgreich zur Minderung übergangen sind. Denn ob derartige Aufwendungen anschließend tatsächlich zu einer (erfolgreichen) Nacherfüllung führen, ist für den zuvor bereits wirksam entstandenen Ersatzanspruch ohne Bedeutung, wenn der Mangel und die dafür bestehende Verantwortlichkeit des Verkäufers feststehen.

* § 439 BGB

(…) (2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. (…)

Urteil vom 30. April 2014 – VIII ZR 275/13

AG Andernach - Urteil vom 1. Februar 2013 - Az. 62 C 947/11

LG Koblenz - Urteil vom 20. August 2013 - Az. 6 S 58/13

Karlsruhe, den 30. April 2014"

BGH: Unwirksamer Haftungsausschluss bzw. Gewährleistungsausschluss eines Auktionshauses für Sachmängel

BGH
Urteil vom 9. Oktober 2013
VIII ZR 224/12


Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob eine Klausel in den Versteigerungsbedingungen eines Auktionshauses wirksam ist, die eine Haftung des Auktionshauses für Sachmängel weitgehend ausschließt.

Der Beklagte ist öffentlich bestellter und vereidigter Auktionator. Bei einer von ihm veranstalteten Kunstauktion bot er eine bei ihm eingelieferte Buddha-Skulptur an. Diese war im Auktionskatalog wie folgt beschrieben: "Sitzender Buddha, Dhyan Asana, […] China, Sui-Dynastie, 581-681[…] Museal! 3.800,00 €". Die Versteigerungsbedingungen des Beklagten enthielten unter anderem folgende Bestimmungen:

"[…]

7. Gewährleistung, Haftung

a) Der Käufer kann gegen das Auktionshaus keine Einwendungen oder Ansprüche wegen Sachmängeln erheben. […]

b) Die Haftung des Auktionshauses auf Schadensersatz für Vermögensschäden, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen, es sei denn, dem Auktionshaus fiele Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last…"

[...]

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der in Ziffer 7 der Versteigerungsbedingungen enthaltene Gewährleistungsausschluss unwirksam ist.

Eine auf einer Kunstauktion angebotene Skulptur, die im Auktionskatalog wie vorstehend wiedergegeben beschrieben worden ist, ist mangelhaft, wenn es sich nicht um ein aus der angegebenen Stilepoche stammendes Original, sondern um eine neuzeitliche Fälschung handelt. Ein aus der hier zu unterstellenden Unechtheit der Skulptur folgendes Rücktrittsrecht ist nicht durch Ziffer 7 der Versteigerungsbedingungen ausgeschlossen. Der dort geregelte Gewährleistungsausschluss verstößt gegen § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB, wonach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders beruhen, unwirksam sind. Denn der Gewährleistungsausschluss bezieht bereits nach seinem Wortlaut auch solche Ansprüche des Käufers gegen den Versteigerer aus Mängeln der ersteigerten Gegenstände unzulässig in seinen Geltungsbereich ein."


Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier: