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BGH legt EuGH vor: Gutscheine oder Rabatte einer Versandapotheke aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel für nachfolgende Käufe

BGH
Beschluss vom 13.07.2023
I ZR 182/22
Gutscheinwerbung
Richtlinie 2001/83/EG Art. 86, Art. 87 Abs. 3; ZPO § 945; AMG § 78 Abs. 1; HWG § 7 Abs. 1; UWG § 4 Nr. 11


BGH hat dem EuGH erneut Fragen zur Zulässigkeit von Werbegaben in Form von Gutscheinen und Rabatten beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer Versandapotheke aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat vorgelegt.

Leitsatz des Entscheidung:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67 ff.), zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2022/642 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. April 2022 zur Änderung der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG in Bezug auf Ausnahmen von bestimmten Verpflichtungen für bestimmte im Vereinigten Königreich bereitgestellte Humanarzneimittel in Bezug auf Nordirland und in Bezug auf Zypern, Irland und Malta (ABl. L 118 vom 20. April 2022, S. 4), folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Unterliegt Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke dem Anwendungsbereich der Regelungen zur Werbung für Arzneimittel in der Richtlinie 2001/83/EG (Titel VIII und VIIIa, Art. 86 bis 100)?

2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte verbietet ?

3. Weiter für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie
2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2
Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment
verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt unmittelbar wirkender Preisnachlässe und Zahlungen gestattet ?

BGH, Beschluss vom 13. Juli 2023 - I ZR 182/22 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EU-Kommission: Überprüfung von Einzelhandelswebsites - Manipulative Praktiken / Dark Patterns bei 148 von 399 untersuchten Online-Shops

Die EU-Kommission hat bei der Überprüfung ("Sweep") von Online-Shops bei 148 von 399 untersuchten Online-Shops manipulative Praktiken / Dark Patterns festgestellt.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:
Heute haben die Europäische Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden von 23 Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Island (Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, kurz CPC-Netz) die Ergebnisse einer Überprüfung („Sweep“) von Einzelhandelswebsites veröffentlicht. Die Kontrolle erstreckte sich auf 399 Online-Shops von Einzelhändlern, die Waren von Textilien bis Elektrogeräten verkaufen. Schwerpunkt der Kontrolle waren drei bestimmte Arten manipulativer Praktiken, sogenannte Dark Patterns, die Verbraucherinnen und Verbraucher häufig dazu veranlassen, Entscheidungen zu treffen, die möglicherweise nicht in ihrem Interesse liegen. Dazu gehören falsche Countdown-Zähler, Websites, die so angelegt sind, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zu Käufen, Abonnements oder anderen Entscheidungen gedrängt werden, und verborgene Informationen. Die Untersuchung ergab, dass 148 Websites mindestens eines dieser drei Dark Patterns enthielten.

EU-Justizkommissar Didier Reynders erklärte: „Die Kontrolle hat ergeben, dass sich fast 40 % der Online-Shopping-Sites manipulativer Praktiken bedienen, um Schwächen der Verbraucherinnen und Verbraucher auszunutzen oder sie zu täuschen. Dieses Verhalten ist eindeutig unrecht und verstößt gegen die Verbraucherschutzregeln. Bereits heute gibt es verbindliche Instrumente, um dagegen vorzugehen, und ich fordere die nationalen Behörden auf, ihre Möglichkeiten der Strafverfolgung auszuschöpfen, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und diese Praktiken zu bekämpfen. Parallel dazu überprüft die Kommission alle Verbraucherschutzvorschriften, um sicherzustellen, dass diese an das digitale Zeitalter angepasst sind. Dabei prüft sie auch, ob Dark Patterns ausreichend berücksichtigt sind.“

42 Websites verwendeten falsche Countdown-Zähler mit Fristen für den Kauf bestimmter Produkte.
54 Websites drängten die Verbraucher zu bestimmten Entscheidungen – von Abonnements bis hin zu teureren Produkten oder Lieferoptionen – entweder durch ihre visuelle Gestaltung oder sprachliche Mittel.
Bei 70 Websites wurde festgestellt, dass sie wichtige Informationen verbergen oder so darstellen, dass sie für die Verbraucher schlechter erkennbar sind. Dazu gehörten beispielsweise Angaben zu Lieferkosten, zur Zusammensetzung der Produkte oder zu einer preisgünstigeren Alternative. 23 Websites verbargen Informationen mit dem Ziel, Verbraucher zum Abschluss eines Abonnements zu bewegen.

Der Sweep umfasste auch die Anwendungen (Apps) von 102 der geprüften Websites, von denen 27 ebenfalls mindestens eine der drei Arten von Dark Patterns aufwiesen.
Die nächsten Schritte

Die nationalen Behörden werden sich nun mit den betroffenen Händlern in Verbindung setzen, damit diese die Mängel auf ihren Websites beheben, und erforderlichenfalls gemäß ihren nationalen Verfahren weitere Maßnahmen ergreifen.

Ergänzend dazu wird sich die Kommission zusätzlich zu diesem Sweep und im Rahmen ihrer umfassenderen Bemühungen zum Vorgehen gegen Dark Patterns auch an jene Online-Händler wenden, die 2022 in einer Studie zu unlauteren Geschäftspraktiken im digitalen Umfeld ermittelt wurden, und sie auffordern, die hier festgestellten Mängel zu beheben.

Darüber hinaus sammelt die Kommission Rückmeldungen zu folgenden drei Richtlinien mit Bezug zum Verbraucherschutz, um festzustellen, ob diese für ein hohes Schutzniveau im digitalen Umfeld sorgen: Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, Verbraucherrechte-Richtlinie und Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln. Eine öffentliche Konsultation läuft bis zum 20. Februar 2023.

Hintergrund

Im Netz für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) sind Behörden zusammengeschlossen, die für die Durchsetzung des EU-Verbraucherrechts zuständig sind. Damit die Behörden grenzüberschreitend operieren können, werden ihre Maßnahmen auf EU-Ebene koordiniert.

Die nationalen Behörden sind für die Durchsetzung der EU-Verbraucherschutzvorschriften zuständig. Dank der aktualisierten Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz verfügen sie nun über mehr Befugnisse, um Unregelmäßigkeiten aufzudecken und schnell gegen unseriöse Händler vorzugehen.

Mit dem neuen Gesetz über digitale Dienste werden Dark Patterns auf Online-Plattformen verboten. Es wird Vorschriften wie die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken oder die Datenschutz-Grundverordnung ergänzen und sicherstellen, dass keine Regelungslücke verbleibt, die es Plattformen erlaubt, Nutzerinnen und Nutzer zu manipulieren.

Darüber hinaus wurden mit der neuen Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union bestehende Instrumente des EU-Verbraucherrechts geändert, indem die Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf auf Online-Marktplätzen weiter erhöht wurde.

Die Sweeps werden vom CPC-Netz anhand gemeinsamer, von der Europäischen Kommission ausgearbeiteter Kriterien durchgeführt.


LG Mönchengladbach: Ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis muss deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten

LG Mönchengladbach
Urteil vom 03.12.2021
2 O 54/21


Das LG Mönchengladbach hat entschieden, dass ein ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis einem deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landgericht Mönchengladbach ist zuständig.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach folgt aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 Brüssel la-VO/EuGVV0.

Der Kläger ist hier Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Denn Verbraucher ist eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Unzweifelhaft ist vorliegend keiner dieser Zwecke einschlägig, so dass der Kläger als Verbraucher zu behandeln ist. Dies hat die Beklagte auch letztlich nicht substantiiert in Abrede gestellt. Denn es ist unstreitig geblieben, dass der Kläger als städtischer Beamter zwar intensiv und – wie die Beklagte meint – professionell gespielt hat, dass dies aber eben kein Ausfluss seiner beruflichen Tätigkeit, sondern ein exzessiv betriebenes „Freizeitvergnügen“ war.

Vorliegend ist auch deutsches Recht anwendbar. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO, wonach bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorliegend – unstreitig – Deutschland. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. I lit. b) Rom I-VO liegen auch für die Beklagte vor. Denn die Beklagte hat hier im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen und dabei ihr Angebot u.a. auf das Land ausgerichtet, indem der Verbraucher, hier also der Kläger, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Denn sie hat ihr Internetangebot u.a. auf deutsch angeboten und im Übrigen auch keine technischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine Spielteilnahme von Deutschland aus zu verhindern oder über die fehlende Legalität zumindest hinreichend präzise zu belehren, obwohl sie selbstverständlich faktisch wusste, dass eine große Anzahl der Spieler ihr Angebot von Deutschland aus genutzt hat.

Soweit es hier um die Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages geht, unterfällt auch dies dem Vertragsstatut des Art. 6. An der Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts ändert es auch nichts, dass die Beklagte ausweislich Ziffer 24 der Allgemeinen Vertragsbedingungen den Vertrag dem Recht von Gibraltar unterwerfen möchte. Denn diese Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, selbst wenn sie – vorgelegt wird nur die für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht relevante AGBFassung vom 10.11.2020 – auch schon 2005/2006 in dieser Form Teil der AGB gewesen wäre. Die §§ 305 ff. BGB bleiben hier anwendbar; denn gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-l-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Nach ständiger

Rechtsprechung des BGH steIlt eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen

Unternehmer gegenüber deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigkeiten ausschließlich das ausländische Recht gelten lässt, eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten des Verbraucher dar (vgl. BGH, Urt. V. 19. 7. 2012, I ZR 40/11, MMR 2013, 501 (504)). Die Überschrift „Anwendbares Recht" vermittelt dem Verbraucher dabei einen falschen Eindruck und hält ihn potentiell davon ab, geeignete RechtsschutzmögIichkeiten zu ergreifen, weil aus der pauscha!en Verweisung auf ausländisches Recht auch nicht hinreichend konkret erkennbar wird, in welchem Umfang verwiesen wird und welche Regelungen letztendlich Anwendung finden.

II.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 99.045,-- € aus § 812 Abs. 1 1 Satz 1 1. Var. BGB, da er seine Spieleinsätze bei der Beklagte ohne rechtlichen Grund getätigt hat. Denn der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betriebenen Online-Glücksspiel war gernäß § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Beklagte hat vorliegend gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen, vorliegend dem Kläger, zugänglich gemacht hat.

Im Einzelnen:

2. a) Die Beklagte hat die Differenz aus Einzahlungen und Auszahlungen hier ohne rechtlichen Grund erlangt, weil der zugrundeliegende Glücksspielvertrag nichtig im Sinne des § 134 BGB war. Der Kläger hat hier schlüssig vorgetragen, in dem streitgegenständlichen Zeitraum Verluste von 99.045,-- € bei Online Spielen, vor allem bei Online-Casino- Spielen der Beklagten bzw. genauer der ……erlitten zu haben. Die Beklagten hat die Summe als solche auch unstreitig gestellt – bzw. den ursprünglich versehentlich überhöhten Klagebetrag auf 99.045,-- € korrigiert – sie hat nur pauschal eingewandt, der Kläger habe bei ihr im streitgegenständlichen Zeitraum auch an angeblich legalen Sportwetten teilgenommen. Richtig ist, dass die Länder gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV (2012) für die Durchführung oder Vermittlung von Sportwetten eine Erlaubnis erteilen können, es ist jedoch hier jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Beklagte im Jahr 2018 über eine derartige Erlaubnis verfügt hätte.

Letztlich mag dies dahinstehen, denn hier ist im Ergebnis als unstreitig zu behandeln, dass die in Rede stehenden Verluste des Klägers ausschließlich bei Online-Spielen bzw. Online-Casino-Spielen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgten. Das Gericht hat diese Frage im Termin mit den Erschienenen erörtert und den Kläger im

Einzelnen zu den verschiedenen, in Anlage K 1 der Klage aufgelisteten Spielen um Erläuterung gebeten. Der Kläger hat daraufhin nachvollziehbar und überzeugend klargestellt, dass es sich sämtlich um Online Spiele gehandelt habe und nicht um Sportwetten, mit denen er zwar ursprünglich im Jahre 2005/2006 begonnen habe, die im Zuge der Ausprägung seiner Spielsucht für ihn aber im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rolle mehr gespielt hätten, weil Sportwetten keinen sofortigen Erfolg mit sich brächten, sondern im Regelfall auf ein frühestens am Folgetag stattfindendes Ereignis abgeschlossen würden. Auf weitere Nachfrage des Gerichts zu den scheinbar nach Sportwetten klingenden Spielen in der Liste, - wie z.B. „Football“ hat der Kläger nachvollziehbar erläutert, dass es sich auch insoweit um Online-Casinospiele handele, und es insoweit bei der Bezeichnung nur um die Dekoration oder Werbung des Spieltisches gegangen sei, teils hätten auch die Dealer an den Tischen dann entsprechende Trikots getragen. Diesem dezidierten Vortrag des Klägerseite ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten, insbesondere hat sie ihre diesbezügliche offenbar ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, dass der Kläger im Jahr 2018 auch Sportwetten getätigt habe im Termin im Rahmen der ausführlichen Erörterung nicht substantiiert. Weder hat sie – obwohl die angebotenen Spiele von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin angeboten wurden und sie daher über umfassende Kenntnis verfügt – erläutert, wann der Kläger nun welche Sportwette abgeschlossen haben soll, noch hat sie bestritten, dass es sich bei den nach Sportwetten klingenden Bezeichnungen tatsächlich nur um die Webenamen von Online-Casinotischen handelt. Mangels substantiierten Bestreitens ist damit vorliegend als unstreitig zu behandeln, dass der Kläger mit der vorliegenden Klage nur die Rückzahlung von Verlusten erstrebt, die aus dem Online-Casino der Electra Works Limited resultieren.

Diese Online Casino-Spiele sind gesetzwidrig, § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) normiert ein klares Verbot für Online-Casinos. Die nach gibraltarischem Recht erteilte Erlaubnis hilft der Beklagten insoweit nicht weiter, in Deutschland war das Angebot illegal. Der Kläger hat auch erläutert, nahezu ausschließlich von zu Hause aus am Handy (gelegentlich am PC) gespielt zu haben und ansonsten auch auf Spaziergängen mit seinem Hund die schnelle Verfügbarkeit des Online-Casinos genutzt zu haben. Die Beklagte hat zwar mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger stets aus NordrheinWestfalen gespielt hat, das reicht hier aber für einen Erfolg dieses Vorbringens nicht aus. Denn es ist nicht ersichtlich und wird von Beklagtenseite auch nicht geltend gemacht, dass der Kläger sich im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt in einem Land aufgehalten hätte, indem das Online-Spielangebot der Beklagten legal ist, unabhängig davon, dass der Kläger auch schlüssig dargetan hat, wegen der sozialen Kontrolle weder auf der Arbeitsstelle noch im Urlaub gespielt zu haben.

Auch die von Beklagtenseite bemühte Erlaubnismöglichkeit im Rahmen des neuen GlüStV beseitigt die Nichtigkeit des Vertrages für das Jahr 2018 nicht, denn diese besteht – wenn überhaupt – ab dem 30.06.2021. Dabei ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gemäß § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 01.01.2018 bis 21.12.2018 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021, 1-12 W 13/21, Bl. 1182 ff. d. GA m.w.Nw.). Selbst im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642). Etwas anderes kommt – so auch das OLG Hamm in der vorzitierten Entscheidung – ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben werden wird (BGH WuM 2007, 440). Diese Voraussetzungen liegen indes im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor.

Soweit die Beklagte sich im Hinblick auf die sich in 2020 abzeichnende Gesetzesänderung auf eine aktive Duldung der Genehmigungsbehörden beruft, die die entsprechenden Anbieter zum 15.10.2020 aufgefordert hätten, das Internet-Glücksspielangebot einzustellen, um sodann perspektivisch ggf. eine Erlaubnis erhalten zu können, ändert dies ebenfalls nichts an der Gesetzwidrigkeit im Jahre 2018. Der von der Beklagten angestrengte Umkehrschluss einer aktiven Duldung auch für die Zeit vor dem 15.10.2020 erschließt sich dem Gericht insoweit bereits nicht, als das behördliche Übergangsregime erst im März 2020 vereinbart wurde und vorausschauend offenbar lediglich die Voraussetzungen für eine künftige

Erlaubniserteilung für die jeweiligen Anbieter regeln wollte. Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet - § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021 -, dass der Beklagten eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden wäre, trägt sie jedoch – unabhängig davon, dass dies die Illegalität der in 2018 angebotenen CasinoSpiele auch nicht rückwirkend beseitigen würde - selbst nicht vor.

Ebensowenig vermag das Gericht nachzuvollziehen, was die Beklagte aus den von ihr angeführten Formblättern des hessischen Innenministeriums ableiten möchte, schon der diesbezügliche Text als solcher gibt keine Hinweise auf die Erteilung der Konzession oder eine aktive Duldung.

Entgegen der von Beklagtenseite vertretenen Ansicht steht das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) auch im Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil vom 28.09.2011, MMR 2012, 191; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, NVwZ 2018, 895, BVerwGE 160, 193). Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Hierzu führ das Bundesverwaltungsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung vom 26.10.2017 (dort Rn. 30 ff.) folgendes aus: „Wie der Senat…, das Bundesverfassungsgericht ... und der Europäische Gerichtshof ... zum damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der … Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können ... Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten . .. Den spezifischen Sucht-, Betrugs-,Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2 GlüStV 2012). .. Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und unionsrechtskonform. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die … ihren Sitzgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen. Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen ... Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben .... Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind ... Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ... Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen .. . Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 1511570, S. 59). ...Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen."


Die Einzelrichterin schließt sich dieser überzeugend und umfassend begründeten Ansicht zur unionsrechtlichen Konformität der Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV an.

b) § 4 Abs. 4 GlüStV erfordert also solches auch keinen subjektiven Tatbestand, so dass hier dessen objektive Verwirklichung, d.h. das Betreiben von OnlineGlücksspiel ohne behördliche Erlaubnis, für die Annahme eines Verbotsgesetzes im Sinne des § 134 BGB genügt, unabhängig davon, dass die Beklagte auch nicht ernsthaft geltend machen könnte, angesichts der von ihr selbst angeführten umfänglichen und professionellen anwaltlichen Beratung nicht zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt zu haben.

c) § 762 BGB steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, weil diese Norm auf gesetzwidrige, d.h. nichtige Spielverträge ohne behördliche Erlaubnis keine Anwendung findet (vgl. Palandt, BGB, 79 Auflage 2020, § 762 BGB Rn. 9 m.w.Nw.)

d) Die Beklagte kann sich hier auch nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Ausschluss des § 814 BGB berufen. Denn ihr ist es – sie trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes (vgl. BeckOK BGB, Stand 01.11.2021 § 814 BGB Rn. 15) – bereits nicht gelungen, konkrete Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld, d.h. hier von der Gesetzeswidrigkeit hinreichend substantiiert vorzutragen. Unabhängig davon ist sie diesbezüglich auch beweisfällig geblieben.

Im Einzelnen: Der Kläger hat insoweit angegeben, nichts von der Illegalität der OnlineCasino-Spiele gewusst zu haben. Diesbezüglich hat er nachvollziehbar geschildert, dass er ausgehend von gelegentlichen, legalen Sportwetten schrittweise zum Online Casino gekommen sei, das er neben den sogenannten Slider Games intensiv ab 2015 gespielt habe. Dabei sei es ihm vor allem um den schnellen Erfolg gegangen. Er habe seine zunehmende Sucht stets vor allen – sogar vor seiner Familie versteckt – und nie mit jemandem zusammen gespielt oder sich über das OnlineSpielen ausgetauscht. Schließlich habe er mit dem Rücken zu Wand gestanden und sei auch nicht mehr kreditwürdig gewesen. Er sei sodann am 21.12.2021 in einer ausweglosen Situation und akut suizidgefährdet gewesen, habe aber – glücklicher Weise an den Feiertagen sozial kontrolliert durch sein familiäres Umfeld – letztlich den anderen Weg gewählt und sich Hilfe gesucht. Erst dabei habe er von der Möglichkeit des charge back erfahren.

Der Kläger hat die Abläufe und seine damaligen Verhaltensweise im Termin nachvollziehbar, in sich stimmig und sehr überzeugend geschildert. Gerade ein in ein bürgerliches Umfeld eingebundener Familienvater wird nachvollziehbarer Weise kein Interesse daran haben, dass in seinem privaten oder beruflichen Umfeld bekannt wird, dass er – wie er deutlich formulierte – heimlich Haus und Hof verspielt. Die Beklagte hat demgegenüber nur pauschal eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld behauptet und insoweit konkret lediglich auf ihre AGB Bezug genommen. Aus 2.1 der AGB der Beklagten lässt sich jedoch – selbst wenn der Kläger ihn gründlich gelesen hätte – nicht klar erkennen, dass das Nutzen eines Online-Casinos von NordrheinWestfalen aus illegal war und der Kläger insoweit für ihn erkennbar auf eine Nichtschuld leistete. Ausdrücklich erwähnt werden nur die USA, Polen und andere Länder, verbunden mit der Aufforderung an den Kunden, nur in den Ländern zu spielen, in denen dieses erlaubt ist. Diese AGB klärt den Kunden angesichts der komplexen und komplizierten Rechtslage in den verschiedenen Ländern bereits nicht hinreichend klar und deutlich über das Problem der Illegalität auf und lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass er ein illegales Angebot nutzt. Stattdessen versucht die Beklagte hier nur mit vagen, insoweit bereits AGB-widrigen- Formulierungen das rechtliche Prüfungsrisiko auf den Kunden zu überbürden. Darüber hinaus hat der Kläger – ebenfalls unwidersprochen vorgetragen – seit 2005 unter derselben Kontonummer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angemeldet gewesen zu sein. Die Beklagte trägt hier nicht vor, wann sie 2.1 ihrer AGB erstmals in der vorliegenden Fassung ihren Verträgen zugrunde gelegt haben will, aber sollten diese bereits 2005/2006 bestanden haben, hätte der Kläger, der ehrlich angab, im Zweifel AGB akzeptiert zu haben, sicher aber nicht mehr erinnern zu können, diese AGB mehr als 1 Jahrzehnt vor seiner Online-Spielleidenschaft „abgehakt“. Insoweit lässt sich angesichts der komplexen Rechtslage hieraus nicht ernsthaft eine Kenntnis des Klägers erkennen. Dies gilt auch für den von der Beklagten vorgelegten Medienspiegel (vgl. Anlage B 23, Bl. 808 ff. d. GA) der sich teilweise auf Berichte nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bezieht, nur vereinzelt Berichte vor Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes aufführt, bei denen jedoch nicht erkennbar ist, warum diese dem Kläger bekannt geworden sein sollen und der sich im Übrigen auf auf Gerichtsentscheidungen beschränkt, die einem Laien erst Recht nicht bekannt sein müssen.

Auch im Übrigen vermag die Argumentation der Beklagten nicht zu überzeugen. So macht sie selbst im vorliegenden Verfahren unter Berufung auf ihr großes Team aus Juristen und juristischen Professoren unter Rückgriff auf angebliche aktive Duldungen, deren Rückwirkung und den Verstoß deutschen Rechts gegen die

Dienstleistungsfreiheit nachdrücklich geltend, ihr Angebot sei mitnichten illegal. Wenn das das Prüfungsergebnis eines großen in dieser Materie erfahrenen Teams an Juristen ist, wie soll dann der Verbraucher – selbst wenn er nicht spielsüchtig wäre – die rechtlichen Konsequenzen dieser komplexen Materie überblicken. Nach alledem hat die Beklagte weder schlüssig dargetan noch bewiesen, dass der Kläger in Kenntnis von der Nichtschuld auf diese geleistet hat.

d) Ebenso wenig kann die Beklagte sich hier mit Erfolg auf den Kondiktionsausschluss des § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB berufen. Nach dieser Norm ist eine Rückforderung zwar ausgeschlossen, wenn dem Leistenden – hier also der Kläger - gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt, weder vermag das Gericht jedoch zu erkennen, dass die Beklagte einen Gesetzesverstoß des Klägers substantiiert vorgetragen oder unter Beweis gestellt hätte, noch geht die Unterzeichnerin davon aus, dass § 817 BGB auf Fälle wie den vorliegenden überhaupt Anwendung fände, weil § 817 BGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist.

Im Einzelnen:

Die bereicherte Beklagte trägt als Diejenige, die auf die rechtshindernde Einwendung der der Kondiktionssperre beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch soweit man hier auf § 284 StGB abstellt, das vorsätzliche Handeln auf Seiten des Leistenden. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar vorgetragen, dass ihm die Illegalität seines Handelns nicht bewusst gewesen sei. Ihm ist insoweit auch zuzugestehen, dass die Rechtslage ausgesprochen komplex war und die deutschsprachige AGB eines großen, aus der Werbung bekannten Unternehmens sowie öffentliche und aggressive, direkt an den

Spieler gerichtete Werbemaßnahmen bis hin zu Anrufen, die die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, dem Kunden den Eindruck der Professionalität und Legalität vermitteln. Wie bereits ausgeführt hat die Beklagte – der Verweis auf Ziffer 24 der AGB führt wie ausgeführt nicht weiter - nichts dargetan, was auch nur einen bedingten Vorsatz des Klägers erkennen ließe.

Im Übrigen wäre der Kläger strafrechtlich für seine Handlungen auch nicht verantwortlich, es fehlt bereits an der Zurechenbarkeit und der subjektiven Tatseite (vgl. dazu OLG Hamm aaO). Denn der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum ohne jeden Zweifel spielsüchtig. Zwar hat die Beklagte dies zulässig mit Nichtwissen bestritte, unstreitig ist jedoch geblieben, welch enorme Summe der Kläger in den Jahren 2015 bis Ende 2018 zum Spielen aufgewandt hat , wie sich seine finanzielle Situation dadurch entwickelte und wie sehr das Spielen seinen Alltag dominierte. Der

Kläger hat plastisch und im Termin unwidersprochen das Ausmaß seiner

Spielleidenschaft dargelegt, bei der es sich – selbst für den Laien erkennbar – um eine krankhafte Spielsucht handelte. Allein die verspielte Summe von ca. einer halben Million und die Bereitschaft einer ruhigen, vernunftbegabten Person, Haus und Hof einzusetzen dokumentieren diesen seelisch krankhaften Zustand ebenso eindrucksvoll wie die – unstreitig gebliebene – Schilderung morgens bereits im Bad und auf dem Hundespaziergang gespielt, sich private Darlehen mit falschen Angaben erschlichen zu haben und sich letztendlich in einer scheinbar aussichtslosen Situation manövriert zu haben.

Unabhängig davon findet nach der hier vertretenen Ansicht § 817 BGB vorliegend ohnehin keine Anwendung, weil sein Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren ist. Der BGH hat eine teleologische Reduktion der Kondiktionssperre bereits für die die nach einem Schneeballsystem organisierten „Schenkkreise" angenommen und hält insoweit eine „schutzzweckorientierte Einschränkung für geboten, und zwar auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat. Diesbezüglich hat der BGH ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der „Spiele", die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften (BGH NJW 2006, 45, Rn. 12). Auch innerhalb der Leistungskondiktion sei der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm maßgebend, der nicht konterkariert werden dürfe (BGH NJW 2008, 1942, Rn. 10). Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das den Schenkkreisen zugrundeliegende Schneeballsystem nicht ohne weiteres mit den zufälligen Gewinnen oder Verlusten eines Online-Casinos vergleichbar ist, dennoch sind die vom BGH aufgeführten Rechtsgedanken aus der vorzitierten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn auch hier geht es um eine schutzzweckorientierte Einschränkung der Norm, damit die Initiatoren der Spiele nicht die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürfen. Soweit dem entgegengehalten wird, dies ermögliche für den Spieler ein risikoloses Spielen (vgl. LG München BeckRS 2021,11488) verkennt diese Argumentation, dass dies in die Risikosphäre desjenigen fällt, der derartige Spiele illegal veranstaltet ohne eine ausschließlich legale Nutzung technisch sicher zu stellen oder zumindest durch hinreichend klare Hinweise klarzustellen, dass eine Nutzung in dem jeweiligen Land illegal sind.

Auch die Entscheidung des BGH vom 30.07.1968 (BeckRS 1968, 31177398) spricht nicht gegen eine grundsätzliche Einschränkung der Kondiktionssperre für den Bereich der Online-Glücksspiele, da es bei der dortigen Entscheidung auf den Schutzzweck des hier maßgeblichen § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nicht ankam.

Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.

Es trifft zwar zu, dass ein widersprüchliches Verhalten rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB sein kann. Dies gilt insbesondere für die Fälle des „venire contra factum proprium", wenn also für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (BGH NJW 1985, 2589, 2590; 1986, 2104, 2107) oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind (BGH NJW 2016, 3518, 3520). Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagte kann indes schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Interessen der Beklagte nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB (vgl. OLG Hamm, aaO). Dies gilt erst Recht als bei dem Kläger – die Beklagte hat seinen dezidierten Vortrag zu seinem Spielverhalten und dessen Auswirkungen nicht in Abrede gestellt – erkennbar spielsüchtig war als er an den hier in Rede stehenden Spiele teilnahm.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Hannover: Unzulässige Werbung für verbotene Zweitlotterie auf Website eines Verlagshauses - Untersagungsverfügung des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit rechtmäßig

VG Hannover
Entscheidung vom 16.09.2020
7 A 7393/18


Das VG Hannover hat eine Untersagungsverfügung des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wegen der unzulässigen Werbung für eine verbotene Zweitlotterie auf der Website eines Verlagshauses bestätigt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Verbot für eine Onlinewerbung rechtmäßig - VERLAGSHAUS SCHALTETE AUF SEINER INTERNETDOMAIN ANZEIGE FÜR ZWEITLOTTERIE

Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat am 16. September 2020 auf die mündliche Verhandlung die Klage eines großen hannoverschen Verlagshauses gegen eine Untersagungsverfügung des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als unzulässig abgewiesen. Der Beklagte hat dem Verlagshaus mit der angegriffenen Verfügung untersagt, auf seiner Internetdomain Werbung für eine verbotene Zweitlotterie zu schalten.

Der Hauptantrag der Klägerin auf Aufhebung der angegriffenen Verfügung hatte sich bereits dadurch erledigt, dass die Klägerin die Werbung für die Zweitlotterie von ihrer Internetdomain entfernt hat und damit der Untersagungsverfügung nachgekommen ist.

Hinsichtlich des Hilfsantrages der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung festzustellen, mangelte es nach Ansicht der Kammer an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Indem der Zweitlotterie rechtskräftig in Niedersachsen die Vermittlung und Bewerbung von sogenannten Zweitlotterien untersagt wurde, besteht nicht die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein vergleichbarer Verwaltungsakt ergehen wird. Auch einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff in die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vermochte die Kammer nicht zu erkennen.



VG Düsseldorf: Veranstalten öffentlichen Glücksspiels im Internet und Werbung durch maltesische Glücksspielveranstalterin unzulässig

VG Düsseldorf
Beschluss vom 09.04.2020
3 L 2847/19


Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass das Veranstalten öffentlichen Glücksspiels im Internet und die Werbung durch eine maltesische Glücksspielveranstalterin für unzulässig

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Internetverbot für maltesische Glücksspielveranstalterin vorläufig bestätigt

Die von der Bezirksregierung Düsseldorf im September 2019 gegenüber einer Glücksspielanbieterin aus Malta ausgesprochene Untersagung der Veranstaltung öffentlichen Glücksspiels im Internet sowie der Werbung hierfür ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Dies hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom 9. April 2020 entschieden, der den Beteiligten heute zugestellt worden ist. Der Eilantrag des Glücksspielunternehmens blieb damit ohne Erfolg.

Das Gericht folgte der Argumentation der Bezirksregierung Düsseldorf, welche die Untersagung nicht nur für Nordrhein-Westfalen, sondern auch für zwölf weitere Bundesländer (Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) ausgesprochen hatte. Dazu hatten diese Länder die Bezirksregierung Düsseldorf auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages ermächtigt. Den Einwand der Antragstellerin, diese Grundlage sei verfassungswidrig und die erteilten Ermächtigungen seien rechtswidrig, ließ das Gericht nicht gelten. Das Angebot der maltesischen Veranstalterin von Online-Casinospielen und Online-Pokerspielen stelle unerlaubtes Glücksspiel dar. Sie habe keine Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag und könne eine solche auch nicht erhalten. Denn das Veranstalten von Casino- und Pokerspielen sei im Internet ausnahmslos verboten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stehe dieses Internetverbot mit dem Grundgesetz und dem Recht der Europäischen Union nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich im Einklang, weil mit dem Verbot verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere Jugendschutz sowie Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt würden.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster eingelegt werden.

Volltext LG München liegt vor: Mittelbare Patentverletzung von Blackberry-Patent durch Facebook, WhatsApp und Instagram - Benutzerschnittstelle für Nachrichtendienstanwendungen

LG München
Urteil vom 05.12.2019
7 O 5314/18
Benutzerschnittstelle für Nachrichtendienstanwendungen


Das LG München hat entschieden, dass eine mittelbare Patentverletzung eines Blackberry-Patent durch die Apps von Facebook, WhatsApp und Instagram vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Klage ist auch begründet.
I. Das Klagepatent betrifft eine Benutzerschnittstelle für Nachrichtendienstanwendungen, insbesondere ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umschalten zwischen mehreren Nachrichtensitzungen. Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 ist das Verfahren und gemäß Patentanspruch 11 die entsprechende elektronische Vorrichtung.

1. Der Gegenstand des Klagepatents betrifft die Umschaltmöglichkeit zwischen mehreren Nachrichtensitzungen. Die rechts eingebildete Abbildung 11 zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung:
[...]
Die patentgemäße Benutzerschnittstelle umfasst zwei Teile. In einem ersten Teil wird eine erste Kommunikation geführt (hier zwischen Mike und John). In einem zweiten Teil werden eingehende Nachrichten aus einer zweiten Kommunikation angezeigt (hier „Rob says…“). Diese Nachrichten enthalten einen Kontaktteil und einen Aktivitätsteil. Der Kontaktteil (in Figur 11 „Rob“) dient der Identifizierung des Absenders, der Aktivitätsteil (in Figur 11 „says…“) dient der Identifizierung der Aktivität des Absenders. Anspruchsgemäß ist vorausgesetzt, dass der Aktivitätsteil einen Teil der Nachricht umfasst. Der zweite Teil stellt die Möglichkeit bereit, auf entsprechende Nutzereingabe hin zu der zweiten Kommunikation zu wechseln. Erfindungsgemäß soll der Nutzer in einer ersten Konversation mithin in dem zweiten Teil über eine eingehende Nachricht aus einer zweiten Konversation informiert werden, und die Möglichkeit erhalten, in diese zweite Konversation zu wechseln.
[...]
Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent, weil eine mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG vorliegt.

1. Eine angegriffene Ausführungsform ist z. B. die Anwendung „GI“.

2. Die Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung sind gemäß § 10 Abs. 1 PatG erfüllt. Der Gefährdungstatbestand nach § 10 PatG wird objektiv und subjektiv verwirklicht.

a) Mittel ist die angegriffene Ausführungsform (Anwendung „GI “) als Software, weil sie ein Gegenstand ist, der selbst noch nicht die Lehre des Patentanspruchs (wortsinngemäß oder äquivalent) verwirklicht, aber geeignet ist, zur unmittelbaren Benutzung der Erfindung (in wortsinngemäßer oder äquivalenter Form) verwendet zu werden. Mittel können auch nicht körperliche Gegenstände sein, eine Beschränkung auf körperliche Gegenstände ist nicht gerechtfertigt.

b) Dieses Mittel bezieht sich auf ein wesentliches Element der Erfindung. Die Anwendung „GI “ steuert eine ihn nutzende elektronische Vorrichtung, und lässt sie den beanspruchten Gegenstand ausführen. Da die in den geltend gemachten Ansprüchen enthaltenen Merkmale maßgeblich durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht werden, trägt die angegriffene Ausführungsform damit zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis maßgeblich bei.

c) Die angegriffene Ausführungsform „GI “ ist objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung geeignet. Wird die angegriffene Ausführungsform von dritter Seite bestimmungsgemäß auf einem elektronischen Gerät genutzt, sind die Voraussetzungen zur Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 und der geschützten Vorrichtung nach Anspruch 11 hergestellt. Das angegriffene Mittel ist geeignet, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Nach der objektiven Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform und seiner Einbindung in iOS ist dies der Fall, weil eine unmittelbare wortsinngemäße Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Nutzer möglich ist. Diese Benutzung durch die Nutzer ist auch unstreitig bereits erfolgt.

Patentanspruch 1 wird durch die Nutzer wortsinngemäß benutzt. Auch hinsichtlich der streitigen Merkmale 1.3/11.3.3, 1.2.1.2/11.3.2.1.2, 11.2.1/11.3.1.2.1 verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent. Die Benutzung der übrigen Merkmale der geltend gemachten Patentansprüche 1 und 11 sind zu Recht unstreitig.

aa) Soweit dies mit Blick auf Merkmal 1.3/ 11.3.3 streitig ist, ist das Merkmal gleichwohl verwirklicht.

Unstreitig löst der Nutzer das Umschalten zu einer parallelen Chat-Session aus, indem er unmittelbar und in einem einschrittigen Prozess das Benachrichtigungsbanner anklickt oder -tippt. Nach der oben dargelegten Auslegung ist dieser einschrittige Wechselprozess, ausgelöst durch eine Nutzereingabe, zur Verwirklichung des Merkmals ausreichend.

bb) Auch Merkmal 1.2.1.2/ 11.3.2.1.2 ist verwirklicht. Soweit - für sich gesehen unstreitig - die bei Eingehen einer Nachricht aus der zweiten Nachrichtensitzung eingehende Mitteilung nicht explizit eine Aktivität angibt, insbesondere kein Verb zur Aktivitätsidentifzierung verwendet, ist dies nach oben dargelegter Auslegung entbehrlich. Ein Teil der eingehenden Nachricht wird angezeigt, was zur Verwirklichung bereits ausreicht.

cc) Schließlich ist auch Merkmal 1.1.2.1 (nach klägerischer Diktion 1.4) erfüllt. Auch wenn unstreitig das Mitteilungsbanner nach 5 Sekunden wieder ausgeblendet wird, unabhängig davon, ob die neue Nachricht bereits gelesen wurde, und der freiwerdende Platz hauptsächlich dem Informationsbalken zugutekommt, ist dies nach obiger Lesart für die Verwirklichung ausreichend. Im Übrigen hat die Beklagtenseite nicht bestritten, dass der freiwerdende Platz in irgendeiner Form dem ersten Teil zugutekommt, wie die Klägerin unterstreicht.

d) Das Angebot oder die Lieferung im Inland zur Benutzung der Erfindung im Inland ist erfolgt.

Das Programm „GI “ wird im Inland zur Benutzung im Inland unstreitig angeboten, indem zum Beispiel im App-Store von Apple die Anwendung „GI “ zum Herunterladen und zur Installation auf iOS-Geräten angeboten wird.

aa) Dass die Beklagte zu 1) als Entität, in deren Eigentum bzw. Kontrolle die Anwendung steht, hierfür verantwortlich ist, ist unstreitig.

bb) Auch die Beklagte zu 3) ist hierfür mit verantwortlich. Denn beide Gesellschaften handeln als Mittäter und die Beklagte zu 3) muss sich das Handeln ihrer Mittäterin zurechnen lassen.

(A) Mittäterschaft besteht, weil ein arbeitsteiliges Vorgehen aufgrund eines gemeinsamen Tatplans (nämlich: die Anwendung „GI “ auch in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben) vorliegt.

(B) Die Beklagte zu 1) als Tochtergesellschaft der Beklagten zu 3) ist eine weisungsgebundene Gesellschaft und wird von der Mutter, der hiesigen Beklagten zu 3), kontrolliert und beherrscht. Hierin liegt ihr Tatbeitrag.

Dass die Beklagte zu 1) weisungsgebunden gegenüber der Beklagten zu 3) ist, bestreitet die Beklagtenseite nicht hinreichend substantiiert. Sie zieht sich allgemein darauf zurück, dass die Klägerin ihrerseits nur pauschal vorgetragen habe, wenn sie unter anderem Strategieaussagen aus einem Jahresbericht vorlegt, der bei der US-Börsenaufsichtsbehörde eingereicht worden ist. Aus diesem ergibt sich unstreitig, dass die Beklagte zu 3) die angegriffene Anwendung „GI “ als „ihr Produkt“ bezeichnet und Einnahmen hieraus als „ihre Einnahmen“ bewertet. In diesem Sinne liest sich auch der Vortrag der Beklagtenseite im Rahmen des Vollstreckungsschutzantrags, wonach der Konzern der Beklagtenseite durch die Vollstreckung eines Unterlassungstitels wirtschaftlich belastet würde. Die Beklagtenseite trifft eine sekundäre Darlegungslast, weil die Klägerin alle ihr zur Verfügung stehenden - öffentlich verfügbaren - Erkenntnismöglichkeiten über die rechtliche und tatsächliche Einbindung der Beklagten zu 3) in die Handlungen der Beklagten zu 1) sowie über eine entsprechende Weisungsgebundenheit dieser Gesellschaft gegenüber der Beklagten zu 3) ausgeschöpft hat. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die von der Klägerin vorgelegten Informationen nicht ausdrücklich die Bundesrepublik Deutschland betreffen. Im Rahmen dieser sekundären Darlegungslast wären nach Überzeugung der Kammer der Beklagtenseite nähere Angaben zu den genannten Umständen ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen.
[...]
e) Auch der subjektive Tatbestand ist (unstreitig) gegeben.

Die subjektive Bestimmung des Abnehmers zur unmittelbaren patentverletzenden Verwendung ist offensichtlich, weil die angegriffene Ausführungsform die patentverletzende Funktionalität vorsieht und davon auszugehen ist, dass sie entsprechend ausgeführt wird, auch weil sie entsprechend beworben wird. Die objektive Eignung und die Verwendungsbestimmung der Abnehmer sind für die Beklagtenseite offensichtlich. Die „GI “-Anwendung ist von der Beklagtenseite auf die patentgemäße Benutzung zugeschnitten und wird hierfür explizit angeboten.

III. Die Beklagten sind passivlegitimiert (s.o.).

IV. Wegen der Patentverletzung hat die Klägerin die folgenden Ansprüche:

1. Der Anspruch auf Unterlassung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform besteht Wiederholungsgefahr mit Blick auf die Tathandlungen „anbieten“ und „liefern“. Denn die Wiederholungsgefahr wird durch die festgestellten rechtswidrigen Benutzungshandlungen indiziert.

Ein Schlechthinverbot ist gerechtfertigt. Die angegriffene Ausführungsform kann technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur in patentverletzender Weise verwendet werden. Die Anwendung „GI “ ohne die patentverletzende Verwirklichung der Anspruchsmerkmale zu verwenden, scheidet aus.

2. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.

Die Beklagten sind auch verpflichtet, über die Nutzungshandlungen der Beklagten zu 1) Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Es ist davon auszugehen, dass auch die Beklagte zu 3) die Möglichkeit hat, über Nutzungshandlungen der Beklagten zu 1) Auskunft zu erteilen. Die (insoweit darlegungs- und beweisbelastete) Beklagte zu 3) hat jedenfalls nicht dargetan, dass ihr eine solche Auskunft unmöglich ist, § 275 BGB. Sie hat auch die mittels des Jahresberichtes K-B-4 substantiierte Behauptung der Klägerin, die Beklagte zu 3) kontrolliere die Beklagte zu 1), nicht substantiiert bestritten (s.o.).

3. Der Schadensersatzanspruch folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG.

Die Gesamtschuldnerstellung der Beklagten folgt aus § 840 Abs. 1 BGB.
C. Eine Aussetzung mit Blick auf die von der Beklagtenseite erhobene Nichtigkeitsklage nach § 148 ZPO ist nicht veranlasst."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH: Apotheken dürfen beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch keine geringwertigen Werbegaben wie Brötchengutscheine oder Ein-Euro-Gutscheine gewähren

BGH
Urteile vom 06.06.2019
I ZR 206/17
Brötchen-Gutschein
UWG § 3a; Richtlinie 2001/83/EG Art. 4 Abs. 3; HWG § 7 Abs. 1 Satz 1; AMG § 78 Abs. 2 und 3


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Apotheken dürfen beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch keine geringwertigen Werbegaben wie Brötchengutscheine oder Ein-Euro-Gutscheine gewähren über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:


a) Gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bleiben nationale Vorschriften zur Preisbindung und zu ihrer Einhaltung von dieser Richtlinie unberührt.

b) Der weit zu verstehende Begriff der Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG umfasst abgesehen von den in § 7 HWG vorgesehenen Ausnahmen sowohl branchenbezogene als auch branchenferne Geschenke jeder Art und jeden Wertes.

c) Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (§ 78 Abs. 2 und 3 AMG) sind bei rein innerstaatlichen Sachverhalten auch nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale“ (Urteil vom 19. Oktober 2016 - C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) weder aus unionsrechtlichen Gründen noch aus verfassungsrechtlichen Gründen
unanwendbar oder unwirksam (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 29. November 2018 - I ZR 237/16, GRUR 2019, 203 = WRP 2019, 187 - Versandapotheke).

d) Mit Blick auf die Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG mit Wirkung vom 13. August 2013 kann die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen die Arzneimittelpreisbindung nicht mehr wegen des geringen Wertes der Werbegabe verneint werden.

BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 206/17 - OLG Frankfurt - LG Darmstadt

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OVG Lüneburg: Verbot von Online-Casinos und Online-Poker in § 4 Abs. 4 GlüStV ist verfassungskonform und verstößt nicht gegen Europarecht

OVG Lüneburg
Urteil vom 28.02.2019
11 LB 497/18


Das OVG Lüneburg hat entschieden, dass das Verbot von Online-Casinos und Online-Poker in § 4 Abs. 4 GlüStV verfassungskonform ist und nicht gegen Europarecht verstößt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Senat folgt diesen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Senatsbeschl. v. 17.8.2016 - 11 ME 61/16 -, juris, Rn. 30). Die Berufungsbegründung der Klägerin zu 1. führt zu keiner anderen Entscheidung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil ausdrücklich berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 30.6.2016 - C-64/15 -, juris, und Urt. v. 14.6.2017 - C-685/15 -, juris) bei der Prüfung der unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung zum Zeitpunkt ihres Erlasses, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen abzustellen ist. Im Hinblick auf die teilweise Öffnung des Internetvertriebswegs für Sportwetten hat das Bundesverwaltungsgericht weiter darauf hingewiesen, dass diese Experimentiercharakter hat und das Experiment noch nicht abgeschlossen ist, so dass die Eignung der probeweisen Öffnung noch nicht abschließend beurteilt werden kann (Urt. v. 26.10.2017 - 8 C 18/16 -, juris, Rn. 43). Dass die vom Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung und die Gesetzesbegründung angeführten spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, nicht mehr vorliegen, ist nicht ersichtlich und lässt sich, wie noch ausgeführt wird, auch den aktuellen Studien und Forschungsberichten nicht entnehmen. Die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, dass vom Online-Glücksspiel besondere Gefahren ausgehen, steht im Übrigen mit der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Einklang (Urt. v. 28.2.2018 - C-3/17 -, juris, Rn. 41 m.w.N.).

In dem aktuellen Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) „Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland - Ergebnisse des Surveys 2017 und Trends -“ vom 15. Februar 2018 wird unter Bezugnahme auf zwei Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Online-Casinospiele (darunter fallen auch Online-Pokerspiele) im Allgemeinen durch eine hohe Spielgeschwindigkeit, oftmals höhere Auszahlungsquoten als terrestrische Angebote und eine ständige Verfügbarkeit auszeichnen (S. 205). Weiter (S. 205 f.) wird in dem Forschungsbericht ausgeführt, dass Online-Casinospiele erst in jüngerer Zeit eine größere Verbreitung erfahren hätten und es vermutlich noch einige Zeit dauern werde, bis sich im Zusammenhang mit diesen Spielen auftretende Glücksspielprobleme epidemiologisch niederschlügen. Gegenwärtig sei das exakte Ausmaß der Sucht bei Online-Glücksspielen noch unklar, da die Prävalenzen des mindestens problematischen Glücksspiels unter den Teilnehmern von Online-Glücksspielen schwankten. Unter Berücksichtigung der Daten aus den beiden aktuellsten BZgA-Glücksspielsurveys aus dem Zeitraum 2015 bis 2017 seien Personen mit mindestens problematischem Glücksspielverhalten am häufigsten unter den Personen zu finden, die in den letzten 12 Monaten das „kleine Spiel“ in der Spielhalle (21,1%), Internet-Casinospiele (18,4%), Bingo (12,3%), Geldspielautomaten (10,5%), Oddset-Spielangebote (9,8%) oder Keno (9,6%) gespielt haben (S. 15 u. Tabelle 45, S. 249 f.). Der Anteil von Problemspielern bei Online-Sportwetten betrage 4,1% und bei Live-Wetten 5,8%. Eine multivariate Auswertung der zusammengefassten Erhebungen von 2015 und 2017 weise weiterhin signifikant auf das stark erhöhte Risiko von Online-Casinospielen hin. So sei das Risiko eines Online-Casinospielers fast um das 9-Fache höher mindestens problematisch zu spielen als bei einer Person, die nicht Online-Casinospiele spiele (S. 206).

Angesichts der sich aus dem aktuellen Bericht der BZgA ergebenden hohen Werte und schwankenden Ergebnisse bezüglich des Anteils von Spielern mit problematischem und pathologischem Spielverhalten bei Online-Casinospielen ist das Internetverbot für diese Glücksspiele weiterhin als verhältnismäßig anzusehen. Internet-Casinospiele stehen im Hinblick auf den Problemspieleranteil von allen in den BZgA-Surveys untersuchten Glücksspielen nach dem Automatenspiel in der Spielbank an zweiter Stelle in der Rangfolge. Gegen diese Einschätzung spricht nicht der nach der BZgA-Studie relativ geringe Anteil der Befragten am illegalen Online-Glücksspiel. Danach haben in den zurückliegenden 12 Monaten lediglich 0,6% der Befragten illegale Online-Casinospiele und 1,8% der Befragten Online-Sportwetten in der „Grauzone“ gespielt. Diese Werte stehen im Kontrast zu den Prognosen der Glücksspielmarktforschung und sind nach der BZgA-Studie möglicherweise auf Vorbehalte der Befragten zurückzuführen, über ihre Spielaktivitäten im illegalen Markt bzw. in der „Grauzone“ Auskunft zu geben. Zudem sei der Online-Glücksspielmarkt sehr unübersichtlich und die Angebote im Internet erweckten oft den Schein der Legalität, so dass den Konsumenten möglicherweise auch nicht immer bewusst sei, an einem illegalen Glücksspiel oder einem Glücksspiel in der gesetzlichen „Grauzone“ teilzunehmen.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des Endberichts des Landes Hessen zur Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrages vom 10. April 2017 geboten. In dem Endbericht wird zunächst in Abbildung 16 auf Seite 37 das Gefährdungspotenzial von verschiedenen Glücksspielen dargestellt, welches sich aus bestimmten technischen Eigenschaften und Merkmalen der Glücksspielformen ableiten lässt (angegebene Quelle: Meyer et al. (2010), S. 409, 411). Danach weisen Glücksspielautomaten in Spielbanken, Geldspielautomaten (Geldspielgeräte), gefolgt von Poker im Internet, Sportwetten (Live-Wetten im Internet) sowie Roulette in Spielbanken das höchste Risikopotenzial auf. Weiter wird anhand einer Umfrage von stationär behandelten Patienten mit pathologischem Spielverhalten aus dem Jahr 2014 überprüft, ob das unterschiedlich hohe Gefährdungspotenzial der Glücksspielformen auch empirisch belegt werden kann. Danach hat der größte Teil der befragten Patienten an Geldspielgeräten gespielt. Von 414 Patienten spielten 313 (75,6%) an Geldspielautomaten in Spielhallen, 137 (33,1%) an Geldspielgeräten in Gaststätten und 70 (16,9%) an Glücksspielautomaten in Spielbanken. Im Bereich der Online-Glücksspiele hat die Befragung ergeben, dass von den stationär behandelten Patienten 21 (5,1%) Online-Sportwetten, 48 (11,6%) Online-Kartenspiele und 31 (7,5%) Online-Casinospiele gespielt haben. Auch dem Endbericht des Landes Hessen zur Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrages lässt sich nicht entnehmen, dass das Suchtpotenzial von Online-Casinospielen das Internetverbot nicht mehr rechtfertigt. Da Online-Casinospiele erst in jüngerer Zeit eine größere Verbreitung gefunden haben, können aus einer Befragung von glücksspielsüchtigen Spielern aus dem Jahr 2014 keine hinreichenden Rückschlüsse auf die Suchtgefahr dieser Spiele gezogen werden. Das Ergebnis der Umfrage ist auch angesichts der geringen Anzahl der Befragten (414) nicht aussagekräftig. Zum Vergleich wurden bei der BZgA-Studie 2017 insgesamt 11.503 Personen telefonisch befragt. Zudem ist bei der Beurteilung des Suchtpotenzials verschiedener Glücksspielarten nicht nur pathologisches Spielverhalten, sondern auch schon problematisches Spielverhalten zu berücksichtigen, so dass die ausschließliche Befragung von aufgrund ihrer Glücksspielsucht stationär behandelten Patienten nicht ausreicht.

Der Evaluierungsbericht des Landes Hessen kommt weiter zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Lage und die Entwicklung des deutschen Glücksspielmarktes seit Inkrafttreten des GlüStV 2012 den Schluss zulassen, dass die Ziele des GlüStV bei der Glücksspielregulierung verfehlt worden seien. Im Hinblick auf Casino- und Pokerspiele im Internet schlägt der Bericht angesichts des weiter gewachsenen Marktes (von 2013 bis 2015 um 46%) und der bisher nicht wirksamen Unterbindung des illegalen Spiels zur Bekämpfung des inzwischen größten Schwarzmarkts in Deutschland aus Gründen des Spieler- und Jugendschutzes eine Regulierung dieses Marktsegments vor. Als Regelung zum Spielerschutz wird ein monatliches Verlustlimit von 1.000 EUR mit Anbindung an die Spielersperrdatei OASIS vorgeschlagen. Mit solch einer strikten Spielerschutzregelung sei die Regulierung eines Glücksspiels mit einem höheren Suchtpotenzial vertretbar (S. 40 f.). Auch danach wird das höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen nicht in Zweifel gezogen.

Dass mit einer Änderung des mit Ablauf des 30. Juni 2021 außer Kraft tretenden Glücksspielstaatsvertrags das Internetverbot weiter gelockert und für Online-Casinospiele und Online-Pokerspiele ähnlich wie bei Online-Sportwetten ein Erlaubnismodell eingeführt werden könnte, steht der Vereinbarkeit des Internetverbots mit Art. 56 AEUV zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht entgegen. Wie sich aus dem Ergebnisprotokoll der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 24. bis 26. Oktober 2018 (Top 8 Glücksspiel) ergibt, läuft derzeit eine von mehreren Bundesländern finanzierte Studie der Universität Hamburg, bei der die verschiedenen Regulierungsansätze in Europa bezüglich des Online-Glücksspiels miteinander verglichen werden sollen. Im Rahmen des Vergleichs soll eine sozio-ökonomische Analyse der Glücksspielmärkte einschließlich etwaiger Wanderungsbewegungen erfolgen sowie aufgezeigt werden, welche Folgen und Herausforderungen die jeweilige Regulierung für Aufsicht, Vollzug, Spielerschutz und Suchtprävention hat. Mit dieser Studie sollen diejenigen Fragen beantwortet werden, die im Evaluationsbericht offengeblieben sind. Die Endfassung des Berichts soll zum Projektende im Dezember 2019 vorgelegt werden.

Die von der Klägerin zu 1. angeführte Studie von Suzanne Lischer (Das Gefährdungspotenzial von Internet-Glücksspielen und Möglichkeiten des Spielerschutzes, ZfWG Sonderbeilage 4/18) gibt keinen Anlass zu einer anderen Einschätzung. Soweit die Studie zu dem Ergebnis kommt, dass Online-Glücksspiele nicht mit höheren Risiken verbunden seien als vergleichbare Spiele im stationären Vertrieb, erscheint dies spekulativ und überzeugt nicht. Dieses Ergebnis lässt sich insbesondere nicht aus der in Bezug genommenen BZgA-Studie 2017 herleiten, nach der das exakte Ausmaß der Sucht bei Online-Spielen noch unklar ist, die vorliegenden Zahlen allerdings bei Online-Casinospielen nach den Automatenspielen den zweithöchsten Anteil von Problemspielern ausweisen.

dd. Die weiteren gegen die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung angeführten Einwände der Klägerin zu 1. greifen ebenfalls nicht durch.

Die Klägerin zu 1. ist zu Recht als Verantwortliche für die Veranstaltung von Glücksspiel im Internet herangezogen worden. Veranstalter von Glücksspiel ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Glücksspielverträgen ermöglicht (Bayerischer VGH, Beschl. v. 24.1.2012 - 10 CS 11.1670 -, juris, Rn. 18; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.4.2010 -, juris, Rn. 4; Dietlein/Hecker/ Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl., § 2 Rn. 4). Dass die Klägerin zu 1. das in der Verfügung im Einzelnen bezeichnete Online-Glücksspiel veranstaltet hat, unterliegt keinen Zweifeln und ist von ihr auch nicht bestritten worden."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Apotheken dürfen beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch keine geringwertigen Werbegaben wie Brötchengutscheine oder Ein-Euro-Gutscheine gewähren

BGH
Urteile vom 06.06.2019
I ZR 206/17 und I ZR 60/18


Der BGH hat entschieden, dass Apotheken beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch keine geringwertigen Werbegaben wie Brötchengutscheine oder Ein-Euro-Gutscheine gewähren dürfen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Gewährung von Werbegaben durch Apotheken

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es wettbewerbsrechtlich unzulässig ist, wenn Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben wie einen Brötchen-Gutschein oder einen Ein-Euro-Gutschein gewähren.

Verfahren I ZR 206/17

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt in Darmstadt eine Apotheke. Sie händigte einem Kunden im September 2014 anlässlich des Erwerbs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Brötchen-Gutschein über "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" aus. Der Gutschein konnte bei einer in der Nähe der Apotheke gelegenen Bäckerei eingelöst werden. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, den Verkauf rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchen-Gutscheins zu verknüpfen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Zugabe eines Brötchen-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels verstoße gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG). Bei diesen Vorschriften handele es sich um Marktverhaltensregelungen, so dass ein solcher Verstoß zugleich wettbewerbswidrig sei (§ 3a UWG). Die Rechtsprechung habe zwar im Blick darauf, dass die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten beim Erwerb von Arzneimitteln nach dem Heilmittelwerbegesetz zulässig gewesen sei, die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht verneint. Daran könne aber nicht mehr festgehalten werden, nachdem der Gesetzgeber die entsprechende Bestimmung des Heilmittelwerbegesetzes mit Wirkung vom 13. August 2013 ausdrücklich um die Regelung ergänzt habe, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG). Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Apotheken keine Anwendung fänden (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016, C-148/15, GRUR 2016, 1312 - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale), stehe einer Anwendung dieser Vorschriften auf in Deutschland ansässige Apotheken weder aus Gründen des Unionsrechts noch aus Gründen des Verfassungsrechts entgegen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Verfahren I ZR 60/18

Sachverhalt:

Der Beklagte betreibt in Berlin eine Apotheke. Er gewährte seinen Kunden im Jahr 2014 zeitweise eine Vergünstigung in Form eines Ein-Euro-Gutscheins. Die Kunden konnten den Gutschein bei einem weiteren Einkauf in der Apotheke des Beklagten einlösen. Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, Kunden, die ein Rezept für ein rezeptpflichtiges, preisgebundenes Arzneimittel einlösen, einen Einkaufsgutschein über einen Euro zu gewähren.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Gewährung eines Ein-Euro-Gutscheins durch den Beklagten bei Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel an Verbraucher verstoße zwar gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG). Diese Preisbindungsvorschriften seien mit der Berufsausübungsfreiheit und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Apotheken keine Anwendung fänden (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016, C-148/15, GRUR 2016, 1312 - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale), stehe ihrer Anwendung auf den innerdeutschen Verkauf von Arzneimitteln nicht entgegen und führe nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung in Deutschland ansässiger Apotheken. Der hier in Rede stehende Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften durch Zuwendung einer geringwertigen Kleinigkeit sei aber nicht wettbewerbswidrig. Er sei nicht geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG). Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, dass nach der geltenden Fassung des Heilmittelwerbegesetzes auch die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften unzulässig sei (§ 7 Abs. 1 Satz Nr. 1 HWG).

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihren Klageantrag weiterverfolgt.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat im Verfahren I ZR 206/17 die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin im Verfahren I ZR 60/18 hatte dagegen Erfolg.

Nach den Entscheidungen des Senats ist die Zugabe sowohl eines Brötchen-Gutscheins als auch eines Ein-Euro-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments wettbewerbswidrig, weil beide Werbegaben gegen die geltenden Preisbindungsvorschriften verstoßen (§§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG).

Bei einer Werbung für Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG dürfen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 dieser Vorschrift ausdrücklich geregelten Ausnahmen vorliegt.

Bei diesem grundsätzlichen Verbot der Wertreklame handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann Unterlassungsansprüche begründen (§ 8 UWG). Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG soll der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden. Soweit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Werbegaben generell verbietet, soll damit außerdem ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden.

Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/?Zentrale" (Urteil vom 24. November 2016 - C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) steht der Anwendung der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes für in Deutschland ansässige Apotheken nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung liegt in den Regelungen über die Preisbindung für Apotheken, die in anderen Staaten der Europäischen Union ansässig sind, ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV). Auf innerstaatliche Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug wie in den Streitfällen sind die Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit allerdings nicht anwendbar.

Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union führt auch nicht zu einer nach nationalem Verfassungsrecht unzulässigen Inländerdiskriminierung. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt nicht, dass eine Regelung für Inländer derjenigen für andere Unionsbürger entsprechen muss, solange die Ungleichbehandlung auf sachlichen Gründen beruht. Im Blick auf die Arzneimittelpreisbindung ergibt sich ein gewichtiger sachlicher Grund bereits aus der Tatsache, dass der nationale Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit zwar hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verkaufs von Arzneimitteln durch die im Primärrecht der Europäischen Union geregelte Warenverkehrsfreiheit und die dazu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingeschränkt ist, für den Vertrieb von Arzneimitteln innerhalb Deutschlands aber keine entsprechende Einschränkung besteht. Eine unterschiedliche Behandlung von in Deutschland ansässigen Apotheken einerseits und in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässigen Apotheken andererseits ist zudem gerechtfertigt, weil sich die Arzneimittelpreisbindung im Hinblick auf die Besonderheiten des deutschen Marktes auf in Deutschland ansässige Apotheken weniger stark auswirkt als auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken, die für einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt in besonderem Maße auf den Versandhandel angewiesen sind. Die Fortgeltung der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften verstößt für im Inland ansässige Apotheken auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der mit den Bestimmungen des § 78 Abs. 1 und 2 AMG einhergehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist mit Blick auf ihren Zweck der Sicherstellung einer im öffentlichen Interesse gebotenen flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln verhältnismäßig. Unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Ermessens ist die Verhältnismäßigkeit der Preisvorschriften erst dann in Frage gestellt, wenn der Gesetzeszweck infolge des Umfangs des Verkaufs preisgebundener Arzneimittel durch ausländische Versandapotheken nicht mehr allgemein erreicht werden kann oder die gesetzliche Regelung für inländische Apotheken angesichts des Konkurrenzdrucks aus dem europäischen Ausland nicht mehr zumutbar ist. Dass dies derzeit der Fall ist, haben die Berufungsgerichte nicht festgestellt.

Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist schließlich im Sinne von § 3a UWG geeignet, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Der Umstand, dass es sich sowohl bei einem Brötchen-Gutschein als auch bei einem Ein-Euro-Gutschein um Werbegaben von geringem Wert handelt, ändert daran nichts. Der Gesetzgeber ist bei der mit Wirkung vom 13. August 2013 vorgenommenen Änderung des Heilmittelwerbegesetzes davon ausgegangen, dass jede gesetzlich verbotene Abweichung vom Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen. Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen wird. Ein Abstellen auf die finanzielle Geringwertigkeit der Werbegabe ist ausgeschlossen, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten ist.

Vorinstanzen I ZR 206/17:

LG Darmstadt - Urteil vom 10. Juni 2016 - 14 O 186/15

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. November 2017 - 6 U 164/16, GRUR 2018, 208 = WRP 2018, 105

Vorinstanzen I ZR 60/18:

LG Berlin - Urteil vom 13. Mai 2015 - 97 O 12/15, PharmR 2015, 414

KG Berlin - Urteil vom 13. März 2018 - 5 U 97/15, GRUR 2018, 839

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG

Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. Satz 2 gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

§ 7 Abs. 1 HWG

Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass

1. es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten;

2. die Zuwendungen oder Werbegaben in

a) einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag oder

b) einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden;

Zuwendungen oder Werbegaben nach Buchstabe a sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten; Buchstabe b gilt nicht für Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist;

3. die Zuwendungen oder Werbegaben nur in handelsüblichem Zubehör zur Ware oder in handelsüblichen Nebenleistungen bestehen; als handelsüblich gilt insbesondere eine im Hinblick auf den Wert der Ware oder Leistung angemessene teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Geschäftslokals oder des Orts der Erbringung der Leistung aufgewendet werden darf;

4. die Zuwendungen oder Werbegaben in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen bestehen oder

5. es sich um unentgeltlich an Verbraucherinnen und Verbraucher abzugebende Zeitschriften handelt, die nach ihrer Aufmachung und Ausgestaltung der Kundenwerbung und den Interessen der verteilenden Person dienen, durch einen entsprechenden Aufdruck auf der Titelseite diesen Zweck erkennbar machen und in ihren Herstellungskosten geringwertig sind (Kundenzeitschriften).

VG Stuttgart: Das Leben des Brian darf am Karfreitag unter der Auflage geschlossener Türen und Fenster in Kultureinrichtung gezeigt werden

VG Stuttgart
Beschluss vom 16.04.2019
4 K 2359/19


Das VG Stuttgart hat in einem Eilverfahren entschieden, dass der Monty Python Film "Das Leben des Brian" am Karfreitag unter der Auflage geschlossener Türen und Fenster in einer Kultureinrichtung gezeigt werden darf. Die zuständige Behörde (hier: Landeshauptstadt Stuttgart) muss auf Antrag eine entsprechende Befreiung vom Verbot des Feiertagsgesetzes erteilen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Eilantrag zum Veranstaltungsverbot am Karfreitag im Wesentlichen erfolgreich

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat mit Beschluss vom 16.04.2019 einem Eilantrag eines aktiven Mitglieds der Giordano-Bruno-Stiftung (Antragsteller) gegen die Landeshauptstadt Stuttgart auf Befreiung vom grundsätzlichen Veranstaltungsverbot am Karfreitag unter Auflagen stattgegeben (Az.: 4 K 2359/19). Die Landeshauptstadt Stuttgart wurde im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller unter der Auflage geschlossener Türen und Fenster eine Befreiung vom Verbot des Feiertagsgesetzes zu erteilen für die Vorführung der Filme „Das Wort zum Karfreitag (mit humanistischem Tanzsegen)“ und „Das Leben des Brian“ am 19.04.2019 zwischen 20:00 Uhr und 22:00 Uhr.

Der Antragsteller plant für den kommenden Karfreitag, 19.04.2019, eine öffentliche Veranstaltung in einer Stuttgarter Kultureinrichtung ohne Schankbetrieb, bei der unter anderem ein Einführungsvortrag zur Einordnung des Karfreitags aus humanistischer Sicht gehalten und die satirischen religionskritischen Filme „Das Wort zum Karfreitag (mit humanistischem Tanzsegen)“ und „Das Leben des Brian“ vorgeführt werden sollen.

In den Gründen hat die Kammer ausgeführt:

Nach den Regelungen des Feiertagsgesetzes Baden-Württemberg unterfällt die geplante Veranstaltung dem grundsätzlichen Verbot von öffentlichen Veranstaltungen am Karfreitag, da sie nicht der Würdigung des Feiertages oder einem höheren Interesse der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung dient.

Der Antragsteller kann jedoch für seine Veranstaltung voraussichtlich eine Befreiung vom Karfreitagsverbot beanspruchen. Dies sieht das Feiertagsgesetz in § 12 in besonderen Ausnahmefällen vor. Nach Maßgabe der erforderlichen Abwägung im Einzelfall setzen sich vorliegend die Grundrechte des Antragstellers aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (Glaubens- und Bekenntnisfreiheit in ihrer Ausprägung als Weltanschauungsfreiheit) sowie aus Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit) gegenüber dem Stilleschutz des Karfreitags durch.

Denn ausgehend vom dargelegten Gesamtkonzept der Veranstaltung zielt die Veranstaltung auf die kritische Auseinandersetzung mit dem staatlichen Karfreitagsschutz. Bloße Unterhaltungsinteressen stehen demgegenüber jedenfalls nicht im Vordergrund. Der den Filmen innewohnende Spaßfaktor stellt nach den Vorstellungen des Antragstellers gerade ein zentrales und tragendes Element seines Wirkens dar, mit dem in satirischer, karikativer und provokanter Weise der ernsthafte Charakter des Karfreitags und der staatliche Schutz des im Ursprung christlichen Feiertags in Frage gestellt werden sollen. Demgegenüber hat die Veranstaltung am konkreten Veranstaltungsort vergleichsweise geringe Auswirkungen auf den öffentlichen Ruhe- und Stilleschutz des Karfreitags. Auch die Veranstaltungsmodalitäten führen dazu, dass sich die konkreten Störungen, gemessen am Gewicht des Grundrechtsschutzes des Antragstellers, noch in vertretbaren Grenzen halten. Die Veranstaltung soll in einem geschlossenen Raum mit überschaubarer Teilnehmerzahl stattfinden, der zudem beträchtliche Abstände zu den nächst gelegenen Kirchen aufweist.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim gegeben, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen ist.


OVG Niedersachsen: Absolutes Verbot von Online-Casinospielen und Online-Automatenspielen rechtskonform - kein strukturelles Vollzugsdefizit

OVG Niedersachsen
Urteil vom 12.04.2018
11 LA 501/17


Das OVG Niedersachsen hat entschieden, dass ein absolutes Verbot von Online-Casinospielen und Online-Automatenspielen rechtskonform ist. Insbesondere liegt auch kein strukturelles Vollzugsdefizit vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Vorbringen der Klägerin, das absolute Verbot von Online-Casinospielen und Online-Automatenspielen sei unionsrechtswidrig, so dass der Erlaubnisvorbehalt aus § 4 Abs. 1 GlüStV nicht entgegengehalten werden dürfe, führt ebenfalls nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Untersagungsverfügung ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Glücksspielstaatsvertrages vom 15. Dezember 2011 (Nds. GVBl. 2012, 190, 196, in Kraft getreten am 1.7.2012) - GlüStV - i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 2 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes - NGlüSpG -. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Insbesondere kann sie nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Während § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV der Glücksspielaufsicht ein Ermessen einräumt, eine unerlaubte Vermittlung unerlaubten Glücksspiels zu untersagen, normiert § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG eine Verpflichtung zum Einschreiten.

Die Voraussetzungen für eine Untersagung sind danach erfüllt. Die Klägerin bedarf für die Veranstaltung und Vermittlung von Online-Casinospielen einer Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 GlüStV, § 3 Abs. 1 GlüStV), die sie nicht hat und die ihr wegen des Internetverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV auch nicht erteilt werden kann.

[...]

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass ein strukturelles Vollzugsdefizit im Bereich der Online-Casinospiele und Online-Pokerspiele (Beschl. v. 31.7.2017 - 11 ME 220/16 - und v. 17.8.2016 - 11 ME 61/16 -, a.a.O., juris, Rn. 40) nicht besteht. Die Ausführungen der Klägerin geben keinen Anlass zu einer anderen Einschätzung. Angesichts der Vielzahl von Glücksspielangeboten im Internet ist ein zeitgleiches Vorgehen gegen alle Anbieter selbst bei Einsatz erheblicher Ressourcen nicht möglich, so dass es auf ein systematisches Vorgehen der zuständigen Behörde ankommt. Dementsprechend ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte gegen illegales Glücksspiel im Internet systematisch im Vollzugsverbund mit den anderen Bundesländern einschreitet und sein Handeln auch im vorliegenden Fall an den gemeinsam festgelegten Kriterien ausgerichtet hat. Dass sich die Klägerin nicht auf der Prioritätenliste der Länder befindet, steht einem Vorgehen gegen sie nicht entgegen. Entscheidend ist vielmehr, dass sich der Beklagte entsprechend den gemeinsam festgelegten Kriterien der Länder an Umfang und Verbreitung des Angebotes der Klägerin auf dem deutschen Markt orientiert hat. Dass es sachlich gerechtfertigt ist, nach der Größe der Anbieter zu differenzieren, liegt auf der Hand. Insofern begegnet es keinen Bedenken, zur Sachverhaltsermittlung auf Rankinglisten und Suchanfragen im Internet zurückzugreifen. Im Übrigen hat die Klägerin auch im Zulassungsverfahren nicht bestritten, dass sie zu den größeren und bekannteren Anbietern von Online-Casinospielen und Online-Automatenspielen gehört, deren Angebote von einer hohen Anzahl von Spielern in Deutschland genutzt werden."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: EU-Staaten dürfen rechtswidrige Beförderungsleistungen über Smartphone-App Uber Pop verbieten und unter Strafe stellen

EuGH
Urteil vom 10.04.2018
C-320/16
Uber France SAS


Der EuGH hat entschieden, dass EU-Staaten rechtswidrige Beförderungsleistungen über die Smartphone-App Uber Pop verbieten und unter Strafe stellen dürfen. Es ist auch keine Mitteilung an die EU-Kommission erforderlich.

Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier:

Leitsatz der Entscheidung:

Art. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung und Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sind dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, mit der die Organisation eines Systems der Zusammenführung von Kunden und Personen, die ohne eine entsprechende Genehmigung entgeltlich Leistungen der Beförderung von Personen in Fahrzeugen mit weniger als zehn Sitzplätzen erbringen, strafrechtlich geahndet wird, eine „Verkehrsdienstleistung“ betrifft, soweit sie auf einen Vermittlungsdienst Anwendung findet, der mittels einer Smartphone-Applikation erbracht wird und integraler Bestandteil einer hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung ist. Ein solcher Dienst ist vom Anwendungsbereich dieser Richtlinien ausgenommen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Allgemeines und absolutes Verbot jeglicher Werbung durch Zahnärzte für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung europarechtswidrig

EuGH
Urteil vom 04.05.2017
C-339/15
Luc Vanderborght


Der EuGH hat entschieden, dass ein allgemeines und absolutes Verbot jeglicher Werbung durch Zahnärzte für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung europarechtswidrig ist. Einschränkungen der Werbefreiheit können jedoch zulässig sein, sofern sie für den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Würde des Zahnarztberufs erforderlich sind.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Ein allgemeines und ausnahmsloses Verbot jeglicher Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung ist mit dem Unionsrecht unvereinbar

Die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Würde des Zahnarztberufs können es allerdings rechtfertigen, die Formen und Modalitäten der von Zahnärzten verwendeten Kommunikationsinstrumente einzugrenzen
Herr Vanderborght, ein in Belgien niedergelassener Zahnarzt, warb für Leistungen der Zahnversorgung. Zwischen 2003 und 2014 hatte er eine Stele mit drei bedruckten Seiten aufgestellt, auf denen sein Name, seine Eigenschaft als Zahnarzt, die Adresse seiner Website und die Telefonnummer seiner Praxis angegeben waren. Ferner hatte er eine Website erstellt, auf der die Patienten über die verschiedenen Arten der in seiner Praxis angebotenen Behandlungen informiert wurden. Außerdem schaltete er Werbeanzeigen in lokalen Tageszeitungen.

Aufgrund einer Beschwerde des Verbond der Vlaamse tandartsen, eines zahnärztlichen Berufsverbands, wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen Herrn Vanderborght eingeleitet. Das belgische Recht verbietet nämlich ausnahmslos jede Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung und schreibt vor, dass ein an die Öffentlichkeit gerichtetes Zahnarztpraxisschild schlicht sein muss.

Herr Vanderborght führt zu seiner Entlastung an, dass die fraglichen belgischen Regelungen gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und die im AEU-Vertrag vorgesehene Dienstleistungsfreiheit1, verstießen. Die Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg te Brussel, strafzaken (Niederländischsprachiges Gericht erster Instanz für Strafsachen Brüssel), bei der das Verfahren anhängig ist, hat beschlossen, den Gerichtshof hierzu zu befragen.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr Rechtsvorschriften entgegensteht, die – wie die belgischen Rechtsvorschriften – jede Form kommerzieller Kommunikation auf elektronischem Weg zur Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung, auch mittels einer von einem Zahnarzt erstellten Website, verbietet.

Der Gerichtshof führt aus, dass Inhalt und Form der kommerziellen Kommunikationen zwar durch berufsrechtliche Regelungen wirksam eingegrenzt werden können, dass solche Regelungen jedoch kein allgemeines und ausnahmsloses Verbot jeder Form von Online-Werbung zur Förderung der Tätigkeit eines Zahnarztes enthalten dürfen.

Ferner steht die Dienstleistungsfreiheit nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die allgemein und ausnahmslos jegliche Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung verbieten.

Insoweit ist der Gerichtshof der Ansicht, dass ein Werbeverbot für eine bestimmte Tätigkeit geeignet ist, für die diese Tätigkeit ausübenden Personen die Möglichkeit einzuschränken, sich bei ihren potenziellen Kunden bekannt zu machen und die Dienstleistungen, die sie ihnen anbieten möchten, zu fördern. Ein solches Verbot stellt damit eine Beschränkung der Dienstleistungsfähigkeit dar.

Der Gerichtshof lässt die Ziele der in Rede stehenden Rechtsvorschriften, d. h. den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Würde des Zahnarztberufs, als zwingende Gründe des Allgemeininteresses gelten, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können. Ein intensives Betreiben von Werbung oder die Wahl von Werbeaussagen, die aggressiv oder sogar geeignet sind, die Patienten hinsichtlich der angebotenen Versorgung irrezuführen, kann nämlich dem Schutz der Gesundheit schaden und der Würde des Zahnarztberufs abträglich sein, indem das Image des Zahnarztberufs beschädigt, das Verhältnis zwischen den Zahnärzten und ihren Patienten verändert und die Durchführung unangemessener oder unnötiger Behandlungen gefördert wird.

Der Gerichtshof ist allerdings der Auffassung, dass ein allgemeines und absolutes Verbot jeglicher Werbung über das hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist. Diese könnten mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreicht werden, die – gegebenenfalls stark – eingrenzen, welche Formen und Modalitäten die von Zahnärzten verwendeten Kommunikationsinstrumente annehmen dürfen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Alle Jahre wieder: Mahnbescheide in Filesharing-Sachen zur Weihnachtszeit - Ruhe bewahren - Fristen einhalten

Wie immer zum Ende des Jahres werden zur Weihnachtszeit zahlreiche Mahnbescheide in Filesharing-Angelegenheiten verschickt. Dabei handelt es sich oft um Altfälle.

Tipp: Wer einen Mahnbescheid erhält, sollte Ruhe bewahren. Auch wer bislang noch nicht anwaltlich beraten wird, sollte sich juristisch beraten lassen.

Ein gerichtlicher Mahnbescheid bedeutet nicht, dass das Gericht den Anspruch geprüft hat. Gerade in Filesharing-Angelegenheiten geschieht nach einem fristgemäßen Widerspruch häufig nichts mehr.

Dabei gilt es die 14tägige Widerspruchsfrist einzuhalten. Wird die Frist versäumt muss unbedingt die 14tägige Einspruchsfrist gegen den nachfolgenden Vollstreckungsbescheid eingehalten werden.

Siehe auch zum Thema:
"Abwehr von Filesharing-Abmahnungen - bereits bei der ersten Reaktion auf eine Abmahnung dürfen keine Fehler gemacht werden"

Mahnbescheide zur Weihnachtszeit in Filesharing-Angelegenheiten - 14tägige Widerspruchsfrist einhalten


BGH: Zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interesse durch Anwalt und Nichtigkeit des Anwaltsvertrages - Gebühreninteresse zum Nachteil des Mandanten reicht nicht aus

BGH
Urteil vom 12.05.2016
IX ZR 241/14
BGB § 134; BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8, § 43a Abs. 4, § 45 Abs. 1 Nr. 4, § 59c; HGB § 84


Leitsätze des BGH:

a) Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist nichtig.

b) Ein Anwaltsvertrag verstößt nicht deshalb gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, weil der Anwalt im Gebühreninteresse für den Mandanten nachteilige Maßnahmen treffen könnte.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - IX ZR 241/14 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: